Wetterau  Ost

 

Inhalt:

Grünberg, Laubach, Lich, Arnsburg, Hungen,

Münzenberg, Wohnbach, Wölfersheim, Echzell, Bingenheim,

Reichelsheim, Florstadt, Mockstadt, Arnstadt, Dauernheim,

Nidda, Bad Salzhausen,

Ortenberg, Konradsdorf, Stockheim, Leustadt, Rohrbach,

Glauberg, Keltenstätte, Lindheim,  Altenstadt, Kloster Engelthal, Rommelhausen,

Büdingen (Stadt, Umgebung), Düdelsheim,  Marienborn, Herrnhag.

 

 

Grünberg

Geschichte:

Grünberg entstand aus einer alten Wehrburg aus dem Jahr 1186, errichtet vom Landgraf Ludwig III. von Thüringen als Grenzfeste gegen das Hochstift Mainz. Die Sage erzählt: Als der junge Graf von Thüringen loszog um zu jagen, verirrte er sich durch einen Wald und fand sich dort auf einem grünen Hügel wieder, an dem eine günstige Handelsstraße entlanglief. Hier baute er seine Burg.

Die Burg befand sich auf einem Plateau, das an drei Seiten steil abfällt: strategisch sehr günstig. Im Jahre 1195 zerstörten Mainzer Truppen die Anlage. Die Burg wurde schnell wieder aufgebaut und dabei hat man von vornherein eine größere, umgebende Stadt geplant. Erstmals urkundlich erwähn t ist die Stadt im Jahr 1222, als das Gericht der Stadt Grünberg Urkunden ausstellte und ein Siegel verwendete, das dem des Landgrafen ähnelte.

Innerhalb der Stadtmauer lag die landgräfliche Burg nahe dem steilen Südhang. Die bürgerlichen Wohnbezirke schlossen sich daran an. Im relativ ungeschützten Norden befanden sich die Klöster. Wollte jemand die Stadt angreifen, hätte er diese Klöster zuerst zerstören müssen. Das jedoch zog unweigerlich den Kirchenbann nach sich.

Schon 1230 war Grünberg Münzstätte und 1254 trat Grünberg zusammen mit heute viel größeren Orten wie Marburg oder Alsfeld dem „Rheinischen Städtebund“ bei. Am 16. Oktober 1272 stellte der hessische Landgraf Heinrich I. den Grünbergern einen Freiheitsbrief aus, der ihre städtischen Rechte bestätigte. Er verlieh allen Bürgern die Freizügigkeit und unterstellte sie unmittelbar seiner Gerichtsbarkeit.

Die Stadt wuchs. Ende des 13. Jahrhunderts wurde die gotische Marienkirche errichtet. Erstmals 1304 wird die Neustadt genannt, die vor der Stadtmauer lag. Im Jahre 1324 baute man eine neue Wehrmauer, die auch die Neustadt umschloß. Im Jahre 1353 weihte die Stadt die erste Schule ein.

Bürgerfleiß war sicherlich eine Wurzel des städtischen Reichtums. Wichtiger war jedoch die Lage an einem der großen Handelswege von Frankfurt am Main nach Mitteldeutschland: die „Kurzen Hessen“ oder die Hohe Straße. Zwei große Brände verwüsteten 1370 und 1391 fast die ganze Stadt. Mit landgräflicher Unterstützung ging der Wiederaufbau recht schnell voran. Allerdings erlangte Grünberg nicht mehr seine alte Bedeutung.

Trotzdem ließ die Stadt 1419 eine zentrale Wasserversorgung einrichten, für die damals modernste Technologie eingesetzt wurde. Aus dem 60 Meter tiefen Brunnental wurde Quellwasser mechanisch auf den Berg gepumpt. Die Wasserversorgung erfolgte aus dem Brunnental, Teile davon sind noch erhalten.

 

Kaiser Friedrich III. stiftete 1481 der Stadt einen jährlichen Markt, der acht Tage dauern sollte. Er wurde auf den 16. Oktober, den Gallus-Tag gelegt, um an den Tag zu erinnern, an dem die Stadt 1272 den Freiheitsbrief erhielt. Bis heute wird der Gallus-Markt jedes Jahr mit großer Begeisterung gefeiert.

Auch Grünberg wurde zwischen 1524 und 1527 lutherisch und der Landgraf löste die Klöster auf. Das Antoniterkloster ließ er als Witwensitz umbauen und die Ländereien erhielt die Landesuniversität. Das Augustinerinnenkloster wurde städtisches Hospital - hier wird ab Oktober 2005 das Stadtmuseum eingerichtet. Zur gleichen Zeit stellte die Stadt zwei weitere Lehrer für die Schule ein und auch die Mädchen erhielten jetzt Elementarunterricht.

Bei der Landesteilung 1567 kam Grünberg an Hessen-Marburg, aber 1604 an Hessen-Darmstadt. Im Jahre 1593 lebten 432 Vollbürger in der Stadt; nach dem Dreißigjährigen Krieg und einer Pestepidemie waren es nur noch 220. Der städtische Rat ließ damals über 100 leerstehende Häuser abreißen. Nur langsam erholte sich die Stadt. Da sich auch die politischen und wirtschaftlichen Zentren verlagert hatten, entwickelte sich Grünberg zu einer Ackerbürgerstadt, wie sie für Oberhessen typisch ist. Die Friedhofskirche, ein Barockbau des frühen 18. Jahrhunderts, zeigt dieses deutlich. Als 1816 die gotische Kirche einstürzte, konnte die Stadt erst 1846 mit dem Neubau beginnen. Kluge Politik hatte in dieser Zeit bewirkt, daß sich die Schulden innerhalb von 20 Jahren halbiert hatten.

Erst im fortschreitenden 19. Jahrhundert gewann Grünberg wieder seine alte Bedeutung.  Eine Zeitlang war es Kreisstadt. Jetzt war die wirtschaftliche Grundlage nicht mehr die Lage an einer bedeutenden Handelsstraße, sondern das örtliche Handwerk, besonders Weber und Schuster. Im Jahre 1869 war Grünberg an das Eisenbahnnetz (Vogelsbergbahn) angeschlossen und Ende des 19. Jahrhunderts siedelten sich die ersten Textilfabrikanten hier an.

Städtische Bauvorhaben waren besonders eine moderne Wasserversorgung mit Hausanschlüssen im Jahr 1896 und ein Stromnetz,  ab 1913.In den folgenden Jahrzehnten entstanden weitere kom­munale Einrichtungen wie Schulgebäude und ein öffentliches Schwimmbad. Die Baustruktur blieb weitgehend erhalten, erst zwei Bombenangriffe zerstörten 1945 zahlreiche Gebäude und töteten 150 Einwohner.

Seit 1969 wird die Grünberger Altstadt mit ihren wundervollen Fachwerkhäusern umfassend saniert. Heute ist sie ein Wohn- und Einkaufsort auf dem grünen Berg, dessen geschlossenes Stadtbild jeden beeindruckt. Seit 1983 ist Grünberg staatlich anerkannter Luftkurort. Schon 1845 schrieb der Chronist Carl Glaser: „Die Luft in unserer Stadt ist rein. Von Epidemien weiß man hier seit Jahren nichts. Hier in Grünberg ist die Luft rauh, aber herzlich.“

 

Rundgang:

Wenn man von Osten aus Richtung Flensungen kommt, biegt man an der Ampelkreuzung nach links in die Marktgasse ab und fährt dort gleich wieder links auf den Parkplatz. Hier beginnt der Rundgang durch die Einkaufsstadt mit vielen schönen Fachwerkhäusern.

An der Ecke Marktgasse / Rosengasse befindet sich das Schloß. Es ist ein von Eberdt Balde­wein 1578 bis 1582 in gemischter Bauweise errichtetes Renaissanceschloß.

An das Schloß schließt sich in der Rosengasse das Antoniterkloster an. Es war eines der ältesten und wichtigsten, ihm unterstanden ganz Nord- und Ostdeutschland. Es muß Anfang des 12. Jahrhunderts, jeden falls vor 1242, gegründet worden sein,  eine der ältesten deutschen Niederlassungen dieses Ordens. Die Antoniter, ein 1095 in Frankreich gegründeter Hospitalorden, hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die von der im Mittelalter sehr verbreiteten Kribbelkrankheit (Antoniusfeuer) Befallenen zu pflegen und zu heilen. In Grünberg erscheinen die Antoniter erstmals 1222, als sie in Templin in Mecklenburg ein Filialkloster gründeten. Sie trugen eine schwarze Kutte mit einem blauen T (griechisches Tau), das man noch heute im Siegel der Universität Gießen und im Wappen des Landkreises Gießen erkennen kann. Der Querbau im Südwesten war früher die Kirche, erkennbar an den Strebenpfeilern und dem gotischen Sakristeifenster. Im Nordwesten, auf der Stadtmauer, befindet sich der Mönchsbau, der ursprünglich über die Außenmauern hinausgegangen ist. An der Innenseite des Schloßhofs angelehnt ist ein Grabstein des Präzeptors Nikolaus von Linden­struth von 1350. Das gegenüberliegende Gebäude, das eigentliche „Schloß“, wie es seit dem Umbau nach 1577 heißt, enthält auch noch viele bauliche Reste aus klösterlicher Zeit.

Die Fachwerkteile stammen alle aus der nachreformatorischen Umbauzeit, als Landgraf Ludwig IV. das Schloß zum Witwensitz seiner Gemahlin Hedwig bestimmte. An der Hofinnenseite eingemauert sieht man im vertieften Feld eine Mönchsfigur mit dem Antoniterkreuz auf der Brust, das zwei Wappenschilder - das hessische und das mecklenburgische  - hält. Auf der gegenüberliegenden Seite steht der Marstall des Klosters, der aus dem Jahr 1500 stammt.

Der Universitätsbau nebenan auf der Stadtmauer ist Oberhessens höchster Fachwerkbau. Er wurde Anfang des 16. Jahrhunderts als Speicher des Klosters erbaut und diente 1542 der Marburger Universität und 1613 der Gießener Universität während Pestzeiten als Unterkunft.

 

Der prächtige aus dem Jahr 1634 stammende Fachwerkbau an der Ecke Schloßgasse / Marktgasse ist mit seiner seltenen Ornamentik ein Kleinod der Stadt. Durch den Torbogen des gegen­überliegenden Fachwerkhauses erreicht man die Marktgasse - ehemals Verbindung vom Antoniter-Tor zum Marktplatz - heute ist sie die Fußgängerzone. In der Marktgasse ist links die Schirn von 1550.

Die alte Post ist ein prächtiger Barockfachwerkbau aus dem Jahre 1668. Früher diente er als Poststation. Die hohe Halle erinnert noch heute an die ursprüngliche Funktion.

Gotisches Fachwerk zeigen die beiden anschließenden Häuser; das Eckhaus zur Marktgasse wurde 1529 erbaut. Bemerkenswert ist das Eckhaus Alsfelder Straße / Borngasse am nördlichen Ende des Markts.

 

In der Verlängerung der Borngasse nach Osten ist der Winterplatz. Nordöstlich des Winterplatzes fällt das Gelände 60 Meter steil ab und bildet mit dem gegenüberliegenden Hang das Brunnental, durch das sich der Äschersbach sein Bett gegraben hat. Aus vielen unterirdischen Basaltspalten quillt klares Quellwasser empor, das sich in zwei Teichen sammelt und bachabwärts einst die Brunnenkunst im Tale, das Pumpwerk zur Förderung von Trinkwasser in die Stadt und im weiteren Verlauf die Mühle zum heiligen Born, die Stadtmühle und die Steinmühle antrieb. Die heutige Naherholungsstätte Brunnental verdankt Grünberg dem Grünberger Verkehrsverein, der 1901 begann, Wege anzulegen und 1908 auf der der Stadt gegenüberliegenden Seite Grundstücke ankaufte, die durch Wege begehbar gemacht wurden.

 

Das „Brauhaus“ ist ein Fachwerkbau aus dem 18. Jahrhundert. Im Jahre 1921 wurde der Bau zu einem Wohnhaus umgestaltet. Den vorgelagerten Brunnen auf dem Winterplatz ziert ein Löwe, eine Nachbildung des alten Marktbrunnen-Löwen, der den Grünberger Wappenreiter hält.

Das Brunnenhäuschen in der Nähe der ehemaligen turmbewehrten Brunnenpforte (der eingemauerte Sandstein mit der Jahreszahl 1582 stammt von ihr) wird erstmals um 1560 erwähnt und zwar mit dem Hinweis, daß vorher schon ein Holzhäuschen dort gestanden hat, in welchem bereits seit 1419 das aus dem Brunnental hochgepumpte Wasser gesammelt und durch ein Röhrensystem zu den einzelnen Brunnen in der Stadt geleitet wurde.

Nördlich vom Winterplatz folgt die Straße Burggraben und dann die „Neupforte“ die erst um 1580 entstanden ist, als über die Äschersbach ein Erddamm aufgeworfen wurde, um die alte Handelsstraße „durch die kurzen Hessen“ abzukürzen.

 

Aus dem 18. Jahrhundert sind die beiden Fachwerkhäuser an der Ostseite des Marktplatzes. An ihrer Grenze, vorgelagert auf dem Marktplatz, stand vom 15. Jahrhundert bis 1890 ein aus Stein gemauerter Brunnen.

Am südlichen Ende des Markts steht das Rathaus.  Es  wurde 1586 / 1587 als Wohnhaus erbaut von Amtmann Hermann Rüdiger von Hersfeld und 1593 für 2000 Taler als Rathaus an die Stadt Grünberg verkauft. Im Jahre 1822 wurde der Renaissancebau verputzt, der durch zwei Stockwerke gehende Ecker wurde abgetragen und die reiche Ornamentik verdeckt, die 1922 wieder freigelegt wurde. Im Jahre 1966 wurde auch das Fachwerk sichtbar gemacht und 1980 das Fachwerk und die Ornamentik restauriert und der Erker neu angebracht.

Neben dem Rathaus steht die Ratsschenke, im Jahre 1720 in schöner Fachwerkkonstruktion erbaut, einst Sitz des landgräflichen Gerichtsbeamten. Das Stadthaus daneben an der Westseite des Marktes bestand ursprünglich aus zwei Giebelhäusern, die 1806 unter einem Mansardendach vereinigt wurden. Das zweite Haus ist das Ältere, es wurde 1665 von Johannes Benedikt Stammler erbaut und war die erste öffentliche Apotheke in Grünberg. Der Baustil ist klassizistisch. Als Stadthaus wurde das Gebäude 1979 eingeweiht.

Vor diesen Gebäuden ist ein alter Brunnen. Bei der Neugestaltung des Marktplatzes 1980 wurde außerdem bei Erdarbeiten ein Schachtbrunnen freigelegt, der mit größter Wahrscheinlichkeit aus der Zeit der Entstehung der Stadt stammt. Er ist 36 Meter tief, die Brunnenwandung besteht aus abgerundeten Basaltsteinen, die bei 18,8 Metern endet. Aufgrund der im Füllmaterial gefundenen Münzen ist anzunehmen, daß der Schacht zu Beginn des 19. Jahrhunderts verfüllt worden ist.

 

Nach Osten blickt man zur Stadtkirche. Die gotische Marienkirche aus der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde nach dem Vorbild der Marburger Elisabethkirche errichtet. Sie bestand bis 1816. Erst 1846 - 1852 wurde die heutige Stadtkirche erbaut und 1964 - 1967 umgebaut. An der Südseite der Stadtkirche steht ein Denkmal und eine Gedenktafel für den 1761 bei Grünberg gefallenen General von Reden. Die Statue wurde 1770 von dem bedeutenden Bildhauer Samuel Nahl geschaffen.

 

Auf der höchsten Stelle der Basaltkuppe, in der Höhe des mittleren Terrassenhauses, stand die 1186 erbaute Burg, über deren Ausmaße nur sehr wenig bekannt ist. An ihre Stelle trat 1533 ein dreigeschossiger Fachwerkbau, ungefähr an der Stelle des ersten Terrassenhauses (?), in dem der Sitz der landgräflichen Verwaltung untergebracht war. Im Jahre 1810 verkaufte der hessische Staat die Burg an Grünberger Bürger. Die letzten Eigentümer haben 1969 den ehrwürdigen Bau zum Abbruch freigegeben. Entlang des Weges unterhalb der ehemaligen Burg sieht man an mehreren Stellen noch die alte Stadtmauer.

 

Man geht nach Süden weiter durch die Rabegasse. Hier findet man mehrere schöne Fachwerkbauten aus verschiedenen Epochen, links zum Beispiel das Gasthaus „Adler“. Nach rechts durch die Straße Renthof kommt man zum um 1300 erbauten Diebsturm mit dem neun Meter tiefen Verlies. Er ist das Wahrzeichen der Stadt mit seinem ungewöhnlichen Grundriß in Tropfenform. Er ist der einzige noch erhaltene Turm der alten Stadtbefestigung und diente lange Zeit auch als Gefängnis - daher auch sein Name. Im zweiten Weltkrieg wurde der Turm als Munitionslager genutzt und von den alliierten Truppen teilweise gesprengt. Er ist 25 Meter hoch, innen kreisrund, in den äußeren Mauern aber nur soweit, als er innerhalb der Stadtmauer steht. Die Teile, die über die Mauer hinausragen, haben gerade Wände, die sich in einer Kante vereinigen. Früher war er nur vom Wehrgang der Stadtmauer mittels eines Umganges, dessen Konsolen zum Teil noch sichtbar und zugänglich sind. Im Zuge der Restaurierung wurde er zum Aussichtsturm ausgebaut. Im Innern dokumentiert eine kleine Ausstellung die Geschichte des Turmes.

 

Man geht rechts am Diebsturm vorbei durch den Torbogen nach rechts in den Hegweg, in dem der gotische Bau des Barfüßerkloster von 1250 steht (auch Franziskanerkloster). Die erste noch erhaltene Urkunde liegt aus dem Jahr 1272 vor. Nachdem 1528 das Kloster säkularisiert wurde, zogen die letzten Mönche nach Limburg oder Köln. Bald verfielen die Gebäude, die sich im Bereich der heutigen Grünanlagen befanden. Bis auf das Wohnhaus der Mönche wurden Ende des 16. Jahrhunderts alle Gebäude abgerissen. Die Außenmauer des Wohnhauses steht direkt auf der Stadtmauer. Der verbliebene und restaurierte Teil der Klosteranlage wird heute für kulturelle Zwecke und wegen seines Ambientes auch oft für Trauungen genutzt. Der Gewölbekeller im Inneren mit seinem Brunnen macht den besonderen Reiz dieses Gebäudes aus. Der Treppenturm im Norden ist ebenfalls noch erhalten.

Der Göbelnröder-, Marburger- und Burgemünderpforte waren im Nordwesten vorgelagert „die Höfen“. Die Marktgasse und die Altstadt waren mit den Höfen durch die Höfetränks­brücke verbunden, die über einen Graben führte, der mit Wasser gefüllt war. Die Tränke wurde 1952 aufgeschüttet und 1970 in den heutigen Zustand versetzt.

Die Grünberger Warte ist im Norden der Stadt. Hier befanden sich auf einer kleinen Erhebung die Dingestühle oder das Gedinge, eine Gerichtsstätte im Freien. Heute steht dort ein 1873 errichtetes Denkmal zu Ehren der Gefallenen des Kreises Grünberg in den Kämpfen um 1870/  1871.

 

Nicht recht in diesen Rundgang  paßt der Südosten der Stadt:

Das Augustinerinnenkloster in der Hintergasse 24 wurde städtisches Hospital. Hier wird ab Oktober 2005 das Stadtmuseum eingerichtet. Das Obergeschoß ist dem Grünberger Pfarrerssohn Theodor Koch gewidmet, der von 1898 bis 1924 die Indianer Südamerikas erforschte und die Quellen des Orinoko suchte. An sich war er Sprachforscher und interessierte sich für die Indianersprachen. Aber die Expedition begleitete er als Fotograf.

Ein früheres Ladengeschäft in der Neustadt (südwestlich der Hintergasse) zeigt im Schaufenster noch die  Einrichtung des früheren  mit Tante-Emma-Laden in einem Privatmuseum.

Im  Internet  gibt es unter „Grünberg Stadtrundgang“ ein  gute Beschreibung, leider ohne Angabe  von Straßen und Hausnummern

 

 

Laubach

„Luftschnäpper” sagen die Laubacher zu ihren Gästen. Die Luft ist hier auch erste Qualität, und deshalb hat Laubach den Titel: „Staatlich anerkannter Luftkurort für die gesamten At­mungs­organe und des rheumatischen Formenkreises.” Vor ge­nau 50 Jahren wurde dieser Titel verliehen. Bis dahin hatte man vom „Luft- und Milchkurort” Laubach gesprochen. Die Stadt in Naturpark Hoher Vogelsberg wurde 1986 immerhin 1200 Jahre alt. Der Name bedeutet soviel wie „Laub-Bach“, zumal das alte Wappen einen Bach zwischen Eichengrün darstellte. Später wurde es vom Solmser Wappen (blau-gelber Löwe) abgelöst.

Im Lustgarten wurden auf 450 vor Christus datierte Bronzeringe gefunden. Um 786 wird der Ort als Besitz der Abtei Hersfeld im „Breviarium Lulli“  (Besitzverzeichnis des Klosters Hersfeld) erstmals erwähnt. Im Jahre 1278 kam Laubach  an Hanau. Im Jahre 1405 erfolgt die erste Nennung als „oppidum“ (Stadt). Im Jahre 1418 geht sie an Solms. Seit 1520 ist es Sitz der Linie Solms-Laubach. Im Jahre 1806 fiel Laubach an Hessen. Im Jahre 1507 erhalt Laubach Marktrechte, seit 1508 ist es Stadt. Im Jahre 1548 erfolgt die Teilung in Solms-Lich und Solms-Laubach als selbständige Reichsgrafschaften. Im Jahre 1806 erfolgt die Eingliederung in das Großherzogtum Hessen- Darmstadt.

Die Grafen zu Solms-Laubach leben seit Mitte des 16. Jahrhunderts in ihrem Schloß. Die Familie, die bis 1806 regierte, ist bis heute sehr sozial eingestellt (zum  Beispiel Gründung eines Armen- und Siechenhauses 1702). Die Grafen widmeten sich feinen Künsten, waren belesen und bauten eine der größten privaten Bibliotheken Europas auf. Sie waren stets gläubig, führten 1544 die Reformation ein und bildeten zeitweise ein Zentrum des deutschen Pietismus.

. Der heutige Graf ist in der 18. Generation. Er ist Opernsänger und hält jedes Jahr Workshops für junge Opernsänger und bringt diese mit Agenten in Verbindung.

Man fährt bis zur Abfahrt Reiskirchen (nicht Kreuz) und dann über Grünberg. Wenn man von Norden oder Westen in die Stadt hineinkommt, fährt man im Steinweg westlich an der Schloßmauer entlang. Wo die Straße links abknickt in die Kaiserstraße, stehen rechts ein moderner Sprudel und etwas daneben alte Grenzsteine. Über die Friedrichstraße fährt man in Richtung Schotten um die Altstadt herum. Am Museum, einem großen Fachwerkbau auf der linken Seite, fährt man in die Baumkircher Straße, wo man parken kann. Von dort geht man noch eine Straße weiter nach Norden. Hier ist der östliche Eingang zum Schloß und der Beginn des offiziellen Rundgangs.

 

Rundgang:

(1) Die Geschichte Laubachs: Eine Beschreibung des eigentlichen Schloßbereichs findet man auf einer farbigen Übersichtstafel an dem Gebäude gleich links, wenn man durch den östlichen Eingang gekommen ist.

(2) Schloß: Der Stadtkern ist geprägt durch das Schloß aus dem 13. bis 19. Jahrhundert, das auf eine Wasserburg zurück geht. Es ist ein ausgedehnter Gebäudekomplex. Die im 13. Jahrhundert entstandene Burg wurde im 16. und 18. Jahrhundert schloß artig ausgebaut. Das Schloß gehört seit über 600 Jahren den Grafen von Solms-Laubach. Im Schloß befindet sich die gräfliche Bibliothek. Mit 120.000 Titeln ist sie eine der größten europäischen Bibliotheken in Privatbesitz mit Kostbarkeiten aus der Laubacher Geschichte. Sie stammt zum Teil aus dem Klo­ster Arnsburg. Die ersten Bücherankäufe gehen zurück auf Mitte des 16. Jahrhunderts. Von April bis Oktober wird die Türe dazu jeweils donnerstags um 17.30 Uhr für Besucher geöffnet.

(3) Schloßpark: Den Hauptbau des Schlosses kann man auf der linken Seite durchqueren und geht dann rechts die Treppe hinunter und in diese Richtung weiter. Das höhere gelegene Plateau rechts ist der der historische Schloßgarten aus dem 18. Jahrhundert. Der kleine Obergarten, einst Hofgarten im französischen Stil, ist bis heute den Solms-Laubacher Grafen vorbehalten. Leicht zu übersehen liegt etwa 200 Meter entfernt rechts an der Böschung des Obergartens der gemauerte Eingang zum gräflichen Eiskeller, 5 Meter breit und 6 Meter hoch. Im gut erhaltenen, mehr als 250 Jahre alten Gemäuer wurde einst das erlegte Wild über Monate auf Eis aus dem nahen Schwanenteich frisch gehalten.

Der unten gelegene  Schloß- und Kurpark wurde im 19. Jahrhundert gestaltet durch Botanik­professor Hermann Maximilian zu Solms-Laubach (Professor in Göttingen und Straßburg). Er wurde an gelegt  im Stil eines englischen Landschaftsgartens mit exotischen Sträuchern und Bäumen. Als die landwirtschaftliche Nutzung des Schloßgartens gegen 1870 aufgelöst wurde, sorgte der Fachmann maßgeblich für die Umgestaltung der Obst- und Gemüseanbauflächen in einen englischen Landschaftsgarten. Mehr als 50 verschiedene Baum- und Straucharten stehen auf dem Gebiet. Darunter befindet sich auch eine seltene Scharlacheiche. Am nordöstlichen Rand am oberen Ende einer  Rotbuchenallee steht ein mächtiger Mammutbaum.

Am nördlichen Parkrand soll noch eine Kneipp-Anlage sein, in der man Wassertreten kann. Eine Infotafel handelt vom „Laubacher Wasserweg“ und zeigt eine schematische Zeichnung über die Einsatzgebiete vom Regenwasser im Haushalt. Der Wasserweg soll zum sparsamen Trinkwasserverbrauch anregen.

Lustwandeln kann man auf den Wegen durch den Schloß- und Kurpark. Der namenlose Wanderer um 1900 war tief beeindruckt: „In allen deutschen Landen gibt es trotz aller Wunder nicht vieles, was diesem Schloßwinkel gleichkommt“, schrieb er in sein Tagebuch und pries „die geheimnisvolle Reglosigkeit, in der Schloß und Bäume verharren, sind als wäre man in eine sonst mit tausend Siegeln versehene Märchenwelt geraten“. Die Märchenwelt ist heute gerade mal knapp fünf Hektar groß, damit gehört der Laubacher Schloßpark zu den kleinen Vertretern seiner Art. Der kunstvollen Gestaltung im Stil des englischen Gartens tut das keinen Abbruch.

Im Schwanenteich spiegelt sich fotogen der Schloßturm. Kurz vor dem Ausgang nach Westen liegt links versteckt hinter Bäumen die Untermühle, eine schö­ner Renaissancebau aus dem Jahre 1587 mit einem schönen Wappen am Westgiebel.

Der Park ist rund um die Uhr zugänglich, der Eintritt außerhalb der Veranstaltungswochenenden frei. Zum kulturellen Mittelpunkt werden die Parkwiesen beim alljährlichen Bluesfestival im Spätsommer (Ende August). Außerdem feiert die Stadt hier ihr überliefertes Lichterfest Anfang August. Dann verwandelt sich der Schloßpark in ein Lichtermeer voller fantasievoller Figuren aus rund 70.000 sogenannten Hindenburglichtern.

 

(4) Friedrichsburg: Man muß dann wieder zurückgehen und durch den südlichen Ausgang des Schlosses zur Friedrichsburg am nordswestlichen Ende des Marktplatzes. Man wirft einen Blick auf den Marktplatz. Das Altstadtcafé links war das Bierbrauerhaus von 1738, das Haus darunter steht an der Stelle des Gemeindewirtshauses, von dem noch eine Inschrift erhalten ist.

 

(5) Evangelische Stadtkirche (Ersterwähnung 1057): Die ältesten Teile sind Chorraum, Querschiff und Vierungsturm mit verschieferten Giebeln und Rautendach (11.-14. Jahrhundert, um 1250, spätromanisch / frühgotisch). Bruchsteinmauer mit sechs Steinplastiken (14. Jahrhundert, innen Wandmalereien (14./ 15. Jahrhundert), Alabastergrabmal Graf Friedrich Magnus (1562 - 1563), Grabdenkmäler Solmser Grafen, Gemälde mit ältester Darstellung Laubachs (1616).

Die  neueren Teile  sind das Langschiff aus den Jahren  1700 - 1702 (barock), innen prächtiger Grafenstuhl (privater Teil über der Sakristei, 1751), Barockorgel mit prachtvollem Prospekt (1747 - 1749). Anschließend an den Turm ist der Grafengang (1750), einst direkter Zugang für gräfliche Familie vom Schloß in die Kirche.

Fachwerkbau am Parkplatz: Redderichsbau mit gußeisernen Tafeln zur Stadtbefestigung und Erinnerung an Gründung der Firma Buderus in Friedrichshütte bei Laubach

 

(6) Strumpfweberhaus

Ältestes Fachwerkhaus (um 1450), unterhalb des Kirchenhügels. Steingewölbter Keller mit zweigeschossigem Fachwerk in Ständerbauweise. Zweigeschossiger Wandständerbau mit gebogenen Fußbändern und Kopfbändern. Es ist um 1450 errichtet und ältestes Wohnhaus in Laubach.

Starke Vorkragung des Obergeschosses. Erstverwendung vermutlich als Wehrbau. Burgmannenhaus, später Wohn- oder Arbeitsstätte eines Strumpfwebers (Wollweberzunft seit Beginn des 18. Jahrhunderts bekannt). Letzte Renovierung 1995

Das Fachwerkbild Laubachs ist vielseitig, belebt und vermittelt ein Stück Kulturgeschichte des heimischen Zimmerhandwerks. Es ist reich an Zeugen aus der hessisch-fränkischen Bauweise mit baugeschichtlich interessanten Übergangs- und Sonderformen und einigen besonderen Ausziermotiven.

Die markantesten Fachwerkhäuser von 1450 bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts lassen sich in folgende Epochen einteilen:

  • 15. - Anfang 17. Jahrhundert: Wehrbauten aus der Zeit der Stadtgründung; und Stadtbefestigung (zum Beispiel Strumpfweberhaus, Klipsteinturm, der einzig erhaltene Turm der Stadtbefestigung, heute ein bewohnter Fachwerkbau. Quadratischer viergeschossiger Turm. Letzter noch vorhandener Wachturm der ehem. Stadtbefestigung. Die Fachwerkteile sind wohl um 1500 entstanden.
  • Bauern- und Ackerbürgerhäuser, bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648), mehrfach mit lateinischen Schnitzinschriften
  • 2. Hälfte des 17. Jahrhundert: Wenige Bauten mit reichverziertem Fachwerk, der Zeit entsprechende ausführliche deutsche Schnitzinschriften mit religiösem Inhalt (Dreißigjähriger Krieg, Pest)
  • Nach 1700: Keine Verzierungen, nüchterne und zweckgerichtete Bauten, deutsche Schnitzinschriften, vielfach mit Feuersegen.

 

Weitere Fachwerkbauten:

  • Grünes Meer 14 – Zweigeschossig. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts entwickelte sich aus dem Ständerbau der Rähmbau mit geschnitzten Eckständern, errichtet 1667.
  • Grünes Meer 28 – Rähmbau, um 1600 errichtet
  • Grünes Meer 30 – Um 1550 erbaut.
  • Marktplatz 5 – Dreigeschossiges Giebelhaus, bezeichnet 1738.
  • Marktplatz 8 – Dreigeschossiger traufständiger Bau, im Kern 1635. Der Eck-Erker wurde wohl im 18. Jahrhundert hinzugefügt.
  • Obergasse 14 – Bezeichnet 1617
  • Obere Langgasse 12 – um 1500, im 17. und 18. Jahrhundert verändert.
  • Untere Langgasse 6/8 – (Gasthaus zur Eule). Um 1560 errichtet, Anbau von 1651
  • Untere Langgasse 26 – Traufenhaus, bezeichnet. 1625.

 

Nördlich liegt das Sumpfgebiet an der Nordwestseite des Schlosses, das sich in diesen Teil der Altstadt erstreckt. Dieser älteste Stadtteil heißt „Grü­nes Meer”, wofür die Algenbildung in Regenzeiten namengebend ist. Die ganze Stadt war von Seen umgeben, die man dann stillgelegt hat (im Schloßpark sind noch zwei Teiche vorhanden).

 

(7) Grimannsbrunnen (Grünemannsbrunnen) von 1588 / 1589: Durch die Grünemannsgasse kommt man in die Untere Langgasse. Hier stand die Unterpforte von 1475. Aber ein Brunnen ist hier nicht zu sehen, nur rechts in der unteren Langgasse das Kriegerdenkmal. Dort gegenüber soll der Brunnen sein.

 

(8) In der Straße „An der Planke“ ist noch eine Sehenswürdigkeit auf dem Rundgang eingezeichnet, vielleicht das Hoch­zeitshaus von 1674.

 Über den Steinweg geht man in die Parallelstraße „Auf der Planke“.

 

(9) Kreuzung Bahnhofstraße  / Planke: Der Straßenname „Planke“ weist auf die ursprüngliche Art der Stadtbefestigung an dieser Stelle hin. Nach Norden sieht man zum Schloß, zum Uhrturm aus dem 13. Jahrhundert, der ehemals der Bergfried der mittelalterlichen Burg war. Gegenüber der Einmündung der Unteren Langgasse steht der Engels­brunnen von 1780, benannt nach dem Engel mit dem Solmser Wappen. Man steigt die Wildemannsgasse hinauf, die den Verlauf der Stadtmauer wiedergibt. Das Haus Wildemannsgasse 9 wurde im Jahre 1969 abgebrochen. Die Eckständer mit „Wildem Mann“ und „Wilder Frau“ sind jetzt am Neubau des Hauses Nr. 7 rechts oben an dem Eckhaus angebracht.

 

(10) Obergasse: Nach links geht es in die Obergasse mit Neubauten aus den siebziger Jahren (Flächensanierung). Gegenüber der Post steht ein alter Stadtbrunnen. Im Garten des Hauses „Im Hain 8“ steht ein Vorwerk der Stadtbefestigung an der Wetter. Es ist ein quadratischer Turm des 16. Jahrhunderts mit Maulschießscharten und jüngerem Fachwerkaufsatz. Er war einst Teil des der Stadtmauer vorgelagerten Haingrabens. Im Jahre 1965 wurde es abgetragen und etwa  130  Meter von seinem ursprünglichen Standort entfernt im Gartengelände des Hauses „Im Hain 8“ wiedererrichtet. Dabei wurde das aus dem 18. Jahrhundert stammende Fachwerkobergeschoß weitgehend rekonstruiert

Man geht erst die Obergasse weiter. An ihrem Ende stehen rechts das Erker-Haus von 1593 und dann das Glasmacherhaus

 

(12) Obere Langgasse: In der oberen Langgasse steht neben dem Schloß das Amtshaus

 

(13) Oberpforte (errichtet 1559, abgerissen 1865)

Oberes Stadttor mit 40 Meter hohem Turm, einst höchstgelegenes Bauwerk der Stock. Einziger Überrest in die Schloßmauer eingemauerter Schlußstein der Pforte (10 Meter links).

 

(11) Baumkircher Straße / Lippe: Wohnviertel aus dem 15. / 16. Jahrhundert. Hier siedelten sich Bürger aus dem ehemaligen Weiler Baumkirchen im Seenbachtal nördlich von Freienseen nahe dem Bach „Lippe“ (daher der Straßenname). An der Ecke zu dieser Straße stand die Synagoge (Gedenktafel).

An der Ecke zur Friedrichstraße steht das Museum Fridericianum, ein stattlicher Fachwerkbau, der 1750 als gräfliches Jagdhaus unterhalb des Tannenberges (Fürstengarten)  in Gonterskirchen errichtet wurde und 1832 an den Kammerdirektor Wilhelm Klenze auf Abbruch verkauft, der das Gebäude an seine heutige Stelle versetzen ließ. Zwischen 1875 - 1922 diente es als humanistisches Gymnasium. Zweigeschossiger Bau mit Krüppelwalmdach und zweiläufiger Freitreppe. Traufgesims mit Zahnschnittfries. Das 1979 fälschlicherweise freigelegte Fachwerk war sicherlich von Anfang an verputzt. Im Inneren findet sich eine große hölzerne Spindeltreppe.

Auch das heutige Rathaus war eine Schule. Zwischen Museum und Schule ist das Denkmal für Graf Friedrich zu Solms-Laubach (1833- 1900), den Wiederbegründer der Lateinschule.

 

An mehreren Stellen der Stadt stehen Toilettenwegweiser, ein ungewöhnliches buntes Schild mit einem aus zwei Nullen gezeichneten Grinsegesicht. Hier sind gleich zehn Lokalitäten aufgelistet, die auch für Ihr kleines Bedürfnis ohne Verzehrzwang offen sein sollen. Die vielleicht hessenweite Neuheit spart der Stadt die hohen Kosten für eine öffentliche Toilette.

 

Geballte Pferdestärken gibt es im Münch-Motorenmuseum, vom Park etwa 15 Minuten zu Fuß entfernt (Friedel-Münch-Straße 2): Hier präsentiert Friedel Münch, Erbauer der Münch-Mammut, die als PS-stärkstes Motorrad der Welt gilt, die gesamte Palette des Motorenbaus.

 

Bei der Ausfahrt aus der Stadt kann man noch durch die Stiftstraße fahren. Dann biegt man nicht gleich rechts nach Schotten ab, sondern erst eine Straße weiter (die Stiftstraße) und dann wieder rechts zurück auf die Landesstraße nach Schotten.

In der Stiftstraße steht rechts ein stattlicher langgezogener Bau, das ehemalige Siechen- und Armenhaus (1702), eine gräfliche Stiftung, Vorgängerin des heutigen Diakoniezentrums.

Im weiteren Verlauf der Stiftstraße kommt man in die Vorstadt (nach 17001): erste Bauwerke außerhalb der Stadtmauer, einheitlicher Baustil (auf rechter Straßenseite erkennbar)

Links vom Cafe: „Portebrunnen“ zur Wasserversorgung der Vorstadt - 1887 durch Röhrenbrunnen ersetzt - künstlerisch wertvolle Brunnenschale mit gräflichem und städtischem Wappen - gegossen auf der Friedrichshütte von der Firma Römheld

 

Laubacher Forst:

Man dürfte es eigentlich gar nicht an die große Glocke hängen. Es ist ein Idyll, wie man es in heimischen Regionen nur noch selten erleben kann. Wohin das Auge auch blickt, erstreckt sich Wald, der sich nur gelegentlich mit stillen Wiesentälern abwechselt. Stille und Abgeschiedenheit sind denn auch die markantesten Merkmale des Laubacher Forsts. Folgt man einem der wenigen Forst­wege in sein Inneres, erinnert den Wanderer auf Stunden kein Geräusch mehr an das hektische Treiben der Zivilisation. Wer sich dieser Stimmung anpaßt, kann hier das beobachten, wofür man in unseren Breiten gewöhnlich einen Tierpark besuchen muß und spüren, was Wellness-Kuren versprechen.

Der Wald ist mit 3850 Hektar Fläche eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Hessens. Mit 65 Prozent Laubholzanteil liegt der Laubacher Forst weit über dem hessischen Schnitt.  Ein Ausflug hierhin lohnt zu jeder Jahreszeit. Der Laubacher Wald gehört heute zu großen Teilen dem Solmser Grafenhaus. Durch Zukauf erweiterte das Haus sukzessive seinen Besitz, profitierte dabei auch von der Aufgabe zweier Dörfer (zum  Beispiel Ruthartshausen), deren Menschen in die umliegenden Orte verzogen.

In den Flußauen von Horloff und Wetter, die mit zwei Quellarmen im Laubacher Forst entspringt, findet sich auch das seltene Knabenkraut, das hier gleich mit zwei Unterarten vertreten ist. Die Talauen der beiden dort noch jungen Flüsse im Zuge der geplanten Ausweisung als FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) genau kartographiert. Über die beiden Orchideenarten hinaus hat man eine erstaunliche Vielfalt auch an schützenswerten Tieren und Pflanzen festgestellt. So finden sich neben der Gelbbauchunke und dem Hirschkäfer auch eine seltene Fischart, nämlich die Groppe, in den Talauen von Seenbach, Wetter und Horloff. Besonders stolz ist man auf zwei Brutpaare des äußerst seltenen Schwarzstorchs. Außer dieser hoch gefährdeten Vogelart zählen Uhu und Kolkrabe zu den Bewohnern des idyllischen Waldgebietes. In den außergewöhnlich alten Laubholzbeständen fänden viele Fledermausarten ein Domizil.

Aber auch historisch kann das riesige Waldgebiet einiges vorweisen. Neben vielen historischen Grenzsteinen finden  sich in der Nähe von Gonterskirchen zahlreiche kreisrunde Stellen im Wald, die sie als Standorte von Meilern ausweisen. Im Wald westlich von Freienseen, noch westlich des Süße Kopfs, kann man noch die Wälle der Engelsburg erkennen, die dem Grafenhaus in Pestzeiten als Rückzugsort diente. Daher heißt sie im Volksmund auch heute noch „Pestburg“ (nicht mit dem Auto zu erreichen). Derzeit widmen sich einige Heimatforscher im Kreuzseener Grund südöstlich von Freienseen der Erforschung des aufgegebenen Dorfes Baumhausen.

Kurz hinter Laubach in Richtung Schotten geht nach links die Straße nach Freienseen ab. Noch vor dem Ort biegt man rechts ab und auf der Kreisstraße Richtung Gonterskirchen. Kurz nach der Gaststätte „Laubacher Wald“ geht es wieder nach links auf die Bundesstraße in Richtung Schotten. Nach einigen Kilometern - wo die Bundesstraße den Fluß Horloff kreuzt - kommt man am Gasthaus „Bikerhaus“ vorbei. Kurz danach steht links ein verlassenes Forsthaus. Hinter diesem Haus geht es rechts hoch auf eine kleine Anhöhe, auf der man noch die Ruine der Kirche von  Ruthartshausen sehen kann. Dann führt der Weg weiter nach Schotten. Man kann aber auch über Einharthausen, Gonterskirchen, Ruppertsburg, Villingen, Hungen zur Autobahn nach Wölfers­heim  fahren.

Östlich von Laubach bei der Ruine von Ruthardshausen ist das „Grüne Meer“ angelegt, ein Pfad durch die Bäume, besonders für Kinder.

 

Ruthardshausen

In einer mondhellen Nacht kam einmal die alte Förstersche aus dem Ruthardshäuser Jägerhaus von Laubach zurück. Da stiegen aus der Hexenwiese und aus dem Seegrund viele Menschen herauf mit einem Sarge, ein langer, langer Zug, als gälte es irgendeinem Begräbnis. Die Weiber hatten allesamt faltige Mäntel über dem Kopf. die fielen ihnen bis über die Schultern herab. So zogen sie mausestill den Kirchberg hinauf, wo der Stumpf der alten Dorfkirche steht, unter welchem ehedem das in den Ritterzeiten ausgegangene Dorf Ruttershausen lag. Gesichter konnte die Förstersche nicht erkennen, auch wußte sie nicht, was sie zu solch absonderlichem Tun sagen sollte. Sie ging deshalb näher hinzu, um alles besser zu sehen. Aber siehe da -  nun war die Erscheinung zu Ende und nichts mehr davon zu merken.

„Wo sind sie, deren Lied aus deinem Schoß, o Kirchlein, einst zu Gott emporgeflogen, vergessend all ihr trübes Erdenlos“ ist auf einer gußeisernen Tafel in der Kirchenruine zu lesen und weiter: „Wo sind sie? Ihrem Liede nachgezogen!“ Das Schicksal der einstigen Bewohner des untergegangenen Dorfes Ruthardshausen an der Einmündung des Ruttershäuser Baches in die Horloff wollen wir hier etwas aufhellen.

Zur Besiedlung des Vogelsbergs: Süd- und Südwestabfall des Vogelsbergs waren zwar nie ganz menschleer, doch ihre eigentliche Besiedlung begann erst mit dem heute als „fränkische Landnahme“ bezeichneten Vordringen neuer Siedler. In etwa ab dem 4. Jahrhundert wurde neues Land urbar gemacht. Die Siedlungsrichtung wird von Wetterau und Gießener Land ausgehend die Flußtäler aufwärts verlaufen sein, wobei, bedingt durch den Bevölkerungszuwachs ab der Mero­wingerzeit, vermehrt Gebiete an den Oberläufen der Flüsse und Bäche in Anspruch genommen wurden.

Zunächst entstanden wohl oft nur zwei bis fünf Höfe umfassende Weiler, die wahrscheinlich auch öfters ihre Lage veränderten, wenn die Erträge der Ackerfluren nachließen. Wann genau einzelne Orte entstanden, ist heute nicht mehr nachvollziehbar, da eine Altersbestimmung nach der ersten urkundlichen Erwähnung immer von den Zufälligkeiten des Aufschreibens und der Überlieferung abhängig ist. Die Ortsnamensforschung kann hier Anhaltspunkte über Zeitabschnitte geben, in denen erste Siedlungstätigkeiten wahrscheinlich sind.

Älteste Orte sind solche, deren Namen von einem Bach oder Fluß abgeleitet sind. Wetterfeld könnte man hier einordnen. Sie dürften bereits von den Chatten gegründet worden sein. Frühestens im 7. Jahrhundert entstanden die Orte, deren Namen auf  „bach“ ausgehen; erste Spuren von Laubach sind wohl hier anzunehmen. Später folgten die Orte mit den Endungen „dorf“ und „hausen“ und die große Zahl derer, deren Namen weiter nichts als genitivische Personennamen sind, zu m Beispiel Einartshausen. Die letzte Zeit, in der Siedlungen in größerem Umfange neu entstanden, waren die vier Jahrhunderte zwischen 800 - 1200. Ihre Ortsnamen enden meist auf  „.rod“ und „hain“: Altenhain, Petershain, Rudingshain, Breungeshain, Betzenrod, Röthges. Aber immer noch entstanden Siedlungen, denen die Gründer ihren Namen gaben, wozu wahrscheinlich auch Götzen zu rechnen ist.

Außer den heute noch existierenden Orten finden sich für das Gebiet des heute fast unbesiedelten Laubacher Waldes in historischen Unterlagen immer wieder Hinweise auf eine ganze Reihe weiterer Orte. wie Baumkirchen, Bürgel, Engelhausen, Fartmannshausen, Gemanns­hausen, Hartmannshausen, Horloff,  Kreutzseen, Lautenbach, Lauzendorf, Ober-Laubach, Ober- und Nieder­hinderna, Oberseen, Ruthardshausen, Silbach, Steinbach und Winden, welche im Laufe der Zeit aber wieder aufgegeben wurden.

 

Spätmittelalterliche Wüstungen: Gegen Ende des Mittelalters erfolgte ein einschneidender Bevölkerungsrückgang, der das Wüstwerden vieler Orte zumindest mit verursachte. Im Vogelsberg ist deren Anzahl mit über 50 Prozent besonders groß gewesen. Dabei fällt auf, daß es sehr oft Orte sind, die erst in der Rodungsepoche des hohen Mittelalters entstanden waren.

Ausgangspunkt war zweifellos der große Bevölkerungsverlust, der durch die seit 1348 einsetzenden Pestepidemien verursacht wurde und denen ein Drittel bis ein Viertel der Bevölkerung zum Opfer fielen. Viele Bauernstellen verwaisten und die Überlebenden wanderten von den schlechten Böden zu den leichter zu bewirtschaftenden und ertragreicheren ab. Dieser Vorgang geschah oft nicht freiwillig, denn der an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert vollzogene gesellschaftlichen Strukturwandel zur Feudalherrschaft, der Wandel einer Gesellschaft von vorwiegend freien Siedlern zur Trennung in adlige Herren und unfreie Bauern, zeigte auch hier Auswirkungen: Adel und auch die Kirche zwangen die Bewohner kleinerer Weiler, verwaiste, gut zinsende Hofstätten in den größeren Orten zu bewirtschaften, um ihr Einkommen zu sichern.

Zusätzlich wurde durch die Bevölkerungsabnahme auch im gewerblichen Bereich ein Mangel an Arbeitskräften spürbar. Löhne und Preise stiegen und das erhöhte die Attraktivität der Städte, zog viele Zuwanderer vom Land an. Weiterhin mag in manchen Fällen auch Sicherheitsbedürfnis zur Aufgabe von Dorfstellen und zum Zusammenschluß zu größeren Gemeinschaften geführt haben. Die Folge: Der Wald gewann die Flächen, die ihm im Hochmittelalter abgetrotzt wurden, schnell wieder zurück und so waren im Laubacher Wald fast alle wüsten Orte bald wieder vollkommen von Wald bedeckt.

 

Ruthardshausen: Unter all den genannten Wüstungen im östlichen Laubacher Wald nimmt Ruthardshausen eine Sonderstellung ein. Es ist der einzige Ort, der wenigstens eine sichtbare Spur hinterlassen hat. nämlich die Kirchenruine beim Jägerhaus, ein ursprünglich gotischer Bau aus Chorturm und rechteckigem Schiff.

Der Legende nach soll ein Stornfelser Graf seinen drei Söhnen Land in der Nachbarschaft zugewiesen haben. Sie machten das Land urbar und gaben den neuen Siedlungen ihre Namen: Rut­hards­hausen, Gonterskirchen und Einartshausen. Erstmals urkundlich wird der Ruthardhausen im Jahr 1340 als „Ruthardeshusin“ erwähnt. Es war die „Siedlung eines Hroudhart“. Der Zusatz      „-hausen“ deutet auf eine Gründung vor der Zeit Karls des Großen hin. Weitere Nennungen des Ortes folgen in  „Grundstücksangelegenheiten“ in den Jahren 1363, 1381, 1386, 1428 und 1493. In einer Flurbeschreibung aus dem Jahr 1551 aber wird Ruthardshausen bereits als Wüstung bezeichnet: „Ruthardshausen, das ist eine Wüstung und gehört ausschließlich zum Amt Laubach: es hat niemand außerdem Anteil. weder an Weide noch an Wald.“

Diese Wüstung fängt an in der Seife beim Stein im Egelhain, verläuft am Stein bis an den Lindenstumpf, geht an dem alten Markstein wieder hinab bis in Raffelhenns Wiese zum Wasser und auch zum Stein, danach das Wasser hinab bis auf Thonges Wiese an demselben Stein an Junghenns Wiese und weiter an den Hohen Rain, den Rain hinauf bis hinter den Markstein zu dem Stein, wo zuvor ein kleiner Sandstein gestanden hat, an den Schötter Pfad und vom Schottener Weg den Rain hinab aufs Schiebergermeß, von dort den Rain hinab bis auf die Rugernwiese und von dort überzwerchs übern Wald bis auf die Lindelbach, übern Streckberg und hinab zu der Drehe-Mühle, zum Forellenweiher bis auf den Bach und hinunter durch die Fuchswiesen zur Lehmkaute bis an die Hege, hinaus bis an den Schlag an die Wetterau, bei dem Schlag alsdann das Wasser hinauf bis dahin, wo die Wetter entspringt, und weiter den Wintersberg hinaus bis an den Halgarten und daselbst hinab bis auf den Ruttershäuser Bach, immer weiter dem Bach folgend bis wieder zu den Haugswiesen hinauf bis an den Stein in der Seife, wo die Beschreibung anfing.

In dieser Wüstung liegen folgende Wälder: „ein Wald. genannt der Botenberg, stößt an die Kircheißen, auch der Kirchenberg, ein Stück Wald gegenüber, heißt Am hohen Rain in der Mulaue an der Kohlen bis an Lohe, der stößt an den Streckberg, der Lindelbach, ein Buchwald, über der Bach, der kleine Thomasbühel, an der alten Struth, in der Wetterau, auf dem großen Thomasbühel, der Wintersberg ein Stück, der Halgarten.“

Der „Ruthardshäuser Teich“ entstand erst, als das Dorf bereits verlassen war. Noch aus dem Jahr 1759 ist bekannt, daß die Kirche in ihrem betünchten festen Gemäuer anzutreffen war und als Wildscheuer genutzt wurde. Das lange erhaltene Gewölbe des Chors ist um das Jahr 1850 eingestürzt.

Wie kam es zu der Wüstung? Alle oben genannten Gründe werden wohl daran einen Anteil gehabt haben, wobei der auslösende Faktor die Reduzierung der Bevölkerung durch die Pest gewesen sein dürfte. Als zu Beginn des 15. Jahrhunderts das Dorf Laubach Stadtprivilegien erhielt, wird berichtet, daß dies unter anderem seinen Anfang im Zusammenziehen der Dorfschaften Baumkirchen, Kreutzseen, Rutterhausen, Hartmannshausen und anderer genommen habe. Da diese Dörfer innerhalb der Stadt eigene Gemeinwesen bildeten und sogar eigne Schultheißen hatten, darf man wohl schließen, daß sie nicht allmählich, denn dann wären sie in der Stadt untergegangen, sondern jedes Dorf auf einmal in die Stadt zog und zwar mehr oder weniger auf Befehl des Landesherren. Die Lehm-Fachwerk-Gebäude konnte man dabei umsetzen, massiven Steinbauten hingegen blieben und verfielen. Die starken Fundamente, welche nur von einer Kirche herrühren können und die bei Ausgrabungen in der Baumkirchener Gemarkung gefunden wurden, sind ein Beispiel hierfür und als hervorragendes Zeugnis der Kirchenstumpf der Valentinskirche des ehemaligen Ortes Ruthardshausen.

Zu diesen Vorgängen berichtet eine Sage: Der Abt von Fulda hätte in einer Fehde sieben Orte verbrannt, darunter Ruthardshausen, Hartmannshausen, Oberseen, Kreutzseen und Baumkirchen, deren Bewohner nach Laubach gezogen seien, das bis dahin nur aus vier Höfen bestand. So sei Laubach zur Stadt geworden. In einer anderen Version wird behauptet, der Übeltäter sei ein Graf von Solms gewesen, der in einer einzigen Nacht die Dörfer in Schutt und Asche gelegt und die abgebrannten Leute gezwungen habe, nach Laubach zu ziehen und des Grafen Dienstmannen zu werden. Mit dem Grafen soll es ein böses Ende genommen haben, denn zur Strafe für seine Untat fraßen ihn Maden bei lebendigem Leibe auf.

Wer heute unweit des Kirchbergs die Bundesstraße 276 entlang fährt, ahnt nichts von der Nähe des einstmals sakralen Bauwerks. Der Wald ermöglicht keinen Blick auf das alte Ruthards­häuser Gotteshauses. Wer es aber aufsucht, den zieht die Ruine in ihren Bann.

Kulinarisches:

Auch in einer Kutsche oder einem Planwagen kann man an Laubachs Schönheiten vorbeifahren und dann weiter durch Wald und Feld. Man muß sich bei der Kurverwaltung anmelden. Diese hat für Genießer auch eine „Laubacher-Lukullische-Wanderkarte” parat. Begonnen wird mit einem Bauernfrühstück, und im nächsten Ort wartet eine Schweinskopfsülze. Über die von Napoleon errichtete „Hohe Straße” kommt man zu einer Wetterfelder Forelle (westlich von Laubach), ein paar Kilometer weiter wird ein Holzfällersteak aufgetischt, und dann geht's quer durch den Wald zu gebackenen Sardellen und Omas Pfannkuchen. Auf der Wanderstrecke liegen auch ein Hirschbraten, ein gemischter Spieß, ein Lammrücken, ein griechischer Bauernsalat und Saftgulasch. Früher kam im Vogelsberg ein „Schlabberjux” auf den Tisch, ein Eintopf aus Weißkraut, Kartoffeln und Dörrfleisch. Oder warmer Weißkrautsalat mit gewürfeltem Dörrfleisch oder Speck. Den „Schlabberjux” gibt es auch heute, allerdings nur Vorbestellung über die Kurverwaltung.

 

 

Lich

Zwischen Vogelsberg und Wetterau liegt ein Städtchen, in dem es noch gemütlich hergeht und die Natur ringsum keines­wegs verdorben ist. Was vor allem den 133 Hektar großen Erholungswald betrifft, in dem etliche Vogelschutzgehölze sind. Wenn man von der Autobahn kommt liegt links ein Erholungsgebiet mit den wiederhergestellten Peter-Seen, die bereits von den Mön­chen als Fischteiche angelegt wurden. Nördlich davon sind ein römischer Wachtturm und der Limes.

Rechts liegt der Kolnhäuser Hof, ein altes Hofgut, das als ehemaliger Klosterhof von den Arnsburger Mönchen bewirtschaftet wurde und ein stattliches barockes Wohnhaus besitzt, eine großartige geschlossene Hofanlage mit gut erhaltener Umfassungsmauer, die jetzt zum Golfhotel ausgebaut wird. Der Golfplatz liegt auf der anderen Seite der Straße.

Erstmals hörte man im Jahre 790 von Lich, als es eine Siedlung war, die in den Urkunden des Klosters Lorsch erwähnt wurde. Am 10. März I300 ermächtigte König Albrecht seinen getreuen Diener Philipp von Falkenstein, das Dorf Lich zu einer Stadt zu erheben.

 

Rundgang:

Von der Bundesstraße fährt man nach rechts in die verkehrsberuhigte Zone der Innenstadt (Braugasse, Hüttengasse, nach rechts in die Seelenhofgasse). Im Zentrum der Stadt steht die Marienstiftskirche. Sie gehört zu den ältesten Bauwerken der Stadt. Das Marienstift wurde 1318 von Philipp III. von Falkenstein gegründet (Lich kam nach der Mün­zenbergischen Erbteilung an die Falkensteiner). Die Kirche, wohl der dritte Bau, wurde 1509 errichtet (1510 -1594) und dann 15 Jahre lang im spätgotischen Stil zur Hallenkirche umgebaut. Stilistisch gehört sie der Epoche der Gotik und der Renaissance an (Malereien über den Bögen). Ursprünglich sollte er ein gotisches Gewölbesystem erhalten, doch trug man dem neuen Stilempfinden Rechnung und deckte den Raum mit einer flachen Balken­decke. Später zog man unter dieser ein flaches Tonnengewölbe ein. Bemerkenswert ist die ba­rocke Kanzel (Rokokokanzel von 1774), die einst im Kloster Arnsburg stand. Die Skulptur Kunos von Falkenstein und seiner Gemahlin Anna, Zeugnisse mittelrheinischer Gotik, sind weit über den heimischen Raum hinaus bekannt.

Zu den herausragenden Kunst­gegenständen der Marienkirche gehört ein lebensgroßes, spätgotisches Kruzifix, das dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend mehr­fach überarbeitet wurde - nachweislich erstmalig im 18. Jahr­hundert, als man die Kirche mit Brettern einwölbte und in die­sem Zuge der gesamten Raumschale eine neue, zeitgemäße Farbigkeit verlieh. Im 19. Jahr­hundert erhielt der Korpus ein neues, wenig gut propor­tioniertes Kreuz aus Nadelholz mit aufgemalter Holzmaserung. Die ehemals als Triumphkreuz konzi­pierte Skulptur mußte als Altarkreuz ihre neue Verwendung zu finden, da der Kreuzbalken in seiner Konstruk­tion und Statik nicht aufhängbar angelegt ist.

In den fünfziger Jahren des ver­gangenen Jahrhunderts übermalte und retuschierte man ein freigelegtes Konglo­merat von früheren Fassungsresten. Das führte in den vergangenen fünfzig Jahren zu erheblichen Blätterungen. Das genannte Schadbild führte zu einer Untersuchung der Skulptur in der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, die nachfolgend unter ande­rem die Abnahme der letzten Über­malung und die Schließung der Fehlstellen vergangener Eingriffe in den Fassungsbestand zur Folge hatte. Heute erfüllt das Kreuz wieder seine sakralen Aufgaben als Triumphkreuz über dem Altar schwebend.

Wer in die Kirche möchte, muß sich vorher an die Familie Albohn wenden, die im Haus Nr. 5 östlich der Kirche wohnt, sie hat den Schlüssel (Rufnummer: 064 04/ 25 90).

 

Unterhalb der Kirche am Kirchenplatz steht das „Textor-Haus” aus dem 16. Jahrhundert, das Obergeschoß ist von 1632, ein prächtiger Renaissance-Fachwerk­bau. Darin ist das Heimat­museum untergebracht.

Nach Westen geht es in die Kirchgasse. Im Eckhaus wohnte der Stiftspfarrer Georg Frank (1830 -  1840), der Gründer des hessisch-preußischen Zollvereins. Dann geht es rechts hoch auf den Liebfrauenberg. Links steht ein altes Fachwerkhaus mit einem Kreuzstein im Sockel nahe der Ecke. In der Straße „Liebfrauenberg’“ steht links Nummer 2 des ehemalige Stiftspfarrhaus. Geradeaus sieht man die Reste der Stadtmauer.

Man geht nach rechts vor dem Evangelischen Gemeindehaus her zum Kirchturm. Dieser ist ein alter Festungsturm aus dem 14. Jahrhundert mit einem Verlies im Erdgeschoß, der seit dem 16. Jahrhundert der Glockenturm ist. Am Turm ist eine Tafel zur Stadtgeschichte, rechts vom Turm ist ein Bogen der Stadtmauer.

An der Kirche entlang geht man wieder nach unten. An der Kirche steht ein Gedenkstein für die Juden. Die Eiche vor der Kirche ist von 1913 und erinnert an die Völkerschlacht bei Leipzig. Das Rathaus ist von 1850 mit einem Brunnen davor. Die Einkaufsstraße hat auch nach Osten zu sehr sehenswerte Fachwerkhäuser.

Vom Parkplatz in der Seelenhofgasse fährt man nach Süden und nach links in die Straße „Hopfengarten“ und nach rechts in die Heinrich-Neeb-Straße (nach links geht es zur Brauerei Ihring Melchior) und in die Schloßgasse.

 

In  der Zeit der Stadtgründung wurde im Tal der Wetter eine Wasser­burg gebaut. An deren Stelle steht heute ein Schloß mit mittelal­terlichen Rundtürmen, einem verschieferten Obergeschoß und Zwiebelhauben, auf deren Spitzen Rokkoko-Vasen zu sehen sind. Da das Schloß bewohnt wird, kann man es nicht besichtigen. Von der Schloßgasse fährt man nach links in die Braugasse zur Bundesstraße (aber vom Schloß direkt kommt man nicht dorthin).

 

Ein Abschnitt der Eisenbahntrasse Butzbach - Lich, die zu einer Fabrik nach Langgöns-Cleeberg führte, ist ein weiteres Landschaftsrelikt. Die ehemalige Bahntrasse ist als Damm in Feld und Wald noch gut zu erkennen, sogar ein Prellbock ist erhalten.

 

Ober-Bessingen (bei Lich)

Das Gotteshaus des Licher Stadtteils Ober-Bessingen wurde an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert als einschiffige gotische Kirche erbaut. Der Innenraum wird durch ein dreijoch­iges Kreuzgewölbe gegliedert. In der Seitenkapelle findet sich ein wunderbares Sterngewölbe, dessen Schlußstein ein menschliches Gesicht darstellt. An der östlichen Wand der Kapelle ist eine mittelalterliche Darstellung zu erkennen, bei der es sich wohl um die Heilige Dorothea handelt.

Die letzte große Renovierung der Kirche fand 2001 / 2002 statt und brachte Überraschendes zu Tage. So wurde ein mittelalterliches Fresko über dem Chorbogen freigelegt, welches das Weltgericht darstellen soll. Außerdem wurden barocke Elemente an drei Fenstern im Schiff und an der Gewölbedecke sichtbar. Die  Orgel wurde im Jahr 1833 von Hartmann Bernhard aus Romrod gebaut und ist als Denkmalorgel ausgewiesen. Ein kurzer Film informiert über die umfangreichen Renovierungsmaßnahmen, die 2001 und 2002 stattfanden.

Auf einem Waldweg von etwa 600 Metern Länge hat die Gemeinde 2015 rund 60 Weihnachtskrippen aufgebaut. Die liebevoll in Gehölzen, Wurzeln oder Baumhöhlen integrierten Krippen ließen die Besucher nur staunen. Sogar an Ästen hängen verschiedenste Krippen in Laternen oder Gläsern.

 

 

Arnsburg

Von der Autobahnabfahrt Münzenberg geht es Richtung Lich. Vor der Klosterschänke mit Wildtierpark geht es rechts und gleich wieder links ist die Abzweigung zum Kloster Arns­burg. Man parkt auf einem Parkplatz links vor dem Kloster. Dort steht unter einem Schutzdach ein Kalkofen aus dem 18. Jahrhundert (Näheres in: Wanderungen am Wetteraulimes, Seite 154).

Die Gründung des Klosters geht auf den Wunsch eines Landesherrn zurück. Bei der Gründung des neuen Klosters Arnsburg mußten die Mönche auch nicht bei Null anfangen. Denn schon seit etwa 1000 residierten oberhalb der späteren Klosteranlage die Herren von Arnsburg in der Burg auf dem „Hainfeld“. Als Kuno I. von Arnsburg seinen Sitz in die neu erbaute Münzenburg verlegte, übertrug er das Gelände der alten Burg 1174 den Zisterziensern im Klosters Eberbach.

Entsprechend ihrer Or­densregel „Bete und arbeite“ und der Vorschrift, Klosteranlagen in abgelegenen Tälern zu errichten, began­nen die Zisterziensermönche gegen Ende des 12. Jahrhunderts fern jeder größeren Ansiedlung mit dem Bau des Klosters Arnsburg im Tal der Wetter. Neben Eberbach im Rheingau findet der zisterziensische Geist, der sich in Weltabgeschie­denheit zu verwirklichen suchte, im Kloster Arnsburg bei Lich eine sei­ner schönsten baulichen Entsprechungen.

Warum die Mönche erst 1197 dorthin kamen, weiß man nicht. Als sie schließlich in der Wetterau eintrafen, machten sie sich zunächst daran, die Kirche des Klosters zu errichten. Fast fünfzig Jahre dauerte der Bau der dreischiffigen Pfeilerbasilika. Erst nach deren Fertigstellung durften andere Steingebäude in Angriff genommen werden. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden Sakristei, Kapitelsaal mit darüberliegendem Dormitorium (Schlaf­saal der Mönche) und das Untergeschoß des weitläufigen Bursenbaus fertig. Sämtliche Bauten halten sich streng an die vorgeschriebene Schlichtheit der Ausführung.

Das Leben im Kloster folgte strengen Regeln, die sich weitgehend an Benedikt von Nursia orientierten. Der hatte zu Beginn des 6. Jahrhunderts festgelegt, daß die Mönche neben ihrer ständigen Anwesenheit im Kloster nach den Geboten der Keuschheit, Armut und des Gehorsams zu leben hatten. Vor allem aber definierte er den mönchischen Tagesablauf als einen Wechsel von Arbeit, Gebet und Studium, in späteren Jahrhunderten zusammengefaßt in der griffigen Formel „Ora et labora“ - Bete und arbeite!

Kloster Arnsburg erlebte einen erstaunlichen Aufschwung und war in mancherlei Hinsicht maßgebend und bestimmend für die Wetterau. Die Zisterziensermönche waren nicht nur hervorragende Baumeister mit eigener Bauschule. Ihrer Ordensregel entsprechend waren sie auch vorzügliche Landwirte. Neben ihren eigenen Ländereien, die außer durch Kauf vor allem durch Stiftungen ständig erweitert werden konn­ten, bewirtschafteten die Arnsburger Mönche auch Klosterhöfe wie Eberstadt, Hof Güll, Koln­hausen und Wickstadt und bauten bisher unbekannte Frucht- und Obstsorten an. Zahlreiche Klöster, Kirchen und Kapellen unterlagen ihrer geistlichen Aufsicht. In einem Ackerbuch des 14. / 15. Jahrhunderts ist in 253 Orten Haus- und Grundbesitz verzeichnet.

Die Anlage befindet sich heute im Besitz des Hauses Lich. Schon im 16. Jahrhundert entspann sich zwischen dem reichen Kloster und dem Haus Solms ein langwieriger Streit um das Vogteirecht. Dieser Streit wurde erst 1803 im Rahmen der Säkularisierung beendet, als die Anlage als Entschädigung für verlorene Gebiete links des Rheins dem Haus Solms zugesprochen wurde. Die vier Linien der Solmser Grafen teilten sich das Erbe. Das Haus Lich erhielt das Archiv und die Kanzel der barocken Kirchenaus­stattung; sie ziert seitdem als prachtvollstes Stück die spätgotische Marienstiftskirche von Lich.

Das Interesse der neuen Eigentümer war nicht besonders groß, zahlreiche Klostergebäude verfielen oder wurden abgetragen. Kirche und weitere Gebäude wurden 1811 zum Abbruch freigege­ben, 1818 stürzten Dächer und Gewölbe der Pfeilerbasi­lika ein. Der Kreuzgang wurde gänzlich abgetra­gen, Grabsteine profaner Verwendung zugeführt; auch andere Bauteile verschwanden im Laufe der Zeit.

Das Bibliotheksgebäude des Klosters Arnsburg wurde vollständig abgetragen und im Nachbarort als evangelische Kirche wieder aufgebaut. Das Skriptorium ist ebenfalls nicht erhalten. Das gilt auch für Küche, Speisesaal, Wärmestube und Krankenhaus, die sich alle in einem Gebäude am südlichen Ende des Kreuzgangs befanden. Von diesem sind heute nur noch die Konsolen an den Umfassungsmauern zu sehen, auf denen einst die charakteristischen Kreuzgratgewölbe ruhten. Nach umfassenden Restaurierungsarbeiten präsentiert sich die Anlage jetzt weitgehend in der Ursprünglichkeit des 12. und 13. Jahrhunderts.

 

Vorhalle:

Zuerst sieht man links das „Paradies”, die ehemalige Vorhalle der Kirche, die heute der evangelischen Kirchengemeinde Eberstadt als Gotteshaus dient. Vor allem im Sommer lassen sich dort viele Paare trauen. Das in den früheren Wirtschaftsgebäuden des Klosters untergebrachte Drei-Sterne-Restaurant ermöglicht Hochzeitsfeiern in historischer Umgehung. Dann kommen die Kirche und anschließend der Bursenbau (Bursenkeller). Das ehemalige Wohnhaus der Laienbrüder, in dem sich heute ein Hotel befindet.

 

Friedhof :

Durch den Torbogen kommt man zuerst zum Friedhof im ehemaligen Kreuzgang. Hier liegen Soldaten, Kriegsgefangene und Opfer nationalsozialistischer Gewaltherr­schaft und Zwangsar­beiter aus den östlichen Ländern und 87 von der Gestapo ermordete Insassen des Arbeitslagers Hirzenhain. Auch eine Gedenktafel für die Opfer eines Todesmarsches ist hier angebracht.

 

Kapitelsaal:

Der unmittelbar an den Kreuzgang anschließende Kapitelsaal - der Versammlungsraum der Mönche - erweist sich als ein besonders schöner frühgotischer Raum, der dem Kapitelsaal im Kloster Eberbach nicht nachsteht. In der Mitte des Kreuzgangs befindet sich seit 1960 eine Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs. Unter dem frühgotischen Gratgewölbe steht ein altarähnlicher Steinblock. Er birgt im verschlossenen Metalldeckel das Gedenkbuch mit den Namen der hier Ruhenden. „Mortui viven­tes obligant“ lautet die Inschrift -„die Toten verpflichten die Lebenden“.    

 

Kassenhäuschen:

Dann geht man wieder aus dem Kreuzgang heraus zum Kassenhäuschen im Bursenbau. Die Anlage kann werktags von 14 bis 18 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt kostet einen Euro für Erwachsene, 50 Cent für Schüler. Manch­mal finden Ausstellungen statt, und da wird etwas mehr verlangt. Hier kann man auch einen kleinen, aber ausführlichen Führer durch die Anlage erstehen.

 

Kirchenruine:

Man kommt zunächst in die spätromanische Kirchenruine der Abteikirche. Sie ent­stand im Jahre 1246 als eines der schönsten Bauwerke des romanisch-frühgo­ti­schen Baustils, zeigt also leichte Andeutungen des Gotischen. Baumaterial war der hier anstehende vulkanische Blasenba­salt (Lungstein). Die Ba­silika mit drei Schiffen ist im sogenannten „Gebun­denen System“ gebaut, mit Vierung und Querhaus. Mit 85 Metern Länge und fast 20 Metern Höhe war sie eine der größten der nach Hunderten zählenden Klosteran­lagen in der europäischen Welt der Zisterzienser („Orbis Cistercienses”). Ge­deckt war sie mit Kreuzrippengewölben. Statt eines Da­ches spannt sich heute das blaue Firmament über den Gurtbögen.

Die Mauern sind teils von Efeu umrankt und auf den oberen Längsseiten von Kiefern bewachsen. Wie ein Symbol des Lebens erscheint es da. daß sich die Natur weite Teile des Mauerwerks der Kirchenruine erobert hat. Es scheint fast, als setzten sich die Gewölberippen, Kelch- und Knospenkapitelle in den gebeugten Kieferstämmchen fort. Kloster Arnsburg - eine beein­druckende Synthese aus Baukunst und Natur.

 

Dormitorium:

Rechts hinter der Kirche führt eine Treppe zum Dormitorium hinauf (die Tür ist allerdings verschlossen). In dem Schlafsaal nächtigten bis zu 100 Mönche, wie bei den Zisterziensern üblich voll bekleidet. Der Raum ist vollständig erhalten und dient heute als Konzert- und Ausstellungssaal. Vom Dormitorium aus gab es einen direkten Zugang zur Kirche. Kranke konnten auf einer kleinen Empore an den Gottesdiensten teilnehmen.

Wenn man an dem Gebäude entlang geht kommt man ganz hinten zu einer sehenswerten Ausstellung über die Geschichte des Klosters. Hier ist zum Beispiel festgehalten, daß das Kloster Besitzungen hatte in Seckbach, Bergen, Bischofsheim, Fechenheim, Kesselstadt, Mittelbuchen, Bruchköbel, Roßdorf, Langendiebach, Ravolzhausen, Hütengesäß

 

Friedhof:

Auf der Nordseite der Basilika war der einstige Friedhof der Mönche. Er dient heute noch als bewußt schlicht gehaltene Grablege. Viele Angehörige Wetterauer Adelsfamilien haben sich dort begraben lassen. Etwas links von dem Kruzifix sind die Gräber der Familie Fabricius: Der Rentamtmannes Christian Wilhelm Fabricius, der von 1804 bis zu seinem Tode 1877 in Arnsburg lebte, hat Zeichnungen hinterlassenen, die einen Eindruck vermitteln über den Zustand des Klosters kurz vor Beginn der Abbrucharbeiten. Das Kloster war die Begräbnisstätte der Herren von Münzenberg. Aber auch die Herren von Hanau betteten in dieser frühen Zeit ihre Toten im Kloster.

 

Neuere Bauten:

Man geht dann wieder zurück durch den Bursenbau zu den neueren Bauten auf dem Klostergelände. Sie wurden entweder nach der teilweisen Zerstörung des Klosters im Dreißigjähri­gen Krieg neu aufgebaut (fast alle Wirtschaftsgebäude) oder im Stil des Barock im Laufe des 18. Jahrhunderts errichtet. Hier wurde mit fast herrschaftlichem Anspruch um den mittelalterlichen Kern eine barocke Anlage gelegt. Die barocken Teile des Klosters sind heute von Privatleuten bewohnt.

Links steht ein großer repräsentativer Bau in Art eines Schlosses, ein barocker Gebäudeflügel, der erst im 18. Jahrhundert errichtet wurde. Zu dieser Zeit erlebte Kloster Arnsburg noch einmal eine Blüte, nachdem es in den Jahrhunderten zuvor, zumal während des Dreißigjährigen Kriegs, allerlei Ungemach zu ertragen hatte. Der Barockflügel besteht aus Abteigebäude, Prälatenbau, Küchenbau, Pfortenbau und Gartenhaus und beherbergt heute Privatwohnungen.

Es folgen der Schloßladen und der Arnsburger Kulturgarten. Eine Brücke führt zum Gartenhaus des Abtes von 1751.

Dann wendet man sich auf die andere Seite und geht zurück    In der Mauer stehen der Fachwerk-Treppenturm der Klosterschmiede und die Schmiede. Daneben steht die Klostermühle, die im Jahre 1675 erbaut wurde und heute Restau­rant ist. Dann geht es wieder durch den Pfortenbau aus der Klosteranlage hieraus.

 

Kulturhistorischer Lehrpfad I:

Burg:

Unmittelbar vor dem Pfortenbau des Klosters steht ein Schild „Zu den Ausgrabungen (1984) der Arnsburg”. Hier geht man nach rechts an der Außenseite der westlichen Klostermauer entlang auf einem schmalen Pfad nach Süden. Wo die 1,6 Kilometer lange Klostermauer endet, wird ein Stück des Weges von der Wetter begleitet. Durch alte Steinbrüche geht der Weg nach rechts auf die Höhe des Hangs. Etwa 100 Meter entfernt liegen im Feld die teilrekon­struierten Fundamente der mittel­alterlichen Burganlage Arnsburg, die im späten 10. Jahrhundert auf dem „Hainfeld” errichtet wurde (Punkt 2).

Sie war Sitz der Reichsdienstmannenfamilie von Hagen und Arnsburg, die unter den Staufern eine bedeutende reichspoliti­sche Rolle spielte. Die Arnsburg wurde früher an anderer Stelle vermu­tet, doch Luftaufnahmen von Dietwulf Baatz ermöglichten Anfang der 80er Jahre eine Lokalisierung der Anlage an diesem Platz. Kurze Zeit später führte das Landesamt für Denkmalpflege Hessen unter der Lei­tung von Fritz-Rudolf Herrmann in den Jahren 1984 und 1985 Grabungen durch.

Die bauliche Entwicklung dieser Burgwü­stung ist recht kompliziert und sollte vor Ort anhand der Informa­tionstafeln nachvollzogen werden. Ältester Bau auf dem Hainfeld war ein quadratischer Turm auf der linken Seite, der zusammen mit einem Brunnen von einer Mauer umgeben war (Abb. 91).

Schon Mitte des 12. Jahrhunderts wurde die Burganlage wieder aufgegeben, als Konrad II. von Hagen und Arnsburg den Berg Münzen­berg erwarb und dort eine große Höhenburg bauen ließ. Sein Sohn Kuno baute die Münzenburg weiter aus und nannte sich als erster    „von Münzenberg”. Die Burg Arnsburg wurde, nachdem die Benedik­tiner ihr Kloster im ehemaligen Römerkastell verlassen hatten, von Kuno von Münzenberg 1174 dem Orden der Zisterzienser als vorübergehende Unterkunft übergeben (evtl. eine Art „Baukloster” während der Errichtung der großen Klosteranlage im Wettertal) und nach dem Bau des neuen Klosters wieder verlassen.

Zur jüngsten Bau­phase auf dem „Hainfeld” zählt die Heiligkreuzkapelle auf der rechten Seite, die 1399 ge­weiht und 1623 im Dreißigjährigen Krieg aufgegeben wurde. Um die Ruhe des großen Klosters im Wettertal zu wahren, war diese Wall­fahrtskapelle mit Ablaßmarkt außerhalb der Klostermauern errichtet worden. Bei den umfangreichen Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege kamen interessanterweise an einer Stelle besonders viele kleinere Metallfunde sehr unterschiedlicher Funktion ans Tageslicht, die ganz offensichtlich zu spätmittelalterlichen Marktständen ge­hörten, so zum Beispiel Haarnadeln, Nähnadeln, Ösen, Fingerringe, Fingerhüte, Ketten, Schmuckanhänger und Würfel (Abb. 92).

Südlich der Burgwüstung Arnsburg lag auf dem gegenüberliegenden Ufer der Wetter eine hochmittelalterliche Siedlung, bei der es sich vermutlich um die erstmals 1151 /    11    52 urkundlich erwähnte „villa arnes­burg” handelt. Bei Grabungen der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen 1993 stieß man auf mehrere Gebäudereste, u. a. sogenannte Grubenhäuser. Im Gelände ist heute von dieser An­siedlung keine Spur erhalten.

Man kann diese Ausgrabungsstelle übrigens auch von der Landstraße nach Muschenheim aus besuchen, sie gehört ja zum östlichen Zweig des kulturhistorischen Lehrpfades. Wenn man aber jetzt wieder zum Kloster zurück geht, kann man auf die rechts gelegenen Gebäude der Berger Mühle achten.

 

Alter Turm:

Wieder an der Südmauer des Klosters angekommen geht man nach rechts weiter an der Mauer entlang. Es geht vorbei an der Rückseite des barocken Gartenhauses des Abtes Peter Schmitt aus dem Jahre 1751, das innerhalb der Anlage in einem schönen Wiesen- und Gartengelände liegt. Man folgt der Straße nach Muschenheim entlang der Klostermauer (zu Punkt 4). An der Ecke der Mauer führt ein schmaler Pfad nach links.

Vorbei geht es am „Roten Tor” von 1750 und weiter in nördlicher Richtung einer Reihe alter Kastanien folgend, immer unmittelbar entlang der Klostermauer und dann weiter auf einem breiten Waldwirtschaftsweg.

Am Ende der Klostermauer kommt rechter Hand am Hang der Schutthü­gel eines alten Turmes ins Blickfeld, erkennbar ans einer gradlinigen Kante. Es handelt sich hierbei um    eine aus dem Mittelalter stammende Anlage, nach Scherben­funden aus dem 12. / 13. Jahrhundert. Nur wenige hundert Me­ter weiter nordwestlich liegt übrigens eine ähnliche Stelle. Beide sind auf den Karten meist mit „Alter Turm” bezeichnet. Sie liegen hinter einer Trockenmauer, vor der ein Graben und ein alter Weg verlaufen. Vielleicht war die Anlage Teil einer älteren Befestigung des Kloster­geländes.

Man kann jetzt schon an der Klostermauer entlang gehen und kommt auch zu einer Brücke über die Wetter. Wenn man aber noch weiter auf dem Wirtschaftsweg geht - einem Teilstück des Limesweges – kommt man in einer weiten Rechtsbiegung zu einem Waldweg, der steil den Berg hinauf in Richtung Wachtposten 4/59 „In der Hardt” führt (Punkt 7). Allerdings ist die Turmstelle noch weit entfernt und liegt heute in einer vom Forstamt ausge­wiesenen Wildruhezone und kann nicht aufgesucht werden.

Erhalten ist der Schutthügel des römischen Steinturmes mit 5,50 Meter Seitenlänge. Einst bot die Stelle wohl einen ausgezeichneten Überblick über das umliegende Gelände. Bei einer Grabung der Reichs-Limeskommission im Jahre 1919 wurden von dem quadratischen Bau noch Teile des 40 Zentimeter hohen, aus Basaltsteinen errichteten Mauerwerks freigelegt. Außerdem kamen römische Gefäßscherben und Bruchstücke von Mühlsteinen ans Tageslicht. Das Wall-Graben-System des römischen Limes ist hier nicht mehr auszumachen.

Man geht den Wirtschaftsweg weiter und biegt an einer Sitzgruppe nach links ab. Hier ist die Wetter etwas aufgestaut, damit ein Mühlgraben zum Kloster abzweigen kann. Die Wanderung zurück zum Kloster führt durch ein wunderschönes Tal, auch „Gottesackertal” genannt. Der Wanderer wird durch die friedliche Stille und Einsamkeit in die rechte Stimmung für den kom­menden Klosterbesuch versetzt.

Kurz vor Erreichen der Klosteranlage kommt rechter Hand der Graben der Klostermauer in Sicht, der nur hier an der Nordwestecke ausgeführt war. Oberhalb liegen davor der mächtige Wall und Graben einer vermuteten mittelalterlichen Sporn­burg des 8.- 10. Jahrhunderts, die vielleicht noch vor der Anlage auf dem „Hainfeld” Sitz der Arnsburger Reichsdienstmannen­familie war (Abb. 94).

Von Norden kommend betritt man die Klosteranlage und durchquert ein Garten­gelände mit Spielplatz. Ein Rundgang durch das in baugeschichtlicher Hinsicht bedeutendste Kloster der Wetterau    wird am Ende der Wanderstrecke sehr empfohlen.

 

Kulturhistorischer Lehrpfad II:

Für diesen Teil des Lehrpfads fährt man erst wieder zurück bis an die Abzweigung nach Muschenheim. Gleich nach der Senke steht rechts das Schild „Kulturhistorischer Lehrpfad“. Dort geht der Weg hinauf auf eine Hochfläche, auf der das Römerkastell Arnsburg stand (leider fehlt die erste Informationstafel).

Es war das am weitesten nördlich errichtete Kohortenkastell der Römer, die sogenannte „Alteburg”, direkt über der Mündung des Welsbaches in die Wetter. Wie gut dieser Platz für den Bau eines Militärlagers gewählt war, ist auch heute noch zu erkennen: Sämtliche nach beiden Seiten des Limesverlaufs errichte­ten Wachtposten konnten von hier aus weithin eingesehen werden. Der Grenzwall verläuft etwa 1,5 Kilometer nordöstlich des Kastells.

Frühkaiserzeitliche Funde vom römischen Gelände lassen vermuten, daß hier eine römische Militäranlage um Christi Geburt für kurze Zeit bestanden hat. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts nCh errichtete man dann an gleicher Stelle das Kastell Alteburg zunächst als Holz-Erde-La­ger; in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts wurden die Umfas­sungsmauern und einige der Innenbauten in Stein errichtet.

Über die Funktion der einzelnen Gebäude sind bisher nur durch die Grabungen der Reichs-Limeskommission einige Ergebnisse bekannt geworden. So wurde das Stabsgebäude (princi­pia) und wahrscheinlich das Wohnhaus des Kommandeurs (praetorium) aufgedeckt; eventuell. kann auch das Speichergebäude (horreum) identifiziert werden. Alle übrigen Innenbauten wie Mannschaftsbaracken, Wirtschafts- und Stallgebäude wa­ren wohl in Holzbauweise errichtet und konnten damals nicht erkannt werden.

Der Haupteingang des 29.000 Quadratmeter großen Kastells war als Doppeltoranlage errichtet und wies nach Osten (also zum Limes) hin. Außerhalb der Mauern in südlicher Richtung fanden die Ausgräber der Reichs-Limeskom­mission unter Leitung des Streckenkommissars Friedrich Kofler 1893 ein großes Gebäude, wahrscheinlich eine Herberge (mansio), und im Süden entlang der Römerstraße nach Friedberg das Kastellbad und Reste des Lagerdorfes (vicus).

Besatzung des Kastells waren teilweise berittene Kohorten von je 500 Mann Stärke: Vermutet wird zu Beginn die „cohors II Aquitano­rum equitata“, Anfang des 2. Jahrhunderts abgelöst von der „cohors I Aquitanorum veterana equitata“, die wiederum kurze Zeit später von der „cohors V Dalmatarum“ ersetzt wurde. Bis zur Aufgabe der Grenz­befestigung um 260 nCh blieb das Kastell besetzt.

Straßen führten nach Butzbach, Echzell und Friedberg. An dieser Straße nach Süden lag das Kastell-Dorf, das erste Gebäude war das Bad. Östlich des Kastells (noch auf der Höhe, aber westlich des Weges) lag ein Unterkunftshaus (mansio).

 

Wenn man den Berg hoch kommt, trifft man zuerst einmal auf den Friedhof von Dorf-Güll. Dann sieht man aber gleich die Informationstafeln, zum Beispiel am Nordtor, wo auch noch an der Nordwestecke    Reste der Kastellmauer schwach im Boden zu erkennen sind. In der Mitte des Geländes liegen die Trümmer    der Klosterkirche.

Viele Jahrhunderte lang danach war die Anlage auf der Höhe unbe­setzt, die antike Stätte verfiel und wurde von der umliegenden Bevölke­rung als Steinbruch genutzt. Im Jahre 1150 / 1151 ermöglichte eine Stif­tung Konrads II. von Hagen-Arnsburg an dieser Stelle die Gründung eines Klosters der Benediktiner. Da dem Bau dieses Klosters kein Glück beschieden war, gaben die Mönche bereits nach 21 Jahren ihr Vorha­ben auf Betreiben Kunos von Münzenberg auf und zogen zurück in ihr Mutterkloster nach Siegburg.

Der Bau dieser Klosteranlage mitten im alten römischen Kastellgelände sorgte dafür, daß auch die letzten Reste der Kastellbauten verschwanden. Intensiver Ackerbau in unseren Tagen hat schließlich auch alle Spuren dieses ersten Klosters verwischt. Eine alte, schon auseinander brechende Linde steht heute dort, wo einst der Mittelpunkt sowohl der römischen wie auch der mittelalterlichen Anlage war. Etwas südlich der heutigen alten Linde stand der Altar der nicht vollendeten Klosterkirche der Benediktiner. Der Platz steht als archäologisches Kulturgut unter Denk­malschutz und soll nicht betreten werden.

 

Muschenheim

Der „Kulturhistorische Lehrpfad“ geht dann noch weiter zum „Heiligen Stein“ südlich von Muschenheim. Aber nach dorthin fährt man noch ein Stück weiter auf der Landstraße nach Trais. Links ist eine Gruppe von Häusern mit einem Laubengang aus Rosen (Neu-Mühle?)

Rechts steht noch einmal eine Informationstafel an der Straße.

Man fährt dann zwischen den Leitplanken hindurch. Links geht ein geteerter Weg ab. Diesen könnte man auch gehen, müßte nur oben nach rechts weiter gehen. Besser ist es, noch ein ganzes Stück weiter zu fahren, bis nach einer Rechtskurve links im spitzen Winkel ein Feldweg den Berg hoch geht. Dieser führt zu einem Wegweiser, der auf das Steingrab hinweist.

Man kann auch in Muschenheim vom Dorfplatz nach rechts in Hessengasse fahren und am Ende des Dorfes (die Straße nach Bettenhausen ist übrigens befahrbar) das Auto stehen lassen.

Auf betoniertem Weg geht es dann durch eine Gruppe von Scheunen rechts zum „Wetter­bergskopf“. Man kann bis zum Wegweiser gehen, der nach links weist. Man kann aber auch schon vorher nach links über die Weise gehen zu einer Gruppe von Büschen, hinter denen

das Steingrab steht.

Der „Heilige Stein“ ist ein Grabdenkmal aus der Zeit um 2000 vor Christus (auf der Informationstafel steht 3.000 vCh). Es wird der Megalithkultur zugeordnet und diente der Bestattung einer ganzen Gruppe. Die Steine stammen vom Berg, auf dem die Münzenburg steht, denn sie sind aus Granit (nur der mittlere Stein ist aus Granulat), während hier in der Gegend nur Basalt vorkommt. Das Grab sah ursprünglich anders aus, denn es hatte innen eine Grabkammer. Erhalten sind praktisch nur die Steine, aus denen diese Kammer gebildet wurde. Alles war dann noch mit Erde überdeckt. Es wurde schon in früherer Zeit entdeckt und ausgeraubt. In den Seitenischen fand man bandkeramische Bestattungen. Das Kulturdenkmal ist in Mittelhessen einzigartig. Der hoch aufgerichtete Stein im Osten scheint nicht zu dem Grab zu gehören. Von dort oben hat man aber eine wunderbare Rundumsicht.

 

 

Hungen

Die erste Spur des Ortes ist ein römisches Numerus-Kastell. Westlich von Hungen ist in der Karte das Kastell „Feldheimer Wald“ eingezeichnet. Südlich von Hungen springt der Wet­terau­limes nach Nordosten vor, um ein Numeruskastell noch mit einzuschließen. Es liegt etwa 1,5 Kilometer östlich von Inheiden und wird nur durch Luftbildaufnahmen sichtbar.

Ein Gutshof lag südlich der Straße Bellersheim-Trais Münzenberg im Markwald. Von Bel­lers­heim kommend geht man die zweite Schneise links, etwa 50 Meter hinter der Kreuzung. ist dann die so genannte

 

Geschichte:

782

 

Erste urkundliche Erwähnung von Hungen (Hoingen) am 28. August 782 in einer Schenkungsurkunde Kaiser Karls d.Gr. an das Kloster Hersfeld. Es ist wahrscheinlich die älteste Siedlung im Horlofftal

1183

 

Erste Erwähnung eines Klerikers in Hungen

1286

 

Erste urkundliche Erwähnung der Kirche in Hungen

1320

Erste urkundliche Erwähnung der Pfarrei Hungen

1361

Verleihung der Stadtrechte an Hungen durch Kaiser Karl IV. unter Gräfin Agnes von Falkenstein

1383

 

Erste urkundliche Erwähnung der Burg der Falkensteiner in Hungen (Vorgängerbau des späteren Schlosses)

 

ab 1418

Hungen ist im Besitz der Grafen zu Solms-Braunfels

1469

Am 28. August 1469 wurde ihr durch Kaiser Friedrich III. ein Marktrecht für die Zeit vom 28. Oktober bis zum 11. November verliehen. Hieraus entwickelte sich der traditionelle Allerheiligenmarkt

 

1602 bis 1678

Hungen ist Residenz der Seitenlinie Solms-Hungen. In dieser Zeit Neubau des Kirchenschiffs als reformierte Predigtkirche und repräsentativer Ausbau des Schlosses

 

nach 1678

Hungen ist wieder zu Solms-Braunfels gehörig

 

1806

 

Die Solmser Territorien werden Bestandteil des Großherzogtums Hessen-Darmstadt

 

 

Man kommt von Süden am Schloß vorbei und biegt nach rechts über die Schienen in die Hauptstraße hinein. Wo diese einen Knick nach links macht, geht es rechts in die Bitzenstraße zu einem Parkplatz auf der linken Seite. Von dort geht man wieder ein Stück zurück und nach links in einen anderen Arm der Bitzengasse. Dort steht links die ehemalige Synagoge. Ein Stück weiter kommt man zur Evangelischen Stadtkirche auf der rechten Seite. Noch ein Stück weiter ist links das Schloß.

 

Kirche:

Die Evangelische Stadtkirche zu Hungen vereint in ihrer jetzigen Baugestalt Stilformen der Romanik (Glockenturm), der Gotik (Chorraum), der Renaissance (Kirchenschiff) und des Barock („welsche Haube“ des Treppenturms). Diese Unterscheidung ist am besten von außen auf der Südseite zu erkennen.

Das älteste Bauteil bildet das Untergeschoß des romanischen Glockenturms (Turmhalle) aus dem Ende des 12. Jahrhunderts. Es ist zugleich das älteste erhaltene Baudenkmal der Stadt Hungen. Um 1286 war die Kirche eine Wehrkirche. Das Kirchenschiff ist von 1607. Die Kirche ist die älteste reformierte Predigt-Umbau-Kirche Oberhessens. Der Eingang an der Nordseite ist offen.

Nach 1530 erfolgte der allmähliche Übergang zur lutherischen Reformation. Ab 1556 wurde das   lutherische Bekenntnis in der Herrschaft Solms-Braunfels unter Graf Philipp ein geführt. Im Jahre 1582 erfolgte die Einführung des reformierten Bekenntnisses unter Graf Konrad von Solms-Braunfels durch den Heidelberger Professor Kaspar Olevian. Eine reformierte Synode fand in Hungen statt. Die Altäre in der Hungener Kirche wurden beseitigt (Marienaltar, Katharinenaltar, Sebastianaltar), ebenso der Taufsteins. Das calvinistische Bilderverbotwurde duruchgesetzt (in späterer Zeit wurden die Wandmalereien übetüncht). Turmsockel und erstes Obergeschoß des Turms sind von 1200.

Die Kirche hat ein frühgotisches Kreuzrippengewölbe und ein kleines romanisches Säulenportal nach Süden. Um 1400 wurde die südliche Fensterlaibung erweitert mit der figürlichen Darstellung des Marientodes und Johannes des Täufers. Es gibt auch spätgotische Rankenmalerei. Am Sockel auf der Nordseite findet sich Teppichmalerei. Um 1450 wurde der  stilisierte Sternenhimmel mit Wolken am Gewölbe eingefügt. Es gibt drei Weihekreuze und Reste eines Priesterdreisitzes an der Südseite. Die Türnische des innen rechteckigen romanischen Portals         erhielt später eine Quadermalerei.  Im Jahre 1907 kam es zur Freilegung und Restaurierung der lange übertünchten Bemalung aus verschiedenen Phasen.

Der spätgotischen Chorraum wurde 1518 anstelle der ursprünlich romanischen Apsis geweiht. Er hat eine Sakramentsnische mit Solmser Löwen von 1514 un d abbrechende Rankenmalerei- Hinter dem Altar ist ein prachtvoller Kenotaph von 1616für Graf Otto II., den Begründer der Seitenlinie Solms-Hungen. Weitere gräfliche Grabplatten des Hauses Solms-Hungen sind an den Wänden (ehemals auf dem Boden als Abschlüsse der Grüfte). Das schmiedeeiserne Gitter ist von 1679. Die gotischen Maßwerkfenster haben eine Verglasung, die 1907 erneuert wurde ( Auferstehungsdarstellung im Mittelfenster, rechts und links je ein Fenster mit Blumen- und Löwenmotiv).

Das Kirchenschiff hat eine Renaissancebemalung aus der Erbauungszeit, zum Teil mit Diamantquaderung, an Triumphbogen, Kanzel, Fenster- und Türgewände (1983 / 1984 erneuert). Die zentral angeordnete Kanzel mit dem hölzernem Schalldeckel (reformierte Predigtkirche!) steht neben dem alten Triumphbogen des Vorgängerbaus. Die Stuckdecke ist in geometrischen Formen gehalten. Der Treppenturm („Schneckenturm“) von 1608 ist Außen­aufgang zu den Emporen und zum ehemals als Fruchtspeicher genutzten Kirchendachboden. Der Altar istvon 1830. Der Fürstenstuhl von 1874 mit Wappenscheiben der gräflichen Familie in den beiden Fenstern darüber ist ausgestattet mit neugotisch historisierenden Stühlen. Emporen und Bänke sind von 1874, die Orgel von 1967 wurde 1983 erweitert und hat zwei Manuale und ein Pedal und 21 Register.

Die Glocken bilden ein wertvolles altes Geläut in den Tönen cis", e', fis'.  Die kleinste Glocke

ist die Vaterunserglocke aus dem 14. Jahrhundert, die Totenglocke – genannt“dicke Susanne“ von 1452 ist die größte Glocke. Die Bürgerglocke ist von 1697. Eine vierte Glocke  (Stimmung a', gegossen 1707) wurde 1917 für Kriegszwecke abgeliefert.

 

In der Chorkapelle (ehemals Grablege des Hauses Solms-Hungen) sind folgende Grabmale:

Reinhard Graf zu Solms-Hungen, geboren 27.03.1573, gestorben 16.05.1630.

Moritz Graf zu Solms-Hungen, geboren 21.11.1622, gestorben 30.11.1678 (siehe Nr. 14)

Ursula von Gleichen, Gemahlin des Grafen Otto zu Solms-Hungen, gestorben 21.09.1625

Karoline Katharine, geborene Pfalzgräfin zu Birkenfeld in Gelnhausen, dritte Gemahlin des Fürsten Friedrich Wilhelm zu Solms-Braunfels, geboren 19.12.1699, gestorben 11.05.1785

Sophie Eleonore, Gräfin und Fräulein zu Solms-Hohensolms, geboren 18.09.1672, gestorben 13.08.1673, Tochter des Grafen Ludwig von Solms-Hohensolms

Juliana, Gräfin zu Solms-Hungen, geboren 26.11.1624, gestorben 28.08.1628, Tochter des Grafen Reinhard

Epitaph des Grafen Otto zu Solms-Hungen, gestorben 1610 vor Molsheim, begraben in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg, errichtet von seiner Gattin 1616 (siehe Nr. 3)

Konrad Graf zu Solms-Hungen, geboren10.10.1627, gestorben 17.10.1628, Sohn des Grafen Reinhard

Juliana, geborene Gräfin zu Nassau-Katzenelnbogen, zweite Gemahlin des Grafen Johann Albrecht I. zu Solms-Braunfels, geboren 06.10.1565, gestorben 04.10.1630

Philipp Graf zu Sohns-Braunfels der Jüngere, gebolren29.03.1575, Kurpfälzischer Oberst, gestorben 29.01.1628, Bruder der Grafen Otto und Reinhard

Fräulein Juliana von Holland-Brederode, gestorben 10.07.1678 im Alter von 56 Jahren

Elisabeth, geborene Wild- und Rheingräfin zu Dhaun, zweite Gemahlin des Grafen Reinhard zu Solms-Hungen, geboren 15.03.1593, gestorben 13.01.1656

Friedrich Graf zu Solms-Hungen. geboren 05.01.1617. gestorben 25.08.1628. Sohn des Grafen Reinhard

Im Kirchenschiff sind weitere Grabmäler:

Holzepitaph für Moritz, Graf zu Solms-Hungen, geboren am 21.11.1622, gestorben am 30.11.1678 (siehe Nr. 2)

Grabstein der Margaretha Dalheymerin, gestorben 1569, Halbfigur in Haube und faltenreichem Mantel, Wappenschild mit einem Löwen, Ring in der rechten Klaue.

Grabstein eines Koch von Langsdorf, Kellers (=Verwalters). gestorben 1555, Figur in spanischer Tracht. Wappen mit Kochlöffel und Doppelhaken gekreuzt

Im Treppenturm sind folgende Grabsteine:

Grabstein des D. Thomas Eckius Pastor Aulicus et Primarius Ecclesiae Hoingnsis aus Königsberg in Preußen, geboren 1677, gestorben. 1750

Grabstein des Johann Conrad Eberhardi, geboren 1677, gestorben 1750

An der  Westseite der Kirchhofmauer sind die Grabsteine der Johanna Elisabethe Zachelin         (gestorben 1719, links) und der Dorothea Catharina Richterin, Pfarrerstochter. (gestorben 1726, (rechts)

 

Schloß:

Eine Burganlage taucht 1383 erstmals in Urkunden auf. Von 1602 - 1678 war die Stadt Residenz der Seitenlinie Solms-Hungen. Dafür wurde das Renaissance‑ Schloß von den Herren von Falkenstein angelegt. Seit 1604 wurde es unter Graf Otto II. von Solms-Hungen schloßartig mit einer schönen Fachwerkfassade ausgebaut. Erst wenn man durch die erste Gebäudegruppe (mit der Sonnenuhr) hinduruchgegangen ist, kommt man in den eigentlichen Innenhof.  Der dreiflüglige Hauptbau umschließt einen rechteckigen Hof, dessen jetzt nach Südwesten offene Seite ursprünglich durch eine hohe Schildmauer mit rundem Bergfried abgeschlossen war. Erker und Zwerchgiebel mit kühn geschwungenen „Teufelshörnern“ zieren die Gebäude um den kleinen Schloßhof. Spitze Türmchen und ein Storchennest hoch oben vervollständigen das romantische Bild. Nördlich und östlich des Gesamtkomplexes liegt eine ausgedehnte Vorburg, die in den Jahren nach 1604 angelegt wurde.

Vom Schloß geht man hinunter zur Hauptstraße und nach rechts am Marktplatz vorbei wieder zum Parkplatz. Von den Befestigungsanlagen sind noch Reste erhalten. Das ehemalige Amtshaus, ein Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert, steht heute im „Hessenpark” bei Neu-Anspach im Taunus.

 

Schäferfest:

Alle zwei Jahre ist in Hungen das Hessische Schäferfest. Jeweils am letzten Augustwochenende wird dabei daran erinnert, daß Hessen im 18. Jahrhundert „Das Wolland” genannt wurde. Wolle und Getreide waren damals die wichtigsten Ausfuhrerzeugnisse. Rund 800 Hirten kamen 1922 zum  ersten Oberhessischen Schäfertag in Hungen. Bei diesem Treffen wurde eine Schäferfahne gestiftet, die auf grünem Tuch ein Lamm und einen aufgehenden Stern zeigt. Stangenspitze ist eine silberne Schäferhippe.

Am ersten Tag des Schäferfestes ist ein Preisleistungshüten mit einer Hungener Schafherde. Die Reihenfolge wird durch das Los bestimmt. Hirten und Hunde haben dabei schwierige Aufgaben zu erfüllen, einige Hindernisse sind zu überwinden, die Herde muß sicher über Brücken und an Autos und Pferdegespannen vorbeigeführt werden. Am zweiten Tag ist ein Hirtengottesdienst und nachmittags ein Festzug.

 

Inheiden

Seit Jahren versorgt das Wasserwerk in Inheiden die Stadt Frankfurt mit gutem Wasser (deshalb gibt es in Bornheim die Inheidener Straße). Im Stadtteil Trais-Horloff ist der größte See Oberhessens. Zählt man die „Drei Teiche” bei Hungen hinzu, kommt man auf eine Wasserfläche von insgesamt 202 Hektar. Der See entstand seit sich das riesige Baggerloch vom Abbau Braunkohle mit Wasser füllte. Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Jahre 1950 wurde unter Tage und dann über Tage geschürft.

Der Trais-Horloff-Inheidener See ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Der See ladet zum Baden und zum Angeln ein. Hier ist das Leistungszentrum der hessischen Segler. Im Sommer werden am See große Seefeste mit Bootskorso und Feuerwerk veranstaltet.

 

Unter-Widdersheim (bei Nidda, westlich von Bad Salzhausen):

Menhir „Kindstein“. Von der Ober-Widdersheimer Straße geht nach Süden die Waldstraße ab, deren Verlängerung ist die Straße „Am Kindstein“.

 

Trais

Der  Obere Knappenssee (westlich von Trais-Horloff) ist ein ehemaliger Tagebau, der         renaturiert und vergrößert wurde.

 

 

Münzenberg

Die Stadt Münzenberg wird im Jahre 1234 erst­mals als Stadt erwähnt. Mit den Stadtteilen Gambach, Münzenberg, Ober-Hörgern und Trais (5.753 Einwohner) liegt in der nördlichen Wetterau. Im Jahre 1995 konnte die Stadt Münzenberg auf ihre 750-jährigen Stadtrechte zurückblicken. Auch die anderen Stadtteile blicken auf eine lange Vergangenheit zurück. Aus Funden ist die Besiedlung des Gebietes seit etwa 3000 vCh belegt. Der Stadtteil Trais wurde 790, der Stadtteil Gambach 798 erstmals urkundlich erwähnt. Der Stadtteil Ober-Hörgern ist seit 1271 nachweisbar. Die heutige Stadt Münzenberg wurde im Zuge der Gebietsreform 1972 gebildet und hat Wohnsitzcharakter sowie landwirtschaftliches Gepräge.

Von der Autobahnabfahrt fährt man nach Süden (links abbiegen nach Münzenberg) und fährt über die Falkensteiner Straße und die Steinbergstraße bis zur Wohnbacherstraße am Ende des Ortes. Dort biegt man rechts ab und dann wieder links in den Burgweg und die Straße Hatt­steiner Hof. In der Mitte des Gevierts ist rechts ein Parkplatz.

 

Rundgang durch die Stadt:

Vom Parkplatz geht man dann wieder ein Stück zurück, an dem Torbogen zum Hattsteiner Hof vorbei (Hattsteiner Hof 15) und dann links hoch Richtung Burg. Ins Auge fällt dabei an der Nordostecke  ein schloßähnliches, zweigeschossiges Herrenhaus, das aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammt. Das im barocken Stil erbaute Herrenhaus schließt auf der Hofseite direkt an einen Gebäudeteil mit rundem Treppenturm an, der dem 16. Jahrhundert zugerechnet wird. Die rückwärtige Fassade dieses Gebäudeteils (nach der Burg zu) wird durch einen erkerartigen Vorbau aus der Renaissancezeit aufgelockert. Das Herrenhaus trägt den Namen „Hattsteiner Hof“, der eigentlich für das Gesamtensemble zutreffend ist (Beschreibung der Burg weiter unten).

 

Altes Pfarrhaus:

Wenn man von der Burg in Richtung Marktplatz geht, steht rechts in der Straße „unter der Burg“ das ehemalige Pfarrhaus der Stadt, das bis 1969 als solches genutzt wurde. Bei dem Vorgängerbau handelte es sich um ein altes Burgmannenhaus, das 1416 der Kirche als Pfarrhof gestiftet wurde. Sein baufälliger Zustand machte im Jahre 1616 einen Neubau notwendig, der als winkelförmiger Fachwerkbau aus dem Holz- und Steinmaterial des ehemaligen Münzenberger Brauhauses und anderer Häuser errichtet wurde. Das ganze Anwesen wurde mit einer Bruchsteinmauer umgeben. Eine interessante lateinische Balkeninschrift am Wohnhaus lautet: „Nise Deus aedificia verit, duomimonanum laboraverunt, qui aedificant eam. Psalm 127 - Anno Domini 1671 Ianuarii“ („Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen“).

Den Hauptzugang zum Hof bilden drei sandsteinerne Pfosten. Die beiden westlichen Pfosten sind als „Mannpforte“ eine für Fußgänger bestimmte Türöffnung, mit einem Sturzbalken versehen mit der Jahreszahl 1752. Der westliche Zugang von der Straßenseite her ist mit der Inschrift 1787 datiert. Daneben ist an der West-Ecke ein kleines Gebäude mit einem vierseitigen Dach, das dem alten Pfarrhof einen romantischen Anstrich gibt.

 

Marktplatz und Rathaus:

Den Mittelpunkt einer jeden mittelalterlichen Stadt bildete der Marktplatz, auf dem sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in weiten Teilen abspielte. Heute noch findet alljährlich am zweiten Donnerstag im November der Martinimarkt in Münzenberg statt, der bereits 1284 als bedeutender Viehmarkt der Region erwähnt wird, und lockt zahlreiche Besucher von nah und fern in die Stadt.

In Münzenberg erhebt sich oberhalb des Platzes der  steinerne Bau des Rathauses aus dem Jahre 1551 /  1554, der den langgezogenen dreieckigen Platz abschließt. Der Blick auf das Rathaus mit der Burg im Hintergrund bietet ein äußerst reizvolles Bild.           

Der heutige Massivbau aus dem 16. Jahrhundert, der nur im Obergeschoß auf der Längsseite zum Marktplatz hin Fachwerk zeigt, hatte einen Vorgänger, der vermutlich ganz im Fachwerkstil erbaut worden war. In den Anfängen der Stadtgeschichte stand das Rathaus vermutlich auf Holzständern und war im Erdgeschoß offen. In dieser Halle konnten Versammlungen stattfinden, Gericht abgehalten und Marktstände aufgebaut werden. Möglicherweise fiel der Vorgängerbau einem der zahlreichen Stadtbrände zum Opfer.

Besonders auffällig sind der steinerne Treppengiebel und der von vier hölzernen Bügen getragene Erker des Rathauses aus der Renaissancezeit. Dieser Stubenerker diente zur Erweiterung der Wohnfläche, zur besseren Belichtung des Raumes und als künstlerisches Gliederungsmotiv der Fassade. Die Eingangstür wird von einem Spitzbogen umrahmt. Darüber befindet sich ein quergeteiltes Wappenschild, das Wappen der Herrschaft Münzenberg: Rot-Gold. In den Schlußstein ist die Jahreszahl 1551 eingehauen. Eine Holzsäule im Saal des oberen Geschosses trägt die Bezeichnung 1554. Dieses Gebäude wurde aus Finanzmitteln der Kirche errichtet und verblieb bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in deren Besitz.

An der Außenfassade am nordwestlichen Gebäudeteil ist noch ein Halseisen angebracht. Für geringere Vergehen, vornehmlich Freveltaten, die beispielsweise in Feld und Wald begangen wurden, war das Schöffengericht als Einrichtung der Niederen Gerichtsbarkeit zuständig. Neben Geldbußen konnte das Anketten am Halseisen verhängt werden, wo man dann den Übeltäter bewerfen oder bespucken konnte. Außerdem gab es das Zurschaustellen im „Triller“, einem hölzernen drehbaren Käfig, der sich auf dem Marktplatz befand, den die die Bewohner der Stadt drehen durften, um dabei den Übeltäter zu verspotten.

Am Marktplatz stehen auf beiden Seiten wertvolle Fachwerkhäuser. An der Ostseite  zum Beispiel Nummer 11 von 1733 und Nummer 15 von 1716. Hinter dem Haus Marktplatz 15 steht einer der zwei erhaltenen runden Schalentürme, die die Stadtbefestigung verstärkten, der sogenannte „Storchenturm“. Auf der Westseite Nummer 8 von 1726 und das Fachwerkhaus Ecke Pfarrgasse von 1576 mit der Inschrift, die unter anderem um Bewahrung vor hohen Steuern bittet.

Die schönsten Fachwerkbauten befinden sich auf dem Marktplatz, im  Burgweg, in der Pfarrgasse, am Junkernhof, in der Eichergasse, im Bellersheimer Weg und im Steinweg. Sie stammen in der heutigen Form meistens aus dem 17. und 18. Jahrhundert, können jedoch noch Bauteile aus früherer Zeit aufweisen. Die Fachwerkhäuser fielen vor allem im 17. und 18. Jahrhundert den vielen Stadtbränden zum Opfer, so daß danach ein Wiederaufbau einsetzte. Einige weisen jedoch noch Gewölbekeller der Vorgängerbauten auf. 

Bei den Fachwerkwohngebäuden  erzählt jeder Stein, jeder Riegel seine eigene Geschichte. Dies betrifft nicht nur den „Arnsburger Hof“, das „Haus des Pflegers“ oder die Hofreite mit dem „Storchenturm“, sondern jedes Haus, das sich im Laufe der Jahrhunderte baulich veränderte oder eine neue Fassade erhielt, weil es den zahlreichen Stadtbränden zum Opfer fiel.

Vom Marktplatz mit Brunnen gehen in alle Richtungen Straßen und Gäßchen mit zahlreichen Fachwerkgebäuden ab, deren reizvolle Giebel, Schmuckformen und hohen Tore ein charakteristisches Bild einer alten oberhessischen Ortschaft vermitteln.

Nach einem Schlenker geht der Marktplatz in den Steinweg über. Im oberen Teil sind noch Teile der Stadtmauer  erkennbar, zwischen denen  die Obersteinwegspforte stand. Sie war mit einer Wohnung versehen, in denen der Torwächter oder der Nachtwächter ihr Quartier hatten. - Es gab noch ein weiteres Tor im Steinweg.

 

Steinweg:

Der Steinweg zählt zu den ältesten Straßen der Stadt. Seinen Namen erhielt der Steinweg im Mittelalter, als gepflasterte und damit steinerne Straßen bzw. Wege noch die Ausnahme bildeten und den Reichtum und die Bedeutung einer Stadt verdeutlichten. Die Einzigartigkeit der Straßenanlage beeindruckte den Kunsthistoriker Georg Dehio so tief, daß er im „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ den Steinweg  mit seinem regelmäßigen Wechsel von dichtgedrängten Hausgiebeln und hohen Toren „als eine der schönsten Straßen in Oberhessen“ bezeichnete. Die an der Straße gelegenen alten Hofreiten, das Hospitalgebäude mit der Hospitalkirche und die Burg im Hintergrund, die sich über dem Berg erhebt, sowie der enge landschaftliche Bezug zum Wettertal unterstreichen die „herausragende historische Siedlungsgestalt“ der Stadt Münzenberg. Am oberen Ende sieht man noch links und rechts die Reste der Stadtmauer.

 

Hospital:

An der Ostseite des Steinwegs schon außerhalb der Stadtmauer stehen die Hospitalskapelle und südlich davon das ehemalige Hospitalgebäude, ein langgestreckter Fachwerkbau. Zur Hospitalstiftung gehörte auch das heutige „Arzthaus“ im oberen Steinweg. Die heutige katholische St. Nikolaus-Kapelle verdient mehr Beachtung, als ihr Äußeres vermuten läßt. Die Kirche ähnelt in ihrem Aufbau der Komturkirche in Nieder-Weisel, die ebenfalls als Hospitalkirche angelegt wurde.

Der schichte Rechteckbau mit Satteldach wurde vor 1284 als Hospitalkirche errichtet. Die ursprüngliche Zweigeschossigkeit deuten noch Kragsteine im Westen und ein Fachwerkgerüste aus dem 14. Jahrhundert an. Neben dem Westportal ist rechts noch ein gotisches Fenster. Darunter lag ein Stein, der die Form eines Weihwasserbeckens besaß. In dieses Becken konnten beim Vorbeigehen milde Gaben für das Hospital eingelegt werden. Mildtätige Werke gehörten zum Leben der mittelalterlichen Menschen dazu, um sich das Seelenheil zu sichern. Deshalb wurde das Hospital auch reichlich mit Spenden versehen.

Die Kirche diente nicht nur sakralen Zwecken, sondern auch der Kranken-, Armen- und Altenpflege sowie der Beherbergung von mittellosen Reisenden und Pilgern. Sie enthielt deshalb im Innern die nach Geschlechtern zweigeteilten Krankenräume und den Chorraum mit Altar. Damit wurde sie der mittelalterlichen Vorstellung gerecht, daß den Kranken und Sterbenden das Heil durch die unmittelbare Nähe zum Altar und den Gnadenmitteln zuteil wird. Außerdem konnten  sich männliche und weibliche Münzenberger als „Pfründner“ einkaufen, indem sie sich durch eine reiche Mitgift die Pflege im Hospital sicherten.          

Die Lage des ehemaligen Hospitals vor dem älteren Stadttor ist typisch für eine mittelalterliche soziale Einrichtung dieser Art. Ob es sich ursprünglich um ein  „Gutleuthaus“ handelte, wie man die Hospitäler häufig bezeichnete, die Aussätzige aufnahmen, die sich nicht innerhalb der Stadtmauern aufhalten durften, wird nicht urkundlich erwähnt.

Die schlichte Schönheit des Innenraums wird durch die Arkaden der nördlichen Seitenwand, die aus dem 14. Jahrhundert stammen, unterstrichen.

 

Ziehbrunnen:

Vor der Hospitalskapelle befindet sich der älteste noch erhaltene Ziehbrunnen der Stadt mit der inschrift­lichen Datierung 1776. Auch der ursprüngliche sandsteinerne Schöpfbrunnen verfügte über eine Rolle, eine Kette und einen Doppeleimer. Er weist folgende Besonderheit auf: Die Schleif­spuren auf der Seite sollen keine Auswaschungen vom Regen sein, sondern von den Bauern und Handwerker stammen, die an dieser Stelle ihre Beile wetzten, damit sie wieder die nötige Schärfe erhielten. Aber diese Deutung ist zu bezweifeln.

 

Gotisches Haus:

Zwei Häuser unterhalb der Hospitalskirche steht das älteste Stein- und Fachwerkbau der Stadt,  „Gotisches Haus“  genannt. Auffallend ist der Treppengiebel des zweigeschossigen Steinbaus, der sich auch beim Rathaus der Stadt wie­der­findet. Die Südseite des Gebäudes steht fast vollständig frei und weist eine imposante Haushöhe aus. Die Mauerstärke nimmt nach oben hin ständig ab und eine ins Auge springende Werksteinabdeckung der Mauervorsprünge bewirkt eine horizontale Geschoßgliederung. Im Giebeldreieck ist für jedes Dachgeschoß eine rechteckige Fensteröffnung eingelassen.

Das Fachwerk im Obergeschoß der Traufseite entlang der Straße stammt wohl aus der Zeit um 1700. Die Fassade wird durch die Mann-Figuren in zwei Zonen unterteilt. In den Gefa­chen sind zwei Feuerbockreihen als Schmuckform erkennbar (die x-förmigen Balken sollten böse Feuergeister abhalten). Besonders bemerkenswert und selten sind die alten Hals- oder Sturzriegel, die an diesem Gebäude vollständig erhalten geblieben sind. In der Schwelle des Fachwerk-Obergeschosses, genau über der Hofdurchfahrt, ist ein alter Hausspruch, wie er noch häufig in Münzenberg an den Fachwerkbauten vorhanden ist, erkennbar: „Wer will bauen an Gassen, der muß ein jeden Narren reden lassen“.

 

Steinweg:

Man geht den Steinweg hinunter bis zum Haus Nummer 36/38. Hier befindet sich der älteste mit 1768 datierte Torbau mit eingeschnittener Pforte. Vor allem die Enge des Steinwegs machte es erforderlich, Hoftore mit eingeschnittener Pforte anzulegen, damit die Einfahrt von der Straße her so breit wie möglich gehalten werden konnte.

Eine Besonderheit der Gehöfte sind die verbliebenen hohen Tore mit ihren vielfältigen Bau- und Auszierformen, die von ihrer handwerklichen und künstlerischen Ausgestaltung zu den Denkmälern der Volkskunst gehören. Der Bestand an oberhessischen Hoftoren mit ihrem hohen überdachten und überbauten Toren hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verringert. Allerdings kann Münzenberg sich glücklich schätzen noch eine relativ hohe Anzahl von Torbauten mit einem breiten Spektrum von Bau- und Auszierformen zu verfügen. In der Stadt sind zahlreiche Torbauten mit eingeschnittener Pforte erhalten geblieben, die die Zahl der Tore mit gesonderter Torfahrt und Pforte übersteigen.

Die Tore des 18. Jahrhunderts belegen eindrucksvoll, daß sich der Torbau der damaligen Zeit in seiner höchsten Reife befand. Den Höhepunkt erreichte die Ausgestaltung der Schmuckformen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aus den Torinschriften gehen oftmals die Jahreszahl, der Erbauer und der Zimmermeister, die das Tor erstellt haben, hervor.

Die Toranlagen und Gehöfte weisen auf den ehemaligen Charakter von Münzenberg als Ackerbürgerstädtchen hin. Jahrhundertelang lebte die Bevölkerung vornehmlich von der Landwirtschaft und der Viehzucht. Auch die Handwerker und „kleinen“ Kaufleute waren im Nebenerwerb davon abhängig. Allerdings konnten sich nur vermögende Bauern eine solch kunstvolle Toranlage leisten.

 

Bellersheimer Hof:

Man geht den Steinweg wieder aufwärts und nach rechts in die Straße „Am Junkernhof“. Geradeaus sieht man den Bellersheimer Hof (Am Junkernhof 13). Er gehört zu den Burgmannen‑Anwesen, das  Wohnhaus ist aus dem 16. Jahrhundert. Rechts daneben steht der im Volksmund als „Diebesturm“ bezeichnete Eckturm, ein Schalenturm der Stadtbefestigung. . Im Jahr 2002 wurde die Stadtmauer mit dem Rundturm am Bellers­heimer Hof saniert. Das Haus  ist in Privatbesitz.

 

Synagoge:

Wenn man die Straße „Am Junkernhof“ nach links hinaufgeht, sieht man links das heutige Kulturhaus „Alte Synagoge“. Das zweigeschossige Gebäude mit Satteldach wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Seine Fertigstellung, die im Jahre 1848 erfolgt sein soll, fällt in die Zeit des politischen Vormärz und der damit verbundenen Emanzipationsbewegung der Juden in Deutschland.  Das Gebäude wurde bis zum Jahr 1938 als Gotteshaus genutzt, bis die Inneneinrichtung von nationalsozialistischen Parteigängern zerstört und die wertvollen Thorarollen den Flammen zum Opfer fielen.

Nach 1945 erwarb die Gemeinde Münzenberg das Gebäude und wandelte es in ein Feuerwehrgerätehaus um, das diesen Zweck bis zum Jahr 2005 erfüllte. Danach entschlossen sich die städtischen Gremien, das Bauwerk zu sanieren und die Außenfassade annähernd so wieder herzustellen, wie sie sich im 19. Jahrhundert ursprünglich in ihrer schlichten Schönheit darstellte. Damit erinnern die politisch Verantwortlichen nicht nur an das lange friedvolle Zusammenleben der jüdischen und christlichen Gemeinden in der Stadt Münzenberg, sondern auch an das Schicksal der Menschen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ermordet wurden. Als steinerne Zeugen fungieren heute außerdem noch die Grabsteine auf dem am Steinberg gelegenen jüdischen Friedhof, deren ältester aus dem Jahr 1846 stammt. Das „Kulturhaus Alte Synagoge“ ist heute unter anderem Schauplatz von Kleinkunstveranstaltungen, Lesungen, Vorträgen sein, die dem Veranstaltungskalender der Stadt Münzenberg entnommen werden können.

 

Pfarrkirche:

Weiter oben steht links das langgestreckte Pfarrhaus und darüber die evangelische Pfarrkirche. Sie ist umgeben von der alten Bruchsteinmauer des ehemaligen Friedhofs. Die Kirche  geht auf einen romanischen Bau aus der Gründungszeit der Stadt zurück. Sie wurde nach 1150 begonnen und im 13. Jahrhundert erweitert, im Übergang von der Romanik zur Gotik, weil das kleine Gotteshaus nicht  mehr den Ansprüchen der aufstrebenden Stadt Münzenberg genügte. Deshalb löste sich die Pfarrei von der Traiser Mutterkirche und begann mit einer Erweiterung der Kirche. Sie weist durch ihre monumentale Bauweise auf die Bedeutung von Burg und Stadt Münzenberg im Mittelalter in eindrucksvoller Weise hin. Der monumentale Kirchturm und das südliche Seitenschiff wurden angebaut. Eine weitere Umbauphase schloß sich in der Barockzeit an.

Die beiden Emporen entstammen der nachreformatorischen Zeit. Sie wurden notwendig, damit mehr Menschen der Predigt zuhören konnten, die seit der Reformation im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand. Die Besonderheiten der evangelischen Pfarrkirche stellen vor allem das Taufbecken aus dem 13. Jahrhundert,  der gotische Kruzifixus mit Echthaar aus dem 15. Jahrhundert, die spätbarocke Kanzel mit dem reichverzierten Schalldeckel, das Kellergestühl und die beiden Tafelgemälde aus der Reformationszeit dar.

 

Eicher Straße:

In der Eichergasse und in der Pfarrgasse war genügend Platz, sodaß eine Hof-Pforte mit gesonderter Torfahrt nicht nur möglich, sondern aus Repräsentationsgründen auch erwünscht war. Eigenwillige, kunstvolle Gefachvarianten über den Pforten, zahlreiche Kerb- und Flachschnittbänder sowie Bänder in leichter Reliefschnitzerei verleihen den Torbauten eine ganz außergewöhnliche Note.

In der Eichergasse befindet sich ein Brunnen aus dem 19. Jahrhundert. Auf Beschluß des Gemeinderates wurden 1864 eiserne Pumpen angeschafft, um das Wasserpumpen zu erleichtern und Gefahrenquellen, die beim Schöpfen mit den Doppeleimern entstanden, auszuschließen.

Weitere Überreste der Stadtmauer sind in der Eichergasse  sichtbar. Die Ober­eicher­pforte wurde auch als Gefängnis verwendet, um sogenannte „böse Buben“ zu arretieren. Man geht durch die Eicher Straße und dann nach links in die Straße „In den Hirschgärten“ und damit westlich um die Burg herum.

 

Altstädter Pforte:

Nach links kommt man dann zur  Altstädter Pforte. Gleichzeitig mit Beginn der Bauarbeiten an Burg Münzenberg entstand wohl auf der Südseite des Münzenbergs eine erste Ansiedlung, die sogenannte „Altstadt“. Hier hatten  wahrscheinlich zunächst  die Bauhandwerker ihre Unterkunft. Später siedelten sich dort wohl die ersten Kaufleute, Handwerker und Burgmannen an. In der Zeit der Herren von Münzenberg wurden auf diesem Gebiet auch Burgmannen­höfe angelegt.

Die Altstädter Pforte bildete das Haupteingangstor der Altstadt, durch die der von Westen her kommende Hauptweg über das Gelände des heutigen Hattsteiner Hofs zur Burg führte. Von dem Turmbau mit gratgewölbter Durchfahrt sind noch weite Teile erhalten geblieben. Lediglich das einfacher gehaltene steinerne Vortor ist bis auf einen Rest der Zangenmauern gänzlich abgebrochen worden. Nach Norden verband der erhalten gebliebene Mauerzug den Pfortenbau mit der Burg. Vorgelagert ist die Einfriedung des „Hirschgartens“, eines Tiergartens, der 1423 zum ersten Mal erwähnt wird.

Im 12. Jahrhundert erfolgte die Markt- bzw. Stadtgründung durch Kuno von Münzenberg auf der Nordseite seiner imposanten Burganlage. Die Altstadt wurde aufgegeben. Die Bewohner siedelten sich in der auf dem Reißbrett geplanten Neustadt mit ihrem dreieckigen Marktplatz an, von dem alle Straßen wie die Strahlen der Sonne wegliefen.

Die Stadttore der Neustadt, die die auf der Nordseite des Burgberges neu angelegte Stadt umfaßte, sind allesamt im 19. Jahrhundert abgebrochen worden, da  sie den Anforderungen nicht mehr entsprachen und zu hohe Kosten für ihre Erhaltung anfielen. Als einziges Stadttor ist die turmartige Altstädter Pforte mit ihrer stattlichen Höhe vom Abriß verschont geblieben. Sie hatte bereits früh als Haupteingangstor zur Altstadt ihre Bedeutung eingebüßt. Nach Durchschreiten des Tores kommt man nach rechts wieder zum Parkplatz.

 

Hattsteiner Hof:

Als „Hatt­steiner Hof“ wird das weiträumige, auf allen Seiten umbaute Gutshofareal des ehemaligen Solms-Laubachischen Wirtschaftshofes bezeichnet, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Süden von Burg Münzenberg in seiner heutigen Form angelegt wurde. Nach dem Aussterben der Herren von Falkenstein im Jahre 1418 kamen die Grafen von Solms anteilsmäßig in den Besitz von Burg Münzenberg und verfügten als Territorialherren auch über Besitztümer und Rechte in der Stadt.  Ihre herrschaftliche Stellung wurde auch durch den Besitz des Gutshofes mit seinen umfassenden Wirtschaftsgebäuden dokumentiert, die die Münzenberger Gesamtanlage begrenzen. Auch heute noch ist die Gesamtanlage „Hattsteiner Hof“ mit ihren inzwischen weitgehend als Wohngebäude genutzten früheren Wirtschaftsgebäuden ein beeindruckendes Ensemble am Fuße der Stauferburg.

 

 

Burg:

Wahrzeichen der Landschaft ist die Burg Münzenberg. Die auf einem ovalen Basaltrücken erbaute Kernburg diente zur Sicherung der nördlichen Wetterau. Im Westen und Osten ragen die beiden mächtigen Bergfriede auf, die noch heute das Bild der Münzenburg bestimmen und ihr die Bezeichnung „Wetterauer Tintenfaß“  eintrugen. Die Burg ist eine der auffälligsten Burgen Hessens. Von den vorbeiführenden Bundesautobahnen A 45 und A 5 aus ist sie schon von weitem zu sehen. Besonders nachts, wenn sie in ihrer ganzen Größe von gelbem Scheinwerferlicht angestrahlt wird, ist sie ein sehenswerter Anblick. Sie ist mit ihren zwei gewaltigen Rundtürmen eine der größten deutschen Burganlagen und bildet unter den Burgen des hohen Mittelalters die bedeutendste neben der Wartburg.

Die ungewöhnliche Bauweise eines zweigeteilten, dreigeschossigen Gebäudes, die reiche Ornamentierung der Kapitelle und Fensterrahmen gehören zu dem Erhabensten, was die Stauferkunst hervorgebracht hat. Selbstbewußt wurde so der Herrschaftsanspruch mit den Mitteln der Architektur unterstrichen. Die Münzenburg stellt eines der am besten erhaltenen Beispiele aus dem Mittelalter dar, wie mit Mitteln der Architektur Herrschaftsabsicherung betrieben worden ist. Münzenberg zeigt nicht nur idealtypisch die Entwicklung einer Burg vom 12. bis 16. Jahrhundert, sondern stellt ein überragendes baukünstlerisches Zeugnis des staufischen Burgenbaus dar.

Zum Bau der Burganlage kamen vorwiegend roter und gelber Sandstein, der in den vier Kilometer entfernten Steinbrüchen bei Rockenberg gewonnen wurde, und Säulenbasalt, den der Burgberg selbst bereithielt, zur Verwendung. Aus dem Sandstein wurden sämtliche Buckelquader und Schmucksteine, aus dem gebrochenen Basalt haltbares Mauerwerk hergestellt.

 

­Vorburg und Zwinger:

Durch das untere Tor des Pfortenhauses - in dem in heutiger Zeit die Kasse und eine Toilettenanlage untergebracht sind  - gelangt man in die Vorburg, die zusammen mit dem Süd- und dem Nordzwinger die Kernburg umgibt. Zwinger und Vorburg stammen aus dem 15. Jahr­hundert und sind reine Zweckbauten ohne besonderen Bauschmuck. Sie sollten feindliche Angreifer aufhalten und dadurch verwundbarer machen.

Hier sieht man auch gut die Burgmauer, die den  natürlichen Gegebenheiten des aus Basalt bestehenden Bergkegels folgt. Sie besteht zunächst aus einem etwa drei Meter hohen Sockel aus Basaltbruch und bis zu zehn Reihen 40 bis 65 Zentimeter hohen Sand­stein-Buckelquadern mit einem einheitlich zwei Zentimeter breiten, umlaufenden Randbeschlag. Diese Buckel verstärken den wehrhaften Eindruck ebenso wie die aufgesetzten Zinnen. Von hier aus kann man noch gut erkennen, wie diese Zinnen bei der Erhöhung der Ringmauer durch die Falkensteiner mit Basaltsteinen vermauert wurden.

Schmuckvoller ist das Mittlere Tor, das die Vorburg in zwei etwa gleich große Hälften teilt. Über dem spitzbogigen Tordurchlaß befindet sich ein auf Konsolen ruhender Fries mit zehn kleinen Rundbögen, darüber wiederum zwei rechteckige Beobachtungsfenster, die wahrscheinlich zum in Urkunden erwähnten aber nicht mehr vorhandenen Portenturm gehörten.

Außen sieht man noch Einkerbungen vom Schärfen der Sensen und Beile. Im Inneren sind noch Einschnitte für den Sperrbalken.

Das obere Tor war ursprünglich das einzige Burgtor. Es stammt noch aus dem 12. Jahrhundert, wurde aber in spätgotischer Zeit umgestaltet. Es führt durch den tonnengewölbten Tor­gang unter der Burgkapelle - in letzter Gestalt etwa um 1500 entstanden - in die Kernburg. Auffällig ist ein vorspringendes Mauerstück über dem Torbogen. Er betonte den Chorraum der Torkapelle und war bis zu ihrer Erhöhung um ein profanes Stockwerk im 13. Jahrhundert einziger optischer Hinweis auf ihre Existenz, gehört heute aber nicht mehr zur Kapelle.

 

Kernburg:

Innere Ringmauer, östlicher Bergfried und Südpalas bilden die romanischen Ursprünge. Um 1200, als der erste Bauabschnitt der Burg vollendet war, hatte die Anlage noch nicht ihre jetzige Ausdehnung von 200 Metern Länge und 100 Metern Breite. Damals stand erst der östliche, Bergfried  und nicht alle Seiten der Ringmauer waren mit den mächtigen Buckelquadern verblendet.

 

Die Arnsburger und Münzenberger:

Unter den Kaisern Heinrich IV. und Heinrich V. besaßen die Herren von Hagen als kaiserliche Beamte den Wildbann in der Dreieich. Ihre Stammburg war Dreieichenhain. Aber nahe Lich entstand um 1000 auf Veranlassung des salischen Ministerialen Kuno die Arnsburg auf einem Geländesporn am Steilufer der Wetter. Im Jahre 1064 heiratete Kuno von Arnsburg Mathilde von Beilstein. Deren Erbtochter Gertrud von Arnsburg ehelichte Eberhard von Hagen aus der Dreieich. Die beiden wählten als Wohnsitz die Arns­burg und nannten sich fortan von Hagen und Arnsburg.

Ihr Enkelsohn Konrad II. und seine Frau Luitgart stifteten 1150 auf dem Gelände eines ehemaligen Römerkastells unweit ihrer Burg ein erstes Benediktinerkloster Arnsburg, das zur Abtei Fulda gehörte. Als Ausgleich erhielten sie von Fulda 1151 den unbesiedelten Münzenberg und verlegten nach 1156 ihren Sitz in die dort neu errichtete Burg.

Aus diesem Geschlecht von Hagen-Arnsburg ging Kuno I. (1152 - 1212) hervor. Er war wohl der Erbauer der Münzenburg, denn er nannte sich nun „Herr von Münzenberg“. Mit seinem Namen wurde 1162 die neue Stammburg erstmals in einer Urkunde Kaiser Friedrich Barba­rossas erwähnt. Der Ausbau der Burg und die damit einhergehende Entwicklung des gleichnamigen Ortes zu ihren Füßen konnte sicherlich nur mit Duldung Kaiser Barbarossas erfolgen und ist im Rahmen der kaiserlichen Politik zu sehen, die aus der Wetterau ein kaiserliches Reichsland („terra imperii“) machen wollte. Die Errichtung der Burg Münzenberg kann dem Versuch des Staufers Konrad III. zugerechnet werden, die Wetterau als zentral gelegenes Reichsterritorium von Nord-Osten zu sichern.

Das nach Größe seiner Grundherrschaft und damit machtpolitisch bedeutsamste Geschlecht der neuen Herrscherschicht der Reichsministerialen waren im Rhein-Main-Raum die Münzenberger, die zudem mehr als 100 Jahre lang als Reichskämmerer zu den engsten Beratern der staufischen Kaiser gehörten.

Kuno I. von Münzenberg begleitete als königlicher Kämmerer wiederholt Kaiser Barbarossa auf dessen Italienreisen und hielt sich auch sonst häufig in seiner Nähe auf. Sein Aufstieg zum einflußreichen Herrscher über die Wetterau war unaufhaltsam. Seine Parteinahme für die Staufer brachte er im Deutschen Thronstreit von 1198 deutlich zum Ausdruck, als er sich für Philipp von Schwaben, dem Bruder des ein Jahr zuvor verstorbenen Kaisers Heinrich VI., als dessen Nachfolger stark machte.

In der Zeit Kunos I. entstanden wesentliche Teile der Ringmaueranlage um die Kernburg, der romanische Palas, der östliche Bergfried, der Torbau mit der darüber liegenden Kapelle und Teile des Küchenbaus. Spätestens 1174 endete die romanische Bauphase, ohne daß die Ring­mauer vollendet wurde. Der Palas blieb unverputzt, der Küchenbau ein Torso. Da Kuno I. nach 1170 wichtige Güter und Rechte in der Wetterau erwarb, könnte Geldmangel der Grund für das plötzliche Ende der Baumaßnahmen an seiner Burg sein. Hierfür spricht auch, daß er 1174 die alte Stammburg der Familie (Arnsburg bei Lich) an das Kloster Eberbach abgab, die dort Zisterzienser ansiedelten.

 

Münzenberger Palas:

Nachdem man den Torgang durchschritten hat, kann man die ganze Südseite der Burg überblicken, also die ursprüngliche Burg aus der Stauferzeit. Rechts von der Torkapelle befindet sich der sogenannte „Münzenberger Palas“. Der westliche Bauteil ist nur noch an einigen Grundmauern und der aufragenden Rückwand zur Talseite hin zu erkennen.

Der östliche Bauteil ist noch gut erhalten. Hof- und Talfront bilden einen ehemals dreigeschossigen Saalbau. Jeweils im Obergeschoß befinden sich an der Talfront eindrucksvolle acht- beziehungsweise zwei- und vierbogige Arkadenfenster mit reichem Schmuck. Unge­wöhnlich reich sind die Schmuckformen der profilierten Fensterarkaden und die variantenreich gearbeiteten Kapitelle und Säulchen. So findet man es nur noch in Gelnhausen, vielleicht war hier der gleiche Baumeister am Werk, der auch in Gelnhausen an der Kaiserpfalz arbeitete. Wunderschön die unterschiedlichen Sandstein‑Fensterarkaden des Südpalas, ein um 1190 / 1200 ungewöhnlich repräsentativer Bau. Aber es kann kein Zweifel bestehen, daß sie zu Zeiten, in denen Burgen in erster Linie errichtet wurden, um Grundherrschaften zu sichern, eine ausgeprägte Ader für Repräsentation hatten. Der Südpalas legt davon noch eindrucksvoll Zeugnis ab.

Im Inneren des Palas fallen die beiden aufwendig gearbeiteten Konsolen des ursprünglichen Kamins an der Nordseite des Obergeschosses auf. Ähnliche befanden sich auf gleicher Ebene im benachbarten östlichen Bauteil. Diese beiden Räume waren die einzig heizbaren. Die darüber liegenden Säle mit den breiten Arkaden-Fensterreihen, die nicht auf Verschluß gearbeitet waren, konnten nur im Sommer benutzt werden.

Das Erscheinungsbild des Palas auf der Burghofseite ist bewegter. Die Rundbogenfenster sind paarweise oder in einer Vierergruppe zusammengefaßt. Sie werden jeweils gerahmt von einem Schach­­brett- oder Zackenfries. Ein Zugangsportal zum ersten Obergeschoß mit Kleeblattbogen ist noch vollständig erhalten, das des zweiten Obergeschosses nur als Fragment. Zur Hofseite hin sind zwei, früher drei Doppel­arkaden­fenster zu sehen. Beide Obergeschosse waren ursprünglich durch ein außenliegendes, hölzernes Treppenhaus miteinander verbunden und konnten durch Kleeblattbogenportale betreten werden.

Östlich des Palas ist über dem Torgang die Kapelle zu sehen. Östlich daneben schließt sich der weitläufige, schmucklose Küchenbau an, in dem besonders der hoch aufragende Kamin auffällt (wahrscheinlich für die Küche). Der Küchenbau ist jedoch einmal erweitert worden.

Zwischen Küchenbau und Torkapellenbau befindet sich ein Treppendurchgang, über den man den umlaufenden Wehrgang erreicht.

Noch weiter östlich steht der östliche Bergfried. Über die 43 Stufen einer Außentreppe gelangt man zum Eingang in zehn Metern Höhe, innen ist eine breite Treppe vorhanden und oben eine Aussichts­platform. Der in der ersten Bauphase zwischen 1151 und 1156 errichtete Turm war ursprünglich niedriger, als er sich heute mit seinen fast 29 Metern Höhe zeigt. Um 1260 wurde er um ein weiteres Geschoß erhöht und mit einem Spitzdach versehen, das aber den Dreißigjährigen Krieg nicht überstand.

Der Turm hat einen Außendurchmesser von knapp 12 Metern und im Türbereich einen Innendurchmesser von 5,20 Metern. Die Mauerdicke nimmt nach oben hin in drei Stufen ab. Das etwa zehn Meter tiefe Verlies ist überwölbt, die romanischen Partien reichen bis zum Ansatz der oberen Fenster. Der Ausblick von dem Turm der Burgruine auf die Wetterauer Landschaft, von Vogelsberg bis Taunus, bietet für den Besucher einen besonderen Reiz.

 

Die Falkensteiner:

Im  Jahre 1207 starb Kuno I. Sein einziger Sohn Ulrich II. von Münzenberg blieb kinderlos, so daß mit dessen Tod 1255 die männliche Linie der Reichsministerialen von Münzenberg ausstarb. Der Besitz wurde unter seinen sechs Schwestern aufgeteilt. Ysegarde von Münzenberg brachte die Burg samt zugehörigen Ländereien in ihre Ehe mit Philipp von Falkenstein ein. Unter den Erbberechtigten befanden sich auch Reinhard I. von Hanau, der mit Adelheid von Münzenberg vermählt war. Philipp von Falkenstein aber brachte durch Tausch, Kauf und sonstige Manipulationen fünf Sechstel des Erbes in seinen Besitz. Nur Reinhard widerstand den Bestrebungen des Falkensteiners erfolgreich und behielt seinen Anteil. Die miterbberechtigten Hanauer Grafen zogen in den Südpalas ein.

Der frühe Tod Philipps von Falkenstein 1270 verursachte ein 16 Jahre andauerndes Bemühen, die mittlerweile weit verstreuten Liegenschaften, die Ulrichs II. Schwestern geerbt hatten, wieder zusammen zu bringen. Dies gelang aber nur teilweise. Zwei Weinsberger Anteile sowie Schönberg und Pappenheim konnten zurückgekauft werden, während der Hanauische Anteil bei den Herren von Hanau verblieb.

 

Falkensteinbau:

Die eingeheirateten Falkensteiner bauten  nach 1255 gleich einen neuen gotisierenden Palas und den westlichen Bergfried, zumal für die Mitte des 13. Jahrhunderts eine zumindest teilweise Zerstörung von Burg Münzenberg aufgrund von Brandschutt nachweisbar ist. Der Küchenbau wurde vollendet, die Ringmauer geschlossen und deren bestehende Teile erhöht. Beim Wiederaufbau durch Ulrich II. von Münzenberg wurde zugleich der für erforderlich gehaltene zweite Bergfried im Westen der Burg begonnen.

Der unter der Doppelherrschaft von Falkenstein und Hanau um 1260 errichtete runde West­­turm hat ebenfalls in zehn Metern Höhe seinen Eingang, ist aber nicht öffentlich zugänglich. Der zylindrische, sich nach oben leicht verjüngende Turm wurde später erhöht und ebenfalls mit einem Spitzdach versehen, wahrscheinlich aber erst um 1500 (aus Wikipedia). Westlich des Westturms an der Mauer sind Reste eines Brunnen oder einer Zisterne.

Der unter Philipp von Falkenstein 1260 erbaute Palas erstreckt sich zur Stadtseite hin entlang der nördlichen Ringmauer. Erhalten sind Rück- und westliche Giebelwand, während von der Hoffassade und der östlichen Giebelwand nur noch Fragmente vorhanden sind. An der Innenseite der fensterlosen westlichen Giebelwand befinden sich übereinander zwei offene Kamine mit einem gemeinsamen Schornstein. Ein kleiner Teil der Hofseite auf der linken Seite wurde um 1900 mit zwei Doppelarkaden­fenstern rekonstruiert und stellt nicht unbedingt die frühere Ansicht dar. Ein Treppengewölbe führt unter der ehemaligen Hoffassade hindurch in das Untergeschoß des Falkensteiner Baus. Wirtschaftsbauten grenzen an.

Die reich gegliederte Rückfront ist in originalem Zustand. Besonders aufwendig ist die Fen­sterreihe im Obergeschoß gestaltet. Drei dreifache Arkadenfenster bilden eine geschlossene Reihe, wobei jeweils das mittlere der Spitzbogenfenster seine Nachbarn um ein Drittel überragt. Flankiert wird die Arkadenreihe rechts von einem einfachen, deutlich kleineren Spitzbogenfenster und links von einem schmuckvollen Doppelarkadenfenster.

 

Um 1500 folgte die letzte Ausbauphase der Burg Münzenberg. Im Innern wurde der West­turm endlich vollendet. Zwischen Kapelle und Ostturm erbaute man einen neuen Küchentrakt.

Die vorhandene Ringmauer wurde erhöht unter Verschließen ihrer Zinnen. Die Ringmauer wurde umgeben mit einer weiteren, niedrigeren Mauerschale, so daß ein vorgelagerter Wehrgang entstand.

Die Einführung der Feuerwaffen erforderte eine zweite, weiter gezogene Ringmauer. Sie erhielt mehrere flankierende Türme und im Westen ein großes rundes Bollwerk, ein etwa 1500 eingefügter runder, nach oben offener Batterieturm. Er diente zur Aufnahme eines schweren Artilleriegeschützes und stellt die letzte bauliche Anpassung der Burg an die fortschreitende Kriegstechnik der damaligen Zeit dar. Zu den Befestigungsanlagen des Vorwerks werden auch die in die äußere Ringmauer eingelassenen Schalentürme gezählt. Sie weisen bereits Schießscharten für Feuerwaffen auf und schützten die flacher abfallende Nordflanke der Burg und ihren Eingangsbereich.

Äußere und innere Ringmauer wurden durch mehrere Schottwände verbunden, so daß sich eine Abfolge von Zwingern ergab. Dem inneren Burgtor waren nun ein mittleres und ein äußeres Tor vorgeschaltet. Ohne eine eigentliche Verteidigungsaufgabe war ein letzter Mauerring im Westen der Burg.

Im Jahre 1296 verließen die Reichsministerialen von Falkenstein endgültig die Burg Münzenberg und siedelten nach Lich um. Im Jahre 1418 starb mit dem Tod Werner von Falkensteins (Erzbischof von Trier) das Geschlecht derer von Falkenstein aus. Die Herren von Solms erbten die Burg Münzenberg ebenso wie deren Ländereien.

Den Abschluß des Rundgangs kann man einem Rundgang auf der Wehrmauer machen. Ein Aufstieg ist östlich des Falkensteiner Palas (die Mauer nördlich des Palas kann man nicht mehr betreten). Man kann nach rechts herum um die ganze Burg bis zur Westseite des Falkensteiner Palas gehen. Ein weiterer Aufstieg ist links von der Kapelle.

 

Die Solmser:

Nach 125 Jahren Leerstand gab es um 1424 wieder Aus- und Umbaumaßnahmen an der Burg Münzenberg zu vermelden. Der neue Burgherr Bernhard von Solms-Braunfels ließ zunächst einen Portenturm errichteten, wahrscheinlich das heute „Mitteltor“ genannte Bauwerk. Es folgten die äußere Zwingeranlage mit Vorburg und die äußere Ringmauer mit einem Vortor. Im Jahre 1514 begannen die Herren von Solms-Lich, deren Linie sich kurz zuvor von den Braun­felsern abgespalten hatte und nun die Burg Münzenberg besaß, mit Umbauten des romanischen Burgteils im Stil der zeitgemäßen Spätgotik.

Außerdem wurden der unter der Burgkapelle hindurchführende Tunnel erweitert, um Lafetten die Zufahrt zur Kernburg zu ermöglichen, und eine große westliche und vier kleinere Batterietürme in die äußere Ringmauer eingefügt. So zeichnete sie etwa 1620 Matthäus Merian noch mit Bergfrieden, die spitze Dächer trugen. Gut zu erkennen sind auch der westliche Batterieturm und der Portenturm.

Der Ausbau der Burg Münzenberg zur wehrhaften Festung konnte jedoch den Ansturm des Dreißigjährigen Krieges nicht aufhalten. Um 1621 quartierten sich auf der Burg Truppenteile der spanischen Habsburger ein, die von hier aus 1622 zur Schlacht bei Fleurus ausrückten. Im Jahre 1628 schließlich beschossen Soldaten des kaiserlichen Feldherrn Wallenstein die Burg und fügten ihr große Schäden zu. Am Ende des Krieges 1648 stand Burg Münzenberg nur noch als Ruine auf dem Basaltrücken.

An einen Wiederaufbau durch die Solmser Herrschaft war nicht zu denken. In den gräflichen Unterlagen der Zeit nach 1648 finden sich keine Posten mehr für Bau- oder Erhaltungsmaßnahmen an der Burg. Allerdings wurden mehrfach Personen, die die Burg als Steinbruch nutzten, mit Strafen belegt. Die Burg verfiel zusehends.

 

Erhaltung der Ruine:

Mit dem Verlust strategischer Burgenbedeutung verfiel auch die Münzenburg seit dem 16. Jahrhundert, ohne daß sie je erobert worden wäre. Seit der Zeit um 1600 wurde die Burg nicht mehr unterhalten. Mit dem Aussterben der Falkensteiner im Jahre 1418 splitterten sich die Besitzanteile an der Burg weiter auf, so daß sie ihren strategischen Zweck der Herrschaftssicherung nicht mehr erfüllen konnte. Bezeichnend ist, daß die Grafen von Solms als Besitznachfolger der Falkensteiner nicht mehr in der Burg siedelten, sondern südlich von ihr im Hattsteiner Hof. Dort ließen sich die neuen Formen der Repräsentation (Wohnschloß) und der Ökonomie (Gutshof) besser verwirklichen.

Territorial kam die Burg Münzenberg in den Jahren 1806 / 1810 zu Hessen-Darmstadt. Im Jahre 1846 begann man mit der Restaurierung einzelner Burgteile und Sicherung des Mauerwerks. Schon ein Jahr später war der östliche Berg­fried besteigbar. Fallen ließ man jedoch Pläne, die eine romantische Wiederherstellung der Burg vorsahen. Weil man die Ruine vom romantischen Zierat des 19. Jahrhunderts verschonte, erwartet den Besucher unverfälschtes Hoch- und Spätmittelalter.

Nach 1894 begab man sich an den Austausch verwitterter Bauelemente wie Fenstersäulen. Die entnommenen Originale wurden im Lapidarium aufbewahrt. Etwa 1900 rekonstruierte man die Südfenster des Falkensteiner Baus. Im Jahre 1935 kam die Burg aus überwiegend Solmser Hand schließlich in den Besitz des Landes Hessen. Ab 1960 wurden Erhaltungsarbeiten an der spätgotischen Küche ausgeführt, so zum Beispiel der eindrucksvolle Abzug der Esse wieder errichtet. Auch der fast umlaufende Wehrgang der Kernburg wurde wieder begehbar gemacht. Grabungen, die um 1960 wenig nach Gesichtspunkten des Denkmalschutzes durchgeführt worden sind, förderten Teile der früheren Eindeckung des Palas, des Ostturms und der Wirtschaftsgebäude des Falkensteiner Baus zutage. Der Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen obliegt gegenwärtig die Unterhaltung der Burgruine Münzenberg, die aufgrund ihrer territorialgeschichtlichen und baukünstlerischen Bedeutung ein herausragendes Kulturdenkmal der Wetterau ist.

 

Heutige Nutzung:

Die Burg Münzenberg wird nicht bewirtschaftet. Sie ist ganzjährig dienstags bis sonntags tagsüber für Besucher geöffnet. Öffnungszeiten: März, April, Oktober, November 10 bis 16 Uhr, Mai bis September  10 bis 19 Uhr.  Juli und August täglich, November nur Samstag und Sonntag.  Der Eintrittspreis wird beim Betreten der Vorburg erhoben und beträgt 3,50  Euro für Erwachsene.

Im Rahmen des alljährlich im Juni stattfindenden Münzenberger Kultursommers werden durch den Verein Freundeskreis Burg & Stadt Münzenberg Theateraufführungen auf der Freilichtbühne der Kernburg inszeniert. Die Burg diente 1971 als Location für den Film „Liebe ist nur ein Wort“.

 

Wanderung rund um Münzenberg:

Auf der Straße „Unter der Burg“ kommt man nach Süden zum Hattsteiner Hof mit ausreichend Parkplätzen. Von dort geht man nach Westen in die Straße „In den Hirschgräben“ und dort nach links und immer nach Süden. Die rückwärtige Sicht auf die Burg bietet noch eine Überraschung. Anders als die bekanntere Nordansicht sieht man jetzt den arkaden­geschmück­ten Südpalas in seiner ganzen Pracht und Ausdehnung.

Der Weg geht weiter nach Süden. Vor den Heide-Höfen geht es nach links und südlich des Buchbergs bis zu der Stelle, wo der Weg leicht links abknickt. Dort geht man nach Süden bis zum Bach (Hammelshäuser Graben), an diesem rechts weiter und dann im spitzen Winkel nach Süden. Wo dieser Weg leicht nach links abknickt, in der Gemarkung Hinterwald, liegt ein römischer Gutshof, der „Wohnbacher Hof“,  im Volksmund auch „das steinerne Haus“ genannt (auch zu erreichen auf dem Weg, der vor der Autobahn - wenn man von Münzenberg kommt - rechts abgeht, 700 Meter westlich der Römerstraße).

Ein Erdwall kennzeichnet die Hofmauer mit einem ein Meter starken Fundament. Diese Reste einer ummauerten Grundfläche von 1,8 Hektar bestehen aus einem niedrigen annähernd quadratischen Wall in einer Breite von etwa 160 Schri­tten, der Mauerwerk in sich birgt. An der Ostseite, nach der Römerstraße zu, läßt sich noch der Eingang erkennen und in der Nähe der Westseite die Fundamente zweier quadratischer, etwa zwanzig Schritt breiter Bauwerke. Das Herrenhaus war in der Westhälfte

Da schon allein das eindrucksvolle Hauptgebäude des Hofes eine Länge von 50 Metern aufwies, entschieden die Ar­chäologen, den Brunnen des Hofes auszu­graben, da er im damaligen Leben eine zentrale Rolle spielte. Wie geschickt die Römer waren. als sie den Brunnen um 100 nach Christus an­legten, verblüffte die Archäologen: Um das Brunnenwasser vor verschmutztem Sickerwasser zu schützen, dichteten sie die Steine von außen mit Lößlehm ab.

Am Grund des Brunnens stießen die Forscher auf ein Hundeskelett. Sie fanden auch Abfälle pflanzlichen Ursprungs; weitere Rück­schlüsse auf die Ernährungsgewohnhei­ten der Römer ließen etliche weggeworfe­ne angekohlte Dinkelkörner zu. Vermu­tlich mußte der Brunnen aufgegeben werden, weil der Hund hinein gefallen war­ und nicht geborgen werden konnte. An­hand von Pollen, die ebenfalls in den Ab­fällen gefunden wurden, ließ sich das Al­ter der Funde auf etwa 130 nach Christus bestimmen.

Neue Erkenntnisse brachten auch die Ausgrabungen von etlichen Gräbern in der Nähe des Wohnstädter Hofes. Sie lagen an der Römerstraße Friedberg – Arnsburg und wurden bei einer Befliegung entdeckt und ausgegraben. Hier fand man neben den üblichen Gräbern die im rechtsrheinischen Gebiet äußerst seltenen Tumulusgräber, Grabanlagen, die sonst fast ausschließlich im Trierer Gebiet bis nach England und an der Donau gebräuchlich waren. Diese Bestattungssitte kam mit den Römern in die Wetterau und hat keinen Bezug zu den vorgeschichtlichen Grabhügeln. Bei den Ausgrabungen konnten die Mauerfundamente der kreisförmigen Anlagen mit den zentral gelegenen Bestattungen freigelegt werden. Der größte Tumulus hatte einen Durchmesser von etwa 6,50 Meter. Die Gefäße, in denen den Toten die Grabbei­gaben mitgegeben wurden, waren nämlich be­wußt zerstört. Die Forscher fragen sich nun, ob diese Tatsache Teil eines Ritus war, vielleicht, damit die Gegenstände wie der verbrann­te Tote in das Reich der Toten eingehen kann. Keine Erklärung fanden sie bisher für ein Gefäß, das randvoll mit Schweine­knochen gefüllt war.

 

Vom römischen Gutshof geht es nach Osten über einen Querweg und an einem Steinbruch auf der rechten Seite vorbei bis zu der alten Römerstraße Friedberg - Kloster Arns­burg, auf die man nach rechts einbiegt. Hier trifft man nach zwei Querwegen auf die Ruine eines römischen Signalturms  (etwa 1,5 Kilometer südlich der Straßengabelung bei Münzenberg, auf einer flachen Anhöhe, 70 Meter westlich der Römerstraße). An der Römerstraße steht eine Infor­ma­tionstafel an der Stelle wo  man in den Wald gehen muß, um die Turmstelle zu finden. Zu sehen ist allerdings nicht viel, nur eine Erhöhung im Wald. Dabei ist der „Römerturm“ in den Straßenkarten  eingezeichnet.

Der quadratische Turm hatte einen breiten Ringgraben, mächtige Fundamente und anders als bei den anderen Limestürmen  ein begehbares Erdgeschoß und ein Ziegeldach. Erdaufwürfe der Ausgrabung sind noch zu sehen. Der Turm diente zur Signalübermittlung des Limes-Systems und hatte auf Grund seiner hohen Lage wahrscheinlich Sichtkontakt zu den umliegenden Kastellen. Die Gegend war zur Römerzeit unbewaldet und landwirtschaftlich genutzt (Eine ähnliche Signalturmruine gibt es auf dem Johannisberg in Bad Nauheim).

 

Auf der Römerstraße geht es dann nach Süden bis kurz vor die Gebäudegruppe. Dort geht im stumpfen Winkel ein Weg ab, der zum Limberg führt, diesen umrundet man nach links in einem Rechtsbogen. Wo man wieder auf einen Forstweg trifft, geht man in nordwestlicher Richtung. Am zweiten Weg geht es rechts und auf das Römerkastell zu. Allerdings muß man sich hier am zweiten Weg links und dann wieder rechts halten, um das Kastell zu finden. Das Kastell war im Rückraum des Limes, der bei Echzell verlief. Es findet sich allerdings nur auf den Karten, nicht in der Literatur.

(Etwas weiter östlich am östlichen Abhang des Wölfersheimer Waldes stand auch ein Gutshof, der aber heute von der Autobahn überbaut ist. Beim Bau der Autobahn A 45 im Jahre 1976 wurden etwa einen Kilometer westlich von Wohnbach am Waldrand zahlreiche Mauerreste entdeckt. Nach Einschaltung von Bodendenkmalpflegern wurde eine Villa rustica, ein römischer Gutshof, freigelegt, die seit Ende des letzten Krieges bekannt war. Die Entdeckung sprach sich sehr schnell herum und es fanden sich zahlreiche Besucher aus dem Dorf und der Umgebung ein, die die antiken Mauern, die noch bis zu einem Meter standen, bewundern konnten. Aus Zeitmangel konnte nicht alles freigelegt werden, weil der Bau der Autobahn fortgeführt werden mußte und die Gebäude des Anwesens wurden wieder zugeschüttet. Die  A 45 Gießen-Hanau führt heute direkt über die Ruinen. Der Rest des Anwesens, das noch über 80 Meter über die Autobahntrasse hinaus reichte, wurde bei Feldregulierungsarbeiten völlig zerstört. Das Grabmal einer wohlhabenden römischen Frau vom Gutshof Wohnbach gibt es im Wetterau-Museum in Friedberg zu bewundern).

 

Man geht dann nach Norden auf den Forstweg und nach rechts, unterquert die Autobahn und geht noch ein Stück nach Nordwesten.  Am nächsten Weg geht es links weiter, dann noch einmal links und dann nach rechts an der Autobahn entlang bis zur Landstraße Münzenberg - Wohnbach. Diese wird überquert und es geht nach Norden auf der Teerstraße weiter. Hier ist man wieder auf der Römerstraße von Friedberg nach dem Römerkastell Alteburg bei Arnsburg. Nach einem knappen Kilometer kommt von rechts ein Waldweg dazu. Dieser ist die Römerstraße von Echzell, die fast unmittelbar an der Westseite von Wohnbach vorüber geht und sich hier mit der Römerstraße nach Arnsburg vereinigt. Ein mittelalterlicher Grenzstein auf der linken Seite markiert den Punkt des Zusammentreffens. Dies ist die einzige Straßenkreuzung weit und breit, die sich seit der Römerzeit erhalten hat.

Die Römerstraße führt nach Trais hinein. Man biegt aber kurz vor der Straße Trais - Bellers­heim nach links ab, geht über den Dühberg und biegt dann wieder rechts ab bis zur Kreisstraße, die nach rechts nach Trais hineinführt. Rechts über der Straße steht der Kräppelstein.

Er ist ein Menhir, der beim Autobahnbau hierher versetzt wurde, ein Zeugnis der Megalithkultur der Jungsteinzeit und der Bronzezeit.

 

Trais:

Fränkische Reihengräber am Kirchhof von Trais belegen eine nahezu ununterbrochene Siedlungskontinuität im mittleren Wettertal. Der auf einer vermutlich künstlich erstellten Geländeerhöhung angelegte Kirchhof von Trais mit einer ursprünglich adligen Eigenkirche und einem benachbarten Adelshof kann als seltenes Zeugnis einer  frühmittelalterlichen Streusiedlung gelten. Mit dem Einsetzen schriftlicher Ortsüberlieferungen in den Urkunden über Schen­kungen an die im 8. Jahrhundert gegründeten Reichsklöster (Hersfeld, Fulda, Lorsch) wird Trais im Jahre 790 erstmals genannt.

Mitte des 12. Jahrhunderts wird erstmals eine Adelsfamilie aufgeführt, die sich nach dem Ort Trais nennt. Sie gehört zu der Münzenberger Burgmannenschaft und hatte in Trais vorübergehend die Vogtei inne. Landesherren waren in Trais die Münzenberger, seit 1255 die Vielzahl von deren Erben. In den Jahren 1806 / 1810 kam Trais-Münzenberg zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt, gehörte bis 1860 zum großherzoglichen Kreis Nidda, seitdem zum Kreis Friedberg. Seit 31. Dezember 1971 gehört Trais zu Münzenberg.

Man kommt zum Kirchenhügel, einem der zwei Siedlungsmittelpunkte. Die Evangelische Pfarrkirche (Wetterstraße 22) ist die älteste in der Gegend. Das Hauptschiff und der nördliche Turm gehen möglicherweise auf die Zeit um 1100 zurück. Der heute erhaltene Baubestand ist romanischen Ursprungs; wurde aber 1889 beträchtlich überformt. Die Bedeutung der Traiser Kirche als langjährige Mutterkirche für die umliegenden Gemeinden (einschließlich Münzenbergs) verweist auf die Bedeutung des frühen geschichtlichen Siedlungsplatzes. Ob in der Mühlgasse, in der Wetterstraße oder in der Römerstraße, überall zeigen sich Fachwerkhäuser in ihrem schönsten Kleid. Die stehen meistens mit der Giebelseite zur Straße. Bedeutend ist die dreiseitige Hofanlage Wetterstraße 2.

Die Römerstraße ist der zweite Siedlungsmittelpunkt. Das Haus Römerstraße 13 ist eines der schönsten Beispiele für den in der Wetterau häufig anzutreffenden historischen Gehöfttyp. Das Hoftor führt als Baudatum des Hofes das Jahr 1690 an, das Tor selbst wurde vermutlich um 1800 gebaut. Das Hoftor der Anlage trägt die Inschrift „Dieses Haus ist aufgerichtet worten den 10 Dag Mey durch Anna Dorotea und vo Meister  Johannes Henrich almredter von Obernhofe 1690“.

Am nördlichen Ende der Römerstraße geht die Mühlgasse nach Osten ab. Hier steht die Traiser Mühle, die zu den imposantesten Hofanlagen zählt und in der Zeit um 800 erstmals erwähnt wurde.

Die Wetter, die das Ortsbild in entscheidender Weise prägt, wurde nie massiv reguliert, so daß sie in ihrem ursprünglichen Flußbett in weiten Teilen erhalten geblieben ist. So beeindrucken nicht nur die S-Kurven des Flüßchens vor Trais, sondern auch die botanischen Besonderheiten die Besucher. Der Erlen- und Weidenbewuchs am Flußufer verleiht der Landschaft einen besonderen Charakter, ebenso wie die Enten, die sich auf dem Wasser tummeln.

Noch etwas weiter nördlich der Römerstraße geht nach links ein Weg ab, der nördlich der Wetter bis zur Autobahn geht. An unterquert diese, geht nach Norden an der Autobahn entlang und dann nach links zum Bahnhof.  Westlich des Bahnhofs gehen zwei kleine Wege nach Westen, der eine an der Wetter entlang. Sie führen in die Salzwiesen.

 

NSG „Salzwiesen von Münzenberg“:

Es handelt sich um Grünland zwischen Landesstraße 3136 und ehemaliger Bahnlinie. Alle Populationen von Löwenzahn (Taraxacum germanicum) und 6 der 7 Teilpopulationen von Taraxacum hollandi­cum wachsen in einer mäßig artenarmen Ausprägung eines Sanguisorbo-Silaëtums, einer zwischen den Naßwiesen (Calthion) und den wechselfeuchten Wiesen (Molinion) vermittelnden Gesellschaft ist. Lediglich eine kleine Population von Taraxacum hollandicum kommt in einer Triglochin-maritimum-Trifolium-fragiferum-Gesellschaft und damit in einer typischen Salzwiesen-Gesellschaft vor.

Die Vorkommen von Taraxacum germanicum und mit einer Ausnahme auch die von Tara­xa­cum hollandicum liegen in einer mäßig intensiv genutzten Wiese nördlich des Naturschutzgebietes zwischen dem ehemaligen Bahndamm und der Landesstraße 3136. Es ist leider nicht bekannt, ob Sumpflöwenzahnarten ehemals auch innerhalb des heutigen Naturschutzgebietes vorgekommen sind. Dies erscheint aber wahrscheinlich.

Eventuell sind sie aus dem Bereich des heutigen Naturschutzgebietes wegen Brache bzw. unregelmäßige Nutzung des Grünlandes verschwunden und haben nur auf einer wenig auffälligen, aber kontinuierlichen genutzten Grünlandfläche außerhalb des Naturschutzgebietes überdauert. Eine Besiedlung der mittlerweile wieder ausreichend intensiv genutzten Salzwiesen innerhalb des Naturschutzgebietes erscheint möglich und könnte durch Einbringen von Früchten von der Fläche nördlich des Naturschutzgebietes unterstützt werden. Bei der einzigen von Taraxacum germanicum besiedelten Fläche ist die Aufrechterhaltung der Grünlandnutzung von entscheidender Bedeutung.

Diesem Primat sind andere Maßnahmen wie die Einbeziehung der Fläche in das angrenzende Naturschutzgebiet oder ein Einkauf der Fläche unterzuordnen. Eventuell ließe sich durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Besitzer der Fläche eine Extensivierung der Grünlandnutzung erreichen. Die Flurbezeichnung „Weide“ für Grünlandbereich nördlich der Wetter ist ein deutlicher Hinweis auf die ehemalige Nutzung dieses Bereiches.

 

Galgen:

Ein Weg führt rechts an einem Waldstück vorbei nach Süden auf Münzenberg zu und mündet  in die Sandgasse. Es geht weiter rechts am Friedhof vorbei und nach links durch die Altstädter Pforte zum Hattsteienr Hof. Hier kann man einen Blick nach Westen werfen  zum Galgen. Er liegt an der Straße nach Rockenberg (gleich nach der großen Linkskurve noch einmal links, in einem Waldstück) und gehört zu den wenigen noch erhaltenen gemauerten Hinrichtungsstätten dieser Art in Oberhessen. Auf zwei  gemauerten Bruchsteinsockeln ragen zwei steinerne sechsseitige Säulen auf, die einen Querbalken tragen. Auf dem Münzenberger Galgenplatz dürfte eine solche Anlage im Mittelalter gestanden haben, die aus zwei Pfeilern bestand.

Die Verhängung der Todesstrafe lag in damaliger Zeit in den Händen der Herren von Münzenberg, da nur diese die Hohe Gerichtsbarkeit - auch Blutgerichtsbarkeit oder Gerichtsbarkeit über Hals und Hand - ausüben konnten bzw. durften. Die letzte Hinrichtung auf dem Münzenberger Galgenplatz fand am 22. Mai 1742 statt. Die Scharfrichter kamen von außerhalb angereist und prüften zuvor, ob der Delinquent schon vorher als Dieb gebrandmarkt gewesen war. Niemand im Ort hätte sich dieser Aufgaben angenommen, da der Beruf als unehrlich galt und man von der Gemeinde gemieden worden wäre.

 

Altstädter Pforte:

Auf dem Weg zum Hattsteiner Hof kommt man durch die Altstädter Pforte. Gleichzeitig mit Beginn der Bauarbeiten an Burg Münzenberg entstand wohl auf der Südseite des Münzenbergs eine erste Ansiedlung, die sogenannte „Altstadt“. Hier hatten  wahrscheinlich zunächst  die Bauhandwerker ihre Unterkunft. Später siedelten sich dort wohl die ersten Kaufleute, Handwerker und Burgmannen an. In der Zeit der Herren von Münzenberg wurden auf diesem Gebiet auch Burgmannen­höfe angelegt.

Die Altstädter Pforte bildete das Haupteingangstor der Altstadt, durch die der von Westen her kommende Hauptweg über das Gelände des heutigen Hattsteiner Hofs zur Burg führte. Von dem Turmbau mit gratgewölbter Durchfahrt sind noch weite Teile erhalten geblieben. Lediglich das einfacher gehaltene steinerne Vortor ist bis auf einen Rest der Zangenmauern gänzlich abgebrochen worden. Nach Norden verband der erhalten gebliebene Mauerzug den Pfortenbau mit der Burg. Vorgelagert ist die Einfriedung des „Hirschgartens“, eines Tiergartens, der 1423 zum ersten Mal erwähnt wird.  Im 12. Jahrhundert erfolgte die Markt- bzw. Stadtgründung durch Kuno von Münzenberg auf der Nordseite seiner imposanten Burganlage. Die Altstadt wurde aufgegeben.

 

Nicht einbezogen in diese Wanderung ist das Naturschutzgebiet Steinberg. Um dorthin zu gelangen biegt man schon gleich nach der Autobahn links ab, geht in die zweite Straße nach rechts (den Bellersheimer Weg) und dann links auf den Steinberg hoch. Dieser ist eine kleine Anhöhe, die im 19. Jahrhundert für die Naherholung der Bevölkerung mit Kiefern, zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Fichten bepflanzt wurde. Da  er nur eine geringe Ausdehnung besitzt, kann man nicht von Wald sprechen, aber einen hohen Erholungswert hat der Steinberg dennoch. Vor allem als Vorwaldgesellschaft mit seinen Birken und Salweiden sowie durch die angrenzenden Streuobstanlagen erfreut er die Besucher und bietet vielen Pflanzen- und Tierarten eine Heimat. Apfel-, Zwetschgen-, Birn,  Nuß- und Kirschbäume wachsen auf diesem sandig-steinigen Boden. Wenn die Bäume blühen, verwandelt sich die Streuobstwiesen in ein wunderschönes Blütenmeer.

Besondere Bedeutung im Hinblick auf den Naturschutz kommt jedoch dem Magerrasen auf dem Steinberg bei Münzenberg zu, der als Biotop einer Vielzahl von für diesen Lebensraum typischen Tier- und Pflanzenarten beherbergt. Dazu zählen zum Beispiel Orchideen und Enzianarten oder Reptilien wie die Zauneidechse oder die Schlingnatter. Auch die Küchenschelle hat auf dem Steinberg ihre Heimat. Ausführliche Beschreibungen über Lebensräume im Wetterau­kreis findet man unter www.naturschutzfonds-wetterau.de.

Im ehemaligen Steinbruch wurde seit der ersten Hälfte 19. Jahrhundert bis etwa 1923 genutzt, um vor allem den „Münzenberger Blättersandstein“ abzubauen, der als Baumaterial geschätzt wurde.

Wer etwas Außergewöhnliches sucht, findet dieses auf dem Steinberg: ein „Felsenmeer“ aus Konglomeratsandsteinblöcken. Dazwischen liegt ein als „Götzenstein“ anmutende Felsformation. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich mühlsteinähnliche Gebilde, deren Verwendung nicht bekannt ist (mißlungene Mühlsteine?). Ob es sich um eine vorchristliche Kultstätte handelt, ist nicht bekannt.

Als steinerne Zeugen fungieren heute außerdem noch die Grabsteine auf dem am Steinberg gelegenen jüdischen Friedhof, deren ältester aus dem Jahr 1846 stammt.

 

 

 

Wohnbach (zu Wölfersheim):

Die Kelleranlagen in der Berstädter Straße sind 14 in Fels geschlagene Kellerhöhlen als Einzeldenkmäler, angelegt im frühen 14. Jahrhundert

Das Grabmal einer wohlhabenden römischen Frau vom Gutshof Wohnbach gibt es im Wetterau-Museum in Friedberg zu bewundern.

 

 

Wölfersheim

Wenn man von Norden auf der Wohnbacher Straße kommt, trifft man auf die Hauptstraße. Dort steht links die Kirche aus Bruchsteinen mit dem runden Turm. Nach rechts geht es in die Wassergasse, an deren Ende links der „Schwarze Turm“  steht. Am Ende der Hauptstraße steht rechts der runde „Weiße Turm“.

Schwarz heißt der „Schwarze Turm“ nicht wegen der Farbe ‑ den größten Teil der Fassade be­deckt Wein in sattem Grün ‑ sondern zur Unterscheidung. Der mindestens seit dem 15. Jahrhundert existierende Turm hat drei Geschwister an der Stadtmauer der wehrhaften Wölfersheimer. Einer wurde zum Kirchturm. Im Ort steht als Gegenstück der noch nicht sanierte Weiße Turm. Und in einem Bauernhaus sind die Reste des vierten Turmes heute versteckt. Wehren mußten sich die tapferen Wöl­fersheimer gegen die Butzbacher, ihre Be­lagerer. Beim Sanieren des Schwarzen Turms fand sich unweit der ebenfalls sa­nierten Mauer eine halbe Kanonenkugel als Zeuge des längst vergessenen Streits.

In der wechselvollen Geschichte des Turms überließ der Fürst zu Solms‑Braun­fels den Turm der Ge­meinde, die ihn als Ge­meindebackhaus ein­richtete (bei der Renovierung wurde noch Ruß gefunden). Später wurden ar­me Leute in den Turm einquartiert ‑ bis zu 20 Menschen wohnten darin. Den größ­ten Schaden richteten Bewohner im Zwei­ten Weltkrieg an, als Stützbalken ausge­sägt wurden, um Brennholz zu haben.

Der Turm ist seit 1966 ein Heim zum Wohlfühlen. Heute wird er bewohnt von Susanne Müller, deren Vater den Turm sanierte, und ihrem Lebens­gefährten Peter Kaimer sowie Felix (5 Jah­re) und Finn (11 Monate). Der Turm ist quadra­tisch, mißt in der Grundfläche acht mal acht Meter und ist 27 Meter hoch. Gleich hinterm Eingang beginnt die Küche. Sie ist der heimeligste Ort im Turm, mit braunen Balken, die man als CD‑Regal nut­zen kann. Mit Nischen für Kleinmöbel und dem Blick zur Straße. Fehlendes Tageslicht ersetzt ein Beleuchtungskonzept.

In der nächsten Etage ist das Wohnzimmer, darüber liegen Kinderzimmer und Bad. Von Stockwerk zu Stockwerk führen die Treppen hinauf, Türen gibt es keine ‑ bis auf die im Badezimmer, einer der weni­gen Räume ohne große, helle Fenster.

Ver­steckt hinterm Bad führt der Weg hinauf zum Turmzimmer. Dort öffnet sich ein riesi­ges Bogenfenster in der meterdicken Mauer, das mit einem wunderbaren Blick bis in den Vogelsberg fürs Treppensteigen entlohnt. Im Moment nutzt vor allem Peter Kaimer, in der Wirtschaftsprüfung tätig, das Turm­zimmer als Arbeitsraum. Die Decke mit den mächtigen Eichenbalken liegt mehrere Me­ter über den Köpfen. So stark müßten die Balken für die Stabilität gar nicht sein. Doch in vergangenen Jahrhunderten diente der Turm als Glockenturm für die ehedem angrenzende Antoniuskapelle. Eigentlich ist der Raum als Arbeitszimmer zu schade, taugte auch zum Plausch mit Gästen, zumal der Kamin auch besonders zum Verweilen einlädt.

Immer wieder fanden sich schöne Stücke in der Ver­wandtschaft für die stilsichere Ausstat­tung des Turms. Als Kontrast dazu hat Su­sanne Müller eigene Bilder aufgehängt ‑ modern und poppig in den Farben. Susanne Müller plagt nur ei­ne Sorge: Falls es mal brennt! Bei dem ganzen Holz würde es im Nu keine Flucht­wege mehr geben. Aber es wurde vorge­sorgt. Auf jeder Etage hängt ein Feuerlö­scher. Außerdem kann man vom Bad aus über eine Außentreppe ins Freie flüchten. Hinter der Wehrmauer erstreckt sich der kleine Garten. Abends streifen dort Fleder­mäuse herum. Sie sind dort zu Hause. Beim Wiederaufbau der Mauer hat man daran gedacht, Hohlräume für die Nacht­segler zu belassen.

 

Wölfersheim-Södel

Wenn man die Hauptstraße weiter fährt, kommt man nach Södel. Erstmals ist das Dörf­chen im Jahre 802 urkundlich erwähnt. In der Wetterauer Denkmaltopographie heißt es von dem Ort: „Klei­nes geschlossenes Dorf unweit von Wöl­fersheim an nach Osten - Richtung Oppers­hofen (Rockenberg) und Wisselsheim (Bad Nauheim) - führenden Abzweigungen der bedeutenden historischen Wegeverbindungen zwischen Friedberg, Hungen und Grünberg gelegen“. In der Mitte des Ortes steht die schmucke kleine Kirche am Kirchplatz, der auch „freier Platz“ genannt wird. Von diesem Platz führt die Burgstraße nordwestlich zu einer reichlich verfallenen Burg (Sackgasse).

 

Ein Ereignis hat dem Wölfersheimer Ortsteil traurige Berühmtheit verschaff: Das „Blutbad von Södel“. Rebellierende Bürger hatten am 24. Sep­tember 1830 in Hanau das Zollbüro ge­stürmt. In den Tagen darauf machten sie sich über die Zollämter in Windecken und Gelnhausen her. Am 29. September stürm­ten um die 2.000 Rebellen die Stadt Büdingen. Das Heer der rebellierenden Bürger splitterte sich auf. Ein Teil zog am 30. September über Wölfersheim und Södel nach Mel­bach. Hier nahm der Aufstand ein klägli­ches Ende: Die gesetzestreuen Bürger von Wölfersheim und Melbach taten sich un­ter Führung ihrer Bürgermeister zusammen und schlugen die Rebellen in die Flucht.

Ihr Einsatz für Ruhe und Ordnung wur­de den Södelern nicht gedankt. Der verängstigte Ortsvorstand verlangte nach Soldaten. Am 1. Okto­ber rückt eine Reiterabteilung aus dem na­hen Butzbach an. Die fällt, „da sie keine Feinde vorfand, in viehischer Rohheit über die friedlichen Einwohner her“, be­schreibt ein Zeitgenosse das Geschehen. Am Abend des 1. Oktober ritt ein Trupp leichter Kavallerie durch Södel. Freudig rannten die Bürger des Dorfes auf die Straße und jubelten den Soldaten zu.

Die Reiter waren fast schon durch den Ort gezogen, als ein Offizier unter den jubeln­den Bürgern einen großherzoglichen Solda­ten bemerkte, in dem er einen Fahnen­flüchtigen vermutete. Die Soldaten woll­ten ihn festnehmen. Mit gezuckten Säbeln und Pistolen stürmten sie durch den Ort, wüteten fürchterlich unter den Bürgern, nahmen auch auf Frauen, Kinder und Alte keine Rücksicht. Ein Unterförster, der sich tags zuvor noch mutig den Aufständischen  ent­gegenstellt hatte, wurde von den Soldaten mit Säbelhieben und Stichen so schwer verletzt, daß er zwei Tage später starb. Zwei Menschen sterben, mehrere werden schwer verwundet. Als „Blut­bad von Södel“ prangerten es Georg Büch­ner und Ludwig Weidig damals in ihrem „Hessischen Landboten“ an und machte das Wetterau‑Dörfchen so auch für die Nachwelt berühmt.

Jetzt ist das einzig bekannte Bilddokument zu diesem blutigen Ereignis aufgetaucht. Die Zeich­nung ist seit Mai im Besitz des Weidig‑Ar­chivs in Butzbach. Die Zeichnung steckt in einem schmucklosen braunen, 29,5 mal 35,5 Zentimeter großen biedermeierlichen Holzrahmen. Die Szene spielt am freien Platz vor dem „Weißen Turm“.

Im Mittelpunkt der aquarellierten Federzeichnung vorn ist ei­ne Frau mit Zinnkrug zu erkennen, die ei­nem mit Säbel bewaffneten Mann in lan­gem blauem Mantel einen Trinkbecher reicht. Zur Gruppe gehört ein weiterer Mann, der die Trikolore schwenkt, die Fah­ne der französischen Revolution. Auf ihn richtet ein Herr in Kniebundhosen seinen Säbel. Er stellt vermutlich einen Adeligen oder Beamten dar, der sich den Aufrüh­rern entgegenstellt. Im Hintergrund na­hen fünf weitere Revolutionäre, mit ge­schulterten Dreschflegeln.

Festgehalten wurde die eher heiter wir­kende Szene vom Frankfurter F.A. Rama­dier, „nach der Natur gezeichnet“, wie der Künstler vermerkte. „Wölfersheim in der Wetterau. 2 Stunden vor Friedberg, wo die Rebellen im Spätjahr 1830 von Großher­zoglichein Darmstädtischen Militair ge­schlagen wurden“, so der Titel. Datiert ist das Bild auf 1830. Vermutlich versuchte Rama­dier noch 1830, das Geschehen von Södel und Wölfersheim vom 1. Oktober in seine Landschaftsskizze mit einzubin­den.

Daß der 1833 verstorbene Künstler selbst Augenzeuge war, hält Wolf eher für unwahrscheinlich. Warum Ramadier sich in Wölfersheim aufhielt, ist nicht bekannt. Auf das Bild stieß eine Bekannte Wolfs, der auch Leiter des am Butzbacher Museum angesiedelten Weidig‑Archivs ist. Sie fand die Zeichnung in der Frankfurter Galerie Brumme, informierte Wolf, der es für sein Museum erwarb.

Diese durch ein riesiges Mißverständnis ausgelösten Ereignisse verarbeitete Deutschlehrer Pulkert zu einem Theater­stück. Die Soldaten seien erst viel später und sehr sanft bestraft worden, klagt der 48‑jährige Pädagoge. Das Stück lehnt sich laut Pulkert frei an die historischen Bege­benheiten an. Das Historienstück wird dreimal aufge­führt, und zwar genau an jener Stelle, an der das Blutbad dereinst verübt wurde: auf dem Kirchplatz, auch „Freier Platz“ genannt. Rund 30 Laiendarsteller spielten die Ereignisse vom 1. Oktober 1830 nach.

 

Wenn man vom Kirchplatz ein Stück zurück fährt in die Södeler Straße, geht rechts die Sandgasse ab, die zur Bundesstraße (Seestraße) führt. In diese biegt man nach links ein. Sie biegt links ab in Richtung Bellersheim. Rechts liegt südlich von  Geisenheimn das große Tagebauloch. Östlich davon befindet sich das Naturschutzgebiet „Teufelsee und Pfaffensee“. Ein Zugang ist aber nicht beschildert.

Das Naturschutzgebiet ist das erste in Hessen, das mit Hilfe von Sponsoren für Besucher erschlossen wird. Das 90 Hektar große Areal mit seinen beiden voll gelaufenen Restlöchern vom Braunkohle‑Tagebau ist ein Vogelparadies. 35 Vogelarten brüteten hier in diesem Jahr: 60 Uferschwalben‑, 20 Feldlerchen‑ und sechs Zwergtaucherpaare, dazu Haubentaucher, Graugans, Blaukehlchen, Steinmätzer, Wachtel und Rebhuhn.

Der Beobachtungsturm für Besucher wurde von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und der Gruppe Bingenheim des Naturschutzbundes finanziert. Die Gemeinde Echzell gab das Holz, das Forstamt Nidda übernahm die Planungskosten. Die Firma R.Ü.B Druck aus Merkenfritz hat großformatige Wegepläne für die Parkplätze gestiftet. Nun sollen noch die Wege durch Schilder markiert werden.

Wölfersheim-Berstadt

Der Wasserturm (Licher Straße 14) wurde 1908 erbaut, ein polygonaler Turmschaft in Bruchstein, die beiden oberen Geschosse verkleidet, von Zeltdach überfangen.

 

Wölfersheim-Melbach

Ein Bauer entdeckte beim Pflügen ein Stück Sandstein  mit den Resten einer lateinischen Inschrift: „Lucius Quintionius Servianus“. Das Fragment gehört zu einer fast zwei Jahrtausende alten römischen Jupitersäule. Durch Luftbilder waren die Archäologen auf ein Feld in der Nähe des Wöl­fersheimer Ortsteils Melbach aufmerksam geworden. Sie vermuteten dort mehrere römische Gutshöfe. In einer solchen „villa rustica“ lebte wohl besagter Lucius Quintionius Servianus.

Aus der Inschrift geht hervor, daß er Soldat unter Kaiser Caracalla (Anfang 3. Jahrhundert nCh) war. Er lebte wahrscheinlich als Veteran einer Reitereinheit in dem Gut, in dessen Hof er die Säule errichtet hatte. Eine nahezu unversehrt erhaltene Inschrift von Militärveteranen ist äußerst selten. Die Jupitersäule stand wohl in einem abgetrennten Bezirk des Hofes, wie einen „Herrgottswinkel“ muß man sich das aus heutiger Sicht vorstellen. Der Ruhesitz des Veteranen war riesig ‑ allein die Vorderfront des Wohnhauses maß 42 Meter.

Monumente zu Ehren des höchsten römischen Gottes Jupiter waren in der Römerprovinz Obergermanien nicht unbedingt ungewöhnlich. Doch nach dem Abzug der Römer 260 nCh sind sie häufig abgetragen oder zerschlagen worden. Manche Steine wurden im Mittelalter zum Kirchenbau verwendet. Jupiter, der in antiken Darstellungen häufig ein Blitzbündel trägt, wurde als Herrscher über das Himmelslicht und das Wetter verehrt. Da er als Urheber aller Naturgewalten galt, war er spezieller Schutzherr der Bauern.

Jupitersäulen waren in Germanien vom 1. bis 3. Jahrhundert den römischen Kaisern geweiht. Den Sockel bildet ein Viergötterstein mit Inschrift. Es folgen ein sechseckiges Zwischenstück, das mit Götterreliefs verziert ist, und eine geschuppte Säule. An der Spitze thront Jupiter, oft als ein über Giganten springender Reiter.

Die Säule war keine Billigsäule, denn sie besitzt ungewöhnlich gut ausgearbeitete Reliefs. Beim „Zusammenpuzzeln“ der Einzelteile wurden die Kriegsgöttin Minerva, Herkules und Venus und verschiedene Wochengötter erkannt. Farbreste sind Indizien dafür, daß die Errichter der Säulen es auch schon gerne bunt hatten. Es ist geplant, eine Rekonstruktion des Weihesteins in Originalgröße im Hof zu präsentieren.

Aus dem unteren Säulenteil mit einer Inschrift läßt sich rekonstruieren, daß die Säule einem römischen Soldaten gehörte, der auf einem kleinen Bauernhof, einer „villa rustica“, an der Trasse zwischen den Kastellen Echzell und Friedberg wohnte. Die Inschrift gibt auch die militärische Einheit und den Kaiser preis, für den der Soldat gekämpft hat. Dadurch ergibt sich daß die Säule etwa aus den Jahren 211 bis 222 nach Christus stammt.

Der untere Teil beschreibt auch, wem die Säule gewidmet ist: dem Gott Jupiter, dem Schutzgott der Bauern. Über der Schrift sind andere Götter wie Minerva, Herkules, Merkur, Venus und Saturn in den Stein eingemeißelt.

Der längste Teil der Säule hat ein Schuppenmuster. Dies deutet darauf hin, daß der Besitzer ursprünglich aus Gallien kam, ein Gallo‑Römer also, denn die Schuppen sind ein typisch keltisches Muster.

Knapp sechs Meter über dem Boden thront das Götterpaar Jupiter und Juno. Darin liegt die besondere Bedeutung der Säule: Säulen hatte fast jeder römische Bauernhof  (wenn auch nicht immer so große), aber die meisten zeigten an der Spitze nur Jupiter und nicht auch seine Frau Juno.

Genau 3736 Fragmente haben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus dem Boden gelesen und dem Darmstädter Diplom‑Ingenieur Klaus‑Jürgen Rau zum Restaurieren gebracht. Nur 86 Teile hat er davon allerdings gebrauchen können. „Der Rest ist meine Schöpfung“, erklärte er stolz. Dabei hat der Restaurateur aber nichts dem Zufall überlassen, alles ist genauestens rekonstruiert.

 

 

Echzell

Für diesen Ort ist eine Besiedlung nahezu lückenlos nachweisbar seit der Jungsteinzeit von etwa 5000 vCh an – anhand von Funden der verschiedenen Kulturen, der Bandkeramischen und Rössener bis zur Bronze- und Eisenzeit (achtes bis fünftes Jahrhundert vCh).

 

Römer:

Anschließend kamen die Römer. Der strategischen Bedeutung des Limesgrenzorts entsprechend, errichteten sie ein Kastell für 1.000 berittene Soldaten.      Am nordwestlichen Ortsrand von Echzell liegen unter Äckern und Obstgärten die Reste eines älteren Holz-Erde-Kastell, errichtet etwa 90 nCh, von dem heute an der Oberfläche nichts mehr zu sehen ist .Das Kastell liegt hochwasserfrei auf einer flachen, lößbedeckten Anhöhe westlich vom Horlofftal. Der Limes zog 1,3 Kilometer entfernt an der anderen Seite des breiten und sumpfigen Tals entlang.

Mit 5,2 Hektar Fläche war es der größte römische Wehrbau am östlichen Wetteraulimes und eines der größten Kastelle an der gesamten obergermanischen Grenze. Entsprechend ausgedehnt war der zugehörige Vicus. F. Kofler fand als Streckenkommissar der Reichsli8meskommission in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf einer Fläche von 81 Hektar Spuren römischer Besiedlung und entdeckte 1897 die Mauern des Limeskastells. In den Jahren      1958 und 1962 bis 1965 fanden weitere      Ausgrabungen des Saalburgmuseums statt

Es ergab sich, daß dieses noch in den letzten Regierungsjahren Kaiser Domitians um 90 nCh entstanden ist. Anfangs waren Umwehrung und Innenbauten aus Holz. Unter Kaiser Hadrian erhielt das Kastell eine steinerne Wehrmauer, auch die Kommandantur (principia) wurde in Stein ausgebaut. Die Mannschaftsunterkünfte blieben jedoch Fachwerkbauten.

Hinweise auf Zerstörungen, die mit Germaneneinfällen zusammenhängen können, gibt es aus den sechziger oder siebziger Jahren des 2. Jahrhunderts nCh. Eine spätere Zerstörung dürfte mit dem Alamanneneinfall von 233 zusammenhängen. Das Kastell wurde wieder aufgebaut und bestand bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts.

Im Kastell waren vermutlich eine Ala und eine Kohorte von jeweils 500 Mann stationiert. Eine Steininschrift deutet auf die Anwesenheit der Ala Indiana Gallorum, doch sind auch Ziegelstempel der Ala Moesica felix torquata gefunden worden. Man hat schließlich die Ala I Flavia gemina ebenfalls als Besatzung in Betracht gezogen. Von den obergermanischen Kohorten könnte die Cohors XXX voluntariorum civium Romanorum in dem Kastell gelegen haben. Möglicherweise haben die Truppen auch gewechselt.

Bei den Ausgrabungen kam im Bereich der Offizierswohnung an dem Ende einer Mannschaftsbaracke eine überraschend qualitätvolle Wandmalerei mit Szenen aus der griechisch-römisch Mythologie zutage, entstanden Mitte des 2. Jahrhundert und auf einen Mörtelverputz aufgetragen, der die Fachwerkwand bedeckte. Sie gibt einen Hinweis auf ein gewisses Bildungsniveau, das selbst bei den Truppenoffizieren der Grenzeinheiten vorhanden sein konnte.

Schon Kofler hat 1891 nördlich der Kirche unter dem Friedhof ein größeres Gebäude im Vicus ausgegraben mit Heizeinrichtungen (Hypokausten), so daß er meinte, das Kastellbad gefunden zu haben. Wahrscheinlich aber handelte es sich um ein großes Unterkunftshaus (mansio).

Das 52.000 Quadratmeter große, im 2. Jahrhundert nCh unter Kaiser Hadrian mit einer steinernen Wehrmauer versehene Reiterkastell sicherte eine wichtige Straßenkreuzung und war wahrscheinlich gleichzeitig mit einer Kohorte und einer Reitereinheit von je 500 Mann Stärke besetzt.

Über die Besatzung des Kastells gibt es verschiedene Vermutungen, wahrscheinlich wechselte sie mehrmals. Die Namen der Truppen sind bisher unbekannt. In Frage kommen unter anderem die Reitereinheiten ala I Flavia Gemina und die ala Gallorum Indiana sowie vielleicht die cohors XXX voluntariorum civium Romanorum. Das Militärlager wurde, wie fast alle Anlagen am Wetterau­limes, bei dem Alamanneneinfall 233 nCh stark in Mitleidenschaft gezogen und in den Jahren nach 260 nCh. endgültig aufgegeben.

Einige er hölzernen Innenbauten, vor allem die Mannschaftsbaracken, konnten eingehend untersucht werden. Aus einer dieser Baracken - wohl aus den Wohnräumen des Hauptmanns (decurio) - stammen Reste von bemaltem Wandverputz, der einst Decke und Wände des Speiseraums (triclinium) schmückte. Der Fund ist einzigartig im grenznahen Bereich, er zeigt Szenen aus der griechisch-römischen Mythologie und ist farblich recht gut erhalten. Die Wandmalereien wurden restauriert und sind heute im Limeskastell Saalburg zu besichtigen.

Heute erhebt sich über dem hadrianischen Kastellbad die evangelische Kirche, deren Anfänge bis in die Karolingerzeit zurückreichen. Die Kirche ist auf ihrer gesamten Breite auf römischen Fundamenten gegründet. Einige Originalmauern sind unter der Kirche erhalten, im Keller der Kirche können sie noch besichtigt werden. Noch heute stehen die Mauern der Kirche auf römischen Fundamenten. Die evangelische Kirche ist ein langgestreckter Rechteckbau mit gotischem Westturm. Die Anfänge der Kirche reichen bis in die Karolingerzeit zurück. Es ist nicht bekannt, wann hier der erste Kirchenbau errichtet wurde. Der Komplex weist viele Umbauphasen auf; so brach man u. a. in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts den alten Westturm ab und verlängerte die Kirche an dieser Stelle auf etwa doppelte Länge, das heißt zu heutiger Größe. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde schließlich der heutige Westturm errichtet. Das Kirchenschiff ist aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Die letzte große Baumaßnahme erfolgte im Jahr 1724, als man den Chor auf Breite des Langhauses brachte. Restaurierungsarbeiten im Inneren der Kirche brachten Fresken aus dem 14. Jahrhundert zutage.

Von dem ausgedehnten Kastellvicus weiß man sonst wenig. Er enthielt unter anderem Gewerbebetriebe, die die Umgebung mit Gütern versorgten. Im Jahre1964 fand man zum      Beispiel      etwa 120 Meter südlich vom Kastell eine größere Töpferei, die ein gutes und festes, etwas rustikales Gebrauchsgeschirr erzeugte („Echzeller Ware“).

Das große Kastell war durch gute Straßen mit der römischen Wetterau verbunden. Sie sind heute über viele Kilometer erhalten und dienen noch immer als Landstraßen dem Verkehr. Eine von ihnen verband Echzell mit Friedberg, die andere führte nach Nordosten in die nördliche Wetterau, unter anderem zum Kastell Arnsburg. Dadurch kamen die Echzeller Auxiliartruppen rasch an jeden Punkt des Wetteraulimes. Auch nach Norden, zum Kastell Inheiden, und nach Süden gab es, parallel zum Limes, Straßen. Nahe der Straße, die in südlicher Richtung nach Ober-Florstadt ging, lag beim Ortsteil Gettenau ein römischer Friedhof. Dort fand man den Grabstein mit der Darstellung eines Totenmahls, der sich heute im Museum Büdingen befindet.         

 

Rundgang:

Die Ortschaft, erstmals im Jahr 782 urkundlich erwähnt, gehörte einst zur Fuldischen Mark. Diese fiel 1437 zur Hälfte an die Landgrafen von Hessen. Im Jahr 1570 geriet Echzell an Hessen-Marburg und 1604 an Hessen-Darmstadt.       Die Adelshöfe sowie zahlreiche, im ganzen Ort verstreut liegende Hofreiten, von denen viele noch die typische überdachte Wetterauer Toreinfahrt aufweisen, lohnen einen ausgedehnten Rundgang durch Echzell.

Von Bingenheim kommend sieht man in der Hauptstraße auf der linken Seite ein repräsentatives Haus mit Torfahrt, die Burg. Die „Echzeller Burg” ist ein barocker Schloßbau und wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf den Grundmauern einer mittelalterlichen fuldaischen Wasserburg errichtet. Heute ist sie Internatsschule.

Rechts ist das Gasthaus „Deutsches Eck“. Dann geht es nach links in die Lindenstraße. Rechts steht die Hofreite der Edelleute von Geismar und Nordeck zur Rabenau mit rundbogiger Hofeinfahrt aus dem Jahre 1820.

Daneben kommt man durch ein Rosengärtchen zum Heimatmuseum in einem 1987 vorbildlich restaurierten Fachwerkbau, der Zehntscheune (Lindenstraße 3). Schwerpunkte der Dauerausstellung bilden jedoch die Vor- und Frühgeschichte sowie die Darstellung der römischen Vergangenheit Echzells. Hier wird die zweitausendjährige Geschichte des Orts anhand von Bodenfunden belegt. Das Museum bietet eine Vielzahl römischer Funde, die durch Grabungen immer wieder ergänzt wurden. Das Museum gibt auch einen hervorragenden Einblick in das Leben römischer Soldaten und der Leute im Kastelldorf.      Vor dem Museum steht seit August 2002 die Jupitersäule, die am Melbacher Kreuz gefunden wurde und ein Gewicht von 1,5 Tonnen hat.

Nebenan auf dem Kirchenvorplatz (auf dem Parkplatz      hinter der Kirche) wurde durch besondere Pflasterung der Grundriß von einem Teil des Römerbads aus der Zeit des Kaisers Hadrian aus dem 1. Jahrhundert verdeutlicht, auf dessen Überreste man 1961 beim Einbau einer Heizung stieß, nämlich auf die Schwitzbäder (sudatoria) und Wärmeschleuse zwischen Schwitzbad, Kaltbad und Lau­bad. Die Thermen waren etwa 50 Meter lang und gehörten zu den größten am Limes. Doch das römische Bad war größer als die Kirche.

Zwischen der Kirche und dem Museum steht das alte Rathaus; als Beinhaus im 15. Jahrhundert erbaut. Es zählt es zu den ältesten Fachwerkhäusern der Gemeinde. Das Hochparterre war einst eine offene Halle, der Fachwerk ist von 1700. Nach Nutzung als Fruchtspeicher war      es Sitz der Echzeller Lateinschule. Seit 1846 war es Rathaus und beherbergt heute das Hessische Auenforschungsinstitut.

 

Östlich von Echzell

Kastell Haselhecke

Wenn man von Wölfersheim kommt biegt man nach links in die Hauptstraße ein und folgt dann nach rechts in die Bisseser Straße (Schild „Horloffhalle“). Die Eisenbahn und die Horloff querend fährt man immer geradeaus weiter durch das      Neubaugebiet (nicht nach Bisses). Kurz vor Waldbeginn, wo die Straße nach rechts abbiegt, liegt links ein Gedenkstein für das Kastell Haselhecke.

Westlich des Parkplatzes lag in römischer Zeit      - 25 Meter hinter dem Pfahlgraben - das Kleinkastell Haselheck (Wachtposten 4/85). Dort liegen unter einem Acker die Spuren des Kastells, von dem aber nichts mehr zu sehen ist. Ein bedeutender Grenzübergang wie etwa bei Kastell Butzbach ist aber hier nicht anzunehmen. Die Limesstrecke bei Echzell war durch die weiten Waldgebiete des Vogelsbergs geschützt, in denen es damals auch kaum Verkehrsverbindungen gab.

Das ehemals 3.900 Quadratmeter große Lager, 1,2 Kilometer östlich des großen Kastells Echzell gelegen und durch eine Straße mit ihm verbunden, hatte ein eigenes Badegebäude und war etwas größer als andere Kleinkastelle am Limes. Der Streckenkommissar der Reichs-Limeskommission, Friedrich Kofler, hatte die Umfassungsmauer mit abgerundeten Ecken 1886 entdeckt und einige Suchschnitte angelegt. Weitere Grabungen fanden bis heute nicht statt.

Einzig das im Norden liegende Badegebäude konnte genauer untersucht werden. Kofler fand ein langgestrecktes Gebäude mit fünf Räumen (A-E), Backstein-, Ziegel- und Heizkachelreste waren teilweise mit Stempeln der 22. Legion versehen. Danach wird der Beginn der Anlage in die Zeit 110 - 125 nCh datiert, also frühestens gegen Ende der Regierungszeit Kaiser Traians; aus dieser Zeit stammen auch weitere Funde, unter anderem zwei Münzen dieses Kaisers.

Keramikfunde lassen den Schluß zu, daß der kleine Militärposten bereits zwischen 160 und 175 nCh wieder aufgegeben wurde. Über die dort einst stationierte Einheit gibt es bislang keine eindeutigen Erkenntnisse.

Zwischen Kleinkastell und Badegebäude fand Wilhelm Soldan 1899 einen Holzturm mit Ringgraben, das älteste bekannte Bauwerk an diesem Platz. Dieser wurde offensichtlich nicht - wie sonst üblich - später durch einen Steinturm, sondern durch die Anlage des Kleinkastells ersetzt. Einige Archäologen sind der Ansicht, daß das Kleinkastell möglicherweise einen Limesübergang und damit den Grenzverkehr an einer Handelsstraße zwischen dem Imperium Romanum und dem germanischen Mitteldeutschland überwachen sollte. Ähnliches vermutet man für das Kleinkastell Deger­feld am Limes bei Butzbach, dessen Besatzung einen Fernhandelsweg in germanisches Gebiet über das Gießener Becken ins Lahntal zu überwachen hatte.

 

Jüdischer Friedhof:

Wenn man nach rechts weiter fährt, liegt links der kleine jüdische Friedhof, der im Jahr 1886 für die damals recht große jüdische Gemeinde in Echzell und Bisses angelegt wurde, wahrscheinlich eine Vergrößerung eines älteren Friedhofs. Er ist mit Zaun und Hecke umgeben und kann nicht betreten werden. Im Winter, wenn die Hecke ohne Blätter ist, hat man von der Wiese aus einen schönen Blick auf die historischen Grabsteine mit hebräischer und deutscher Inschrift.

 

Forsthaus:

Weiter geht der Weg zum „Forsthaus“. Als solches wurde der Gebäudekomplex unter dem hessischen Landgrafen Ludwig VIII. zusammen mit dem Schloß 1742 erbaut. Das Gebäude diente viele Jahre lang den Revier- und Oberförstern als Dienstwohnung. Erst 1876 zog die Oberförsterei dann um in das Bingenheimer Schloß: Da von seiten der landgräflichen Familie an dem inzwischen baufällig gewordenen Anwesen kein Interesse mehr bestand, wurde es zum Verkauf angeboten. Pfarrer Dr. Eduard Lucius (1819 - 1899), dessen Privatschule zu dieser Zeit in Münzenberg untergebracht war, konnte, nachdem er den gesamten Komplex zunächst gemietet hatte, das ehemalige Bingenheimer Forsthaus 1892 kaufen und sein Knabeninstitut hier einrichten. In den folgenden (1852 –1928) und danach führten Julius Lucius (1852 - 1928) und danach Dr. Eberhard Lucius, der 1979 starb, das Institut weiter. Seit 1968 steht die Schule unter Leitung von Reinhard Lucius und nimmt erstmals auch Mädchen zum Unterricht auf.

 

Man muß dann wieder zurück in den Ort fahren und nach links zum Ortsteil Gettenau mit der kleinen Kirche. Hier geht es erst rechts und dann bald wieder nach links nach Heuchelheim und dann links nach Reichelsheim.

Eine Wanderung von Echzell nach Bingenheim und zurück ist beschrieben in Frankfurt I, Seite 85. Die archäologischen Befunde in „Wanderungen am Wetteraulimes, Seite 166.

 

 

 Bingenheim (südöstlich von  Echzell)

Bingenheim ist ein ebenso alter Ort wie Echzell, durch Karls des Großen Gnade zur Fuldischen Mark gehörend. Im Mittelpunkt des Ortes steht die Kirche, vor der früher der Gerichtstisch von dem Richtplatz „Wildfrauengestühl“ stand.

An der Kirche geht man hinter zum Schloß, dem Wahrzeichen des Ortes. Der Wohnturm ist ein Musterbeispiel mittelalterlicher Wasserburgen. Andere Teile wurden durch Landgraf Wilhelm Christoph von Hessen‑Bingenheim im 17. Jahrhundert umgestaltet. Er war auch mit der Schaffung einer Lateinschule der Begründer des Echzeller Rufs als Schulort. Die gesamte ausgedehnte Schloßanlage in Bingenheim wird heute schulisch genutzt für praktisch Bildbare mit angeschlossener Klinik.

 

Lebensgemeinschaft Bingenheim:

Wenn die Lebensgemeinschaft Bingenheim einen Tag der offenen Tür feiert, dann müs­sen viele Türen aufgestoßen werden: Die anthroposophische Einrichtung zur Betreu­ung seelenpflegebedürftiger Menschen hat mittlerweile 36 Häuser rund um das Bin­genheimer Schloß. Ganz zu schweigen von den Gärten, der Landwirtschaft, den Werk­stätten, dem Hofladen und dem Buchladen.

An einem Samstag im Juni 2003 tummelten sich hunderte von Besuchern in der weit­läufigen und idyllischen Anlage der Le­bensgemeinschaft Bingenheim ‑ Heim, Schule und Werkstätten für seelenpflege­bedürftige Menschen in Echzell. Im Zen­trum der Gemeinschaft, dem alten Bingen­heimer Wasserschloß mit seinem dicken Mauerwerk und romantischem Flair; herrschte bei klassischer Musik, Tanz- ­und Puppenspiel‑Aufführungen Biergar­ten‑Atmosphäre. Stolz führten die dort le­benden geistig behinderten Kinder und Ju­gendlichen ihre Eltern in ihre Klassenräume, ihre Zimmer und Arbeitsplätze. Viele frühere Bewohner der Einrichtung nutz­ten die Gelegenheit für einen Besuch.

Das anthroposophische Menschenbild kennt keine geistige Behinderung. Der eigentliche individuelle Menschen­kern, der geistige Kern eines jeden könne nicht krank sein. Darum sprechen die Pä­dagogen und Mitarbeiter von Bingenheim von seelenpflege‑bedürftigen Menschen. Ein starker Gemeinschaftscharakter prägt die Einrichtung.  Ei­ne große Sorge ist, daß der integrative Ge­danke, der in Bingenheim schon lange ge­lebt wird, heute gefährdet sei, weil eine Vollzeit‑Betreuung als tendenzielle Frei­heitsberaubung gebrandmarkt wird.

Für die meisten der 180 Mitarbeiter ist der Arbeitsplatz auch ihr Lebensort. Die Heil‑ und Sozialpädagogen sind zum größ­ten Teil Hauseltern von Wohngruppen. So entstehen langjährige Beziehungen, Schicksalsbindungen. Hier wird nach in­nen Selbstverwaltung praktiziert. Es gibt keine Hierarchien, höchstens Fähigkeits­hierarchien.

Die Lebensgemeinschaft ist der größte Arbeitgeber in Echzell, in Haus‑ und Land­wirtschaft sowie Verwaltung arbeiten rund 45 Menschen aus dem Ort. Trotzdem sei die Einbindung in das Dorfleben nicht optimal, auch 53 Jahre nach der Gründung nicht. Für die Kinder gibt es eine Sonderschu­le nach dem Prinzip der Freien Waldorf­schule, das nach heilpädagogischen Ge­sichtspunkten auf ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnitten wird. Von den 130 Kindern  und Jugendlichen leben 72 Schüler im Heim, zwölf weitere Kinder kommen nur zum Unterricht. Hier sind alle Lebensalter vertreten, vom Kleinkind bis zum 64‑jährigen.

Besonders die Arbeit mit älteren seelenpflege‑bedürftigen ist ein spannendes sozi­alpolitisches und pädagogisches Feld. Denn langfristig gibt es eine größer wer­dende Anzahl älterer Bedürftiger. Darum denkt der Trägerverein an den Bau weite­rer Wohngebäude, um verstärkt Erwachse­ne in geeigneten Wohnformen betreuen zu können.

Zudem will die Einrichtung sich ver­stärkt um eine Frühförderung für Kinder im Vorschulalter bemühen und Eltern die frühe Entscheidung für eine Unterbrin­gung ihrer Kinder in Bingen­heim erleich­tern. Auch muß die eigene Produktpalet­te der Zukunft angepaßt werden. So hat sich die Absatzsituation für die Keramik‑, Weberei und Holzprodukte erheblich ver­schlech­tert: Der Keramikmarkt ist wegge­brochen. Durch neue Schwerpunkte, bei­spielsweise auf Gartenkeramik, soll die­sem Trend entgegen gewirkt werden.

Seit kurzem werden auch öffentliche Bil­dungskurse in Eurythmie, Malen und Zeichnen oder biologisch‑dynamischem Gärtnern gegeben. Damit will sich die Lebensgemeinschaft, stärker zum öffentli­chen Raum machen.

Die Lebensgemeinschaft; kam 1953 von Rittershain (Bebra), wo sie 1946 gegründet wurde, nach Bingenheim. Der Arzt und Musiker Gotthard Starke gehörte zu den Mitbegründern, die sich an den anthropologischen Grundsätzen Rudolf Steiners orientierten. Hervorgegangen ist die Einrichtung aus den Nachkriegsbemühungen einer Grup­pe von Pädagogen um Kriegswaisen und verwahrloste Kinder. In Bingenheim er­hielten sie vom Land das alte Wasserschloß zur Nutzung, welches der Träger­verein einige Jahre später kaufte. Seit dem Tod des langjährigen Geschäftsfüh­rers Wolfgang Schmidt trat Jochen Pucher 1994 seine Nachfolge an. Für die Kin­der der Mitarbeiter wurde auf dem Gelän­de der Einrichtung vor rund 20 Jahren ein Waldorfkindergarten aufgebaut, aus dem die Waldorfschule Bad Nauheim ent­standen ist. Der Kindergarten steht heute unter der Trägerschaft der Nauheimer Schule.

Auch die Bingenheimer Saatgut AG, die bio‑dynamisches Saatgut in die ganze Welt verschickt, hat ihren Ursprung in der Lebensgemeinschaft. Täglich (8.30‑12 Uhr und 14‑17 Uhr) kann in den Werk­stätten der Einrichtung allerlei Kunst­handwerk eingekauft werden.

 

Im Bingenheimer Ried an der Straße nach Wölfersheim fing schon ein Weißstorch auch den Win­ter über Mäuse. Das mindestens 13 Jahre alte Tier  war Nach­komme von „Park‑Störchen“ aus der Schweiz und hatte keinen Wandertrieb. Es könnte sogar sein, daß die Partnerin des Alt‑Storches ebenfalls in der Wetterau überwintert. Bei­de hatten im Frühjahr 2001 zwei Küken im Nest. Die starben jedoch, bevor sie flügge wurden. Noch zwei weitere Storchenpaare nisteten im Bingenheimer Ried, aber die Jungen sind oft gestorben.

 

Reichelsheim

Der Ort geht auf eine fränkische Siedlung zurück. Im 7. und 8. Jahrhundert gehörte dieser fruchtbare Landstrich zur Abtei Fulda und kam als fuldische Mark an die Münzenberger und Falkensteiner zu Lehen. Vom 15. Jahrhundert an wechselten durch Erbschaft, Schenkung, Verkäufe nicht weniger als achtzehnmal die Besitzer.

Reichelsheim hat zwei Gesichter: im Norden beiderseits des Bahnkörpers die neue Stadt und im Wiesengrund der Horloff der alte, kreisför­mig angelegte Kern innerhalb einer im 15. Jahrhundert errich­teten Wehrmauer mit Türmen und Toren, die in Resten noch vor­handen. Wenn man von Westen kommt, fährt man erst nach rechts. Nach rechts sieht man einen Teil der Wehrmauer. Vor Kirche und Rathaus steht noch der Landwehrmann. Bis 1960 befand sich ein großes Storchennest auf dem Friedhofsturm. Man fährt dann wieder zurück und nach Norden nach Bingenheim und dann wieder zurück  und westlich der Autobahn nach Florsdtadt-t$aden.Man kann noch einen Abstecher machen nach Florstadt-Stammheim, fährt aber dann zurück auf die Autobahn.


 

Florstadt

Die Großgemeinde Florstadt mit rund 9.000 Einwohnern entstand zwischen 1970 und 1972 durch den Zusammenschluß der ehemals selbständigen Gemeinden Nieder-Florstadt, Ober-Florstadt, Staden, Nieder-Mockstadt, Leidhecken und Stammheim. Mehr als 90 Prozent der Gemarkung sind Naherholungsgebiete mit großflächigen Wäldern. Die zahlreichen Wege abseits der Straßen laden zum Spazierengehen, Wandern und Radfahren ein.

 

Stammheim

Die Römer hatten in Stammheim ein kleines Grenzkastell, und Hügel­gräber zeugen gar von frühgeschichtlichen. Siedlungen. Urkundlich wurde der Ort erstmals 1244 erwähnt. „Ritter Wortwin von Stammheim“ schlichtete damals einen Streit um Ackerland. Ein Nachfolger die­ses Ritten, der Freiherr Dietz von Rosen­bach, soll um 1590 das Stammheimer Schloß erbaut haben. In dem heute in pri­vater Hand befindlichen Gebäude hat die Stadt seit einigen Jahren ein Trauzimmer eingerichtet.

Im Ortskern - wo auch die Grund­schule steht - wurden in den letzten Jahren vereinzelt alte Fachwerkhäuser liebevoll restauriert. Für solche Maßnahmen können Bürger demnächst auf finanzielle Unterstützung durch das Dorferneue­rungsprogramm hoffen. Im nächsten Jahr steht ‑ unabhängig vom Erneuerungsprogramm ‑ die Sanierung der Durchgangs­straße (Gießener Straße) an. Abseits vom Lärm und Gestank dieser Straße und wenn gerade kein Hubschrauber‑ oder Modellflugzeug‑Dröhnen den Himmel zerreißt, hat Stammheim sich stille Orte bewahrt.

Auf der his­torischen Friedhofstreppe verbreiten breite Stufen aus groben Steinen unter wild rankenden Sträuchern eine ähnlich verwunschene Stimmung wie die Gassen rund um die 252 Jahre alte Kirche. Die Treppe soll im Zuge der Dorferneuerung verkehrssicher gemacht werden. Auch der Festplatz soll profitieren. Dieser trostlose Kies‑ und Schotterplatz kann die geplante optische Aufwertung dringend gebrauchen.

Im Jahre 1972 gab es im Dorf noch drei kleine Lebensmittellä­den. Im Spätsommer des Jahres 2002 hätte der letzte fast schließen müssen, weil die langjährigen Betreiber aus gesundheitli­chen Gründen aufhören mußten. In letzter Minute fanden sich neue Päch­ter. Der Lebensmittelladen betreibt die winzige Postagentur, ein kleiner Bäcker hält sich ebenfalls noch. Bäuerliche Direkt­vermarktungs‑Modelle ‑ im Rahmen der Dorferneuerung realisiert ‑ könnten diese Grundversorgung verbessern.

 

Staden

Der Ort entstand im Anschluß an die 1156 auf einer Niddainsel von Wortwin von Büdingen errichtete Wasserburg. Von der ovalförmigen Hauptburg sind in den Wiesen am nördlichen Ortsrand noch Reste einer romanischen Ringmauer erhalten. Bei Grabungen 1953 wurden ein Burgtor und ein quadratischer romanischer Torturm ermittelt. Die der Stadt vorgelagerte Vor­burg ist heute ein Hofgut. Staden besitzt seine Stadtrechte seit dem Jahre 1304. Es hat alte Fachwerkhäusern und auch eine Mineralquelle.

Wenn man von Stammheim kommt, steht rechts die Kirche und links ein Schloß in einem Park. Mit der Errichtung eines Herrenhauses für Johann Friedrich Ferdinand von Löw zu Steinfurth im Jahre 1746 wurde auch ein Garten angelegt, der die Grundlage des heutigen Parks bildete. Die Urenkelin Luise von Löw heiratete 1857 den Freiherrn Bernhard von Stein, mit dem sie 1872 das Herrenhaus renovieren ließ und 1874 nach Muskau reiste, um den dor­tigen Landschaftspark des Fürsten Hermann von Pückler kennen zu lernen.

Die Steins ersuchten den Park­direktor Eduard Petzold (1815 - 1891), auch ihren Park in Staden auf den neuesten Stand englischer Garten­kunst zu bringen. Petzold wurde noch im gleichen Jahr tätig. Er legte ein neues Wegenetz an und schuf durch neue Baum- und Gehölz­gruppen ver­schiedene Landschaftsräume im dem zuvor sehr offen angelegten Park.

Seit 1885 gehört der Park der Ge­meinde. Mangelnde Pflege und eine teilweise Überbauung machten die ursprüngliche Anlage weitgehend unkenntlich. Erst 1991 wurde durch Ingenieur Michael Rohde der Einfluß des großen Gartenbaukünstlers Eduard Petzold auf die Stadener Parkanlage entdeckt. Rohde entwickelte ein Parkpflegewerk, das den Garten nach und nach wieder in den Zustand von 1874 versetzen wird.

Ein Stück weiter geht es rechts in die Schloßgasse, an deren Ende das Hofgut steht. Das Hauptgebäude ist von 1892, links steht ein noch älterer Gebäudeteil, rechts sieht man den Schornstein mit dem Storchennest. Man muß die Sackgasse aber wieder zurückgehen und kommt in die nächste Straße auf der rechten Seite. Dort ist die „Seufzerbrücke“ von 1684, die über den Bach gebaut ist. Nach anderer Angabe wurde die Brücke im Jahre 1522 auf Holzpfählen gebaut. Wegen seiner vielen Brücken wird Staden im Volksmund das „Klein Venedig“ der Wetterau genannt.

Auch hier muß man wieder aus der Sackgasse heraus auf die Hauptstraße. Diese führt gerade aus auf das alte Ysenburger Schloß. Westlich stehen Reste einer alten Reichsburg, wo man Ausgrabungen vorgenommen hat. Das „Schloß Ysenburg“, ein dreigeschossiger Steinbau mit Staffelgiebel und hofseitigem rundem Treppenturm, wurde im Jahre 1574 auf den Resten einer ehemaligen Wasserburg von den Herren von Carben im Renaissancestil errichtet. Der Name „Ysenburg“ führt in die Zeit von 1788 zurück, in der das Schloß im Besitz der Grafen von Ysenburg‑Büdingen und Ysenburg‑Limburg war. Hinter dem Schloß ist noch ein alter Wehrturm.

Im Jahre 1852 wurde das Haus von Johannes May II. gekauft und in Einheit mit den angrenzenden Gebäuden als landwirtschaftliches Gut betrieben. Einige unverkennbare Merkmale zeigen, daß die Zeichen der Zeit nicht spurlos an dem ursprünglich im Renaissancestil erbauten Gebäude vorbeigegangen sind.  Zum Beispiel die in dieser Gegend wohl einmaligen Stuckdecken im Jugendstil, die im Jahre 1902 von den Vorfahren der Familie eingebaut wurden, oder auch den vorderen Eingang, der einen gotischen Spitzbogen zeigt. Eine Stuckdecke aus dem Jahre 1990 kann man in der Caféstube bewundern.

Das Haus ist seit vier Generationen in Familienbesitz und wird seit 1949 als  Hotel‑Restaurant betrieben. Im Sommer hat man die Möglichkeit, auf der Terrasse Kaffee und selbstgebackenen Kuchen zu genießen.

 

Ober-Florstadt:

Im Süden des Ortes war ein Kohorten-Kastell mit Steinfundamenten auch für die Mannschaftsbaracken (das ist selten). Im Ort wurde ein Mithras-Heiligtum gefunden.

 

 

Mockstadt

Synagoge in Nieder-Mockstadt:

Wenn man von Süden kommt, geht rechts die Straße nach Glauberg ab. Die nächste Straße nach rechts ist die Orlestraße. Dort steht rechts die Synagoge, heute noch Feuerwehrhaus und deshalb nicht besonders sehenswert. Im Jahr 2004 wurden im Gebäude in der Orlestraße die Handwerker tätig: Nach Die Zwischendecke und eine kaputte Decke wurden gesichert und repariert. Die Denkmalpfleger waren von der guten Substanz des Gebäudes freudig über­rascht: Unter der weißen Wandtünche war sogar noch der ursprüngli­che Synagogen-Ster­nenhimmel erkennbar, der jedes jüdische Gotteshaus ziert. Die Fachleute rieten daher der Gemeinde, nicht nur zu sanieren, sondern zu restaurieren, was jedoch deutlich mehr Kosten verursa­chen würde. Im Haushalt für 2003 sind le­diglich 150.000               Euro für die Sanierung der Sy­nagoge eingestellt worden. Eine Restaurierung soll eine zu­rückhaltende kulturelle Nutzung ermögli­chen. Nicht nur der Raum soll nutz­bar gemacht werden, sondern die Synagoge als solche soll wieder sichtbar werden.

Hilf­reich könnte dabei seine Korrespondenz mit einem ehemaligen Nieder-Mockstädter Bürger sein, der nun in Jerusalem lebt. Bürgermeister Un­ger bat den über 90jährigen Halberstadt, aus seiner Erinnerung die Synagoge zu be­schreiben. Dieser hat nun mit seinem Sohn Skizzen angefertigt, die er der Gemeinde zur Verfügung stellt.

Fehlen nur noch die finanziellen Mittel. Um in das Dorferneuerungsprogramm zu kommen, sei eine Teilnahme am Wettbe­werb, sagt Unger. Er stellt sich vor, daß Nieder-Mockstadt 2006/2007 am Wettbe­werb teilnehmen konnte. Immer unter der Voraussetzung, daß alle Vereine und Politi­ker die Aktion unterstützen würden.               Bei einer guten Plazierung im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ könnte der Ortsteil 2008               / 2009 ins Dorferneuerungsprogramm kommen, so daß frü­hesten im Jahr 2010 Gelder für eine Restau­rierung der Synagoge greifbar wären.

Der Denkmal-Charakter der Synagoge, deren Entstehung auf das Jahr 1836 datiert wird, solle in jedem Fall erhalten bleiben. In der Pogromnacht im Jahr 1938 wurde das Gotteshaus von der „SA“ geplündert und die Inneneinrichtung der Synagoge völ­lig zerstört. Heute erinnert lediglich eine kleine Gedenktafel an der Fassade der Syna­goge an die jüdische Gemeinde, die hier leb­te.

 

Markwald:

Der Markwald Mockstadt von 1365 hatte kürzlich große Resonanz: Über 120 Leute kamen zur historischen Begehung. Wie eine Völkerwande­rung, größer als die Hundertschar im vo­rigen Herbst, bei der ersten Grenz‑ und Markwald‑Begehung. Und nun die zweite: Organisator und Vater der Idee, Gemein­dearchivar Kurt Leidecker aus Florstadt verteilt Routenpläne. Markmeister Heinz Trupp spricht zur Begrüßung ins Mega­fon.

Und aufwärts steigen die Menschen, um die Geschichte des über 525 Hektar großen Markwaldes bei Ober‑Mockstadt zu erfahren: etwa auf dem Hochplateau, Luftlinie zum Limes fünf, sechs Kilometer, bei klarem Wetter Sicht bis zum Taunus. Das Plateau heiße „Schwarze Platte“, so Forstamtmann a. D. Hans Schmitt, wegen der einstigen Köhlereien. Auch verlief hier einst ein alter Handelsweg gen Osten bis ins Thüringer Becken, so Kreisarchivarin Vera Rupp.

Und was es mit der Bonifati­us‑Route auf sich hat, erklärt Peter De­cker vom fürstlichen Archiv Ysenburg‑Bü­dingen. Anno 754 sei der Leichnam des Bo­nifatius von Mainz nach Fulda überführt worden, in frommer Prozession via „Schwarze Platte“. Ob über den Höhenweg respektive Her­renweg oder die Alte Frankfurter Straße oder Rechte Nidder Straße, ist ungewiß: Wo genau die Route verlief, darüber strei­ten noch die Gelehrten. Fest steht: Im Jahr 2004 soll die Bonifatius‑Route eröffnet werden ‑ als historischer Pfad quer durch die Wet­terau, zu Fuß oder per Rad zu erkunden.

Sache der Mockstädter ist ihr Mark­wald und seine Besonderheiten. Das physisch Besondere fällt sofort ins Auge: Der hohe grüne Dom eines wunderbaren Buchen­waldes empfängt die Wanderer. Den Markwald zeichnet die Buche aus, Durchschnittsalter weit über 100 Jahre, dominierend auf über 300 Hektar. Gefällt werde die Buche nur einzeln, Flächen‑Einschlag finde nicht statt. Der Gewinn ‑ 110 bis 120 Mark pro Festmeter ‑ liegt über dem Hessen‑Durchschnitt von 90 Mark. Stolz ist darauf die Gemeinde und erst recht die seit 154 Jahren bestehende Mark‑Genos­senschaft.

Viel älter noch sind die Markwald‑Gren­zen. Der ehrenamtliche Markmeis­ter Trupp gibt vor der Begehung einen Kurz-Abriß: Die vagen Grenzen von anno 1304 wurden 1365 amtlich gezogen, als der edle Gerlach III. von Limburg das Recht erhielt, das „Weisthum. zu Mock­stadt“ als selbständi­gen Ort so wie Frankfurt zu erheben. Die damalig notierte Grenzbeschreibung gilt bis heute. Gerlachs Nachfolger, Johann von Limburg, verscherbelte 1405 den Besitz an vier Adlige. Die hausten wie üblich. Un­tertanen waren bloß Besitz. Lange Zeit lit­ten die Bauern. Dann war es genug: Ihnen sollte der Wald gehören.

Mit Mistgabeln zogen sie gegen die Her­ren und auch mit Paragraphen. Im ersten Prozeß 1805 unterlagen die „aufsässigen Gemeinden“. Im Revolutionsjahr 1848 be­kamen sie Recht. Ver­erbbar blieb ihr Orts­bürgerrecht ‑ Sondernutzung im Mark­-Wald ‑ bis 1960. Dann ist das Recht vom Landgericht Gießen aufgehoben worden für künftige Ortsbürger. Vorrechte, etwa auf günstigen Holzerwerb, gelten indes weiter für Markwald‑ Genossenschaftler vor 1960. Inzwischen gibt es noch etwa 250 Be­rechtigte, sagt ein grauhaariger Berechtig­ter. Er lauscht Vera Rupps Referat zu den Hügelgräbern. Beschaut das herumge­reichte Steinaxt‑Modell der ersten Wetter­auer Siedler von 5600 vor Christi. Und freut sich am Markwald.

 

Ranstadt

Der Ort ist eine der ältesten Siedlungen des ehemaligen Gaues Wettereiba mit 5.000 Einwohnern. Die Ortsteile Ranstadt, Dauernheim, Ober-Mockstadt, Bellmuth und Bobenhausen sind ruhige, ländlich geprägte Wohngemeinden im Nidda- bzw. Laisbachtal.

Sehenswürdigkeiten sind der historischer Ortskern mit Kirche, Wehrkirchhof und bedeutende Felskelleranlage im Ortsteil Dauernheim. Die mittelalterliche Pfarrkirche im Ortsteil Ober-Mockstadt hat einen doppelten Zwiebelturm von  1755. Rathaus und von Stolberg’sches Hofgut stehen in der Kerngemeinde Ranstadt. Im Ortsteil Bellmuth gibt es eine restaurierte Kapelle ein zweigeschossiger Fachwerkbau von 1731 mit Darstellungen der Apostel und der Kreuzigung.

 

Dauernheim

Vor mindestens 6000 Jahren siedelten hier die ersten Men­schen, auf einem Hügel, den die Dauern­heimer später „Alteburg“ nannten. Im Jahre 1995 wurden dort die Grabungen fortgesetzt. Das Ergebnis: In der Jung­steinzeit war hier eine befestigte Sied­lung. 3900 bis 3650 vor unserer Zeitrechnung hatten sich auf der Basaltkuppe Menschen der Michelsberger Kultur nie­dergelassen. Die Archäologen legten 60 Gruben - vermutlich, Erdkeller für Vorräte - frei. Sie fanden Gefäßstücke, Holzkohle, Knochen und Unmengen Scherben von Gefäßen. In einer Grube lagen die Scher­ben von acht bis zehn Töpfen, zwei Ge­weihsprossen eines Rothirsches, mehrere Haustierknochen und Steinwerkzeuge – „jungsteinzeitlicher Hausmüll“.

Bei den Ausgrabungen wurde auch ein stichverzierter Topf entdeckt, der nicht zur Michelsberger Kultur paßt. Und Werkzeuge waren aus Feuerstein, der nicht aus dieser Gegend stammt. Für die Forscher ist das ein Beleg, daß die Steinzeitmenschen auf dem Alteburg schon Handel trieben. Der verzierte Topf stammt vermutlich aus dem mitteldeut­sehen‑polnischen Raum.

 

Das 782 erstmals urkundlich erwähnte Dauernheim wird überragt von einer Wehrkirche aus dem 13. Jahrhundert mit einem Wehrturm aus dem 15. Jahrhundert. Re­ste der spätmittelalterlichen Dorfbefesti­gung sind erhalten, am augenscheinlich­sten davon ist der Wehrturm im Pfarrgar­ten. Es gibt 54 historische Grabsteine aus dem 16. - 19 Jahrhundert. Das Rathaus ist von 1600.

Auf die Ge­meindehalle sind die Dauern­heimer recht stolz: Als sie 1927 errichtet wurde, war sie für ein Dorf dieser Größe höchst ungewöhnlich. Sie ist ent­stand durch einen enormen Gemein­schaftssinn und ein gehöriges Maß an Findigkeit. Knapp 60 Spender brachten damals die enorme Summe von rund 5.000 Mark auf, im Durchschnitt mehr als ein Monatslohn für jeden. Auf der Suche nach preisgünstigen Lösungen wurde man weit entfernt fündig: die Bögen der Decken­konstruktion stammen von einer Muni­tionsfabrik in Neckarzimmern, die wegen der Abrüstungsverpflichtungen des Ver­sailler Vertrages abgerissen werden muß­te. Die Empore der Gemeindehalle stand ursprünglich in einem Saalbau in Nidda, der damals ebenfalls abgerissen wurde. So kam das nur 800 bis 900 Einwohner zählende Dorf zu einem prächtigen Ver­sammlungsraum, wie ihn nicht einmal die Kreisstadt Büdingen hatte. Nur Nidda und Schotten hatten damals in der Region vergleichbare Säle.

 

Felsenkeller:

Am Berg inmitten des Dorfes liegen die Keller übereinander. Die „Dauernheimer Kühl­schränke“, die auch in den heißesten Sommern eine kühle Tempera­tur um zehn Grad garantieren, sind einmalig in Deutschland in ih­rer Anzahl und Anordnung. Der Heimatverein Dauern­heim hat einen der 100 in den Felsen gehauenen Keller gekauft und zur Besichtigung hergerich­tet.

Inschriften und Wappen über den Kel­lereingängen zeugen davon, wie stolz ihre Besitzer einst auf ihre Keller im Felsen waren. Die älteste Jahreszahl auf den Portal‑Inschriften lautet 1574. Aber man kann vermuten, daß die Keller viel älter sind. Dauernheim selbst ist 782 urkundlich erstmals erwähnt.

Das Lavagestein des äußersten südli­chen Vogelsbergausläufers, an dem Dau­ernheim liegt, ist recht porös und läßt sich leicht mit der Spitzhacke bearbeiten. Ver­mutlich wurden die Keller dereinst in den mürben Fels geschlagen, um den um Dau­ernheim reichlich angebauten Wein kühl zu lagern.

Eine Schadensmeldung aus dem Jahre 1622 verrät: Herzog Christian von Braun­schweig war brandschatzend durchs Land gezogen. Die Gemeinde Dauernheim be­klagte danach den Verlust von zehn Ohm (1600 Liter) Wein, die sie in ihrem Keller gelagert hatte. Unbekannt ist, ob der Weinbau nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges wieder seine frühere Bedeutung er­langte. Bekannt ist, daß die Dauernhei­mer Familie Waas noch bis Ende des 19. Jahrhunderts Wein anbaute. Jedenfalls wanderten in die kühlen Lagerräume an­dere Dinge, vor allem Kartoffeln, Rüben und Apfelwein.

Das Gewölbe, das der Kulturverein Dauernheim zur Besichtigung herge­richtet hat, ist ein besonderes. Nicht wegen seiner Größe, der Keller gehört eher zu den kleineren. Knapp 20 Stufen führen vier Meter in den Berg hinab in einen Raum, der 4,30 Meter lang, 2,50 Meter breit und zwei Meter hoch ist. Das Beson­dere an ihm ist ein uralter Brunnen. Das Wasserloch brachte den Verein überhaupt erst darauf, den Keller zur Besichtigung herzurichten. Der Brun­nen wurde zufällig entdeckt. Im späten Mittel­alter diente er wohl der Wasserversor­gung in den Befestigungsanlagen der Wehrkirche. Der Brunnen war vermutlich lange vor dem Keller in den Felsen getrie­ben worden. Auf dem Keller‑Eingang prangt das Datum 1701. Es kann aller­dings auch das Datum einer Renovierung sein. Jedenfalls wurde der Brunnen­schacht, den der Kellerzugang durch­schnitten hatte, zugemauert. Diese Mauer gab in jüngster Zeit nach. Das Geröll, mit dem der Brunnen verfüllt worden war, er­goß sich in den Keller. Nach oben tat sich ein Loch auf ‑ der einstige Brunnen wurde sichtbar.

Aktive des Kulturvereins, Rentner zu­meist, räumten das Geröll in mühsamer Handarbeit aus dem Keller. Der Keller liegt nun wieder frei. Wie weit der Brun­nen unter den Keller geht, ist noch nicht erforscht Mit der Freilegung muß eine Spezialfirma beauftragt werden. Dafür fehlt dem Verein das Geld.

Wer den Felsenkeller besichtigen möchte, kann sich bei Robert Adam, unter 06035/18518 melden (Führung gegen Spende).

 

„Der Wildfrauen Gestühl“:

Am Steilhang des „Hohenbergs“ zwischen Blo­feld und Dauernheim liegt im Wald eine Gerichtsstätte. Dieses „Wildfrauen Gestühl“ erreicht man, wenn man von Blofeld kommend nach Dauernheim fährt und unmittelbar vor der Autobahnbrücke rechts in den Waldweg einbiegt. Am Ende dieses Weges liegt linker Hand das Kulturdenkmal. Es ist die sagenumwobene Kultstätte der „Wildfrauen Gestühl“, im Dialekt der Gegend „De Welle Fraa­ Gstoihl“ genannt. Der merkwürdige Name kommt wahrscheinlich daher, daß bei der Christianisierung alte heid­nische Kultstätten verteufelt wurden. Hinter dem Na­men verbirgt sich nämlich ein mehr als tausend Jahre alter, vermutlich von den Kelten angelegter Gerichtsplatz.

Die zahlreichen Ba­saltsteine sind kreisförmig um den steinernen Richterstuhl mit seinen drei sitzartigen Aushöhlungen gruppiert. Die Richter schauten von ihrem steiner­nen Dreiersitz aus nach Osten, der aufge­henden Sonne zu. Rechts von ihnen war der Platz des Klägers. Auf einem dahinter liegenden Doppelsitz ließen sich vermut­lich die Zeugen nieder. Auf der Nordseite mußten die Beklagten Platz nehmen. Von den Sitzsteinen der acht Schöffen sind nur noch drei im Kreis erhalten.

Vor dem Richterstuhl stand einst der Richtertisch, ein unabdingbares Inventar solcher Ge­richtsstätten. Auf ihm lag das Wahrzei­chen der Gerichtes, der Haselstab. Diesen Stab hob der Richter zu Beginn der Ver­handlung auf und legte ihn zu Gerichtsen­de wieder zurück oder er zerbrach ihn vor aller Augen sichtbar. Der Richtertisch wurde mit der Verlegung des Gerichtes nach Bingen­heim gebracht und steht dort heute bei der Kirche.

Der Steinkreis hat einen Durchmesser von zehn Metern. Das sind nach einem al­ten, heimischen Maßstab genau zwei Kö­nigsruthen ‑ die Abmessung eines alt­ehrwürdigen Gerichtsplatzes. Einige wenige Steine deuten darauf hin, daß ein zweiter, doppelt so großer Steinkreis dazu gehört haben könnte. Der Durchmesser dieses Kreises beträgt - vom Richtersitz aus gemessen - vier Königsruthen. Urkundliche Nachweise dafür, daß „Der Wildfrauen Gestühl“ ein überörtlicher Ge­richtsplatz war, gibt es nicht.

Es ranken sich zahlreiche Sagen, Geschichten und Erzählungen um den geheimnisvollen Waldort. Eine berichtet von einer verhärmten, betrogenen Witwe, die gefragt wird, war­um sie hierher komme. Sie antwortet: „Wer reinen Herzens am Wildfrauenstein über Lügner, Verleumder und Ungerechte klagt, dem wird Gerechtigkeit zuteil. All­jährlich komme ich, um unberufen Beto­nienwurzel und Bilgenkraut (die am Bö­sen hängenbleiben) auf den Opferstein niederzulegen, damit ich zu meinem Lohn und guten Namen komme.“

„De Welle Fraa Gstoihl“ gehörte auch zu den sogenannten „Brautsteinen“. Demnach bekräftigten Braupaare hier oben ihr stil­les Verlöbnis, weil dies „heimlich nicht, doch unberufen geschehen“ müsse, „denn unberufen bedeutet ihnen soviel, daß der Verspruch des Liebenden hier oben ohne das böse Weibergeschwätz und ohne das Gehöhn der Burschen erfolgen kann“.

Der Stadener Lehrer Georg Schäfer berichtet auch von Zi­geunern, die zum Sonnenaufgang am Himmelfahrtstage heraufkamen, um „in heiliger Schau Schwüre und Eide zu be­kräftigen oder gar an verborgenen Stellen einen sicheren Verwahrplatz für Geld und andere Schätze anzulegen“.

Es geht auch die Sage von drei weißge­kleideten Wildleuten, dem Wildemann, der Wildefrau und ihrem Kinde. Als man sie verfolgte, konnte man nur der Frau und des Kindes habhaft werden. Sie wurden bis zu ihrem Tode in den tiefen Kellern des Dauernheimer Kirchberges gefangengehalten.

Tief unter dem Wildfrauenstein soll ein Zwergenvolk wohnen. Das ärgerte sich einst über den Riesen im nahen Schloß Al­tenburg und beschloß, ihn zu vertreiben. Der Riese floh in der Johannisnacht mit einem gewaltigen Karren zur Nidda hin­ab. Die großen Räderspuren sind bis heu­te zu sehen.

Die Gemeinde Dauernheim feierte hier oben lange Zeit am Himmelfahrtstag ihre Kirmes, bis we­nige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg ein Ge­wittersturm Festplatz und Zelte zerstörte. Seitdem führt die Gemeinde Blofeld diese Tradition fort. Bei einem dieser Feste hat wohl ein junger Bursche einen „Wildermann“ in die Rinde einer jun­gen Buche geritzt. Die Buche ist inzwi­schen wohl 150 Jahre alt. Mit ihr wuchs der Wildemann immer furchterregender heran.

 

 

Nidda

Nidda liegt südöstlich von Gießen zwischen der fruchtbaren Wetterau und dem Vogelsberg,  am Fernradweg R 4 und an der „Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute im Wetteraukreis. Heute leben in 18 Stadtteilen etwa. 20.000 Menschen.

Die ältesten schriftlichen Dokumente sind aus der Zeit von 802 - 817. Im Jahre 1311 (oder 1491) erhält Nidda die Stadtrechte. Es gehörte ursprünglich den Grafen von Nidda, dann den Grafen von Ziegenhain. Im Jahre 1450 kam Nidda an Hessen. Nidda hat sich einiges vom Charme eines früheren Amtssitzes bewahrt. Viel freigelegtes Fachwerk begleitet zu den architektonischen Sehenswürdigkeiten

An der Stelle der Wasserburg, eine kreisförmige Anlage der Grafen von Nidda aus dem 16./ 17. Jahrhundert entstand um 1600 der „niddaische Bau“, das landgräfliche Renaissance-Schloß aus der Zeit um 1600 mit Treppenturm und beieindruckendem Renaissanceportal. Seit dem 19. Jahrhundert ist es Sitz des Amtsgerichts.

Auf dem weiträumigen Marktplatz mit dem alten Marktbrunnen  von 1650) steht das klassizistische Rathaus von 1811, das Portal ist vom Vorgängerbau aus dem Jahr  1631.

Der spätgotische Johanniterturm von 1491.ist letzter Bauzeuge der großen Johanniter‑Komturei. Von 1187 bis 1584 bestand in Nidda eine Johanniterkommende

Die evangelische Kirche „Zum Heiligen Geist“ ist die älteste Saalkirche Hessens mit dem zu kurz geratenen Turm. Der Saalbau von 1615 – 1617 hat reiche Deckenstukkaturen und dreiseitig Emporen.

Das Heimatmuseum am Marktplatz zeigt neben Exponaten zur Stadt-, Regional- und Kirchengeschichte eine sehenswerte Handwerkerstube, Druckerei, Egerlandstube und mannigfaltiges aus bäuerlichem und bürgerlichem Leben. Sehenswert ist noch die Steinbogen-Niddabrücke  von 1607.

Der Künstler Valentin Wagner  reiste während des Dreißigjährigen Krieges durch Europa und schuf auch ein Abbild der „Niddaer Sauhatz“ von 1633.

 

Christianisierung:

Die Anfänge der Christianisierung liegen im Dunkeln, aber schon der Bericht von der Überführung des toten Bonifatius nach Fulda verbindet historisch Gesichertes mit Legendenhaftem. Bei der Verbindung der Nidda‑Ziegenhainer Grafen zum Erzbistum Mainz ging es um „Stifter, Krieger, Pfründenjäger“. Dienten die Johanniter mit ihrer Schule und ihrem Hospital drei Jahrhunderte den Bürgern Niddas, so ging es bei den Hirzenhainer Augustinern in der Reformationszeit eher wüst zu. (Zeitgenossen‑Urteil: „Des Satans Mastschweine und gottlose ärgerliche Buben“). Die großen Persönlichkeiten der Reformationszeit waren Johannes Pistorius und sein wieder konvertierter Sohn, ferner Erasmus Alberus und der katholisch gebliebene Ambrosius Pelargus, Teilnehmer am Konzil von Trient.

Fehlte in Oberhessen der theologische und künstlerische Aufbruch der Gegenreformation, so blieben doch einige Pfarreien in der Wetterau katholisch.  Nidda war  im 19. Jahrhundert eine arme Diaspora‑Gemeinde, der erste Weihnachtsgottesdienst fand in einem Kämmerchen statt. Auswärtige, die in Nidda Arbeit gefunden hatten, waren die ersten Gemeindeglieder. Für eine zweite Gruppe wurde die Kirchengemeinde Ersatz der verlorenen Heimat: Das waren die Flüchtlinge, die nach dem Weltkrieg vor allem aus dem Sudetenland nach Nidda kamen.

 

Jüdisches Museum:

Der katholische Geistliche Wolfgang Stingl sammelt jüdische Relikte in seinem Wohnort Nidda. Jetzt macht der 57‑Jährige auch noch ein jüdisches Museum auf Mitten im Städtchen, am Marktplatz (In der Rann 62) hat er ein altes Haus bei einer Zwangsversteigerung ergattert.

In dem Museum werden die wenigen Dinge, die vom jüdischen Leben in Nidda noch Zeugnis geben können, nun der Öffentlichkeit gezeigt.

Maßgeblich an der Einrichtung beteiligt ist der katholische Pfarrer Wolfgang Stingl. Der ehemals 16-jährige Verwaltungslehrling sollte abgelegte Akten vom Dachboden holen und hob zufällig ein verstaubtes Bündel hoch. Ein Rechteck aus rotem Samt mit gestickten Blütenranken entfaltete sich, Pailletten glänzten matt. Es war der Thoravorhang der jüdischen Synagoge in Nidda, einst ein hochgehaltener Kultgegenstand, jetzt achtlos hingeworfen. Das Erlebnis ließ den Jugendlichen nicht mehr los, er begann, nach Spuren jüdischen Lebens in Nidda zu forschen.

Aus dem Lehrling der Stadtverwaltung wurde der katholische Pfarrer Dr. Wolfgang Stingl. Er gründete den Verein „Jüdisches Museum Nidda“ und konnte zu vielen emigrierten Niddaer Juden wieder Kontakt aufnehmen. So unterstützte der jetzt in New York lebende Fred Strauß, 1914 in Nidda geboren, das Projekt. Zur Erinnerung an seine Familie bekam das Museum seinen Namen. Das 300 Jahre alte, recht verwohnte Fachwerkhaus wurde renoviert. Immer wieder berichteten am Eröffnungstag ältere Niddaer Besucher von der gewachsenen Nachbarschaft jüdischer und christlicher Familien.

Das Museum wurde eröffnet  durch Otto von Habsburg, den fast 90‑jährigen Chef des einstigen österreichischen Herrscherhauses. Er hielt einen Vortrag über Habsburg und die Juden. Mit dem jüdischen Museum von Wolfgang Stingl in Nidda hat das wenig zu tun. Habsburg habe mehrere hundert französische Juden vor den Nazis gerettet, sagt der Pfarrer. In der per Internet einsehbaren Sekundärliteratur werden daraus dann sogar 10.000 gerettete Menschenleben.

Nachbarschaft drückte sich auch in der symbolischen Einweihung des Hauses aus. Pfarrer Dr. Stingl tauchte einen Buchsbaumzweig in Weihwasser, besprengte die Räume und sprach ein Gebet um „Weite des Geistes und Güte des Herzens“. Eine Mesusa, eine kleine Metallhülse, nagelte Abraham Zwi Wallenstein, Nachfahre einer alten jüdischen Niddaer Familie, nach altem Brauch neben die Eingangstür, und sprach die einliegenden Segensworte: „Gesegnet sei Gott, unser Herr, gesegnet sei dieses Haus“. Seine Mutter konnte 1934 noch mit ihrem Mann nach Jerusalem fliehen, nachdem die Familie Generationen lang ein Textilgeschäft an Niddas Hauptstraße betrieben hatte.

Mit der Einrichtung des Zimmermann-Strauß‑Museums ist Dr. Stingl und seinen Helfern zugleich ein Stück Sicherung der Vergangenheit gelungen. Die verschieferte Giebelseite des Hauses, die kleinen Fenster, das Holzgeländer im engen Treppenhaus, das Katzenloch in der Dachbodentür ‑ das alles beschwört die Erinnerung an das Leben im alten Ackerbürgerstädtchen herauf.

Baupläne von Häusern, Zeichnungen, Fotos, Kleiderbügel mit der Aufprägung „Textilhaus S. Wallenstein“ erinnern im Erdgeschoß an Niddaer Familien jüdischen Glaubens, an ihre Arbeit. Daneben eine Seite der Lokalzeitung mit Werbung der Geschäfte für den Herbstmarkt 1937 und dem Aufruf: „Kauft nur in deutschen Geschäften, unterstützt den deutschen Einzelhandel!“ Es gibt einen Gruppenraum mit Präsenzbibliothek. An die vertriebenen, ermordeten Niddaer erinnert der Gedenkraum im Obergeschoß. Namenstafeln in Stacheldraht nennen die Todesorte: Ida Wallenstein in Theresienstadt, Sigfried Kaufmann mit seiner Familie in Lodz..... Sakrale Gegenstände haben einen eigenen Platz: Thoravorhang und ‑mäntel vom Dachboden der Stadtverwaltung, jüdische Gebetbücher, Dokumente aus Niddas jüdischem Gemeindeleben, ein Modell der 1867 eingeweihten Synagoge in der Schillerstraße 33. Sie ist längst Wohnhaus, ihr Bruchsteinmauerwerk verputzt, die charakteristischen Türmchen und Fenster sind verschwunden.

Zwei Bücher hat der in Butzbach als Gefängnispfarrer arbeitende Geistliche über die Juden in Nidda geschrieben. Eins davon ist Grundlage für Stingls vor wenigen Monaten erlangten Doktortitel. Stingl kümmert sich um den Erhalt des jüdischen Friedhofs. Er suchte und hält Kontakte zu den Nachfahren der vertriebenen Juden. Und er sammelte, was aus der vernichteten Niddaer Gemeinde noch übrig ist: das Modell der einstigen Synagoge, den Thoramantel, einen Vorhang und einen Teppich aus der Synagoge, Fotos und Dokumente.

Von 1277 bis zur Nazizeit lebten Juden in Nidda. In der rund 5.000 Einwohner zählenden Stadt gibt es keine Juden mehr ‑ nur das Museum, das von einem 30‑köpfigen Förderverein getragen wird, in dem auch die Nachkommen jüdischer Familien aus Nidda Mitglieder sind. Das nach zwei jüdischen Familien benannte Zimmermann-Strauss-Museum ist nach Vereinbarung unter Tel. 06043/2474  zu besichtigen.

 

Nidda-Ulfa:

Die Evangelische Kirche (Steinstraße 18) ist aus dem 12.  oder 13. Jahrhundert (oder früher). sie war eine Basilika, die dann spätgotisch umgebaut wurde und 1718 - 1721 umgebaut wurde zum Saalbau mit Empore. sie hat  das  älteste Geläut Hessens mit drei Glocken von 1334.

 

Unter-Widdersheim:

Der „Kindstein” in Nidda - Unter-Widdersheim stand ursprünglich außerhalb des Ortes im Wald bzw. auf einer obstbaumbestandenen Wiese, wie es die älteren Ansichten zeigen. Der Sage nach hausen in ihm die ungeborenen Kinder. Heute im neuen Siedlungsbereich des Ortes in der Straße „Zum Kindstein” (im Süden des Ortes) gegenüber Haus Nr. 9 gelegen, steht das Denkmal zwar in einer gepflegten Anlage, hat aber durch zu enges Umfeld und üppige Bepflanzung seine Monumentalität verloren.  

 

Niddatalsperre:   .

 Diese Talsperre wurde im Zuge der „Niddaregulierung“ (besser: Flußbegradigung) als Hochwasserschutz vor allem für Nidda in moderner Zeit (vermutlich 1968 - 1970) erbaut. Sie ist 65 Hektar groß und faßt maximal 6,7 Millionen Kubikmeter Wasser. Sie dient der Hochwasserzurückhaltung und damit der Regulierung des Niddalaufes. Baden, Angeln, Segeln Surfen und Campen sind hier möglich.

 

Bad Salzhausen:

Vermutlich verdampften schon die Kelten vor 2500 Jahren an der Stelle des Ortes Salzhausen das mehr als 30 Grad warme Tiefenwasser, um Salz zu gewinnen. Ursprünglich fuldaischer Besitz kam Salzhausen im 11. Jahrhun­dert zur Grafschaft Nidda und wurde erstmals 1187 als „Salzhusin“ erwähnt. Im Jahre 1187 schenkte Graf Bert­hold von Nidda seine Häuser an den Salz­quellen („Salz­husen“) per Urkunde dem Johanniterorden. Es war ein mühsames Handwerk, das in wei­ten Umkreis die Wälder vernichtete. Sie landeten als Brennholz unter den Sud­pfannen.

Die hessischen Landgrafen überließen der Fa­milie Krug von Nidda die Salzrechte. Salinenmeister Roland Krug wartete im 16. Jahrhundert die Gradierwerke in Salzhausen. Fünf Generationen lang stellte die Familie die Salinenmeister bis zum Jahre 1729. Sie führte die Gradierwerke ein: hohe Reisig-­Mauern, an denen das Wasser herunter tropfte, teilweise verdampfte und dadurch einen höheren Salzgehalt bekam.

Im Jahre 1776 erfand Kammerrat Johann Wilhelm Langsdorff die Stangen‑ und Wasserkunst. Dadurch wurde das Niddawasser vom Stadtteil Kohden (östlich von Nidda) über den Berg nach Salz­hausen gepumpt. Damit wurden die Wasserräder zur Soleförderung betrieben, die man  aus Brunnen heraufpumpte. Maximal 4600 Zentner Salz wurden jährlich gesotten. Doch als immer mehr Steinsalz aus Bergwerken kam, wurde die um­ständliche Siederei in Salzhausen allmählich zu teuer.

Die Wende vom Salzsiederdorf zum Kur­ort kam um das Jahr 1826. Justus Liebig hatte die Quellen analysiert und ihnen starke therapeutische Wirkung zuschrie­ben. Neben reicher Soleverkommen fän­den sich auch schwefel‑, eisen‑ und lithi­umhaltige Quellen, die sich besonders für Trinkkuren eigneten. Von 1828 bis 1831 versuchte Liebig in der heutigen Kirche jedoch eher die Sole zur Bittersalz‑ und Salzsäu­refabrikation zu nutzen: Leim, Glauber­salz, Chlorkalk und Soda sollte hier her­gestellt werden. Der Wissen­schaftler analysierte die Sole von Salzhausen und stellte 1825 fest: „Man kann über die wirk­lich merkwürdigen Wirkungen dieser Sole nicht die mindesten Zweifel hegen, ( ... ) daß Leute durch 20 bis 30 Bäder, nach­dem sie vorher in Wiesbaden oder Ems ge­badet hatten, in Salzhausen vollkommen wieder­hergestellt worden sind.“ Unter Berufung auf Liebigs Analysen wurde das heilkräf­tige Wasser gepriesen.

Die Beamten des Großherzogs erklärten die Sole zu Heilwasser und bau­ten 1821 die ersten fünf Badezellen Der Kurbetrieb unter Badearzt Dr. Graff begann mit zwei Kabinen für Wan­nenbäder. Doch Salzhausen wurde schnell bekannt, und so entstand innerhalb kurzer Zeit ein Ensem­ble mit Biedermeier­-Architektur im Diens­te der Gesundheit. Wohlhabende Gäste konnten in Badewannen Gicht und andere Leiden bekämpfen.

Der Hessische Hofrat Dr. Graff, erster Badearzt des Dorfes, und dessen Nachfol­ger, Dr. C. Philipp Möller, griffen wenig später die Studienergebnisse Justus Liebigs auf und ver­öffent­lichten ebenfalls Schriften über die Heilkraft der Mineralquellen von Salzhausen. Das Wirken der beiden Ärzte trieb die Entwicklung des jungen Badeor­tes mit Erfolg voran.

Im Jahre 1826 baute der Darmstädter Hofbaumeister Georg Moller das klassizisti­sche Kurhaus, in dem heute das „Hotelhaus“ residiert. Mit dem Bau des Kurhauses wurde Salzhausen zeitweilig zum geselligen Mittelpunkt der Wetterau. Die Badekur war in Mode und verhalf dem kleinen Örtchen an der Nidda endlich zur Blüte. Auch Bad Nauheim erlebte dank seiner Heilquellen zu dieser Zeit einen im­posanten Aufschwung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts registrierte Salzhausen 4.739 verkaufte Badekarten (Salzhausen hatte um die Jahrhundertwende nur 76 Einwohner!).

Der Kurpark wurde ebenfalls im Jahr 1826 unter dem hessischen Groß­herzog Ernst Ludwig von dem Geome­ter und Landschaftsgärtner Heinrich Carl Bindenagel (oder Bindernagel) aus Friedberg angelegt. Er wurde im Juli 1775 in Kassel geboren und ist im Ju­ni 1854 in Darm­stadt gestorben. Er galt als Experte in Sachen naturnaher Land­schaftsgärten. Der Park ge­hört zu den  ältesten Parkanlagen Deutschlands, weil es so einen öffentlichen Park seit 1825 nur in Magdeburg gegeben hat. Die Anlage respektiert den natürlichen Landschaftsverlauf des nach Süden orien­tierten Seitentals der Nidda und schmiegt sich in die hügelige Umgebung. Auf einer Fläche von 82 Hekt­ar bietet der Park heute aber nicht nur urbani­siertes Land. Rund zwölf Hektar Fläche werden regelmäßig gepflegt. Fünf Hektar Gehölzgruppen schirmen den Kurpark ge­gen angrenzende Straßen und Häuser ab. Der Großteil der Anlage aber bleibt natur­belassen und wild. Das heutige Erscheinungsbild ist im We­sentlichen geprägt durch Gartenmeister Günter Wagner, der bis zu seiner Pensio­nierung 1997 den Park über 40 Jahre lang pflegte. In den Jahren 1986 bis 1989 wur­de der untere Kurpark grundlegend für 2,2 Millionen Mark saniert.

Bis zur Jahrhundert­wende kamen nur etwa 300 Kurgäste pro Jahr. Ihre Zahl wuchs, als 1897 eine Bahnlinie gebaut wurde. Ge­räumige Pensionen nahmen bald 4.800 Gäste im Jahr auf. Es gab aber nur 76 Einheimische. Die erste von vier Kurklini­ken entstand 1911. Ab den fünfziger Jahren schickten die Sozialversicherungsträger Tausende Kurgäste aus ganz Deutschland nach Bad Salzhausen. Die Kur auf Krankenschein mit einem Aufenthalt von mindestens drei Wochen war vorgesehen,

Das Jahr 1990 war mit 18.634 Gästen das beste Jahr. Seitdem gibt es weniger Zulauf. In den Jahren 1995 und 1998 mußten zwei Kliniken schließen. Seitdem setzt die Kur­verwaltung auf Wochenendbesucher und selbstzahlende Kurgäste. Pa­tienten aus der näheren Umgebung ziehen ein verlängertes Wochenende in Bad Salzhau­sen mit Wellness, Ayurveda, Beauty-Angebote, alternative Gesund­heits‑ und Therapiekonzepte und ambulante Be­handlung vor. Mit Massagen, Thermalbädern und Bewegungstherapie bekämpft man Rheuma, Herz‑ Kreislauf-Krank­heiten, Atemwegserkrankungen und Erschöpfungszustände jeder Art. Der Modekrank­heit Streß begegnet man mit Pauschalan­geboten für Entspannung und Erholung. Herz‑ und Kreislaufkranke, Menschen mit Atemwegsleiden sowie Er­krankungen des Bewegungsapparates oder Magen‑ und Darmtraktes konnte geholfen werden. Dabei spielen natürliche Heilmittel wie die Sole eine bedeutende Rolle.

 

Gera­de 500 Einwoh­ner hat Bad Salzhausen, eines der ältes­ten Solebäder Deutschlands und bis heute kleinste Hessi­sches Staatsbad. Rheuma, Kreislauf‑ und Herzprobleme, Atemwegs­erkrankungen so­wie nervliche Er­schöp­fungs­zustände können behandelt werden.

Das Kurhaus ist von 1826, Glockenhaus aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In Salzhausen gibt es keinen Kurbe­zirk ‑ das ist der ganze Ort. Hier dürfen Autos nur mit der Geschwindigkeit der Pferdekutschen von einst rollen. Zum Charme des nostalgischen Badeor­tes trägt der Kurpark bei. Mit 52 Hektar ist er einer der größten Deutschlands. Exo­tische Gehölze wie Tulpenbäume, Zedern und Douglasien finden sich hier. Dazwi­schen wuchert amerikanischer Amber, Frühlingszaubernußss, Feuerdorn und japa­nischer Ahorn.

Der Kurort hat zwei Kliniken, zwei Kurheime, ein staatliches Kurhaushotel und 17 wei­tere Hotels und Pensionen und etwa 400 Einheimische. Man kann dort prima spazierengehen, baden, am Sonn­tagnachmittag Kuchen essen. Bad Salzhausen leistet sich bis heute den Luxus einer eigenen Kurka­pelle. Dreimal am Tag spielt das Trio in der Konzertmuschel vor der Trinkwandel­halle auf.

Es gibt nur noch 370 Kli­nikbetten und 500 Arbeitsplätze im Ort. Im Jahr 1994 verdienten hier 800 Menschen ihr Geld. Die Zahl der Gäste schrumpfte seit damals von 17.300 auf 13.000 pro Jahr. Die Übernachtungen halbierten sich auf jetzt 147.000 pro Jahr. Etwa drei Millionen Mark Defizit er­wirtschaftet das kleinste hessische Staatsbad pro Jahr. Das Personal ist drastisch auf 60 Köpfe geschrumpft. Der hauptamtliche Kurdirektor wurde abgeschafft, seine Aufgaben erledigt für ein paar hundert Mark im Monat der Vizebürgermeister des Städtchens Nidda.

Mitarbeiterseminare großer Firmen finden neuerdings in Bad Salzhausen statt. Abends müssen Bademeister Über­stunden machen, damit die Teilnehmer nach langen Sitzungen ins Solewasser und Solarium können. Der Kurdirektor hofft, daß so mancher Teilnehmer in sei­ner Freizeit wiederkommt und Umsatz macht: „Unsere wichtigste Zielgruppe sind ältere Menschen. Hier gibt es keine Discos. Und Frauen können hier ohne Anmache eine gute Zeit erle­ben.“

 

Rundgang:

Auf der Autobahn fährt man bis zur Abfahrt Florstadt. Von dort geht es Richtung Büdingen. Hinter Obermockstadt geht es links ab nach Dauernheim und durch den Ort hindurch nach Geiß-Nidda und Bad Salzhausen. Vom Parkplatz West geht es in den Ort. Rechts sind das evangelische Gemeindezentrum und das Solebewegungsbad, ein Solebad mit 32 Grad warmem Wasser. Dort geht es nach rechts in den 52 Hektar großen Kurpark mit vielen alten Bäumen. Rechts führt ein Weg zur Lithiumquelle.

Im südlich der Durchgangsstraße gele­genen Kurpark - dem sogenannten Quel­lenbezirk - herrscht schon deutlich mehr Kurstadt‑Flair vor. Hier gibt es ein Gra­dierwerk, Pavillon und die verschiedenen Salzquellen, umgeben von Rabatten. Drei Brunnenhäuschen laden zu einer Heilwas­ser‑Kostprobe ein. Auch hier findet sich mit Fröschen, Grillen und Libellen über Teichen und Wiesen jede Menge unberühr­te Natur.

Der Weg führt weiter zur Södergrundquelle. Sie ist umgeben von Bauten mit einem Turm. Weiter geht es nach rechts zum Kräutergarten (links) und zum Wasserrad aus dem 18. Jahrhundert, das 1990 erneuert wurde. Das Gestänge am Wasserrad erinnert an den Meister der Wasserkunst Langsdorff, ist aber hier nur wieder als Schauobjekt aufgebaut. Rechts steht noch der Knottenstein, der an den Pfänner Ludewig Knott erinnert (1495  -  1511), den ältesten bekannten Besitzer der Sole Salzhausen.

In der Wiese liegt dann die Nibelungenquelle, die 1972 / 1973 in 204 Metern Tiefe erbohrt wurde, eine eisenhaltige Sole mit freien gelöstem Kohlenstoffdioxid, 17 Grad warm. Links ist dann ein Teich und ein Stück weiter die Schwefelquelle mit Gurgelraum. Ein Stein erinnert an Roland Krug von Nidda, Amtmann und Salinenmeister von 1593 bis 1617. Darauf kommt man zur Roland-Krug-Quelle, die 1776 / 1977 in 201 Meter Tiefe erbohrt wurde und eine zweiprozentige Sole mit freiem gelöstem Kohlendioxid liefert und 17,4 Grad warm ist.

Die sechs Quellen Lithium‑, Stahl‑ und Schwefelquel­le, Roland‑Krug‑Quelle, Nibelungen­quelle und Söder‑Grund‑Quelle gelten als Kurmittel, sind eisen‑ und kohlesäurehaltig und werden für Wannenbäder genutzt. Lithium, Sö­dergrundquelle, Stahlquelle sind frei auslaufende Heilwässer, die zur Trinkkur geeignet sind. Sie dienen (nach Angaben der Kurverwaltung) zur Anreicherung von Mineralien im Organismus und haben günstigen Einfluß auf Magen und Darm, insbe­sondere bei Ferment‑ und Resorb­tionsstörungen. Sie haben auch blut­bildende Wirkung. Die Schwefelquel­le trägt zur Heilung von Katarrhen der oberen Luftwege und Bronchitis bei. Die Stahlquel­le (nicht gefunden) schmeckt, kühl und salzig und wurde im Jahre 1850 gefaßt.

Der Landgrafenteich wird rechts umrundet. Man kommt zum Haus am Landgrafenteich für Kriegsopfer und Behinderte. Links geht es weiter an den Tennisplätzen vorbei. Rechts steht das Haus Christiansruh.

Dann überquert man die Hauptstraße, die Kurstraße. Rechts steht die Asklepios Neurologische Klinik. Nach links geht man vor der Klinik Rabenstein her und am Minigolfplatz vorbei wieder auf die Hauptstraße. Diese geht man dann in Richtung Westen weiter.

Links sieht man die ehemals bis zu 210 Meter langen Gradierbauten. Die heilende Kraft der Salzhäuser Solequellen läßt sich förmlich riechen. Die Gradierwerke im Kurpark sind daher für Spaziergänger ein beliebter Ort zum Verweilen. Zumal Wasser, das über Schwarzdorn rieselt, ein beruhigendes Geräusch verursacht. Am Gradierwerk inmitten des Parks tropft salzige Sole über Schwarzdorn, verdunstet zu einem feinen Nebel und wirkt eingeatmet wohltu­end auf die Atemwege. In der Blütezeit wurde hier reichlich vom weißen Gold gefördert, rund 4.000 Zentner jährlich waren es um 1800. Die Gradierwerke zur Verdunstung der Sole hatten eine Länge von fast 800 Metern.

Besonders an hei­ßen Tagen beliebt ist das verbliebene Gra­dierwerk, das heute als Freiluft‑Inhalatori­um dient. In dicken Tropfen plätschert die kühle Sole über die Reisigwände aus Schwarzdornzweigen. Naturlehrpfad und Trimm‑Parcours machen die grüne Oase perfekt.

Einmal im Jahr, im­mer am dritten Juli­samstag  feiert Salzhausen im Kurpark sein Lichter­fest. Ein Meer von Ker­zen glüht auf den Wie­sen in lauer Sommer­nacht, bis das Fest mit einem feudalen Feuer­werk endet.

Rechts steht ein Barockhaus, das mit Doppeltürmen geschmückte Kurmittelhaus. Es wurde zum Symbol Bad Salzhausens. Hier handelt es sich um das alte Badehaus von Bad Nauheim, das - als es zu klein für die dortigen Zwecke geworden war - abgetragen und 1906 in Salz­hausen neu errichtet wurde. Weiterhin steht dort das staatliche Kurhaus mit dem Kursaal.

Die Quellenstraße führt nach links zur Södergrundquelle. Im barocken Eckhaus ist die Kur- und Touristik Info. In der Straße links die ehemalige Kirche (?) (heute Malschule), rechts die Lesehalle.

Am Ende der Straße liegt das Sole‑Bewe­gungsbad. Der moderne Zweckbau verfügt über zwei In­nen‑ und ein Außenbe­cken und eine schöne Saunalandschaft mit Kräuter‑ und Solegrot­ten. Auch Kinder sind im Bad willkommen, werden vorn salzhaltigen Wasser wunder­bar getragen und planschen bei Tempera­turen von 28 bis 32 Grad quietschver­gnügt in den Fluten. Besonders Mütter wissen den selten gewordenen Service zu schätzen, daß jeder Gast während der ge­samten Badezeit über eine private Umklei­de verfügen kann. In Zeiten verschärfter Kostendämpfung im Gesund­heitswesen kann sich ein Kurbad nicht nur an die betagte Stammkundschaft und deren Enkel wenden. Deshalb setzt an seit Jahren auf Wellness‑Angebote, die streßgeplagte Großstadtmenschen zur Biedermeier‑Auszeit locken.

Sonntags findet am Ende der Straße ein kleiner Markt und Flohmarkt statt. Ganz Am Ende steht das Kurhotel Quellenhof. Man kann dann zum Auto gehen und noch einmal zum Bahnhof fahren. Man fährt bis zum Ende der Tempo-30-Zone in den Ort, dann links hoch in die Liebigstraße und gleich wieder rechts. Man kommt an einem Naturlehrpfad vorbei und am Parksaal mit einem alten Wappen.

Auch der Parksaal inmitten des oberen Kurparks hat bis heu­te sein romantisches Biedermeierflair erhal­ten, wie auch das mit Schiefer geschindelte Uhrenhäuschen, des­sen Glocke einst die Salzsieder zur Arbeit rief. Pittoresk präsen­tiert sich der lange Fachwerkbau der Trinkkurhalle, der auch als Trausaal fun­giert.

Hier befindet man sich im historischen oberen Kurpark oberhalb der Durchgangsstra­ße, begrenzt durch Kurhaus, Liebig­straße, Bahnlinie und Bahnhofsweg. Der Park muß in botanischer Hinsicht den Vergleich mit akademischen Lehrgärten nicht scheu­en. 600 Bäume und Sträucher listet der klei­ne Führer der Kurverwaltung auf, 600 im­posante und zum Teil seltene Gehölze, die Landschaftsgärtner auf 82 Hektar zu ei­nem lauschigen Gesamtbild arrangiert ha­ben. Die botanischen Kost­barkeiten ‑ darunter viele über hundert Jahre alt ‑ haben seltsam anmutenden Na­men wie „Klebrige Bastard‑Robinie“, „Gelbbunter Eschenahorn“ oder „Kuchen­baum“. Weiter oben im Park stehen die bunten Wild‑ und Wiesenblumen.

Mit heimischen Pflanzen und Gehölzen, aber auch mit Exoten aus Amerika und Asien wurde  eine wunderschöne Parklandschaft geschaffen, naturnah, exotisch und mit einer Wasserkunst geschmückt. Im Laufe der Jahre wuchsen und gediehen die präch­tigen Laub‑ und Nadelbäume, die immergrünen Sträucher und Stauden und die blühenden Rabatten zu einer wunderschö­nen Parklandschaft heran.

Hier fin­det sich das Gros der seltenen Bäume und Gehölze wie Blauglockenbaum, Sumpfei­che oder Österreichische Schwarzkiefer. Gärtnermeister aus allen Kontinenten ha­ben sie zusammen getragen. Im größten Kurpark Deutsch­lands mit seinen artenreichen Baumbeständen finden sich Exoten wie Nordmanntanne oder Chinesischer Blau­glockenbaum. Er erstreckt sich auf einer Fläche von 85 Hektar und  geht nahtlos in die angrenzenden Wälder und Felder über.

 

Daß Bevölke­rung und Gäste den Kurpark zu schätzen wissen, zeigen anschaulich auch die klei­nen Schilder an manchem Baum, der ihn als Pflegling einer Person oder Firma aus­weist. Mit diesen so genannten „Baumpa­tenschaften“ deckt die Kurverwaltung ei­nen Teil der Kosten für die Baumpflege ab.

Oberhalb des Parksaals wurde beim Tag des Baumes 2002 ein „Park der Bäume des Jahres“ angelegt, ei­ne Initiative der Schutzgemeinschaft Deut­scher Wald. Hier kann sich der Besucher über alle bisher ausgerufenen Bäume des Jahres ab dem Jahr 1989 informieren und die frisch gepflanzten Exemplare begut­achten. Auf einer Übersichtstafel sind die Standorte der Exemplare dokumentiert und finden sich weitergehende Hinweise zum Tag des Baumes und zum Baum des Jahres.

Bis zum Bahnhof geht es ein ganzes Stück in den Wald. Der Bahnhof ist im Jugendstil errichtet, aber nichts Besonders, heute ist dort eine Gaststätte untergebracht. Von dort fährt man wieder zurück und die Liebigstraße hoch aus dem Ort heraus.

Der winzige Bahnhof Salzhausens wird noch im­mer angefahren. Wer hier aussteigt, kann sich umgehend in der ange­schlossenen Gaststätte „Kasta­nienstuben“ stärken. Das Stamm­essen gibt es für fünf Euro.  Kein Verkehrslärm ist zu hören und der Blick geht weit in den sanft abfallenden Kurpark mit dem Schäferteich, der vom Marienbrünn­lein gespeist wird. Sams­tags wird das alte Back­haus von 1888 neben dem Bahn­hof befeu­ert und Bauern­brot wie safti­ge Kuchen geba­cken.

 

Horloff-Aue:

Am westlichen Rand von Bad Salzhausen fährt man weiter in Richtig Gießen (dabei kann man auch die nördliche Ausfahrt zur Landstraße nehmen). Kurz vor dem Holfgut Grund-Schwalheim geht es rechts ab in Richtung Unter-Widdersheim. Gleich links am Berg ist eine Informationstafel über das Naturschutzgebiet an der „Burg“ mit Parkplatz. Man geht erst

an der Leitplanke entlang und dann nach links auf die Höhe. Von dort aus kann man im Grunde schon alles sehen. Man kann aber auch noch etwas weiter gehen, links um das Wäld­chen herum zu einem Aussichtspunkt.

Von der 155 Meter hoch gelegenen Aussichtsplattform läßt sich weit in die Wetterau blicken. Wenn Kraniche oder Graugän­se auf ihrem Flug zu ihren Winterquartie­ren die nördliche Wetterau überqueren, dann sind sie von der „Burg“ aus bestens zu beobachten. Man blickt über das 200 Hekt­ar große Naturschutzgebiet „Mittlere Hor­loffaue“ nach Wölfersheim, Berstadt und Utphe. Am Horizont erhebt sich der Tau­nus und rechter Hand der Vogelsberg.

Der Blick schweift weit über feuchte Sen­ken und kleine Seen, die Rast‑ und Brut­plätze seltener Vögel wie Weißstorch, Brachvogel, Kiebitz, Wachtelkönig, Uferschnepfe oder Schafstelze sind. Am auffälligstes ist das mit Wasser gefüllte Restloch eines Braunkohletagebaus vor Trais-Horloff.     

Die Aussichtsplattform wurde vom Forstamt Nidda zur Besucherlenkung im Naturschutzgebiet „Burg“ geschaffen. Auf der Basaltkuppe finden sich seltene Pflanzen. Sie ver­schafft den Besuchern aber auch einen beeindru­ckenden Überblick über die naturge­schützten Auen und überzeuge sie zu­gleich von der Notwendigkeit des Natur­schutzes.

 

 

Ortenberg

Das malerische Städtchen im Niddertal wurde 1176 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort war anfangs Sitz der 1176 zuerst genannten Herren von Ortenberg und wurde seit dem 13. Jahrhundert an mehrere Gan-Erben aufgeteilt. Im Jahre 1266 taucht Ortenberg erstmals in Urkunden als Stadt auf.  Im 15. Jahrhundert war es im Besitz von Isenburg, Hanau und zweier Epp­steiner Linien. Im Jahre 1806 ging es an Hessen-Darmstadt.

Stets für Besucher geöffnet ist die im 13. bis 14. Jahrhundert erbaute Marienkirche, ein dreischiffiger Hallenbau. Das kostbarste Stück ist der „Ortenberger Altar“, ein dreiteiliges Altarbild aus dem 15. Jahrhundert, das im Landesmuseum in Darmstadt ausgestellt ist. Eine Kopie befindet sich in der Orten­berger Kirche.

Als Krönung des Stadtbildes liegt oberhalb der Kirche das Schloß der Herren von Stolberg-Roßla (1624 - 1627). Von der alten Burganlage aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sind nur noch Reste sichtbar: Teile der staufischen Ringmauer, Fundamentmauern eines runden, nahe dem Burgtor stehenden Bergfrieds und eines Torbaus, der ehemals von einer Kapelle überbaut war. Der jetzige Hauptbau enthält im Unterbau drei ehemalige Palasbauten. Die heutige Gestalt der Anlage stammt hauptsächlich aus dem 18. und 19. Jahrhunderts.

Das Hauptgebäude wurde Ende des 18. Jahrhunderts in der Übergangszeit zwischen Barock und Klas­sizismus gebaut. Es wurde auf den Grund­mauern dreier ehemaliger Hauptgebäude einer mittelalterlichen Burg aus dem 13. Jahrhundert errichtet. Das Schloß gehört Alexander Graf zu Stolberg‑Wernigerode. Im Jahre 2002 wird das histo­rische Erscheinungsbild des Schlosses wie­derhergestellt. Der zweite Bauabschnitt steht an: die Sanierung der Dächer, der Süd‑ und Westfassaden und Steinmetzar­beiten an den Fenster‑Umgrenzungen (Ge­wänden). Innen wird an den Türen, den Wandverkleidungen und den historischen Böden gearbeitet.

 

Die historische Mauer der Stadt Orten­berg ist in der Kasinostraße stark beschä­digt. Die Wehr­anlage prägt das Stadtbild am Schloßberg stark. Teile der Stadtbefestigung sind aber gut erhalten, besonders bemerkenswert ist die Oberpforte, ein Turm aus dem 13. Jahrhundert. Das Rathaus wurde 1605 bis 1608 nach seiner Zerstörung neu erbaut und 1980 restauriert. Es gibt sehr viele restaurierte Fachwerkhäuser aus dem 17./18. Jahrhundert.

Wer abends nach Ortenberg kommt, kann am Wochenende die neben dem Alten Rathaus gelegene Kleinkunstbühne „Fresche Keller“ besuchen. Am letzten Wochenende im Oktober wird seit dem 13. Jahrhundert „Kalter Markt“ gefeiert. Zu den Traditionen des größten oberhessischen Volksfestes gehören ein Jahrhunderte alter Pferde- und Fohlenmarkt, ein großer Krämermarkt mit über 400 Ständen und vieles mehr.

Am Wochenende nach Johanni prägen beim Kulturfest „Altstadt Pur“ alljährlich internationale Künstler aus den Bereichen Straßentheater und Straßenmusik die Altstadt. Kunsthandwerk und Tavernen in Höfen und Scheunen runden das Spektakel ab. Im Rahmen dieses Festes entwickelte sich auch der „Ortenberger Laternenpfad“ mit inzwischen mehr als 70 Scherenschnitten des Künstlers Albert Völkl nach Ortenberger Motiven in den Straßenlaternen der Altstadt.

Im Saal der Selterser Gaststätte „Eulenspiegel“ finden traditionell die Konzerte statt, zu denen der Jazzclub Ortenberg regelmäßig Künstler von internationalem Rang einlädt.

 

Ortenberg-Lißberg:

Der Ort hat eine gut erhaltene geräumige Burg, zu der man auch mit dem Auto hinauffahren kann. Eine Informationstafel am Eingang informiert über die Geschichte. Die hochmittelalterliche Burganlage bildet den malerischen Hintergrund für viele kulturelle Veranstaltungen. Der imposante runde Bergfried, im Volksmund „Kratzfuß“ genannt, beherrscht mit seinen 27 Metern Höhe das Areal. Eine Besteigung ist nach Voranmeldung unter der Telefonnummer 06046 / 432 möglich.

Rechts ist das Musikinstrumentenmuseum (geöffnet am 2. und 4. Sonntag im Monat). Das im April 1990 er­öffnete Museum ist das einzige seiner Art in Hessen und spiegelt die Entwicklung der einzelnen Instrumentengattungen wider. Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei Drehleiern und Dudelsäcken, wovon das Lißberger Museum die weltgrößte Sammlung vorzuweisen hat. Auch sonst sind hier einige Welteinmaligkeiten zu sehen. Es kann nach Voranmeldung unter 06046 / 432 oder 06046 / 467 besichtigt werden.

Gegenüber ist die Kirche aus dem Jahr 1618.

 

Nördlich von Lißberg auf einer Anhöhe zwischen Lißberg und dem Eckartsborner Oberdorf ist die S c h a f s k i r c h e. Der bequemste Weg beginnt an der Straße nach Schweikarts­hausen, wo links die Straße nach Eckartsborn abbiegt. Hier beginnt ein Wirtschaftsweg, der aber für Autos gesperrt ist. Diesen geht man hinunter durch ein Wäldchen und dann nach rechts zum Schafskirchenfeld, wo die Ruine steht. Man kann aber auch an den letzen Häusern des Ortes in Richtung Schweikartshausen nach links gehen. Ein genauer Ortsplan steht an der Hauptstraße durch den Ort, etwa in der Mitte des Ortes auf der linken Seite.

Die erstmalige Erwähnung der Kirche findet sich im Lißberger Saalbuch von 1578, als sie bereits ihren heutigen Namen trug und wohl schon Ruine war uns als Schafunterstand benutzt wurde, aber immer noch für etwa 5 Hektar Gelände der Zehnte gezahlt wurde. Die kleine Kapelle wurde als einfacher Rechteckbau wohl im 15./16. Jahrhundert errichtet und weist keine Vorgängerbauten auf. Auch spätere Umbauten sind nicht zu erkennen. Der Rest eines kleinen Solitärbaus wurde schon Mitte des 18. Jahrhunderts als Ruine beschrieben. Es gibt Reste ei­nes Altars.

Die Ruine ist seit jeher mit dem Leichenzug des Heiligen Bonifatius in Verbindung gebracht worden. Zwischen dem Glauberg und der Meyerbruchquelle vor dem Grebenhainer Höhe liegt die am Ende des ersten Drittelweges und die „Stumpe Kirche“ am Ende des zweiten.

Einen Kilometer hinter Gedern geht es links ab Richtung Schotten. Wenn man durch den Wald auf ein Wiesengelände kommt, dann steht in einer scharfen links Kurve auf der linken Seite ein Schild „Stumpe Kirche“. Man läßt das Auto stehen und läuft die gut 600 Meter zu der Ruine der Marcellinus-Kapelle. Diese verfiel seit der Reformation und war ganz unter Schutt verdeckt. aus der „Stumpen Kirche“ stammt der „Helgenstein“. Er wurde außen in die Kirche von Burkhards eingemauert. Von dort ist er aber immer wieder nachts verschwunden, weil er an seinen ursprünglichen Ort in der Marcellinus-Kapelle zurück wollte.

Die Schafskirche  ist auch eine Station der Boni­fatiusroute, eines Wander- und Pilgerweges, der angelehnt an den Leichenzug des Heiligen Bonifatius im Jahr 754 von Mainz bis nach Fulda führt. Aber es wird auch bezweifelt, daß die Ruinen der Schafskirche mit dem Leichenzug des Bonifatius in Ver­bindung zu setzen sind. Im Jahr 2002 wurde mit einer archäologi­schen Untersuchung begonnen, die Ruine wird restauriert.

 

Ortenberg-Bergheim: Steinbruch:

„Wir sind das vergesse­ne Dorf“, klagt Brunhild Heck im Mai 2002. Sie enga­giert sich in der Bürgerinitiative „Lebens­wertes Bergheim“ gegen die Erweiterung des Steinbruchs der Mitteldeutschen Hart­stein‑Industrie (MHI) auf dem Betten, nur 500 Meter vom Ortsrand entfernt. Die Er­folgsaussichten sind rapide geschrumpft. Das Regierungspräsidium in Darmstadt hat mit sofortigem Vollzug den Hauptbe­triebsplan für die Steinbrucherweiterung genehmigt. Der Wald ist bereits gerodet.

Das Dorf leidet schon seit Jahrzehnten unter dem Staub, dem Lärm und dem Lastwagenverkehr des Steinbruchs. Nun will die MHI auf weiteren neun Hektar Basalt brechen: Statt bislang 250.000 Tonnen sol­len 400.000 Tonnen gefördert werden. Da­für soll im Zwei‑Schicht‑ Betrieb von sechs bis 22 Uhr gelärmt werden. Schon jetzt donnern bis zu 250 Lastwagen durch den Ort, sorgt der Staub des Steinbruchs da­für, daß tagsüber die Fenster nicht geöff­net werden können.

Gegen den Rahmenbetriebsplan für die Steinbruch‑Erweiterung haben die Städte Ortenberg und Büdingen sowie 66 Berghei­mer Bürger Widerspruch erhoben. Die Bergheimer Bürger­-    initiative wandte sich an den Petitionsausschuß des Hessischen Landtages, forderte von der Regionalversammlung Südhessen die Rücknahme der Abwei­chung vom Regionalen Raum­ordnungs­plan, wandte sich an die politischen Partei­en und verlangte von der Landesregie­rung, das Vorgehen des Bergamtes zu prü­fen, daß über die Steinbruch‑Betriebsplä­ne entscheidet. Jetzt kann nur noch durch Klage beim Verwaltungsge­richt die aufschiebende Wirkung wieder

hergestellt werden. Die Bürgerinitiative „Lebenswertes Berg­heim“ hofft nun, daß ihr Dorf wenigstens durch eine Umgehungsstraße vom Lastwa­genverkehr des Steinbruches entlastet wird. Die Stadt Ortenberg will die Umge­hungsstraße in Verhandlungen mit der MHI durchsetzen, sagt Wolf­gang Port. Das müsse vertraglich mit dem Stein­bruchbetreiber festgeschrieben werden.

Das Steinbruch‑Areal ist historischer Boden. Wo die Mitteldeutsche Hartstein‑Indus­trie (MHI) Basalt bricht, weideten der­einst die Kelten. „Betten“ heißt der Basalt­kegel am Ortsrand des Ortenberger Orts­teils Bergheim und „Betten“ ist auch die Be­zeichnung eines uralten Höhenweges, der bis ins 19. Jahrhundert Wetterau und Vo­gelsberg verband. „In verschiedenen detail­lierten Darstellungen konnten wir bereits nachweisen, daß der Bettenstraße mit ih­ren verschiedenen seitlichen Zubringern bereits in keltischer Zeit eine wirtschaftli­che und verkehrstechnisch hohe Bedeutung zukam, die sich über Jahrhunderte erhalten hat und einen guten Einblick in die Lebensverhältnisse unserer Vorfahren gibt“, schreibt Dr. Walter Nieß in seinem Buch „Glaubero marca ‑ Ortenberger Landgericht“, das vom Kulturkreis Altes Rat­haus Ortenberg herausgegeben wurde.

Die Bettenstraße führte am Glauberg vorbei, dem Sitz eines mächtigen Keltenherrschers. Das unterstreiche noch die Be­deutung der Straße, meint Nieß. Der Hei­matforscher weist auf die geographische Verbindung des Glaubergs mit dem Betten hin und erwähnt: Wenn unsere Vorfahren in der Wetterau das hohe Alter eines Ge­genstandes oder eine Person besonders be­tonen wollten, taten sie dies mit den Wor­ten: „Der oder das ist so alt wie das Bet­ten!“  Dem Betten strebte ein umfangreiches Wegenetz zu. „Die wie eine Festung zwi­schen zwei Bachläufen liegende Hochfläche war gut abzusichern und somit unerwünschten Einflüssen zu entziehen“, schreibt Nieß.

Den damals noch unbewal­deten Bergrücken mit seinem Magerrasen nutzten die Kelten zur Viehzucht. Nieß: „Hier fanden die meist Tierzucht treiben­den Völker eine gut übersichtliche und leicht schützbare Bleibe. Volksbewegun­gen auf den in den Höhen laufenden We­gen erleichterten den Aufenthalt. Als Zeu­gen dieser Entwicklung findet man an der Bettenstraße eine Menge von Grabhügeln der verschiedenen bronzezeitlichen Perioden, die Zeugen früher menschlicher Tä­tigkeit an und auf dem Betten darstellen.“

 

Für die Herkunft des Namens „Betten“ gibt es verschiedene Erklärungen. Er kann von „bete“, einem frühdeutschen Wort für eine öffentliche oder mystische Abgabe hergeleitet sein. Nieß glaubt hingegen, in dem Namen Reste des keltisch‑­germanischen Matronenkultes ‑ die drei Weisen Frauen ‑ zu erkennen. Das „Wör­terbuch der altgermanischen Personen und Völkernamen“ besagt, das Beda der Name einer Göttin war. Bede führe zu dem gotischen Wort „bitjan“, das bitten bedeute, oder zum gotischen „baidjan“, das „gebieten“ bedeute. Nies sieht einen Zusammenhang zu den drei Fruchtbarkeitsgöttinnen der Vorzeit, den „drei Betten“: Abet, der kelti­schen Erdenmutter oder göttlichen Mutter Erde, Wilbet, der Mondmutter und Herrin des Lebensborns, und Borbet, der Göttin der mütterlichen Sonne. Nieß: „Alles Göt­tinnen, die gar nicht soweit hergeholt er­scheinen und in römischer Zeit in der Wet­terau sogar einen Altar in dem Kastell Al­tenstadt hatten.“

 

 

Konradsdorf

Die Geschichte des Klosters wurde besonders erforscht von der Karbener Kunsthistorikerin Waltraud Friedrich, die auf dem Gebiet der Bauforschung für den Hanauer Verein „Förderkreis Denkmalpflege“ tätig ist. Das Kloster wird urkundlich 1191 zum er­sten Mal erwähnt, als Hartmann von Büdin­gen die Anlage dem Erzbistum Mainz schenkt. Die Anlage stammt aber aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und hatte zwei Vorgängeranlagen: Eine Siedlung mit einer Saalkirche, die vermutlich im 9. Jahrhundert auf fuldischen oder konradinischem Besitz entstanden war. Es waren die Vorfahren der Herren von Büdingen, die diese Siedlung in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts zu einer kleinen Burganlage ausbauten. Die von Waltraud  Friedrich bei den Grabungen entdeckte Turmburg war möglicherweise der Stammsitz der Büdinger.

Im Zuge ihrer Archivar­beit vermochte Waltraud Friedrich den Grundriß der Klau­suranlagen zu rekonstruieren. Die Spar­kasse Wetterau finanzierte daraufhin ein geophysikalisches Gutachten. Die elektro­magnetischen Messungen bestätigten nicht nur Friedrichs Forschungen, sondern untermauerten ‑ im wahren Sinne des Wortes ‑ sogar die Spekulationen um eine ursprüngliche Wehranlage. In den Bereichen des einstigen Kreuzganges des nördlichen Kirchenschiffs wurden mehr als zwei Meter starke Fundamente entdeckt: die Überreste des Burgturms. Bereits nach wenig mehr als 20 bis 30 Zentimetern Humus stieß man auf die mächtigen 2,70 Meter dicken Grundmauern des ehemals 7,60 Meter im Quadrat messenden Turmes.

Im Kirchenbereich wurde in der Fundamentaussparung ein Sarkophag entdeckt.  Er beherbergte ein männliches und ein weibliches Skelett. Beide Gerippe sind noch nicht identifiziert.

Die Fachleute stießen nicht nur auf Fundamente des Kreuzgangs, des Konvents und des Kapitelsaals, sondern innerhalb des Basilikaschiffes ebenfalls auf die Grundmauern einer kleineren Vorgängerkirche. Sie könnte wie die Burg, über deren Ausmaß gegenwärtig nur spekuliert werden kann, auf das 11. Jahrhundert datiert und somit mindestens hundert Jahre älter als die Pfeilerbasilika sein,

Auf diese Entstehungszeit weist auch ein von Buschwerk verdeckter Türsturz hin, der in eines der barocken Stallgebäude eingearbeitet wurde. In den fast zwei Meter breiten (185 Zentimeter) und einen halben Meter hohen Sandstein sind Kreuze und (stark verwitterte) Lebensbäume eingeritzt. Er stammt vermutlich vom Bogenportal einer mindestens hundert Jahre älteren Vorgängeranlage des im 12. Jahrhundert errichteten Klosters. Nach dessen Aufhebung im 16. Jahrhundert wurde der Stein dann in eines der später errichteten, barocken Wirtschaftsgebäude des Hofgutes eingelassen.

Auf eine frühe Entstehungszeit der gesamten Burganlage auch eine Urkun­de aus dem Jahre 1107 hin, die ein Henri­cus de Conradisdorf für die einstige Wir­kungsstätte Hildegard von Bingens, das Kloster Disibodenberg, bezeugte. Die Burg, zumindest ihr mächtiger Wehrturm, muß im 12. Jahrhundert, als die kleine Konradsdorfer Kirche an derselben Stelle durch die Basilika ersetzt wurde, bereits abgetragen gewesen sein. Das folgert Frau Friedrich aus den freigelegten Fundamenten des Turmes. Beim Bau der neuen Kirche seien die Grundmauern wiederentdeckt und kur­zerhand in die Gründung der nördlichen Arkadenpfeiler einbezogen worden. Dies erkläre auch den trapezförmig verzoge­nen Grundriß der nördlichen Kirchenhälf­te.

Noch im 11. Jahrhundert herrschte hier ritter­liches Leben. Ausgrabungen förderten die Reste einer Turmburg zutage und brach­ten damit neue Erkenntnisse über die Vorgeschichte des Klosters. Die exponierte Lage oberhalb des Niddertals, die Gebäudean­ordnung wie auch der palasähnliche Wohnbau gaben schon früh Anlaß zur Spekulation, daß der Konradsdorfer Klo­sterhügel ursprünglich nicht nur ein Ort der Kontemplation gewesen sein kann. Jüngste Untersuchungen bestätigten jetzt diese Vermutung. In geostrategischer La­ge, am Prallhang der Nidder bei Orten­berg‑Selters, befand sich einst eine Burg­anlage des Hauses Büdingen. Auf ihren Fundamenten wurde dann vermutlich Mitte des 12. Jahrhunderts das 1191 von Hert­mann von Büdingen an das Mainzer Erzbistum geschenkte Frauenkloster Konradsdorf errichtet.

Entgegen aller bisherigen Veröffentli­chungen geht Waltraud Friedrich von einem reinen Frauenkloster aus. Hinweise auf ein Dop­pelkloster, also auf ein geistliches Neben­einander von Chorherren und Ordens­frauen, wie sie der 1120 von Norbert von Xanten gegründete Prämonstratenseror­den zunächst vielfach (auch in Ober‑II­benstadt),  seien pure Spekula­tion. Damit wäre die Konradsdorfer Klostergründung als reines Frauenstift in eine Umbruchphase der noch jungen Kon­gregation gefallen.

Die Prämonstratenser, ein aus der Wanderpredigerbewegung hervorgegan­gener Priesterorden, der ein geregeltes Klosterleben mit Pfarrseelsorge verband und sich anfangs auch vielen (auch nicht­adligen) Frauen öffnete, mußten unter dem Druck des Papstes von seinen Dop­pelklöstern Abstand nehmen. Die Nonnen wurden „ausquartiert“ (wie etwa in Nieder‑Ilbenstadt), weitere Frauen nur aufgenommen, wenn sie eine gehörige Mitgift einbrachten ‑ was im Falle der Wetterauer Klöster nur dem hiesigen Adel oder dem Friedberger Patriziat möglich war. Der Wandel in der Sozialstruktur des einstigen Reformordens läßt sich anhand der von Frau Friedrich ausgewerteten Konradsdorfer Wirtschaftsbücher und Urkunden, die Auskunft über die soziale Herkunft der Nonnen und ihre Vermögensverhältnisse geben, gut belegen.

Konradsdorf war eine mit vielen Ländereien gestattete, wohlhabende Versorgungseinrichtung für den weiblichen feudalen Nachwuchs. Die Adelstöchter führten ein weitgehend isoliertes, an keine frauenspezifische Ordensregel gebundenes Klosterleben mit Klausur, Stundengebet, Handarbeit und Buchmalerei. Für die Hausarbeiten wie für die Landwirtschaft gab es Bedienstete. In späteren Jahren ging es hinter den Klostermauern zunehmend lockerer zu. Überhaupt muß im Mittelalter von einem anderen Verhältnis zum Klosterleben ausgegangen werden. Der Rückzug in den Konvent dürfte von vielen Adelstöchtern durchaus angenehme Alternative zu einer frühen Verehelichung (oft schon mit 15 ­Jahren) und einer „Kinderproduktion“ ge­wesen sein, die nicht selten mit dem Tod im Kindbett endete.

Zur wirtschaftlichen „Hochzeit“ zu Beginn des 14. Jahrhun­derts lebten in Konradsdorf 63 Nonnen. Das  Kloster verfügte  mit 510 Morgen über weitaus mehr Land als das ebenfalls reichlich begüterte Prämonstratenserinnenstift Nieder- Ilbenstadt. Auf dem Speiseplan der Nonnen, für die zu dieser Zeit 30 Bedienstete tätig waren, standen überwiegend Produkte aus eigenem Anbau, zum Beispiel Wein von den Hängen des zur Nidder hinabreichenden Jungfernbergs, unter der Woche Grütze, Grau­brot, Suppe oder Schmalzfleisch, sonntags Weißbrot und Fleisch, Käse und Fisch (zum Beispiel Salzheringe) wurden zugekauft. Die mit im Klosterbezirk lebenden drei Männer, der Propst, ein Kaplan und ein Altarist, ernährten sich noch üppiger.

Mit Beginn der Wirtschaftskrise im Verlauf des 14. Jahrhunderts mußten auch die Konrads­dorfer Ordensfrauen den Gürtel enger schnallen. Immer mehr Menschen drängten im Zuge der wachsenden Bevölkerung in die Klöster, konnten jedoch kaum noch ernährt werden. Durch den Preisverfall landwirtschaftlicher Produkte verarmten die hauptsächlich im Agrarbereich wirtschaftenden Adligen und die Klöster. Auch in Konradsdorf wurde das Schreiben von Ablaßbriefen als zusätzliche Einnahmequelle entdeckt.

Die Reformation hat der Konvent noch einige Jahre überdauert. Im Jahre 1555 fand der letzte katholische Gottesdienst statt. Der Propst wurde nach Büdingen „abtransportiert“. Fortan predigten lutherische Pfar­rer, was die verbliebenen sieben Nonnen und ihre Meisterin zunächst nicht weiter beeindruckte. Im Jahre 1581 schließlich wurde das Kloster aufgelöst. Die Meisterin und die letzten drei Nonnen wurden jedoch nicht wie bei der napoleonischen Klosterzer­schlagung zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor die Tür gesetzt. Die einstigen Bräute Christi wurden zur Sicherung ihrer Altersversorgung verheiratet und mit einer reichlichen Mitgift ausgestattet. Die Nonnen erhielten 100, die etwa 50jährige Meisterin, die mit Ritter Philipp von Buseck ver­ehelicht wurde, sogar stattliche 2000 Gul­den.

Das einstige Prämonstratenserinnenstift auf dem Hügel wurde aufgelöst. Das Anwe­sen wechselte zurück in weltlichen Besitz und wurde als das weitergeführt, was es einstmals war, bevor die Herren zu Bü­dingen hier Mitte des 13. Jahrhunderts ein Kloster stifteten: als Gutshof, der spä­ter Eigentum des Landes Hessen wurde und seither als verpachtete Staatsdomäne geführt wird.

Von der mittelalterlichen Gesamtanla­ge des Prämonstratenserinnenstiftes sind heute außer der alten Ummauerung noch zwei romanische Kleinodien erhalten: die einstmals flachgedeckte, dreischiffige Pfeilerbasilika mit Chorapsis und ein zweigeschossiges Wohngebäude mit mar­kanten Rundbögen. Im Volksmund wird es „Nonnenbau“ genannt. Tatsächlich handelt es sich bei dem palasar­tigen Gebäude aber wohl um die einstige Propstei, den Sitz des Archidiakons von Konradsdorf. Die zwei bestens erhaltenen romanischen Klein­ode fristen heute inmitten des Domä­nenhofes ein von der Öffentlichkeit weit­gehend unbeachtetes Dasein.  Kreuzgang und Klausur­bauten sind abgetragen, die mittelalterli­chen Wirtschaftsgebäude wurden durch barocke Bauten ersetzt. Die anspruchsvollen Steinmetzarbeiten am Wohnhaus stehen in unmittelbarer Nähe zu den Zierformen der staufischen Kaiserpfalz in Gelnhausen und denen des Palas der Burg Münzenberg.

Südöstlich im spitzen Winkel schließt das Nonnenhaus an. Es ist ein stattlicher romanischer Wohnbau aus der Zeit um 1170/90, der in seiner anspruchsvollen Architektur mehr an den Palas der romanischen Burgen erinnert. Der große Raum im Obergeschoß hat zum Hof hin eine rechteckig gerahmte Doppelarkade, zum Tal hin eine vierteilige Fensterarkade mit steinernen Sitzbänken.

Um den Niveau‑Unterschied zwischen dem südlichen Turm‑ und dem nördlichen Kirchenfundament auszugleichen, sind  die Pfeiler auf eine Ausgleichsschicht aus Feldgestein gesetzt worden. Eine Schwachstelle, die es nun zu beseitigen gilt. Um ein Absenken des romani­schen Gotteshauses zu verhindern, müssen die Pfeiler gesichert werden.

Die freigelegten Fundamente der Vorgän­gerkirche sollten wieder zugeschüttet werden, um die künftige Besichtigung der Basilika nicht zu erschweren. Dagegen könnten die Turmfundamente sichtbar bleiben. Sie müßten aber ‑ auch zum Schutz ‑ einen halben Meter aufge­mauert werden und ragten dann etwa 30 Zentimeter über das Bodenniveau hinaus. Für diese wie auch für die noch erforderli­chen Erdarbeiten und eventuell auch für die Anbringung einer Erläuterungstafel wird noch ein Geldgeber gesucht.

 

 

 

Stockheim

Katholische Kirche:

Außerhalb des Ortskerns, in einem Neubaugebiet in Stockheim gelegen, entzog sich die 1924 im Art Deco-Stil erbaute katholische Kirche der Aufmerksamkeit der Denkmalpflege. Das Bauwerk ist nicht in der „Denkmaltopographie des Landes Hessen, Altkreis Büdingen” eingetragen. Der Denkmalwert ist dennoch unbestritten. Die kleine Kirche gehört zweifellos zu den bemerkenswertesten Bau- und Kunstwerken, die das 20. Jahrhundert im Wetteraukreis hinterlassen hat. Seinerzeit war der sich rasant entwickelnde Bahnknotenpunkt Stockheim Ursache für den Zuzug vieler katholischer Neubürger, die dann eine neue Kirche benötigten. Die Kirche wurde überwiegend aus Spenden der kleinen Gemeinde gebaut.

Architekt war Rudolf Breuer aus Gelnhausen. Breuer schuf eine Kirche, die in Ornament und Form als typisches Art Deco-Bauwerk anzusprechen ist. Besonders bemerkenswert ist die künstlerische Ausstattung der Kirche. Die Altarflügel sind eine Arbeit des Bildhauers Paul Seiler, dessen umfangreiches Werk in und um Frankfurt in Fotodokumenten im Museum Haus Giersch in Frankfurt erhalten ist. Die drei Altarflügel stellen die drei Kirchenlehrer dar: Petrus Canisius, Judas Thaddäus und Bonifatius.

Die Fassung, die Kreuzwegstationen und die Malereien an Decke und Wänden sind Arbeiten des Malers Reinhold Schön und die Fenster sind von B. Kraus aus Mainz. Durch die kurze Bauzeit und die enge Zusammenarbeit von Architekt, Bildhauer und Maler vermittelt die kleine Kirche ein einheitliches Bild des Art Deco. Leider war ab den vierziger Jahren die Ausstattung entfernt und die Malerei überstrichen worden. Die Altarblätter wurden Anfang der neunziger Jahre in einem Schuppen wiedergefunden. Jedoch waren sie - ebenso wie die Kreuzwegstationen - so stark vom Holzwurm befallen, daß man erwog, sie zu verbrennen. Es war eine glückliche Fügung, daß die engagierte Denkmalschützerin und Restauratorin Gisela Spruck, Stockheimer Bürgerin vom Hof Leustadt, bereit und in der Lage war, in langem ehrenamtlichem Engagement die drei Flügel, die Figuren und die Kreuzwegstationen fachgerecht zu restaurieren.

Nach der probeweisen Freilegung kleiner Teile der Wandgemälde erklärte sich das Bischöfliche Ordinariat des Bistums Mainz sofort bereit, die Malerei durch einen Kirchenmaler wieder sichtbar zu machen. Mit den Arbeiten wurde Peter Laros aus Mainz betraut. 1998 konnte die Kirche wieder in ihrer ursprünglichen Farbigkeit sichtbar gemacht werden. Die Stockheimer Art Deco-Kirche ist das einzige Gotteshaus dieser Kunstepoche in der Wetterau. Ihr Besuch ist für jeden Kunstinteressierten ein Gewinn.

 

Der Bahnhof - Knotenpunkt Stockheim:

Nach dem Einsetzen der Industrialisierung  um 1850 kam auch für die oberhessische Region der Fortschritt ins Land. Es wurden Eisenbahnen geplant und gebaut, so auch in Glauburg. Im Jahr 1870 befuhr unter dem Jubel der Bevölkerung der erste Zug zwischen Gießen und Gelnhausen offiziell die Strecke und wurde in einer feierlichen Zeremonie begrüßt. In Stockheim erfolgten daraufhin weitere Ausbauarbeiten des Bahnhofs. Im Jahre 1888 wurde die Eisenbahnstrecke  Stockheim-Gedern zum ersten Mal befahren. Von da ab bestand für die Vogels­bergregion ebenfalls ein Anschluß an die Städte Gießen - Gelnhausen. Aufgrund der Entwicklung wurden immer mehr Häuser rund um das Bahnhofsgebäude gebaut. Stockheim entwickelte sich zu einem Eisenbahnverkehrsknotenpunkt.

Mit Anschluß an das Rhein -Main Gebiet 1905 erreichte Stockheim seinen größten Stellenwert. Leider entwickelte sich die Bahn in den kommenden Jahren rückwärts, immer mehr Strecken wurden stillgelegt u.a. die Strecke der Vogelsbergbahn. Auf der ehemaligen Strecke entstand in den letzten Jahren der Vulkanradweg.

Nachdem die Deutsche Bahn kein Interesse mehr an dem Bahnhofsgebäude in Stockheim hatte, haben zwei Privatinvestoren den Modellbahnhof Stockheim in dem ehemaligen Gebäude eingerichtet. Dort können Gäste die Welt der Modellbahn neu erleben. Unter diesem Motto wird im ehemaligen Bahnhof in Stockheim ein Projekt mit musealem Charakter umgesetzt, das in dieser Form wohl einmalig in Deutschland ist.

 

Nidderwiesen von Stockheim:

Zusammen mit Horloff, Nidda, Nidder und Seemenbach durchzieht die Wetter die Wetterau­Region und prägt mit breiten offenen Fluß-Auen das Landschaftsbild. Nach Osten hin charakterisieren sanfte, sonnenüberflutete Hügel das Bild. Je näher man dem Hohen Vogelsberg kommt, umso mächtiger sind die Bergwellen, umso tiefer eingeschnitten die Täler. Hier in Glauburg geht die Wetterau in den Vogelsberg über mit aussichtsreichen Höhen und wunderschönen Waldpassagen.

Rund um Glauburg kann man viele seltene Tier- und Pflanzenarten bewundern. Grund genug, um im Jahr 1981 gerade die Nidderwiesen von Stockheim als Naturschutzgebiet auszuweisen. Zusammen einer benachbarten Auenwiese bildet dies nun ein großräumiges Schutzgebiet. Darüber hinaus wurden rund um Stockheim und Glauberg noch weitere Feuchtwiesen als sogenannte Flora - Fauna Habitat Gebiete (FFH - Gebiet) ausgewiesen und als schutzwürdig erklärt. Wesentlicher Schutzgrund sind die Feuchtwiesen, Seggenrieder, Röhrichte und die offenen Wasserflächen.

Genau diesen Lebensraum schätzen Weißstorch, Tüpfelsumpfhuhn und der Laubfrosch. Für Farbe sorgen das Breitblättrige Knabenkraut und vor allem die gelbblühenden Sumpfschwertlilien. In der Zeit des Vogelzugs sind hier Rastvögel, insbesondere Entenarten wie Krickenten, Reiherente, Löffelente, Spießente usw. zu finden. Am südlichen Rand des Gebietes streckt hab und an der Sumpfbiber den Kopf aus dem Wasser.

 

Stockheimer Storchentour:

Eine leichte, etwa 3,5 Kilometer lange Tour die überwiegend auf asphaltierten und befestigten Wegen ohne Steigungen rund um das Stockheimer Storchennest verläuft. Man kann fast auf dem gesamten Rundweg das Storchenpaar in seinem Nest oder bei der Nahrungssuche im

Naturschutzgebiet mit seinen vielfältigen Vogelarten beobachten.

Man startet am Bahnhof Stockheim und läuft  200 Meter bis zu dem Bahnübergang. Hier biegt man nach rechts auf den Vulkanradweg und läuft  400 Meter bis zur Brücke. Vor der Brücke folgt man dem Feldweg rechts entlang der Bleiche und kann das Storchennest in einer

Entfernung von 300 - 800 Meter immer beobachten. Nach 800 Metern erreicht man die Kläranlage, läuft daran links vorbei und kommt nach 200 Metern zu einem kleinen Teich und kann dort verschiedene Wasservögel beobachten. Man folgt nun einem kleinen Pfad entlang der Kläranlage und erreicht einen befestigten Weg. Auf diesem Weg nach der Kläranlage seht man rechts wieder das Storchennest. Links des Weges hat man einen guten Einblick in das Naturschutzgebiet mit seinen Wasserflächen und den vielfältigen Vogelarten. Nach 700 Metern erreicht man eine Landstraße und biegt rechts nach Stockheim ab (Verkehr beachten!). Hier sieht man gegenüberliegend den schönen Leustädter-Hof. Nach 800 Metern erreicht man  den Ortsrand von Stockheim und gelangt von dort gerade aus direkt wieder zum Bahnhof.

 

 

Hofgut Leustadt  (westlich von  Stockheim)

Der erste urkundliche Hinweis auf das Anwesen „Louphstete“ stammt von 780. Damals wurden Teile des Anwe­sens dem Kloster Fulda gestiftet. Aus dem Jahre 1379 ist der erste Burgfrieden über Leustadt dokumentiert. Die Edelknechte Johann Wolfskehl von Vetzberg und Clais Wolfskehl schlossen den Burgfrieden mit Conrad von Bleichenbach. Die ehemalige Wasserburg war etwa um 1400 bis um 1600 Sitz der Herren von Wolfskehlen.

Wolff von Wolfskehl verhinderte im Jahre 1540 durch den Burgfrieden von „Laystadt“ mit seinen Söhnen Johann und Vinzenz die Erb‑Aufsplitterung des Hofes in einzelne Häuser. Dabei erfährt man Genaueres über Leustadt. Es wird als „Schloß mit Graben und Vorhöff sampt al­len zugehörenden Bauen und Gärten, Zin­sen, Gulden, Pachten, Schäfereien und Renten, die gantz Gemark unt Wiesen, Weingärten, Wasser, Weyden. Fischerei und Zehnten...“ bezeichnet.

Der Dreißigjährige Krieg ist nicht spurlos am Hof Leustadt vorübergegangen. Die damalige Bewohnerin Agnes Wolfskehl beschwerte sich,  „daß ich und meine bettelarmen Untertanen Gras essen, das Haus leer, das Viehe wegge­führt und das Feld gebrennet ist, Böden und Scheuern ganz entblößt sind“. Die Pest erreichte 1633 das idyllische Fleckchen und raffte alle Bewohner da­hin.

Johan Georg Stauff, Obrist zu Braunschweig und Lüneburg, ein rechter „Kriegsemporkömmling“, erwarb 1654 den Hof. Er ließ die vom Krieg zerstörten Gebäude wieder aufhauen, baute Reitställe, gab sich selbst den Namen „Herr zu Löwenstadt“ und verlieh der Wasserburg ihren heutigen Charakter. Die Nachbarn sahen es mit gemischten Gefühlen: „Die Leustädter und Ihr groß Bauerei ... seind lautter eitel neue Leute“, meinte der Schultheiß des Nachbardorfes Effolderbach.

Die eitlen Leute lebten auf zu großem Fuße. Gläubiger machten zwischen 1688 und 1733 Ludwig Wilhelm Freiherr Stauff das Anwesen streitig. Bei einer Schätzung von Haus und Hof fielen dem Sekretär der Reichsritterschaft damals „Pfeiffen, Tabak und Tulpenknollen aus Holland, Pfauen und Schwäne aus West-Fahlen und die französischen Puppen der Frau Generalin, deren Stube mit gulden Leder gantz ist bezogen“ auf. Leustadt ging an das Haus Ysenburg-Büdingen.

Seit 1725 wurde die malerische Baugruppe dann Hof der Grafen von Ysenburg-Büdingen. Im Hauptflügel befinden sich ein stattlicher Saal und die ehemalige Schloßkapelle mit Sakramentsnische aus der Zeit um 1400.  In den Jahren 1743 bis 1753 wird Haus und die Kapelle einer kleinen Kolonie von „Herrnhutern“ überlassen. Im Jahr 1796 wurden Haus und Hof von französischen Soldaten „demoliert, das Inventar verdorben und etliches Vieh geschlachtet“. Der Burggraben wird bis auf einen kleinen Rest 1830 zugeschüttet und die Burgmauern niedergelegt.

Zwischen 1830 und 1845 wurde Leustadt zum Zentrum pädagogischen Fortschritts: „in der Stube bei alten Sakramentsschrank“ wurde neun Lehrern zur Wahrung ihrer Interessen die „Leustädter Pädagogische Gesellschaft“ gegründet, der Beginn einer gewerkschaftlichen Organisation der Lehrer

Im Jahre 1880 wurde der Burggraben bis auf kleine Reste zugeschüttet und die Burgmauer niedergelegt. Um den Wassergraben war es nicht weiter schade denn die Wassergräben waren ohnehin meist stinkende, schlammige Kloaken und durch die Erfindung des Schießpulvers auch strategisch nicht mehr so sinnvoll. Dumm war nur, daß sich durch die Ver­schüttung und den damit verbundenen Anstieg des Grundwassers das Haus wie ein Schwamm mit Wasser vollgesogen hatte. Die Wirtschaftsbauten der Vorburg in Hufeisenform wurden im 18. und 19. Jahrhundert angelegt.

Im Jahre 1933 erwarb der Landwirt Erwin Heinrich Spruck den Hof von den damaligen Besitzern, den Herren von Ysenburg‑Büdingen. Der Hof war zu dieser Zeit in kei­nem besonders malerischen Zustand: Es bröckelte an allen Ecken und Enden. Er hat 40.000 Kubikmeter umbauter Raum, umbaut mit Mauern, die oft 2,5 Meter dick sind, unzählige Kammern und Räume und 14 Flure.

Spruck heiratete seine Frau Gi­sela, die sich des Hofs annahm. Im Jahre 1949 begann sie mit ersten Restaurierungsarbeiten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war der Hof ratzekahl leergeplündert. Die Mauern naß, die Möbel weg, und zu allem Überfluß fiel den Sprucks jetzt im wahren Sinne des Wortes auch noch die Decke auf den Kopf. Stän­dig bröckelten irgendwo Putz und Mörtel.

Es war das große Glück des Hofguts, daß Gisela Spruck in Sachen Restaura­tion von Kind an firm war. Ihre Mutter, eine Kunsthistorikerin, hatte sie bereits früh mit der Materie vertraut gemacht. In Österreich praktizierte sie in ihrer Jugend bei einem Lehrer für Maltechnik an der Wiener Akademie. Später wäh­rend ihres Studiums der Kunstgeschichte in Leipzig, arbeitete sie nebenher für einen Restaurator.

Dabei sorgte sie sich nicht allein um die Restauration des Bauwerks. Sie stöberte auch in den Archiven nach der Geschichte des Hofes. Es kam ihr zugute, daß Mittel­hochdeutsch, Altfranzösisch und Latein ‑ und auch Sütterlin - keine Hürde für sie sind.

Wenn sie im farbverschmierten Maleranzug auf einem Außengerüst an ihrem Haus pin­selt, dann verirren sich schon mal ah­nungslose Passanten in den eigentlich nicht öffentlichen Hof und fragen: „Gute Frau, wem gehört denn dieses Schlöß­chen!“ Daß hier die Chefin selbst pinselt, irritiert die meisten. Und sie pinselt jetzt seit gut 50 Jahren. „Urlaub war nie drin“, sagt die 72jährige voll Bedauern, und seit ihr Ehemann 1976 starb, ist die Ar­beit nicht gerade weniger geworden. Stän­dig taucht irgendwo ein neuer Riß auf, bröckelt irgendwo der Putz, der selbstver­ständlich nach mittelalterlichen Metho­den neu gemischt und aufgetragen wird. Sie erhielt den Hessischen Denkmalschutzpreis.

Einsam fühlt sie sich auf dem Hof trotz­dem nicht. In bester Gesellschaft ist sie vor allem zu Ostern: Dann holt sie sich in der Ostermesse das Osterlicht, trägt es durchs ganze Haus und bringt es an­schließend dem alten Wolff von Wolfskehl, dessen Grabplatte im Hofe steht. Und dann hab ich immer das Gefühl, er lä­chelt. „Vielleicht freut er sich ja bloß dar­über, daß sein altes Heim endlich wieder im alten Glanz erstrahlt.“

 Leustadt war eine Gemeinde mit eigener Kirche und einer Schule, in die auch Kinder aus Stockheim gingen. Die bislang selbstständige Gemarkung „Leustadt“ wird 1968 aufgehoben.

Vom Hofgut Leustadt geht die Sage, es sei das „Dornröschen-Schloss“ der Brüder Grimm. Aber das darf man nicht so ernst nehmen, das wird auch von anderen Schlössern behauptet. Vor Ort kennt man jedenfalls diese Sage nicht. Allgemein wird die Sababurg als Dornröschenschloß als Vorlage für das Märchen angesehnen.

 

Rohrbach

Rohrbach wurde zuerst urkundlich in einer undatierten Urkunde aus dem 9. Jahrhundert erwähnt, in der ein Gutsherr Udalrich Güter in Rohrbach an das Kloster Fulda stiftet. Eine Urkunde aus dem Jahre 1247 verbrieft die Existenz der Reichsburg Glauburg auf dem Glauberg und die Ministerialen von Rohrbach, Büches, Düdelsheim und Bleichenbach als Burgmannen dieser Burg.

Nach Rohrbach benannte sich im Mittelalter ein niederadeliges Geschlecht. Im Jahre 1219 bezeugt ein Burgmann Rucker von Rohrbach im Gericht Gründau eine Schenkung. Das Geschlecht von Rohrbach gehörte dem Ritterstand an und war mit der Dorfherrschaft belehnt, anfangs von den Herren von Büdingen, nach deren Aussterben zur einen Hälfte von den Herren von Hohenlohe-Brauneck und zur anderen von den Herren von Ysenburg. Sie hatten im Ort eigenen Grundbesitz, der frei und unbeschwert war, dazu Einnahmen aus dem Rüge­gericht und den festen Hofplatz, der im 15. Jahrhundert an die Herren von Cleen übertragen wurde.

Eine Urkunde aus dem Jahre 1247 verbrieft die Existenz der Reichsburg Glauburg auf dem Glauberg und die Ministerialen von Rohrbach, Büches, Düdelsheim und Bleichenbach als Burgmannen dieser Burg.

Nach Streitigkeiten um Abgaben und Berechtigungen beendete Johann von Ysenburg 1386 das Lehensverhältnis mit Rucker von Rohrbach und seinem Sohn Gerlach. Er übernimmt die direkte Herrschaft über die Ysenburgische Hälfte des Dorfes.

Im Jahre 1450 erwarb Graf Diether von Ysenburg auch die brauneckische Hälfte des Dorfes Rohrbach von Siegfried von Rheinberg und seiner Ehefrau Gude für 300 Gulden. Damit war das gesamte Dorf mit all seinen Rechten und Nutzungen im Besitz des Büdinger Grafenhauses.

Nach Streitigkeiten um Abgaben und Berechtigungen beendete Johann von Ysenburg 1386 das Lehensverhältnis mit Rucker von Rohrbach und seinem Sohn Gerlach. Er übernimmt die direkte Herrschaft über die Ysenburgische Hälfte des Dorfes. Im Jahre 1450 erwarb Graf Diether von Ysenburg auch die brauneckische Hälfte des Dorfes Rohrbach von Siegfried von Rheinberg und seiner Ehefrau Gude für 300 Gulden. Damit war das gesamte Dorf mit all seinen Rechten und Nutzungen im Besitz des Büdinger Grafenhauses.

Vom Rittergeschlecht von Rohrbach ist weiterhin bekannt, daß Heinrich Rohrbach 1466 von der vornehmen Patriziergesellschaft Alten Limpurg in Frankfurt am Main aufgenommen wurde. Als reiche Großhändler liehen die Rohrbachs der Reichsstadt in Kriegszeiten Geld, aus ihren großen Kornspeichern erhielt die Bevölkerung Brotgetreide. Bernhard Rohrbach, dem sein Vater 1465 zur Hochzeit ein handgeschriebenes Meßbuch, das „Missale Rohrbachense“ geschenkt hatte, und sein Sohn Job hinterließen der Nachwelt ein aufschlußreiches Tagebuch, das Einblick in Sitten und Gebräuche und auch in das Musikleben des 15. Jahrhunderts in Frankfurt gibt. Um 1570 war das Geschlecht Rohrbach in Frankfurt erloschen, heute ist die Rohrbachstraße im Frankfurter Nordend nach ihnen benannt. Im Gefolge des Wiener Kongresses 1816 ging Rohrbach mit der Grafschaft Isenburg-Büdingen im Gebiet des Großherzogtums Darmstadt auf.

Rohrbach gehörte zum Gericht Glauberg  / Ortenberg, das zusammen mit dem Gericht Staden die alte Herrschaft Ortenberg bildete. Die Herren von Ortenberg gehörten dem Geschlecht der Herren von Büdingen an, das bereits vor 1247 ausstarb. Bis zum Jahre 1601 wurde das Gericht Ortenberg in wechselnden Anteilen von verschiedenen Adelsgeschlechtern beherrscht. Unter anderem gehörten Teile des Gerichts zum Gebiet der Familien Breuberg, Trimberg, Hohenlohe-Brauneck, Ysenburg und Nassau. Im Jahre 1601 wurde das Gericht Ortenberg geteilt, dabei wurden Rohrbach, Düdelsheim mit Oberdorf, Stockheim und Leustadt sowie Teile von Effolderbach, Calbach, Orleshausen und Aulendiebach den Grafen von Ysenburg-Büdingen zugewiesen.

Zum Braunecker Teil Rohrbachs gehörte auch das Patronat über die St. Nikolauskirche zu Rohrbach, das 1450 zusammen mit der Grundherrschaft vom Hause Ysenburg erworben wurde und das dem Fürst von Ysenburg-Büdingen bis heute zusteht. Abhängige Kapellen waren damals die St. Peterskapelle in Stockheim und die Nothelfer-Kapelle in Aulendiebach. Im Jahre 1820 wurde die St. Nikolauskirche abgebrochen, um dem heutigen Kirchbau Platz zu machen

In einem dem Neubau vorhergegangenen Bericht des Büdinger Konsistoriums vom 18. Februar 1818 wird ihr Zustand wie folgt beschrieben: „Die fragliche Kirche, deren Erbauung in die Zeiten des grauesten Alterthums zurückfällt, [sieht] eher einer Scheuer als einem Gotteshaus ähnlich. [Die] Umfassungsmauern, welche nach der Bauart jenes Zeitalters an den in- und auswendigen Flächen mit Kalch aufgemauert, dazwischen aber mit losliegenden und in keiner Verbindung stehenden Steinen ausgefüllt sind, [sind] an mehreren Stellen bedeutend schadhaft“. Im Jahre 1956 schrieb Pfarrer Türk zum damaligen Jubiläum des Gesangvereins, daß man die Grabsteine der in der alten Kirche bestatteten Geistlichen als Stufen für die lange Treppe des Neubaus benutzt habe.

Die Rohrbacher Kirche hat eine 1789 von Johann-Conrad Bürgy erbaute Orgel, die bereits in der alten St. Nikolaus-Kirche vorhanden war. Nach mehrfacher Restauration ist die Orgel noch teilweise vorhanden.

Rohrbach hatte eine recht große jüdische Gemeinde. Im Jahre 1910 gehörten 15 Prozent aller Einwohner der jüdischen Gemeinde an. Die Synagoge stand in der Beundegasse 21 (geht rechts von der Beunde ab) und beherbergte nach dem Krieg für einige Zeit die Dorfschule

und ist heute ein Wohnhaus. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden bis 1878 auf dem Friedhof in Düdelsheim beigesetzt. Im Jahre 1878 erwarb die jüdische Gemeinde Rohrbach ein Grundstück zur Anlage eines eigenen Friedhofes. Dieser Friedhof wurde ab 1880 benutzt. Die Fläche beträgt 2,57 Ar. Im Laufe der Pogrome 1939 wurden alle jüdischen Bewohner aus Rohrbach vertrieben.

Halblinks geht es dann in der Herrengasse weiter. Rechts steht ein Gedenkstein an die Völkerschlacht bei Leipzig. Schon im Feld sieht man links eine alten Keller in den Hang hinein­gegraben.

 

 

Glauberg

Urkundlich wird Glauberg wird im Jahre 802 erstmals erwähnt. An der Kirche sind nur Reste des Mauerwerks und das Westportal romanisch (um 1180), alle anderen Bauteile wurden 1732/1733 neu gebaut. In der Kirchenmauer ist der für die Gegend typische Lungstein verbaut.

Die im Zuge der Gebietsreform 1971 aus den Ortsteilen Stockheim und Glauberg entstandene Gemeinde Glauburg liegt am Ostrand der Wetterau. Das malerisch im Tal der Nidder gelegene Glauburg mit seinen 3.300 Einwohnern besitzt eine gute Infrastruktur. Die Menschen, geprägt von Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe finden neben der angenehmen Infrastruktur Kindergarten, Schule, Kinderspielplätze, zwei Sporthallen, drei Sportplätze, ein Dorfgemeinschaftshaus sowie die Lage in einer schönen Waldgegend. Die Gemeinde ist heute fast ausschließlich Arbeiterwohnsitzgemeinde mit Auspendelverkehr.

Der Ort heißt wie der Berg: „Glauberg“ Die Anhöhe mit ihrem ausgedehnten Hochplateau gab dem Dorf nicht nur den Namen, sie bescherte ihm Ruhm. Das müssen die Menschen geahnt haben, als sie die Erhebung dereinst be­nannten. Der Name leitet sich von „Glou­berc“ her. Das bedeutet „wachsamer, erfahre­ner, einsichtiger Berg“. Durch seinen menschliche Eigenschaften enthaltenden Namen wurde der Berg per­sonifiziert.

Das Dorf am Fuße des Berges tritt jetzt aus dem Schatten der ruhmreichen Ge­schichte der Anhöhe: Es feiert sein 1200­jähriges Bestehen. Eine fast 400 Seiten di­cke Festschrift würdigt die Vergangenheit des Dorfes ‑ und natürlich die des Berges.

Die sichere Ersterwähnung Glaubergs wird aufs Jahr 802 datiert. Als „Gloubero marca“ taucht der Ort erstmals im Codex Laures­hamensis auf. Es gab die Burg auf dem Berg und das Dorf an dessen Fuße. Der Ort wird später in Urkunden „Gloupurch“ genannt, die staufische Reichsburg „Glou­burg“.

Das Dorf hat keine aufregende Geschich­te. Anfang des 14. Jahrhunderts kam ihm auch noch ein Ereignis abhanden, das sich im Nachbarort zu einer Riesen‑Veranstal­tung entwickelte. Im Jahre 1327 wurde der „Herbe­gässer“ Markt nach Ortenberg verlegt. Das Städtchen erlangte damit überregio­nale Bedeutung: Der Ortenberger „Kalte Markt“ wurde daraus, der heute zigtausen­de Besucher lockt.

 

Dafür haben die Glau­berger ihren Berg. Dessen Geschichte hat die Bewohner des Dorfes schon immer stark beschäftigt, wie die Festschrift doku­mentiert. Da war Johannes May, „Schlos­serhannes“ genannt, der es im 19. Jahr­hundert als seine Lebensaufgabe betrach­tete, die Fachwelt auf den geschichtsträch­tigen Glauberg aufmerksam zu machen. In eine Karte hatte er ein Grab eingetra­gen, das er als Grab eines bei der Erstür­mung des Glaubergs gefallenen römischen Soldaten mißdeutete. Hätte Johannes May geahnt, welcher Sensationsfund sich dort verbirgt.....

Entdeckt wurde die Anlagen am Glauberg von dem Segelflieger Wilhelm Diebitsch und dem leider sehr früh verstorben Dr. Alois Clopczik. Beide waren Mitglieder des Heimatvereins und haben die kreisrunden Verfärbungen in einem Getreidefeld erstmals aus dem Flugzeug fotografiert und dokumentiert, an der Stelle, an der May dereinst das an­gebliche Römergrab in seine Karte eingezeichnet hatte. Werner Erk, der heutige Vorsit­zende des Heimat‑ und Geschichtsvereins, brach­te die Archäologen des hessischen Landes­amtes für Denkmalpflege auf die Spur des keltischen Fürstengrabes. In den fünf Jahren nach 1988 lieferte Erk dem Landesamt immer wieder Fotos. Im Jahre 1994 begannen die Ausgra­bungen. Das keltische Fürstengrab wurde zu Tage gefördert. Eine Entdeckung, durch die die Geschichte der Kelten in Hes­sen neu geschrieben werden muß.

 

Das „Hessel“:

Das Auengebiet „Hessel“ bietet wertvolles Grünland, ein engmaschiges Grabensystem damit auch einen natürlichen Hochwasserschutz. Im „Hessel“ finden viele Vogel- und Tierarten einen bedeutungsvollen Lebensraum. Mit gut begehbaren Wegen durchzogen, lädt das Gebiet zu entspannenden Spaziergängen ein. Auch bedingt durch den aktiven Naturschutz steigt die Artenvielfalt und von den Wegen aus lassen sich in den Schutzzonen unter anderem Enten, Gänse, Weißstorch, Biber und mit viel Glück auch die Sumpfschildkröte erspähen.        

 

Die Bonifatius-Route:

Die Bonifatius-Route führt auch durch die Gemarkung von Glauburg. Kleine Schilder mit dem Logo der Route weisen den Weg von Düdelsheim hinauf zum Glauberg, wo sich im Frühmittelalter eine wichtige Stätte des Frankenreiches befand.

 

Die Keltenradtour:

Streckenverlauf (Markierung Keltenrouten-Logo): Stockheim - Bleichenbach - Aulendiebach - (Dudenrod) - Büches - (Büdingen) - Düdelsheim - Glauberg - Stockheim.

Vom Bahnhof Stockheim fährt man links zum Bahnübergang, nach Überquerung der Gleise geradeaus, der Beschilderung der Keltenroute Richtung Bleichenbach folgend. Am Ortsrand von Bleichenbach muß man sich rechts halten, auf der Ortsdurchgangsstraße leicht bergauf bis die Route nach links Richtung Aulendiebach abbiegt. Nach der Ortsdurchfahrt Aulen­diebach kommt der Kreuzungspunkt der Keltenroute, von dem ein Stichweg zum Kulturhistorischen Rundweg nach Dudenrod führt. Die Rundroute führt nach Büches. Von dort führt ein weiterer Stichweg zur Stadt Büdingen mit großem Sandsteinbruch und historischer Altstadt. Von Büches führt die Keltenroute nach Düdelsheim und weiter auf den Glauberg mit dem archäologischen Park Glauberg und dem Fürstengrabhügel. Bergab geht es zum Ort Glauberg mit Keltenmuseum und dem Vulkanradweg, der zurück nach Stockheim führt. Entfernung und Dauer: 30 Kilometer mit Stichwegen. Etwa drei Stunden überwiegend leichte bis mäßige Höhenunterschiede auf guten Wegen.

 

 

Glauberg Keltenstätte

Neue Einblicke in die Welt der frühen Kelten gewähren die Ausgrabungen am Glauberg, die ein einmaliges Ensemble von Fürstensitz, Heiligtum und Grabmal enthüllen. Sie belegen, daß der Glauberg ein bedeutender Angelpunkt der frühkeltischen Kultur war.  Als Archäologen in den neunziger Jahren am hessischen Glauberg einen frühkeltischen Fürstengrabhügel aus dem 5. Jahrhundert vor Christus ausgruben, ahnten sie noch kaum, welch aufsehenerregende Entdeckungen sie machen würden. Sie gewährten ihnen hier, am Rande des eigentlichen frühkeltischen Ausbreitungsgebietes, ganz neue Einsichten in die Kultur der eisenzeitlichen Volksgruppe. Einzigartig sind die kostbaren Grabbeigaben, spektakulär die lebensgroße Statue eines keltischen Fürsten. Etwas Besonderes an diesem Fundort sind indes nicht allein die Funde selbst, sondern vor allem auch ihre Einbindung in Graben-Wall-Anlagen, die sich über Kilometer weit erstrecken.

 

Zugang:

Der Glauberg liegt etwa acht Kilometer westnordwestlich von Büdingen, sechs Kilometer ost­nordöstlich von Altenstadt. Nächste Autobahn‑Anschlußstelle A 45 ist die Ausfahrt Altenstadt, weiter auf der B 521 Richtung Büdingen, Abzweig bei Lindheim zum Ort Glauberg. Dort fährt man nahe dem südwestlichen Ortseingang auf der Düdelsheimer Straße (Schild „Ringwall Glauberg“) nach Südosten und auf dem befestigten Feldweg bis zum Parkplatz. Der Berg ist vom Parkplatz an seinem Südwestfuß am leichtesten zugänglich.

Wenn man mit der Bahn kommt, findet man gegenüber dem Bahnhofsgebäude in Stockheim eine Orientierungstafel. Von hier folgt man dem Zeichen weißer Kreis nach links, den Bahnschienen entlang bis zum zweiten Übergang. Hat man die Durchgangsstraße überquert, ist bald der Wald erreicht. Hier wurde ein Vogelschutzgebiet mit Nistkästen und Futterplätzen angelegt. Das Zeichen weißer Kreis bringt nicht nur hinauf zur Ringwallanlage, sondern führt auch auf dem Basaltplateau im Rundkurs durch die Anlage.

Der Glauberg liegt am Ortsrand der Wetterau, einer fruchtbaren bloßgedeckten Ebene im Zuge der deutschen Mittelgebirgsschwelle, zwischen den Gebirgen des Taunus und des Vogelsberges nördlich des Flusses Main. Der langgestreckte Höhenrücken des Glaubergs, ein letzter Basaltaus­läufer des Vogelsberges, erhebt sich über dem Zusammenfluß von Nidder und Seemen­bach. Durch seine natürliche Gestalt eignet er sich hervorragend zu Besiedlung und Befestigung.

Mit einer Höhe von 270 Meter über dem Meeresspiegel erhebt er sich um 150 Meter über die umgehenden Tallandschaften. Sein lang gestrecktes, fast ebenes Plateau mit 900 Meter Länge und  zwischen 80 und 180 Meter Breite und einer Fläche von 8 Hektar besitzt steil abfallende Hänge. Die Ringwallanlage hat beachtliche Ausmaße von 650 Meter Länge, 100 Meter Breite und 1650 Meter Umfang. Eine kleine Quelle in der westlichen Hälfte des Plateaus, ab der Bron­­zezeit zum Weiher erweitert, sichert weitgehend die Wasserver­sorgung.

 

Sage:

Vielfach wird von einem Schatz auf dem Glauberg erzählt. Einst soll die Bergfee den Schäfer Godebald gebeten haben, sie von einem Fluch zu erlösen. Dafür versprach sie ihm die kostbaren Schätze des Berges. Um Mitter­nacht des nächsten Tages sollte Godebald zu dem kleinen Weiher auf dem Hochplateau des Berges kommen. „Zunächst werde ich mein jetziges Aussehen haben, dann komme ich in einer häßlichen Gestalt, aber zum dritten Mal siehst Du mich als Schlange. Hast Du den Mut und die Kraft, mich jedesmal zu küssen, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich er­löst“, sagte die Bergfee. Godebald kam um Mitternacht zum Weiher ‑ und versagte. Kaum hatten seine Lippen die kalte Schlange berührt, durchzuckte ihn ein heftiges Schaudern und ein Schrei ent­fuhr ihm. Die Fee harrt noch immer auf ihren Erlöser, dem sie die Schätze des Glauberges vermachen kann.

Die „Schatzgeschichten“ lockten allerlei Abenteurer aus Nah und Fern auf den geheimnisvollen Berg. Das mag der Hinter­grund für neue Spukgeschichten gewesen sein, denen zufolge immer wieder fremd­artig gekleidete Männer dort oben auftau­chen, am Weiher lagern und in fremder Sprache miteinander reden. Man glaubt auch, es seien Geister der im Kampf um den Berg gefallenen Krieger von der Steinzeit bis zum Mittelalter.

Der Weiher wird in den Sagen als unendlich tief dargestellt. Bei dem Versuch, ihn zu ergründen, fallen Stangen ins Bodenlose. Wo sie versinken, steigen Blasen auf, die sich immer mehr vergrößern. In der Blase erscheint ein Ritter mit Har­nisch und Eisenhelm und warnend erho­benem Finger. Nur zweimal erscheint er einem Sterblichen. Wer zum dritten Mal nach dem Grund des Weihers forscht. den zieht er mit unheimlicher Gewalt in die bodenlose Tiefe.

 

Besiedlungsfolge:

Bei diesen Voraussetzungen wundert es nicht, daß der Berg von der Altsteinzeit (5. Jahrtausend vCh, Funde von Faustkeilen)  bis zum hohen Mittelalter im 13. Jahrhundert  immer wieder besiedelt wurde, in verschiedenen Zeiten auch befestigt war und eine zentrale Funktion für sein Umland hatte. Unzählige Generationen von Menschen lebten schon auf dem lang­gestreckten Plateau des Glaubergs: Die namen­losen Völker der Stein‑ und Bronzezeit errichte­ten hier ihre Siedlungen und hinterließen ihre Spuren. Die mächtigen Wälle der Befestigungen und Mauerreste der Häuser zeugen noch heute von ihnen. Ihnen folgten Kel­ten, Alamannen und Franken.

Am Anfang steht eine Siedlung der sogenannten „Rössener Kultur“ der Jungsteinzeit in der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends, von der Spuren locker über das ganze Plateau verteilt gefunden wurden. Es folgt ohne direkten Zusam­menhang in der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends (um das Jahr 4000)  eine intensive Besiedlung der gesamten Hochfläche durch die Michels­berger Kultur der Jüngeren Steinzeit. Ob diese Siedlung schon befestigt war, ist unbekannt, die Wälle und Gräben im Nordosten des Plateaus sind noch zu klären.

Eine erste Befestigung erfolgte in der jüngeren Urnenfelderzeit (nach 1000, sicher im 8. Jahrhundert vCh) am Ende der Bronzezeit in Form eines Ringabschnittswalles auf dem Plateau, dessen Verlauf auch in allen späteren Zeiten beibehalten wurde. Der gegen Nordosten gerichtete Abschnittswall ist an der Stelle über die Hochfläche gelegt, wo sie zum einen ihren höchsten Punkt erreicht, zum andern die Bergflanken steiler werden. Der östliche Teil des Plateaus blieb damit außerhalb der Befesti­gung, während im Westteil eine Randbefestigung, eine 2,50 Meter breite massive Trockenmauer aus plattigen Basaltsteinen auf die Hangkante gesetzt war. Das Baumaterial war wohl schon teilweise dem Gelände hinter der Mauer entnommen, wodurch ein Materialgraben entstand. Auch aus der späten Latène-Zeit im 2. bis 1. Jahrhundert vor Christus liegen Funde vor.

In römischer Zeit vom 1. bis 3. Jahrhundert nach Christus lag der Berg 5 Kilometer vom Limes und blieb unbesiedelt. Im 4. bis 5. Jahrhundert trug er dann eine alamannische Gauburg und bildete auch unter den Franken in merowingischer und karolingischer Zeit (vom 7. bis 10. Jahrhundert) einen bedeutenden Siedlungs- und Herrschaftsmittelpunkt.

Es handelt sich dabei nicht um eine kontinuierliche Besiedlung, sondern es lagen oft Jahrhunderte dazwischen, in denen der Berg wüst blieb. Immer wieder aber wurde er - sei es aus Grün­den der Wirtschaftsweise, zum Schutz oder zur Machtaus­übung - im Laufe der Jahrtausende aufgesucht und bildete dann den zentralen Ort für das Umland bis zum Fuß des Vogelsberges und weit in die Wetterau und Untermainebene hinein. So gibt seine „Schichtenfolge“ einen politischen Querschnitt durch die gesamte Siedlungsgeschichte der Wetterau. Damit stellt der Glauberg  das bedeu­tendste vor‑ und frühgeschichtliche Denkmal Hessens dar.

 

Grabungen:

Ältere Untersuchungen vor allem durch E. Anthes 1912/13 waren ohne rechtes Ergebnis geblieben waren. Großflächige Ausgrabungen auf dem Plateau führte in den Jahren zwischen 1933 und 1939 der damalige Denkmalpfleger für Oberhessen, Professor Dr. Heinrich Richter, durch. Die Grabungsunterlagen und Funde wurden jedoch während des Zweiten Weltkrieges weitgehend vernichtet. Die einzelnen Kulturschichten wurden 1933 bis 1939 freigelegt. Es konnten die Anfänge einer jungstein‑ und bronzezeitlichen Siedlung im dritten Jahrtausend vor Christus nachgewiesen werden, die Hallstattzeit, die Latène‑Zeit und die germanische bis hochmittelalterlichen Zeit. Herdstellen, Werkstätten und breite Tore wurden freigelegt. Auch die Burg wurde wei­ter erforscht. Der Berg wurde zu einem der besterforschten Denkmäler hessischer Vorzeit.

Das Landesamt für Denkmalpflege Hessen nahm die Forschungen 1985 wieder auf. Dabei gewannen die Archäologen zunächst Erkenntnisse zur Bauart der Befestigungmauern aus den verschiedenen Zeiten. Mitglieder des Heimatvereins Glauburg entdeckten bei der Er­kundung einzelner Wallabschnitte, die sich ver­schleift im Ackerland und zu Teilen im Wald erhalten haben, im südwestlichen Vorfeld des Berges Spuren, die bislang in keinen Zu­sammenhang gebracht werden konnten:  Während einer Befliegung im Jahre 1987 am Südhang des Berges entdeckten sie einen großen Kreisgraben von 70 Meter Durchmesser, der sich im Bewuchs abzeichne­te und in den folgenden Jahren mehrfach durch Bewuchs‑ und Bodenmerkmale aus der Luft dokumentiert werden konnte. Man vermutete schon damals, daß es sich um einen frühkeltischen Fürstengrabhügel handeln könnte.

Im Jahre 1994 begann das Landesamt für Denkmalpflege Hessen damit, an der Stelle eines kreisrunden Bodendenk­mals großflächig zu graben. Bereits nach kurzer Zeit wurde den Wissenschaftlern klar, welch einzigar­tige Entdeckung sie gemacht hatten: Zuta­ge kam ein Grabhügel mit einem Durch­messer von fast 50 Meter, der ursprüng­lich wohl sechs Meter hoch und von einem tiefen Graben umgeben war. Entdeckt wurde auch eine in der keltischen Welt bisher einzigartige, 250 Meter lange Prozessions­straße. Die im Innern des Hügels entdeckten Gräber zweier keltischer Fürsten aus dem 5. Jahrhundert vCh stießen sowohl in der Fachwelt als auch in der breiten Öf­fentlichkeit auf großes Interesse.

Grab 1 konnte 1994 im Block geborgen und zur weiteren Bearbeitung in die Restaurierungswerkstatt in Wiesbaden gebracht werden. Grab 2 folgte im Jahre 1995. Am 24. Juni 1996 schließlich wurde die steinerne Statue entdeckt und geborgen. Die weiträumigen Anlagen im Umland zu erforschen, war mit Ausgrabungen allein nicht möglich, das Gebiet ist zu groß. Genutzt wurde aber das Verfahren der geophysikalischen Prospektion: das Vorhaben gehört weltweit zu den größten dieser Art. 

 

Keltische Zeit:

Ihren stärksten Ausbau erhielten die Befestigungen in frühkeltischer Zeit, in der Späthallstatt‑ und Frühlatènezeit im 6./5. Jahrhundert vCh. Die älteste Befestigung war in Form einer ungewöhnlich star­ken Holz‑Stein‑Erde‑Mauer mit senkrechten Pfosten und Längs‑ und Querbindern gebaut. Sie war um die 7 Meter breit und ursprünglich 4 bis 5 Meter hoch. Dazu wurde der breite Material­graben ausgehoben.

Auf der gefährdeten Nordostseite wurde ein doppeltes Wall‑Graben‑System vorgelegt. Durch weit den Nordhang hinabziehende Annexwälle (im Westen einmal erneuert und vorgescho­ben) wurde im Winkel ein großes Wasserreservoir von etwa 150 Meter Länge und 60 Meter Breite eingeschlossen. Da für eine größere Anzahl von Bewohnern - man muß doch wohl mit einigen Tausend Menschen rechnen - der Weiher auf dem Plateau nicht für die Wasserversorgung ausreichte, mußte man hier am Quellhorizont das Wasser sichern. Von der Innenbebauung der Burg ist gar nichts bekannt. Wir wissen nicht, wie die Häuser im Einzelnen ausgesehen haben oder an welcher Stelle ein zu vermutender Fürstenhof gestanden hat.

Zwei Tore, über deren Gestaltung nichts bekannt ist, bildeten offenbar zu allen Zeiten den Zugang zum Bergplateau. Beide waren als sogenannte Tangentialtore erbaut, bei denen sich die Mauerenden etwas überschneiden, so daß das eigentliche Tor  - wahrscheinlich mit einem Torturm, -in einem Winkel lag und der Zugang gut zu überwachen war. An der Enzheimer Pforte im Südwesten - zu der ein alter Aufweg eine Annäherung entlang dem Wall von Osten her erzwingt  - ziehen die Wall-Enden leicht ein. Anders gebaut ist das mutmaßliche Haupttor, die Stockheimer Pforte in der Nordostecke. Hier biegt der bis zu zehn Meter hohe Abschnittswall kräftig ein, der Randwall führt nach einer Lücke versetzt weiter. Ein drittes Tor, die Glauberger Pforte nahe der Nordwestecke, wurde als einfacher Mauerdurchlaß erst im Zusammenhang mit der Besetzung des Berges durch die Alamannen angelegt.

In der Spätlatènezeit im 2./1. Jahrhundert vCh, als mit den „oppida“ die großen keltischen Stadtanlagen entstanden, scheint der Glauberg geringere Bedeutung besessen und zu den kleine­ren Anlagen gehört zu haben. Zumindest das Plateau selbst wurde aber durch eine neue Pfostenmauer befestigt.

 

Grabhügel und Prozessionsstraße:

Die Menschen auf dem Glauberg haben sich eine Kultstätte gebaut, die in dieser Form bisher noch nicht entdeckt worden war. Den Mittelpunkt bildete ein 50 Meter hoher Grabhügel,  300 Meter vom Bergplateau entfernt am Südabhang des Glaubergs gelegen.  Er hatte einen Durchmesser von 48 Metern. Er liegt innerhalb eines von Wällen und Gräben eingefaßten Geländes, bei dem es sich wahrscheinlich um eine große, sakrale Anlage handelt.

Im Südosten befindet sich ein Zugang, von dem aus eine beidseitig von Gräbern eingefaßte  350 Meter lange und zehn Me­ter breite Prozessionsstraße direkt auf einen Grabhügel zuführt

Sie verläuft südöstlich und verzweigt sich dann in zwei Richtungen. So etwas hat es auch bei den alten Ägyptern gegeben,  jedoch zu einer anderen Zeit und eben in einem völlig unterschiedlichen Kulturraum.

Entdeckt wurde auch ein Kreisgraben von 10 Meter Breite und bis 3,70 Meter Tiefe. Er umfaßte einen jetzt völlig vereb­neten Grabhügel von 48 Meter Durchmesser, der ursprünglich fünf bis sechs Meter hoch gewesen sein mag. Im Hügel lagen, 2,50 Meter bzw. 1,50 Meter eingetieft zwei Gräber mit fürstlichen Bestattungen, ein  Körpergrab und ein Brandgrab (siehe oben).

Der heilige Bezirk am Nordwestfuß des Grabhügels war zur Überraschung der Archäologen nicht regelmäßig. Er wurde im Osten durch einen mindestens 500 Me­ter langen Graben umgeben. Der mündete den östlichen Kreisgraben des Grabhügels. Innerhalb des heiligen Bezirks standen einst drei mächtige Pfosten. In diesem Bezirk wurde vermutlich Ahnenkult getrieben.

Durch geophysikalische Messungen sind im südlichen Vorfeld des Glaubergs weitere Gräben und Wälle in der Nach­barschaft der ehemaligen keltischen Pro­zessionsstraße gefunden worden. Sie er­strecken sich bis zu 700 Meter in Nord­-Süd‑Richtung und grenzen so das Gelände gegen Süden und Westen hin ab und umhegen einen Bereich von fast zwei Kilometer Länge und über ein Kilometer Breite.

Von der Südseite dieser Anlagen her führt - von Gräben begleitet - über 350 Meter Länge ein Zugang zu dem großen Fürstengrabhügel I, der in nur 300 Meter Entfernung unterhalb der Burg liegt. Die seitlichen Gräben dieses als Prozessionsstraße bezeichneten Zugangs münden in den Kreisgraben des Hügels ein.

Doppelt so groß war das Wall‑ und Graben‑System in Ost‑West-Richtung. Seine gesamte Größe ist nicht absehbar. Der westliche ist fast 900 Meter weit zu verfolgen und fällt zusammen mit einem mächtigen Wall‑Graben-­Abschnitt, der am Enzheimer Köpf­chen im Wald erhalten ist. Der östliche Graben ist auf über 700 Meter Länge festgestellt und hat eine Unterbre­chung, sein weiterer Verlauf ist noch unbekannt.

Die Anlagen bilden keine geschlossene Linie und haben größere Unterbrechungen. Dies zeigt, daß sie keine wehrtechnische Funktion hatten. Gegen eine solche spricht zudem der Umstand, daß die Gräben der Prozessionsstraße des Hügels 1 von ihnen ausgehen. Somit können sie auch nicht als Befestigung einer Außensiedlung der Burg auf dem Berg gelten. Ihre Bedeutung ist im sakralen Bereich zu suchen. Es ist zu vermuten, daß es sich um die Umhegung eines großen frühkeltischen Zentralheiligtums handelt, in das auch der Annexbereich im Norden des Berges einbezogen war. Solche zentralen Heiligtümer oder geweihten Orte sind in der antiken Literatur für keltische Stämme späterer Zeit erwähnt, nur ist ihr Aussehen nicht beschrieben.

Der Hügel mit seinem Kreisgraben ist eingebunden in Grabenwerke, die er zum Teil überlagert, die zum anderen von ihm ausgehen. Sie werden sämtlich mit den Bestattungsriten in Verbindung stehen und begrenzen einen „heiligen Bezirk“ am Nordwestfuß des Hügels, der wohl dem Ahnenkult diente. Sein Aussehen im Einzelnen ist unklar.

Archäologen entdeckten im Mai 1999 westlich neben der frü­heren Prozessionsstraße des kelti­schen Glauberg‑Heiligtums das Grab eines Ad­ligen. Zwei Jungunternehmer aus Bad Vilbel hatten 110 Hektar in der Umge­bung des Heiligtums geomagnetisch un­tersucht und dabei die Reste entdeckt. Das Grab lag im Zentrum eines 25 Meter durchmessenden und einst etwa vier Me­ter hohen Hügels. Ringsum zog sich ein 2,50 Meter breiter Graben. Nach der Ber­gung des Grabes werden die Experten di­verse dunkle Flecken untersuchen, die ringsum in der freigeschobenen Erdkru­me sichtbar sind. Es handelt sich laut Fritz‑Rudolf Hermann um steinzeitliche Abfallgruben. In einer wurde eine rund 7000jährige Scherbe aus der Rössener Kultur gefunden.

In neuerer Zeit wurden auf dem Glauberg entsprechend den Pfostenlöchern noch Pfosten aufgerichtet, die zu einem keltischen Sonnenheiligtum gehört haben könnten. Die Pfosten markieren nämlich die Punkte, an denen die Sonne zum Beispiel zur Sommer- und Wintersonnenwende aufgeht. Da war wichtig für eine agrarische Gesellschaft, für den Zeitpunkt von Saat und Ernte.

 

Der Fürstengrabhügel:          

Der Hügel war völlig verflacht, hatte einen Durchmesser von 48 Meter und war begrenzt durch den rund 10 Meter breiten, bis 3,70 Meter tiefen Kreisgraben. Seine ursprüngliche Höhe dürfte etwa sechs Meter betragen haben. Er enthielt drei Befunde: im Zentrum eine Grube, die keine Funde barg, im Nordwesten das als Hauptgrab anzusprechende Grab 1 und im Südosten an der Kreisgrabenlücke Grab 2.

Die nicht geschlossene Westseite bildet ein Grabenstück, das in den Kreisgraben einmündet und in das drei mächtige Pfosten eingesetzt sind. Am Grabenkopf waren eine 60- bis 70-jährige Frau mit einem Armring und ein Kleinkind bestattet. Auf der Ostseite bildet ein zweiperiodiger Graben den Abschluß, in dem entsprechend vor der Einmündung in den Kreisgraben drei große Pfosten stehen. Weitere Grabenzüge lassen einen nicht sehr umfangreichen freien Raum, ein Vierpfostenbau mit zwei Innenpfosten mag ein kleiner Tempel gewesen sein. Westlich außerhalb lag ein Grabenviereck mit 11 bis 12 Meter Seitenlängen, wohl ebenfalls eine sakrale Anlage, die allerdings keine Funde aufwies.

 

Grab 1:

Zunächst entdeckten die Fachleute im Nordosten des Hügels das Körpergrab eines Kelten. Es war 2,50 Meter unter die Oberfläche eingetieft. Es bestand aus einer vermutlich aus Eichenbrettern gezimmerten Kammer, die innen 2,25 mal 1,07 Meter maß und etwa 0,80 Meter hoch war und auf zwei Unterlegbalken aufsaß.

Hier war ein 29- bis 32jähriger Mann bestattet. Er befand sich in Rückenlage mit dem Kopf gen Südosten. Als Krieger kennzeichnen ihn Waffenbeigaben: ein Gürtel mit Eisenschwert und Bronzescheide, drei Lanzen, ein Köcher mit drei Pfeilen, ein hölzerner mit Leder überzogener Schild mit großem eisernem Schildbuckel und eisernen Randbeschlägen.

Als herausragende Persönlichkeit kennzeichnen ihn Goldschmuck - zwei Ohrringe, ein Armring, ein Fingerring und ein prächtiger verzierter Halsring. Die Form des geschlossenen Halsrings entspricht nicht dem typi­schen Torques: offener Halsring mit zwei verdickten Enden wie etwa bei der berühm­ten Skulptur des Sterbenden Galliers.

Der Ringkörper des reichverzierten goldenen Armrings  ist aus zehn stilisierten Menschenköpfen mit großen Augen gebildet, die Scheitel auf Scheitel und Hals auf Hals aneinandergereiht sind. Daran hängen drei knospenförmige Zierstücke (Baluster) und zwischen ihnen Palmetten, in die jeweils zwei heraldische Vögel einbeschrieben sind. Die Zierzone ist durch Perldrähte begrenzt und in den Zwickeln stehen zwei kleine Menschenfiguren mit übertrieben großen Köpfen. Sie erinnern an die keltische Vorstellung vom Kopf als Zentrum des Lebens.

Die Köpfe könnten aber auch die Machtstellung und Kriegernatur des Mannes unterstreichen, wissen wir doch, daß die Kelten ihren Fein­den die Köpfe abschlugen und diejenigen be­rühm­ter Gegner sogar einbalsamierten und sorgfältig aufbewahrten.

Schließlich stand am Kopfende eine der bei den Kelten äußerst beliebten bronzenen Schna­belkannen mit profiliertem Körper und einmaligem Figurenschmuck. Neben eingeritzten Verzierungen am Kannenkörper und dem Schnabel und der herzförmig gestalteten unteren Henkeltasche ist vor allem der plastische Schmuck auf dem Kannenrand bemerkenswert, darunter besonders eine Figurengruppe mit männlicher Mittelfigur zwischen zwei rückblickenden Sphingen, Fabelwesen mit Raubtierkörpern, Klauen und menschlichen Gesichtern. Die nur 42 Millimeter hohe Mittelfigur ist im sogenannten Schneidersitz dargestellt: sie ist damit das älteste Beispiel für die Sitzhaltung keltischer Götter oder Heroen, die bis jetzt erst aus späterer Zeit bekannt gewesen ist. Der jugendliche Mann ist mit einem Kompositpanzer bekleidet, dessen Schulterklappen auf der Brust über Kreuz befestigt sind. Darunter trägt er ein Gewand mit halblangen Ärmeln und eine kurze Hose, die Füße sind nackt. Die Vor­bilder für diese Kannen  stammen aus Etru­rien. Vor allem an der Kanne, aber auch an anderen Gegenständen war zu beobachten, daß die Beigaben einzeln in Stoffe, Felle oder Leder eingehüllt waren.

Der Tote wurde gleichsam in seinem Ornat bestattet, der seinen gesellschaftlichen Rang als einer der Ersten dokumentiert. Solche Männer, die auch Kontakte zu den Kulturen des Mittelmeerraumes unterhielten, bezeichnet die Forschung als „Fürsten“. Er trug einen mit Nieten beschlagenen Gürtel, der einen Gürtelhaken mit kästchenförmigem Beschläg und Hohlringe mit kleinen Bronzekettchen besitzt. Drei Fibeln (schmückende Nadeln, mit denen Kleidung zusammengehalten wird) waren abseits niedergelegt: zwei Vogelkopffibeln und eine Prunk­fibeI mit tiergestaltigem Körper. Dabei war auch ein Bronze­arm­ring, zwei weitere lagen im Beckenbereich. Die Funktion anderer Eisengegenstände -  darunter sechs Tüllenspitzen von dünnen, etwa 1,50 Meter langen Holzstäben - ist noch nicht gedeutet.

 

Grab 2:

Das Grab im Südwesten des Hügels war etwa 1,40 Meter eingetieft und  war ein Brandgrab.

Sein Inhalt wurde in einem flachen trogartigen Holzbehältnis von 1,30 mal 0,60 Meter Größe geborgen und war wohl mit Stoffen oder Fellen (Leder) abgedeckt.

Bestattet war wiederum ein Krieger mit Eisenschwert mit Schwertscheide in bronzenem Ortband und drei eisernen Lanzen- beziehungsweise Pfeilspitzen. Eine Messer- oder eine Lanzenspitze lag auf der Scheide des Schwerts­. Auch dieser Krieger trug einen mit Nieten besetzten Gürtel mit tiergestaltigem Gürtelhaken, zwei Gegenbeschlägen, Hohlringen und Bronzekettchen. Weitere Beigaben sind eine Fibel und zwei Gruppen von je fünf Bronzebuckeln und einem Stäbchen, die vielleicht vom Schuhbesatz stammen. Einzige Gefäßbeigabe war eine keltische bronzene Röhrenkanne mit rückblickendem, geflügeltem Fabelwesen als Deckeltier. Der Tote in dem Grab hatte nicht so wertvolle Stücke dabei, doch auch dieser Mann muß eine hochstehende Person gewesen sein ‑ abgesehen davon, daß auch er in dem Grabhügel bestattet war.

 

 

 Bedeutung der Funde:

Unter den Beigaben aus Gold und Bronze sind einmalige Zeugnisse frühkeltischen Kunsthandwerkes des 5. Jahrhunderts vor Christus, augenscheinlich Auftragsarbeiten der Fürsten, die spezialisierte Handwerker fertigten. Dazu gehört der reichverzierte goldene Armring des Fürsten in Grab 1. Ebenso ungewöhnlich ist die bronzene keltische Schnabelkanne aus Grab 1. Sie ist eine von nur sechs bekannten Kannen, die einheimische Handwerker nach etruskischen Vorbildern eigenständig schufen.

Sowohl die Rüstung mit einem Kompositpanzer wie auch die kurze Haartracht mit Buckel­löckchen weisen auf Vorbilder im Mittelmeergebiet aus dem späten 6. und dem frühen 5. Jahrhundert vor Christus hin. Die schnelle Übernahme solcher Moden durch die führende Schicht ganz im Norden der frühkeltischen Welt macht deutlich, daß ein viel engerer Kontakt zu den Hochkulturen in Griechenland und Etrurien bestand, als bisher angenommen werden konnte.

Auch die Röhrenkanne aus Grab 2 mit ihrem Deckeltier und ihrem über und über mit geometrischen und freien Motiven verzierten Körper findet in der gesamten keltischen Welt nur fünf Vergleichsstücke, die gleichermaßen aus reich ausgestatteten Fürstengräbern stammen.

Ein Einzelstück ist ebenfalls der bronzene Gürtelhaken aus Grab 2. Er ist aus zwei sich spiegelbildlich gegenüberstehenden Fabelwesen gestaltet und endet in einem Menschenkopf. Diese Kombination von Fabeltieren und Menschen erscheint immer wieder, am Glauberg zum Beispiel auch in der Figurengruppe auf der Schnabelkanne.

 

Statuen:

Die Sen­sation war perfekt, als die Ausgräber 1996 dann am Rand des Grabhügels im Nordwesten eine hervor­ragend erhaltene, genau 1,86 Meter große und 230 Kilogramm schwere Sandsteinskulptur eines Krie­gers freilegten, dem nur die Füße fehlen. Außerdem fanden sich noch 130 wei­tere Sandsteinfragmente, die mindestens drei ähnlichen Statuen zuzuordnen sind, alle aus vermutlich einheimi­schem Sandstein und ebenfalls etwa 2500 Jahre alt. Alle vier Stelen gleichen sich untereinander. Sie stellen mit Panzer, Schwert und Schild gewappnete Krieger dar. Auf dem Kopf tragen sie als Zeichen ihrer Würde eine sogenannte „Blattkrone“, wie sie auch bei früheren Grabungen in dem von Kelten besiedelten europäischen Raum bereits nachgewiesen sind.

Den Kopf der dritten Kelten­-Statue aus Sandstein be­steht aus weißlichem Sandstein und ge­hörte vermutlich zu einer lebensgroßen Statue. Der neu gefundene Kopf ist noch 26 Zentimeter hoch und von der Stirn bis zum Hals erhalten. Er ist rundum abge­schla­gen, das Hinterhaupt fehlt ganz. Gut erhalten ist das Gesicht mit großen, weit auseinanderstehenden Augen. Dazu ein Oberlippen‑ und Kinnbart rund um die herabgezogenen Mundwinkel. Auch diese Statue muß einen Hals­ring mit knospenförmigen Zierstücken und auf dem Kopf eine Blattkrone getra­gen haben. Die Statue hat sicher einen gepanzerten, mit Schwert und Schild be­waffneten Krieger dargestellt, versehen mit den Insignien seiner Macht.

Wo die Statuen ursprünglich ihren Standort hatten, wird für immer ein Rätsel bleiben. Die Forscher vermuten nach neuesten Erkenntnissen, daß sie die Prozessionsstraße säumten, die von Südosten kommend, auf den Grabhügel hinführt. Sie könnten aber auch im nordwestlichen sakralen Bezirk gestanden haben, in dem auch ein Tempel vermutet wird. Die Tatsache, daß die Statue liegend gefunden wurde, könnte dadurch eine Erklärung finden, daß die Kelten sie zu einem späteren Zeitpunkt bei einem eventuellen fluchtartigen Verlassen des Glaubergs vor  herannahenden  Feinden in Sicherheit bringen wollten.

Die Entdeckung dieses einmaligen En­sembles aus dem fünften Jahrhundert vor Christus ‑ zwei frühkeltische „Prunk‑„ oder „Fürstengräber“ mit zugehörigen le­bensgroßen Skulpturen ‑ war eine Stern­stunde der frühgeschichtlichen Archäolo­gie.

 

Keltenfürst:

Schlagzeilen machte das Glauberger Keltenheiligtum, als man dort 1996 die fast komplet­te Sandsteinstatue eines keltischen Fürsten aus rötlichem Sandstein fand (Spitzname: Kel­tix). Die Großplastik aus der Zeit um 500 vor Christus ist tadellos erhalten, lediglich die Füße fehlen. Die Fundstelle im nordwestlichen Graben war noch außerhalb des Kreisgrabens, der den Grabhügel umschließt -  und zwar in einem vom Kreisgraben ausgehenden Grabenansatz, knapp vor der Einmündung in den Kreisgraben. In etwa zwei Meter Tiefe war die mannshohe, vollplastische Statue eines frühkeltischen Fürsten aus einheimischem Sandstein niedergelegt. Sie war 1,86 Meter groß und etwa 230 Kilogramm schwer.

Dargestellt ist ein Krieger, gewappnet mit einem Kompositpanzer aus Leder oder Leinen, mit einem Schild mit eisernem Schildbuckel und Randbeschlägen und mit einem Schwert an der rechten Seite. Die Form des Panzers, der auf Vorbilder aus dem Mittelmeerraum zurückgeht, zeigt mit einem breiten, ebenfalls blattverzierten Rückenteil eine keltische Sonderform, die gleichermaßen an der Figur der Schnabelkanne aus Grab 1 vorhanden ist. Noch ausgeprägter taucht diese Form bei wahrscheinlich etwas jüngeren Beispielen aus dem südfranzösischen Raum auf.

Auf dem Kopf trägt der Fürst eine so genannte „Blattkrone“, die offenbar aus einer enganliegenden, mit blattförmigen Motiven verzierten Haube (oder Kappe) besteht. An beiden Seiten

Sind  zwei auffällige blattförmige Absätzen (fischblasen- oder mistelblattförmig), die ein wenig an die Ohren von Walt Dis­neys Zeichentrickfigur Mickymaus erin­nern. Die Archäologen meinten zunächst, hier handele es sich um Nachbildungen des Mistelblattes. Die­se Art der Kopfbedeckung war ausschließlich für Götter reserviert gewesen. Später hat man jedoch zunächst wenig beachtete Grabeigaben anders gedeutet und eine andere Art der Verwendung gefunden: Ein Stück starker Draht war gebogen wie die Halterung einer Haube. Dazu paßten die Lederreste, die man gefunden hatte: das Leder war der Überzug über dem Draht, so daß eine Haube entstand. Solche Hauben kannte man schon von anderen Darstellungen, jetzt war der archäologische Befund da. Das bärtige Gesicht ist stilisiert.

Als Schmuck, sicher zugleich Würdeabzeichen, trägt der Fürst einen Halsring mit drei Balustern, dazu Armring und Fingerringe an der rechten Hand und drei Oberarmringe am linken Arm.

Arme und Beine sind nackt, sofern nicht weitere Bekleidung durch Bemalung angegeben war, von der man aber  keine Spuren mehr feststellen konnte. Die sorgfältig ausgearbeitete, kräftige Beinpartie steht im Kontrast zum eher sehmächtigen Oberkörper. Die Beine sind etwas überproportioniert. Schließlich stand der Fürst ohne weitere Stüt­ze auf eigenen Füßen. Das hätten die Griechen auch gekonnt,  die Römer jedoch nicht mehr, die brauchten immer eine Stütze für ihre Standbilder. Der Künstler hat nicht nur einfache Beinsäulen geschaffen, sondern auch Muskeln, Schienbein und die Knie sichtbar werden lassen. Bei längerem Ansehen erkennt man sogar ein  „Spiel‑ und Standbein“.

Wahrscheinlich, hat der steinerne Fürst auf einem Sockel ge­standen und wurde dann irgendwann ein­mal wieder heruntergeholt und sorgfältig in die Erde gelegt. Seinen Nachfahren war dabei wohl der Sockel zu schwer, so daß sie die Statue an den Füßen abbra­chen. Lange kann der Fürst nicht gestan­den haben, dafür ist die Plastik in zu gutem Zustand. Wo sie genau ge­stan­den hat, direkt auf dem Hügel bei Glauburg oder in dessen unmittelbarer Nähe, steht noch nicht fest.

 

Bedeutung des Fürsten:

Die Statue vorn Glauberg aus der frühen Latène-Zeit steht in einer Tradition, deren erstes Beispiel der Krieger von Hirschlanden ist. Dieser stammt aus der späten Hallstattzeit. 6. Jahrhundert vor Christus, und er ist die älteste etwa lebensgroße steinerne Menschenfigur nördlich der Alpen. Die Vorbilder sind nicht direkt in der griechischen Großplastik zu suchen, sondern finden sich im etruskischen und mittelitalischen/adriatischen Raum. In ihrem Umfeld ist die Glauberger Sandsteinstatue eines Herrschers als vollplastisches, freistehendes Bildwerk einzigartig. Unter Darstellungen aus etwa der gleichen Zeit finden sich allenfalls blockartige Sitzstatuen oder Pfeilerdenkmäler mit menschlichen Attributen (so in Holzgerlingen, Malden­buch, Pfalzfeld, Heidelberg). Sie dürfte zweifellos als idealisierte Figur, als Standbild eines Gottes oder einer vergöttlichten Person zu deuten sein. Ob indes jemals im einzelnen Klarheit zu gewinnen ist, bleibt vorerst offen.

Auffallend ist die verblüffend ähnliche Ausstattung der Statue und des Toten aus Grab 1. Dennoch ist sie aber nicht einfach ein Abbild des in diesem Grab Bestatteten. Sie war nämlich nicht die einzige Statue, die hier am Glauberg aufgestellt war.

Es war ein reicher Toter, der vor etwa 2500 Jahren in einem pompösen Grabhügel neben dem keltischen Heiligtum auf dem Glauberg bestattet wurde. Die Ausstattung entspricht in großen Teilen der des Toten aus Körpergrab des Fürstengrabhügels. Der keltische Fürst ist in vollem Prunk abgebildet worden: Er trägt einen Panzer, der große Ähnlichkei­ten aufweist mit denen, die im Osten Griechen­lands ein Jahrhundert zuvor schon getra­gen wurden. Für die Forscher ist das ein Beleg dafür, wie schnell Kulturwissen auch in dieser Zeit schon ausgetauscht wurde.

Von herausragender Bedeutung ist schließlich die Skulptur für die Entwicklung und Eigenart keltischer Großplastik in Europa wie auch im Blick auf den „Fürsten“ im Grab. Vergleicht man nämlich Skulptur und Grabfunde, so zeigen sich eindeutige Parallelen: Schwert und Schild, Fingerring und Armreif sowie der Halsring mit den drei Anhängern. Ob die Ohrringe einst ge­malt waren, bleibt offen.  Sicher ist jedoch, daß die Statue des Fürsten farblich gefaßt war.  Die Vorbilder dafür tauchen in der antiken Welt im sechsten vorchristlichen Jahrhundert auf. Der Schluß also liegt nahe, in der Statue ein Abbild des toten „Fürsten“ mit Blattkrone und enganliegender, floral gestalteter Kappe zu erkennen. Er stand mit den anderen, in Fragmenten nachgewiesenen Statuen vermutlich am Rande des Grabhügels und markierte die­sen „heiligen Ort“ der, vergleichbar medi­terranen Vorbildern, vielleicht auch dem Ahnen‑ oder Heroenkult diente.

Der Bildhauer der Statue war ein mei­sterhafter Könner. Herausgearbeitet wurden nämlich nicht nur einzelne Strukturen der Kleidung und des Schmucks, sondern auch einzelne Körperpartien. So hat der Fürst ein mäch­tiges, stark stilisiertes Kinn, für die Kel­ten der Sitz der Macht und der Männlich­keit, aber auch eine im Vergleich dazu zwar recht zierliche Hand, bei der aber je­der Finger aus dem Stein herausragt.

Eine andere Auffassung ist jedoch: Daß aber griechische Könige (Kyroi) für die Glauberg‑ Skulpturen und andere direkte Vorbil­der waren, muß verneint werden. Mit ihrer parallelen Beinstellung, den Attributen und der charak­teristischen Armhaltung wird man eher im Fundus der italischen Pla­stik suchen. Und hier gibt es schlagende Beispiele: zwei Jünglingsfiguren aus Casale Marittimo und den „Krieger von Capestra­no“.

Auf dem Berg residierte ein mächtiger Fürst. Nach sei­nem Tode wurde er in einen mächtigen Grabhügel an exponierter Stelle gebettet. Sein Grab wurde zum Heiligtum, zur Kult­stätte. „Vermutlicherweise handelt es sich um ein großes frühkeltisches Heiligtum, ein kultisches Zentrum für ein weites Um­land, eine Stätte der Ahnenverehrung ebenso wie vielleicht den Platz von Wett­kämpfen und Festspielen“, schreibt der frühere Landesarchäologe Fritz‑Rudolf Herrmann in seinem zentralen Beitrag.

Die Kelten errichteten auf dem Glauberg ihre Regierungszentra­le für einen bedeutenden mittelhessischen Raum. Die damaligen Bewohner des Rhein‑Main‑Gebietes wa­ren verpflichtet, für den Fürsten Waren herzustellen und ihm zu dienen. Die Funde sind ein Beweis, daß die Kelten viel weiter nach Norden gekommen sind als bisher vermutet. Die Statue belegt allerdings, daß sie auch in Hessen richtig gelebt, gewohnt und ihre Kultur mitgebracht haben. Nach Ergebnissen von naturwis­sen­schaft­lichen Untersuchungen könnte ihr Herrschaftsgebiet einen Bereich von 80 ‑  100 Kilometer um den Berg eingenommen und vom Fulda­-Werra‑ Berg­­land bis zum Neckar, vom Rhein bis zum Thüringer Wald gereicht haben.

Die Fürsten auf dem Glauberg herrschten hier nur kurze Zeit, vielleicht nur über eine oder zwei Generationen. Woher ihr Reichtum stammte ist im Einzelnen nicht geklärt. Zum Teil hatten sie ihren Wohlstand sicher erworben, indem sie Salz gewannen und damit handelten. In nur 20 Kilometer Entfernung vom Glauberg liegen die Solequellen von Bad Nauheim. Diese wurden vor allem in spätkeltischer Zeit zur Salzgewinnung genutzt - hier lag damals eines der grüßten „Industriegebiete“ Europas. Es gibt Hinweise dafür, daß diese Salinen auch schon in frühkeltischer Zeit in Betrieb waren.

Wie groß das Herrschaftsgebiet der Kettenfürsten vom Glauberg war, können wir nur aus naturwissenschaftlichen Untersuchungen schließen. In den Bronzekannen, die den toten Fürsten als Grabbeigabe mitgegeben waren, fanden sich Spuren des ehemaligen Inhaltes: Honigwein (Met). In den Resten waren Pollen der Blütenpflanzen erhalten, aus denen der Honig für den Met gesammelt worden war. Es war kein Trachthonig aus dem Gebiet unmittelbar um den Glauberg verwendet worden, sondern ein Mischhonig von Pflanzen, deren natürliche Wuchsräume weit entfernt lagen. Dürfen wir dies als Anhaltspunkt für das Herrschaftsgebiet der Keltenfürsten vom Glauberg nehmen, so erstreckte es sich vom Rhein bis zum Thüringer Wald, vom Fulda-Werra-Bergland südlich der Weser bis zum Neckar und vom Lahntal bis zur Marktheidenfelder Platte westlich von Würzburg.

 

Allen Erkenntnissen zufolge erweist sich der Glauberg trotz seiner Randlage zum Kerngebiet der frühen Kelten als zentraler Punkt in der frühkeltischen Welt des 5. Jahrhunderts vor Christus. Zu den antiken Kulturen des Mittelmeerraumes bestanden offenbar enge Kontakte. und die Bedeutung des Glaubergs als politischer und religiöser Mittelpunkt ging weit über die Region hinaus (Dr. Fritz-Rudolf Herrmann).

Fritz‑Rudolf Herrmann, Ex‑Landes­denkmalpfleger und Entdecker des Kelten­fürsten, sagt: „Der Glauberg hat uns völlig neue Welten eröffnet.“ Aufgrund des Grab­hügels, des Prozessionsweges, des Be­reichs der Helden, des Heroen, und der kultischen Tiersymbolik auf den Gefäßen ‑ so steht der Widder für den durch Aste­rix populär gewordenen Gott Teutates ‑ ist Hermann der Auffassung, daß der Fund ein frühkeltisches Heiligtum dar­stellt, und er geht so weit zu sagen, daß dieses in seiner Bedeutung fast dem grie­chischen Olympia entsprechen könnte.

Der Fund des Fürstengrabes mit der Sandsteinstatue hat dafür ge­sorgt, daß die Geschichte der Kelten in Hessen neu geschrieben werden muß. Bis dahin galten Relikte aus der Römerzeit als wichtigste archäologische Zeugnisse unse­res Landes. Die keltischen Funde sind ein „Beleg für einen hohen zivilisatori­schen Stand eines Volkes, dessen Spuren man zwar auch in Hessen verfolgen konn­te, dessen Gewicht und historische Bedeu­tung in der europäischen Keltengeschich­te bisher nicht bekannt war.

Bilder im Führungsblatt „Glauberg“:

Titelbild: Der Glauberg von Nordosten. In der Bildmitte das freie Plateau, dessen Randbegrenzung und damit der Wallverlauf durch die Bewaldung angegeben ist. Vom vorderen Ende zieht nach rechts (Nordwesten) hin der baumbestandene östliche Schenkel des Annexwalles, hinunter zu dem Wäldchen, in dem die Welschlache liegt. Von dort nach oben (Südsüdwesten) verläuft baumbestanden bis zum Bergfuß der westliche Wallschenkel: parallel hinter ihm buschbewachsen der ältere Zug des Walles. Im Hintergrund der bewaldete Enzheimer Kopf. Das dort liegende Wallstück beginnt links der kleinen Lichtung im Wald.

 

Blick über den Ostteil der Hochfläche des Glaubergs in der Mitte der dreißiger Jahre. Der vorher bewaldete Berg war für die Ausgrabungen freigeschlagen worden. Im Hintergrund sieht man den mächtigen Abschnittswall mit der Stockhei­mer Pforte am linken Ende, rechts den südlichen und links den nördlichen Rand­wall. Auf diesem ist teilweise die spätkaiserzeitliche, alamannische Mauer freige­legt. Davor liegen, in den Materialgraben hineingebaut, die steinernen Kellerfun­damente von Fachwerkhäusern des Hochmittelalters. Standort etwa in Höhe des Weihers von Südwesten.

 

Plan des Glaubergs im Maß­stab 1:5000, aufgenommen durch Vermessungs-Referent Mäser, Hessisches Landesvermessungsamt, An­fang der dreißiger Jahre, vor Beginn der Ausgrabungen. Von dem Plan, den auch Rich­ter 1934 einfarbig und verklei­nert wiedergibt, wurden zwei­farbige Drucke (Höhenlinien braun, sonst schwarz) ange­fertigt. Trotz einiger Unstim­migkeiten im Bereich der Vor­wälle im Nordosten und an der Enzheimer Pforte, die weitge­hend fehlen (vgl. die Über­sichtskarte), sowie dem nur als Böschung angegebenen älte­ren westlichen Annexwall, bie­tet der Plan in seiner Darstel­lung einen hervorragenden Überblick über die Topogra­phie des Berges und die Be­festigungsanlagen. Er ist des­halb, da eine Neuvermessung noch aussteht, hier unverän­dert übernommen, wobei ver­sucht wurde, durch andere farbliche Gestaltung die Wehr­anlagen deutlicher werden zu lassen.

 

Plan des Glaubergplateaus nach den Grabungen bis 1939. Die Vermessung zeigt die Wälle durch Höhenlinien und Schraffen, die Suchschnitte und Grabungsflächen H. Richters mit gestrichelten Linien, und die aufgedeckten steinernen Baubefunde des Innenraumes der Befestigung. Diese sind heute, wenn auch teils zerfallen und überwuchert, im Gelände noch deutlich vorhanden und, dank der Pflege durch den Heimatverein Glauberg, teilweise restauriert und anschaulich sichtbar.

Naturgemäß kommen, da nur Steinbauten verzeichnet sind, keinerlei vorge­schichtlichen Befunde und auch keine Holzbauten aus jüngeren Perioden ‑ für die überdies Unterlagen weitgehend fehlen ‑ zur Darstellung, sondern es handelt sich durchgehend um Baulichkeiten ab dem 4. Jahrhundert nCh.

In die Spätkaiserzeit/Völkerwanderungszeit im 4. und 5. Jahrhundert, also zur alamannischen Burg, gehören die beiden quer über das Plateau ziehenden Trennmauern, von denen die westliche im Norden neben der Glauberger Pforte an den Randwall stößt; dieses dritte Tor der Glaubergwälle ist erst in dieser Zeit angelegt worden.

Die Bauten im Südwesten hinter der Enzheimer Pforte mit dem Kammertor werden der Spätmerowinger und der Karolingerzeit vom 7. ‑ 9. Jahrhundert zugewiesen und zu einem kleinen fränkischen Kastell ergänzt. Sämtliche anderen Hausgrund­risse stammen aus dem Hochmittelalter im 12. und 13. Jahrhundert, so auch der runde steingemauerte Brunnen im Südosten. In den großen Abschnittswall, den eine hier nicht eingetragene gleichzeitige starke Mörtelmauer krönt, ist ein Burg­gebäude der staufischen Reichsburg Glauburg eingebaut. Seitenlänge der Qua­drate des Gitternetzes 50 Meter.

 

Grabungsschnitt durch den südlichen Randwall mit den freigelegten Konstruk­tionsresten (Steinreihen entlang den Längs‑ und Querbalken als Binder zwischen den Pfosten der Vorder‑ und Rückfront) der Befestigungsmauer der Späthallstatt­- und Frühlatènezeit (6./5. Jahrhundert vCh). Von der Innenseite, von Westen.

 

Schnitt durch den Abschnittswall mit der in einem längeren Abschnitt aufgedeckten Innenfront der mittelalterlichen Mörtelmauer auf der Krone (12./13. Jahrhundert), eingetieft in den Schutt der spätkaiserzeitlichen Mauer (4./5. Jahrhundert). Dahin­ter die Innenfront der Spätlatène­mauer (2./1. Jahrhundert vCh) v on Süden.

 

Blick von innen auf die freigelegten Mauern der fränkischen Befestigung (spätes 7. / 8. Jahrhundert) an der Enzheimer Pforte mit dem Enzheimer Kopf im Hinter­grund. Im Bildmittelgrund die Fundamente des Torturms, dahinter, von außen heranführend, die Torgasse. Im Vordergrund die Mauer einer Innenteilung der Anlage von Nordosten.

 

Fränkische Zeit:

In der Römerzeit war der Glauberg - nur 5 Kilometer vor dem Limes mit dem Kastell Altenstadt - nicht besiedelt, wenn auch einige römische Funde von ihm vorliegen. Einige Jahrzehnte nach dem Fall des Limes um 260 nCh wurde der Berg von den Alamannen in Besitz genommen und in der späten Kaiserzeit (4. / 5. Jahrhundert) zu einem starken Stützpunkt, einer „Gauburg“ als Sitz eines Stammesfürsten ausgebaut, die sicher in den Kämpfen mit den Römern im 4. Jahrhundert eine Rolle spielte und bis um 500 bestand (Sieg des Frankenkönigs Chlodwig über die Alamannen). Das Bergplateau wurde mit einer 1,50 Meter starken Trockenmauer, einer Schalenmauer aus Basaltblöcken befestigt, die auf die zerfallenen Ring­mauern der älteren Perioden gesetzt war. Der Innenraum war durch zwei Quermauern dreigeteilt und dichtbesiedelt, zahlreiche Funde zeugen u. a. von Handwerksbetrieben.

Wieder befestigt wurde der Berg in spätfränkisch/frühkarolingischer Zeit (spätes 7. / 8. Jahrhundert), wobei die bekannten Überreste (Tor und Mau­ern eines kleinen „Kastells“ im Südwesten hinter der Enzheimer Pforte) kaum der anzunehmenden Bedeutung der Anlage gerecht werden. Zu­mindest der Abschnittswall sollte in dieser Zeit ausgebaut worden sein und hier eine der großen Burgen gelegen haben, die von der fränkischen Reichsgewalt erbaut worden sind.

 

Mittelalterliche Burg:

Seine letzte Blüte erlebte er im Hochmittelalter, als auf ihm eine kleine staufische Reichsburg erbaut wurde: zu dieser Zeit, im 13. Jahrhundert, war auch das gesamte Bergplateau letztmals besiedelt. Von späterer Nutzung bis in die Neuzeit zeugen die Reste von Weinbergterrassen, die den gesamten Südhang des Berges überziehen und bis in die älteren Randbefestigungen an der Plateaukante reichen.

Die letzte Befestigung auf dem Glauberg war die staufische Reichsburg Glauburg, die nur zweimal, 1247 und 1258, urkundlich erwähnt ist und offenbar bald darauf zerstört wurde. Sie lag angelehnt an den großen Abschnittswall, in dessen Krone eine starke Mörtelmauer als östliche Burgmauer eingetieft ist. Ihre genaue Größe ist unbekannt, ein Burgge­bäude mit romanischem Torbogen ist am Fuß des Walles restauriert.

Über das gesamte Plateau erstreckte sich eine Siedlung des 12. / 13. Jahrhunderts, von der heute mit restauriertem Brun­nen und zahlreichen Hausfundamenten die meisten Spuren zu sehen sind. Es waren Ritter aus den umliegenden Orten Glauburg, Düdels­heim und Rohrbach, die im 13. Jahrhun­dert versuchten, auf dem Glauberg zu sie­deln. Die Herren von Ysenburg in der nahen Stadt Büdingen hatten wohl etwas dage­gen, daß auf dem Glauberg Konkurrenz heranwuchs: Die Burg wurde rasch wieder zerstört, so rasch, daß die Ritter auf dem Glauberg gar keine Zeit hatten, sich häus­lich einzurichten. Jedenfalls wurde bei Ausgrabungen außer Mauerresten nichts gefunden.

Es gibt keine Urkunden darüber, daß die Büdinger die Burg am Glauberg zer­störten und auch sonst keine Belege. Aber Emma Kauschat weiß von Sagen zu berich­ten, die das erzählen. Die 80‑Jährige ist so­ etwas wie das personifizierte Gedächtnis der Glauberger. Sie hat das Büchlein Ge­schichten und Sagen um den Glauberg verfaßt. In den Sagen ist laut Kauschat davon die Rede, daß die von den Ysenbur­gern geschlagenen Ritter vom Glauberg, ihre Frauen und Kinder auf dem Rücken schleppend, nach Frankfurt flüchteten.

Münzen und Keramik deuten auf das Ende der Siedlung  im dreizehnten Jahrhundert hin. In der Sage jedoch lebt die Siedlung als Stadt und Burg weiter, die nicht einzunehmen war, bis das Kriegsvolk Kaiser Rudolfs auf eine List verfiel: Es fing Krebse, steckte ihnen Lichter auf und ließ sie über die Mauer kriechen. Die Belagerten eilten zu dieser Stelle und wurden von der nicht bewachten Seite erstürmt. Was von der niedergebrannten Siedlung übriggeblieben war, verschluckte der Berg im Laufe der Jahrhunderte. Das Hauptgebäude Burg war wahrscheinlich ein Wohnturm, drei bis vier Stockwerke hoch, darüber wahrscheinlich noch ein Fachwerkaufbau.

Noch wenig bekannt ist die Geschichte der kleinen Burgruine auf dem Glauberg. Über die Zeit nach der spätrömischen und fränkischen Besiedlungsphase des Glau­bergs bis zur historisch belegten Zerstörung einer kleinen staufischen Burganlage Mitte des 13. Jahrhunderts weiß man wenig. Kaum historische Quellen und Siedlungsreste kennzeichnen diese Zeitspanne zwi­schen dem Ende des 9. Jahrhunderts und dem Ende der staufischen Herrschaftsphase um 1250. Bislang ist man in der Fachliteratur davon ausgegangen, daß der Glauberg nach der Besiedlung durch ein fränkisches Adelsgeschlecht erst als Sitz eines staufischen Ministe­ri­alien‑Ge­schlechts wieder eine gewisse Bedeutung er­langte. Daß der politische Einfluß des vor­maligen keltischen Fürstensitzes in dieser Epoche nicht sehr groß gewesen sein könne, schlossen Fachleute aus den geringen Aus­maßen der Burganlage am Ostende des Glau­berg‑Plateaus.

Klaus‑Peter Decker, ehemals Bü­dinger Schloßarchivar, stellt eine andere Sicht dar: Auf dem Glauberg stand einst eine direkt dem Kaiser unterstellte Burg. Urkunden aus dem Jahre 1247 belegen das. Nach Ansicht Deckers fällt die Gründung dieser Befestigung nicht in staufische Zeit. Vielmehr hätten die vom Hochrhein in die Wetterau vordringen­den Salier den Glauberg bereits Ende zu Be­ginn des 11. Jahrhunderts als dezentralen Herrschaftsmittelpunkt ausgebaut. Dies würden verschiedene Schenkungsurkun­den belegen. Decker glaubt, daß es im Be­reich des Glaubergs keine eigenständige Adelsschicht gab, sondern mehrere unab­hängige Herrschergeschlechter in den umlie­genden Orten wie eine Familie Hartmann in Büdingen, die ihren Einfluß auch in der staufischen Herrschaftspha­se beibehielten.

Vor diesem Hintergrund ergebe sich mut­maßlich auch eine andere Besiedlungsstruk­tur auf dem Glauberg. Es gab nicht nur die kleine Reichsburg, sondern der gesamte Glauberg bildete den staufischen Herr­schaftssitz, folgerte er. Den Einfluß der Sa­lier belegten verschiedene Besitztümer unter. anderem in Enzheim. Eben dort habe man bei der jüngst erfolgten Renovierung der kleinen Kirche einen weiteren Beleg für seine These entdeckt. Beim Bau der Kirche im 15. Jahrhundert wurden Teile eines roma­nischen Vorgängerbaus verwendet.

Weitere Kleinherrscher gab es in Büches, Lißberg oder Staden. Diese hätten gemeinsam auf dem Glauberg eine staufi­sche Befestigung errichtet, von wo aus sie die nähere Umgebung kontrollierten. Mit dem Tod Konrad IV. habe sich im Jahre  1241 die Situa­tion auch in der Wetterau zugespitzt. Die Mainzer Erzbischöfe wollten das entstande­ne Machtvakuum füllen und ihre Truppen drangen auch in die Wetterau vor, wo sie ih­ren Anspruch mit Waffengewalt auch durch­setzten. „Der Glauberg war eines der letzten Widerstandsnester“, erläuterte Decker.

Daß die staufertreuen Ministerialien auf dem Glauberg sogar eine Stadtgrün­dung versuchten, glaubt der Historiker, an­hand einer Urkunde aus dem Jahr 1253 bele­gen zu können, auf der von „cives“ ‑ also Bürgern ‑ die Rede ist. Doch daraus wurde nichts, drei Jahre später wurde die Siedlung von Mainzischen Truppen, zerstört. Mit dem Herrschaftswechsel verlor der Glau­berg an strategischer Bedeutung, die er viele Jahrhunderte zuvor innehatte,

Im Jahr 1976 machte sich der Heimatverein da­ran, die Grundmauern des Turmes wieder­her­zustellen. Allerdings verwendeten die Hobby‑Heimatforscher dafür normalen Ze­ment. Der tat dem Mauerwerk nicht gut, weil dieser den Sandstein angriff. Jetzt wird der Mörtel wieder rausge­kratzt. Zwölf Lehrlinge des Ausbildungs­zentrums der Bauwirtschaft in Nidda sind dabei, die Ruine fachmännisch zu restau­rieren. Der Mörtel wird durch Trasskalk ersetzt, der die Steine schont. Außerdem werden die Mauer‑Reste 50 bis 80 Zentime­ter hoch aufgemauert, so daß man künf­tig nicht mehr darauf herumlaufen kann.

Während noch an der Burgruine gear­beitet wird, sorgt sich die Wetterauer Kreisarchäologin Vera Rupp schon um an­dere Zeugnisse der mittelalterlichen Be­siedlung des Glaubergs: Die Überreste der Hauskeller sind sehr gefährdet.  Auch die mittelalterliche Ge­schichte des Hochplateaus soll Teil des Keltenparks sein, der zentraler Punkt der Hessischen Keltenstraße wer­den soll.

 

Lehrpfad:

Der kulturhistorische Lehrpfad über den Glauberg wurde im April 2002 eröffnet. Vierzig farbige Tafeln leiten die Besucher über den sagenumwobenen Berg, der einst Kel­tenfestung war. Schwer fällt es dem Laien, sich anhand dieser Reste ein Bild der Dörfer, Städte und Festungen zu machen, die auf dem Berg lagen. Wer vermag schon auf den ersten Blick zu sagen, ob ein von den Archäologen ans Licht der Erde gebrach­ter Mauerzug aus der Zeit der Kelten, Ger­manen oder des Mittelalters stammt?   Wer könnte sich in der idyllischen Heckenland­schaft von heute den mächtigen Sitz des „Keltenfürsten“ vorstellen? Der mächtige rekonstruierte Grabhügel ist als solcher ja noch gut zu erkennen, doch auf dem Pla­teau verliert so mancher den Überblick.

Mit viel Liebe zum Detail gestalten die Schautafeln ein lebendiges Bild der alten Siedlun­gen und ihrer Bewohner. Ein besonderer Blickpunkt der Informationstafeln sind die farbigen Rekonstruktionen, die die überirdischen Reste des Glaubergs zu neu­em Leben erwecken. Da wird der pracht­voll geschmückte Keltenfürst von seinen Untertanen zu Grabe getragen. Die kar­gen Steinkeller an der Westseite verwan­deln sich wieder in eine enge mittelalterli­che Häuserzeile; die Ruine des staufischen Burggebäudes wird auf den Bildern noch einmal zu einem stolzen Herrenhaus.

Zwar sind diese Darstellungen nicht im­mer völlig authentisch, wie das Panorama eines Keltendorfes am noch heute existie­renden Weiher zeigt. Denn Häuserspuren aus dieser Epoche wurden noch nicht ge­funden. Auf den Tafeln wird jedoch eindeu­tig darauf hingewiesen, und so verschaf­fen sie den geschichtlich unbedarfteren Wanderern, Familien und anderen Aus­flüglern einen Eindruck vom damaligen Leben.

Ebenso sind dort die wichtigsten Funde abgebildet. Zeichnungen erläutern die Grabungsergebnisse, in den Texten werden die einstigen Bewohner des Plateaus de­tailliert vorgestellt. So beschäftigt sich ei­ne der insgesamt 21 Stationen mit der kel­tischen Landwirtschaft. Aber auch auf Geographie, Ökologie, Flora und Fauna des Glaubergs wird neben den im Vorder­grund stehenden geschichtlichen. Themen eingegangen. So fügen sich die Überreste aus vielen Jahrhunderten für den Betrach­ter zu einem harmonischen Bild zusam­men.

Doch auch für Menschen, die den Glau­berg schon oft besucht haben, lohnt sich ein Gang auf dem Lehrpfad, denn es gibt auf den Tafeln noch das eine oder andere neue Detail zu entdecken. So hätte wohl kaum einer in den unscheinbaren Terras­sen am Südhang Überbleibsel neuzeitli­chen Weinbaus erkannt.

Im März 2009 präsentiert die Archäobotanikerin Angelika Kreuz  unscheinbare verkohlte Hirse- und Gerstenkörner. Sie stammen von der Keltenburg Glauberg und zeugen von einem Feuer rund 500 Jahre vor Christi Geburt. Außerdem zeigt Kreuz Reste von Pflaumen und Koriander aus dieser Zeit. Die müssen von den Römern importiert worden sein - die Kelten kannten damals noch keinen Gartenbau, erklärte die Wissenschaftlerin.

 

Altes Museum:

Zunächst stattete man das bestehende Museum im Ort Glauberg etwas aus: „Der Keltenfürst residiert ab März 2003 wieder in Glauberg“, hieß die etwas vollmundige Überschrift. Genau genommen ist es aber einer seiner Doppelgänger: Im Glauberg‑Musem wurde feierlich eine Kopie der 186 Zentimeter hohem Statue ent­hüllt, die die Zierde der Sammlung werden soll. Der „Dritte Mann“ ist auch dabei, oder besser sein Kopf, der Überrest einer von drei weite­ren, nahezu identischen Keltenfürst‑Statuen, die in der Umgebung des Grabhügels gefunden wurden. Beide sind Leibga­ben des Landesdenkmalamtes Wiesbaden.

Die Präsentation rund um den Keltenfürs­ten wurde neu gestaltet. Hilfreich waren dabei einige Sachspenden aus der Schirn-Ausstellung. Einer der zwei Ausstellungs­räume wurde mit neuen Vitrinen ausge­stattet. Eines der großen Stoff-Banner, die an der Außenwand der Schirn für die Aus­stellung warben, wurde zerlegt und dient jetzt als Gardine. Fototafeln der Ausgra­bungen am Grabhügel zieren eine der Wände.

Mit der Installation und Neugestaltung waren im Winter zahlreiche freiwillige Helfer aus dem Heimat‑ und Geschichts­verein sowie aus dem Karateverein be­schäftigt, während sich die Handwerker Alexander Krampe und Michael Hasen­zahl um die Bohr und Schreinerarbeiten kümmerten. Die Originalfunde aus den drei Fürstengräbern sucht man aber ver­geblich. Sie befanden sich damals noch im Landesdenkmalamt, woran sich auch nichts so schnell ändern wird.

Die Sammlung präsentiert einen Querschnitt durch alle Siedlungsphasen des Glaubergs: Ei­ner der beiden Raume widmet sich dabei vor allem den jungsteinzeitlichen und kel­tischen Funden. Besonders in Auge ste­chen neben den Statuen ein Modell einer keltischen Befestigungsmauer, die Kopie eines Bronze‑Halsrings (vor dem Kelten­fürsten der bekannteste Fund vom Glau­berg) sowie zahlreiche steinzeitliche Beile.

Im zweiten Raum befinden sich die ale­mannischen und mittelalterlichen Funde ‑ unter anderem ein frühmittelalterliches Männergrab, die Nachbildung eines fränki­schen Schildes und Keramik aus dem römi­schen Kastell Altenstadt. Ein hölzerner Schrank erinnert an Johannes May, einen der ersten Lokalforscher, die vom Glau­berg fasziniert wurden. May erkannte schon vor 100 Jahren den sich schwach im Gelände abzeichnenden Fürstengrabhügel ‑ damals noch „Mehlberg“ geheißen.

Zahlreiche Funde, darunter eine große Anzahl mittelalterlicher Ofenkacheln, ver­harren noch im Magazin des Museums. Ein besonderes Interesse zeigt Petra Lehmann‑Stoll an kind­gerech­ter Präsenta­tion. Im Glauberg‑Museum können Schul­klassen schon mal ausprobieren, wie vor 2000 Jahren mit Steinmörsern Getreide gemahlen wurde, wie ein fränkischer Speer in der Hand liegt oder wie schwer ein Feuerstein ist. „Dabei ist auch noch nie etwas kaputt gegangen“, erklärt Lehman­-Stoll.

Das Glauberg‑Museum (Hauptstraße 17) hat sonntags von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Sondertermine können nach Absprache mit Petra Lehmann‑Stoll (Telefon 06041 / 820711) vereinbart werden. Weitere Informationen zum Museum und zum Archäo­logischen Park Glauberg gibt es auf der Seite www.keltenfuerst.de.

Die Hessische Landesregierung beschloß auf Anregung von Wissenschafts­ministerin Ruth Wagner mehre­re Projekte zur Forderung der Archäolo­gie. So befindet sich am Glauberg ein Ar­chäologischer Park im Aufbau, der in na­her Zukunft durch einen Museumsneubau ergänzt werden soll. Das Projekt Kelten­straße veranschaulicht verschiedenste Zeugnisse keltischer Kultur in Hessen.

 

Neues Museum:

Für das neue Keltenmuseum auf dem Glauberg wurde im Mai 2009 Richtfest gefeiert, im Frühjahr 2010 sollte es eröffnet werden. Doch die Leiterin des Projekts „Keltenwelt am Glauberg“, Katharina von Kurzynski, sagte, die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Restauration der Funde seien nicht in wenigen Monaten erledigt. „Die wertvolle Schnabelkanne aus Bronze etwa haben wir in zahlreichen Fragmenten aufgefunden, allein bis die wieder zusammengesetzt war. ist einiges an Zeit verstrichen“, sagt von Kurzynski.

Am Glauberg seien aber mehr als 100 Gegenstände in den Gräbern gefunden worden. Die „Sensationsfunde“  waren bereits zum Großteil in zwei Ausstellungen zu sehen - auch der Keltenfürst: Im Jahre 2002 in der Frankfurter Schirn und von Oktober 2005 bis September 2007 im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. „Die Zugänglichkeit der Öffentlichkeit war gewahrt, die Schätze lagen nicht im Verborgenen“, sagt Schallmayer. Ende 2008 sind die Exponate ins Schloß Biebrich zurückgekehrt, wo sie für das Keltenmuseum vorbereitet würden. Seit Ende 2008 lag der Keltenfürst also wieder in der Dunkelheit: Im Keller des hessischen Landesamts für Denkmalpflege im Schloß Biebrich in Wiesbaden.

Der Bau des 7,2 Millionen-Projekts nahm im Herbst 2009 seinen Anfang. Über 200 Tonnen Stahl und Beton sind bereits verbaut, in wenigen Wochen steht das Richtfest an, die Fertigstellung ist für Dezember anvisiert. „Die endgültige Eröffnung“, blickte Katharina von Kurzynski voraus, „planen wir Ende 2010 oder im Frühjahr 2011.“

Grund für diesen langen Zeitraum: Die ausgeklügelte Inneneinrichtung. Hierbei gilt es unterschiedliche Faktoren zu berücksichtigen - so etwa die Luftfeuchtigkeit, da wertvolle Originalfunde im Inneren begeistern sollen. „Dafür müssen spezielle Möbel angefertigt werden. Das alles braucht seine Zeit.“

Ein Kleinod wird die Wetterau in absehbarer Zeit bereichern, das sich, entgegen Unkenrufe, harmonisch in die Landschaft schmiegt. Katharina von Kurzynski verweist auf 13 Meter freischwebende Gebäudefläche. „Das ist eine architektonische Meisterleistung“, strahlt sie. Für die Außengestaltung ist teilweise so genannter Cortenstahl vorgesehen. „Der rostet bis zu einem bestimmten Punkt, dann aber nicht weiter und färbt sich bräunlich-orange. Das sieht scharf aus.“ Im hinteren Teil des Trakts, deutet die Archäologin auf eine rechteckige Öffnung, entstehen die Büroräume für sie und ihre vier Mitarbeiter. „Von da aus können wir genau sehen, wer hoch ins Museum kommt“, schmunzelt sie.

Vom Ortskern aus wird eine Straße mit zwei Fahrbahnen zum Archäologischen Park neu erschlossen, mit Ausweichbuchten für Busse. Zum Museum selbst hinauf führt eine breite, majestätische Treppe, derzeit noch mit Holz verschalt. Das Museum selbst beheimatet neben einer Cafeteria im Erdgeschoß 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche sowie ein 100 Quadratmeter großes Areal für Sonderexponate und einen Vortragsraum. Hier präsentiert das Museum Originalfunde von den umliegenden Grabungsstätten, darunter als zentrales Objekt, die Statue des Keltenfürsten.

„In diesen Räumen", sagt Katharina von Kurzynski, „benutzen wir nur künstliches Licht. Sonneneinstrahlung könnte sich schädlich auf die Funde auswirken.“ Dafür lockt die riesige Panoramascheibe mit einem famosen Blick über Wälle, Kalendarium und Prozessionsstraße. Das gleiche Erlebnis ist auch droben vom Dach möglich.

 

Bei der Übergabe des knapp acht Millionen Euro teuren Neubaus im Oktober 2010 sagte Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann: „Das Keltenmuseum wird sich zu einem Publikumsmagneten entwickeln, der Besucher aus dem In- und Ausland fasziniert!“ Die Innenausstattung soll nun eine weitere Million kosten.

Nach Angaben des Landesarchäologen Egon Schallmayer wird nun vor Ort weiter an den Konzepten für Ausstellung und Museumspädagogik gefeilt. Originalfunde. Rekonstruktionen und verschiedene Medien sollen Besucher in die Welt der Kelten entführen, die in den letzten fünf Jahrhunderten vor Christus in Mitteleuropa siedeten. „Wir wollen alle Altersgruppen ansprechen“, sagte Schallmayer. Unter anderem werde die fiktive Geschichte eines Honigsammlers erzählt, der den Glauberg besuchte, als der Keltenfürst beigesetzt wurde. Archäologen fanden in dem Grab neben der 1,86 Metergroßen Steinstatue des Herrschers auch eine besondere Grabbeigabe, die sie auf die Idee brachte: ein Gefäß mit Honigresten.

 

Anfang Mai 2011 eröffnete das neue Keltenmuseum auf dem Glauberg. Zur „Keltenwelt“ gehören ein Museum, ein etwa 30 Hektar großer archäologischer Park, der noch Gestalt annimmt, und ein Forschungszentrum. Der Neubau hat die Form einer riesigen Schuhschachtel und ist halb in einen Hang gebaut. Die Panoramafensterfront richtet sich wie ein Fernglas in die Vergangenheit zu einem rekonstruierten Fürstengrabhügel aus. Die Funde, die Archäologen in den neunziger Jahren darin und in weiteren Herrschergräbern machten, kommen ins neue Museum. Berühmtestes Stück: Der „Keltenfürst vom Glauberg“, eine mannshohe Steinstatue aus dem fünften Jahrhundert vor Christus.

Mittlerweile ist die Statue fast ein Maskottchen geworden: Der Herrscher mit seinem markanten Kopfschmuck, der sein Haupt wie Ohrenwärmer umgibt, prangt als großer Scherenschnitt neben dem Ortseingangsschild.

 

 

Die „Keltenwelt am Glauberg“, die Zeit und Alltag der antiken Kelten vermitteln soll, wird  am Donnerstag, 5. Mai 2011, eingeweiht. Einen Tag später öffnet es seine Pforten für die Besucher, zudem steigt ein Museumsfest am Samstag, 7. Mai und Sonntag, 8. Mai. In dem Museum werden unter anderem Funde aus keltischen Herrschergräbern gezeigt, die in den neunziger Jahren auf dem Glauberg ausgegraben wurden - darunter die mannshohe Steinstatue eines Herrschers aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Ausgestellt werden auch Alltagsgegenstände der Kelten, die auf dem 270 Meter hohen Hügel über der heutigen Gemeinde Glauburg etwa um das 5. Jahrhundert vor Christus siedelten.

Die als „.Keltenfürst vom Glauberg“ bekannt gewordene Statue hat in den Ausstellungsräumen bereits Aufstellung genommen. Im Lauf dieser Woche sollen die letzten Exponate folgen. Insgesamt werden mehrere hundert antike Fundstücke gezeigt.  Die Besucher sollen die Welt der Kelten auf eine „fröhlich-unkonventionelle“ Weise erfahren. „Wir hoffen, daß viele Menschen fröhlich ins Museum kommen und noch fröhlicher hinausgehen“, sagt die Leiterin.

Es gebe zwar wie sonst auch Ausstellungsvitrinen und Texte zu den Exponaten. Daneben sollen aber verschiedene Medien, Mitmach-Angebote oder ein Comic Wissen vermitteln. Dafür laufen derzeit die allerletzten Vorbereitungen und Testdurchläufe.

Zum Konzept gehört auch, den „Keltenfürst“ nicht hinter Glas zu packen. Besucher können ihn aus der Nähe bewundern.

Vergangene Woche kehrte die berühmte Statue in ihre „Heimat“ zurück. Restauratoren brachten sie „ganz, ganz, ganz vorsichtig"“auf den Glauberg, wie die Museumsleiterin berichtete. Zuvor war die Figur jahrelang im Wiesbadener Schloß Biebrich unter der Aufsicht von Restauratoren aufbewahrt worden.

Jetzt steht der Herrscher aus Sandstein also wieder auf dem Glauberg, wo ihn Archäologen vor Jahren ausgruben. Für den Umzug seien mehrere Stunden Arbeit nötig gewesen sowie feinfühlige Helfer, zwei Kräne und ein pfiffig geplanter Aufzug, erläuterte von Kurzynski. Der Lift sei bereits vor Jahren so geplant worden, daß die Statue in ihrer dick gepolsterten Kiste bequem in den ersten Stock habe transportiert werden können. Nun steht sie dort auf einem Podest - und zwar äußerst standfest, wie die Museumsleiterin betonte. Der Besucheransturm kann also kommen. Die „Keltenwelt“ ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet ermäßigt 3,50 Euro.

 

 

 

Lindheim

Gegründet wurde Lindheim wie viele Orte der Umge­bung als eine Siedlung freier fränkischer Bauern in unmittelbarer Nähe des Glau­bergs. Für die Entwicklung des Fleckens entscheidend war die Errichtung einer Burganlage samt Siedlung im 13. Jahrhundert. Dieses neue Lindheim hatte als Grün­dung reichsritterlicher Familien eine rechtliche Sonderstellung. Es war „reichs­unmittelbares Freigericht“ und somit direkt dem Kaiser unterstellt. Die Ver­waltung lag jahr­hundertelang in den Händen eines despotischen Ritter‑Ver­bandes, den „Ganerben“.

Mit der allge­meinen Verarmung ihres Standes sahen sich auch die Lindheimer Ritter im 15. Jahrhundert nach anderen Einkunfts­möglichkeiten um. Die ersten Überfälle auf reisende Kaufleute und ihre Geisel­nahme sind aus dem Jahr 1412 belegt. Die Lindheimer Raubritter waren bald so verrufen, daß Frankfurter Truppen dreimal ‑ vergeblich ‑ versuchten, die von zwei Wassergräben gesicherte Burg­anlage einzunehmen. Die Reformation teilte auch die „Ganerben“ in zwei konfessionelle Lager. Dreißigjähriger Krieg und Pest entvölkerten Lindheim, so daß von seinen 500 Einwohnern nur mehr eine Handvoll am Leben blieb.

 

Wenn man von der B 521 nach Glauburg abbiegt (nicht schon am ersten Wegweiser „Lind­heim“, sondern erst an der Ampelkreuzung), geht es gleich wieder links in die östliche Zufahrt zum Ort Lindheim in die Düdelsheimer Straße. Links steht zunächst in einem Park

das Moller‘sche Landhaus, benannt nach seinem Architek­ten, dem Darmstädter Landesbaumeister Georg Moller. Er baute den Westflügel des 1829 nie­dergebrannten Schlosses zu dem klassizi­stischen Landhaus um. Auf dem Stein über der Tür verkündet die Inschrift, daß das Haus 1930/31 auf den Grundmauern des 1929 abgebrannten Hauses „Heda“ aufgerichtet wurde.

Daneben steht das „Schloß“ mit Uhrturm und Wappenstein (gelb angestrichen). Von 1890 bis zu seinem Tod fünf Jahre später lebte hier­ der Dichter und Schriftsteller Leopold Ritter von Sacher‑Masoch, der - ungefragt - zum Namensgeber des „Masochismus“ wur­de. Er hatte unter anderem nach damali­gem Maßstäben erotische Romane (zum Beispiel „Venus im Pelz“) geschrieben (am Schloß ist eine Gedenktafel, es wird aber auch gesagt, er habe in dem Landhaus gewohnt). Sa­cher‑Masoch wirkte in der ländlichen Um­gebung äußerst segensreich. Er gründetet für Lindheim den Oberhessischen Verein für Volksbildung, der sich große Verdien­ste um das kulturelle Leben und die Bildungsmöglichkeiten der Region erwarb. Das Schloß in der Mitte des Ortes ist heute in Privatbesitz.

Gegenüber auf der rechten Seite steht das Hofgut Westernacher mit Wappenstein. Hier nisten seit dem 18. Jahrhundert die Lindheimer Störche. Das Paar scheint die große Reise nach Afrika zu scheuen. Der aus Neu‑Anspach stammende Storchenmann überwinterte schon früher in der Wetterau. Nur an Schneetagen bekommt er tote Hühner‑Kü­ken, die die Naturschutzgruppe in einer Tiefkühltruhe vorhält. Im kommenden Winter nascht davon auch seine Partne­rin. Bei der Nahrungssuche haben sie nämlich Konkurrenz durch eine Kolonie von 30 Graureihern. Das Nest wird jährlich ausgeputzt und mit Holz und Heu gepolstert. Am Nest ist eine Kamera, deren Bilder ins Internet übertragen werden.

Die Lindheimer Vogelschutzgruppe richtete auf einem ausgedienten Starkstrommast zwischen Lindheim und Enzheim den Rohbau für ein zweites Nest her. Für 57.000 Mark kauften sie Wiesen, auf de­nen Futter‑Frösche gedeihen können. Zwei Teiche sind im Bau. Der eine wird et­wa 2000 Quadratmeter Wasserfläche ha­ben und 35.000 Mark kosten. Davon steuert davon die Gemeinde Altenstadt 15.000 Mark bei. Weitere 25.000 Mark gibt sie für den zweiten, rund 3.000 Quadrat­meter großen Teich nahe der Autobahn.

Nach links geht es in die Turmstraße. An ihrem Ende steht links die Kirche. Der massive Turm, ein ehemaliger Befestigungsturm, steht abseits. Die Kirche wurde aus einem Profanbau Mitte des 14. Jahrhunderts zu ih­rer heutigen Gestalt weiterentwickelt und zählt zu den äl­tes­ten gotischen Kirchenbauten Hessens.

 

Zwischen Turm und Kirche geht man durch eine Eisentür und gleich wieder nach links am Bach entlang. Hinter der Kirche stehen zwei große Grabsteine. Durch eine weitere Tür kommt man in einen verwunschenen Park. Hier steht der Hexenturm mit einer Gedenktafel für die Opfer der Hexenverfolgung von 1598 bis 1664 bzw. 1631 bis 1665). Hexenprozesse sind be­reits aus dem Jahr 1591 überliefert. Die „Schreckensjahre von Lindheim“, so der Ti­tel eines Buches des Lindheimer Volks­schriftstellers Rudolf Ludwig Oeser sollten aber erst noch kommen. Ein Oberschultheiß und ein Schöffe wa­ren es, die in den Jahren 1662 bis 1665 in Lindheim besonders grausam wüte­ten und die Scheiterhaufen glühen ließen.

Der Kirchturm und der Hexenturm gehörten früher zur Stadtbefestigung. Die eisernen Ketten an der Außenseite ver­weisen indes auf eine spätere Nutzung. Marie von Venningen, die letzte Lindheimer Schloßherrin, benutzte ihn auf dem Höhepunkt der ruinenverliebten Romantik als Badehaus und Garten‑Pavillon.

Vom Hexenturm geht man wieder zurück durch die Turmgasse und nach links wieder hinein in die Düdelsheimer Straße. An dem ersten Haus links ist ein verwitterter Löwe zu sehen. Ein Stück weiter befindet sich an einem Haus eine Gedenktafel für von Volksschriftsteller Oeser-Glaubrecht, hinter dem sich der Pfarrer Rudolf Ludwig Oeser verbirgt, der 1835 bis 1859 dort wirkte. Die Straße führt in die Altenstädter Straße, an deren Ende die Gaststätte „Zum Landsknecht“ ist.

 

 

Wanderung rund um den Glauberg

In der Düdelsheimer Straße in Lindheim läuft man nach Osten bis zur Ampelkreuzung. Hier geht man links von dem Parkplatz die Straße „Auf dem Hansenberg“ hinauf. Man geht aber nicht die ganze Straße entlang, sondern in der Mitte der Linkskurve geht man zwischen den Leitplanken hindurch und dann nach links hinter den Häusern her. Der Weg wird allerdings schlechter, im Grunde ist es nur ein Grasstreifen an einem Graben entlang, bis man unten wieder auf eine geteerte Straße kommt, zu der man nach rechts abbiegt. Hier geht es immer geradeaus und wo der Weg endet dann nach links. Ab jetzt kann man am Glauberg das neue Keltenmuseum sehen. Den nächsten Weg geht es rechts, und wo dieser endet, wieder nach links.

Am nächsten Weg geht es wieder rechts und ein Stück steil hoch. Nach einem ganzen Stück macht der Weg einen Bogen nach rechts, und wenn man noch einmal leicht nach rechts gegangen ist, geht links mit einem Wanderzeichen ein Grasweg hoch. Hier ist man im Bereich nördlich von Düdelsheim. Am Ende des Wegs geht es rechts bis zu einem Schild „Zu den Steinern“.

Die „Steinern“ ist mit einer Höhe von 189 Metern wegen ihrer Basaltfelsen, Bewaldung und exponierten Lage als Naturdenkmal und Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Das Plateau wurde in seiner Struktur gestaltet und ist vermutlich eine Kultstätte keltischen Ursprungs. Der „Berg“ ist von jeher ein beliebtes Ausflugsziel in der Region. Mit ein wenig Phantasie fühlt man sich hier zwischen den großen Felsen wie in einen Märchenwald versetzt, in dem gerade noch die gute Fee hinter einem Stein verschwand. Hier ist ein Aussichtsturm, der einst am Glauberg stand und von dem man einen herrlichen Blick auf den Glauberg, das Landesmuseum und den Archäologiepark Glauberg hat.

 

Hier geht es aber links weiter bis zur geteerten Straße, auf der es auch wieder links weiter geht. Zweimal rechts und wieder links und auf der Höhe von Rohrbach wieder links kommt man nach Rohrbach hinein zum Sportplatz. Rechts vorbei führt die Straße „Beunde“, und nach rechts geht es dann in die Weihergasse und links in die Klostergasse mit einem Blick auf die Kirche.

Nach links geht es dann am Antennenmast vorbei auf Bleichenbach zu. Doch ehe der Weg über die Schienen geht, biegt man nach links ab auf einen gepflasterten Feldweg. Am Ende dieses Weges geht es im Bereich der Steinbrüche ein Stück rechts und dann gleich wieder links am Wald entlang.

Am nächsten Weg geht es recht durch den Wald und im großen Linksbogen auf Stockheim zu. In einem engen Rechtsbogen geht es dann in die Straße „Zum Hochbehälter“. Hier stehen das Feuerwehrgebäude und die Teichgrafenlinde. An den Schienen entlang geht es bis zum Bahnübergang (Im Bahnhof, der aber weiter nördlich liegt, gibt es eine sehenswerte Modelleisenbahnausstellung).

Am Bahnübergang geht es links hoch in die Straße „Am Lückenberg“ und dann gleich wieder rechts in die „Berliner Straße“. Am Ortsrand geht es links hoch und dann nach rechts am Waldrand entlang. In Glauberg kommt man dann (leicht versetzt) in den „Chattenweg“ und von wieder nach rechts in die „Friedhofsgasse“, nach links in die „Freiherr vom Stein-Straße“ und nach rechts in den „Düdelsheimer Weg“, der in die Heegheimer Straße und über die Schienen führt. Dort ist links der Bahnhof, heute ein Landgasthof.

Hier gelangt man auf den Vulkanradweg, der immer wieder vom Kunstwerken gesäumt wird.

Insgesamt sind es 21 Stelen zwischen Hartmannshain und Eichen. Im Bereich Glauburg sind die Stelen aus alten Bahnschwellen von dem Künstler Wilfried Klaus angefertigt worden. Man folgt dem Vulkanradweg. Er macht zwar einige Bögen, ist aber nicht zu verfehlen. Ehe es wieder nach links über die Schienen geht, ist rechts das 200 Hektar große Naturschutzgebiet „Im Rußland und in der Kuhweide“. Hier sieht man an der Nidder eine dicke Weide, die von einem Biber rundherum angenagt ist.

Hinter den Schienen geht es nach rechts auf Enzheim zu. Man streift den Ort aber nur, kommt aber an der Mühle und der Kirche vorbei. Die Kirche liegt direkt am Nidderufer gelegen inmitten des bis 1923 betriebenen ehemaligen Friedhofes. Erstmalig erwähnt wurde unsere Kirche bereits im Jahre 796, nur wenige Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung Enzheims 773.

Besonderes bauliches Merkmal der Kirche ist zweifelsohne der Altar: Die Kanzel stützt sich direkt auf ihm ab – eine nicht häufig anzutreffende Kombination, die unter dem Namen „Kanzelaltar“ bekannt ist und vorwiegend bei sehr kleinen Gebäuden zu finden ist. In der Decke sieht der Besucher noch die kreisrunden Öffnungen, durch die in der Vergangenheit die Glockenseile liefen.

Die 1937 neu angebrachte Glocke - 150 Kilogramm schwer und 703 Reichs­mark teuer - tönte nur fünf Jahre, bevor sie 1942 erneut abgeholt und zu Rüstungszwecken eingeschmolzen wurde. Es dauerte bis zum 13. September 1953, daß eine neue Glocke aufgehängt und geweiht werden konnte. Seitdem verrichtet sie mit sauberem „f“ ihren Dienst und trägt die Inschrift „Dem Frieden geweiht, ruf ich zur Seligkeit“.

Eigenwillig wie die Enzheimer selbst ist auch die im Jahre 1843 von dem Instrumentenbauer Friedrich Wilhelm Bernhard aus Romrod erbaute Orgel. Auch sie mußte im Kriege Opfer bringen, als ihr 1917 die originalen Zinnpfeifen abmontiert wurden, die erst 1937 durch Zinkpfeifen ersetzt werden konnten. Seit 1972 verfügt die schöne Orgel über ein elektrisches Gebläse. Bemerkenswert ist der volle, satte Klang unserer unter Denkmalschutz stehenden Orgel und ihre buchstäbliche Launigkeit: Immer wieder bringt sie den Organisten durch klemmende Ventile zur Verzweiflung und die Kirchengemeinde zum Schmunzeln.

Vor Lindheim geht es noch einmal nach rechts über die Nidder und dann nach links in die Straße „Zindelweg“, die wieder zur Düdelsheimer Straße führt.

 

 

Altenstadt

Altenstadt mit den Ortsteilen Enzheim, Heegheim. Höchst an der Nidder, Lindheim, Oberau. Rodenbach und Waldsiedlung hat rund 12.000 Einwohner. Die Gemeinde liegt im breiten Tal der Nidder, die Orte sind umgeben von fruchtbaren Wiesen sowie ausgedehnten Wäldern, in denen man stundenlang wandern kann.

Der Ort wird erstmals im Jahre 767 in einer Urkunde genannt. Der Name deutet darauf hin, daß der Ort an einer „alten Stadt“ - in unmittelbarer Nähe eines verlassenen Römer-Kastells - gegründet worden ist (das Kastell ist heute überbaut vom Ortskern).

Sehenswert ist die evangelische Pfarrkir­che St.-Nikolai mit einem Schiff von 1717 - 1720 im Stile eines protestantischen Barocks und einem gotischen Turm mit Schießscharten (Wehrkirche aus dem 15. Jahrhundert). Malerische, verkehrsberuhigt angelegte Gassen mit altfränkischen Fachwerkhäusern (17.– 19. Jahrhundert)

Die Dorfkirche in Rodenbach hat als besondere Kostbarkeit die älteste spielbare Orgel Hessens aus dem Jahre 1621.

In Höchst an der Nidder wurden Schloß und Dorfkirche im 18. Jahrhundert ihn Stile eines ländlichen Barocks errichtet; im Schloß befindet sich heute ein Hotel.

 

Wanderung am Limes:

Von Süden her fährt man geradeaus im Ort weiter nach Norden in Richtung Stammheim. Im Wald auf der linken Seite ist ein altes Stück Straße (nicht extra als Parkplatz ausgewiesen). Von hier führt ein Weg den Hang hinauf. Wo er nach links abbiegt, kann man schön den Verlauf des Limes sehr gut als Graben erkennen. Der Limes ist hier im Stammheimer / Altenstädter Wald auf rund 700 Meter Länge als Wall-Graben-Anlage außergewöhnlich gut erhalten ist.

Im Bogen geht es nach rechts und dann auf dem Limes-Radweg nach rechts ein Stück weiter. Den nächsten Weg geht es halbrechts weiter wieder zum Limes. Hier kann man ihn allerdings nicht so gut erkennen, die Stelle ist aber durch ein Zeichen am Baum gekennzeichnet.

Den Limes kreuzend, gelangt man zum Wachtposten Wp 4/96 am Nordosthang des Winterberges. Die Anlage besteht aus zwei Turmstel­len, einem älteren Holzturm und einem jüngeren Steinturm. Von diesem Posten, der mit 208 Meter die höchste Stelle des östlichen Wetterau­limes einnimmt, hatte man in römischer Zeit einen weiten Rundblick und konnte sicher, ohne die jetzt hier vorhandenen Bäume, auch die Kastelle Ober-Florstadt und Altenstadt sehen (auch heute besteht noch eine gute Sicht von beiden Seiten des Waldes aus).

Die beiden Turmstellen sind nicht einfach zu finden (Skizze: Wanderungen am Wetterau­limes, Seite 188). Der südlich ge­legene ältere Holzturm ist am Rand des alten Steinbruchs direkt am Wegrand als flache Erhöhung gerade noch auszumachen. Der etwas weiter nördlich anzutreffende Steinturm, der im Jahr 1886 vom Strec­kenkommissar Friedrich Kofler entdeckt wurde, war ein quadratischer Bau von 3,50 Meter Seitenlänge und ein Meter starken Mauern, dessen Ruine 1919 noch zu sehen war. Der Wachtposten etwa 28 Meter hinter dem Limes ist nahezu völlig von einem alten Steinbruch zerstört.

Wenn man dann nach Stammheim fährt und zweimal links herum abbiegt kommt man an der Straße nach Altenstadt nach Nordwesten an dem großen Hofgut Oppelshausen vorbei. Die roten Dächer der alten Gebäude fü­gen sich harmonisch in die hügelige Landschaft. Einst breitete sich hier - unmittelbar seitlich des jetzigen Hofgutes - das mittelalterliche Dorf Oppelshausen aus. Spuren des erstmals 900 urkundlich erwähnten Or­tes sind nicht mehr auszumachen. Heute befindet sich hier ein Golfplatz.

 

 

Kloster Engelthal                                                                    (Siehe auch Bonifatiusroute)

Ein abseits im Tal gelege­nes Kloster samt Kirche, drei Aussiedler­-Bauernhöfe und ein Reiterhof ‑ das zu Al­tenstadt im Wetteraukreis gehörende En­gelthal ist schnell beschrieben. Bei der Su­che nach dem Ursprung des Namens der kleinen Siedlung ist das nicht der Fall. Dort soll einmal Engelsgesang zu hö­ren gewesen sein.

Der Name Engelthal taucht schon in der Stiftungsurkunde des Klos­ters auf, wenn auch anders geschrieben. Diese Urkunde stammt aus dem Jahre 1268. Das Dokument macht auch deutlich, daß die Siedlung bis zur Gründung des Klosters in jenem Jahr einen anderen Na­men trug.  „....daz da hiez Romelingshusin vnd no heizit Engildal ...“, heißt es dort wörtlich. In Dokumenten aus dem 15. Jahrhundert taucht auch die lateinische Bezeichnung für „im Tal der Engel“, näm­lich die Worte in „valle angelorum“ auf .An­dere Schreibweisen im Laufe der Jahrhun­derte sind: Engeldal, Engillthail und ab 1850 schließlich Engelthal.

Engelthal wurde im Mai 1268 zunächst als Abtei der Zisterziense­rinnen von den Ganerben von Höchst, den Brüdern Konrad, Rupert und Herdegen von Büches mit ihrer Schwester Elisabeth und deren Gemahl, Rupert von Karben, Burggraf von Friedberg, gestiftet. Sie gründeten die Zisterzienserinnen‑Ab­tei, um ihr Seelenheil zu erhalten. Sogar eine Wassermühle im Nachbardorf Höchst vermachten die Ritter von Büches, Besitzer einer dort gelegenen Wasserburg, dem Kloster. Diese Mühle ermöglichte es den Nonnen auch, ihr Kloster von den An­fängen im Jahre 1268 an selbstverwaltet zu führen. Bald nach der Gründung geriet Engel­thal in massive Erbstreitigkeiten der Stif­ter‑Nachfahren. Schließlich konnte sich die Frauengemeinschaft aus dem Streit frei machen und sich unter kaiserlichen Schutz stellen. Wo­her die ersten Nonnen kamen, ist ungewiß. Die wichtigste und stärkste Beziehung hatte die Neugründung jedenfalls zur na­he gelegenen Zisterzienserabtei Arnsburg.

Das  „Kloster der Heiligen Maria im Thal der Engel“ blühte rasch auf. In der Folge der Reformati­on gab es neue Streitigkeiten und Gefähr­dungen. Doch nicht einmal der mächtige Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz, Kurfürst und Erzkanzler des Rei­ches, konnte die kleine Abtei vor der Ge­walt des Dreißigjährigen Krieges bewah­ren. Im Jahre 1622 wurde das Kloster von Lands­knechten - Braunschweigisch-Mansfeldische Soldaten - geplündert und niedergebrannt.

Die Nonnen flohen  nach Aschaf­fenburg. Ab 1636 kehrten einige Nonnen unter Äbtissin Catharina Müntzerin zurück in die Trümmer und begannen mit dem müh­samen Wiederaufbau. Erst nach 30 Jah­ren war das erste Wohnhaus restauriert. Aber gegen Ende dieses Jahres . mußte die Klostergemeinde vor den näherrückenden Schweden (Phase des Schwedischen Kriegs 1630 - 1635) wieder die Flucht nach Aschaffen­burg ergreifen.

Zwischen 1666 und 1750 wurden Kloster und Kirche wieder barock aufge­baut. Der Gesamtaufbau währte von 1666 bis 1750, fast ein Jahrhundert. So erklärt sich ‑ bei aller Schönheit und Weitläufig­keit der Anlage ‑ die auffallende Schlicht­heit der Gebäude nicht nur aus dem zister­ziensischen Armutsideal, sondern auch aus der Not der Zeit, heißt es in einer Selbstdarstellung der Abtei.

Bereits 1803 wurde das Kloster durch die Säkularisation aufgehoben, die Nonnen mußten das Haus verlassen. Aus der Anlage entstand ein Hofgut. Die Kirche blieb als katholische Pfarrkirche erhalten. Die Aufhebung des Klosters zog in den nächsten 150 Jahren einen steten Wechsel der Besitzverhältnisse nach sich. Die Nonnen wurden wegen der politischen Lage vertrieben. Aus dem Kloster wurde ein Gutshof mit insgesamt tausend Morgen Land und 666 Mor­gen Wald, der häufig den Besitzer wechselte. Allein von 1805 bis 1952 waren es sieben verschiedene Besitzer.

Am 1. Mai 1962 kaufte das Bistum Mainz das Kloster zurück. Mit der Neubesiedlung durch 20 Benediktinerinnen aus der Abtei vom Heiligen Kreuz in Herstelle an der Weser kam wieder eine neue Klostergemeinde in die alten Mauern. Teile der Anlage wurden neu errichtet oder renoviert. Nachdem in Altenstadt eine neue katholische Kirche erbaut worden war, erwarb das Bistum Mainz den Klausurbezirk des alten Klosters vom letzten Besitzer zurück.

Im Jahre 1965 wurde das Kloster wieder zur selbständigen Abtei erhoben.

 

Das Tor zum ummauerten Klosterareal steht offen. Im Hintergrund sieht man eine  Mauer mit 

historischen Grabplatten aus Sandstein, an der die Öffentlichkeit endet. Ein jahrhundertealter Knorzbaum mit einla­dender Holzbank  ist zu sehen. Im ehemaligen Torhaus auf der linken Seite - einem schlichten, wohlproportionierten Gebäude der Barockzeit  - ist eine Buch‑ und Kunsthandlung. Als nächstes kommt man zum Gästehaus mit der Klosterpforte auf der linken Seite. Es paßt stilistisch zum Torhaus, ist aber größer, behaglicher, repräsentativ. Es wurde  total renoviert, alles ist neu bis auf die Außenmauern. Der Gast ist sofort umfangen von der Ruhe und zeitlosen Harmonie des Raumes, der das Erdgeschoß bei­derseits mit hellen, weiten Gängen er­schließt. Das Gästehaus ist für Besucher und Tagun­gen offen.

Zuletzt kommt man zur Kir­che. Sie ist fast immer geöffnet, nur zwischen 13.00 und 15.00 Uhr geschlossen. Sie ist siebeneinhalb Jahrhunderte alt und ein dezen­tes Stilgemisch der gotischen Anla­ge von 1268, der barocken Res­tauration 1692 ‑ 1730 und der Umgestaltung 1962. Man tritt zunächst in den Raum für Besucher von außerhalb. Quer dazu ist der Raum für die Nonnen mit dem Chorgestühl

Die Kir­che ‑ mit dem Titel „St. Pe­trus und Paulus“ ‑ ist auch ein überzeugendes Beispiel für Relativität des Materials: Ein ergrei­fend schönes Kruzifix an der Südwand scheint eine Holz­skulptur der Roma­nik zu sein, ist indes „nur“ eine aktuelle Nachbildung aus Holzimitat von Schwes­ter Margarete Groppe in der klostereige­nen Restaurationswerkstatt. Dafür hat die  Künstlerin übrigens auch schon überregio­nale Anerkennung gefunden. Das Kreuz erregt immer wieder das Auf­sehen der Kirchenbesucher.

Der Altar von 1701 wiederum ist kom­plett aus Holz, indes „nur“ marmoriert gefaßt ‑ aus Gründen der Sparsamkeit. Für die Äbtissin ist er die alte Verbindung zur „Zisterzienser‑ Tradtion“. Die zentrale gen Himmel aufschwebende Maria - der das Kloster geweiht ist- gibt Hoff­nung auf den Himmel.

An der Nordwand sieht man  die Grabplatte des Stifters Konrad von Büches, aber man weiß nicht,  wo er liegt. Bei der Restaurierung wurden etliche Gräber von Archäologen aufge­nommen ‑ und dann wieder geschlossen worden.

Das alte Chorgestühl haben die 20 Schwestern bei der Neugründung Engel­thals als Benediktinerinnenabtei am 1. Mai 1962 aus dem Kloster Herstelle mitgebracht. Das Kloster, das mit umfangreichen Ländereien, darunter Wald und Weinbergen, ausgestat­tet wurde, ist mit Unterbrechungen bis heute von Beneditinerinnen bewohnt. Die Nonnen führen das Kloster selbstverwaltet mit Gästehaus, Buchla­den und Restaurierungswerkstatt für Gemälde und Skulpturen.

Im Mai 2003 hat  die bisherige Äbtissin Gabriel Co­sack ihr Amt niedergelegt, denn mit Vollen­dung ihres 70. Lebensjahres hatte sie die vorgeschriebene Altersgrenze erreicht. Das Kapitel der Benediktinerinnen‑Abtei hat Schwes­ter Elisabeth Kralemann (53) zur neuen Äbtissin gewählt. Der Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, hat als zuständi­ger Ortsbischof der neuen Leiterin das Klosters am Sonntag, 11. Mai 2003, die Benedik­tion gespendet und sie damit zur Äbtissin geweiht.

Äbtissin Elisabeth Kralemann wur­de am 9. Juni 1949 in einer evangelischen Familie in Bielefeld geboren, wo sie zur Schule ging bis zum Abitur und auch stu­dierte. Hernach ging sie als Lehrerin nach Berlin, wo sie 1974 zur katholischen Kir­che konvertierte. Sie sagt: „Die Entscheidung war ein Suchweg schon während der Ausbildung und der ersten drei Berufsjahre als Lehrerin. Es war die Frage nach dem Sinn meines Lebens und eigener Erfüllung, wie ich mein Leben än­dern, für Gott leben könnte.“ Nach und nach, durch Bücher und Be­gegnungen, ist sie aufs Kloster gestoßen. Engelthal ist das erste. Sehr recht bald hat sie das klare Fazit: Das ist das, was du seit Jahren suchtest Ein halbes Jahr später ist sie  eingetreten. „Die Art, wie Gottesdienst gefeiert wurde, die Schwes­tern und der Ort haben mich sehr ange­sprochen“.

„Man muß Vertrauen haben, daß es weitergeht. Wir haben wenig Nach­wuchs, auch ein Impuls, daß wir uns heu­te verstärkt zusammenschließen und Fra­gen gemeinsam lösen.“

Im Jahr 2004 zählt der Konvent 30 Frauen im Alter zwischen 29 und 95 Jahren. Als Gemeinschaft von Schwestern teilen sie ihren Glauben und ihren Alltag miteinander. In Gottesdienst und Gebet, Arbeit und Lesung, in Zeiten des Allein- und Gemeinsam-Seins und in der Aufnahme von Gästen verwirklicht sich ihre Suche nach Gott. Engelthal gehört übrigens zur Beuroner Kongregation.

 

 

Rommelhausen                                                                                Führungsblatt 131     

Die Gemeinde Limeshain, mit 5.624 Einwohnern ist eine idyllisch im südlichen Teil des Wetteraukreises gelegene fortschrittliche Wohnsitzgemeinde. Die drei Ortsteile Rommelhausen, Hainchen und Himbach fügen sich harmonisch mit einer wechselvollen Topografie in die waldreiche Landschaft zwischen dem Ronneburger Hügelland und der südlichen Wet­terau ein.

Als im Jahr 1971 die Zusammenlegung der Ortschaften Rommelhau­sen, Himbach und Hainchen zu einer Großgemeinde beschlossen wurde, wählten ihre Gemeindevertreter den Namen Limeshain, weil die römische Grenzbefestigung ein markantes Kulturdenkmal der Region darstellt. Sie führt seitdem als einzige Gemeinde den Limes im Namen, das Wappen ziert ein römischer Wachtturm. Dies weist auf das geschichtliche Erbe hin.

 

Aus Anlaß ihres 25jährigen Bestehens im Jahr 1996 ließ die Großgemeinde Limeshain einen Teil des römischen Grenzwalls in ihrer Gemarkung Rommelhausen an der Straße nach Ostheim rekonstruieren und einen archäologischen und na­turkundlichen Wanderpfad einrichten.  Die Errichtung der Limesrekonstruktion und des Lehrpfades erforderte große Anstrengungen und wurde von verschiedenster Seite un­terstützt.

Die finanziellen Aufwendungen wurden neben der Gemeinde Limeshain in erster Linie von den gemeinnützigen Stiftungen der Sparkasse Wetterau und der Spar­kassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen getragen. Zusätzliche Hilfe, vor allem bei der Ausstattung der Beschilderung, gewährten die Natur- und Vogelschutzgruppe Rommelshausen und die Jäger des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes sowie die Jagdgenossen­schaften Himbach und Hainchen, letztere besonders für den Wegebau. Die Planung und Realisierung des archäologischen und naturkundlichen Lehrpfades übernahmen für die Gemeinde Bürgermeister Klaus Hühn in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denk­malpflege Hessen die Kreisarchäologin des Wetteraukreises, Vera Rupp. und der Revierleiter des hessischen Forstamtes Büdingen/Revier Vonhausen, Ewald Schaaf.

 

Geschichte des Limes in der Gemarkung:

Der Obergermanisch-Raetische Limes verläuft noch gut sichtbar durch die Limeshainer Gemarkung. Gut 25 Meter Palisade, Wall und Graben wurden im Rahmen der experimentellen Archäologie bereits vor etlichen Jahren rekonstruiert. Nun folgte das gemeinsam erklärte Ziel der Gemeinde und des Geschichts- und Kulturvereins, ab 2010 einen steinernen Wachtturm nachzubauen. Dabei wird zum Teil die experimentelle Archäologie angewandt.

Gezielte archäologische Recherchen an diesem Limesabschnitt begannen mit der Gründung der Reichs-Limeskommission im Jahr 1892, die sich die Erforschung des obergermanisch-rätischen Limes zur Aufgabe gemacht hatte. In der Zeit davor vermutete man den Limesverlauf wesentlich weiter im Osten, und zwar über Nidda, Ortenberg, Büdingen und Gelnhausen. Erst der Friedberger Rektor Johann Philipp Dieffenbach (1786-1860) und der Oberstleutnant F. W. Schmidt (1846), die sich intensiv mit den römischen Hinterlassenschaften beschäftigten, wiesen die heute bekannte Limesstrecke in der östlichen Wetterau nach.

Im Auftrag der Reichs-Limeskommis­sion waren für die Strecke 4, die vom Köpperner Tal bei der Saalburg bis Marköbel führt. zunächst Friedrich Kofler, später Wilhelm Soldan und Eduard Anthes tätig. Für die Publikation der Ergebnisse in der Streckenbeschreibung des Limeswerkes (ORL Abt. A Die Strecken) von 1936 bearbeitete der Frei­burger Althistoriker Ernst Fabricius die Aufzeichnungen der Ausgräber. Die südlich bis zum Main anschließende Strecke 5 wurde Georg Wolff übertra­gen. Die Zählung der Wachtposten der einzelnen Strecken (z.B. Wp 4/102) geht auf die Reichs-Limeskommission zurück.

Vor Errichtung der Limesrekonstruktion wurde im Sommer 1995 von Mitglie­dern der Arbeitsgemeinschaft für Vor- und Frühgeschichte Wetteraukreis und weiterer ehrenamtlicher Mitarbeiter der Archäologischen Denkmalpflege des Wetteraukreises unter der Leitung von Vera Rupp eine Grabung an dieser Stelle durchgeführt. Es wurden zwei 3-5 Meter breite Grabungsflächen angelegt, um den genauen Verlauf von Limes und Palisade im Gelände zu ermitteln. Es konnte festgestellt werden, daß direkt unter dem Waldboden eine Stein- und Kiesschicht ansteht, in die Graben und Palisadengräbchen von den römi­schen Soldaten in mühevoller Arbeit hineingetrieben wurden.

Wohl deshalb hatte der heute fast völlig verfüllte Limesgraben eine gerundete Sohle. Seine Einfüllung mit lockerer Erde und Waldboden zeichnete sich im Profil der Gra­bungsschnitte exakt als dunkle Verfärbung ab. Seine maximale Breite betrug noch etwa 3,50 Meter, die Sohle des Grabens lag bei rund 1,80 Meter Tiefe. Der aus dem Grabenmaterial aufgeschüttete Wall hatte eine Höhe von mindestens 2 Metern und lag unmittelbar hinter dem Graben. Das Palisadengräbchen war im Verlauf der Grabungsarbeiten schwer zu finden, da es nur eine Breite von 0,50 Meter aufwies.

Hier angelegte Schnitte ergaben noch eine Tiefe von 0,40-0,50 Meter von angenommenen 0,70 Meter, die nötig waren, um den mächti­gen Stämmen der Palisade Halt zu geben. Zu diesem Zweck waren die 0,25-0,30 Meter dicken Stämme außerdem an den Seiten mit Steinen verkeilt. Reste der hölzernen Palisade, wie sie bei Grabungen an anderer Stelle des obergermanischen Limes zum Vorschein kamen, waren nicht erhalten.

 

Der archäologische Rundwanderweg:

Die rund drei Kilometer lange Wanderstrecke, die in ihrem Verlauf entlang dem Pfahlgraben mit den Wanderwegen Friedberg-Gelnhausen (Markierung: grünes Andreaskreuz) und Limes-Wanderweg (Markierung: schwarzer Limesturm) des Vogelsberger Höhen-Clubs zusammenfällt, gibt Informationen zur römi­schen und vorgeschichtlichen Archäologie und zur heimischen Naturkunde.

Die archäologischen Sehenswürdigkeiten kann man zusammen mit den naturkundlichen betrachten. Man beginnt am besten an der Limes-Rekonstruktion an der Straße Rommelhausen-Ostheim. Der archäologische Wanderweg zwischen den Wachtposten Wp 4/102 und Wp 4/105 mit der Rekonstruktion eines Limesab­schnittes um 200 nCh bietet dem interessierten Wanderer die Möglichkeit, einen wichtigen Abschnitt der Geschichte der Wetterau zu erwandern. An verschiedenen Punkten entlang der Strecke geben Informationstafeln einen Einblick in die Bronze- und Eisenzeit und besonders in die römische Zeit und die archäologische Forschung der Region. Entlang des Limes stehen stilisierte Wachttürme aus „Gabionen“, die die Bauweise und das Material der römischen Türme verdeutlichen. Alte Grenzsteine stehen im Unterholz an den Grenzen der vergangenen 200 Jahre.

Der naturkundliche  Lehrpfad beginnt an sich am Parkplatz, aber er kann natürlich auch von der Limesrekonstruktion aus begangen werden. Der Waldlehrpfad hat zum Ziel, die Kenntnis über den heimischen Wald einer breiten Öffentlich­keit näher zu bringen. Im Vordergrund der Erläuterungen entlang dem Wan­derweg stehen daher Artenkunde, forstwirtschaftliche Ziele und die Bedeu­tung des Wirtschaftswaldes als Erholungsraum. Am Wegrand stehen zur Erklärung der einheimischen Bäume 1 Sträucher regelmäßig Informationsschilder. Zahlreiche Nist­kästen und Vogeltränken sind vom Weg aus zu sehen.

Bei der Numerierung wird weitgehend einem Informatiosnblatt der Gemeinde Liemeshain gefolgt. Wenn aber auf einen Punkt „auf der Karte“ verwiesen wird, dann handelt es sich um die Zahlen auf dem Führungsblatt des Landesamtes für Archäologie.

 

(1)  Limes-Rekonstruktion mit „Picknickplatz am Limes“: Rekonstruierter Abschnitt des Limes, wie er in der Zeit 200 nCh vermutet wird. Auf 25 Meter Länge ist die Anlage mit Wall, Graben und 2,50 Meter hoher Palisade rekonstruiert worden  (Punkt 2 der   Karte). Von hier aus geht der Weg zunächst am gut sichtbaren, zur Hälfte unter ihm liegenden Wall entlang nach Süden.

 

(2) Standort eines ehemaligen hölzernen Wachtturms (2a)  und eines ehemaligen steinernen Wachtturms (2b):

 Es handelt sich um Wp 4/103 „Im Unterwald“ (Punkt 3 der Karte); er befindet sich knapp 40 Meter hinter (westlich) dem Wall. Ein Waldweg trennt heute den südlich gelegenen älteren  Holzturm von 3,70 x 4,40 Meter Größe, der sich im Gelände als flache Erhöhung mit vier neu installierten Eckp­fosten in einem Ringgraben abzeichnet.                                                                                                                                     

Der jüngere Steinturm steht 38 Meter entfernt direkt nördlich am Weg. Der quadratische Turm von ursprünglich 5,90 Meter Seitenlänge und 1,15 Meter Mauerstärke ist durch frühere Ausgrabungsarbeiten stark gestört. Ein ihn umgebender Graben besaß auf der dem Wall zugewandten Seite einen Übergang. Die Stelle ist deutlich als Hü  gel und an den vielen umherliegenden Basaltsteinen zu erkennen. Bei den Grabungen  von Eduard Anthes und Wil­helm Soldan in den Jahren 1897/98 wurden Spuren eines Flechtwerkzaunes der älteren Limeslinie gefunden, der vor Errichtung der großen Palisade den Grenzverlauf markierte. Ab 2010 entsteht hier mit experimental-archä­ologischem Ansatz ein neuer steinerner Wachtturm nach alten Vorlagen. Dabei wird  zum Teil die experimentelle Archäologie angewandt

In der Nähe steht als Naturdenkmal eine Eiche mit Nisthöhle für den Waldkauz. Östlich des nächsten Querwegs ist die Infostelle „Einheimische Singvögel“ und „Ökosystem Wald“ mit einem Rastplatz.

 

(4)  Am nächsten Querweg westlich: Vermuteter Standort eines Wachtturms: Aufgrund der     notwendigen Sichtachsen von Turm zu Turm wird in diesem Bereich eine Turmstelle  vermutet.

(3)  Östlich: Kunstobjekt „Römisches Schwert und Schild“

 

Es wird empfohlen, den ausgeschilderten Wanderweg hier kurz zu verlassen, um zunächst dem Limes weiter zu folgen. Die Turmstelle des Wp 4/104 (Punkt 5 der Karte) ist nicht erhalten, wird aber etwa in der Mitte zwischen den Wachtposten 103 und 105 an einer topographisch günstigen Stelle vermutet.

(9)  „Drususeiche“ (Gemarkung Hammersbach):

Vor Erreichen des Wp 4/105 trifft man auf die sogenannte Drususeiche (Punkt 6 der Karte), ein imposantes Naturdenkmal unbekannten Alters, das mitten auf dem Wall steht und bis in die Krone ge­spalten ist. Wie und wann die Drususeiche zu ihrem Namen kam, ist ungewiss, allerdings weiß man, dass sie schon zur Zeit der Erforschung dieses Limesabschnittes im Jahr 1900/02 diesen Namen trug.

Namengebend ist der ältere Drusus, Nero Claudius Drusus, ein Bruder des Kaisers Tiberius und Stiefsohn des Augustus. Er kam in den Jahren 10 und 9 v.Chr. auf seinen Feldzügen gegen verschiedene Germa­nenstämme, darunter auch gegen die Chatten, durch das Gebiet der heuti­gen Wetterau. Nach einem Sturz vom Pferd, der seinen Tod zur Folge hatte, wurden ihm in Rom und in verschiedenen Teilen des Reiches Ehrungen zu­teil, unter anderem erhielt er ein Ehrenmonument (Kenotaph) am Rhein. Es ist nicht belegt, daß Drusus jemals den östlichen Teil der Wetterau besuchte.

Wp 4/105 „Bei der Drususeiche“, rund 200 Meter weiter südlich (Punkt 7 der Karte), befindet sich 38 Meter hinter dem Wall und stellt sich als eine völlig durchwühlte Turmstelle dar, die wegen dieser Ausgrabungsspuren aber gut zu erkennen ist. Sie besteht aus zwei Holzturmstellen und einem Steinturmhü­gel zwischen der nördlichen und dem Wall.

Wp 4/105 ist eine mehrphasige Anlage, die nach Osten hin zunächst durch einen Flechtwerkzaun, dessen 6-8 Meter hinter der späteren Wallkrone gelegenes Gräbchen auf eine Länge von 15 Meter verfolgt werden konnte, und einen etwa 5 Meter breiten Begleitweg abgegrenzt war. In den jüngeren Ausbauphasen des Limes wurde hier statt dessen die Palisade und schließlich Wall und Graben errichtet. Anfangs hatte die als „Baracke“ bezeichnete Anlage des Holzturmes 1 einen annähernd kreisförmigen Ringgraben von rund 12 Meter Durchmesser. Darauf folgte eine zweite Umwehrung, die rechteckig, fast quadratisch mit abgerundeten Ecken war. Als jüngste Bauphase wurde ein schmales, tiefes Gräbchen mit senk­rechten Wänden angelegt, vermutlich für eine Holzwand, mit einer Unterbre­chung an der Ostseite. Im Innern der Anlage konnten mehrere Kulturschich­ten und eine kleine Feuerstelle festgestellt werden. Die in den Gräben gefun­denen Gefäßscherben sind heute verschollen.

Dieser Holzturm muß bereits längere Zeit aufgegeben gewesen sein, als der Steinturm direkt östlich davon errichtet wurde, da dessen flacher Ringgraben über die Gräben der älteren Anlage führte. Der Graben ist an der dem Wall zugewandten Ostseite für einige Meter unterbrochen, um einen Übergang zu schaffen. Die Grundmauern des quadratischen Steinturmes von 5,50 Meter Seitenlänge sind bis auf die Fundamente ausgebrochen. Vom südlich gelege­nen Holzturm 2 wurden bei den von Wilhelm Soldan zwischen 1898 und 1900 durchgeführten Sondagegrabungen einzig zwei Eckpfosten des Tur­mes freigelegt und der Ringgraben an zwei Stellen geschnitten.

Der Pfahlgraben ist noch 200 Meter weiter nach Süden hin zu verfolgen und dann mit dem Beginn der Felder verschwunden. Ein 260 Meter vom heutigen Waldrand entfernt stehender Denkstein mit der In­schrift „Pfahlgraben 1912“ zeigt die Stelle an, bis zu der er bis zur Flurbereini­gung im Jahre 1911 im damals abgetriebenen Wald noch erhalten war  (direkte Verlängerung des Limes in die Felder hinein. Vom Feldweg geht ein Stichweg in die Felder, eine Hinweistafel auf einem Pfahl zeigt die Richtung). Bis zum Kastell Marköbel liegen im weiteren Verlauf noch die nicht mehr sichtba­ren Turmstellen Wp 4/106 und 107, die letzten der Limesstrecke 4. Man geht dann wieder zurück bis zum Kunstobjekt „Römisches Schwert und Schild“ und nach Osten auf dem naturkundlichen Lehrpfad weiter.

 

(D)  Infotafel „Waldschäden durch Orkane“

(E)  Infotafel „Die Aufgabe der Jagd“

(F)  Hirschkäfer-Brutstätte mit Infotafel „Der Hirschkäfer in unserer Heimat“

Naturdenkmal „Hutebuche" Infotafel „Lebensraum Waldsaum"

(G)  Naturdenkmal „Hutebuche“

(H)  Infotafel „Lebensraum Waldsaum“

(

I)  Mammut- und Ginkgobäume und Waldrandgestaltung nach neuen  Erkenntnissen

(J)  Fledermaushöhle

(A)  Infotafel „Photosynthese“."

 

Ein Waldweg parallel zur Landstraße Rommelhausen-Ostheim führt durch die Waldabteilung „Försterahl“ wieder zum Parkplatz an der Limes-Rekonstruktion

 

Wer eine weitere Sehenswürdigkeit am Limes aufsuchen möchte, läuft vom rekonstruierten Limesstück (Punkt 2 der Karte) über die Straße Rommelhau­sen-Ostheim nach Norden und erreicht nach 500 Meter langer Wanderung auf dem hier vorzüglich erhaltenen Wall die Stelle des Wp 4/102, das Kleinkastell „Auf dem Buchkopf“ (Punkt 10 der Karte).

 

(7)  Das Kleinkastell „Auf dem Buchberg“ in der Gemarkung Altenstadt wurde etwa in der Mitte der Limesstrecke zwischen den Kastellen Altenstadt und Mar­köbel errichtet. Ein großer, flacher Schutthügel bedeckt die Reste des etwa 125 Quadratmeter großen Bauwerks mit abgerundeten Ecken, das 10,65 Meter Länge in der Pfahlgrabenrichtung und 12 Meter Breite besaß. Es zählt damit zu den kleinen Anlagen dieser Art und beherbergte etwa 20 Soldaten. Friedrich Kofler, der im letzten Jahr­hundert auch in der östlichen Wetterau wichtige Ausgrabungen leitete, hat diesen großen Wachtposten im Jahr 1886 untersucht; Einzelheiten oder Funde sind jedoch nicht bekannt. In diesem Bereich finden sich weitere Sehenswürdigkeiten:

 

(6)  Kunstobjekt „Germanenstämme“ (Holzstelen mit Namen der Stämme)

(8) Standort eines ehemaligen Flak-Funkturmes: Heute sind noch die Betonfüße und zwei Ringgräben eines ehemaligen hölzernen Turmes gut sichtbar. Sie entstanden im 2. Weltkrieg, als der heutige Nachbarort Waldsiedlung noch ein geheimer Flugplatz war.

In der Nähe des Kleinkastells „Auf dem Buchkopf" verläuft der Wander- und Pilgerweg „Bonifatius-Route” von Mainz nach Fulda. Vom Buchberg kehrt man wieder zurück zum Parkplatz. Der weitere Verlauf des Limes bis Altenstadt ist aber inzwischen auch gekenn­zeichnet.

 

 

Limes-Wachtturm in Limeshain-Rommelhausen                                    

Ostheimer Straße, Parken am Sportplatz, dann 700 Meter Waldweg

Für Kinder: Spiele der Römer und Germanen. Info: 06047-951879

Schon vor 2000 Jahren sicherten die Römer zur Versorgung ihrer Truppen die fruchtbare Wetterau durch einen Grenzwall, den Limes. Er war mit Kastellen und Beobachtungstürmen ausgestattet und wurde im Jahr 2005 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt.

Limeshain trägt als einzige Gemeinde den Limes im Namen und präsentiert dies auch im Wappen. Der Limes ist in der Gemarkung noch sehr gut sichtbar, da er im Wald verläuft. Im Jahr 2000 gründete sich der Geschichts- und Kulturverein Limeshain e.V. (GK) in der Hoffnung, den römische Wachtturm 4 / 103 neu aufstellen zu können. Damals dachte niemand, dass dieser Traum bereits nach zehn Jahren Wirklichkeit werden würde.

Zunächst erfolgten Gästeführungen entlang des drei Kilometer langen Rundwanderweges mit archäologischen und naturkundlichen Besonderheiten. Dabei wurden die ersten Spenden akquiriert. Auch Gespräche mit Wissenschaftlern, Bürgern und anderen Akteuren entlang des Obergermanisch-Raetischen Limes brachten viele Erkenntnisse. Gut informiert entschied man sich zur Rekonstruktion des Wachtturmes in Stein.

Die Bauweise entspricht, ebenso wie die Rekonstruktion der Limesanlage in unmittelbarer Nähe, der experimentellen Archäologie. Alle Arbeitsweisen wurden konstant denen der Römer nachempfunden. An verschiedenen Aktionstagen konn die Bevölkerung mit antikem Werkeug mitarbeiten, ein Rückepferd kam zum Einsatz und ein tragender Balken des Daches wurde per Hand hergestellt. Im Alltag kamen moderne Maschinen zum Einsatz.

Bauherr ist die Gemeinde Limeshain, die große Unterstützung durch ambitionierte Fachkräfte und Wissenschaftler der Kreisarchäologie und des Landesamtes für Denkmalpflege erfuhr.

Der Turm ist nahezu identisch mit dem Original und dient nun als Beobachtungsprojekt der Archäologen.

Im Jahre 2013 weihte die Gemeinde Limeshain die Rekonstruktion des Wachtturmes mit einem großen Römerfest ein. Heute kommen Wanderer, Radfahrer oder kulturell Interessierte aus Nah und Fern. Viele verbinden den Besuch des Wachtturms auch mit der Keltenwelt am Glauberg.

 

 

Büdingen

„Ein Stückchen Mittelalter, gezeigt von seiner attraktivsten Seite“. Kein anderer als Albert Einstein adelte mit diesen Worten die Stadt Büdingen nach einem Besuch im Mai 1952. Könnte der große Gelehrte heute die Altstadt sehen, er würde fast alles unverändert vorfinden. Eher gewann noch der historische Kern dank umfassender Sanierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten.

Eine Fahrt nach Büdingen kommt einer Reise in die Ver­gangenheit gleich, der Rundgang in dem mittelalterlichen Städtchen heißt Historie aus erster Hand erleben. Es ist tau­sendjährige Geschichte, die mit einer staufischen Wasserburg der Herren von Büdingen im Dienste der nahen Kaiserpfalz Gelnhausen begann. Das Ende dieses Geschlechts 1245 läu­tete auf dem Erbwege die Ara der Ysenburger ein, in unun­terbrochener Folge bis heute als Fürsten zu Ysenburg-Bü­dingen hier ansässig.

Der Luftkurort Büdingen ist ein Kleinod am Rande des Vogelsberges. Die Stadt machte Geschichte, als in ihren Mauern der Hexenwahn tobte. Oder als sie zur Sammelstelle für die Menschen wurde, die nach Rußland auswanderten, um dort bessere Lebensbedingungen zu finden. Seit dem 13. Jahrhundert wurde hier Wein angebaut, Silber und Eisen abgebaut. Auf Schritt und Tritt begegnet man heute noch den vielen steinernen Zeugen einer reichen Vergangenheit. Das Schloß und jahrhundertealte Fachwerk- und Sandsteinhäuser halten die Geschichte der Stadt lebendig.

Die Entwicklung der Stadt ist untrennbar mit diesem Herrscherhaus verbunden. Aus einer staufischen Wasserburg entwickelte sich die Ysenburgische Residenzstadt Büdingen.  Im Schutze der Wasserburg des Ysenburger Grafenhauses erwuchs ein aufstrebendes Städtchen. Aus Burg­mannen­sitzen vor der Residenz wurde eine bürgerliche. von Privilegien geschützte Stadtgesellschaft, die sich ein großes Rathaus, die kunstvoll gestaltete Marienkirche sowie repräsentative Fachwerkhäuser leisten konnte.

Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung löste im Spätmittelalter ein mächtiger Befestigungsring die frühe, aus dem 14. Jahrhundert stammende Stadtmauer ab. Die gut zwei Kilometer lange Bastion mit ihren 22 Türmen und Halbschalen gilt heute als eines der besten Beispiele für den veränderten Festungsbau seit Aufkommen der Feuerwaffen.

Wie friedlich dagegen das Bild, schlüpft man durch einen der Einlässe in den historischen Kern. An den gepflasterten Straßen wechseln Stein- und Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten einander ab. Mal rücken sie in den Seitengassen dicht zusammen. Dann wieder beanspruchen sie den Platz selbstbewußter Repräsentation, für das stellvertretend der großartige Fachwerkbau des Luckischen Hofes von 1510 steht oder das kaum jüngere, durch einen Doppelstockerker gezierte Steinerne Haus.

Am Anfang Büdingens stand die im 12. Jahrhundert erbaute Wasserburg. Aus der vorgelagerten Burgmannensiedlung ging das bürgerliche Gemeinwesen hervor, das 1330 Marktrecht und bald darauf den „Freiheitsbrief“ durch das Haus Ysenburg erhielt. Im Gegenzug mußten die Bewohner ihre Stadt mit einer schützenden Mauer umgeben und sichern. Seit deren Fertigstellung nach 1350 entstand jenseits davon die Neustadt. Erst 300 Jahre später wurden die Wälle und Gräben zwischen den beiden Stadthälften niedergelegt. An der wichtigsten Nahtstelle gewann man so Raum für einen von Fachwerkhäusern umstandenen Marktplatz. dem heutigen Zentrum.   

Die ursprüngliche Mauer blieb auch nach dem Bau der großen. Alt- und Neustadt umklammernden Befestigung teilweise erhalten. Das längste Stück steht am „Garten Kölsch“, wo Stauden das rötliche Gestein effektvoll betonen. Gleich daneben findet sich eine erdgeschichtliche Skulpturengalerie. Mächtige Felsbrocken geben Einblick in die mehrere hundert Millionen Jahre zurückreichende Geologie nicht nur von Vogelsberg und Wetterau.      

 

Westlich der auf einer Insel im Seemenbach erbauten Burg entstand früh ein befestigter Marktflecken, der schon 1321 Stadtrechte be­saß. Nördlich davon wuchs eine ebenfalls umwehrte Neu­stadt. Lange waren beide Ortshälften durch Mauern getrennt, ehe mit dem fachwerkgesäumten Marktplatz die Teilung überwunden und ein gemeinsamer Ortsmittelpunkt entstand. Im 14. Jahrhundert wurde die Befestigung der Altstadt angelegt. Als diese aus allen Nähten platzte, wurde nördlich davon die Neustadt angesiedelt. Sie ist ebenfalls mauerumwehrt und wurde 1390 vollendet. Das Festungswerk, das heute noch Alt-Büdingen umgibt, ist ein dritter Verteidigungsring, den Graf Ludwig II. von Ysenburg (1461 – 1511) um beide Stadtteile zusätzlich anlegte, groß genug, auch für die Bevölkerung der umliegenden Dörfer Schutz dahinter zu bieten.

Die Büdinger Altstadt zeigt, wie eine spätmittelalterliche Stadt aussah. Sie ist ein noch ganz geschlossenes, stimmungsvolles Bau-Ensemble mit fachwerkgesäumten Gassen, das von Wehrmauern, Türmen und Toren umschlossen wird. Büdingen ist eine der wenigen Städte in Deutschland, die noch im Besitz einer komplett erhaltenen Befestigungsanlage mit Stadtmauer, Stadttürmen, Bollwerk und Stadttor ist.

Es gibt  aber auch eine Vorstadt. Mit den dort im 18. Jahrhundert planmäßig angelegten Fachwerkhäusern ließ man räumlich und geistig das Mittelalter hinter sich. Lange war es den Büdin­gern verwehrt, außerhalb der Stadt, das heißt vor dem Festungsgürtel zu wohnen. Erst als die gesteigerte Feuerkraft der Kanonen selbst die bis zu vier Meter dicken Mauern wertlos machte, änderte sich das. Durch den gewonnenen Platz konnten die im frühen 18. Jahrhundert jenseits des Jerusalemer Tores als Vorstadt begründeten Fachwerkhäuser auch längsseitig und nach einheitlichem Plan errichtet werden.          

Aber nicht nur wegen ihres Gleichmaßes verdienen die wohlerhaltenen Gebäude besondere Aufmerksamkeit. Sie stehen ebenso für Freiheit und Aufklärung. Dort siedelte man jene religiös Verfolgten an, denen das 1712 vom Ysenburger Grafen Ernst Casimir erlassene „Toleranz-Edikt“ Aufnahme gewährte. Damit wurden erstmals in Deutschland alle um ihres Glaubens willen Verfolgten geschützt. Kein Wunder, daß den angelockten Wiedertäufern, Inspirierten oder Herrnhutern nach Jahren der Drangsal das in der fruchtbaren Wetterau gelegene Büdingen gleichsam als himmlisches Jerusalem auf Erden erschienen sein muß. Seine Pforte, das spätgotische Untertor, tauften sie nach der heiligen Stadt. Ins Reich der Legende gehört dagegen die Geschichte vom wundersamen Freikauf eines Büdinger Grafensohnes aus der Gefangenschaft, in die er bei einer Pilgerreise nach Palästina geraten war. Dankbar habe er darauf die Doppelturmanlage nach Vorbild des Jerusalemer Schaftores 1503 erbauen lassen.    

 

Anfahrt mit dem Auto: Bruchköbel, Windecken, Ostheim, Marköbel, Langenbergheim. Am Orts­ausgang rechts geht es in Richtung Büdingen. Rechts von der Straße liegt Marienborn. Weiter geht es über Calbach und Orleshausen nach Büches. Am Ortseingang von Büches geht es rechts ab Richtung Büdingen. Zuerst kommt man in den Ortsteil Großendorf. Auf dem Friedhofsge­lände links (Am Kreischborn 3) steht die St. Remigius‑Kirche. Sie wurde erbaut um das 11. Jahrhundert herum als Nachfolgebau einer Holzkirche von 700 oder noch bis in die fränkische Land­nahmezeit hineinreichend, also bis ins 6. Jahrhundert. Sie war bis ins 14. Jahrhundert. Mutterkirche der Mark Büdingen. Heute sind noch Bausubstanzen aus der Karolinger- und Salierzeit erhalten. An den Innen‑ und Außenwän­den stehen schöne alte Grabsteine. ­

Auf der Rückfahrt folgt man den Schildern in Richtung Hanau, dann Altwiedermus-Erlensee. Über Lorbach kommt man auf der Höhe links zu einer weißen Kirche. Die klassizistische Totenkirche steht auf dem Haag (Hügel), der Anla­ge eines ehemaligen Zisterzienserklosters (um 1264). Danach erreicht man Herrnhaag (siehe eigene Datei „Herrnhaag“). Weiter geht es über Diebach am Haag, Hüttengesäß, Marköbel, Hirzbacher Höfe, Neuberg, Bruchköbel.

 

Rundgang durch Büdingen

Mühltor:

Von der Gymnasiumsstraße geht man zunächst zum Eingang der Altstadt, dem „Malerwinkel“ von Büdingen. Hier stand das Mühltor von 1353. Rechts in einem Turm an der Mühltorbrücke ist das Schlaghaus am Semenbach von 1353  (Altstadt 30). Hier ist dem traditionsreichen Beruf der Metzger ein eigenes Museum gewidmet. Über 400 Jahre besaßen die Fleischer ein gemeinsames Schlachthaus. Das bis 1895 benutzte „Schlaghaus“ steht noch und erhielt für das Museum die ursprüngliche Einrichtung mit Schlachtbalken und Winde zurück.

Hier waren ursprünglich eine Furt und eine hölzerne Brücke. Dann wurde ein Brückenhaus gebaut, das 1584 umgebaut wurde zum Schlachthaus. Seit ist hier 2006 das Metzgermuseum (Altstadt 30). Links Melior’sches Haus und Meliors Turm. Links davon geht man über das „Lohstegbrückel­chen“ an der Stadtmauer entlang. Man kommt zum „Grünen Turm“ und „Roten Turm“ und zum Kuchenbach „Mäusfall“ von 1503 und weiter zum Eingang in die Neustadt.

 

Vorstadt und Jerusalemer Tor

Links ist die Vorstadt, eine Neugründung, schon außerhalb der Mauer, 1712 und 1724 für Hugenotten und Waldenser angelegt. Rechts ist eine Baugruppe, die als Symbol der Stadt schlechthin gilt: das Untertor von 1503, besser bekannt unter dem Namen „Jerusalemer Tor“. Mit seinen beiden flankierenden dicken Türmen, ihrer filigranen Brüstung, den Erkern und Wappen, ein Gesamtkunstwerk der Verteidigungstechnik und baulichen Gestaltung. Es  verbindet unübertroffen Wehrhaftigkeit und Kunstfertigkeit. Das spätgotische, von einer filigranen Maßwerkbrüstung gezierte Tor

Das  Tor wurde während der Regierungszeit des Grafen Ludwig II. von Ysenburg mit Brücke und Graben gebaut und damit die alte Festung der Stadt vergrößert. Es soll die leicht zugängliche Westseite der Stadt schützen.  Im Senkscharten-Erker des Turmes sind das Datum der Fertigstellung 1503 sowie die Wappen des Grafen Ludwig II. von Ysenburg und seiner Frau Gräfin Marie zu Nassau zu sehen.  

Ehrfurchtgebietend wirken da die Sandsteinmauern. bedrohlich die Schießscharten in den mächtigen Türmen.  Die prachtvollen Fischblasen-Maßwerkbrüstungen, die wasserspeienden Löwen, der Pfötner-Erker und die Reste der Hebevorrichtung der Zugbrücke sind von herausragender Bedeutung an diesem Tor einem der wenigen spätmittelalterlichen deutschen Stadtore.

Das Jerusalemer Tor wurde bereits 1987 saniert. Als erstes mußte der Oberbau der Brücke kom­plett zurückgebaut und steinmetzmäßig bearbeitet werden. Anschließend wurde der Unterbau saniert. Dabei wurden auch die drei Brückenbögen von jahrhundertealtem Geröll gereinigt. Nun ist nach langer Zeit wieder der Blick durch die Bögen hindurch möglich. Eine Plastikverfugung der Pflastersteine ermöglicht eine fast glatte Oberfläche unter Beibehaltung des mittelalterlichen Charakters. Mit Hilfe historischer Zeugnisse wurde die alte Zugbrücke zumindest optisch nachgestellt.

Im Jerusalemer Tor befindet sich ein Sandrosen-Museum. Vor gut 20 Millionen Jahren sind die wie versteinerte Rosen wirkenden Gebilde im sandigen Untergrund kristallisiert. Die schönsten Exemplare seiner 600 Rosen wurden von dem Sammler Lothar Keil in einem Museum zu­sam­mengetragen, für das es keinen passenderen Rahmen als die Sandsteintürme des Jerusalemer Tores gibt.  Er hat sie in 40 Jahren ausschließlich in der Wetterau gefunden. Sie haben sich im Sand gebildet durch Kieselsäuren. . Geöffnet ist das Museum Freitag bis Sonntag von 14 – 17 Uhr.

 

Bollwerk:

Man geht aber weiter um die Mauer herum. An der Ecke der Stadtmauer steht das viergeschossige Bollwerk, mit seinen mehr als vier Meter dicken Mauern und 16 Geschützkammern. Wegen der fortgeschrittenen Geschütztechnik baute man im Westen der Stadt dies starke Bollwerk. Einer der Türme war auch Gefängnis. Auf seiner Plattform spielten die Wächter auf den Fugen der Steine das Brettspiel Mühle, ums ich die Zeit zu vertreiben.

 

Hexenturm:

Über einen Wehrgang ist das Bollwerk wiederum verbunden mit dem Hexenturm von 1390, in dem sich der Wahn der Hexenverfolgung im 16. Jahrhundert austobte. An der Mauer entlang geht es nach Norden am einstigen Kelterhaus vorbei zum mächtigen Folterturm (auch „Dicker Turm“ genannt), der während der Hexenprozesse traurige Berühmtheit erlangte. In den Jahren 1999 bis 2000 wurde der Turm am Hirschgraben saniert (zum Beispiel mit einem Ringanker).

 

Obertor:

Weiter kommt man zum Obertor. Nordwestlich vor dem Obertor an der Nordseite der Straße ist noch das Bandhaus von 1529 mit dem Vorbau von 1572. Nach rechts kommt man zum Betzen­loch von 1520 (hier wurden „Spätheimkehrer“, die nach Toresschluß noch kamen, eingelocht) und zum Obertor.

 

Oberhof:

In der Obergasse steht gleich links der Oberhof, das erste Renaissance-Gebäude der Stadt. Graf Georg von Ysenburg ließ den Oberhof 1569 - 1574 von dem fränkischen Baumeister Konrad Leonhard als großangelegten Herrschaftssitz mit sechs Gebäuden erbauen und mit einer reichen Bemalung sowohl innen als auch außen versehen. Nach anfänglicher Nutzung als Residenz des Grafen Georg und seiner Frau Barbara diente er in den folgenden Jahren vorwiegend als Witwensitz. Bautätigkeiten sind aus den Jahren 1588 und 1620 bekannt. Im Jahre 1901 wurde zur Vermählung des Erbprinzen Wolfgang zu Ysenburg-Büdingen der Herrschaftssitz im Inneren entsprechend den Zeitvorstellungen modernisiert. Seit dem Zweiten Weltkrieg diente er verschiedenen Nutzungen und wurde in zunehmendem Maße vernachlässigt.

Das erste Obergeschoß wurde als repräsentatives Wohngeschoß genutzt und war prächtig ausgemalt mit ornamentaler, floraler und zum Teil auch figürlicher Dekorationsmalerei. Die Holzteile waren grau oder rot angelegt und mit linearen und floralen Ornamenten bemalt. Die Felder wurden mit figürlichen Szenen geschmückt. Die Tür- und Fensterrahmungen waren sowohl auf dem Werkstein wie auch auf dem anschließenden Putz mit einer Architekturmalerei versehen.

Das Erdgeschoß war wohl in gleicher Weise ausgemalt, leider ist davon nach der letzten großen Renovierung um 1900 nichts mehr vorhanden. Das äußere Erscheinungsbild des Adelssitzes war nicht weniger künstlerisch gestaltet: Drei Fassaden waren mit einer Architekturmalerei, das Sockelgeschoß mit einer durchgehenden Diamantquaderung überzogen.

Die überkommene Fassung und Ausstattung um 1900 wurde Grundlage des inneren Gestaltungskonzepts. Auf Wunsch des Bauherrn wurden die spektakulären Malereibefunde des 17. Jahrhunderts als „Fenster in die Geschichte“ in den Räumen gezeigt. Das Treppenhaus konnte in seiner ursprünglichen Fassung komplett rekonstruiert werden. Die angestrebte Nutzung ermöglichte die Erhaltung der Raumaufteilung und Erschließung. Das vorgefundene äußere Erscheinungsbild des Hauses wurde so gut wie nicht verändert.

Als denkmalpflegerische Zielvorgabe wurde die Erhaltung des historischen Putzes mit den Malereiresten an der Südfassade gefordert. Die Fehlstellen im Putz wurden ergänzt mit einem Putz, der in seinem Aufbau mit Hilfe von naturwissenschaftlichen Analysen und restauratorischen Arbeitsproben dem historischen nachempfunden werden konnte. Der historische Putz der beiden übrigen Fassaden konnte nicht erhalten werden. Die hier noch vorhandenen bemalten Teile wurden vorsichtig abgenommen, auf Platten aufgezogen und zieren heute mit der entsprechenden didaktischen Erläuterung die Flure der Musikschule. Der neue Putz wurde nach der ermittelten Rezeptur hergestellt und angebracht.

Der teilweisen Absenkung des Gebäudes und der damit verbundenen Rissebildung wurde durch eine weitgehend erschütterungsfreie Nachgründungsmethode begegnet. Nach dem so genannten „Soil-crete-Verfahren“ wurden Betonsäulen unter die Fundamente gesetzt. Vor den Nachgründungsmaßnahmen wurden die bemalten Putze fixiert und gesichert. Die Malereien an der Südfassade haben auf diese Weise die Nachgründung gut überstanden; etwa 90 Prozent des historischen Putzes konnten hier erhalten werden.

Der Umbau der Nebengebäude zu Sozialwohnungen konnte nicht ohne Verluste an historischer Bausubstanz vor sich gehen. Die geplante Veränderung der Grundrisse und die immer wieder plötzlich auftretenden Bauschäden führten häufig zu weitgehenden Entkernungen der Gebäude. Beim Ausbau der Dachgeschosse wurde darauf geachtet, daß die vorhandenen Gaupen und Fenster nur durch wenige neue ergänzt wurden, um das Erscheinungsbild der Dachlandschaft nicht zu stark zu verändern. Auf dem Haus A konnte eine neue Reihe Gaupen nicht verhindert werden. Bedauerlicherweise wurden Farbbefunde negiert und auch an alten Teilen eine „moderne“ Farbgebung entgegen den Auflagen der Denkmalpflege verwendet.

Der Umbau der ehemaligen Stall- und Remisenhäuser zu einer Musikschule ermöglichte zumindest die Erhaltung der Raumstruktur. Die für das äußere Erscheinungsbild so charakteristischen Arkadengänge konnten - wenn auch verglast - erhalten werden. Der Stallraum mit seiner zweireihigen Säulenstellung wurde zum Konzertraum.

Im Kulturzentrum Oberhof befindet sich das Büdinger Modellbau-Museum. Hier sind über 150 perfekt nachgebildeten Schiffe, Autos und Eisenbahnen aufgebaut.

 

Marktplatz:

Wenn man durch den Oberhof geht, kommt man  durch die Kronengasse zum Marktplatz (wie man durch die Erbsengasse zum „Büdinger Urhaus“ aus dem 14. Jahrhundert kommt, wurde nicht probiert). Hier finden sich viele schöne Fachwerkhäuser und der Marktbrunnen. Die Jahreszahlen an der Brunnenfigur weisen auf Reparaturen hin.

Am Ende des Marktplatzes steht rechts das ehemalige Gasthaus „Zur Krone“ von 1490. Hinter dem Tourismusbüro haben Bauarbeiter beim Aufgraben von Leitungen zufällig ein Stück alte Stadtmauer entdeckt. Büdingen hat gleich zwei Stadtmauern: eine aus dem Jahr 1353 und drumherum ein großes Bollwerk aus der Zeit um 1500. Die alte Mauer um den Kern der Altstadt ist nur noch in Resten vorhanden. Jetzt fand man knapp unter dem Boden ein teilweise verputztes, einen Meter dickes Sandsteinfundament. Bisher wurde an dieser Stelle ein Eckturm vermutet - doch tatsächlich knickt die Mauer in einem 45-Grad-Winkel in Richtung Marktplatz ab. Das etwa vier Meter lange Stück soll nun schräg ansteigend aufgemauert werden. Die Steinmetze der fürstlichen Bauhütte haben mannshohe Rundbögen an die Innenseite der Mauer gefügt, um ihre Stabilität zu erhöhen.

Die Neuentdeckung verlängert so die gerade frisch restaurierte Mauer-Etappe am früheren „Garten Kölsch“. Dieser soll so gestaltet werden, wie ihn einst die naturverbundene und Botanik interessierte Edith Kölsch etwa 1950 anlegte (am Altstadtparkplatz bei der Mühltorbrücke an der Mühltorstraße). Zwischen den mittelalterlichen Mauern der Stadt Büdingen befand sich bis Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts ein privater Staudengarten, der von seiner Besitzerin Edith Kölsch (geboren 1894) liebevoll gepflegt wurde. Im Jahre 1985 starb Frau Kölsch, eine außergewöhnliche und vielseitig interessierte Frau. Ihr Garten stand jederzeit für Besucher offen, für das botanische Fachgespräch ebenso wie für den Schwatz mit Freunden, Künstlern und Nachbarn.

Nach dem Tod von Frau Kölsch begann eine rege Diskussion um die weitere Nutzung und Gestaltung der schon nach kurzer Zeit verwilderten Fläche. Gärten und öffentliche Grünflächen sind in der dicht bebauten Büdinger Altstadt Mangelware und so mehrten sich Stimmen in der Bürgerschaft, die für eine Neuanlage des Gartens eintraten. Im Frühjahr 2003 konnte der Garten als öffentlicher Staudengarten eingeweiht werden. Er ist unter Einbeziehung der Gartenphilosophie seiner Vorbesitzerin, aber in der Formensprache unserer Zeit neu entstanden. Wege aus Basaltpflaster und Trockenmauern aus Sandstein erinnern an die frühere Gestaltung, eine Stahlpergola und Stahl­rankgerüste in moderner Form zeigen verschiedene Kletterpflanzen.

Der Garten Kölsch weist unterschiedlichste Lebensbereiche auf: trockene Flächen oberhalb der Trockenmauer bis hin zu feuchten Freiflächen im extensiven Teil des Gartens. Unter einer alten Kastanie gedeihen Stauden des Lebensbereiches Gehölz / Gehölzrand, in der Mitte der Anlage sind Beetstauden nach unterschiedlichen Themen geordnet (zum Beispiel Herbstbeet). Soweit möglich, wurden die Stauden verwendet, die schon zu Lebzeiten von Edith Kölsch hier zu finden waren (eine ihrer Lieblingspflanzen war Phlox), allerdings geordnet nach ihren Standortansprüchen.

Natürlich spielte bei der Auswahl der Stauden auch die Pflegeleichtigkeit eine Rolle. Der Schwer­punkt der Blüte ist daher auch im Spätsommer, um zusätzliche Rückschnittarbeiten zu vermeiden. Der Garten wurde nach dem Prinzip der ganzjährigen Blüte gestaltet, seine Farbenpracht entfaltet er ganz besonders Ende Juli bis Anfang August. Inzwischen wird die Pflege von einer Gruppe Büdinger Bürger übernommen. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen war dies Voraussetzung für die Neu- Entstehung des Garten Kölsch.

Eine Armeslänge hinter der restaurierten Mauer steht seit zwei Jahren der Rohbau eines Hotels für 55 Betten, Weinstube und Freiluft-Ausschank. Im Magistrat glaubt man nicht mehr daran, daß der Investor Karl-Hermann Nauth den Bau jemals fertig stellt. Besonders verärgert zeigten sich die Stadträte beim Ortstermin über den Abstand des aus Beton und Ziegeln errichteten Skeletts zur Mauer: Anstatt sie in die untere Halle zu integrieren, war eine gläserne Trennscheibe vorgesehen. In den Spalt droht Regen zu sickern, der keine Abfluß-Möglichkeit hat. Deswegen wird die restaurierte Stadtmauer wohl bald vermoosen. Im Jahr 2012 wird berichtet: Herr Nauth war ein Betrüger und ist flüchtig.

 

Fünfziger-Jahre-Museum  (Marktplatz):

Geht man nun vom Marktplatz in die Straße „Altstadt“ hinein, so steht rechts das ehemalige Gasthaus „Zum Schwan“ aus der Zeit vor 1500. Heute ist dort das „Fünfziger-Jahre-Museum“ untergebracht. In mehreren Räumen tut sich ein Sammelsurium an hinreißend verschrobenen Utensilien auf: Von der ersten elektrischen Kuchenmaschine bis hin zum Multifunktionsgerät. Starschnitte von Elvis, Conny Froboess und Peter Kraus erlauben ein nostalgisches Schwelgen in der jüngsten Vergangenheit. Das Lebensgefühl eines aufregenden Jahrzehnts zwischen Wirtschaftswunder und Rock'n Roll hat das Fünfziger-Jahre-Museum eingefangen. Da gibt es für die Besucher viel (wieder) zu entdecken. Wer erinnerte sich nicht an Nierentisch und Tütenlampe, Vesparoller und Musik aus der „Jukebox“? Bei regelmäßigen Museumsfesten feiert man den Zeitgeist einer unverwechselbaren Ära.

 

Altes Rathaus / Heuson-Museum  (Rathausgasse 6):

Durch die Straße „Altstadt“ kommt man zum spätgotischen Fachwerk-Rathaus „Altes Rathaus“ von 1458 (insgesamt gibt es vier Rathäuser in Büdingen). Ursprünglich war es um Kauf- und „Spielhaus“. Die „Büdinger Elle“ an der nördlichen Ecke unter der Heiligennische erinnert noch an die Funktion als Kaufhaus. Am Haus befindet sich der Stadt-Born. Bis zum Jahre 1968 war das Gebäude noch Rathaus.

Heute befindet sich darin das Heuson-Museum. Mit Blick auf die reichen vorgeschichtlichen Funde greift das im historischen Rathaus aus dem 15. Jahrhundert untergebrachte Museum zeitlich und räumlich auch über die engeren Stadtgrenzen hinaus und veranschaulicht durch das Modell eines Dörfchen insbesondere die Keltenzeit. Hier hält man die Erinnerung an 1200 Jahre Büdinger Geschichte an die Welt der Ackerbürger und Handwerker wach. Es zeigt römische Funde, die vornehmlich aus dem nahen Limeskastell Altenstadt und anderen Fundplätzen der römischen Wetterau stammen. Hervorzuheben ist besonders ein Grabrelief mit Totenmahlszene aus Echzell-Gettenau. Aber auch die geschichtliche Entwicklung der Stadt wird dargestellt. Urkunden, Karten, Bilder, Modelle führen die Geschichte der Stadt im Erdgeschoß vor Augen, während im oberen Stockwerk Einblick in die ausgestorbenen Gewerbe der Altvorderen gegeben wird (zum Beispiel in den Beruf des Messerschmieds) sowie ausgewählte Aspekte jüdischen Glaubens und Lebens dargestellt werden. Benachbart kann zudem eine original erhaltene Schmiede besichtigt werden.

Das Heuson- Museum ist dienstags bis freitags von 10 bis 12 Uhr, mittwochs und samstags von 15 bis 17 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 12 und von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen können unter 06042/8841 71 vereinbart werden. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen. Gegenüber dem Heuson-Museum ist noch eine historische Schmiede zu besichtigen.

 

Ältestes Rathaus:

Hinter diesem Rathaus steht nördlich das älteste Rathaus der Stadt. Die Verkündungslaube an der Nordseite des Hauses weist auf den öffentlichen Charakter des Hauses hin. Es hat einen „Wilden Mann“ aus eichenen Fachwerkbalken, den Brustriegel aus einem Stück, die eindeutig darauf hinweisen, daß das Haus vor 1500 gebaut wurde. An der Fassade ist das Datum 1450 zu lesen.

 

Marienkirche:

Nördlich davon erhebt sich die spätgotische Marienkirch.  Sie wurde in den Jahren 1476 bis 1491 erbaut (andere Angabe: 1456 – 1475). Die Umgestaltung des kunsthistorisch bedeutenden Baus zu einer Stadt- und Residenzkirche nahm Graf Ludwig II. von Ysenburg vor. Der gotische Turmhelm wurde 1776 durch einen barocken ersetzt.

An den Streberpfeilern der Südseite sieht man Schabemarken. Der Sage nach sollen dort die Leute hier ihre Waffen oder Sensengeschärft haben. Wahrscheinlicher ist aber, daß die Menschen im Mittelalter hier „heiligen Staub“ rieben, den sie gegen allerlei Ungemach bei sich trugen oder Arzneien beimischten. Am Turm ist die ehemalige Lateinschule, unter dem Turm ist eine Liebfrauen-Kapel­le.

Auffallend im Inneren ist das mit Wappen geschmückte Netzgewölbe in Chor und Langhaus. Am Chorbogen ist das Jüngste Gericht dargestellt. In deren tiefem Chor liegen seit dem 16. Jahrhundert Anton von Ysenburg nebst Gemahlin begraben. An der Südseite hinten ist der Annenchor von 1602.

Bei einer Renovierung wurden die Putzoberflächen im Kirchenschiff trockengelegt, die Wandmalereien restauriert sowie die Fresken über dem Chorbogen und an der Nordseite gesichert und konserviert. Außerdem mußten die Säulen aus Büdinger Sandstein gleich zweimal entsalzt werden. Neue Elektroleitungen waren nötig, die Seitenkapelle mußte neu angelegt werden. Dennoch sieht man in den Pfeilern und anderswo wieder feuchte Stellen. Südwestlich der Kirche steht das Pfarrhaus von 1765.

 

Schloßplatz:

Östlich der Kirche beginnt schon der Schloßplatz. Links steht das Küchenmeisterhaus. Am hinteren Ende des Schloßplatzes steht rechts der ehemalige Marstall, ein 1611 unter dem Grafen Wolf­gang Ernst errichteter langer Stallbau mit ovalen Fenstern. Hinter dem Gebäude (von außen kaum sichtbar) stehen die mächtigen „Zehntscheunen“. Überraschender könnte der Eindruck kaum sein, wenn der Besucher am Ende eines Gangs durch die kleinteilige Welt der Büdinger Altstadt auf den weiten Schlossplatz trifft, hinter dem ein doppelter Gebäudebogen liegt.

 

Schloßgasse:

Nach rechts kommt man in die Schloßgasse. Gleich rechts steht das von Merlau’sche Burg­mannnen­haus. Daneben das „Haus Alt“, von dem ein Schild verkündet, daß hier anno dazumal die „Burg- und Stadtchirurgen“ wirkten; nach der Größe dieses Ambulatoriums gab es in den alten Tagen keine Probleme mit der Verweildauer der Patienten.

Nach rechts geht es weiter in der Schloßgasse. Links steht das Lauter’sche Haus von 1703, die heutige Rentkammer. Es folgen die ursprüngliche Buchdruckerei, das Haus Rothenberger aus dem 16. Jahrhundert und das Haus von Gehren von 1718 (heute Gaststätte „Schloßstuben“) (nicht gefunden wurde das „Haus Wagner“).

Gegenüber steht der „Luckische Hof“ von 1510 mit seinem stolzen Fachwerk und der prächtigen Torhalle, der im „Stiftsglöcknerhaus“ in Aschaffenburg sein Abbild hat.

Daneben stehen das Pfarrhaus und das Rektoratshaus. Rechts biegt die Färbergasse ab. An dem linken Eckhaus befinden sich Hochwassermarken, am Haus daneben ist ein Fratzenstein angebracht.

Wieder auf der linken Seite der Schloßgasse steht ein Burgmannenhaus von 1609. Daneben be­findet sich die ehemalige Lutherische Kirche, in der später die Gymnasiasten unterrichtet wurden und die dann  von 1770  -  1774 das Amtsgericht war und heute das  Berufsbildungszentrum der Stadt ist.

Am südlichen Ende der Schloßgasse steht links das um 1490 erbaute „Steinerne Haus“. Sehenswert hier die Wehranlagen im Hof und die Wasser-Notmarken an der inneren Torwange. Neben dem Haupttor hängt ein sagenumwobener Eberkopf. Man geht aber wieder ein Stückchen zurück über den Kirchhof der ehemaligen Lutherischen Kirche durch die Mauer. Links steht die frühgotische Mauer von vor 1353.

 

Schloßpark:

An der Weibismühle vorbei kommt man zum Pulverturm. Dahinter erstreckt sich der Schloßpark, der „Hain“. Die lange Hainmauer mit dem aufgeschütteten Wall schützt die Stadt vor Hochwasser. Unter tief herabhängenden Trauerweiden schwimmen Wasservögel - Frösche nicht zu vergessen. In der feuchten Niederung gehörte fröhliches Gequake schon immer zur natürlichen Geräuschkulisse Büdingens. So kam es, daß sich bald „.Beuringer Frääsch“, wie es mundartlich heißt, für die Einheimischen als Spitzname einbürgerte. Mit künstlerisch gestalteten Froschfiguren an den Fassaden und einer jährlichen „Froschparade“ im Frühjahr feiern die Büdinger ihr inoffizielles Wappentier.

Man geht nach links und kann sehr gut erkennen, daß das Schloß einmal von Wassergräben umgeben war. Das Schloß ist ein imposantes Gemäuer und geradezu typisch für die Traumvorstellung von einem mittelalterlichen Kastell. Es liefert Fotomotive in Masse - vor allem, wenn man sich von Norden durch den Schloßgarten nähert. Wenn man um das ganze Schloß herumgegangen ist, kommt man zunächst in einen äußeren Hof mit Küchenbau und Kemenaten. Nach links kommt man in den inneren Schloßhof des achthundert Jahre alten kreisrunden Schloß.

Die großzügige Vorburg umfaßt die - heute teilweise gastronomisch genutzten - Bediensteten- und Stallgebäude, während die Kernburg eine Ringmauer samt Turm umschließt.

 

Schloß:

Der Grundriß eines dreizehnseitigen Vielecks verrät den Ursprung als Wasserburg zwischen zwei Armen des Seemenbachs. einer Gründung der ersten Büdinger Herren im 12. Jahrhundert. Eine selbständige Grafschaft entwickelte sich dann unter den 1258 zur Herrschaft gelangten Ysenburgern. Kaum einer der Regenten versäumte es, die darüber zum Schloß gewordene Burg dem jeweiligen Stilempfinden von der Romanik bis zum Barock anzupassen.

Obwohl noch heute in der 23. Generation von der Ysenburger Fürstenfamilie bewohnt, darf das Schloß besichtigt werden. Fast könnte man glauben, für Besuchergruppen seien die Hausherren von der festlich gedeckten Tafel nur kurz aufgestanden oder hätten die mit Wandgemälden aus dem 16. Jahrhundert gezierten Räume und die Hauskapelle - berühmt für ihr geschnitztes Chorgestühl - gerade verlassen.

Zu beiden Seiten der spätgotischen Torhalle sind zwei steinerne „Wilde Männer“ postiert, denen in Oberhessen nachgesagt wird, daß sie beim mitternächtlichen Glockenschlag ihre Plätze tauschen. Mit rechten Dingen sei es schon nicht bei ihrer Entstehung zugegangen. Als nämlich um 1700 der damals regierende Fürst einem Steinmetz den Auftrag gegeben hatte, zwei keulentragende Männer aus Sandstein zu schaffen, da mißlang das erste Werk. Der erschreckte Meister, der glaubte, der Teufel habe seine Hand im Spiel, beförderte es bei Nacht und Nebel halb fertig aus der Stadt und warf es an den Straßenrand. Dort liegt der Stein noch heute am nördlichen Ausgang  der Stadt am Wegweiser zur  Jugendherberge.  Die beiden anderen, gelungenen Muskelkerle wurden vor dem Schloß aufgestellt. Von dort aus spukten sie seitdem vor dem fürstlichen Innenhof, ihren verlorenen Bruder suchen.

Das Schloß wurde im 12. Jahrhundert als Was­serburg gegründet und ist seit dem 17. Jahrhundert unverändert. Alles ist noch da in diesem Schloß: der Innenhof, die romanische Kapelle (der man in der Spätgotik einen zweiten Stock aufsetzte), Bergfried und Palas, der der älteste Wohnteil der Burg ist und zurückreicht bis in das 12. Jahrhundert. Im Sommer gibt es nachmittags Führungen durch das Fürstliche Ysenburg und Büding’sche Schloßmuseum, wobei man - außer dem von der Fürstenfamilie bewohnten Trakt - fast die gesamte Anlage besucht.

Das fürstliche Schloßmuseum bietet prächtige Räume mit kostbarer Ausstattung, darunter das spätgotische Chorgestühl der Schloßkapelle von 1497  und freigelegten Wandmalereien.  Beachtenswert ist vor allem der „gemalte Saal“ mit Bildern aus der Ysenburgischen Hausgeschichte. Er gilt als einziger romantisch ausgemalter Saal in Hessen, das „Gesamtkunstwerk“ wurde 1853 von dem Hofmaler Hofmann aus Darmstadt gestaltet.

Der Brunnen in der Burg erhält sein Wasser durch kieferne Röhren aus dem Buntsandsteinbruch oberhalb der Stadt. Einer Sage nach sollte der Brunnenstock immer aus Holz sein, das aber oft verfaulte. Im 18. Jahrhundert meißelte ein findiger Büdinger Steinmetz einen Brunnenstock in Gestalt eines Baumstumpfes aus Sandstein. Er ist noch links im Innenhof zu sehen. Der rechte Flügel des Schlosses ist prachtvoll verziert. Am südlichen Eingangstor kann man noch die Hochwassermarken beachten. Man kommt wieder auf den Schloßplatz und kann den Rundgang in der Schloßgaststätte beschließen.

 

Märchenhaft war in der Erinnerung vieler Menschen im mittelhessischen Büdingen jahrzehntelang ihr Verhältnis zur Fürstenfamilie Ysenburg. Wenn Fürst Otto Friedrich aus dem Schloß herauschauffiert wurde und da stand ein Bürger, hat dieser sich noch verneigt. Die Stadt hat vom Glanz des Adels profitiert. Doch mit der heutigen Generation ist alles anders. Denn nach dem Tod des alten Fürsten verfiel die Herrlichkeit. Heute empfindet das schmucke Mittelalterstädtchen das Fürstenhaus nur noch als Belastung. Der Großteil des Besitzes wurde verkauft, vieles verfällt im  Jahre 2014  mitten in der Stadt. Für den Tourismus ist das verheerend. Die Familie will aber keine Hilfe und schottet sich ab.  Das Familienhotel ist geschlossen, das Wappen verwittert, der Park verwildert und abgesperrt. Immer wieder trifft man auf „Betreten verboten“- Schilder. Wegen der Gefahr morscher Bäume auf fürstlichem Besitz mußte die Stadt leider  einen öffentlichen Rundweg sperren.

Weil eine Brücke, die ein paar Meter über adliges Eigentum führt, nicht mehr benutzt werden darf, will eine Bürgerinitiative eine neue ein paar Meter weiter bauen. „Sie wollen alles behalten und sind nicht mehr in der Lage, es zu erhalten“, kritisiert der Sprecher des Bürgerforums Steinernes Haus, Hans Joachim Beckmann. Er und rund 130 Mitglieder seines Vereins engagieren sich unter anderem für die neue Brücke und zahlreiche andere Projekte zum Erhalt der hübschen Altstadt.

Trieb Beckmanns Vater mit anderen Engagierten noch in gutem Einvernehmen mit dem verstorbenen Fürsten das Geld für eine neue Dachhaube des „Steinernen Hauses“ mitten in der Altstadt auf, verfällt der spätgotische Bau heute. Die Ysenburgs lehnten alle Hilfsangebote ab, es gebe keinen Ansprechpartner mehr, so der Büdinger.

Hauptschuldiger ist für viele Büdinger Otto Friedrichs Sohn Wolfgang-Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen. „Natürlich hat der Fürst ein schweres Erbe angetreten, aber er hat einfach alles völlig zugrunde gerichtet“, sagt Beckmann. Unter anderem der 10.000 Hektar große Wald, die Wächtersbacher Keramik und zahlreiche Immobilien sind weg.  Der Fürst mußte Privatinsolvenz anmelden. Immer wieder steht er vor Gericht, zuletzt wurde er mit seinem Sohn zur Rückzahlung einer geliehenen Million Euro samt Zinsen verurteilt.

 

Weihnachtsmarkt:

Wenn die liebevoll restaurierte Altstadt im weihnachtlichen Glanz erstrahlt, umschlossen von imposanten Stadtmauern und trutzigen Wehrtürmen, herrscht dann in den kleinen Gassen eine ganz eigene Atmosphäre. In Büdingen gehen die Uhren noch langsamer. Städtische Hektik und geschäftiges Treiben gibt es hier nicht. Besinnlich ist es und anheimelnd.

Altstadt und Schloß sind sicherlich am dritten Adventswochenende am schönsten: Wenn nämlich die Wachenbucher Turmbläser zur „Fürstlichen Weihnacht“ im Schloßhof blasen und Fürstin Ysenburg die Tore zum Schloßhof öffnet. Was es dort alles gibt: Steckenbrot und offenes Feuer, echte Krippentiere im Stroh, ein musikalisches Festprogramm mit allerlei „weihnachtlichem Instrumentarium“ wie Harfe und Posaune, mit Orgelklängen und Jagdhornbläsern. Das Beste aber sind die Wintermärchen, erzählt von der Ysenburger Kinderfrau am Kamin im Schloßmuseum. Dann genießen große und kleine Besucher die wohlige Wärme und lauschen den ausgewählten Geschichten.

Beschaulich geht es dann zu in dem ehemals als Wasserburg angelegten Fürstensitz, wo Kunststile von der Romantik bis zum Barock sich im Kerzenschimmer zu einer märchenhaften Kulisse vereinen. Besonders stimmungsvoll wird es, wenn Fürstin Ysenburg „Die Legende vom Tannenbaum“. Hübsche „Geschenke aus 1001 Nacht“ lassen sich sicherlich auch noch zu späterer Stunde auf dem historischen Weihnachtsbasar im Marstall aussuchen. An beiden Tagen bleiben die Schloßtore bis 19.30 Uhr geöffnet.

Am Wochenende 11./12. Dezember öffnet der Büdinger Weihnachtsmarkt in der Altstadt: Samstag von 14 bis 22 Uhr und Sonntag von 11 bis 20 Uhr. Die „fürstliche Weihnacht“ am selben Wochenende im Büdinger Schloß wird Samstag um 14 Uhr feierlich eröffnet. Die Geschäfte haben in der Vorweihnachtszeit an Samstagen bis 18 Uhr i geöffnet. Das Heuson- Museum ist an beiden Tagen von 10 bis 12 und von 15 bis 17 Uhr geöffnet, das 50er-Jahre Museum von 13 bis 17 Uhr am Samstag und am Sonntag von 10 bis 17 Uhr.      

 

Spezielle Führungen:

Laterne und Hellebarde sind seine Erkennungszeichen. Früher bewachte der Nachtwächter die Bürger vor Angreifern und Feuer, schickte Nachtschwärmer und Trunkenbolde nach Hause und rief die Zeit aus. Heute erzählt er Wissenswertes über Büdingen. Eineinhalb Stunden gibt er Geschichten, Legenden und Anekdoten zum Besten, die die alten Mauern den Besuchern beim Spaziergang allein nicht erzählen könnten.

Der „Nachtwächter“ ist nur einer der Akteure, die den Büdinger Gästen bei „Erlebnisführungen“ die Vergangenheit näherbringen. Was die Menschen früher dachten und fühlten, was sie aßen und tranken. überhaupt, wie das Leben zwischen Heilserwartung und Höllenangst, Kriegsgefahren und Krankheiten, aber auch zwischen Arbeit und Lebensfreude verlief, all das wird unterhaltsam-spielerisch durch die Darsteller historischer Figuren in Szene gesetzt.

Auf dem Hintergrund von Fachwerk und Befestigungen sind die Geschichten um „Kräuterweiber“, „Wilde Männer“ oder der zu plötzlichem Reichtum gekommenen Köchin im Ysenburger Schloß noch einmal so anschaulich. Kindern gehören eigene Rundgänge. Bei der „Schatzsuche in historischen Mauern“ nehmen sie neben kleinen Fundstücken viel Wissenswertes über das Mittelalter mit nach Hause.

Unabhängig von den zu festen Terminen angesetzten Erlebnisführungen für jedermann können diese - sowie reguläre Stadtrundgänge - auch von Gruppen über die Tourist-Information gebucht werden. Preis: Erwachsene: 5,- Euro, Kinder: 2,50 Euro. Treffpunkt: Marktplatz

Tourist-Information Büdingen, Marktplatz 9, 63654 Büdingen

Telefon: 06042 96370, E-Mail: info@buedingen-touristik.de

Internet: www.stadt-buedingen.de

Bollwerk mit Hexenturm

Fachwerkführung „Begegnung mit dem Wilden Mann“

Nachtwächterführung

Büdinger Burgmannenschmaus

Kneipp-Erlebnisführung

Karl-Heinz und Gisela (Kunstgeschichte)

Stadtverführung

Blaues Blut

Rosmarin, Lavendel und Dill

Dike verhängnisvolle Brosche

750 Jahre Ysenburger in Büdingen

Hexenprozeß

Bad Büdingen

Der besondere Sprachkurs

Führungen für Kinder und Jugendliche

 

Sage: Büdingen und seine Frääsch

Die Froschgeschichte, oder wie die Büdinger zu Ihrem Spitznamen „Die Frääsch“ kamen:

Häufig werden wir von Ihnen gefragt, warum sich in den Büdinger Werbebroschüren Frösche tummeln und wieso die Büdinger den Spitznamen „Frääsch“ haben. Der Historiker und Archivar des fürstlichen Hauses zu Büdingen, Dr. Klaus Peter Decker, hat recherchiert und erzählt die Geschichte des Frosches.

Wir schreiben das Jahr 1522. Graf Anton zu Ysenburg und Büdingen hat in der Heimat der Braut Hochzeit gehalten und seine jungvermählte Frau Elisabeth von Wied heimgeführt. Die Stadt Büdingen hat dem Hochzeitspaar einen prächtigen Empfang bereitet mit Hochzeitsfahnen und Ehrenpforten, Böllerschüssen und Freudenfeuern, weißgekleideten Ehrenjungfrauen und den Schützen in voller Montur.

Nach den Strapazen der Reise und dem nicht weniger anstrengenden Begrüßungsritual, den Festreden und dem opulenten Bankett in der Hofstube des Schlosses kommt endlich die nächtliche Stunde, in der Graf Anton seine junge Frau über die Schwelle ins Erkerzimmer trägt, wo das Bett zu erquickendem Schlummer bereitet ist.

Während Graf Anton, kaum auf den Pfühl gesunken, auch schon zu schnarchen anfängt, fährt Gräfin Elisabeth, von Morpheus Armen nur leicht umschlungen, sogleich wieder hoch. Vom Schloßte ich her, dem breiten Graben, der die alte Wasserburg umgibt, hat ein Konzert eingesetzt: laut und nicht unbedingt harmonisch. Das Quaken, Glucksen und Plantschen von Hunderten von Fröschen.

Gräfin Elisabeth stößt Ihrem Gatten den Ellenbogen in die Rippen, daß er erschrocken hochfährt. Elisabeth: „Das hast du mir verschwiegen! Das mache ich nicht mit. Das ist ein Scheidungsgrund!" „Was...?" Elisabeth: „Das Gequake, diese Geräusche, ich bekomme Migräne. Ich reise schon morgen zurück zu meinem Vater!“ Anton: „So schlimm kann es doch nicht sein. Ich höre gar nichts mehr davon. Ich bin's von Kind an gewohnt, wie meine Büdinger auch. Die werden höchstens wach, wenn das Geräusch ausbleibt!“ Elisabeth: „Niemals werde ich mich daran gewöhnen! Tu etwas oder du bist mich los! Ich lasse die Ehe annullieren, wegen Nichtvollziehung des Beilagers infolge Geräuschterrors.“

Da erhob sich Graf Anton seufzend, läutete nach dem Kammerdiener und ließ den Hofmeister holen. Der trommelte die übernächtigten Hofräte zusammen, die untertänigst des Grafen Resolution erwarteten. „Noch heute sollen die Bürger Büdingens für Ruhe sorgen“, rief Anton aus, „und die Frösche ausrotten oder vertreiben, wie auch immer. Das ist mein Wille und Befehl!“

Da ließ der Amtmann die Schloß brücke hochziehen, schlurfte in die Stadt und klopfte den Stadtknecht heraus. Der ließ die Bürgerglocke Sturm läuten, und halb angezogen strömten die Bürger zusammen, einige mit Armbrust und Harnisch, die meisten aber als „Spießer“: Mit Piken und Hellebarden, andere hatten Leitern und Feuereimer dabei, des Glaubens, daß ein verirrter Böllerschuß einen Brand verursacht habe. Aber nichts war zu sehen, alles war still und ruhig, nur ums Schloß quakten wie gewöhnlich die Frösche.

Da trat der Schultheiß vor Schöffen, Bürger und die ganze Gemeinde und verkündete den Entschluß des Grafen Anton: Um das Band ehelicher Liebe und Treue nicht schon wieder zu lockern und die so hochpolitische Verbindung zwischen den Häusern Ysenburg und Wied zu erhalten, müsse es den Fröschen, Kröten und Unken an den nassen Kragen  gehen. Dazu sei die Bürgerschaft dem Stadtherrn verpflichtet.

Und so zogen Männlein, Weiblein und das junge Volk, noch ohne Frühstück, in den Hain und zu den Schloßgräben, ausgerüstet mit Eimern, Körben, Fallen, Reusen, Netzen, Seilen, Haken und Dreschflegeln, denn man kann ja nie wissen, was noch so alles auftaucht. Die Frösche blinzelten zunächst erstaunt, kennen ihre Büdinger nicht mehr, klamm von der Morgenkälte sahen sie keinen Grund, ihre Lauerstellung auf die ersten Fliegen in der Morgensonne aufzugeben.

Da aber brach das Unheil über sie herein: in enger Kette wateten Männlein und Weiblein durch den Schloßgraben, was zappelte wurde gegrapscht, die Körbe und Eimer füllten sich mit dem grünen Getier, alles wurde zum Marktplatz geschafft und streng bewacht. Unter Aufsicht des Stadthauptmanns gab es kein Entrinnen!

Langsam wurde das Gequake um das Schloß dünner, und als die Mittagssonne über dem Schloß türm stand, war nichts mehr zu hören. Gräfin Elisabeth räkelte sich, rief nach Ihrer Kammerjungfer und ließ sich ihre Zöpfe flechten, ehe sie dem Grafen Anton ein Versöhnungsküsschen gab, daß er über beide Backen strahlte und murmelte: „Auf meine Büdinger ist halt doch Verlaß!“

Dafür war der Geräuschpegel auf dem Marktplatz ins Unerträgliche gewachsen. Der Marktmeister Mörschel wurde der großen Sprünge des grünen Getümmels kaum noch Herr. Es mußte etwas geschehen, und mit Sorgenfalten zog sich der Stadtrat ins Wirtshaus „Zum Schwanen“ zur Beratung zurück. Es mußte ja etwas geschehen, aber was? Wie sich die Frösche nun vom Halse schaffen 

Überlaßt das doch der Feuerwehr, sagte jemand. Viel zu feucht sei das Material für einen Scheiterhaufen. Gegrillte Froschschenkel sind sowieso out. Dann müssen die Metzger ran, sagte der Wirt. Die aber beriefen sich höflich auf ihre Zunftordnung, die der Graf höchstpersönlich hatte und wo von Fröschen nicht die Rede war. Dann bleiben nur die Schützen, hieß es in der Runde. Der Schützenmeister winkte aber erschrocken ab. Man habe nur das Scheibenschießen geübt. Die Armbrustbolzen seien für die Verteidigung der Stadt abgezählt, und wo sollte man die Froschleichen entsorgen.

Daraufhin zog sich der Rat nochmals ins Nebenzimmer zurück, man sah die Köpfe förmlich rauchen, bis der Beschluß verkündet wurde. Die Bürgermeister der Alt- und Neustadt traten auf den Markt hinaus: Wir haben die Lösung für das Froschproblem gefunden. Wir werden die Frösche im Seemenbach ertränken! Den Bürger n fällt es wie Schuppen von den Augen. Warum ist man nicht gleich darauf gekommen! Eine weise Entscheidung!       

Und so schickte man den Stadtboten aus dem Fanfarenzug ins Schloß und bat das hohe Grafenpaar untertänig, sich an die Mühltorbrücke zu begeben, um in dem Spektakel teilzunehmen. Wieder werden die Körbe, Eimer, Schnappsäcke und Jutetaschen gefüllt und geschultert und ab geht es mit dem zappeligen Inhalt zur Mühltorbrücke.

Hier am Schlaghaus öffnet man die Behältnisse und läßt den Inhalt in den Seemenbach klatschen. Ein kurzes Zappeln im Wasser und nichts mehr ist zusehen. „Es klappt, es klappt“, jubeln die Büdinger!

Abends erhob sich dann doch wieder ein leichtes Gequake. Das kann nur das Echo von den wenigen überlebenden Fröschen sein, die in Richtung Düdelsheim abgetrieben wurden, behaupteten Bürgermeister und Rat und ließen die Aktion im Stadt- und Gerichtsbuch als vollen Erfolg protokollieren.

Und die Gräfin Elisabeth! Irgendwie hatte sie die Aktion doch überzeugt, denn es ist nicht bekannt, daß sie sich jemals wieder durch Frösche gestört fühlte - oder sie hat sich vielleicht doch an die nächtlichen Laute gewöhnt und ist so zu einer echten Büdingerin geworden.

Denn, seit dieser Zeit haben sich die Büdinger auf den umliegenden Jahrmärkten und Schützenfesten gern damit gebrüstet, daß die „Schönste Stadt Deutschlands“ auch die von Fröschen sauberste sei. Seitdem werden sie von Ihren/Nachbarn nur doch die „Frääsch“ genannt. Und die Büdin­ger fassen dies als Ehrentitel auf und sind nicht wenig stolz auf  ihre Aktion, denn darauf muß man erst einmal kommen. Nur die Frösche spielen seit dieser Zeit die Beleidigten, daher auch die Büdinger Redensart: „Nun sei kein Frosch!“.

 

 

Büdingen: Wanderungen und Radtouren

Daß Büdingen viel Fachwerk besitzt, kommt nicht von ungefähr. Zur Stadt gehört eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Hessens, wobei den einstigen Reichsforst vor allem das richtige Verhältnis von Laub- und Nadelhölzern zu einer Kostbarkeit macht. Wo Eichen und Buchen stehen, fehlt es auch nicht an abwechslungsreicher Bodenvegetation. Dank der Beeren, Moose, Pilze und Gräser liegt die Aura eines Zauberwaldes über dem Büdinger Baumreich.

Das ausgedehnte Wander- und Radwegenetz hilft, so manche Entdeckung zwischen den Stämmen zu machen. Südlich der Stadt versteckt sich die „verwunschene“ Burgruine Hardeck während weiter im Norden bei Dudenrod zahlreiche vorgeschichtliche Grabhügel liegen. Welche Geheimnisse mögen die überwucherten Gräber bergen? Standen sie in Verbindung mit den Kelten am Glauberg, wie der begleitende „Kulturhistorische Rundweg“ vermutet?

 

I.) Wildpark:

In der Stadt fährt man am Kreisel nach links in die Bahnhofstraße, wo man parken kann. Nach links geht die Straße nach Gedern und Bindsachsen ab, die Vogelsbergstraße. Auf der rechten Seite liegt der jüdische Friedhof. An der Abzweigung zur Jugendherberge liegt rechts der mißratene Torso eines „Wilden Mannes“. Er war dem Steinmetzen mißraten, der die beiden Figuren am Eingang zum Büdinger Schloß geschaffen hat. Vor Wut schaffte er ihn nachts vor die Stadt. Dreister als seine Brüder soll er sich um Mitternacht sogar auf die Straße stellen und Passanten erschrecken.

Am Waldrand befindet sich links ein Parkplatz und rechts die „Hubertusklause“ (nur sonntags bewirtschaftet). Etwas weiter oben liegt links die Einfachst­-Gaststätte „Sandhof“ mit dem Sand­hofweiher. Etwa einhundert Meter muß man links auf der Straße entlang gehen, bis es links in einen Forstweg geht. Im Wald steigt er an. In einer Spitzkehre geht es nach rechts weiter immer oberhalb des Baches in dem lieblichen, kleinen Wiesental. Durch lichten Buchen­wald geht es wieder hinunter ins enge Pferdsbachtal.

An der Auto-Straße geht man etwa hundert Meter nach unten und dann links in den Weg hinein und geradeaus bergauf. Wo sich heute im Waldausschnitt um eine einzelne alte Fachwerkscheune ein Obsthang ausbreitet, ent­stand und verschwand zweimal das Dorf Pferdsbach. Kurz vor dem Christinenhof hört der Wald auf und der Pferdsbach wird überquert. Wo dieser sich rechts der Straße aufspaltet, lag zwischen den Bauchläufen das Dorf. Die 1365 erstmals urkundlich erwähnte kleine Siedlung gab durch die Zeiten Bauern und Waldarbeitern eine sehr bescheidene Existenz. Das erstemal wurden während des Dreißigjährigen Krieges Bewohner und ihre Behausungen vernichtet. Im Jahre 1662, als sich noch immer keine neuen Siedler gefunden hatten, erließen die umliegenden Herr­schaften ein Edikt, das besagte, jeder, der hier neu aufbauen wür­de, für die Dauer „von allen beschwehrungen, weß namen sie ha­ben mögen, frey gelassen werden solle“. Das bedeutete Befreiung vom Frondienst, von der Abgabe des Zehnten, von Kriegsgeldern und Einquartierungen. Da war das Land schnell verteilt, Gehöfte aufgestellt.

Doch nach zweihundert Jahren starb das Dorf zum zweitenmal aus. Durch Mißernten und Wildschäden wurde den Einwohnern im 19. Jahrhundert ihre Lebensgrundlage entzogen. Agenten warben die Einwohner zur Auswanderung nach Amerika. So gaben die Pferdsbacher verkauften sie ihr Land an die Ysenburger und wanderten fast geschlossen 1832 nach Amerika aus. Das Land wurde dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Christinenhof, ursprünglich einem Sommerschlößchen des Grafen Ernst Casimir aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zugeschlagen. Das Dorf zerfiel, und übrig blieb nur eine „Wüstung“. Heute sind ihre Spuren weitgehend vergangen. Drei der Häuser wurden von ihren Besitzern damals abgebaut und in Dudenrod wieder errichtet; zwei davon existieren heute noch als Kern des Dorfgemeinschaftshauses und eines Nachbarhäuschens.

Der Weg steigt in Kurven an. Wenn man fast auf der Höhe ist, geht es nicht geradeaus weiter, sondern man biegt man rechts ab und nach einem kurzen Stück wieder im rechten Winkel nach rechts. Nun geht es geradeaus bergab. Wo der Weg aber wieder ansteigt, biegt man nach links ab (geradeaus geht es zum Sandhof). Zunächst geht es steil bergab, dann wieder flacher bis hinunter ins Kälberbachtal. Der Weg zieht am Gatter entlang. Schautafeln be­schreiben die Lebensweise von Dam- und Rotwild.

Links sieht man dabei schon das graue Dach der Leo-Hütte und den Wildpark (Man kann sich den Weg über Pferdsbach natürlich auch sparen und gleich von der Hubertusklause zum Wildpark fahren). Der städtische Wildpark an der Leo‑Hütte mit Rot‑, Dam‑ und Rehwild wurde herausgeputzt und bekam mehr Tiere. Schon jetzt grasen in einem sechs Hektar großen Gehege zehn Damwild‑Hirsche und ‑Kühe und zehn Stück Rotwild. Der „Förderverein zur Erhal­tung des Wildparks und sonstiger Einrich­tungen im Tal der sieben Bäche“ unter Vor­sitz von Bürgermeister Bernd Luft hat viel vor: Das Gehe­ge soll doppelt so groß, der Dam‑ und Rot­wild‑ Bestand soll aufgestockt werden. Da­zu soll noch Muffelwild kommen ‑ aus der thüringischen Partnerstadt Herzberg.

Der Tierpark soll auch noch einen Wald‑ und ei­nen Naturerlebnispfad bekommen, und zwei Türme, um die Tiere besser beobach­ten zu können. Dazu sollen die beiden ehemali­gen Wachtürme des Munitionsdepots der US‑Armee bei Büdingen ans Tiergehe­ge verpflanzt werden.

Der Waldlehrpfad soll vor allem Schülern dienen. Er soll mit einer Übersichtstafel an der Hubertus­klause beginnen und 15 Stationen umfas­sen. Wald, Wiesen, Wild und Wasser sollen erläutert werden, einen Schweigepfad soll es geben, eine Station mit Wildspuren und einen Abschnitt zu Farbe, Gewicht und Klang des Holzes.

Der Weg führt dann weiter nach oben (nicht rechts abbiegen). Das Gelände um den „Sprudel“ ist besonders gut geeignet für ein Pick­nick. Wer aber große Fontänen erwartet, liegt falsch: Die Fontäne Sprudel sprudelt mit natürlichem Druck etwa zwei Meter hoch. Das Gebiet ist sehr beliebt als Ausflugsziel. „Tal der sie­ben Bäche“ wird es auch genannt, weil der Kälberbach auf diesem Abschnitt siebenmal überschritten wird. Die Büdinger sagen einfach: „Mir gehn zum Sprudel spaziern.“

Vom Sprudel aus kann man über die Steinröde nach Büdingen zurückkehren (der Weg wurde allerdings von uns nicht erkundet). Im Rechtsbogen, allmählich ansteigend, kom­mt man zum „Heiligen Stock“, unterhalb des 377 Meter hohen Stein­röde. Dann geht es in südwestlicher Richtung zum Alten Weinbergweg (den aber längst keine Rebstöcke mehr säumen). Auf ihm spa­ziert man nach Büdingen hinab ‑ mit vielen hübschen Blicken auf das Städtchen. Am nördlichen Stadtrand, bei der Jugendherberge, ge­het man einen guten Kilome­ter west‑ und dann nord­wärts zum Auto zurück oder man geht über den Herrenberg auf einem scheinbar nicht enden wollenden Trep­penweg hinunter (Frankfurt II, Seite 93; Frankfurt I, Seite 79; Wochenende, Seite 168; Rhein-Main, 75).

 

Auch die Besonderheiten des elf Hektar großen Wildparks im Tal der Sieben Bäche werden auf kindgerechten Tafeln vorgestellt. Über drei Kilometer führt der „Naturerlebnispfad“ um Gatter von Mufflons. Rot- und Damwild. Der Park ist eingebettet in den Büdinger „Traumwald“, einem 300 Hektar großen Gebiet frei von Forstwirtschaft zugunsten urwüchsiger Parzellen und besonderer Schutzzonen. Selbst an Beobachtungsstationen und einem Waldseilgarten fehlt es nicht.

Traumwald (Büdinger Natur-, Lehr- und Erholungswald)

Der Büdinger Natur-, Lehr- und ErholungsWald (BÜNLEW) - auch Traumwald Büdingen genannt - ist ein eigenständiger Forstbetrieb von rund 310 Hektar Größe. Im Vergleich zum übrigen Stadtwald wird hier ein alternatives Konzept verfolgt: Eine naturnahe, ökologisch orientierte Waldbewirtschaftung soll den Hauptzielen Natur, Waldpädagogik und Erholung oberste Priorität einräumen. Der BÜNLEW liegt inmitten des Büdinger Waldes. Das Gebiet beherbergt aufgrund seiner vielfältigen, mosaikartigen Struktur aus den Lebensräumen Wald, Wasser, Wiese und Steinbruch eine große Artenvielfalt der Pflanzen- und Tierwelt, die es zu erhalten und zu entwickeln gilt. In Zukunft sind auf Grundlage eines Basiskonzeptes weitere Projekte in Planung, um einen sanften Tourismus sowie eine natur- und erlebnisorientierte Bildung auszubauen. In einem speziellen Programm werden bereits Veranstaltungen für Kindergärten und Schulklassen, Ferienspiele und Kindergeburtstage sowie Familienführungen angeboten.

Was war: Wildpark, Sprudel und Leohütte sind traditionelle Erholungsorte im BüNLEW

Was ist: Walderlebnispfad, Waldseilgarten.

Was wird: Höhlenwald, Urwald, Märchenwald, Waldbühne.

Der Waldseilgarten „Laubfrosch“ befindet sich direkt gegenüber der Jugendherberge in Büdingen. Anfahrt: in Büdingen Richtung Gedern (Vogelsbergstraße), am Ortsausgang rechts in den Richard-Schirrmann-Weg einbiegen und bis zum Ende der Straße fahren.

Diana Bauer, Breite Straße 25, 63538 Großkrotzenburg Tel.: 06186-913754, Fax: 06186-9149583, Mobil: 0170-5453193. Email: d.bauer@ziel-aktiv.de www.ziel-aktiv.de

Der Waldseilgarten steht Einzelpersonen und Familien jeden ersten Sonntag im Monat (April - Oktober) von 14.00 bis 18.00 Uhr zur Verfügung. Achtung: nicht alle Elemente werden betrieben). Voranmeldungen sind erwünscht aber nicht zwingend erforderlich.

 

II.) Büdinger Rundweg (Kelten-Pfad)

Man fährt in Büdingen am zweiten Kreisel rechts in die Bahnhofstraße und dann links in Richtung Gedern. Dort steht schon die erste Hinweistafel auf den Kulturhistorischen Weg. Man kommt am Sandhof und der Wüstung Pfersbach vorbei (siehe Radtour). Am Christinenhof geht es links nach Dudenrod. Der Ort ist eine Ansiedlung, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts als sogenannte „Rodung“ entstand. Dudenrod, seit 1972 ein Stadtteil Büdingens, ist zu Beginn des 11. Jahrhunderts als eine sogenannte Rodung entstanden. Bei diesen Rodungen in Waldgebieten wurden auf größeren Flächen alle Bäume entfernt, um Acker- und Weideland für die Ansiedlung von Bauern zu schaffen. Im Jahre 1030 stiftete Hartmann von Büdingen ein „Seelengedächtnis“ für seinen Bruder Dudo, der der Siedlung im Wolfsbachtal ihren Namen gab. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß eine Herrschaft diese Rodung veranlaßt hatte. Die Besiedlung des Wolfsbachtales begann bereits im 9. Jahrhundert mit den Rodungen Büches und Wolf; später folgten Rinderbügen, Wolferborn und Michelau.

 

Der Büdinger Rundweg ist Teil der hessischen Keltenstraße und informiert nicht nur über die historische Entwicklung der Gegend von der Vorgeschichte bis in die heutige Zeit. Die Kelten waren das erste Volk der Vorgeschichte mit europäischer Dimension. Ihre Kultur dokumentiert sich mangels eigener schriftlicher Quellen nur in Bodenfunden. Ihr Name ist uns durch griechische und römische Geschichtsschreiber überliefert. Das keltische Kerngebiet befand sich im heutigen Südwestdeutschland und in Ostfrankreich. In großen Wanderungen zogen keltische Stämme nach Spanien, Oberitalien, in den Balkan und nach Kleinasien.

Die Zeit der Kelten gliedert sich in zwei Epochen, die Hallstattkultur (8.- 5. Jahrhundert vCh) und die Latènekultur (5.- 1. Jahrhundert vCh). Das Gebiet des heutigen Hessen lag an der Peripherie der keltischen Welt. Hier lebten die Menschen zunächst in offenen Siedlungen, die von burgähnlichen Fürstensitzen beherrscht wurden (Glauberg, Altkönig). Am Ende der Latènezeit entstanden große umwehrte Siedlungen (Heidetränk-Oppidum, Dünsberg). Die Kelten besaßen bereits ein eigenes Münzwesen und beuteten Bodenschätze erstmals in größerem Rahmen aus. So existierten zum Beispiel in Bad Nauheim Anlagen zur Salzgewinnung, am Dünsberg wurde eisenhaltiges Gestein verhüttet. Ihre Toten bestatteten die Kelten bis zur frühen Latènezeit meist unter Grabhügeln (Glauberg), später in Flachgräbern. Als Beigaben wurden Metall- und Tongeschirr, Waffen und Geräte, Tracht und Schmuck deponiert. Importfunde aus dem Mittelmeergebiet lassen einen intensiven Handel mit Griechen, Etruskern und Römern erkennen, der die Kelten in Hessen auch in kultureller Hinsicht beeinflußt hat.

Die Keltenstraße verbindet Orte mit keltischem Erbe in Hessen. Sie umfaßt den gesamten Zeitraum keltischer Siedlungstätigkeit. Zu entdecken gibt es Fürstensitze und Stadtanlagen, befestigte Höhensiedlungen und Grabdenkmäler. Museen zeigen Einblicke in den keltischen Alltag. Information: www.keltenstrasse-hessen.de

 

Der kulturhistorische Rundweg Büdingen-Dudenrod führt den Wanderer durch eine natürliche Landschaft, die seit vielen Jahrtausenden auch vom Menschen geprägt wurde. Archäologische Zeugnisse belegen, daß die Gegend bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war. In der Waldregion nordwestlich von Dudenrod finden sich zahlreiche gut erhaltene Hügelgräber. Ihre Lage markiert den Verlauf eines vorgeschichtlichen Verkehrsweges, der bis in die Neuzeit in der so genannten Bettenstraße, benannt nach der gleichnamigen Erhebung zwischen Bleichenbach und Wolfsbach, fortlebte.

Darüber hinaus weist das landschaftlich reizvolle Wolfsbachtal einige geologische und botanische Besonderheiten auf. Rechts des Bachlaufes befindet sich ein steil ansteigender Südhang bis zum vulkanischen Basalt auf der Höhe. Der linksseitige nach Norden geneigte Hang ist flacher. So bieten diese Standorte speziell angepaßten, unterschiedlichen Pflanzenarten Lebensraum.

Der Rundweg informiert nicht nur über die historische Entwicklung der Gegend von der Vorgeschichte bis in die heutige Zeit; es finden sich auch Hinweise auf die geologischen und ökologischen Besonderheiten wie Obstbaumkultur, Teichwirtschaft, Waldnutzung, Köhlerei, Pflanzen- und Tierwelt. Der Wanderer genieße die Schönheit dieser Region und lerne ihre Geschichte kennen! Weitere Informationen befinden sich bei den hinter der historischen Stadt Büdingens gelegenen Steinbrüchen und im Heuson-Museum im Rathaus, wo auch keltische Funde zu besichtigen sind.

Auf den zwölf Hinweistafeln findet sich ebenso Lehrreiches zu den geologischen und ökologischen Besonderheiten dieser abgeschiedenen Landschaft. Wie viele andere ist sie seit Jahrtausenden vom Menschen geprägt, aber hier erfährt der Wanderer etwas zum Wie, zum Wer und zum Warum.

Von der Durchgangsstraße geht es nach rechts in die Otto-Heck Straße. Vor der Brücke ist links ist ein Parkplatz mit Hinweistafeln. Es empfiehlt sich, den Weg in umgekehrter Reihenfolge zu gehen, also im Uhrzeigersinn. Man geht dazu über die Brücke und direkt hoch in den Wald. Kleine hellgrüne Schilder mit der weißen Silhouette des Keltenfürsten weisen den 3,4 Kilometer langen Weg mit 130 Metern Höhenunterschied. Wenn man gemütlich geht, braucht man eineinhalb Stunden

 

(12) Wasser verändert die Landschaft:

Im Quartär, der jüngeren Phase der Erdneuzeit, die vor weit mehr als einer Million Jahren beginnt und bis heute gerechnet wird, kommt es noch einmal zu tiefgreifenden Änderungen sowohl im Landschaftsbild unserer Region als auch in der Tier- und Pflanzenwelt. Im Quartär treten der Mensch der älteren Steinzeit, Mammut, Höhlenbär, Wildpferd und Rentier auf.

Auf der Formation des Buntsandsteins und dem vulkanischen Gestein wurden nach den Eiszeiten (etwa vor 590.000 bis vor 20.000 Jahren) zum Teil sehr mächtige Lößlehmschichten aufgeweht. Man findet sie in Geländemulden, die durch Verwitterung und Erosion entstanden sind, an Hängen und auf den Hochflächen.

Im Laufe der Jahrtausende wurden in den aufgewehten Lößlehmschichten durch starke Niederschläge insbesondere in den Mulden tiefe Rinnen ausgewaschen. Diese Erosionsgräben, die auch hier zu sehen sind, sind heute noch an vielen Stellen auf den Böden unserer Wälder und in der Feldgemarkung vorhanden. Das weggeschwemmte Material lagerte sich in den Talauen wieder ab.

Lößlehm bildet überall - so zum Beispiel in der Wetterau - sehr fruchtbare Böden, da der Löß die Feuchtigkeit lange Zeit hält und über einen hohen Kalkgehalt verfügt. Bis heute stellt er die Grundlage unseres Vegetationsbildes dar. So gedeihen auch die Laubwälder besonders gut. Im hier sehr artenreichen Bodenbewuchs sind seltene Pflanzen zu finden, zum Beispiel die Vielblütige Weißwurz, das Schwertblättrige Waldvöglein, die Vogelnestwurz, die Tollkirsche und der Seidelbast.

 

(11) Der Wald als Wertstofflieferant:

Auf dieser Fläche stehen etwa 150-jährige Traubeneichen (Alter im Jahr 2000) zusammen mit gleichaltrigen Buchen und Lärchen. Im Unterstand dienen etwa 85-jährige Buchen dazu, die Stämme der Eichen zu beschatten. Kommt nämlich zuviel Licht an die Stämme, treiben dort neue Äste (sogenannte Wasserreiser) aus, die der Baumkrone Wasser und Nährstoffe wegnehmen und das Holz entwerten. Eine spätere Verwendung als Furnierholz für wertvolle Möbel wäre dann nicht mehr möglich.

Gute Furnierstämme sollten ein Alter von 300 bis 400 Jahren erreichen, einen sehr engen Jahrringaufbau aufweisen, gradschaftig, ohne Drehwuchs, ast- und beulenfrei sein. Als Furnierstämme geeignete Eichen sind in diesem Waldbestand durch einen hellen Ring gekennzeichnet.

Bäume erreichen nur ein begrenztes Alter. Zwar sind vielhundertjährige Eichen und Linden bekannt, aber sie weisen meist erhebliche Fäulnisschäden auf. Ab einem bestimmten Zeitpunkt beginnt ein allmählicher Verfall der Holzsubstanz durch Erkrankung. Bevor dies eintritt, wird in der Regel das Holz durch den Waldbesitzer gefällt. Der Beginn des Verfalls ist bei jeder Baumart unterschiedlich. So liegt zum Beispiel die sogenannte Hiebsreife bei der Fichte bei 100 bis 120 Jahren, bei der Kiefer um 140 bis 160 Jahren, bei der Buche bei 160 bis 180 Jahren.

Nach Tafel 11 geht es nicht geradeaus wieder bergab, sondern rechts hoch bis Tafel 7. Dort macht man aber zuerst den Abstecher nach links bis zum höchsten Punkt der Wanderung.

 

(7) Geologie entlang des Rundweges:

Nördlich und westlich von Dudenrod kommt der Untere Buntsandstein als älteste Schicht der Buntsandsteinfolge aus der Trias (etwa 230 Millionen Jahre) vor. In dieser Zeit lagerten Meere riesige Mengen zerriebenen Gesteins als Sand- und Tonschichten ab, die sich in der Folgezeit durch den Druck der überlagernden Gesteine zu Sandstein und Schiefer verdichteten. Im Bereich der Hügelgräber bei Station 5 und am gesamten Oberhang des Betten entlang erstreckt sich der darüber liegende Mittlere Buntsandstein.

Kurz vor Erreichen des Hügelgrabfeldes bei Station 10 quert der Weg eine Zone von glasreichem Alkali-Olivin-Basalt und Basanit. Hierbei handelt es sich um vulkanische Ergußgesteine, die auch über dem gesamten Höhenzug des Betten liegen. Klüften und Verwerfungen folgend ist hier im Mittleren Tertiär (etwa 15 Millionen Jahre) Magma durch den Buntsandstein gebrochen und hat das Sedimentgestein überlagert. Diese Art der vulkanischen Tätigkeit ist im gesamten Bereich des Vogelsberges zu finden, der als Europas größter Schildvulkan gilt. Im Laufe der Zeit sind hier an verschiedenen Stellen Lavaströme aus Kratern und Spalten ausgebrochen und haben Decken gebildet, die in sogenannten Schilden übereinander gestapelt haben. Damals wuchsen hier bedecktsamige Pflanzen wie Laubhölzer und Palmen; höhere Säugetiere und Vögel entwickelten sich, so auch das „Urpferdchen”

In Mulden und an den Hangflächen, aber auch auf den Höhen finden sich eiszeitliche Lößlehmablagerungen in wechselnder Mächtigkeit. Dieser Boden kommt auf dem größten Teil des Rundweges vor.

 

(8) Neuer Wald:

Durch die katastrophalen Stürme - besonders den Orkan „Wibke“ im Winter 1990 - wurde der alte Baumbestand an dieser Stelle vollständig vernichtet. Lediglich eine Anzahl junger Buchen war noch vorhanden. In den Folgejahren entstand durch Samenanflug eine Naturverjüngung vor allem durch Eschen-, aber auch durch Ahornsamen. Zusätzlich wurden in die Lücken Eichen, Linden und Fichten gepflanzt.

Wenn sich der Wald nicht natürlich verjüngt, muß eine Pflanzung erfolgen. Dabei wurden früher überwiegend drei- bis fünfjährige Nadelholzpflanzen verwendet. Heute werden vermehrt Laubhölzer wie Eichen und Buchen gesetzt; meist werden Nadelhölzer in geringerer Anzahl beigemischt.

Außer den Stürmen, die besonders gleichaltrige Reinbestände einer Baumart - zum Beispiel Fichte - schädigen, drohen noch weitere Gefahren. Waldbrände wirken sich vor allem in Nadelwäldern verheerend aus. Borkenkäfer können bei Überpopulation reine Fichtenwälder vernichten. Mischwälder aus Laub- und Nadelbäumen sind daher besser gegen solche Ereignisse gesichert.

Aber auch Rehe können, wenn sie in zu großer Zahl vorkommen, Schäden anrichten. Sie beißen die Knospen und Triebe der jungen Pflanzen ab, so daß diese verkrüppeln und nicht hoch wachsen. Bei Massenvermehrung fressen Mäuse besonders junge Laubholzpflanzen ab. Dies sind nur einige Gefahren, die den Wald bedrohen.

 

(9) Die „Bettenstraße” - Ein Forstweg mit Vorgeschichte:

Das Betten war ursprünglich Teil des mittelalterlichen Bannforstes. Grund und Boden gehörten später verschiedenen Adelsgeschlechtern, vor allem aber der Dynastie Ysenburg-Büdingen. Die umliegenden Gemeinden hatten in dieser Gemarkung das Recht auf Nutzung durch Holzeinschlag und Vieheintrieb. Eine „Ysenburgische Waldordnung“ von 1605 für das Betten versuchte der Übernutzung des Forstes entgegenzusteuern. Dennoch war aber das alte Waldgefüge Mitte des 18. Jahrhunderts zerstört. Nach jahrzehntelangem Rechtsstreit wurde 1832 die Wüstung auf 15 beteiligte Gemeinden und das Haus Ysenburg aufgeteilt. Der Anteil von neun dieser Gemeinden wurde später an die Ysenburger verkauft.

Die „Bettenstraße” erschloß diese Gemeinschaftswaldungen. Ihr Verlauf markiert einen vorgeschichtlichen Verbindungs- und Handelsweg, der schon zur Zeit der Kelten begangen, wurde. In keltischer Zeit wurde auf der Hochfläche auch Viehwirtschaft betrieben. Die verschiedenen Hügelgräberfelder deuten außerdem auf die Existenz von Siedlungen hin. Der Ursprung des Namens „Betten“ ist nicht gesichert. In der älteren Literatur wird er den „Drei Beten“, den keltischen Göttinnen Anbet, der Erdenmutter Wilbet, der Mondmut und Herrin der Lebensquelle, und Borbet, der Göttin der mütterlichen Sonne, abgeleitet Es gibt jedoch auch eine andere Erklärung: Schon im frühen Mittelalter wurden von den zur Waldnutzung Berechtigten durch den Grundherrn bittweise, später aber befehlsweise Abgaben gefordert, besonders Geldleistungen. Da sie zunächst erbeten worden waren, nannte man sie „Bete“ oder auch „Bede“:

 

(10) Hügelgräber:

Höhepunkte sind zahlreiche gut erhaltene Hügelgräber. Diese Gräber sind rund 2500 Jahre alt und waren bereits geöffnet und ausgeplündert, als man sie fand. Eindeutig gehören sie aber in die Zeit der Kelten. Sie befinden sich hinter der Informationstafel, man muß nur ein Stück die Bettenstraße hinunter gehen.

Anders als viele heutige Menschen betrachteten die Kelten die sie umgebende Welt als beseelt und belebt. Eine ganze Reihe von weiblichen und männlichen Göttern und Geistern war jeweils für verschiedene Bereiche des Lebens und der Natur zuständig. Einige dieser Gottheiten wurden auch noch weiter verehrt, nachdem die Römer die meisten keltischen Stämme unterworfen hatten. Durch Bitten und Opfergaben versuchte man die Hilfe der Götter zu erlangen oder sie versöhnlich zu stimmen. Teilweise hat man dazu besondere Plätze wie Höhlen, Berge, Flüsse oder Quellen aufgesucht. Die antiken Schriftsteller berichten davon, daß wichtige Opferhandlungen von Priestern, den sogenannten Druiden, geleitet wurden. Sie beschäftigten sich auch mit Naturwissenschaften und Rechtsprechung. Leider ist ihr Wissen nur mündlich weitergegeben und niemals aufgeschrieben worden. Das Wenige, was wir über die Druiden und ihre Lehre wissen, stammt aus der Feder ihrer Gegner, der Griechen und Römer. Immerhin berichten diese Schrift­steller mehrfach über die starke Religiosität der Kelten und ihren festen Glauben an eine Wiedergeburt.

Wir wissen heute, daß die Gräberfelder in prähistorischer Zeit meist in der Nähe der Siedlungen errichtet wurden. Demnach müßten auch die Siedlungen, zu denen die beiden Grabhügelfelder nördlich von Dudenrod gehörten, in einer Entfernung von nur einigen hundert Metern gelegen haben. Doch hat bis heute der dichte Waldbestand ihre Entdeckung verhindert.

Zur Zeit der Kelten - im 1. Jahrtausend vCh - lebten die Menschen meist in kleinen Dörfern und Weilern. Nur auf den befestigten Höhensiedlungen wie dem Glauberg oder dem Altkönig im Taunus wohnten wohl mehrere hundert Menschen. Im 2. und 1. Jahrhundert vCh - bevor die Römer kamen - entstanden im Rhein-Main-Gebiet große keltische Städte, so die Salzsieder-Siedlung in Bad Nauheim oder das sogenannte Heidetränk-Oppidum im Taunus. In diesen keltischen Städten konzentrierten sich Handel und Handwerk. Die Kelten entwickelten in dieser Zeit sogar ein eigenes Münzwesen und benutzten die Schrift.

Die umliegenden Siedlungen waren dagegen bäuerlich geprägt, und man lebte dort vor allen Dingen von der Landwirtschaft. Schon damals bauten die Kelten noch heute gebräuchliche Getreidearten wie Weizen, Gerste und Dinkel an. Als Haustiere waren neben dem Hund auch Pferd, Rind, Schwein, Schaf, Ziege und das Huhn bekannt. Die Jagd und das Sammeln von Pflanzen spielten kaum noch eine Rolle.

Von der höchsten Stelle an der Bettenstraße geht man wieder hinter zu Tafel 7 und dann immer bergab.

 

(6 ) Kohlenmeiler:

Schon in vorgeschichtlicher Zeit wurden Holz und Holzkohle für Erzschmelze und Metallguß benötigt. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts nahm der Verbrauch von Holzkohle für Schmiede, für Hochöfen und Glaserzeugung zu, bis sich die örtliche Produktion von Metallen (Eisen, Kupfer) und Glas nicht mehr lohnte.

Auch hier im Wald standen früher Meiler für die Erzeugung von Holzkohle. Auf einer eingeebneten runden Fläche, der „Kohlplatte“, wurden um einen Mittelschacht aus Stangen kurze Holzstücke senkrecht in mehreren Etagen kuppelförmig aufgestellt. Dann wurde alles luftdicht mit Erde abgedeckt. Ein solcher Meiler enthielt 30 – 40 Raummeter Holz.

Entzündet wurde der Meiler über den Mittelschacht, der danach verschlossen wurde. Bei der Holzverkohlung durfte das Holz nur langsam glimmen. Auf diese Weise entstand Holzkohle mit einem Kohlenstoffanteil von etwa 80 Prozent. Ein offener Brand dagegen hätte das Holz zu Asche zerfallen lassen. Diesen Vorgang mußte der Köhler ständig überwachen und durch Öffnen und Schließen von Löchern im Erdmantel regulieren. Meist war ein Meiler nach acht Tagen durchgeglüht und wurde dann gelöscht. Die Ausbeute betrug dem Volumen nach rund 50 Prozent der ursprünglichen Holzmenge, dem Gewicht nach rund 20 Prozent. Kohlenmeiler gab es besonders oft in steilerem Gelände, wo der Holztransport schwierig war. Die leichtere Holzkohle ließ sich dagegen in Säcken besser transportieren.

 

(5) Hügelgräber:

Hier findet man noch die flachen Reste von Hügelgräbern aus der Hallstatt-Zeit (8. bis 5. Jahrhundert vor Christus). Das Auge des Laien würde unter den hundertjährigen Bäumen das Grabhügelfeld übersehen. Hinter den Informationstafeln ist eine Stelle mit einem Pfahl mit weißer Spitze markiert.

Wie muß man sich eine Beerdigung in keltischer Zeit vorstellen? Gesänge, Gebete - vieles ist denkbar, doch ohne schriftliche Aufzeichnungen für immer verloren und nicht zu beweisen. Aufgrund von Ausgrabungen ist es aber möglich, wenigstens einen Teil des Bestattungsrituals zu erschließen. So finden sich in vielen Gräbern immer wieder einzelne Gefäße, die wahrscheinlich den Proviant des Toten für die Reise in eine jenseitige Welt enthielten. Manchmal stößt man sogar auf umfangreiche Gefäßsätze, von denen man annehmen kann, daß sie bei einem letzten gemeinsamen Mahl mit dem Verstorbenen am noch offenen Grab verwendet wurden.

Die Toten selbst hatte man meistens in ihrer Tracht beigesetzt. Davon haben sich zwar nur die unvergänglichen Teile erhalten wie zum Beispiel eiserne Gürtelhaken, Ringschmuck aus Bronze oder gar Waffen. Doch gerade diese Gegenstände verraten uns einiges über die sozialen Strukturen der Kelten. Denn anders als in den meist nur mit spärlichen Beigaben versehenen Bestattungen der breiten Bevölkerung finden sich in den Gräbern der Wohlhabenden und Mächtigen wertvolle Gegenstände. Dies gilt vor allen Dingen für die aus dem 5. Jahrhundert vCh stammenden Fürstengräber vom Glauberg, der zu dieser Zeit das politische, wirtschaftliche und wohl auch religiöse Zentrum der Kelten im Rhein-Main-Gebiet gewesen war. Der Reichtum dieser Fürsten begründete sich vermutlich durch Abgaben und Dienstleistungen, zu denen die Bewohner des Umlandes - auch die Kelten am Betten - verpflichtet waren.

Nur der Mensch bestattet seit jeher seine Toten. Dadurch unterscheidet er sich von allen anderen Lebewesen auf dieser Erde. Zugleich zeigen die immer wieder bei Ausgrabungen entdeckten Grabbeigaben wie Kleidung und Nahrung, daß der Mensch in prähistorischer Zeit fest an ein Weiterleben nach dem Tod glaubte.

In manchen Epochen verbrannte man die Toten vor der Beisetzung. In anderen Zeiten bevorzugte man dagegen die Erdbestattung. Welche – sicherlich religiösen Gründe – dabei eine Rolle gespielt haben, ist nur zu erahnen. Hier und da markierte man die Gräber oberirdisch. Dies konnte durch einen hölzern Pfosten oder einen Grabhügel geschehen.

Zwar wurden in Hessen schon am Ende der Steinzeit (im 3. Jahrtausend vCh) und der darauffolgenden Bronzezeit Grabhügel errichtet. Die meisten Hügel stammen aber aus dem 1. Jahrtausend vCh und damit von den Kelten. Vor allen Dingen in der Zeit vom 8. bis 4. Jahrhundert vCh setzte man die Toten in Grabhügeln und in den folgenden Jahrhunderten bestattete man die Toten meist in der Nähe dieser Grabhügel, ohne jedoch neue Grabhügel zu errichten.

Da zu jeder Siedlung ein Friedhof gehörte, waren zur Zeit der Kelten diese Grabhügelfelder landschaftsprägend gewesen. Intensiver Ackerbau hat sie aber später an viele Stellen zerstört. Deshalb sind Grabhügel fast nur noch in Waldgebieten wie in diesem Forst zwischen Dudenrod und dem Betten bis in unsere Tage erhalten geblieben.

 

(4) Mischwald:

In der Vergangenheit wurde aus wirtschaftlichen Gründen der Wald in Reinbeständen meist einer Baumart angelegt. Die Anpflanzung war auf großen Flächen einfach durchzuführen, die Pflege erleichtert. War der Baumbestand alt genug, wurden größere Teile auf einmal gefällt. Die Kahlschläge wurden dann wieder mit nur einer Baumart bepflanzt. Diese plantagenähnlichen „Mono-Wälder” sind aber durch Stürme und Schadinsekten stark gefährdet, besonders die Nadelwälder.

An dieser Stelle aber ist eine Waldform zu sehen, wie sie allgemein in der Forstwirtschaft angestrebt wird: Der Mischwald. Er entsteht auf natürliche Weise durch Eicheln und Bucheckern, die von den Frucht tragenden Bäumen herunterfallen, und durch Samen, der vom Wind angeweht wird. Solche Flügel tragenden Samenkörner werden von allen Nadelbäumen, aber auch von Ahorn, Esche und Birke produziert.

Wenn diese Samen zu jungen Bäumchen heranwachsen, spricht man von einer Naturverjüngung. Größere Lücken zwischen den nachwachsenden Bäumchen werden mit verschiedenen Baumarten ausgepflanzt. Meist nimmt man dazu die schneller wachsenden Nadelhölzer. Die entsprechende Mischung kann man oberhalb des Rundweges sehen. Hier besteht der Wald aus Eichen, Buchen, Hainbuchen, Lärchen, Fichten und Douglasien, die 65 Jahre alt, teilweise auch etwas jünger sind.

Unterhalb des Weges stehen 210-jährige Eichen. Etwa 90-jährige Buchen und wesentlich jüngere Hainbuchen bilden den sogenannten Unterstand. Werden die starken Bäume gefällt, kann dieser Unterstand in die so entstandenen Lücken hineinwachsen (Alle Altersangaben sind auf das Jahr 2000 bezogen).

 

(3) Steinerne Geschichte:

Die historische Steinbrücke über den Wolfsbach wurde um 1894 zu Ehren von Bruno Fürst zu Ysenburg und Büdingen (1837 - 1906) errichtet, der am 30. September 1869 in zweiter Ehe Berta Gräfin zu Castell-Rüdenhausen (1845 - 1927) geheiratet hatte. Daher trägt die Brücke auf der talaufwärts weisenden Mauer (nicht am Bogen) das Wappen des Hauses Ysenburg-Büdingen, talabwärts das des Hauses Castell-Rüdenhausen. Fürst Bruno folgte den Neigungen seines Vaters Ernst Casimir IV. (1806 - 1861), der im Schloß in Büdingen mit der Wiederherstellung des alten Charakters zum Beispiel der Schloßkapelle und mit der wissenschaftlichen Erforschung begonnen hatte. Brunos Sohn Wolfgang war 1906 einer der Begründer des Büdinger Geschichtsvereins. Auch die beiden Wappen an der Brücke kennzeichnen die historischen und künstlerischen Neigungen Fürst Brunos. Mit der Brücke wurde eine jederzeit benutzbare Zufahrt zum größten Teil des Fürstlich Ysenburg-Büdin­genschen Forstrevieres Christinenhof geschaffen. Sie war und ist insbesondere wichtig für die Abfuhr des eingeschlagenen Holzes.

An diesem Bachabschnitt kann man manchmal noch selten gewordene Vogelarten wie den Eisvogel und die Wasseramsel beobachten. Der Eisvogel legt in steilen Uferböschungen Bruthöhlen an, die er durch einen 50 - 100 Zentimeter langen aufsteigenden Gang erreicht. Die Wasseramsel brütet meist in Uferhöhlen. Ihre Ansiedlung kann auch durch künstliche Nistplätze unter Brücken gefördert werden.

 

(2) Biotope von Menschenhand:

Teichwirtschaft: Die hier im Wolfsbachtal nach 1945 künstlich angelegten Wasserflächen dienen vorwiegend der Fischzucht. In ihnen werden hauptsächlich Regenbogenforellen oder Karpfen ge­halten. Regenbogenforellen stellen geringere Anforderungen an die Wasserqualität als Bachforellen, benötigen aber kühleres Wasser als Karpfen. In Karpfenteichen werden in geringerer Zahl auch Schleien, Brassen und Zander herangezüchtet. Teiche brauchen einen ständigen Zulauf von frischem Wasser. Der Ablauf wird durch sogenannte „Mönche“ geregelt. Durch solche Abflüsse kann dem Teich für die Forellenaufzucht das wärmere Wasser der Oberfläche, für die Karpfenaufzucht das kältere aus dem Untergrund abgezogen werden. Teiche zur Fischzucht stellen eine Bereicherung der Landschaft dar und schaffen Lebensraum für viele Tierarten. So hat auch die Teichwirtschaft im Wolfsbachtal zur Ansiedlung neuer Tier- und Pflanzenarten geführt, die am Rundweg zu beobachten sind. Heute findet man hier Amphibien wie Frösche, Kröten, Molche sowie Insekten wie zum Beispiel Libellen. Bei ausreichendem Bewuchs in der Nähe und bei Vorhandensein von Schilfzonen an den Teichufern siedeln sich die verschiedensten Vogelarten an. Nicht gern gesehene Gäste sind für die Fischzüchter allerdings Graureiher und besonders Kormorane, die dem Fischbestand sehr stark zusetzen können.

 

Natürlicher Bachlauf: Ein weitgehend natürlich belassener Bachlauf wie hier der Wolfsbach windet sich in Schlangenlinien durch das Tal. In freiem Gelände wachsen an seinen Ufern vorwiegend Schwarzerlen, aber auch Weiden, andere Gehölze und Sträucher. Die Schwarzerle ist besonders zur Befestigung der Uferböschungen geeignet. Ihr dichtes Wurzelwerk durchzieht den Boden und schützt ihn so vor Abtragung durch das Wasser. Stärkere Erlen, die gefällt werden müssen, schlagen vieltriebig wieder aus. Ein Bach, der in vielen Schleifen durch das Tal läuft, sorgt für langsameren Wasserabfluß und hilft damit Hochwässer am Unterlauf zu verhindern.

In einem natürlichen und sauberen Bach, der durch Uferbewuchs beschattet ist, können bei genügender Wasserführung Bachforellen leben. In etwas größeren Bächen leben auch Rotfeder, Rotauge, Barsch, Hecht, Aal und selten Bachneunauge. An den Ufern des Wolfsbaches wachsen verschiedene seltene Pflanzen wie die Nesselblättrige Glockenblume, der Gemeine Goldstern und der Bittersüße Nachtschatten.

Der Wolfsbach besitzt eine Länge von etwa 14 Kilometern, er entspringt zwischen Wenings und Bindsachsen und mündet westlich von Büdingen in den Seemenbach. Seinen Namen teilt er mit dem am Talausgang gelegenen Dorf Wolf, einer der ersten Ansiedlungen in diesem Gebiet aus dem 9. oder 10. Jahrhundert. Dessen alter Name „Wolfaha“ bedeutet „Siedlung an einem sumpfigen Gewässer“

 

(1) Eine alte Kulturform: Streuobstwiesen:

Streuobstwiesen sind die traditionelle Form des Obstanbaus. Im 15. und 16. Jahrhundert nahm der Streuobstanbau zu und erreichte Ende des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Auf Wiesen und Weiden wurden lockere Anpflanzungen von hochstämmigen Obstbäumen angelegt. Als ideal erwiesen sich dabei Mischbestände aus mehreren Obstarten. Bei der Technisierung der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Bäume jedoch hinderlich. Rodungsprämien, Straßenbau, Baulanderschließung und Flurbereinigung reduzierten ebenfalls die Bestände. So ging der Streuobstbestand in Hessen seit 1938 von etwa 8,5 Millionen Bäumen um etwa 90 Prozent zurück.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Streuobstwiesen ist im Vergleich zu den Obstplantagen immer geringer geworden; dennoch ist der ökologische Wert dieser Flächen groß, da der Einsatz von Dün­ger und Pflanzenschutzmitteln stark reduziert ist und lediglich Schnittmaßnahmen erforderlich sind. Neben ihrem Beitrag zum Bodenschutz und zur Klimamilderung dienen sie als Luftfilter und Bienenweide und sind ein wichtiges Rückzugsgebiet für zahlreiche Pflanzen und Tiere. In hohlen Bäumen leben Steinkauz, Turteltaube, Wendehals und andere Vogelarten. Rebhuhn, Hase, Blindschleiche, Zauneidechse und viele Insektenarten finden in reichem Bodenbewuchs Nahrung und Unterschlupf. Etwa 3,4 Quadratkilometer Streuobstflächen um die Ortschaften herum bilden einen Schutzgürtel und idealen Übergang zur freien Landschaft. Zudem sind die alten Obstsorten schmackhafter und werden besonders gern von Keltereien verarbeitet.

Zum Keltenpfad gehört auch der Sandsteinbruch östlich von Büdingen (siehe Radtour).

 

III.) Radtour nach Rinderbügen:

Durch Bahnhofstraße, Vorstadt, Obergasse und Am Hain kommt auf der alten Landstraße nach Rinderbügen zum Steinbruch. Eine Wand aus 230 Millionen Jahre altem Buntsandstein (Erdmittelalter, Trias) ragt 50 Meter empor. Fast die ganze Büdinger Altstadt besteht aus dem gleichen Buntsandstein. Das witterungsbeständige, rötliche Material ist gut zu bearbeiten. Deshalb hat man es seit Jahrtausenden an dieser Stelle abgebaut. Hier wurde auch das Material für die Statue des Keltenfürsten gebrochen. Die Nachfrage erlosch erst mit dem Zweiten Weltkrieg.

Auf der nördlichen Seite der Straße neben dem Haus „Am Hain 100“ führt ein kurzer Weg aus Basaltpflaster auf den mächtigen Steinbruch zu. Am Beginn steht ein Sandstein mit dem Kopf-Relief des Keltenfürsten vom Glauberg. Der Weg endet nach etwa 15 Metern in einer von Rundholz-Palis­aden flankierten Sackgasse. Da stehen zwei hölzerne Informationstafeln mit dem Motto „Steine für die Keltenfürsten“. Nebenan liegt ein hüfthoher Quader aus Buntsandstein auf Eichenholzrollen: So haben die Kelten vor 2500 Jahren die Rohlinge für ihre Skulpturen bis zum etwa zwölf Kilometer entfernten Glauberg befördert. Aus Sicherheitsgründen darf man nicht unmittelbar an die hohe Wand heran. Doch die Kelten-Infostation am Steinbruch ist stets für Neugierige zu besichtigen. Auf dem Grundstück rechts sind noch viele Trockenmauern aus Sandstein zu sehen. Man fährt weiter auf der Landstraße nach Rinderbügen.

Die Waldgebiete um Büdingen gelten zusammen mit der Kinzig-Region um Gelnhausen geologisch als klassische Buntsandsteinlandschaft. Das Gestein bildet hier die markante Steilstufe, die sich zwischen den Tälern des Seemenbaches und der Kinzig von Gelnhausen über Büdingen bis nach Ortenberg erstreckt.

Der Sandstein, der in Büdingens Steinbrüchen ansteht, stammt aus der Trias, der untersten Formation des Mesozoikums (Erdmittelalter), und ist etwa 230 Millionen Jahre alt. Bei dem sogenannten Unteren Buntsandstein handelt es sich um ein Sedimentgestein, das heißt er ist durch allmähliche Ablagerungen entstanden. Er bildet hier eine Schicht von bis zu 200 Metern Dicke, durchsetzt mit Ton- und Schluffsteinlagen, die an den bis zu 50 Meter Wänden der hiesigen Steinbrüche gut zu erkennen sind.

Der feinkörnige, tonhaltige Buntsandstein aus den Brüchen von Büdingen besitzt eine rotbraune Färbung und ist fest und witterungsresistent. Die historischen Brüche an der rechten Talflanke des Seemenbaches und am östlichen Rand Büdingens haben seit dem Hohen Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert hinein das mit Holzklopfer und Spitzhaue leicht zu bearbeitende Material für die Bauten und Befestigungsanlagen der Stadt und das ysenburgische Schloß geliefert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Brüche aufgegeben, abgesehen vom Bruch einzelner Sand­steinblöcke für Restaurierungsmaßnahmen in der historischen Stadt und im Schloß und für den hier aufgestellten Gedenkstein. Der leicht zu bearbeitende Sandstein aus den Steinbrüchen bei Büdingen ist selbst für komplizierte Steinmetzarbeiten wie feine Ornamente und Skulpturen hervorragend geeignet.

Bereits vor 2.500 Jahren diente der Sandstein als Rohstoff für die Statuen der Kelten­fürsten vom Glauberg. Die räumliche Nähe des Vorkommens sowie die Übereinstimmung in der Beschaffenheit sprechen dafür, daß das Material hier vor Ort oder in der näheren Umgebung gewonnen worden sein kann. Dies bestätigen wissenschaftliche Gutachten. Seit etwa 1.000 Jahren läßt sich die Steinmetztätigkeit in Büdingen nachweisen. Steinmetzen und Bildhauer aus allen Epochen haben hier ihr steinernes Werk hinterlassen und ihr Handwerk zu großer Meisterschaft entwickelt.

Die Steinmetze waren in Bauhütten zusammengeschlossen. Ihre Erkennungszeichen waren Steinmetzzeichen, die noch heute an den historischen Bauwerken zu sehen sind. Die monogrammartigen oder geometrischen Zeichen dienten zur Abrechnung erbrachter Leistungen; sie geben aber auch Aufschluß über Ausbildungsstätten und Herkunft der Handwerker: Die Quadratur stand dabei für Straßburg, die Triangulatur für Köln, der Vierpaß für Wien, der Dreipaß für Prag. An den Bauwerken in Büdingen und Umgebung begegnet man vor allem dem Straßburger Schlüssel.

Vor einigen Jahren hat die neu gegründete Schloßbauhütte die alte Tradition der Stein­metzkunst wieder belebt und pflegt seither erneut den kunstvollen Umgang mit dem Material aus dem Unteren Buntsandstein.

 

Leider gibt es keinen eigenen Radweg nach Rinderbügen. Man kann aber ab dem Hammer auf den Wirtschaftswegen durch das Tal fahren. Durch ein langgestrecktes Tal mit zahlreichen Baum­veteranen geht es zu mehreren Teichen mit Seerosen. In Rinderbügen biegt man nach rechts in die Rinderbügener Hauptstraße. Diese macht einen Bogen nach links (nicht „Am Eckelgarten“) und führt auf den Preiserlenweg. Vorbei am rechts liegenden Rinderbügener Hof geht es bis zum Forsthaus, hinter dem ein kleiner Parkplatz ist.

Von hier geht es an der Schranke vorbei rechts in den Wald, östlich um einem riesigen Basaltsteinbruch vorbei. Man kommt zu einem ersten Wegedreieck, wo das Zechenhaus steht. Man geht nach rechts weiter und dann auf dem Schotterweg nach links. Links ist ein Kellereingang, eventuell der Einstieg in einen Schacht.

Jahrhundertelange forstwirtschaftliche Pflege hat einen herrlichen Hochwald entstehen lassen, besonders eindrucksvoll mit Baumveteranen, die ein paar hundert Jahre auf dem Buckel haben. Höhepunkt sind die teilweise alleenartig angelegten Eichenanpflanzungen an einem zweiten Wegedreieck. Die Eichen wurden gepflanzt, um Futter zu haben für das Damwild und die Wildschweine, die auch heute dort noch zahlreich zu finden sind.

Links sieht man ein großes Steinkreuz. Darunter die Grabsteine und die Gräber der fürstlichen Familie aus dem 20. Jahrhundert.. An der mächtigs­ten der mehrhundertjährigen Eichen finden sich mehrere Gräber der Familie Ysenburg-Büdingen.

Wenn man nach rechts weiter geht und dann auf dem Schotterweg gleich wieder nach rechts (Wan­derzeichen Y) kommt man zum idyllisch gelegenen Geisweiher. An der Staumauer steht eine Wildfütterung. Überall ist der Wald gezeichnet von den Spuren der Wildschweine. Wenn man zu Fuß von der Presierle unterwegs war, muß man darauf achten, daß man vor dem Zechenhaus rechts auf dem Schotterweg geht.

Mit dem Fahrrad kann man vom Geisweiher direkt hinunter fahren zum Thiergarten. Aber wenn man wieder nach oben zurückkehrt auf die Teerstraße geht es auf der bestens ausgebauten Teerstraße Richtung Büdingen. Dies ist die „Reffenstraße“ - Teil der alten Handelsstraße „Hohe Straße“, die von Frankfurt über den Berger Rücken und Marköbel bis nach Fulda und Thüringen führt. Als Markierung dient ein „weißes Dreieck auf schwarzem Grund“. Die Straße führt ins Tal zur Bahnstrecke Gelnhausen – Büdingen. Die Eisenbahn sieht man allerdings nicht - sie verläuft zum Teil im Tunnel.

Nach rechts folgt man dem „grünen Kreuz“; die Forststraße verläuft parallel zur Bahnstrecke und erreicht den Thiergarten, Sitz der früheren „Sonnenschein-Fabrik“, jetzt „Exide“. Das Gelände heißt so, weil hier Damwild angesiedelt wurde. Hier steht das Sommerschlößchen Thiergarten, in den Jahren 1670 / 1671 für Graf Johann Ernst erbaut. Dahinter ist noch ein Teich. Hier wurden Karpfen gehalten. Das Anzuchtbecken für die Karpfen ist hinter dem Forsthaus. Hier legte man die Eingeweide der erlegten Tiere auf Flöße. Daran bildeten sich Maden, die dann ins Wasser fielen und von den Karpfen gierig gefressen wurden. Auf Anforderung öffnet der Pförtner über eine Fernbedienung das Fabriktor - das Fabrikgelände darf durchquert werden. Man landet an der Bahnlinie, und ab hier weisen Schilder auf den Radweg hin, der neben dem Bahndamm nach Büdingen führt.

Mit dem Auto kommt man nach Thiergarten, wenn man von Süden auf der B 457 kommt und nach rechts in die Industriestraße (Industriegebiet) einbiegt. Wenn man mit dem Auto von Rinderbügen zurückfährt, sieht man im unteren Teil des Tals noch zwei Mühlen, die Papiermühle (Straße „An der Papiermühle“ rechts) und die Schneidmühle.

 

IV.) „Wilder Stein“:

Von der Gymnasiumstraße biegt man nach Süden in die Straße „Am Wilden Stein“ in Richtung Krankenhaus. Vor dem Krankenhaus biegt man links ab und sieht dann gleich rechts den „Wilden Stein“, eine dramatisch zerklüftete Basaltsäule (vor den Garagen dahinter kann man wenden).

Der Wilde Stein ist ein tertiärer Basaltschlot der von der Abtragung aus seiner Buntsandsteinhülle heraus präpariert wurde. Im feinsäulig abgesonderten Basalt findet man Einschlüsse von Buntsandstein, der sich unter der Hitzewirkung gelblich verfärbt hat.

Der Wilde Stein war in vorchristlicher Zeit Kultplatz. Sein Name ist eine Verkürzung aus „der wilden Frau Gestein”. Zu Anfang des 14. Jahrhunderts lag das Gelände noch im „Büdinger - Reichswald.” Um diese Zeit rodet man das Gelände am Südwest- und Nordhang zu fünf Pflügen von etwa je 40 Hektar. Urkundlich wird der „Wilde Stein” bereits 1471 erwähnt.

Eine berüchtigte Rolle wird ihm während der Hexenprozesse des 16. und 17. Jahrhunderts nachgesagt. Unter der peinlichen Folter gaben angeklagte Frauen zu, daß sie hier „nächtens mit dem Teufel” zusammen gekommen seien. Noch heute erinnert die Hexenkammer an diese Zeit. Im Jahr 1796 ließ der österreichische General von Elsnitz mehrere Wochen im „Wilden Stein” sprengen und aus dem Material Brücken und Straßen um Büdingen bauen. Im vergangenen Jahrhundert benutzte man den „Wilden Stein” noch häufig als Steinbruch. Vom „Wilden Stein“ hat man einen prächtigen Blick auf die Altstadt.

 

V.) Extra-Tour:

Für eine ausgedehnte Runde durch Büdingens Wälder gibt es die „.Extra-Tour“. Diese 17 Kilometer lange Strecke im Gefolge der Markierung „Y“ schließt den idyllisch gelegenen Thier­gartenweiher und den Wilden Stein ein. Von dem mächtigen Fels vulkanischen Ursprungs öffnet sich ein großartiges Sichtfenster auf Schloß und Stadt Büdingen.

 

VI.) Büdinger Geotope:

Zu den Büdinger Geotopen gehören der Wilde Stein, der Säulenbasalt des Michelauer Steinbruchs, der Buntsandsteinbruch an der Straße nach Rinderbügen, der Zechstein in Büdingen, der Basalt in Düdelsheim, die Steingartengalerie im Garten Kölsch und das Sandrosenmuseum im Jerusalemer Tor (Vergleiche die Tafel in der Gaststätte in Michelau).

Wegelänge der Wanderung: 15,6 Kilometer, 398 Höhenmeter, reine Gehzeit: 3, 5 Stunden.

Insbesondere nach Regen sind die Wege nicht so gut zu begehen, wasserfeste Schuhe sind hier von Vorteil. Einkehrmöglichkeit: „Zum Zillertaler Eck“ in Michelau sowie eine Vielzahl von Restaurants unterschiedlicher Qualität und Preislagen in Büdingen.

Den im Rundweg „Büdinger Geotope“ vorgeschlagenen Einstieg kann man nicht empfehlen. Er soll am Altstadtparkplatz beginnen. Auf diesen trifft man, wenn man über die Mühltorbrücke fährt und dann gerade aus auf den Parkplatz hinter der Stadtmauer. Dieser ist aber nicht nur gebührenpflichtig, sondern man darf auch nicht länger als drei Stunden parken. Deshalb wird dieser Punkt des Weges an den Schluß gesetzt.

Man fährt besser über die Gymnasiumstraße in die Mühltorstraße und dort ist rechts ein großer Parkplatz. Von dort geht man in die Kellergasse, die dann nach links abknickt. An ihrem Ende beginnt mit der Markierung „Y“. Er führt von Nordwesten an den „Wilden Stein“ heran (siehe Büdingen, Umgebung, Nummer 4). Von hier oben hat man einen herrlichen Ausblick auf das mittelalterliche Büdingen.

Der „Wilde Stein“ wird im Rechtsbogen umrundet. Man darf aber nicht vor dem Garagen entlanggehen, sondern vorher wieder auf dem Y-Weg aufsteigen. Er biegt dann nach links ab, geht nach unten und wieder hoch. Doch dann verläßt man ihn wieder auf dem Weg nach links, der mit dem weißen Kreuz auf schwarzem Grund gekennzeichnet ist. Der Weg führt auf und ab, geht durch ein mit Wildgattern gesichertes Gebiet, um das Haus des Jagdvereins Hubertus herum und führt in einem Rechtsbogen auf eine geteerte Straße.

Hier geht man am Dohlberg entlang, wo im Krieg eine Reihe von Bunkern entstanden sind, deren gesprengte Reste heute noch zu sehen sind. Am Dohlberg wurde schon im Mittelalter Sand­stein abgebaut. Mit etwas Phantasie kann man die längst überwachsenen Abraumhalden und die Steinbrüche erahnen. Auch auf der anderen Seite des Seemenbachtals sieht man den Büdinger Steinbruch (siehe Büdingen, Umgebung, Nummer 3).

Wenn man im spitzen Winkel zum Hammer abgebogen ist, sieht man eine gefaßte Quelle, deren Wasser in Rohren nach unten zur Straße abgeleitet wird. Hier holen sich manche Büdinger Trinkwasser, weil es besonders weich ist. Der Name „Hammer“ erinnert an eine ehemalige Hammerschmiede, wahrscheinlich ein Gebäude von 1840 auf der rechten Seite.

Man geht auf der Straße weiter bis zur Landstraße, überquert diese und geht direkt auf der anderen Seite weiter.

Der Weg führt rechts hoch und dann ein ganzes Stück eben und dann etwa 200 Meter steil nach links hoch und dann wieder rechts weiter. Man wechselt hier im Grunde nur eine Etage höher. Jetzt verläuft der Weg wieder einigermaßen eben. Nach rund 700 Metern kommt an eine kleine Lichtung. Auf der linken Seite sieht man einen tiefen Einschnitt, rechts und links sind hohe, längst zugewachsene Abraumhalden des Michelauer Steinbruchs. Hier wurde bis Anfang der sechziger Jahre ein ganz besonderer Basalt abgebaut.

Dieser Basalt gehört zu einem Lavastrom, der vor etwa 16 - 18 Millionen Jahren im Miozän ausgeflossen war. Als der Lavastrom zum Stillstand kam, bildeten sich infolge der Abkühlung diese senkrecht stehenden Basaltsäulen. Der Michelauer Basalt eignete sich besonders gut für die Herstellung von Kopfsteinpflaster, ein Straßenmaterial, das heute vielfach unter Teerdecken schlummert und kaum noch Verwendung findet, weil es insbesondere bei Nässe gefährlich glatt wird.

In den Hochzeiten haben hier fast 20 Menschen eine Arbeit gefunden, zur Hälfte Steinrichter und Tagelöhner. Für fast 50 Jahre fiel der Steinbruch in einen Dornröschenschlaf, jetzt mobilisiert Lothar Keil seine Männer, um Bäume weg zu schneiden, um das prachtvolle Geotop einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Immerhin 17 Millionen Jahre alt sind diese monumentalen Basaltblöcke. Wenn sie der Witterung ausgesetzt sind, schälen sie sich geradezu und werden zu Kugeln, die besonders schön anzusehen sind.

Kleinere Kugeln findet man auch im Abraum - eine schöne Beschäftigung für die kleinen Mitwanderer: „Wer findet die schönste Kugel?“ Im Sinne der Nachwanderer wird aber darum gebeten, nur im Abraum zu suchen und nicht das Geotop selbst zu beinträchtigen. Trotz aller Freilegungsarbeiten ist in dem Steinbruch noch nicht sehr viel zu sehen. Der berühmte Säulenbasalt ist erst im hinteren Teil und ziemlich zugewachsen.

Der Weg führt dann weiter nach Michelau. Das letzte Stück läuft man auf dem Weg mit dem gelben Kreuz nach rechts, links ist das Wasserwerk und rechts eine Scheune. Man könnte rechts weiter geht zum Dorf. Aber wenn man schräg nach links abgeht, kommt man an einem schönen Fachwerkhaus aus der Zeit um 1780 vorbei. Über die Bürgerhausstraße geht man rechts in die Moosbergstraße und kommt zu der kleine Kirche. Links gegenüber der Kirche ist die kleine Gaststätte „Zum Zillertaler Eck“ (Telefon 06049/7541). Das hübsche Dörfchen wirkt etwas verschlafen, zumal es keine Durchgangsstraße gibt. Wer hier ist, der wollte auch hier herkommen. Die Zufahrt erfolgt über Wolferborn.

Rückwärts geht man rechts an der Kirche vorbei auf der Rinderbügener Straße und am Dorf­ende rechts auf den Weg mit dem gelben Kreuz, auf dem man schön gekommen ist. Aber am Wasserwerk geht man jetzt geradeaus bis zur Wilhelm-Landmann-Hütte. Dort kann man geradeaus weiter gehen links an der Steinröde vorbei. Bei schlechtem Wetter und eisigen Wegen empfiehlt sich aber, daß man rechts weiter geht und gleich wieder links. Der Weg steigt jetzt immer noch an. Man biegt nach dem hohen Hochsitz im spitzen Winkel links ab und umrundet die Steinröde von rechts nach links rechts. Der Weg führt aber im Rechtsbogen bald wieder in Richtung Büdingen. Auf dem Weg sieht man mehrere überwachsene Steinbrüche und Abraumhalden. Besonders ein Steinbruch, der auch in der topographischen Karte eingezeichnet ist, fällt auf. Der der Markierung „Rot-weißer-Strich“ geht man nicht auf dem schmaleren Weg geradeaus, sondern rechts.

Der Weg geht jetzt steiler bergab, bis man links die Jugendherberge sieht, ein Flachdachgebäude aus den siebziger Jahren. Gegenüber ist der „Waldseilgarten Laubfrosch“. Man geht zu ihr hin und dann rechts-links um die herum und steil nach unten. Dort geht es links-rechts weiter und auf einer gepflasterten Straße zwischen den Weinbergsmauern hindurch. Hier wurde das Kopfsteinpflaster aus Sandstein gearbeitet. Lothar Keil zufolge stammt es noch aus dem Mittelalter, genauso wie viele der Mauern, die einst die wertvollen Weingärten umgrenzten.

Man kommt zur Straße „Am Gebück“ und geht dort links hinter bis zur Obergasse. Dort geht man rechts und findet auf der rechten Seite das Café Pauly. Ein Stück weiter geht es nach links zum Marktplatz und dort nach rechts zum Garten Kölsch. Hier gewinnt man einen Eindruck von den Aktivitäten von Lothar Keil hat. Ihm ist es nämlich zu verdanken, daß diese mächtigen Steine, alle aus der Wetterau, hier aufgestellt wurden.

Der Büdinger Lothar Keil Original hat es sich zur Aufgabe gemacht, die geologischen Schätze der Stadt herauszuputzen. Nebenbei hat er im einst heruntergekommenen Jerusalemer Tor ein Sandrosen-Museum mit zum Teil spektakulären Funden eingerichtet. Dem Endsechziger ist es zu verdanken, daß der „Wilde Stein“ freigelegt wurde und auch der Steinbruch im Bü­dinger Stadtteil Michelau wird zu einem Anziehungspunkt für Wanderer werden. Nicht immer kann Keil auf die Unterstützung der städtischen Honoratioren rechnen. Dem Leiter des Sandrosen-Museums ist das aber gleich, er geht seinen Weg, denn er möchte gerne, daß diese „wunderbaren Geotope der Nachwelt erhalten bleiben“.

 

 

Düdelsheim (westlich von Büdingen)

Im Jahre 1988 stieß man im Kapellenweg 12 beim Anlegen einer Terrasse auf ein Skelett, dabei allerhand Objekte, die man zwar als „antik“ erkannte, aber deren Lage man nicht kartierte. Das augenfälligste Fundstück ist eine große runde Scheibenfibel aus Eisen, deren Schauseite fünf halbkugelige Nietköpfe und einen flächigen Dekor aus Silber- und Messing-Tauschierung zeigt, wobei sich in vier, von Leiterbändern umrahmten Kreissegmenten ein verschlungenes Tiermotiv wiederholt. Auch 61 Glas- und 2 Amethystperlen sowie vier Muschelscheibchen gehörten ehemals zu einer Halskette, an der eine Münze hing. Dazu kommen noch ein schlichter Armreif und ein Fingerring mit gravierter Schauplatte.

Es handelt sich um die Bestattung einer Frau aus einer gehobenen sozialen Schicht. Es fehlte allerdings eine Gürtelschnalle, Gürtelgehänge und Alltagsgeräte wie Messer oder Schere. Sie wurde in ihrer Festtagstracht bestattet, bald nach der Mitte des 7. Jahrhunderts. Der Ort wird erst 100 Jahre erstmals als Tutilesheim erwähnt (Archäologische Denkmäler in HessenNummer 161).

 

 

Marienborn (südwestlich von Eckartshausen)

Das ehemali­ge Zisterzienserinnenkloster Marienborn wurde 1559 aufgehoben und 1673 zu einem einfachen Schloß umgestaltet und 1737 von der Herrnhuter Brüdergemeine gepachtet.

Goethes Begegnung mit den Herrnhutern und sein Besuch der Synode in Marienborn 1769:

„Rath Moriz, der den jun­gen Herrn Jedde in seiner Gesellschaft hatte und nebst demselben recht vergnügt bei uns gewesen war, retournirte heute nach Frankfurt“, heißt es unter dem 22. September 1769 im. „Diarium der Brüder­gemeinde“, das den Verlauf der allgemei­nen Synode protokollierte, die in diesem Jahr letztmals in Schloß Marienborn in der Wetterau stattgefunden hatte. Und in einer anderen zeitgenössischen Quelle, dem „Gemein‑Bericht“, der sich ebenfalls im Unitätsarchiv in Herrnhut in der Lau­sitz erhalten hat, ist etwas klarer formu­liert: „Der Herr Legationsrath Moritz und Herrn Rath Göthe aus Frankfurt Sohn, ein junger Student, die von Frank­furt zum Besuch hier waren, wohnten die­ser Versammlung bey“.

Was hier nach einer kurzen Vergnü­gungstour Johann Wolfgang Goethes bis vor die Tore des Städtchens Büdingen aussieht, hat einen wichtigen Platz in einer für die weitere Entwicklung zum Dichter bedeutsamen Umbruchszeit. Er war damals ein zwanzigjähriger Studen­t der Rechte, der literarisch noch nicht hervorgetreten war. Im Jahre 1768 war Goethe nach einem mehrjährigen, fachlich wenig er­folgreichen Studium in Leipzig und einer der vielen unglücklichen Romanzen nach dem Ausbruch einer schweren Erkran­kung, vermutlich Lungentuberkulose, ins heimatliche Frankfurt zurückgekehrt.

In dieser ersten Lebenskrise war er beson­ders offen für die auch dort wirksamen Strömungen gegen den herrschenden kirchlichen Protestantismus, der nach Goethes eigenen Worten nur noch „eine Art von trockener Moral“ darstellte. Auch ins elterliche Haus waren die pietisti­schen Erbauungszirkel mit ihrer Suche nach wahrer „Herzensfrömmigkeit“ vorge­drungen. Eine zentrale Rolle kam dabei einer engen Vertrauten der Mutter Goe­thes zu, dem adeligen Fräulein Susanne Katharina von Klettenberg. Sie gewann damals als ältere „Herzensfreundin“ gro­ßen Einfluß auf den jungen Goethe, der ihr Später in seinem Roman „Wilhelm Meister“ im Kapitel von den „Bekenntnis­sen einer schönen Seele“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat.

Susanne von Klet­tenberg hatte nicht nur einige Jahre zu­vor die Herrnhuter in Marienborn zusam­men mit dem Reformminister und politi­schen Schriftsteller Carl Friedrich von Moser besucht. Sie führte auch einen fromm‑erbaulichen Briefwechsel mit der Gattin des regierenden Grafen zu Ysen­burg in Büdingen, der seelenverwandten Auguste Friederike, einer geborenen Grä­fin Stolberg‑Wernigerode.

Während dieser körperlichen und seeli­schen Krise beschäftigte sich der 20‑Jäh­rige nicht nur mit mystischen Strömun­gen und Geheimwissenschaften bis hin zur Alchemie, es kam auch zu einer kurz­zeitigen intensiven Berührung mit der re­ligiösen Welt der „Stillen im Lande“, die alle ‑ nach seinen eigenen Worten - „die Absicht hatten, sich der Gottheit mehr zu nähern, als es ihnen unter der Form der öffentlichen Religion möglich zu sein schien.“

Wir kennen die damalige Seelenlage aus Briefen an einen Leipziger Freund, den Hofmeister Ernst Gehodor Langer, dem Goethe etwa unter dem 17. Januar 1769 schrieb: „Mich hat der Heiland end­lich erhascht, ich lief ihm zu lang und zu geschwind, da kriegt er mich bey den Haaren.“

Viel später hat Goethe in seinen Erin­nerungen „Dichtung und Wahrheit“ - die in die Zeit vor dem Aufbruch nach Leipzig 1775 wichtige Einblicke geben - einen aus­führlichen Rechenschaftsbericht dieser Lebensphase versucht. In Buch 15 spricht er darin auch den Besuch an, der ihn da­mals in die Umgebung Büdingens führte: „Die trefflichen Männer, die ich auf dem Synodus zu Marienborn, wohin mich Le­gationsrath Moritz, Geschäftsträger der Grafen zu Ysenburg, mitnahm, kennen­lernte, hatten meine ganze Verehrung ge­wonnen, und es wäre nur auf sie ange­kommen, mich zu dem Ihrigen zu ma­chen“. Dazu aber kam es nun aber doch nicht, „welches mich anfangs beunruhigte, nachher aber meine Neigung einigermaßen erkältete.“

Das ehemalige Zisterzienserinnen‑Klo­ster Marienborn hatte damals schon ein wechselvolles Schicksal hinter sich. Nach Auflösung des Konvents im Zuge der Re­formation waren die Reste der Bauten um 1700 zu einer Schloßanlage umgestaltet worden, die nach 1725 an die Linie Ysen­burg‑Meerholz gefallen war.

Graf Zinzen­dorf hatte die leerstehenden Gebäude 1736 bei einer Reise durch die Wetterau auf der Suche nach einer neuen Bleibe für die aus Sachsen ausgewiesenen Herrnhuter kennengelernt. Nachdem sich die zunächst für eine Ansiedlung ins Auge gefaßte Ronneburg als ungeeignet erwiesen hatte, wurden 1737 Schloß und Hofgut Marienborn durch die Brüdergemeine vom Grafen Karl Friedrich in Meerholz angepachtet.

Auch als die Gemeine dann ein Jahr später an den Bau der großzügigen Siedlung Herrnhaag auf der Höhe bei Büdingen ging und diese bald bezog, blieb Marienborn das eigentliche Herz der Unität, Sitz zentraler Bildungsanstalten und Schauplatz der allgemeinen Synode Nach dem schweren Konflikt mit dem 1749 in Büdingen zur Regierung gelangten Grafen Gustav Friedrich, der das von dem Regierungsrat Braucher lancierte „Emigrationsedikt“ von 1750 und die rasche Räumung des Herrnhaag zur Folge hatte, blieb nur Marienborn weiter in den Händen der Herrnhuter, denn es diente als Pfand für einen größeren Kredit, den der ihnen verbundene vermögende Holländer Beuning den Grafen zu Ysenburg-Meerholz im Jahre 1743 gewährt hatte. Die Pachtzeit ging bis 1778.

Der Begleiter des jungen Goethe, den als Legationsrat und ysenburgischer Geschäftsträger anspricht, war Johann Friedrich Moritz (1716 ‑ 1771). Der Frankfurter Jurist, Bevollmächtigter des dänischen Königs in der Reichsstadt, war unter anderem auch in Finanzangelegenheiten des Meerholzer Grafenhaus tätig und kannte das Pfandobjekt Marienborn von daher gut. Er war eng mit der Familie Goethe befreundet. Seine Frau Katharina Sibylla geborene. Schöll gehörte dem pietistischen Zirkel um die Mutter und das Fräulein von Klettenberg an. Ein Bruder, der Kanzleidirektor Moritz, bewohnte mit seiner Familie als Mieter den erst Stock des geräumigen Hauses am Hirschgraben. In Marienborn dürften die beiden Frankfurter Besucher nur noch den feierlichen Abschluß der Synode erlebt haben, die am folgenden Tag wieder auseinanderging.

Die Religiosität hat im Weltbild des Dichters, der mit dem „Götz“ und „Werther“ bald als junges Genie den Durchbruch erlebte, nicht mehr die beherrschende Rolle gespielt. Spuren seiner frühen Kontakte zu „Separatisten, Pietisten, Herrnhutern“ aber durchziehen auch sein späteres Werk.

Heute bilden die wenigen noch erhaltenen Gebäude des Klosters einen Gutshof, eine Hessische Staatsdomäne, Versuchsgut der Universität Gießen.

 

 

Herrnhaag

Bereits um 1200 siedelten sich auf dem Haagberg Zisterzienserinnen an, wovon heute noch die Haager Kirche zeugt. Nachdem diese wegen Wasserknappheit ins Tal gezogen waren, entstand auf dem Haagberg erst wieder im 18. Jahrhundert ein neuer Ort: Die pietistische Glaubensgemeinschaft der Herrnhuter Brüdergemeine, die 1722 im sächsischen Herrnhut um Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf entstanden war, gründete ab 1738 eine neue Siedlung. In 17 Häusern lebten zeitweise bis zu 1000 Personen. Sie führten ein stark gemeinschaftlich religiöses Leben und der junge Ort entwickelte sich wirtschaftlich rasch.

Zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, die im Glauben an ei­ne politische oder religiöse Idee Anhänger fanden, sich vom Her­kömmlichen abwandten und ihren eigenen Lebensstil suchten. Mittelpunkt einer solchen Vereinigung war im achtzehnten Jahr­hundert der Herrnhaag mit der Ronneburg, wenige Kilometer süd­lich von Büdingen. Bei Herrnhaag östlich von Diebach auf einem alten Kirchberg, handelt es sich um die Überreste einer Ortschaft, in der einst 1.000 Glaubensflüchtlinge aus bis zu 24 Nationalitäten in 17 Häusern lebten. Die meisten ihrer Unterkünfte sind aber schon lange verfal­len oder abgerissen, nur zwei Gebäude stehen noch.

Hier hat Nikolaus Ludwig Graf Zinzendorf vorübergehend bei seinem Freund Wilhelm von Büdin­gen‑Wächtersbach gelebt. Es war sein ers­ter Halt, bevor er 1736 aus religiösen Gründen aus Sachsen ausgewiesen wurde. Sie kamen 1738 als Glau­bensflüchtlinge aus Herrnhut in der Ober­lausitz. In nur wenigen Jahren errichte­ten sie auf einer Anhöhe südwestlich von Büdingen eine Siedlung, die zugleich Wohnort und spirituel­les Zentrum war. Ihre Vision: die „univer­selle Religion“ christlichen Glaubens ohne amtskirchliche Dogmen. Zinzendorf war 1738 der Gründer der Siedlung, ein „Unruhestifter“ aus Sachsen, der auf dem Haag‑Hügel zwar baute, dort allerdings nur einmal ein knappes Jahr am Stück lebte. Doch 15 Jahre später war der Ort verwaist.

Adelige aus vielen Ländern Europas, Geistliche und Handwerker, Tagelöhner und Wissenschaftler, Bauern und Künst­ler - die Bevölkerung des Herrnhaag war in seiner kurzen Blütezeit ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Was sie einte, war ihr tief verwurzelter ökumenisch‑christli­cher Glaube und der Wunsch, gemein­schaftlich zusammenzuleben ‑ Familien mit Kindern, Witwen und Alleinstehende.

Herrnhaag ist eine Modellanlage der Herrnhuter, ähnlich wie Königsfeld. Um einen quadratischen Platz gruppieren sich die Häuser für die Familien, Witwen, Witwer und die anderen Stände (also Gemeinschaftshäuser), es gab eine Apotheke. Weitere Straßen schlossen sich an. Im Zentrum stand aber nicht die Kirche. sondern der Brunnen, weil das ganze Leben ein Gottesdienst sein sollte. Zentrum war das vierflügelige Grafenhaus - die „Lichtenburg“ mit Binnenhof, ange­legt wie ein Kreuzgang, und der zweigeschossige Betsaal mit holz­gewölbter Decke.

Zinzendorf wohnte in der „Lichtenburg“, die gleichzeitig den Betsaal enthielt. Der große Saal ist heute wieder freigelegt und wird renoviert. Die Gemälde an der Decke sind von 1747 und zeigen die Erstgetauften aus allen Völkern, in denen die Herrnhuter Mission trieben. Modelle für den Maler waren Leute aus Herrnhaag, ihre Namen sind bekannt, sieben von ihnen sind in Herrnhaag beerdigt.

Die Handwerker waren hochgeschätzte Fachleute. Allen voran die Möbel­werkstatt des Abraham Roentgen, der vie­le Schlösser der Umgebung und auch Goe­thes Elternhaus mit Möbeln belieferte. Heute kann man nur noch Beispiele im Büdinger Schloß finden. Abraham Röntgen

war auch Schöpfer der Gärten um die Anlage.

Aber auch hier waren sie vielen Bür­gern ein Dorn im Auge. Solange der tolerante Fürst Ernst Casimir im Büdinger Schloß das Sagen hatte, wurden sie gedul­det. Sein Sohn Gustav Friedrich witterte indes auf dem Herrnhaag einen Staat im Staat, denn Zinzendorf war ‑ obwohl er auf seine herrschaftlichen Rechte verzichtet hatte ‑ ein charismatischer Führer. Als der neue Herrscher im Jahre 1750 im Büdinger Schloß in seiner Huldigungsformel von den Herrnhutern verlangte, sich von Zinzendorf loszusagen, verweigerten sie dies geschlossen. Sie mußten nach zwölf Jahren das Land verlassen. Innerhalb der vom Fürst gesetzten Frist von nur drei Jahren entvölkerte sich der Herrnhaag vollständig,

Die einstige Bevöl­kerung siedelte an einigen anderen Standorten ihrer Gemeinschaft in Neu­wied und den Niederlanden oder wander­te nach Nordamerika aus. Mehr als 600 Missionare sind auch in den zwölf Jah­ren seines Bestehens vom Herrnhaag in alle Welt hinausgezogen. Sie gründeten zahlreiche neue Gemeinden in Europa und Nordamerika. Noch heute besteht die Herrnhuter Brüdergemeine als Evangelische Freikirche in Deutschland und weltweit. Herrnhaag erlebte nach dieser kurzen Blütezeit eine wechselvolle Geschichte: Es wurden verschiedene Versuche unternommen, Manufakturen zu gründen, und im 19. Jahrhundert lebte hier die radikalpietistische Gemeinde der „Inspirierten“, die später nach Nordamerika auswanderte. Zu guter Letzt wurde Herrnhaag als Stein­bruch für die umliegenden Orte genutzt.

Eines der zwölf Kinder Zinzendorfs, Christian Ludwig, liegt auf Herrnhaag begraben. Zum Andenken steht ein kleiner Gedenk­stein auf der Siedlung. Im Grafenhaus („Lichtenburg“) genannt, steht noch ei­ne Büste von seinem Vater, aber die wird meist dahin geschoben, wo sie gerade nicht stört. Der blaublüti­ge Hausherr war immerfort in Geldnot. Bedienstete hatte er trotzdem: Ein gewisser Lebensstil gehörte dazu.

Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts waren von den ur­sprünglich 17 Gebäuden, die in der Zeit der Herrnhuter Brüdergemeine errichtet worden waren, nur noch fünf in teilweise stark verfallenem Zustand erhalten. Als auch das Brunnenhäuschen einzustürzen drohte, das ehemalige Zentrum der Siedlung, gründete sich 1959 aus privater Initiative heraus der „Verein der Freunde des Herrnhaag e.V.“`, der den nördlichen Teil der Anlage Herrnhaags kaufte. Vorrangiges Ziel ist die Erhaltung und Restaurierung der Anlage Herrnhaag, um sie kirchlichen, kulturellen und sozialen Aufgaben zur Verfügung stellen zu können.

In den letzten Jahrzehnten wurden besonders durch den hohen Einsatz zahlreicher ehrenamtlicher Helfer, die hier praktisch arbeiteten, das „Schwesternhaus“ vollständig restauriert und der Bau des „Grafenhauses“ gesichert. Die Baumaßnahmen sind noch lange nicht abgeschlossen. Darüber hinaus finden regelmäßig kirchliche und kulturelle Veranstaltungen, wie Konzerte und Ausstellungen vor allem im „Grafenhaus“ statt.      

 

Die Magdeburgerin Benigna Cars­tens wohnt mit ihrer Familie seit mehr als sechs Jahren im ehe­maligen Schwesternhaus. Sie ist mit einer halben Stel­le als Pfarrerin auf Herrnhaag angestellt. Das Gebäude liegt wenige Schritte vom Grafenhaus ent­fernt, wo von Zinzendorf und seine Frau Erdmuth Dorothea ihre Gemächer hatten. In diesem Jahr würde der Graf 300 Jahre alt. Der „Verein der Freunde des Herrn­haag“ veranstaltet ihm zu Ehren ein mehr­tägiges Festprogramm. Das historische Gemäuer ist vor allem durch seine Ritterspiele bekannt. Heute nutzt der Maler Miroslav Wie­dermann die privaten Räume von Zinzen­dorfs links und rechts vom Grafensaal als Atelier. Die Lichtenburg wird außerdem für Seminare, Ausstellungen und Konzer­te genutzt.

Das benachbarte Schwesternhaus ist seit zehn Jahren wieder bewohnt. Im 18. Jahrhundert lebten in der so genannten Sozietät etwa 100 unverheiratete Frauen. Wie beengt müssen die Frauen damals aufeinandergehockt ha­ben. Heute haben sich dort gerade zwölf Personen eingerichtet. Dazu kommen ab und an ein paar Gäste, die sich in der Wohngemeinschaft einquartieren. Wer das ist und wie lange sie bleiben, das wech­selt.

Einzig Schwesternhaus und Grafen­haus, Brunnen sowie zwei Privathäuser haben die Jahrhunderte überdauert. Seit 1959 kümmert sich der „Verein der Freunde und des Herrnhaag“ um das An­wesen. Ein Jahr später erwarb die immer noch bestehende Glaubensgemeinschaft der Herrnhuter mit ihren deutschland­weit 8.000 Anhängern den einstigen Stammsitz zurück.

Seitdem hat sich viel getan. Der Schutt der Jahrhunderte gab ein außergewöhnli­ches Stück Architektur frei. Vor allem der als „Gemeinsaal“ bezeichnete zweigeschos­sige Versammlungssaal im Grafenhaus ist von höfisch‑barockem Gepräge. Er diente nicht nur liturgischen Zwecken, sondern wurde für sämtliche Veranstaltungen der Gemeinde genutzt.

Heute finden in dem noch nicht fertig renovierten Saal wieder Konzerte und ge­legentlich Kunstausstellungen statt. Das gesamte zweigeschossige Haus atmet den Hauch der Geschichte. Besucher können in den Sommermonaten in einigen einfa­chen Zimmern übernachten. Im Schwe­sternhaus leben derzeit sieben Erwachse­ne und drei Kinder in einer christlichen Lebensgemeinschaft, der „Sozietät Herrn­haag“ zusammen.

Die Sozietät öffnet im Rahmen ihrer sozialdiakonischen Arbeit ihr Haus für Gäste, die für eine bestimmte Zeit im „Schwesternhaus“ mitleben und mitarbeiten möchten. So wohnen außer den festen Hausbewohnern auch immer wieder andere Menschen, seien es Familien, die ihren Urlaub bewußt in einer Gemeinschaft verbringen möchten, oder Einzelpersonen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation hier besonders aufgehoben fühlen. Das Haus steht Gästen offen, die dort für die Dauer eines Wochenendes bis zu zwei Jahren leben können.

Durch Gespräch und gemeinsame Arbeit will die Sozietät ihnen Orientierung und Unterstützung geben. Die Herrnhuter sind in die Wetterau zurückgekehrt. Glauben und Gemein­schaft sind immer noch ihre Ideale, geän­dert haben sich Zeiten und Mitmenschen: sie sind toleranter geworden.

Als gemeinsames ‚Kind' des „Vereins der Freunde des Herrnhaag e.V.“ und der „Sozietät Herrnhaag e.V.“ ist in Zusammenarbeit mit anderen regionalen und kirchlichen Institutionen der Verein „Jugendwerkstatt Herrnhaag e.V.“ entstanden, um im Sinne der sozialen Zielrichtung benachteiligten Jugendlichen zu helfen. Die Jugendwerkstatt Herrnhaag e.V.“ beschäftigt und fördert seit dem Jahr 2001 arbeitslose Jugendliche, die oftmals nicht ausreichend qualifiziert sind und Schwierigkeiten haben, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden oder zu halten. Ziel des Projektes ist es, junge Menschen in ihrem Sozialverhalten, ihrem Selbstwertgefühl, ihren Fähigkeiten und Talenten zu stärken. So sollen sie für sich selbst etwas lernen, eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle finden und längerfristiges Durchhaltevermögen entwickeln.

 

Die Hardeck:

 Nördlich von Herrenhaag erhebt sich ein ziemlich bewaldeter Berg, auf dessen Gipfel sich ein Ringwall befindet. In einem Winkel dieses Walles erkennt man die Überreste einer kleinen Burg, die den Namen „Hardeck“ führte. Im Jahre 1289 wird der Name urkundlich genannt, aber nur nebenbei. Im Jahre 1495 war die Burg von einem Amtmann bewohnt. Im Jahre 1543 bezeichnet Konrad Jäger, der letzte Abt des Klosters Selbold, den Grafen Dietmar zu Hardeck als den Stifter seines Klosters. Im Jahre 1547 „besserte“ Kaiser Karl V. dem Grafen Anton von Ysenburg-Ronneburg sein Wappen mit dem Hardeckschen Löwen, wie ihn seine Vorfahren, die Grafen von Hardeck, geführt hätten. Kaiser Karl VII. erteilt 1744 der Ysen­burgisch-Birsteinschen Linie bei deren Erhebung in den Reichsfürstenstand das Recht, den Hardeck’schen Löwen (golden im blauen Feld) wieder zu führen.

Der Ringwall war vielleicht eine germanische Thingstätte, vermutlich Sitz des Büdinger Märkergerichts. Grund und Boden innerhalb des Ringwalles ist Büdinger Besitz, während der übrige Teil des Waldes den benachbarten Gemeinden gehört. Als Eigentümer der Burg Hardeck konnten sich also die Grafen von Gelnhausen und die Herren von Büdingen auch Grafen von Hardeck nennen (auch wenn der urkundliche Beweis fehlt). . Oben erwartet den Wanderer ein wun­derschönes, fast verwunschen wirkendes Plätzchen. Dort stand einst eine Burg oder ein Schlößchen, doch genaues weiß darü­ber keiner so recht.

 

 

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