EIN  GANG  DURCH  DAS  DEKANAT  SCHMALKALDEN

 

Die Betrachtung dieser Seite lohnt sich an sich nur, wenn Sie die bebilderten Seiten zu den Orten Barchfeld, Herrenbreitungen, Trusetal, Fambach, Schmalkalden, Brotterode, Kleinschmalkalden, Seligenthal, Floh, Oberschöanu, Steinbach-Hallenberg, Springstille über diesen Link aufrufen.

 

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Kreiskarte geologisch

Kreiskarte historisch

                   Alte Karte

                   Dekanat Schmalkalden

 

Barchfeld

Wer von Eisenach nach Schmalkalden reist trifft mit Barchfeld die erste Gemeinde des Dekanats Schmalkalden. Der Industrieort Barchfeld gehört heute politisch zum Kreis Bad Salzungen. Im Ort stehen noch das Schloß des Landgrafen von Hessen‑Philipps­thal‑Barchfeld, in dem heute das Fleisch­kombinat untergebracht ist, und in unmittel­barer Nachbarschaft das Schloß der Grafen von Stein, das im Verfall begriffen ist.

 

                                            Steinsches Schloß                                                           Landgräfliches Schloß

 

                  Wurstfabrik

 

In der Nähe steht auch die Kirche  von Barchfeld:

    

 

Inneres der Kirche von Barchfeld:

Für die Grafen war extra ein Kirchenstuhl in der Kirche aus dem Jahre 1749/51 reserviert.

 

In der Nähe stehen das Pfarrhaus und das 1965 errichtete Gemeindehaus. Außerdem unter­hält die Kirchengemeinde einen Kindergarten mit 45 Plätzen. Früher wohnten in Barchfeld viele Juden, von denen noch die Grabsteine auf dem Friedhof zeugen.

In der Nazizeit wurden alle verschleppt und ermordet.


Herrenbreitungen

Hinter Barchfeld gelangt man wieder auf thüringisches Gebiet. Der Ort heißt heute „Breitungen“. Dieser Name wird in einer auf den 1. Juni 933 datierten Urkunde zum ersten Male erwähnt. Seit 1137 aber tauchen schon die Bezeichnungen „Altenbreitungen“ und „Königsbreitungen“ auf. Da seit alten Zeiten auf einem Felsvorsprung zur Werra hin eine fränkische Pfalz stand, hält sich auch der Name „Burgbreitungen“ bis ins 16. Jahrhundert. Auf der anderen Seite der Werra entstand 1150 ein Prämonstratenser­kloster, das etwa 100 Jahre später nur noch Nonnen beherbergte. Deshalb heißt der Ortsteil „Frauenbreitungen“.

      

                                  Blick auf Frauenbreitungen                                            Blick auf Herrenbreitungen

 

Auf dem Burghügel entstand ein 1112 geweihtes Bene­diktinerkloster. Der dazugehörige Ortsteil wurde „Herrenbreitungen“ genannt. Das Kloster wurde nach Abzug der Mönche im Jahre 1552 zu einem Schloß der Grafen von Henneberg umgebaut. Nur das Langhaus der Klosterkirche mit dem Zylinderdach ist erhalten; es ist die älteste erhaltene Kirche der Hirsauer Kongregation in Thüringen.              

                                                        Klosterkirche

 

                               Kirche und Schloß

 

In der Nähe der Kirche steht die Dorfkirche aus den Jahren 1731‑38. Die Emporen zeigen einen symbolischen Gemäldezyklus in Delf­ter Blau. Der Turm der Dorfkirche hat zu einer 1183 erwähnten „Michaelskapelle“ gehört.

   

                                                          Dorfkirche von Herrenbreitungen

 

Neben der Dorfkirche steht das Gemeindehaus aus dem Jahre 1953. So zeigt sich hier auf engstem Raum ein Beispiel für die kirchliche Entwicklung von der Kloster­kirche über die Missionskapelle zur Dorfkir­che und schließlich zum Gemeindehaus, in dem sich die Gemeinde von heute trifft.

                                                                           Gemeindehaus

 

Auf dem Friedhof Herrenbreitungen steht außer­dem noch eine „Gottesackerkirche“ von 1726/28. Durch den „Salzunger Vertrag“ vom August 1583 wurde das Dorf verwal­tungsmäßig getrennt: Herrenbreitungen fiel an Hessen, Alten‑ und Frauenbreitungen an Sachsen. Daher gehören heute Alten‑ und Frauenbreitungen zur Superintendentur Bad Salzungen, während Herrenbreitungen zum Dekanat Schmalkalden zählt. Die drei Orts­teile bilden eine Großgemeinde mit etwa 6.000 Einwohnern, von denen etwa 1.250 zu Herrenbreitungen gehören.

 

 

Trusetal

Über Winne und Wahles führt ein Abstecher an den Fuß des Gebirges nach Trusetal. Der Ort ist 1950 aus den Ortstellen Trusen, Herges‑Vogtei, Auwallenburg, Elmenthal und Laudenbach entstanden.

        

Die Kirche aus dem Jahre 1744 steht in Trusen und wurde 1760 mit Ornamenten im Zopfstil ausgemalt.

                    

In Trusen sind auch das Pfarrhaus und das Gemeindehaus, in Herges ein neues Gemein­dehaus mit Katechetenwohnung. Bekannt ist der Ort wegen seines 1865 an der Straße nach Brotterode künstlich angelegten Wasserfalls mit 50 Meter Fallhöhe, der im Winter abge­stellt wird. Auf dem Hainberg liegt die Wallenburg, die 1249 errichtet und mit einem doppelten Wallgraben versehen wurde. Die Burg, auf der 1516 Götz von Berlichingen weilte, ist im Bauernkrieg ausgebrannt. Von dem 27 Meter hohen Turm hat man einen guten Blick ins Werratal. Wirtschaftlich herrscht der Bergbau vor: Eisenmanganerz, Schwerspat und Flußspat werden abgebaut.

 

                         Kirchenvorsteher und Synodalmitglied Waldemar Brenn bei seiner täglichen Arbeit

 

 

 

Fambach und Heßles

Zum Kirchspiel Trusen gehörte bis 1968 auch der Ort Heßles, den man über den „Dreh­berg“ erreichte. Er hat seinen Namen von der Sitte her, bei Leichenzügen nach Trusen dort oben den Sarg zu drehen.

 

Heßles hat einen Kirchsaal (Simultangebäude), der an das Bürgermeisteramt angebaut wurde. Das Gebäude wurde 1865 aus Mitteln des Gustav‑Adolf‑Werkes errichtet. Im Jahre 1965 wurde das „Paul‑Schneider‑Haus“ gebaut. Es dient als Gemeinde‑ und Unter­richtsraum und Sommerquartier für kirchli­che Urlauber. Noch weiter hinten im Tal liegt Nüßles mit einem idyllischen Freibad und einem Campingplatz.

 

Heßles gehört heute zum Kirchspiel Fam­bach, dessen Kirche aus dem Jahre 1616 (Turm 1716 erneuert) sich auf einem Hügel über dem Werratal erhebt.

 

Die Kirche ist an den Emporen mit Bildern aus dem Alten und Neuen Testament ausgemalt. Die Deckenge­mälde zu biblischen Geschichten wurden 1778 von den Brüdern Leyh aus Tann geschaffen. Eine Kostbarkeit sind Altar (1623) und Kanzel (1620), die von dem einheimischen Kunsttischler Franz Heller (gestorben 1635) gearbeitet und mit Einlegearbei­ten versehen wurden. Das farbige Maiglöck­chen am oberen Ende der Kanzeltreppe ist einmalig in Deutschland. Eine weitere Kost­barkeit ist der Taufstein von 1629.

 

Neben der Kirche steht das „Albert‑Schweitzer‑Haus“, eines der schönsten Gemeindehäuser im Deka­nat. Im Jahre 1959 gab der Urwalddoktor in einem persönlichen Brief seine Zustimmung, daß das Haus seinen Namen tragen darf.

    

                              Kirchenhügel, Pfarrhaus  und Gemeindehaus in Fambach

 

 

Schmalkalden

Zum Kirchspiel Schmalkalden gehören eine Reihe von Vororten und Dörfern, die zugleich Predigtstätten sind. Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen finden statt in Haindorf, Aue, Weidebrunn, Näherstille, Grumbach, Mittelstille, Breitenbach und Asbach. Die Dörfer ohne Kirche haben eine Kirchenschule, ein „Simultangebäude“, wo sich unter einem Dach die Räume für die Bürgergemeinde (Schule, Kindergarten, Bür­germeisteramt, Schwesternstation) und für die Christengemeinde befinden (auch „Kirchsaal“ oder „Betsaal“ genannt). Es sind durchweg würdige und schöne Räume, alle mit Orgeln ausgestattet. Sie bieten 50 bis 100 Personen Platz. Der Rat der Gemeinde ist für die bauliche Instandhaltung des Äuße­ren zuständig sowie für die Turmuhr, wäh­rend die Kirchengemeinde die alleinige Ver­fügung über den Innenraum hat. Dieses Nebeneinander hat sich bewährt; gelegent­lich hilft man sich auch mit Stühlen aus. Solche Simultangebäude findet man u. a. in den Schmalkalder Dörfern Weidebrunn, Näherstille (1851), Grumbach, Mittelstille (1864) und Breitenbach (1854) sowie in Bermbach.

 

Haindorf und Asbach

nehmen eine Sonderstellung in der Kirchengemeinde Schmalkalden ein, weil sie einen eigenen Kirchenvorstand und eine eigene Kirche haben. Haindorf wird heute von Herrenbreitungen pfarramtlich verwal­tet. Die Kirche wurde in den Jahren 1444‑67 errichtet und ist somit die älteste Kirche des Dekanats.   

 

Sie war zu Luthers Zeit eine berühmte Wallfahrtskirche. In der Kirche befindet sich eine steinerne Nachbildung des „Heiligen Grabes“, also des Grabes Jesu, die aus der Heilig‑Grabes‑Kapelle in Asbach stammt.

 

 

Eine Besonderheit sind die beiden Glocken: Die erste trägt die Inschrift: „anno domini 1463 hilff got maria brot“, die andere: „anno domini 1464 nomen osanna“. Sie wurden während des Baues der Kirche von einem Wandergießer aus der Naumbur­ger Gegend gegossen; seinen Namen kennen wir nicht, er wird der „Meister mit dem Rankenmotiv“ genannt. Die Haindorfer Glocken sind wohl die letzten noch erhalte­nen Werke jenes Meisters. Sie kamen im Zweiten Weltkrieg auf den Glockenfriedhof in Hamburg und waren zum Einschmelzen für Kanonen vorgesehen. Nach dem Krieg wurden sie von dem Ortspfarrer Fischer in Hamburg aufgefunden und wieder nach Haindorf gebracht.

Im Stadtteil Aue befindet sich die "Christliche Pflegeanstalt" mit 140 Plätzen, die vom Bund-Evangelsich Freikirchlicher Gemeinden gerargen wird. Auch dort finden regelmäßig Heimgottesdienste statt, die wechselweise von den verschiedenen Konfessionen gehalten werden.

 

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Blick auf Schmalkalden und das Schloß

 

Schmalkalden

Die Altstadt Schmalkaldens wird überragt von der Stadtkirche Sankt Georg. Sie geht auf eine Pfarrkirche aus dem 11. Jahrhundert und eine romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert zurück.

 

Der Bau der heuti­gen gotischen Kirche begann 1437 mit dem Chor, der 1500 durch den Bischof von Würzburg geweiht wurde.

  

 

Der Nordturm aus dem Jahre 1447 trägt die „Große Oster“, die zweitgrößte Glocke in Thüringen. Der Südturm wurde 1570/71 bis zur Höhe des zweiten Obergeschosses abgetragen und mit Steinen des abgerissenen Augustinerklosters neu gebaut. Zu Luthers Zeiten hatten die Türme wahrscheinlich spitze Helme.

               

                                               Türme von Westen                                                Südportal

 

Die Hallenkirche hat einen fast quadrati­schen Grundriß, und alle drei Schiffe haben annähernd die gleiche Höhe.

 

 

Die Gewölbe­rippen zeigen unterschiedliche Muster. Die steinerne Kanzel stand ursprünglich am zweiten südlichen Pfeiler, wo jetzt das Bild­nis Luthers in Stein gehauen ist. Die heutige Kanzel ist von 1669, der Taufstein und der Gotteskasten von 1560, der Kronleuchter von 1642. Im Raum über der Sakristei, der ursprünglich Paramentenkammer und Bibliothek war, befindet sich heute das Kir­chenmuseum mit einem Schnitzaltar, mehre­ren Ölbildern, einem Meßgewand, einem Schmerzensmann, Musikinstrumenten und anderem. Der Raum wird „Lutherstube“ genannt.

 

In Schmalkalden gibt es eine ganze Reihe von Gebäuden, die mit der Kirchengeschichte verbunden sind. Hervorgehoben seien nur die Hospitalskapelle vor dem Weidebrunner Tor aus dem 14. Jahrhundert, die heute noch von der Gemeinde genutzt wird.

         

             Hospital                                            Hospitalskapelle

 

Die Schloßkirche aus dem Jahre 1590 ist rich­tungweisend für den protestantischen Kirchenbau in Deutschland. Man hat keinen Zentralbau geschaffen, wie sonst gern im Barock, sondern eine typisch evangelische Predigtkirche, in der Kanzel und Emporen eine herausragende Rolle spielen. An drei Seiten sind zwei Emporen, an der anderen Seite sind Taufstein, Altar und Kanzel und manchmal noch die Orgel in einer Achse angeordnet.

       

Schloßkirche                       Kanzel

 

Die Schloßkirche wurde Vorbild für viele Kirchen in der Umgebung, die in der Zeit des Landgrafen Karls I. entstanden und deshalb „Karlskirchen“ genannt wer­den. Treibende Kraft dafür war der in Schmalkalden wohnende hessische Landbau­meister Adam Johann Erdinger. Meist haben diese Kirchen keinen vollständigen Turm, sondern nur einen aufgesetzten Dachreiter.

 

Zwischen Hospitalskapelle und Schloß befinden sich drei kirchliche Gebäude, die heute wichtige Funktionen erfüllen:

 

 

Das Haus der Landeskirchlichen Gemeinschaft, die im Dekanat stark vertreten ist und außerdem noch eigene Häuser in Asbach, Floh und Steinbach‑Hallenberg hat.

 

Zum andern das neue Gemeindehaus mit einem großen Gemeindesaal sowie Räumen für Christen­lehre, Gruppengespräche, Jugendarbeit und die Stadtkirchenkasse.

 

Das Gemeindehaus konnte nach großzügiger Genehmigung der staatlichen Stellen und mit Hilfe der Evangelischen Kirche von Kurhessen‑Waldeck errichtet werden. Auch aus der Gemeinde kamen reichliche Spenden; auch das Dekanat hat den Bau finanziell unter­stützt. Am 27. September 1986 konnte es in Gegenwart der Bischöfe Dr. Jung (Kassel) und D. Leich (Eisenach) vom Dekan des Kirchenkreises, Kirchenrat Schreiber, einge­weiht werden.

 

 

Schließlich steht hier der Evangelische Kindergarten mit etwa 60 Plät­zen, eine besondere Äußerung kirchlichen Lebens in der Stadt.

 

Auf der anderen Seite des Schlosses erstreckt sich ein kleines Neu­baugebiet mit etwa 5.000 Einwohnern. Die Gemeindeglieder dort gehen entweder zum Gottesdienst nach Näherstille oder in die Stadt (die Entfernung beträgt in beiden Fäl­len etwa zwei Kilometer). Da ist es gut, daß in dem großen staatlichen Feierabend‑ und Pflege­heim im Neubaugebiet mit seinen 300 Bewohnern jede Woche ein Gottesdienst gehalten werden darf (einmal im Monat vom katholischen Pfarrer). Weiter Einzelheiten zu zur Stadt Schmalkalden finden sich unter „Luther in Schmalkalden“.

An das Neubaugebiet und die Gebäude des Werkzeugkombinats schließt sich Asbach an, das größte der Schmalkalder Dörfer mit 1.500 Einwohnern.

           

Neubaugebiet                                   Kirche in Asbach

 

Die Kirche ist 1723 im Barockstil errichtet und löste ein Gotteshaus von 1556 ab. Der Altar und der Taufstein sind ebenfalls im Jahre 1723 hergestellt wor­den, während das Abendmahls­bild an der Decke unter der Orgelempore 1747 von T. G. Fabarius gemalt wurde, ein schönes Beispiel bäuerlicher Kunst. Außerdem gab es am Ortsausgang in Richtung Schmalkalden die „Kapelle zum Heiligen Grab“.

 

 

Brotterode

In einem weiten Talkessel, der sich nach Westen öffnet, schon jenseits der Schmalkal­de­quelle, liegt Brotterode. Die Kleinstadt mit ihren fast 4.000 Einwohnern liegt durch­schnittlich 580 Meter hoch am Fuße des 916 Meter hohen Inselberges. Jährlich kommen Tausende von Urlaubern und viele Wanderer in dieses sehr schöne Gebiet. Für die Hobby­sportler ist Brotterode im Sommer und Win­ter Ausgangspunkt des Rennsteig‑Massen­laufes. Viele Weltmeister und Olympiasieger im Skispringen sind aus diesem Ort hervor­gegangen. Neben der zweitgrößten Schanze des Landes (Schanzenrekord 110 Meter) gibt es noch sechs Schanzen für sportbegeisterte Kin­der und Jugendliche.

 

  

Blick auf Brotterode                        Blick vom Seimberg

 

Jahrhundertelang wurde in Brotterode Eisen­erz gefördert und verarbeitet. Namen wie „Zainhammer“ und „Drahthammer“ weisen heute noch auf diesen Erwerbszweig hin. Um die Jahrhundertwende blühte die Zigar­renindustrie. Neben einigen Großbetrieben wurden in vielen Häusern Zigarren in Hand­arbeit hergestellt. Frauen und Männer hat­ten dadurch Arbeit, denn die Landwirtschaft wurde wegen der Höhenlage und der langen Winter nur im Nebenerwerb betrieben.

Heute werden in Brotterode hauptsächlich Scheinwerfer und Signalhörner für Autos produziert; dazu kommen Erzeugnisse der Metallverarbeitung.

Der verheerende Brand von 1895 äscherte 729 von 842 Gebäuden ein. In nur zwei Stunden war der ganze Ort ein Raub der Flammen. Auch die 1778/79 gebaute Kirche (heute auf einem Glasfenster im Altarraum dargestellt) und das Pfarrhaus brannten völlig nieder. Der gesamte Ort wurde danach neu geplant und in wenigen Jahren wieder aufgebaut sowie an das Eisen­bahnnetz angeschlossen.

 

 

In knapp zwei Jah­ren wurde die große neugotische Kirche mit kreuzförmigem Grundriß errichtet. Sie konnte fünf Jahre nach dem Brand am 10. Juli 1900 eingeweiht werden und faßt an die 1.000 Personen. Nach vielen Vorarbeiten wurde 1982 eine gründliche Renovierung abgeschlossen. Vor der Kirche steht das Pfarrhaus, in dem sich auch zwei kleine Gemeinderäume befinden.

 

 

 

Pappenheim (heute Kleinschmalkalden)

Mit Brotterode eng verbunden ist Pappen­heim, weil vom Brotteroder Pfarrer die lutherischen Gemeindeglieder und vom Pap­penheimer Pfarrer die reformierten in beiden Gemeinden versorgt wurden. Pappenheim hieß früher „ Kleinschmalkalden“ und gehörte von 1360‑1583 drei Landesherren, danach Hessen und Sachsen‑Coburg‑Gotha. Entsprechend hat es auch zwei Kirchen, zwei Pfarrhäuser und zwei Friedhöfe. Die Gemeindeglieder links der Schmalkalde gehören zur Superintendentur Friedrichroda, sind aber verwaltungstechnisch dem Dekanat Schmalkalden angeschlossen. Ihr Ortsteil ist aus dem Forsthaus des Herzogs von Gotha und den Häusern seiner Waldarbeiter hervorgegangen.

 

 

Ihre Kirche stammt aus dem Jahre 1854 und wurde nach einem Streit zwischen den beiden Kirchengemeinden gebaut. Sie wird im Sommer für Gottesdienste und Amtshandlungen genutzt.

 

 

Auf der „hessischen Seite“ steht die Kirche aus dem Jahre 1719. Im dortigen Pfarrhaus wohnt auch der Pfarrer. In unmittelbarer Nähe steht die Kirche der Methodisten. Der Ort wurde 1945 umbenannt zu Ehren des Schmalkalder Journalisten Ludwig Pappenheim, der in der Nazizeit in einem Konzentrationslager umgebracht wurde. Die Einwohner ernähr­ten sich früher vorwiegend von Korbflechte­rei, heute herrscht die Produktion von Lederwaren, Kulturwaren und Kleinmetallwaren vor.

 

     

Blick auf Pappenheim                   Äußeres der Kirche

                 

Inneres der Kirche

 

Seligenthal

Zum Kirchspiel gehören die Ortschaften Hohleborn, Seligenthal mit Atzerode, Rei­chenbach und Schnellbach mit dem fast am Rennsteig liegenden Nesselhof. Neben der kargen Landwirtschaft lebten die Seligenthaler früher von verschiedenen Handwerken und vom Bergbau. Die Gloc­kengießerei Bittorf und die Orgelbaufirma Peternell waren vor allem in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bekannt. In der Seligenthaler Kirche ist noch eine Peter­nellorgel erhalten; leider wurden in den fünf­ziger Jahren größere Umbauten an der Orgel vorgenommen, so daß nur noch 60 Prozent des Werks original sind.

 

 

Die Kirche selbst wurde 1687‑98 gebaut. Die Emporen zeigen 42 Szenen des Alten Testaments, an der Decke sind 21 größere Bilder des Malers Valentin Merkel zu Szenen des Neuen Testaments zu sehen. Lange Zeit war eine kleine Tanne, die auf dem Torbogen des Kirchhofs wächst, das Wahrzeichen für Seligenthal.

Der Kirchengemeinde stehen noch ein Kirch­saal und verschiedene Gemeinderäume zur Verfügung.

        

Inneres der Kirche in Seligenthal

 

Die kleinere und schlichtere Schnellbacher Kirche ist 1740 fertiggestellt worden. In den Jahren 1983‑85 kam noch ein kleiner Kirchsaal hinzu.

 

    

 

 

Floh

Der Ort Floh wird 1401 zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt, ist aber viel älter. Die ältesten Ortsbezeichnungen stammen durchweg von den Gewässern, an denen sie liegen. Floh liegt an der  „Floh“, was „schnellfließendes“ oder „fliehendes Was­ser“ bedeutet. Der Name „Floh“ ist als Ortsname einmalig. Der jetzige Kantor hat ein „Flohlied“ geschrieben und vertont: „... Floh, Floh, heißt nun mal so, so, es ist gar kein Floh und doch heißt es so..“. Der Ort liegt an der alten Handelsstraße, die über den Thüringer Wald nach Tambach­-Dietharz führte. Da hier eine „Ausspanne“ war, siedelten sich schon früher Fuhrleute, Waldarbeiter und Bergleute an, und der Ort gewann rasch an Bedeutung. Als am 26. Februar 1537 der todkranke Luther den Schmalkalder Konvent verließ, ist er durch Floh und Schnellbach gefahren.

Im Jahre 1672 wurde in Floh eine reformierte Pfarrstelle eingerichtet. Ein Teil des Pfarrstel­leneinkommens bestand aus Frischbier, das von jedem Gebräu dem Pfarrer abzuliefern war. Aus diesem Grunde, sagt man, würde die Pfarrkonferenz des öfteren in Floh gehal­ten.

 

In den Jahren 1710‑12 wurde eine Kir­che „aus Stein“ gebaut, die am Westeingang das schöne Wappen des Landgrafen Karl I. trägt. Der Opferstock aus dem Jahre 1598 erinnert noch an die alte Holzkirche. Um die Jahrhundertwende wurden über 400 Häuser des Ortes durch drei Großbrände vernichtet, denen auch das Pfarrhaus mit dem größten Teil des Archivs zum Opfer fiel.

 

 

Pfarrhaus bei der Renovierung                          Pfarrhaus mit Gemeindeverwaltung

 

Das Dorf wurde wieder aufgebaut und ist heute mit seinen 1.800 Einwohnern ein beliebter Ferienort. Weitere Erwerbszweige sind die Holzverarbeitung (Sportgeräte) und erstaun­licherweise auch Fischindustrie. Neben das Pfarrhaus wurden 1950 ein Kirchsaal und ein Unterrichtsraum gebaut.

 

Das drei Kilometer entfernte Struth‑Helmers­hof mit seinen 1.400 Einwohnern ist Filialort. Außer der 1776 erbauten Kirche hatte man bis jetzt dort keinen kircheneigenen Raum. Nach altem Recht werden die Christenlehre, der Konfirmandenunterricht und alle kirchli­chen Abendveranstaltungen in Räumen der Schule abgehalten.

Durch Eigeninitiative des Kirchenvorstandes und der Gemeindeglieder ist jedoch ein stattliches Gemeindehaus im Entstehen. In Struth‑Helmershof sind heute besonders die Kunststoffverarbeitung und das Drechslerhandwerk zu Hause.

 

                                                                             Kirche in Struth-Helmershof

 

 

 

Oberschönau

Das Kirchspiel Oberschönau ist das jüngste im Dekanat, denn es wurde 1902 vom Kirch­spiel Steinbach‑ Hallenberg abgetrennt. Zwischen den Bergen des Thüringer Waldes liegen die Orte Oberschönau und Unter­schönau im engen Haseltal. In früherer Zeit dröhnten hier am Lauf der Hasel die soge­nannten „Zainhämmer“, mit denen die Nagelchmiede ihr Handwerk betrieben. Heute hat sich in beiden Orten eine vielseitige Metallin­dustrie entwickelt. Wegen der reizvollen Umgebung (Höhenlage 500‑700 Meter) kommen jährlich viele Urlauber nach Ober­schönau.

 

So mancher findet auch den Weg in die Oberschönauer Kirche, in der im Jahre 1701 zum ersten Mal gepredigt wurde. Diese Kirche steht in einer Reihe mit den Wohnhäusern und könnte von daher ein Ausdruck der reformierten Glaubensrich­tung sein, die alle prunkvolle Hervorhebung vermeiden will.

Bis 1930 gab es auch in Oberschönau noch lutherische und refor­mierte Gemeindeglieder, die dann zu einer einzigen evangelischen Gemeinde vereinigt wurden. Das Pfarrhaus liegt sehr idyllisch am Hang des Petersberges oberhalb der Kirche.

 

 

Talabwärts kommt man in die Filialgemeinde Unterschönau. In der Mitte des Dorfes steht neben Schule und Bürgermei­steramt die malerische kleine Kirche. Sie wurde im Jahre 1900 anstelle eines baufällig gewordenen Betsaales gebaut. In den Jahren 1961/62 wurde in Eigenleistung noch ein Gemeinderaum angebaut.

 

 

 

 

Steinbach‑Hallenberg

Am Fuße der 1228 erstmals erwähnten Hal­lenburg entstand das Dorf Obersteinbach, im Erbs­tal oberhalb der Kirche das Dorf Unter­steinbach. Beide Orte hatten seit 1590 eine gemeinsame Verwaltung, den „Zwölfer­stuhl“, und auch eine gemeinsame Kirche.

 

 

Die heutige Stadtkirche ist die dritte an dieser Stelle und in den Jahren 1653‑56 erbaut. Sie hat eine Kanzel, die von der Figur des Evangelisten Johannes getragen wird und an der die fünf Hauptstücke des Katechismus dargestellt sind. Sie wurde von einem unbe­kannten Nürnberger Meister geschaffen. Der Kanzeldeckel ist von 1660.            

 

An den drei Emporen sind 101 Bilder zu biblischen Geschichten des Alten und Neuen Testa­ments von dem Schmalkalder Maler Johann Fabarius, um das Jahr 1700 gemalt, zu sehen. Durch eine neue Orgel der Firma Böhm in Gotha mit 27 Registern ist es seit 1981 möglich, im Sommerhalbjahr Kon­zerte durchzuführen, die besonders von den Urlaubern gern besucht werden.

Steinbach‑Hallenberg hat noch eine Fried­hofskirche aus den Jahren 1616 und 1739, zwei Pfarrhäuser und ein Gemeindehaus aus dem Jahre 1898, in dem ein Kindergarten mit 60 Plätzen, Gemeinderäume, Büroräume und die Schwesternstation untergebracht sind. Eine Besonderheit dürfte das in diesem Haus befindliche Rüstzeitheim mit 24 Plät­zen sein, das allein von der Kirchengemeinde getragen wird und Gruppen aus dem Deka­nat und dem ganzen Land offen steht.

 

                                                     Friedhofskirche                                           Gemeindehaus

 

In Steinbach‑Hallenberg gibt es noch eine Alt­lutherische Kirche mit Pfarrhaus. Diese Gemeinde hat sich 1874 um den reformier­ten (!) Pfarrer Rohnert gebildet, der in der Zusammenlegung der Kirchenregierungen (Konsistorien) einen ersten Schritt zur Union nach dem Vorbild Preußens sah und dem nicht folgen wollte.

 

 

Rotterode mit Kirche                                    Kirchsaal Altersbach

 

Zur Kirchengemeinde gehören noch Rotte­rode mit einer Kirche aus den Jahren 1952‑55 und Altersbach mit einem Kirchsaal aus dem Jahre 1852 in einem Simultangebäude. In ihrem Bereich befindet sich die größte Gesenkschmiede des Landes aus den Jahren 1950/51, das Kombinat Haus­haltswaren mit Sitz im Ortsteil Herges, ein Betrieb für Handwerkzeuge mit Sitz in Altersbach und eine Werkzeugfabrik mit Sitz in Rotterode. Große Bedeutung hat der Fremdenverkehr.

 

 

 

Springstille

Der Ort liegt im „Stiller Grund“ am Fuße des östlichsten Ausläufers des „Stiller Stein“ und des „Stiller Berg“. Der Name „Stille“ bedeutet in der keltischen Sprache „kleines Wasser“, wohl im Gegensatz zu der wasser­reicheren Schmalkalde. Dicht beim Dorf liegt der Quellteich, das „Gespring“. Die älteste Erwähnung von „Stillaha“ findet man in einer Urkunde von 948, worin Kaiser Otto I. das Dorf dem Stift Hersfeld schenkt. Die mittelalterliche Kirche war Sankt Peter und Paul geweiht, ein Beweis ihres hohen Alters (Urpfarrei). Die Dörfer Steinbach, Altersbach, Breitenbach und Helfers (Wüstung) waren in Springstille eingepfarrt. Noch heute gebraucht man bei Fragen, auf die man keine Antwort weiß, in Steinbach‑Hallenberg die Wendung: „Da mußt du mal den Stiller Pfarrer fragen“. Diese Redewendung dürfte aus jener Zeit stammen, da der Pfarrer von Springstille der einzige gebildete Mensch in der Umgebung war.

       

Stiller Tal              Kirche Springstille       Grabkreuz

Im Jahre 1628 wurde das Kirchspiel Springstille gebildet mit den Filia­len Herges ‑ Hallenberg, erst­mals erwähnt 1425, und Bermbach, erstmals erwähnt 1360, die damit von ihrer bisherigen Mutterkirche Viernau getrennt wurden. Das Pfarrhaus wurde in Springstille gebaut, von dem aus bis heute die Filialgemeinden betreut werden. Die Pfarrei Springstille ist die ein­zige im Dekanat, die immer lutherisch war. Springstille ist von der Landwirtschaft geprägt, in den beiden Filialen ist der Einfluß der Industrie stärker. Die heutige Kirche in Springstille stammt aus dem Jahre 1728. Der Turm ist sehr altertümlich und gehört wohl einer früheren Kirche an. Herges‑Hallenberg ist der größte Ort und hat neben der Dorfkir­che von 1706 noch eine methodistische Kir­che mit Pfarrhaus.

 

          

           Herges-Hallenberg                         Mosefigur unter der Kanzel

 

Bermbach hat einen Kirchsaal von 1879 im Oberstockwerk eines staatlichen Gebäudes (Simultangebäude).“

       

Bermbach                                        Kirchsaal innen

 

Die vorliegende Ausarbeitung ist aus dem Jahr 1985.Sie wurde so beibehalten, wie sie für das Lutherjubiläum und für das Buch „Schmalkalden, Artikel des Glaubens“ ausgearbeitet wurde. Die Bilder sind zum Teil schon damals historisch gewesen. Aber auch die anderen Aufnahmen wurden beibehalten, auch wenn mit der heutigen Technik bessere Aufnahmen möglich wären. Angefügt werden noch einige Bilder aus dem damaligen Gemeindeleben, die aber heute zum Teil auch schon überlebt sind.

 

 

Geleitet wurde das Dekanat (heute: Kirchenkreis) von der Dekanatssynode, zu der alle Pfarrer und je zwei weitere Vertreter der Gemeinde gehörten. Sie tagte im Gemeindehaus in Schmalkalden, auf diesem Bild noch im alten Gemeindehaus. Am Kopf des Tisches steht Herr Häfner, der damalige Vorsitzende der Synode.

 

 

Jedes Jahr fand der Gemeindetag statt, der unter einem bestimmten Thema stand, das in Arbeitsgruppen besprochen wurde:

   

Es ging aber auch um die  Begegnung der Gemeinden und das gemeinsame Leben:

 

Gegessen wurde in den Familien oder auch - wie hier - in einer Gaststätte:

 

 

Dann gab es das Missionsfest,  bei dem aus der Mission berichtet wurde und für die Missionsarbeit gespendet wurde:

 

 

Missionsfest                                                            Büchertisch

 

 

Zu den anderen christlichen Kirchen bestand ein guter Kontakt, nicht nur zu denen am Ort wie bei einem gemeinsamen Gottesdienst in der Stadtkirche in Schmalkalden, sondern auch zu den Kirchen in Afrika und Amerika:               

 

 

 

Eine Besonderheit war das Rüstzeitenheim im Gemeindehaus in Steinbach-Hallen­berg, das allein von der Kirchengemeinde getragen wurde und Gruppen aus dem ganzen Land aufnahm:

 

Gruppenarbeit im Haus und im Garten

 

 

Die Kirchweih („Kirmes“) war trotz aller Anfeindungen ein kirchliches Fest, zu dem die Kirmesgesellschaft (hier beim Umzug) in der Kirche erschien.

 

 

 

 

Unter Kantor Gottfried Preller bestand ein „Dekanatschor“ mit Sängern aus dem ganzen Dekanat

 

 

Zum Schluß noch eine Erinnerung an einen Ausflug der Pfarrfamilien zur Ebertswiese

 

 

 

Brief an Dekan Gebauer zur Geschichte des Kirchenkreises

 

 

Lieber Herr Gebauer,                                                                        08.02.2021

natürlich habe ich mit Interesse die zwei Seiten in „Glaube und Heimat“ Nummer 6 / 2021 vom 6. Februar über die „Kirche zwischen Ost und West“ gelesen.  Als Zeitzeuge wundert man sich dann immer, wie im Laufe der Jahrzehnte dann bestimmte Dinge anders dargestellt werden, als sie gewesen sind. In Ihren Äußerungen trifft das besonders auf die Formulierung zu: „In einer geheimen Zusatzabrede hieß es, daß bei einer Änderung der Verhältnisse neu über die Zugehörigkeit Schmalkaldens zu entscheiden wäre.“

Ich stelle die Vorgänge noch einmal dar: Nachdem die damalige DDR im Jahre 1952 begonnen hatte, die Grenze nach dem Westen abzusperren, wurde es zunehmend schwerer, von Kassel nach Schmalkalden zu reisen. Deshalb hat die Evangelische Kirche von Kurhessen und Waldeck in weiser Voraussicht ein Abkommen über Verwaltungshilfe mit der Ev.- Luth. Kirche in Thüringen abgeschlossen für den Fall, daß die Verbindung weiter erschwert würde und das damals sogenannte „Dekanat Schmalkalden“ auf Hilfe angewiesen sei.

Dieses Angebot wurde allerdings nie genutzt, sogar der Baurat kam aus Kassel und die Vikare wurden nach Brandenburg geschickt. In juristischen Dingen waren die Dekane Döll und Schreiber sich selbst Gesetz und entschieden je nachdem nach hessischem, thüringischem oder EKU-Recht. Das hatte auch Vorteile, es gab nur kurze Verwaltungswege und Vieles wurde einfach mündlich erledigt.

Für den DDR-Staat gehörte Schmalkalden auch kirchlich zu Thüringen, man sah da kein Problem. Ein Vertreter aus dem Dekanat nahm sogar als Gast an der Landessynode teil. Deshalb wurde von staatlicher Seite auch nichts unternommen als die neue Verfassung der DRR von 1968 verbot, daß ausländische (d.h. westdeutsche) Dienststellen weiter Einfluß nehmen auf Bewohner der DDR.

Ein Problem sah man nur auf kirchlicher Seite: Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR wurde gegründet und die „echten“ Bischöfe wollte nicht mehr, daß die „Zaunkönige“ (Zitat) aus den drei westliche Exklaven weiter mit am Tisch sitzen. Sie waren übrigens nur Gäste, die nicht stimmberechtigt waren (wie es in dem Bericht über Blankenburg heißt).

Deshalb wandten sich die Bischöfe aus dem Osten an die drei westdeutschen Bischöfe mit der Bitte, diesen Zustand zu beenden. So kam es, daß eines Tages Bischof Vellmer von Kassel und Landesbischof Mitzenheim in Berlin einen Vertrag über das Dekanat Schmalkalden unterschrieben. Dieses war zunächst ein Geheimvertrag, zu dem das Dekanat nicht gefragt wurde und von dem es auch gar nichts wußte.

Als der Vertrag dem Dekanat zur Kenntnis gegeben wurde, entdeckte man dort gleich die Fallstricke. Es war zwar auch im eigentlichen Vertrag nur von einer Angliederung („Gaststatus“) und nicht von einer Eingliederung die Rede, aber auf Dauer wäre es doch auf eine Eingliederung hinausgelaufen, weil die Zahlungen an Eisennach so hoch angesetzt waren, daß eine finanzielle Unabhängigkeit nicht mehr gegeben war,

Es schlossen sich dann schwierige Verhandlungen mit den Vertretern aus Kassel an. Da gab es dann schon einmal Äußerungen zu hören „Jetzt kommt der Dekan noch mit seinen Lehrklingen“ (=jüngere Pfarrer) oder: „Der Bischof hat unterschrieben und darf nicht blamiert werden. Wenn ihr euch nicht fügt, kriegt ihr die monatlichen Zuwendungen und Kassel nicht mehr und die Treffen in Berlin hören auch auf!“ Diese Drohung hat dann bewirkt, daß die Mehrheit der Pfarrer sich fügte und die Laien in der Synode entsprechend beeinflußte. Später hieß es nur noch, man wolle die neu angestellten Pfarrer nicht mehr zusätzlich unterstützen.

Als ich dann vorschlug, die „alten“ sollten doch mit den „neuen“ teilen, da stieß ich aber in ein Wespennest. Aber seitdem ging ich nicht mehr mit zu den Treffen in Berlin (wohl aber im Dekanat), weil ich mich nicht erpressen lassen wollte.

Es gelang dann, einen Nachtrag zu dem Vertrag zu erreichen (der wurde tatsächlich vom Dekanat ertrotzt). Jetzt wurde zum Beispiel das Recht der Gemeinden auf Wahl ihrer Pfarrer festgeschrieben und vor allem klargestellt, daß der Kirchensteueranteil für die Landeskirche nicht auch von dem Kirchgeld berechnet werden sollte. Möglich war das alles nur, weil Thüringen verlangte, daß die Dekanatssynode zustimmt, Kassel wollte nur das Dekanat loswerden.

Thüringen hat dann auch das Dekanat gewähren lassen. Die Rechnungsprüfung beschränkte sich darauf, die ordnungsgemäße Abführung der Gelder nach Eisenach nachzuprüfen. Manchmal hätte man sich gewünscht, daß Eisenach genauer hingesehen hätte, zum Beispiel bei den Arbeitsverträgen und Löhnen und bei der Abgrenzung der Kompetenzen. Aber auch die Pfarrer im Dekanat hüteten sich, in Streitfällen den Landeskirchenrat in Eisenach anzurufen, weil man dann zugegeben hätte, daß man doch nicht allein auskommen kann. Nur in einem Fall mußte Eisenach eingreifen, nämlich als ich „suspendiert“ wurde wie ein Straftäter mit dem Ziel der Zwangsversetzung, ohne daß man mir vorher Gelegenheit zur Äußerung gegeben hate, wie es das Pfarrergesetz vorschrieb.

Die Dekanatssynode stimmte schließlich mit Gegenstimmen von vier Pfarrern dem Vertrag und seinem Nachtrag zu. Die staatlichen Stellen waren über alle Vorgänge haarklein unterrichtet durch Pfarrer X. und Herrn Y.vom Synodalvorstand. Erstaunlicherweise mischten sie sich nicht direkt ein und duldeten auch die Veröffentlichung von Vertrag und Nachtrag im Amtsblatt der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen. Es handelt sich also nicht um ein „Geheimdokument“, das man zufällig wiedergefunden hat und erst die Rückkehr zu Kurhessen ermöglicht hätte (es besteht ja immer Vertragsfreiheit zwischen den Landeskirchen).

Aber es stand tatsächlich in einem in der DDR gedruckten Dokument, daß bei Streitigkeiten aus dem Vertrag die vertragsschließenden Parteien zusammenkommen können, um eine Entscheidung zu treffen. Und es stand sogar drin, daß bei „Änderung der Verhältnisse“ (= Wiedervereinigung) die Abmachung wieder rückgängig gemacht werden kann. Da hat die Zensur wohl geschlafen oder den Text nicht verstanden, denn es wurde ja genau das vereinbart, was durch die Verfassung der DDR verboten war: Es sollte nicht das Landeskirchengericht in Eisenach entscheiden, sondern eine westdeutsche Stelle sollte Angelegenheiten von „DDR-Bürgern“ regeln.

Im Jahre 1994 kehrte dann der Kirchenkreis Schmalkalden in die Evangelische Kirche von Kurhessen und Waldeck zurück. Ich hätte übrigens wieder gegen diese Rückgliederung gestimmt, weil es den Pfarrer wieder nur ums Geld ging, denn sie erhofften sich eine Vergütung nach westlichen Maßstäben und die Möglichkeit, sich im Westen der Landeskirche bewerben zu können. Daraus wurde zunächst nichts (nur die Gemeinden hatten etwas davon, denn die Landeskirche investierte viel in Bauvorhaben). Schließlich gab es im Kirchenkreis neun verschiedene Anstellungsverhältnisse.

Auch da kann man wieder kritisieren, daß die Pfarrer nicht unter sich einen Ausgleich geschaffen haben. Aber es ist ja auch so, daß ein Pfarrer in Coburg im Monat tausend Euro mehr erhält als ein Pfarrer in Sonneberg (obwohl dieser ein längst nicht ein so schönes Pfarrhaus und nicht so viele Hilfskräfte hat). Jetzt versucht die kurhessische Kirche sogar, in Jena Theologiestudenten abzuwerben mit der Lockung von 500 Euro im Monat. Vor 30 Jahren habe ich ihr gewünscht, daß wieder einmal ein Pfarrermangel kommt. Jetzt will sie meinen Enkel vorzeitig verpflichten, der aber dankend abgewunken hat, obwohl die Eltern vier Kinder in Ausbildung haben.

 

Auch zu dem Beitrag von Herrn Schreiber in „Glaube und Heimat“ gibt es einige Anmerkungen. Es stimmt nicht ganz genau, daß es selbst in den kleinsten Dörfern eine lutherische und eine reformierte Gemeinde gab, denn Springstille mit Filialen war lutherisch und Fambach mit Heßles war reformiert. Es mögen zwar Einzelne zugezogen sein mit anderer Konfession, aber es gab für sie keine eigene Gemeinde. Es stimmt schon, daß im Laufe der Jahrhunderte der Wunsch nach Vereinigung aufkam. Aber der erste Schritt wurde man „von oben“ vorgenommen, als man in Kassel die drei Konsistorien zusammenlegte. Dies führte dann in Steinbach-Hallen­berg zur Gründung einer eigenen Altlutherische Gemeinde durch den Pfarrer, der vorher auf der reformierten Pfarrstelle saß. Daß die Landeskirche schon 1921 den Zusammenschluß der Gemeinden erlaubt, mag zwar sein. Aber zur Vereinigung kam es erst unter dem Einfluß der „völkischen Bewegung“ der Nationalsozialisten, die ja eine einheitliche „Reichskirche“ wollten. Aber noch Pfarrer Braune und Pfarrer Schulte senior hielten noch einmal im Jahr reformiertes Abendmahl.

Das mit den evangelischen Konfessionen ist natürlich heute überholt. Es stimmt schon, daß es auf dem Gebiet der damaligen DDR keine konfessionell vereinigte Kirche gab, denn die altpreußische Union war nur eine Verwaltungsunion wie zunächst auch in Kurhessen mit Ausnahme der Hanauer Union von  1817, aus der ich komme. Aber es war damals schon eine Frage, ob man sich nicht besser der unierten Nachbarkirche angeschlossen hätte. Doch die konfessionelle Verschiedenheit war auch ein Schutz vor einer „Eingemeindung“ Durch die Bildung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland zählen sowohl das konfessionelle wie das geschichtliche Argument nicht mehr. Hier hat man sich ja auch zusammengefunden und auch für den Kirchenkreis Schmalkalden gäbe es keinen Hinderungsgrund mehr, bei dieser Kirche mitzumachen.

 

Noch einmal zu den Ausführungen von Herrn Schreiber: Daß das Dekanat während der Zeit seines Studiums dringend Nachwuchs suchte, ist eine Schutzbehauptung, die seine eigene Investitur rechtfertigen soll. Im Dekanat hat es nie längere Zeit unbesetzte Pfarrstellen gegeben. Es war auch nicht so, daß aus Thüringen Pfarrer abgeworben wurden, denn die Stellen durften nicht im Thüringer Amtsblatt ausgeschrieben werden. Meines Wissens wurde nur e i n fest angestellter Pfarrer aus Thüringen geholt, nämlich mein Kollege Lieberknecht, aber das war eine Initiative der Gemeinde und nicht des Dekans. Aus Hessen kamen Döll, Weiß, Rüddenklau, Ritter und Heckert. Krahmer und Bunge hatten Frauen aus Schmalkalden, und Bunge zog Gerstenberger mit, so wie Hülsemann auch Naumann mitzog. Detzner kam aus der Pfalz, Habel aus Tschechien. Auch Hoffmann und Penckert kamen nicht aus Thüringen. Aus dem Dekanat kamen Schreiber (Brotterode) und Eberlein (Breitungen). Pfarrerskind aus dem Dekanat war Manfred Schreiber, der Herrn Hauser mitzog (aber auch vor dessen Anstellung). Weitere fünf Pfarrerskinder wurden Pfarrer in Thüringen. Selbst als Nachfolger auf meiner Stelle war ein Pfarrersohn aus dem Dekanat vorgesehen. Der Sohn einer Kirchenältesten wurde Bischof.

Es gingen auch Pfarrer trotz aller Zuwendungen wieder weg aus dem Dekanat: Herr Weiß, Herr Hülsemann, Frau Bohm, Herr Lieberknecht. Über Herrn Hülsemann sagte übrigens Dekan Schreiber zum „Beauftragten für Kirchenfragen“, von dem alle wußten, daß er ein hauptamtlicher Stasimitarbeiter war: „Der Hülsemann ist von selber gegangen, den Heckert haben wir jetzt los, fehlt nur noch der Krahmer!“

Das geflügelte Wort war damals „das gute Verhältnis von Staat und Kirche im Dekanat“. Dazu paßten nicht Pfarrer wie ich, der Anfang 1987 in einem Brief an den Kreisratsvorsitzenden Reisefreiheit für alle gefordert hatte. Auch für die Pfarrer war es eine Prestigesache, einmal im Westen gewesen zu sein. Einige hatten wegen dringender Familienangelegenheit reisen können. Andere waren auf Dienstreise in Genf oder Tansania.

 

Zuletzt blieb nur noch Herr H. aus S., der sich richtig zu kurz gekommen vorkam. Ihm konnte nur ein „Dienstvisum“ helfen, das man in Berlin abholen mußte, nicht ohne vorher ein Gespräch mit einem Stasimitarbeiter zu haben. Zwei Pfarrer fuhren sogar im Auftrag der Stasi in den Westen, um „Republikflüchtige“ auszuhorchen (einer wollte dazu sogar Westgeld von der Stasi).

Auch die zwei Kirchenvorsteher, die mir die meisten Schwierigkeiten machten, fuhren mit so einer Sondergenehmigung mehrfach in den Westen. Und der Hausmeister, der mit seiner ganzen Sippe die „Steinbacher Verhältnisse“ ausgelöst hatte, stellte der Stasi seine Dienstwohnung zur Verfügung. Ich war damals viel zu blauäugig und zu naiv. Erst beim Lesen der über mich geführten Stasiakten ging mir das Licht auf: Mit West-Reisen kriegten sie jeden. Aber dazu mußte natürlich ein „gutes Verhältnis bestehen“

Weiter mit Herrn Manfred Schreiber: Auch für Herrn Schreibers Stelle hätte man mühelos jemand anders finden können. Doch der Vater wollte nicht nur seinen Sohn im Dekanat haben, sondern auch einen Pfarrer, der über gewisse Zuwendungen aus dem Westen Bescheid wußte. Deshalb verhinderte er eine Ausschreibung der Stellen und brachte die Gemeinden dazu, seinem Vorschlag zu folgen. Das war dann auch so bei Herrn Hauser und Herrn Schulte. Damit ist nichts gegen diese Pfarrer gesagt, aber es war so, daß man den Gemeinden ihr Wahlrecht praktisch genommen hat. Mein späterer Kollege Peters wurde auch gern genommen, weil er aus dem hannoverschen Ilfeld stammte. Aber er kam auch nur zu uns, weil er von den Zuwendungen wußte und dann möglichst schnell aus gesundheitlichen Gründen pensioniert werden wollte.

 

Zuletzt noch eine persönliche Frage: Im Landeskirchenarchiv fehlt meine Personalakte. Auf meine Anfrage deswegen habe ich keine Antwort erhalten (nicht sehr höflich, aber so sind sie eben auch bei der Kirche). Deshalb nehme ich an, daß die Akte entgegen den Vorschriften des landeskirchlichen Archivgesetzes vernichtet wurde. Im Staatsarchiv Marburg sind Personalakten aus drei Jahrhunderten verwahrt. Meine Personalakte in Eisenach konnte ich vor Jahren ungeschwärzt einsehen. Nach der in Kassel brauche ich wohl gar nicht zu fragen. Aber was in der Schmalkalder Akte stand, interessiert mich. Schließlich wurde sie dem Landeskirchenrat in Eisenach vorgelegt, um zu beweisen, daß ich schon immer ein Querulant war. Dabei handelte es sich aber im Wesentlichen um den ganz normalen Schriftverkehr zwischen Pfarramt und Dekanat (ich habe wichtige Anfragen und Berichte sicher mehr als andere schriftlich gemacht). Wissen Sie etwas von dieser Akte, weshalb sie nicht ins Landeskirchenrarchiv gekommen ist? Verloren gegangen kann sie nicht sein, denn als die die Dekanatsakten ordnete, waren die Personalakten verständlicherweise nicht dabei, sondern in einem eigenen Schrank, extra verschlossen. Wenn Sie mir etwas dazu sagen können (die Akten sind ja zu Ihrer Zeit nach Kassel abgeliefert worden), lassen Sie es mich bitte wissen.

Man wird mich jedenfalls nicht aus der Kirchengeschichte von Steinbach-Hallenberg streichen können, schließlich war ich der Pfarrer, der es mit 22 Jahren am längsten im 20. Jahrhundert in diesem Hessisch-Sibirien ausgehalten hat. Das Wort „ausgehalten“ ist natürlich nicht richtig. Meine Frau und ich waren gerne dort. Wir fanden dort eine Kirche, wie wir sie aus unserer Jugend gewohnt waren, nicht die Event-Kirche von heute (obwohl wir auch Events machten). Da hielt der Pfarrer noch selber jeden Sonntag den Gottesdienst und besuchte die Leute in den Häusern. Da war Kindergottesdienst und Jugendarbeit, Frauenkreis und Männerabend. Es war für uns eine schöne Zeit.

 

Zum Schluß will ich noch sagen: Die beiden Artikel in „Glaube und Heimat“ sind sehr gut. Sie geben das Selbstverständnis des Kirchenkreises wieder und dienen so der Unterrichtung einer breiteren Öffentlichkeit. Ich wünsche dem Kirchenkreis alles Gute und Gottes Segen für die Zukunft.

Mit freundlichem Gruß    Peter Heckert.

 

 

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