Kinzigtal

 

Inhalt:

Jakobweg, Schlüchtern, Schlüchtern nach Steinau (Acis-Quelle, Bahnwärterhaus, Steinbruch),

Schlüchtern südlich (Ahlersbach, Hohenzell, Niederzell, Bellings, Erlebnispark, Kletterpark),

Steinau,   Steinau nach Bad Soden (Teufelshöhle, Marborn, Rimbachfarm),

Steinau nach Salmünster (Seidenroth, Kinzigsee, Ahl), Bad  Soden-Salmünster,

Salmünster östlich (Hausen, Mühlwiese, Alsberg, Heiliger, Hirschborn),

Wächtersbach, Wächtersbach nach Gelnhausen, Gelnhausen, Gründau,

Linsengericht (Altenhaßlau, Lützel, Eidengesäß, Geislitz, Großenhausen), Meeholz,

Hasselroth (Neuenhaßlau, Gondsroth, Niedermittlau),

Freigericht (Somborn, Neuses, Horbach, Altenmittlau, Bernbach).

 

 

Der Jakobsweg liegt im Main-Kinzig-Kreis                                               

Mehr als 130 Pilger begaben sich im September 2008 bei den ersten beiden Etappen auf den Jakobsweg, der von Fulda an den Main führen soll und pilgerten bereits 50 Kilometer. Zu ihnen gehörte auch Hansfried Corell, der bereits mehrere Male auf dem Jakobsweg in Frankreich und Spanien pilgerte. Welche Erfahrung der 71-jährige Bruchköbler gemeinsam mit seiner Frau Doris auf der zweiten Etappe des „Jakobswegs vor der Haustür“ von Flieden über den Distelrasen nach Steinau an der Straße machte, schildert er in einer Pressemitteilung des Sprengels Hanau der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Über 50 Pilger starteten am Bahnhof Flieden, um gemeinsam die Strecke von 25 Kilometer zu bewältigen. Angesichts des Dauerregens bis in die Morgenstunden hinein eine stattliche Teilnahmezahl. Und das Wetter hielt sich, es wurde für die Wanderer immer angenehmer: Der Nord-Ost-Wind schob und vertrieb die Wolken. Die Regenkleidung blieb unbenutzt.

Nach ökumenischer Andacht in der katholischen Kirche Mariae Himmelfahrt zu Rückers mit Pfarrer Klaus Peter Jung (katholisch) und Pfarrer Holger Biehn (evangelisch) führte die Strecke zunächst durch Kinzigtaler Wiesen, Felder und Waldstücke. Auf einem längeren Abschnitt wurden die Pilger zum Schweigen ermutigt - beim Gruppenwandern für manche eine ungewohnte Erfahrung.

Zur Mittagsrast begrüßte Pfarrer Guido Jäckel die Gruppe im „Haus im Bergwinkel“, einer Pflegeeinrichtung des Diakonischen Werks am Stadtrand von Schlüchtern. Direkt im Anschluß ging es zur Stadtkirche St. Michel und zum ehemaligen Benediktinerkloster mit einer Krypta aus dem achten Jahrhundert.

In Niederzell öffnete die evangelische Petrus-Lotichius-Kirche ihre Pforten. Dieses Kleinod ermöglichte vertiefend Einblicke in die künstlerische Gestaltung und theologische Interpretation zum Alten und zum Neuen Testament mit Farbe und Glas. Im Sonnenschein und unter Glockengeläut zogen die Pilger in Steinau an der Straße in die Katharinenkirche mit 1000-jährigen Elementen ein. Hier bereiteten Pfarrer Joachim Meier und Pfarrer Fredy Henning die Schlußandacht. Der Irische Pilgersegen, dargeboten durch einen Projektchor aus Steinau, war für viele der Höhepunkt dieser besinnlichen Stunde, die mit gemeinsam angestimmtem Abschluß-Kanon im wahrsten Wortsinn aus klang.

Der dritte Abschnitt des Pilgerwegs wird am Samstag, 18. Oktober 208 um 8.30 Uhr am Bahnhof Steinau zur Wanderung durch das Kinzigtal nach Wirtheim gestartet.

 

Schlüchtern

 

Die Stadt im oberen Kinzigtal mit zwölf Stadtteilen  und rund 17.200 Einwohnern ist ein staatlich anerkannter Luftkurort. Sie wird wegen seiner Lage zwischen Ausläufern der Mittelgebirge Rhön, Vogelsberg und Spessart auch „Bergwinkelstadt“ genannt. Der Ort kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die Entstehung von Schlächtern ist eng mit der Gründung des Klosters im 8. Jahrhundert verbunden. Der Name „Sluohderin“, der erstmals in einer Urkunde des Jahres 993 auftauchte, bedeutet „in den Sümpfen“. Die Lage an der uralten Leipziger Handelsstraße verhalf der Stadt zu blü­hendem Handel und Handwerk. Die Kreisstadt macht einen nüchternen und geschäftigen Eindruck, aber sie hat doch einige architektonische Erinnerungen an ihre lange Geschichte bewahrt.

Die Landschaft des Schlüchterner Beckens war vor dem Mittelalter weitgehend unbesiedelt oder wurde höchstens als Durchgangsland genutzt. Die Anfänge der Siedlung Schlüchtern bleiben weitgehend verborgen, da eine Gründungsurkunde oder historische Nachrichten aus frühmittelalterlicher Zeit fehlen. Ebensowenig gibt es Grabungsergebnisse, die Aufschluß über die Entwicklung des Ortes am Zusammenfluß von Elm und Kinzig geben könnten. Erstmals wird im Jahre 1278 ein „centurio Witego“ in der Siedlung Schlüchtern genannt.

Im Verkehrsbüro im Rathaus  gibt es auch ein Faltblatt des Stadtrundgangs mit 25 Stationen. Das Verkehrsbüro vermittelt Stadtführungen. In den Abendstunden kann auf Vorbestellung unter Führung eines Nachtwächters in historischem Kostüm die Stadt besichtigt werden.

 

  741 

Gründung des Klosters Schlüchtern, der bauliche und geistige Grundstock der Stadt

  993 

Erste Erwähnung der Stadt als „sluohderin“ („Sluchderin“)

1573 

Errichtung des alten Rathauses (mehrmals umgebaut)

um 1440

Bau des Schlößchens, das älteste Gebäude im Bereich der Stadt, durch den Herren von Lauter. Nach seinem Umbau in den Jahren 1978 - 1982, beherbergt es heute das  Bergwinkelmuseum

   

1488

Ulrich von Hutten wird auf der Burg Steckelberg geboren

1528

Dichter Petrus Secundus geboren

1534 

Das erste Spital in Schlüchtern

1543

Abt Lotichius gründet ein Gymnasium

1552

Stadtrechte durch die Gründung eines Benediktinerklo­sters im 8. Jahrhundert.

1616

Die Thurn- und Taxische Post eröffnet

1761

Geburt J. J. Weitzels, des Wohltäters Schlüchterns

   

1792

Goethe reist durchs Kinzigtal

1813

Napoleon übernachtet im Kloster Schlüchtern

1821

Schlüchtern wird Kreisstadt

1868

Eröffnung der Bebra-Hanauer Eisenbahn

1910

Das Kreishaus in Schlüchtern wird eingeweiht

1974

Bau des Hallenbades

1974

Altstadtsanierung (bis 1994)

1986

Bau der Stadthalle (bis 1988

 

Rundgang:

Wenn man aus Richtung Hanau kommt, geht es nach links in die Altstadt in die Straße „Unter den Linden“ und „Am Untertor“. Hier steht rechts das Napoleonshäuschen. Durch das Sandsteintor geht es nach rechts in den Klosterbezirk, in dem heute das Ulrich-von-Hutten-Gymnasium untergebracht ist.

 

Benediktinerabtei:

Die Anfänge des Klosters am Zusammenfluß von Elm und Kinzig waren bescheiden. Der erste, vermutlich schon im 8. Jahrhundert entstandene Kirchenbau dürfte kaum über die Größe einer heutigen Dorfkirche hinausgegangen sein. In dem abgelegenen Bergwinkel zwischen Rhön, Spessart und Vogelsberg gelegen, scheint die Abtei seit ihrer Anfangszeit als königliches Eigenkloster entscheidend am regionalen Landesausbau beteiligt gewesen zu sein.

Weitgehend im Dunkeln liegt auch die ältere Geschichte des Benediktinerklosters Schlüchtern. Das Kloster in Schlüchtern ist das älteste Gebäude der Stadt. Der fränkische Chronist Lorenz Fries datiert den Bau des Klosters auf das Jahr 741. Ob dies so ist, wurde bisher durch keine weitere Quelle bestätigt. Im Jahre 817 wird Kloster Schlüchtern genannt, „das weder Abgaben noch Kriegsdienste zu leisten habe ....“.

Nach einer - allerdings im Mittelalter gefälschten - Urkunde soll Karl der Große die „cellula“ Schlüchtern 788 dem Bistum Würzburg übertragen haben. Aus dem Jahre 819 könnte die erste Erwähnung des Klosters stammen, wenn man das in der „Notitia de servitio monasteriorum“ aufgeführte „monasterium sculturbura ultra Rhenum“ zweifelsfrei in Schlüchtern lokalisieren könnte. Die älteste, unumstritten auf Schlüchtern zu beziehende Urkunde wurde aber erst kurz vor der Jahrtausendwende geschrieben: Im Jahre 993 sprach König Otto III. „sluohderin“ dem Bistum Würzburg zu, das ältere Besitzrechte reklamiert hatte.

Im Lauf der Jahrhunderte wurde das Kloster immer wieder erweitert, gehörte mal zu Hanau, zu Würzburg und zwischen 1571 und 1624 zu niemandem so recht, weil sich das Reichskammergericht mit der entsprechenden Entscheidung stolze 53 Jahre Zeit ließ. Zu dieser Zeit hatte das Kloster durch die Reformation aber ohnehin schon an Bedeutung verloren.

Die im Hochmittelalter einsetzende Blütezeit des einstmals mächtigen Klosters, mit einem erheblichen, weit über das obere Kinzigtal hinausgehenden Grundbesitz, ging im späten Mittelalter allmählich zu Ende. Bauernaufstand und die Auswirkungen der Reformation beschleunigten den Niedergang des Klosters ebenso wie die Einflußnahme fremder Territorialherren, die seinen großen Grundbesitz lediglich als reiche Einnahmequelle verstanden. Die offizielle Geschichte der einstmals so bedeutenden Abtei Schlüchtern endet mit dem Ableben des letzten reformierten Abtes Johannes Wankel am 22. April 1609.

Napoleon verbrachte mit seinem Stabe nach der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig die Nacht vom 28.- 29. Oktober 1813 im Klostergebäude. Das Zimmer, in dem er sich aufhielt und schlief, nennt man heute noch Napoleonszimmer.

 

Das älteste Aussehen des Klosters ist nicht bekannt. Ausgrabungen haben ergeben, daß die Klosteranlage in gotischer und romanischer Zeit bedeutend größer gewesen sein muß. Die Architekturmerkmale Schlüchterns weisen so erhebliche Abweichungen von den geläufigen Dreiapsiden­kirchen auf, daß sich weitere Vergleiche von selbst verbieten. Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß man - unter Einbeziehung älterer Bauelemente - keine einheitliche Raumwirkung beabsichtigte, sondern sich dem noch bis in die heutige Zeit wirksamen Wesen Schlüchterns nach mit An-, Um- und Ausbauten zufrieden gab.

Die Grundsteinlegung dieses Klosters erfolgte schon kurz vor dem Jahre 800 durch Benediktinermönche aus dem Raume Würzburg. Es ist das älteste Bauwerk im oberen Kinzigtal. Drei wesentliche Gründe waren der Anlaß für die Wahl dieses Platzes:

  • Die alte Handels- und Heeresstraße Frankfurt - Leipzig mit der Abzweigung der Straße in Richtung Würzburg – Nürnberg.
  •  Die Kinzig, deren Wasser man zum Teil in einen Mühlgraben zum Antrieb einer damals noch lebensnotwendigen Klostermühle leitete,
  •  Die bewaldeten Ausläufer des Vogelsberges, der Rhön und des Spessarts, die alle Baumaterialien zum Bau des Klosters lieferten, zum Beispiel Sand, Kalksteine und Holz.

Von dem um 800 auf dem Heidenküppel erbauten ersten Steinkirchlein mit dem Baubeginn um das Jahr 786 sind heute lediglich die Krypta und vielleicht noch Teile des Hochchores erhalten. Halb im Erdboden verborgen zählt die Krypta zu den ältesten Baudenkmälern auf deutschem Boden. In der Krypta liegen die Urzellen allen christlichen Glaubens unserer Heimat, ja sogar des gesamten Kinzigtales. Es gibt nur noch fünf Krypten aus dieser Zeit: In der Michalskirche in Fulda, in der Kirche zu Petersberg, in der Kirche zu Steinbach im Odenwald, im Dom zu Aachen und in den Bauten Einhards bei Seligenstadt.

Die Krypta in Schlüchtern besteht aus drei nacheinander erstellten Teilen, der Frühkrypta, der Romanischen Krypta sowie der Gotischen Krypta, von der man bei Ausgrabungen lediglich noch die Grundmauern im Erdreich freilegen konnte. Baugeschichtliche Merkmale der Krypta und einige Spolien werden dem 8. und 9. Jahrhundert zugewiesen. Die Krypta als Ursprung des Klosters gilt als eines ältesten sakralen Baudenkmäler Deutschlands. Vermutlich wurde sie schon im 8. Jahrhundert erbaut, erstmals urkundlich erwähnt je falls schon 993.

Ein Grabfund nordöstlich des Chores ist durch die Beigabe eines Christiana- Religio-Denars Ludwigs des Frommen (814 - 840) wahrscheinlich noch als karolingisch zu datieren. Im Jahre 1965 wurde der Zugang zur Krypta vom Kircheninneren her wieder geöffnet.

 

Die Kirche war vermutlich ein Saalbau mit fast quadratischem Chor. Noch in romanischer Zeit wurde ein Teil des südlichen Seitenschiffes niedergelegt und an den Chor eine kleine Kapelle mit halbrund gespannter Apsis angebaut. Da Konstruktion und Profilierung einer am Hochchor befindlichen Lisene die gleichzeitige Errichtung der romanischen Chorverlängerung voraussetzen, ergibt sich mit der von Doll vor einigen Jahren festgestellten Hauptapsis am weit nach Osten vorgeschobenen Chor eine Zweiapsidenanlage, der eine dritte Apsis als entsprechendes Pendant auf der Nordseite fehlte.

Nach vorausgegangenen Umbauarbeiten mit einer offenbar erheblichen Erweiterung der spätestens jetzt dreischiffigen Kirche wurde das Kloster um 1018 von Bischof Heinrich von Würzburg neu geweiht. Der von zwei Kapellen seitlich rechts und links eingefaßte Westturm ist der älteste der zwei Klostertürme und wurde ungefähr im Jahre 1000 errichtet. Um 1100 wurde die Kirche nach Westen verlängert und ein Mittelturm gebaut.

Erst später (um 1200) wurde mit der Errichtung der spätromanischen „Andreaskapelle“ auch auf der Nordseite ein vergleichbares Bauwerk errichtet, eine Apsis erhielt diese aber nicht mehr.

 

Das heute sichtbare Klostergebäude ist im Wesentlichen von 1508 - 1519. Bei einer Führung durch das ehemalige Kloster zeigt man auch die spätgotische Küche mit Kreuzgewölbe, großem Rauchfang und fließendem Wasser im etwa 30 Meter tiefen Brunnen. Der Westturm ist aus dem 11. Jahrhun­dert. Im 14. - 15. Jahrhundert wurde ein weiterer Turm nördlich vom romanischen Chor gebaut. Im Jahr 1446 wurde ein hallenförmiger Neubau geweiht. Das Kloster ist durch Um- und Anbauten stark verändert worden.

Die Klosterkirche, eine gotische Hallenkirche, die sich zwischen beiden Türmen erstreckt, wurde 1446 geweiht. Das alte Kirchenschiff wurde im 19. Jahrhundert zu der jetzt vorhandenen Größe erweitert. Das Gotteshaus ist ein großer Saalbau mit Rundbogenfenstern und Okuli darüber. An drei Seiten der Kirche befinden sich klassizistische Emporen. Der schlanke Westturm mit Spitzhelm wird um das Jahr 1150 bereits erwähnt. Ein sehr schöner Taufstein aus Sandstein aus dem Jahre 1534 steht vor den Altarstufen. In dem Gotteshaus befindet sich eine Orgel, die von der Firma Willi Peter (Köln) aufgestellt worden ist. In Schlüchtern gibt es noch die katholische Kirche „St. Bonifatius“, die 1964 eingeweiht wurde.

Die Andreaskapelle: Durch einen Querstollen gelangt man in die um 1200 erbaute spätromanische Andreaskapelle. Sie ist wohl die schönste der noch erhaltenen Kapellen des Klosterbaues und gilt als Musterstück der Baukunst zur Zeit der Hohenstaufen im Kinzigtal, deren Hauptsitz die Kaiserpfalz in Gelnhausen war. Die Kapelle wurde 1951 renoviert und dient der evangelischen Gemeinde als gottesdienstlicher Raum.

 

Die Katharinenkapelle: Südlich des Westturmes befindet sich die über der Katharinengruft liegende zweigeschossige Katharinenkapelle, die beide um 1100 entstanden sind. Das frühere Katharinenhospital wurde um 1350 erstmals erwähnt, weil man die Kirche in den Jahren 1354 - 1356 um ein Joch erweitert hat.  An der Stirnseite ist eine Statue der heiligen Katharina von Alexandrien in das Mauerwerk eingelassen. In der Westwand ist im oberen Raum der geschichtlich und künstlerisch wertvollste Grabstein eingemauert, nämlich der des wohl berühmtesten Abtes und Reformators Petrus Lotichius (1501 - 1567). Ab 1560 stand das Hospital dem jeweiligen Abt als Arbeits- und Wohnraum zur Verfügung. Vom Haupteingang im Westen ist die kleine kreuzgewölbte Halle - durch die der Treppenaufgang zur Aula der Ulrich-von-Hutten-Schule führt- zu erreichen.

 

Die Huttenkapelle: Um 1354 - 1356 wurde die Huttenkapelle mit der darunterliegenden Huttengruft von Ritter Frowin von Hutten nördlich des Turmes angebaut. Frowins Ehefrau Tamburga starb noch im Erbauungsjahr am 3. September 1354 und wurde als erste in der Gruft beigesetzt.

Die Kapelle liegt angrenzend an das Westende der Klosterkirche und die Nordwand des Westturmes. Der Oberstock der Kapelle ist der am besten erhaltene Raum des ganzen Klostergebäudes. Er hat schöne gotische Fenster und wird durch eine Blendrosette außen und einen langen Schlußstein und von den Kreuzrippen und vom Gurtbogen eines herabhängenden zierlichen Schwebebogens geziert. Das Innere der Huttenkapelle wurde 1954 hergerichtet, mit bleiverglasten Fenstern, Wandleuchten und Stühlen versehen und dient heute der evangelischen Gemeinde als Andachtsraum.

Die Huttengruft wird durch eine kupferbeschlagene Tür betreten. Sie wurde 1954 zu ihrem 600jährigen Jubiläum renoviert. Zwölf Kerzen auf handgeschmiedeten Leuchtern geben ihr einen feierlichen Charakter. Der Siegener Bildhauer Kuhmichel schuf dazu die Bronzebüste Ulrichs von Hutten. Als Deckplatten zweier Tumben liegen auf neuem Unterbau zwei ursprüngliche Grabsteine, der Wappenstein des hanauischen Amtmanns Frowin von Hutten (1377) und der Portraitstein seiner Frau Tamburg (1354), die Stammeltern der Steckelberger Hutten.

 

In den Jahren 1835 / 1836 erfolgte ein tiefgreifender Umbau des Klosters zu einem Lehrerseminar. Den größten Teil der Räume im eigentlichen Klostergebäude benutzt heute das Ulrich-von-Hutten-Gymnasium, dem außerhalb der Stadt ein Schülerheim in Internatform angeschlossen ist. Als ein Schmuckstück ganz besonderer Art kann man die 1968 mit ganz erheblichen Mitteln renovierte Klosteraula bezeichnen. Auch zu sehen ist der Kreuzgang mit dem Brunnenraum, von dem man in den Binnenhof, dem ehemaligen Kreuzgarten des Klosters, gelangt.

 

Die ehemaligen Mönchzellen im zweiten Stock sind von der „kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte“ der Evangelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck für nebenberufliche Kirchenmusiker belegt. Die einzige ihrer Art in ganz Deutschland. Die Teilnehmer kommen deshalb aus allen Teilen der Bundesrepublik und werden in 2 - 3 wöchentlichen Lehrgängen mit dem neuesten Stand der Kirchenmusik vertraut gemacht. Rund 400 Musizierende nehmen pro Jahr das Kursangebot in Anspruch. Auf sie warten neben einer gut sortierten Notenbibliothek zwei Flügel, sechs Klaviere, ein Cembalo und nicht weniger als elf Orgeln!

 

Zu dem eigentlichen Klosterkomplex gehören noch folgende Gebäude:

-  Die Zehntscheuer, in die früher die Bauern ein Zehntel ihres Ertrages einbringen mußten.

-  Das Stipendiatenhaus, in dem Abt Petrus Lotichius um 1534 besonders begabte Jungen                                                          .

-  Die alte Klostermühle, an deren Stelle heute ein Erweiterungsbau des Gymnasiums steht.

 -  Das alte Klosterrentamtsgebäude, in dem heute noch die Klosterverwaltung arbeitet..

 -  Das Gästehaus oder auch Pilgerherberge genannt, erstmals erwähnt 1166.

 

Besichtigung des Klosters: Mai bis September, jeden Mittwoch. 14.30 Uhr.

Eine ausführliche Beschreibung liegt als Buch vor: Wilhelm Präsent: „Ein Gang durch das Kloster Schlüchtern“, 1951).

 

 

 

 

Stadtkirche:

Sich links haltend kommt man zur Stadtkirche. Die Stadtkirche St. Michael hat einen Turm aus dem 14. Jahrhundert, das Langhaus ist von 1842.

 

Kriegsgräberstätte:

Mitten in der Stadt neben der Stadtkirche liegt die Kriegsgräberstätte. Hier haben 338 Opfer der Weltkriege ihre Ruhe gefunden, darunter 38 Ausländer und sieben Unbekannte. Hier wurden sowjetische Kriegsgefangene, polnische Zwangsarbeiter, KZ -Häftlinge, Bombenopfer, Wehrmachtssoldaten und SS-Leute beigesetzt. Aber unter den Bestatteten sind auch Opfer der Militärjustiz, die in den letzten Kriegstagen noch standrechtlich hingerichtet wurden (einer wollte sich nur seine Verpflegung besorgen). Sehr junge Angehörige der 6. SS-Gebirgsdivision Nord wollten Anfang April 1945 die von den Amerikanern besetzten Orten Leisenwald und Waldensberg zurückerobern. Beide Ortschaften wurden bei den Kämpfen weitgehend zerstört. Es gab 14 Tote unter der Zivilbevölkerung, mehr als 100 gefallene SS-Männer und eine unbekannte Zahl amerikanischer Soldaten.

Auch Häftlinge des KZ-Außenkommandos „Katzbach“ der Adlerwerke Frankfurt haben hier in Schlüch­tern ihre letzte Ruhe gefunden. Nach der Lagerauflösung am 25. März waren die Gefangenen in Richtung Buchenwald getrieben worden. Viele der erschöpften Männer starben. Noch Wochen später wurden ihre Leichen aus zugeschüttenen Gräben entlang des Weges oder aus dem Main geborgen. Einige dieser Toten hatte der Friedhofswärter von Dörnigheim auf dem dortigen Friedhof begraben. Das Gräberfeld wurde Anfang der sechziger Jahre auf dem Gelände eines mittelalterlichen Friedhofs angelegt. Kriegstote aus den Kreisen Gelnhausen, Schlüchtern und Hanau wurden hier zusammengebettet. Am 26. Mai 1963 wurde die Stätte eingeweiht und der Stadt Schlüchtern übergeben.

 

Markt:

Ein Stück weiter ist der Markt in der Krämerstraße (Markttag dienstags). Das Rathaus ist von 1570. Östlich des Marktes geht von der Krämerstraße die Weitzelstraße ab, die zur Grabenstraße führt. Dort steht die mächtige, Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Synagoge im neoromanischen Stil (Grabenstraße / Weitzelstraße 7).

 

Alte Synagoge:

Seit 1995 verfügt die Stadt Schlüchtern über ein kommunales Kulturzentrum, dessen neuromanischer Baustil mit Radfenstern, Rundbogenfries, Türmchen, Schildgiebeln und Satteldach einen Hauch von Orient vermittelt. Über 100 Jahre alt ist der markante Sandsteinbau, der in seiner wechselvollen Geschichte vom prunkvollen jüdischen Bethaus zur schnöden Teelöffelfabrik und später zur Stadtbücherei (Weitzelbücherei) wurde.

Im Jahre 1898 hatte die jüdische Gemeinde, die ehedem rund 13 Prozent der 3.000 Einwohner stellte, durch den Bau ihrem gesellschaftlichen Stellenwert und auch ihrem Integrationswillen Ausdruck verliehen. Als die Nazis die Synagoge 40 Jahre später in Brand steckten, hatten die meisten Juden Schlüchtern bereits verlassen. Das Feuer wütete im Inneren; äußerlich überstand der Sakralbau den Frevel weitgehend unbeschädigt, weil einsichtsvolle Schlüchterner die Flammen löschten.

Seit den fünfziger Jahren trennt eine Betondecke das Gebäude in zwei Etagen. Der untere Teil wird als Galerie für Ausstellungen, Autorenlesungen, Vorträge und Seminare genutzt. Oben unter dem Kuppeldach dürfen sich Kulturbeflissene sechs bis achtmal im Jahr auf Theaterabende, Kabarett oder klassische Konzerte freuen. Jazz zieht in den vergangenen beiden Jahren viel Publikum an. Gerade junge Leute haben sich hier zu einer aktiven Musikszene gefunden. Die meisten Besucher strömen indes ins Kulturzentrum, wenn sich der Vorhang im Kino öffnet und zwei 35-Milhmeter-Projektoren eine 20 Quadratmeter große Leinwand beleuchten. Die ehemalige Synagoge ist zugleich Heimat des Kulturkinovereins (Kuki). Und das alles ist Hessens schönstem Kino, wie Regisseur Volker Schlöndorff von dem Saal mit den 115 Sitzplätzen schwärmte.

 

Lautersches Schlößchen:

Die Grabenstraße führt nach links zur Obertorstraße, in die man nach links einbiegt. Hier konzentriert sich Schlüchterner Geschäftsleben. Nach rechts biegt man dann in die romantische Linsengasse  ein und kommt zur Stadthalle. Dann trifft man auf das Lautersche Schlößchen, das das museums­pädagogisch bedeutsame Bergwinkelmuseum beherbergt.

Das Schlößchen war 1338 trimbergisches Hofgut. Konrad von Trimberg belehnte 1362 Sonne von Schlüchtern mit dem „Steinhus zu Sluchtern“. Weitere Besitzer waren von etwa 1440 bis 1688 die Herren von Lauter. Die Inschrift des am Hause angebrachten Barockwappens lautet: „Im Jahr 1675 habe ich, Hans Ernst von Lauter, hochfürstlich bombergischer Rat, Oberschultheiß, auch Amtmann zu Höchstadt und Wachenroth, der ich mit meinen ehelichen Leibserben von der Alten Lauterschen Linie noch am Leben, dies Schloß, so im Kriege beschädigt wurde, meinen Kindern in Hessen wieder aufbauen lassen.“

Im Jahre 1688 wurde das Schlößchen an die von Dehn-Rothfelser verkauft, die es ihrerseits im Jahre 1798 an den Salzverwalter Wilhelm Stickel abgaben, einen Freund der Familie Grimm. Im 18. Jahrhundert ließ man den  Wassergraben austrocknen. Im Jahre 1818 heiratete Stickels Tochter  den Arzt Dr. Moritz Zinkhan, der bis zu seinem Tod 1851 hier wohnte und praktizierte. Im Jahre 1902 kam das Haus in den Besitz der Stadt.

Heute befindet sich darin das Bergwinkelmuseum mit seinen reichen Schätzen, die in zwölf Räumen gezeigt werden. Besonders erwähnenswert sind dabei die Brüder-Grimm-Stube (Originalzeichnungen von Ludwig Emil Grimm), die Hutten­stube (Schriften zum Leben und Werk Ulrich von Huttens) und die Lotichiusstube (Abt Petrus Lotichius Secundus). Nicht zu vergessen die großartige Modellbahnanlage, die den Bahnhof Elm und seine Umgebung zum Zeitpunkt seiner höchsten Blüte darstellt. Außerdem gibt es Bürger- und Bauernstuben, ein komplettes altes Postamt und Geschichtliches aus Kloster und Stadt. Geöffnet im Sommer Dienstag bis Samstag 14 - 16 Uhr, Sonntag  10 - 12 Uhr (Telefon 06661/85750) oder nach Vereinbarung mit Dr. Rabenstein, Heimat- und Geschichtsverein (06661/2384).

 

Eckebäcker:

Über die Straße „Unter den Linden“ kommt man wieder zum Untertor. Dabei kommt man am „Blumencafe“ und dem „Eckebäcker“ (16. Jahrhundert) vorbei. Der Bäckermeister Wilhelm Weitzel lieferte seit 1898 Gebäck an den Kaiser, wenn dieser in Bad Homburg weilte. Mit der Pferdekutsche wurde es in der Frühe zum Bahnhof Elm und von da mit dem Schnellzug nach Bad Homburg weiterbefördert, wo es gegen acht Uhr bei den Majestäten eintraf. Weitzels Nachfolger Jean Denhardt wurde 1908 der Titel „Hofbäckermeister seiner Majestät des Kaisers und Königs“ verliehen: das Wappen sieht man heute noch über der Haustür. Das Etablissement des Hofbäckers seiner Majestät des Kaisers und der Kaiserin wird heute griechisch bewirtschaftet. An der Stelle des Gasthauses stand ursprünglich die Wasserburg der Herren von Schlüchtern.

 

Schlüchtern nördlich

Elm: Der Bahnhof:

Kein Zug hält mehr in Elm, nicht einmal dem Nahverkehr ist der Bahnhof oberhalb des Ortes einen Stopp wert. Aber wer die riesigen- Gleisanlagen sieht, ahnt schon, dass das früher einmal anders sein muss. Und tatsächlich: Bis 1914 war das Dorf am Landrücken ein wichtiger Knotenpunkt mit einem Bahnhofsgebäude, das mit Fulda und Bebra seinerzeit in einer Liga spielte. Es gab Wartesäle, eine Gaststätte und mehr als 300 Beschäftigte.

Seinen kurzen Ruhm in der deutschen Eisenbahngeschichten hat Elm der Topografie zu verdanken. Der Landrücken war für eine direkte Verbindung von Frankfurt nach Fulda einfach zu steil. Deswegen entschieden sich die Konstrukteure, die Züge auf einer langen Kurve hinter Schlüchtern an Höhe gewinnen zu lassen, im Kopfbahnhof Elm die Lok zu tauschen, um dann über eine Spitzkehre die Fahrt Richtung Flieden fortzusetzen. Eingeweiht wurde der Bahnhof 1868, fünf Jahre später war dann auch die Strecke über Sterbfritz nach Gemünden fertiggestellt, und Elm wurde vom Rangier- zum Umsteigebahnhof.

Praktischer wäre von Anfang an einTunnel am Distelrasen gewesen. Aber ohne Dynamit war der Plan einer drei Kilometer langen Röhre durch den Höhenzug illusorisch. Im Jahre 1909 schließlich war Fortschritt dann doc h so weit gediehen, dass der Bau in Anriff genommen wurde. Mit der Eröffnung des Schlüchterner Tunnels verkürzte sich die Fahrzeit ab 1914 um 20 Minuten - und Elm verlor seine Bedeutung. Auch in der Bevölkerung selbst ließ das Interesse an dem unpraktisch hoch oberhalb des Dorfs gelegenen Bah immer mehr nach. Im Jahre 1966 hielt der letzte Zug, Ende der siebziger Jahre wurden die letzten Gebäudereste abgerissen, die noch an Glanz und Gloria des ehemaligen Knotenpunkts erinnert hatten

 

Breitenbach:

In vorreformatorischer Zeit gehörte Breitenbach zur Klosterpfarrei Schlüchtern. Zum Gottesdienst mußten die Ortsbewohner jedoch die Kirche in Kressenbach besuchen. Im Jahre 1596 wurden Elm, Kressenbach und Breitenbach von der Mutterkirche gelöst und zu einer selbständigen Pfarrei erhoben. Erster Pfarrer war Caspar Lappaeus. Der Wohnort des Pfarrers war jedoch bis 1743 in Schlüchtern, weil er dort gleichzeitig ein Lehramt am Klostergymnasium versehen mußte. Im Jahre 1719 wurde Breitenbach mit Kressenbach in der neugegründeten Pfarrei Wallroth ver­einigt. Das erste Schulhaus war Lehrerwohnung, Schule, Spital und Bet­haus. Aus der Schule entwickelte sich allmählich ein Gotteshaus. Am 28. August 1782 erhielt Pfarrer Johann Wilhelm Kochendörfer Anweisung, das neue Kirchhaus einzuweihen. Dennoch blieb die Kirche gleichzeitig Schule und bis zum Ende der kurhessischen Zeit (1866) zu­gleich Gemeindehaus. Erst 1838 zogen Lehrer und Schüler in das neue Schulhaus um. Im Jahre 1951 wurde das Gotteshaus renoviert und 1956 der Innenraum neu gestaltet. Die erste Orgel wurde 1801 von Georg Oestreich geliefert. Eine neue Orgel wurde 1973 von Willi Peter (Köln) eingebaut. Die Kirche ist Eigentum der politischen Gemeinde und wird vor der Stadt Schlächtern unterhalten.

 

Kressenbach:

Bereits 1167 wird in Kressenbach eine Kirche erwähnt. Sie wurde von den Benedikti­ner­mönchen aus Schlüchtern betreut und stand am Hang der „Seeme“ inmitten des heutigen Friedhofes. Wegen Baufälligkeit wurde das Gotteshaus zwischen 1616 ‑ 1617 auf Geheiß der damaligen Landesmutter Katharina von Belgica, Witwe des Grafen Philipp II., gründlich renoviert und unter anderem mit einer Kanzel und einem kleinen Turm ver­sehen. Diese alte Kirche, die etwa 110 Quadratmeter umschloß, wurde 1862 polizeilich geschlos­sen und ab 1865 abgebrochen. Der heute vorhandene Neubau aus Bruchsandstein in Form eines Saalbaues entstand in den Jahren 1861 ‑ 1865. Er trägt neuromanische Züge, umfaßt ein rechteckiges Schiff mit Rundbogenfenstern in drei Achsen, daran schließt sich ein dreiseitiger Chor.

Auf der entgegengesetzten Seite hat die Kirche einen zweigeschossigen Fassadenturm mit Spitzhelm und Wetterhahn. Sie hat eine Größe von 242 Quadratmetern, Turm 5,80 mal 3,70 Meter. Beachtenswert ist die Orgel aus dem Jahre 1865 mit einem klassizistischen Gehäuse, die 1965 geringfügig umgebaut wurde. Kressenbach gehört seit 1719 zum Kirchspiel Wallroth.

 

Hölle und Weinberg von Kressenbach: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 163.

 

Wallroth: Evangelische Kirche:

Am 29. Mai 14 81 wurde der Altar der heutigen Wallrother Kirche zu Ehren der Heiligen Antonius, Hubertus, Wendelinus und Margarethe geweiht. Vor dieser Zeit soll es schon einmal ein Gotteshaus in der Gemarkung des früheren Dorfes gegeben haben, von dem man heute nichts mehr weiß. Lediglich die Flurbezeichnung „Wüste Kirche“ deutet noch darauf    hin. Nach Einführung der Reformation gehörte Wallroth zur Pfarrei Hintersteinau, das auch Pfarrsitz war. Im Jahre 1595 wurde das lutherische Bekenntnis zwangsweise durch das calvi­nisti­sche abgelöst, was erhebliche Unruhe unter den Ortseinwohnern auslöste. Zwischen 1616 / 1617 wurde die inzwischen stark renovierungsbedürftige Kirche mit Hilfe der gräflichen Landesmutter Katharina von Belgica in Hanau instand gesetzt. Ein noch vorhandener Ge­denk­stein erinnert daran.

Doch schon bald darauf, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, war sie bereits wieder stark beschädigt, völlig ausgebrannt, ohne Dach und Fenster. Im Jahre 1658 scheint sie bereits wieder hergerichtet zu sein, so daß eine Trauung darin stattfinden konnte. Im Jahre 1719 wurde Wallroth Pfarrsitz für das Kirchspiel Wallroth, Breitenbach und Kressenbach. Pfarrer Wolf, der erste Pfarrer des neuen Kirchspiels, ließ das im klassizi­stischen Baustil gehaltene Gotteshaus in den Jahren 1727 ‑ 1729 umbauen und um etwa ein Drittel vergrößern. Nach dem Umbau diente der gedielte Kirchendachboden bis 1840 gleichzeitig als Lager für die ausgedroschene Zehntfrucht des Klosters. Im Jahre 1934 begann erneut ein Innenumbau sowie eine Renovierung, die aber durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen wurde und erst 1953 fortgesetzt und schließlich 1966 / 1967 beendet werden konnte.

Bei die­sen Umbauten erhielt die Kirche im Innern eine völlig neue Gestaltung. Durch Beseiti­gung des Chorgestühls, der Längsemporen und der alten Sakristei hat das Gotteshaus heute seine frühere Enge verloren. Neues schlichtes Gestühl, ein schöner Steinplatten­altar und das auf einem Tragstein ruhende, vier Meter hohe Eichenkreuz an der Ost­wand des Chores vermitteln dem Besucher ein harmonisches Bild. Kirchendach und Turm wurden ebenfalls neu gedeckt. Die erste Orgel wurde 1810 von Constantin Suckfüll aus Unterertal bei Hammel­burg eingebaut. Im Jahre 1934 wurde eine gebrauchte Orgel aus Kassel gekauft und aufge­stellt, sie wurde 1956 umgebaut und 1978 gründlich renoviert. Das Kirchengebäude gehört zum Besitz des früheren Benediktinerklosters Schlüchtern.

 

Hintersteinau: Evangelische Kirche

Zur Zeit der Reformation gehörten zur Pfarrei Hintersteinau die Orte: Hintersteinau, Wallroth, Reinhards, Klesberg, Ürzell mit Oberhof und Schmidtmühle. Neben Ramholz mit 6 und Mottgers mit 5 Dörfern war sie eine der bedeutendsten im Raum Schlüchtern. Der Pfarrsitz Hintersteinau war zugleich ein wirtschaftlich bedeutender Stützpunkt „Kemnade“ des Klosters Schlüchtern, der 1480 noch mit einem Amtmann besetzt war, welcher im heutigen Pfarrhaus residierte.

In Hintersteinau wird schon 1167 eine Basilika erwähnt, die von den Mönchen des Klo­sters Schlüchtern pastoriert wurde. In den Jahren 1616/1617 wird die Hintersteinauer Kirche mit Hilfe der Gräfin Katharina von Belgica renoviert. Ein Gedenkstein in der Kirche erinnert noch daran. Im Dreißigjährigen Krieg brannte das Gotteshaus aus. Wallonen verwüsteten es schon 1626. Wieder instandgesetzt diente es kirchlichen Handlungen bis 1635. Nun floh der damalige Pfarrer Geyder nach Schlächtern, wo er 1636 an der Pest stirbt. Die Kirche blieb nun bis 1655 verwaist. Im Jahre 1684 wird Klesberg mit dem links des Buchwassers liegenden Teil von Ürzell, Schmidt­mühle und Oberhof ausgegliedert, weil es fuldisch und damit nach 140 Jahren wieder katholisch wurde.

Der jetzige neugotische Kirchenbau stammt aus dem Jahre 1886. Er liegt noch am Rande des Ortes. Der Chorturm mit Schlüsselscharten ist alt. Er stammt aus der Zeit Ende des 15. Jahrhunderts. In katholischer Zeit wird er den Hochaltar beherbergt ha­ben. Die Laternenhaube stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die erste Kirchenorgel wurde 1695 für 60 Gulden gekauft. Im Jahre 1887 wurde eine neue Orgel durch die Firma W. Ratzmann (Gelnhausen) eingebaut. Diese wurde 1965 von der Firma Bernhard Schmidt (Gelnhausen) umgebaut. Das Kirchengebäude gehört noch zum Besitz des früheren Klosters Schlüchtern.

Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 164.

 

Steinau-Ürzell:

Die katholische Kirche „Hl. Dreifaltigkeit, Hl. Mutter Anna und Wendelin“ wurde 1956 / 1957 errichtet. Die einstige Mörleburg, die 1337 von Heinrich von Mörle - dem ehe­maligen Vogt des Gerichtes Ulmbach - erbaut und die 1450 durch den Abt von Fulda und 1522 durch Graf Georg von Wert­heim erobert wurde, ist heute ein Wohnhaus, dem man die ursprüngliche Verwen­dung nicht mehr ansehen kann.

 

Ulmbach:

Die katholische Kirche „Mariae Himmelfahrt“ wurde im Jahre 1826 aus Basaltstein im klassizistischen Stil erbaut. Der Spitzturm der Kirche ist kupfergedeckt. Zur Ausstattung gehören drei klassizistische Altäre, klassizistische Säulen und die Bemalungen an der Decke. Aus der alten Kirche sind folgende Figuren vorhanden: Auferstehungsfigur, St. Cyriakus, St. Petrus und St. Paulus.

Für das jetzige Gotteshaus wurden angeschafft eine Herz‑Jesu‑Statue, eine Mariensta­tue (auf der Erdkugel stehend mit Schlangen unter den Füßen), ein Marienaltar mit Maria Königin, St. Bonifatius und St. Sturmius, Josefsaltar mit St. Josef, St. Franzis­kus und St. Antonius. Die vier Evangelisten. Die Heiligen St. Aloisius, St., Sebastian, ein Kreuzweg und sehr schöne Bildglasfenster. Im Eingang eine Kopie der Pietà von Michelangelo. In der Kirche befindet sich eine Orgel der Firma Adam Josef Oestreich aus Oberbim­bach bei Fulda.

 

Klesberg:

Der kleine Weiler auf einem Bergrücken zwischen Ürzell und Hintersteinau besteht aus neun Häusern, ein paar Ställen und zählt gerade mal gut 30 Einwohner. Jeder Besucher, der sich der winzigen Ortschaft aus dem Tal nähert, wird als Erstes von der Kapelle begrüßt - und das seit über 500 Jahren!

Die katholische Kapelle Sankt Maria wurde von Kunigunde von Mörle um 1490 erbaut: „Gott dem Allmächti­gen zur Ehr, der verehrten heiligen Mutter, der hochgelobten Jungfrau Maria, zu Ehr der heiligen 14 Nothelfer, des hl. Kilian und anderer hl. Patrone“. Über der Eingangstür befindet sich folgende Inschrift: „Wenn du wanderst diese Stras, Maria grüß nit Unterlaß“

Zur Ausstattung der Kapelle gehören ein alter Sandsteinaltar und ein Holzopferstock.

Bildstatuen (Holz).: Maria Königin mit Kind, St. Kilian, St. Wendelin, St. Josef und ein

Ölbild „Jesus vor Pilatus“.

In jüngerer Zeit hatte es das kleine Gotteshaus nicht immer leicht. Eine verpfuschte Sanierung in den achtziger Jahren ließ Feuchtigkeit in den Innenraum eindringen, ganze Teile des Putzes bröckelten auf den Boden. Zur Rettung wurden bei einer grundlegenden Renovierung zu Beginn des neuen Jahrtausends Süd- und Westfront mit Schiefer verkleidet. Das ursprüngliche Mauerwerk ist seither nur noch an den beiden anderen Seiten der Fassade zu sehen.

Im Jahre 1989 drangen Diebe durch ein Fenster ein und räumten die Kapelle zu großen Teilen aus. Vom Altarkreuz, einer Monstranz und drei historischen Holzfiguren fehlt bis heute jede Spur.

Seit mindestens 1774 ist eine jährliche Prozession von Ulmbach nach Klesberg überliefert. Möglicherweise entstand diese Tradition aus einer überwundenen Epidemie, der Bittgang sollte wohl Gottes Segen zur künftigen Gefahrenabwehr sichern. Aus dieser Zeit stammt auch die Tradition, dass die Bewohner von Haus Nummer fünf (Straßennamen gibt's hier keine) den Küsterdienst für die Kapelle übernehmen. Wann immer es möglich ist, läuft ein Familienmitglied mittags hinunter und läutet Punkt zwölf von Hand die Glocke.

Und wer das alles noch nicht idyllisch genug findet, läuft die Dorfstraße bergauf und verlässt den Ort Richtung Oberullrichsberg. Auf der Höhe gibt es beim Blick über den Landrücken freie Sicht auf die höchsten Berge der Rhön - eins der schönsten Panoramen im gesamten Kreisgebiet!

 

Katholisch-Willenroth:

In der Filialgemeinde Katholisch-Willenroth von Romsthal kommend liegt linker Hand - etwas außerhalb des Ortes - eine kleine Kirche, die 1933 zu Ehren der Hl. Elisabeth als „Pater‑ Aloysius‑Lauer‑Gedächtniskirche“ erbaut wurde. Lauer war der erste deutsche General des Franziskanerordens in Rom und stammt aus Katholisch Willenroth. Ein buntes Glasfenster auf der rechten Seite stellt Papst Leo XIII. dar, der 1897 Pater Aloysius Lauer mit dem Amt des Ordensgenerals betraute. Im Jahre 1979 wurde von den Gläubigen eine neue Orgel angeschafft.

 

Romsthal:

Katholische Kirche „St. Franziskus“:

Die nach Südwesten gelegene Giebelseite mit dem Hauptportal an der Kirchstraße weist eine verputzte und gestrichene Barockfassade mit einem barockgeschwungenen Giebel auf. Auf dem von 1805 ‑ 1806 erbauten Längsschiff sitzt zur Giebel­seite hin ein Dachreiterglockenturm, Helm und Laterne in Kupfer, senkrechte Flächen in Kunstschiefer. Alle anderen Außenwände sind nicht verputzt. Das Mauerwerk des Längsschiffes aus dem Jahre 1805 ist aus unregelmäßigen Basalt‑ und Sandsteinen gemauert und zum Teil mit kleinen Feldsteinen ausgefugt. Auf jeder Seite befinden sich drei flach abge­rundete hohe Fenster in grauer Sandsteinfassung.

Dagegen hebt sich das Querschiff als späterer Bauabschnitt (1905 - 1907) ab, und zwar aus regelmäßig behauenen, weiß verfugten Basaltsteinen in Form eines Achtecks. Sockel und Sims sowie Mauerecken und Fensterfassungen sind aus hellrotem Sandstein. Über dem Sims des Querschiffs befindet sich auf beiden Seiten in rotem Sandstein ein barockes Ornament, Die Nebensakristei, links neben dem Chorraum, wurde erst 1937 / 1938 angebaut und diente als Versammlungs‑ und Gruppenraum. Im Jahre 1967 wurde die­ser Raum zum Heizungs‑ sowie zu einem Werkraum umgestaltet. Die von außen noch zu sehenden Bullaugen links und rechts vom Hauptaltar und über den Seitenaltären wurden 1962/64 von innen zugemauert, weil das einfallende Licht störte.

Der Hauptaltar im Chor stammt aus dem 1805 aufgelösten Kapuzinerkloster Fulda. Das Altarbild ist eine freie Kopie des ursprünglich vorhandenen Altarbildes von Johann Andreas Herrlein aus Fulda, angefertigt 1857 vom Würzburger Peter Geist, und stellt Christus mit Maria und in der unteren rechten Ecke die Portiuncula‑Kapelle bei Assisi dar. Die Seitenaltäre im Querschiff wurden 1907 anläßlich des Erweiterungsbaues von einheimischen Schreinern und Schnitzern nach einer unbekannten barocken Vorlage sehr echt kopiert. Der linke Seitenaltar enthält eine barocke Madonna, der rechte eine Figur des Hl. Joseph. Künstlerisch wertvoll ist der barocke Beichtstuhl auf der rechten Seite des Querschiffes. In den Jahren 1962 / 1964 wurden hier unter vierfacher Farbübermalung einmalige Intarsienarbeiten freigelegt.

 

Huttensches Schlößchen:

Urkundlich werden 1365 ‑ 1366 Edelknechte von Romsthal genannt, 1447 Heinrich von Bibergau, 1470 die von Hutten. Aus einem Sturz über der Haustüre des Schlosses mit der Jahreszahl 1742 kann entnommen werden, daß die Burg zu dieser Zeit noch be­standen haben muß. Im Jahre 1783 stürzte die Burg ein, und es wurde ein Schlößchen erbaut. Das Herrenhaus ist ein rechteckiges, zweigeschossiges Gebäude mit einem Knüppel‑Walmdach. An der Rückseite befindet sich ein viereckiger Treppenturm.

Das Haus diente seit dem 14. Jahrhundert der Linie Hutten‑Stolzenberg als Verwaltungssitz. Am 1. Oktober 1904 kam es durch einen Kaufvertrag an Hauptmann von Hutten / Czapski. Am 26. Dezember 1919 verkaufte er es an Freifrau Ludovica von Stumm in Ramholz. Am 13. Juni 1972 gelangte es durch Kauf an die heutigen Besitzer, die Eheleute Conrad Graf von Roedern. Eine Besichtigung ist nicht möglich.

 

 

 

Schlüchtern südlich:

Hohenzell.

Man kann Hohenzell auch an seinem östlichen Rand umgehen, aber der Weg ist mehr für Fußgänger. Der Weg durch den früheren Weinberg ist aber vielleicht der schönste Teil der Wanderung. Wenn man im Ort bleibt, kommt man an der Einmündung auf die Hauptstraße zur Kirche. Die Kirchengemeinde in Hohenzell gehörte vorher zu Schlüchtern und wurde 1843 selbständige Pfarrei. Der Gottesdienst fand früher im Betsaal im Oberstock des alten Schulhauses statt. Nach Aufgabe dieses Raumes wurde in den Jahren von 1857 ‑ 1864 eine Kirche gebaut. Sie ist ein einschiffiger neugotischer Bau. Der Eingang führt von Norden durch einen achtseitigen Turm, dessen Ecken in dreieckige Ziergiebel auslaufen. Dem Kirchenschiff ist im Süden ein dreiseitig geschlossener Chor vorgelagert. An der mittleren Chorwand steh die Kanzel, davor der Altar. Die Emporen wurden später eingebaut. Die Fenster sind mit schönem Maßwerk versehen.

Im Sommer 1901 wurde das Gotteshaus erneuert. Bei dieser Gelegenheit wurden die Emporen, die ursprünglich in Höhe der Orgel eingebaut waren, tiefer gesetzt. Bei einem heftigen Gewitter am 21. März.1911 schlug der Blitz in das Kreuz auf dem Kirchturm ein, deckte Turm und Kirchdach ab und riß ganze Quader aus dem Turm heraus. Auch die Kirchenuhr wurde dabei beschädigt. In den Jahren 1949 / 1950 und 1964 wurde das Gotteshaus renoviert. Zur Ausstattung der Kirche zählt eine Kriegergedächtnisplatte aus dem Jahre 1814. Von der Firma August Ratzmann (Gelnhausen) wurde 1866 eine umgebaute Orgel im Gotteshaus aufgestellt, die 1967 durch die Firma W. Peter, Köln) erneut umgebaut wurde.

Am Ortsende von Hohenzell stößt man auf die 1891 gepflanzte Jünglingseiche (nicht gefunden). Man kann nach rechts abbiegen zur Kölzenmühle und entweder Richtung Mülldeponie direkt nach Schlüchtern fahren oder über den Lindenberg nach Niederzell und nach Schlüchtern.

Im Bereich des Spessartbogens (Nähe Wanderparkplatz Bernhardswald, von dort dem Spessartbogen folgen, im Wald oberhalb der Spechtehütte) hat Faxe Müller aus Jossgrund die Bäume mit geometrischen Figuren angemalt, die zum Nachdenken und Runterkommen anregen sollen. Jeder Wanderer kennt die Symbole, mit denen die Routen, durch Wald und Wiesen hierzulande markiert sind. Rauten, Balken und Kreuze weisen uns den Weg, sofern sie nicht durch noch trendigere Bezeichnungen wie Trail, Steig oder Pfad ersetzt wurden. Mit seinem Werk „Wegzeichenformel“ hat Müller der traditionellen Beschilderung ein Denkmal gesetzt.

Dabei sind die Motive auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen. Wahllos scheint auf Bäume weiße und rote Farbe aufgebracht worden zu sein, ein System ist zunächst nicht erkennbar. Erst aus einer zentralen Perspektive setzen sich die Symbole auf den Stämmen zusammen und ergeben ein faszinierendes dreidimensionales Bild. Und ist es im wahren Leben nicht auch so, dass undurchsichtige Situation am besten geordnet bekommen, wenn wir sie von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachten?

Auch an zwei anderen Stellen des Spessartbogens hat der Jossgrunder Künstler verewigt, bei Rodenbach mit der „Wabernden Welle“ und zwischen Biebergemünd-Kassel und Bad Orb „WALDverWORTUNG“. Auch hier gilt das Prinzip: Vermeintlich Zusammenhangloses ergibt von einem fixen Standpunkt plötzlich Sinn.

Alle drei Werke sind so angelegt, dass sie mit der Zeit verblassen. Aber auch hinter dieser Entscheidung steckt ein tieferer Sinn. Der Mensch soll Zeuge des natürlichen Zerfallsprozesses, die Vergänglichkeit sichtbar werden. Müller schafft es, dass wir staunend stehen bleiben vor der Kunst im Wald, innehaltend über Perspektiven, über das Sein, Werden und Vergehen nachdenken und so schnell wie möglich wiederkommen wollen, bevor Wind und Wetter die Werke mehr und mehr in der Unkenntlichkeit verschwinden lassen.

 

Lietebach und Kelterberg von Ahlersbach und Hohenzell: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 177.

Walzenberg bei Hohenzell: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 185.

Weinberg bei Hohenzell: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 186.

 

 

Vom Schlüchtern nach Steinau (Nordseite)

 

Acis-Quelle:

Am Bahnhof geht man in der Unterführung in Richtung Acis-Quelle. Nach links führt der Weg in den Wald, nicht sehr weit entfernt liegt eine große Wiese. Die Quelle ist am unteren Rand. Der Acisbrunnen quillt nicht mehr an seiner ursprünglichen Stelle aus dem Boden. Er wurde vielmehr ein Stück abgeleitet und gefaßt.

 „Daß ich so jung die Heimat verlassen muß,

 draus in der Fremde

wird nach dem Hain und dem Quell

ewige Sehnsucht mich ziehen.“

Mit diesen Zeilen ‑ natürlich in Latein ‑ besang der Niederzeller Bauernsohn Peter Lotz (Petrus Lotichus Secundus) seinen Lieblingsort im Bergwinkel. Immer wieder zog es den weitgereisten Dichter, Arzt und Philosophen an die klare Quelle, der er den Namen „Acis“ gab. Petrus Lotichius Secundus (1528 ‑ 1563), Deutschlands größter Lateindichter, weilte während seiner Gymnasialjahre unter seinem Onkel, dem Abt und Reformator gleichen Namens, in Schlüchtern gern an dieser einsam gelegenen Quelle im nahen Eichwald. In sei­ner Phantasie sah Lotichius die ihm aus der antiken Sagenwelt bekannte Acisquelle auf Sizilien zwischen Taormina und Catania in ihr, gerühmt als die kälteste Quelle der Welt. Sie soll aus dem Blu­t des schönen Hirtenknaben Acis, dem Geliebten der Wassergöttin Galatea, entstanden sein, der von seinem Nebenbuhler, dem einäugigen Riesen Polyphem mit einem Felsblock erschlagen wur­de. Nachdem nun Galatea vom Blut ihres Liebhabers trank, verwandelte sich in eine silbrig‑klare Wasserquelle. Die im Volksmund als „Mattjesbürn“ bekannte Quelle erhielt den Namen „Acisbrunnen“    .

Seit Lotichius Zeiten ist das oberhalb von Schlüchtern gelegene Waldstück bei der Quelle ein beliebtes Ausflugsziel geblieben. Das Gymnasium machte den Acisbrunnen zum Treffpunkt von Dichtern und Gelehrten und zum Mittelpunkt froher Schulbräuche: Jeweils im Frühjahr zog man auf den Acis und tauften die neueingetretenen Schüler mit dem klaren Wasser der Quelle. Doch im späten 19. Jahrhundert blieben Dichter aus, und der Eichwald wurde mehr und mehr ein Platz für öffentliche Volks‑ und Waldfeste, in die sich zunehmend politische und militärische Töne mischten. Die Bürgergarde veranstaltete Preisschießen, zum Pfingstfest erklang Militärmusik. Seit 1875 drehte sich ein Karussell auf dem Acis. Der heutige Gast findet kaum noch einen Hinweis auf die kulturelle und politische Bedeutung dieses Ortes. Nur in der Waldgaststätte hängt ein Wandgemälde, das auf den großen Renaissance-Poeten aufmerksam macht.

Stadt‑ und Forstverwaltung sowie mehrere private Initiativen sind eifrig bemüht, dieses in einem Quellgebiet lie­gende waldreiche Naherholungsgebiet aufzuwerten. Trotzdem braucht man keine Angst zu haben, daß das weitläufige und vielfältige Interessen ansprechende Areal überlaufen ist. Viel­leicht ist es die etwas bieder wirkende Atmosphäre der Anlage, die die Ruhe rund um den „Acis“ bis heute bewahrt hat.

Links ist ein Tiergehege, rechts Spielgeräte und eine Liegewiese und ein Kneippbad. Das Holz der Kopfhainbuchen wurde früher als Brennholz und Reisig genutzt. Sie müssen regel­mäßig geschnitten werden, damit zu starke Äste den Baum nicht auseinanderbrechen lassen. Oben steht die Waldgaststätte „Acisquelle“. Am Parkplatz vor der Gaststätte stehen zwei Wandertafeln. Vier Rundwege sind mit Pfählen aus­geschildert. Der kürzeste ist der 300 Meter lange Naturerleb­nispfad, der im Rahmen einer Schul‑Projektwoche entstanden ist. Am längsten läuft man auf dem zwei Kilometer langen Rundweg, mit dem man auch das Wildgehege umrundet. Die Tiere dürfen mit altbackenem Brot gefüttert werden. Außerdem gibt es Futter im Eingangsbereich der Gaststätte. Dort liegen auch Informations­broschüren aus. Spezielles Informationsmaterial für Schulklas­sen gibt es beim Arbeitskreis.     

 

Auf dem Weg Richtung Steinau:

An der Orientierungstafel geht man nach links hoch zur Autobahn. Dort geht es erst noch ein Stück links weiter und dann nach rechts unter der Autobahn hindurch. Hinter der Autobahn geht es nicht links weiter, weil dieser Weg hinter der Kuppe sofort wieder ins Tal führt und man nichts vom Schlüchterner Stadtwald sehen kann. Man fährt nach rechts an der Autobahn entlang, dann in einem Bogen nach links zu einer Wiese. Schon fast an deren Ende geht es geradeaus (Wanderweg 4) und steil hoch, zuletzt bleibt nur noch ein Trampelpfad. Man überquert einen Forstweg und fährt geradeaus abwärts. Gleich links liegt die Albrechtshütte. Um die Wiese fährt man erst rechts herum, dann wieder nach links immer am Rand der Wiese entlang. Wo sie aufhört, geht links ein Wanderweg (rotes Kreuz) ab, der den weiteren Weg abkürzen würde. Schöner ist aber der Weg, der bald nach rechts abbiegt und im Bogen nach links zum Waldrand führt. Dort hat man einen schönen Blick auf Kressenbach und Breitenbach und auf die Windräder.

Im rechten Winkel fährt man nach links am Waldrand entlang auf einem geteerten Weg. Dieser trifft dann auf einen anderen geteerten Weg, auf den man nach links abbiegt. Diesem Weg folgt man, erst in einer Linkskurve, dann in einer Rechtskurve. Man kommt wieder auf die vorher schon berührte Wiese und fährt im Rechtsbogen weiter. Schon im Wald geht es rechts hinunter und nach einer Linkskurve immer gerade aus. Links sieht man die Markierung Hessenweg, rechts ist ein Naturschutzgebiet und nachher links noch einmal eins. Man folgt der Markierung blauer Punkt und der Ziffer 6. So kommt man zum Bahnwärterhaus Nr. 52.

 

Steinbruch:

Von dort aus kann man noch den ehemaligen Steinbruch besuchen. Nach links kommt man zuerst an den alten Turm der Seilbahn. Die Ruine ist kein mittelalterliches Burgrelikt sondern ein Industriedenkmal: der Turm war Endpunkt einer Seilbahn, mit der Basalt aus dem Steinbruch zur Verladung auf die Eisenbahn gebracht wurde. Die Ladestation am Steinbruch Ohl war von 1878 – 1933 in Betrieb. Zwei Züge wurden täglich mit Material für Pflastersteine und Split gefüllt.

Dominiert auf unserer Fahrt entlang der Kinzig in Gelnhausen noch eindeutig der Bundsandstein - alle wichtigen Gebäude, die Kaiserpfalz, die Marienkirche oder das Romanische Haus beziehen ihre Wirkung aus dem roten Gestein - rückt ab Wächtersbach der graue Basalt immer stärker in Erscheinung. Hinter Steinau sieht man auch seinen Ursprung. Das vulkanische Gestein kommt aus dem Vogelsberg; mit Seilbahnen wurde und wird es zum Teil auch heute noch ins Kinzigtal gebracht. Eine der größten Abbauflächen war der Ohlsche Steinbruch.

 

Gleich dahinter teilen sich die Wege. Der mittlere führt zu einem Wendeplatz. Von dort geht man weiter entlang der Autobahn. Wo wieder Bäume stehen geht man etwas nach links durch ein Naturschutzgebiet mit Wacholder. Am oberen Ende des Naturschutzgebietes (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 179) geht man links von dem Nord-Süd-Taleinschnitt quer durch den Wald zu einem Trampelpfad entlang der unteren Kante des ehemaligen Steinbruchs. Er führt zum Hotel „Brathähnchenfarm“. Die Farm ist allerdings nicht mehr in Betrieb. Ein Weg links um den Steinbruch herum führt eventuell auf die Ohlwarte auf dem Berg, der hinter dem Steinbruch zu sehen ist. Vom Hotel führt ein steiler Weg wieder hinunter zum Bahnwärterhaus. Am Weg stehen mehrere alte Eichen als Naturdenkmal. Vom Bahnwärterhaus fährt man hinunter in die Stadt, eventuell nach rechts an der Autobahn entlang bis zur Landstraße, die man links hinunter fährt.

 

Alternative:

Ein Weg führt noch etwas weiter nach Osten durch den Schlüchterner Stadtwald. Man begibt sich zunächst die Bahnhofstraße hinunter, am Hotel Bergwinkel vorbei, und biegt am Ende des Gefälles in der großen Rechtskurve nach links in den Struthweg ein. Hinter der Tankstelle im Quellenweg findet sich die örtliche Markierung 4. Da sie in der Stadt recht spärlich auftritt, orientiere man sich an dem weiträumigen Molkereigelände, um das sie in großen Bogen herumführt. Etwa auf der Höhe des Ziegel­schorn­steins verläßt die 4 die Straße, um nach rechts zwischen Häusern auf einem steilen Pfad abzuschwenken. Ist dieser kurze Stich und die kleine Brücke über die Eisenbahn genommen, wird der Wanderer vom Standort des Aussichtspavillons Lieserhöhe mit weitem Ausblick über zahlreiche Ortschaften des Bergwinkels und der sie umrahmenden Bergkuppen belohnt.

Es geht weiter über die Wiese hinauf zum Waldesrand, durch lichte Bestockung, die immer wieder Durchblicke auf den lieblichen Hagerwassergrund zuläßt. Etwa zweihundert Meter vor der Straße nach Breitenbach birgt das Zeichen unvermutet in einem spitzen Winkel zunächst nach links, dann nach rechts und durchquert den Wald. Da es danach im freien Gelände wiederholt auf flache Steine gemalt wurde und bei Schnee übersehen werden könnte, orientiere man sich in diesem Falle am Waldsaum, an dem der Weg in wenigen Metern Abstand entlang verläuft, bis er von dichtem, hohem Fichtenwald aufgenommen wird. Der Anblick dieses kleinen überschaubaren Feld‑Wald‑Weiden‑Landschaf Striches, der sich in den Vogelsberg­höhenzügen verliert, ist überaus reizvoll. Hat man die Albrecht‑Schutzhütte passiert und ist am Ende der großen Waldwiese bei der Sitzgruppe angekommen, lasse man sich von der Vielzahl der Wanderzeichen nicht irreleiten, sondern biege mit der 4 nach rechts vom Hauptweg ab und verfolge diese bis zum Acisbrunnen.

Schulmerich (Kinzig, Seite 26) beschreibt die Strecke von Steinau nach Schlüchtern über die Teufelshöhle.

 

 

Südlich von Schlüchtern

 

Fast kahl wirkt die Landschaft um Hohenzell, so als wäre aller Baumbestand hinweggefegt, wobei selbst der höckerige Bellinger Berg rechts keine Ausnahme macht. Hier ist die Heimat des Bergwinkel-Lamms. Mit Unterstützung des Landschaftspflegeverbands Main‑Kinzig hat sich im Süden von Schlüchtern ein traditionsreicher Erwerbszweig wieder etabliert: die Schafhaltung. Durch den Einsatz der Schafe werden die weiten Flächen in fast 400 Meter Höhe von Bewuchs freigehalten und damit eine Kulturlandschaft erhalten. die sich für eine Wanderung in einer Zeit anbietet. in der es noch nicht so heiß ist. Die weiten Fernen gewähren herr­liche Ausblicke in die Rhön, auf den Vogelsberg und in das Kin­zigtal.

Retter der Kalk‑Magerrasen‑Biotope rund um das Schlüchterner Becken sind die Schafe. In dieser einzig­artigen Kulturlandschaft blühen der Enzian, das Adonisröschen und mehrere Orchideenarten. Sie ist das Refugium zahlreicher geschützter Tier‑ und Pflanzenarten. Allein 16 stehen auf der Roten Liste.

Auf vielen dieser Flächen wurde schon im Mittelalter Weinbau betrieben. Die Zeit der Kin­zigtalwinzer ging Mitte des letzten Jahrhunderts zu Ende. Der Fall der Zollschranken und Geschmacksveränderung erleichterten die Einfuhr der süßeren Rheinweine: Schädlinge wie die Reblaus gaben dem Schlüchterner Weinanbau den Rest. Die brachliegenden Rebfluren dienten fortan als Schaf‑ und Ziegenweiden. Dadurch entstanden die für diese Gegend so charakteristischen Halbtrockenrasengebiete.

Als die Schaf‑ und Ziegenherden seltener wurden, drohte die Verbuschung und damit der Untergang der schützenswerten Pflanzen und Tiere. Rettung soll das Bergwinkellamm bringen. Extensive Beweidung, eine schadstoffarme und dazu noch billige Bewirtschaftungsform, soll das Aufkommen von Büschen verhindern.

Besonders rührig bei der Vermarktung ist die Elmer Schäferei Lenz (Huttenstraße) bei der man (nur nach telefonischer Vereinbarung Telefon 06661/1707) das Fleisch portioniert kaufen kann und der auch Lammsalami in seinem Angebot hat. Wer das Bergwinkel‑Lamm von seiner kulinarischen Seite kennenlernen will, geht ins Restaurant Zeppelin an der Schlüch­ter­ner Stadthalle, ein Lokal mit exquisiter Küche, das von den Bergwinkel‑Schäfern beliefert wird und regelmäßig Lammgerichte auf der Karte hat. Schloßstraße 13. Tel.: 0 66 61/58 32. Öffnungszeiten: Dienstag ‑ Freitag und Sonntag 12.00 ‑ 14.00 Uhr, 19.00 ‑ 24.00 Uhr. Samstag 19.00 ‑ 24.00 Uhr.

 

Man startet in Schlüchtern am „Napoleonshäus­chen“, einem Aufsatz auf der Stadtmauer am westlichen Eingang der Altstadt. Von dort geht es nach Osten an der Stadtmauer entlang  paral­lel zur Straße nach Bad Brückenau. An der Kreuzung, an der es links nach Elm geht, fährt man nach rechts in die Straße „Am Hopfgarten“ und dann links ab in die „Alte Ahlers­bacher Straße“. Es geht steil bergauf bis zum Wanderpark­platz „Am Huhn“ auf der Höhe. Rechts geht es nach Hohenzell.  Dort oben ist auch die Wüstung Neidhof, von der aber nichts zu entdecken ist. Auch nichts von der großzügigen Freizeitanlage mit Grillhütten im Gelände eines ausgedienten Steinbruches, der links im Wald liegt.

 

Ahlersbach:

Die Straße führt geradeaus wieder steil ins Tal. Über die Ziegelhütte kommt man ins schöne Ahlersbachtal und in den Ort Ahlersbach mit einem Teich am Eingang. Im Dorf geht es rechts die Straße „Am Buchenberg“ hinauf. Geradeaus trifft man auf das Backhaus von 1848, links ist der Betsaal. Er wurde in den Jahren  1837 ‑ 1838 als Oberstock des Schulhauses erbaut, im Jahre 1919 wurde er instandgesetzt und 1976 renoviert. Nach rechts geht es zum ehemaligen Hofgut auf einer Bergkuppe, das heute aber sehr verfallen ist.

Es empfiehlt sich aber nicht, den Weg zum Friedhof weiter zu fahren, weil dieser Weg nur links herum oberhalb des Dorfes entlang führt und dann wieder zum anderen Ende des Dorfes führt (der in der Karte gestrichelte Weg nach Nordosten führt nur zu einer Wildfütterung und in das Naturschutzgebiet, auch wenn dort ein alter Hohlweg ist). Deshalb ist es besser, man fährt wieder auf die Durchgangsstraße hinter an den südöstlichen Ausgang des Ortes.

Nach Überquerung des Baches biegt man rechts ab nach Süden, fährt die große Spitzkehre nach rechts aus und dann wieder nach Westen. Man kommt zur Schutzhütte mit Parkplatz. Geradeaus kommt man über den Kelterberg und Breiten Berg wieder zum Neidhofgelände. Auf dem Berg stehen die Rotoren, die für „Bergwinkel‑Wind“ Strom erzeugen. Man hat herrliche Ausblicke in Richtung Rhön.

Man biegt hier aber links ab und dann noch einmal halblinks. Man kommt an einer Schutzhütte vorbei, die links etwas im Wald liegt. Dann geht es weiter den geteerten Weg hinunter. Rechts liegt dann wieder eine Schutzhütte. Der Weg führt schließlich in die Spessartstraße in Hohenzell.

 

Kurzwanderung: Mit dem Auto zum Parkplatz „Am Huhn“ fahren und mit dem Rad oder zu Fuß über Ahlersbach nach Hohenzell fahren. An der Jünglingseiche rechts abbiegen und dem Wanderzeichen rotes Alttier folgen zum Parkplatz „Am Huhn“ ((Kinzig Seite 18; Wochenende Seite 174).

 

Hohenzell.

Man kann Hohenzell auch an seinem östlichen Rand umgehen, aber der Weg ist mehr für Fußgänger. Der Weg durch den früheren Weinberg ist aber vielleicht der schönste Teil der Wanderung.

Wenn man im Ort bleibt, kommt man an der Einmündung auf die Hauptstraße zur Kirche.  Die Kirchengemeinde in Hohenzell gehörte vorher zu Schlüchtern und wurde 1843 selbständige Pfarrei. Der Gottesdienst fand früher im Betsaal im Oberstock des alten Schulhauses statt. Nach Aufgabe dieses Raumes wurde in den Jahren von 1857 ‑ 1864 eine Kirche gebaut. Sie ist ein einschiffiger neugotischer Bau. Der Eingang führt von Norden durch einen achtseitigen Turm, dessen Ecken in dreieckige Ziergiebel auslaufen. Dem Kirchenschiff ist im Süden ein dreiseitig geschlossener Chor vorgelagert. An der mittleren Chorwand steh die Kanzel, davor der Altar. Die Emporen wurden später eingebaut. Die Fenster sind mit schönem Maßwerk versehen.

Im Sommer 1901 wurde das Gotteshaus erneuert. Bei dieser Gelegenheit wurden die Emporen, die ursprünglich in Höhe der Orgel eingebaut waren, tiefer gesetzt. Bei einem heftigen Gewitter am 21. März.1911 schlug der Blitz in das Kreuz auf dem Kirchturm ein, deckte Turm und Kirchdach ab und riß ganze Quader aus dem Turm heraus. Auch die Kirchenuhr wurde dabei beschädigt. In den Jahren 1949 / 1950 und 1964 wurde das Gotteshaus renoviert. Zur Ausstattung der Kirche zählt eine Kriegergedächtnisplatte aus dem Jahre 1814. Von der Firma August Ratzmann (Gelnhausen) wurde 1866 eine umgebaute Orgel im Gotteshaus aufgestellt, die 1967 durch die Firma W. Peter  (Köln)erneut umgebaut wurde.

Am Ortsende von Hohenzell stößt man auf die 1891 gepflanzte Jünglingseiche (nicht gefunden). Man kann nach rechts abbiegen zur Kölzenmühle und entweder Richtung Mülldeponie direkt nach Schlüchtern fahren oder über den Lindenberg nach Niederzell und nach Schlüchtern.

Lietebach und Kelterberg von Ahlersbach und Hohenzell:Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 177.

Walzenberg bei Hohenzell: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 185.

Weinberg bei Hohenzell: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 186.

 

Niederzell:

In den Jahren 1909 ‑ 1911 wurde das Gotteshaus in Niederzell von der ehemaligen politischen Ge­meinde Niederzell erbaut. Davor war ein Betsaal von 1837 vorhanden. Durch den Mittelgang gelangt man in den schlichten Altarraum mit dem Altar, auf dem ein einfaches Holzkreuz mit einer eingearbeiteten Krone aus Edelmetall angebracht ist. Links davon befindet sich die Kanzel. Eine Innenrenovierung der Kirche fand 1959, eine weitere 1975 statt. In der neuerbau­ten Kirche wurde 1912 eine Orgel der Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen) aufgestellt, die 1953 durch die Firma Walcker (Ludwigsburg) umgebaut und 1956 durch die Firma Bernhard Schmidt (Gelnhausen)repariert wurde.

Es gibt aber auch die andere Möglichkeit, noch weiter durch das Gebirge bis Steinau zu fahren. Wenn man aus Hohenzell herausfährt, geht es auf einem Abstecher geradeaus steil den Berg hoch zu einem Wildgehege auf der linken Seite mit Damwild. Aber an sich fährt man auf der Kreisstraße in Richtung Niederzell weiter bis zur Eiche am Aussichtspunkt „Schöne Aussicht“. Dort biegt man links ab nach Bellings.

 

Bellings:

Im Ort biegt man dann rechts ab auf die Durchgangsstraße und dann nach rechts in Richtung Steinau. Die Evangelische Elisabethkirche ist von 1970  ‑ 1971.

Auf der linken Seite liegt südlich des Waldes die Bellinger Warte. Man kommt zu ihr auf dem Weg, der gleich nach dem Ort links abbiegt. Man kann aber auch auf der Kreisstraße zum Parkplatz Naturpark an der  Straße Steinau-Marjoß auf der Höhe fahren und dann nach links weiterfahren. Sie war eine der vier Landwarten im äußeren Befestigungsring der Stadt, der sie mit einer undurchdringlichen Dornenhecke, dem Gebück, umzogen hat. Zur Warte in Seidenroth gelangt man vom westlichen Ausgang von Steinau aus).

Bellinger Berg (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 171.

Weinberg bei Bellings (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 186.

Das Naturschutzgebiet „Neudorfwiesen“ liegt etwa vier Kilometer südöstlich von Steinau an der Straße nach Marjoß westlich des Bellinger Kreuzes (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 142

 

 

Erlebnispark

Der „Erlebnispark Steinau” liegt 2,5 Kilometer oberhalb der Stadt in Richtung Marjoß. Der Krughof am Waldrand formte vor gut 200 Jahren die Tonkrüge für den schnapsbrennenden Thalhof nebenan, von dem nur noch der Name geblieben war. Auf dem ehemaligen Domänengelände ist ein Freizeitpark mit Gastronomie ent­standen. Der dritte, der Frohnhof, ist jüngeren Datums, er hält an der Tradition des Selbstgebrauten fest. Im Thalhof richtete Helmut Hanzsch zunächst einen Ferienpark ein, der in den neunziger Jahren von der Familie Zwer­mann aus der Lochmühle im Taunus übernommen wurde.

Der „Erlebnispark“ Steinau ist eine gute Mischung von Tieren und Spielgeräten. Es gibt technische Spielmöglichkeiten wie elektrische Pferdereitbahn, Kettenflieger-Karussell, Riesen-Hüpfkissen, Komet, Autoscooter, Pendelbahn, Spielhaus, Rutschen, Luna-Loop, Hüpfburg, Sommerrodelbahn, Trampolinanalage, Kletterburg, Wasserbob, Kinder-Eisenbahn. Dazu kommen Streichelzoo, Ställe, Volieren, Weiden, aber auch eine Streuobstwiese, einen landwirtschaftlichen Lehrpfad. Im Mittelpunkt des Geländes steht der Thalhof mit alten landwirtschaftlichen Geräten, mit einer alten Küche und mit Vögeln.  Es gibt auch Restaurants, eine Märchenerzählstube und viele Grillplätze. Eintritt 10 € (Rentner und Kinder unter 1,20 Meter  8,50 €), Montag nur 8 € (außer Feuertrage). Geöffnet von 31. März bis 21. Oktober von 9 bis 18 Uhr (Fahrbetrieb erst ab 10 Uhr).

 

Kletterpark:                                                  

Der Kletterwald besteht seit 2010. Nach der offiziellen Vorstellung hat die Anlage, mitten im Stadtwald. in der Nähe des Erlebnisparks gelegen, ihren Betrieb aufgenommen. Für den Kletterwald-Betreiber Norman Graudenz war der Termin 5. Juli 2010 ein wichtiger Meilenstein in der Realisierung seines großen Traums von einer eigenen Kletteranlage. Graudenz hat für sein Projekt von „Spessart regional“ 30.000 Euro erhalten. Das ist die Höchstsumme für private Investoren. Norman Graudenz hat für sein Projekt nach eigenen Angaben mehrere hunderttausend Euro in die Hand genommen und bedankte sich für die Unterstützung. Die Anlage bietet auf einer Fläche von 27.500 Quadratmetern Seilrutschen, Hängebrücken. Wackelbalken und die Möglichkeit zu Tarzansprüngen aus einer Höhe zwischen ein und neun Metern. Da die Kletterer dabei einen Ganzkörpergurt tragen, steht dem Vergnügen allenfalls die eigene Höhenangst im Wege.

Der Kletterpark hat bis zum 3. Oktober von 9 bis 19 Uhr, ab dem 4. Oktober bis zum 1. November dann von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Ab dem 2. November wird nur noch auf Anfrage geöffnet. Kinder von sechs bis 14 Jahre zahlen 12,50 Euro, Jugendliche ab 14 Jahre 15,50 Euro, Erwachsene 18,50 Euro. Ermäßigungen für Gruppen und Familien werden gewährt. Weitere Informationen gibt es im Internet oder unter (01 63)289 7986. Internet: www.kletterwald-steinau.de

 

 

Steinau

Ihren Namen hat die Stadt Steinau von den Alemannen, die das Kinzigtal in der Zeit vom 3. bis 6. Jahrhundert besiedelten. Steinau oder „Steinaha“, wie der Ort damals genannt wurde, bedeutet „Stelle am steinigen Wasser“.

Inmitten von Wald und Wiesen, Tälern und Bergen, umrahmt von Spessart und Vogelsberg liegt die Stadt Steinau an der Straße. Die Alte Weinstraße führte vom Spessart hinauf in den Vogelsberg. Vor allem aber war die Handelsstraße zwischen Frankfurt am Main und Leipzig über Jahrhunderte die große West-Ost-Achse des Reiches. Diese Straße ist Teil der Via Regia, der ältesten und längsten Landverbindung Europas und existiert heute in moderner Form als Europäischer Verkehrskorridor und gilt als Sinnbild für die Einigung Europas. Seit 2006 ist sie „Große Kulturstraße des Europarates“. Am Kreuzungspunkt dieser beiden Straßen wurde die wirtschaftliche Entwicklung der alten Stadt begünstigt. Die Straßen haben der Stadt Steinau ihren Beinamen „an der Straße“ gegeben.

Die Straße prägte Steinau mit all dem, was sich dort abspielte, mit Freud und Leid. Krieg und Frieden haben in Steinau ihre Spuren hinterlassen. Unzählige Menschen sind über die Straße gezogen, sind so durch Steinau gekommen, mußten hier übernachten, haben ihre Wagen reparieren lassen - und sie haben ihre Eindrücke von dieser Stadt mit auf die weitere Reise genommen.

Zahlreiche Sehenswürdigkeiten laden den Besucher zum Verweilen und Träumen ein: Das Renaissanceschloß, im 16. Jahrhundert erbaut von den Grafen von Hanau. Heute befinden sich hier Schloß- und Brüder-Grimm-Museum sowie eine Puppentheater-Ausstellung. Weltbekannt ist das Steinauer Marionettentheater „Die Holzköppe“. Das schönste Fachwerkhaus der Stadt, das ehemalige Amtshaus und heutige „Brüder-Grimm-Haus Steinau“, ist das einzige noch erhaltene Haus, in dem die Brüder Grimm gelebt haben. Jacob und Wilhelm Grimm wurden vor allem durch ihre Sammlung der Kinder- und Hausmärchen weltbekannt. Das Brüder-Grimm-Haus Steinau beherbergt eine Ausstellung zu Leben und Werk der Brüder Grimm. Hauptthemen sind die an Main und Kinzig verbrachte Jugend, Märchen und Sagen.

 

Zeittafel:

3.‑6. Jahrhundert

Besiedlung des Kinzigtal durch die Alemannen

5. Jahrhundert 

Fränkische Heerscharen vertreiben die Alemannen aus dem Gebiet, in dem heute Steinau an der Straße liegt

8. Jahrhundert 

Beginn der Geschichte der Stadt Steinau, erste schriftliche Zeugnisse im Kinziggebiet, iro‑schottische Mönche christianisieren das Gebiet

Um 900 

Steinau wird von Fulda aus kirchlich verwaltet

13. Jahrhundert

Mitte dieses Jahrhunderts gerät das Dorf Steinau durch Lehen und Heirat an die Grafen von Hanau

1273

Erstmalige Erwähnung der Katharinenkirche

1290 

Steinau erhält am 4. Juli die Stadt‑ und Marktrechte von König Rudolf von Habsburg verliehen. Die Verleihung dieses Privilegs hat einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung zur Folge. Da der Verkehr an der Reichsstraße von Frankfurt nach Leipzig stetig zunimmt, erscheint schon bald „Steyna an der Straße“ in den alten Aufzeichnungen. Gefüllte Lager und das große Warenangebot rufen im Mittelalter Räuber und Plünderer auf den Plan

14. Jahrhundert

Die Hanauer Grafen unter Ulrich II. lassen für den Stützpunkt ihrer Obergrafschaft eine Stadtmauer errichten

15. Jahrhundert

Bedingt durch eine rasch anwachsende Bevölkerung wird der erste Mauerring bald zu eng und man beginnt mit der Erweiterung der Mauern

Um 1430 

Als äußeres Vorwarnsystem entstehen die Marborner, die Seidenröther, die Bellinger- und die Ohlwarte (östlich der Straße zur Teufelshöhle), die ebenfalls mit einem Wehrwall verbunden gewesen sein müssen

1481

Der Neubau der Katharinenkirche ist beendet

1543

Reformation in Steinau

1528

Bau des Schlosses auf dem Grund der alten Burg (bis 1555)

1561

 Auf dem Marktplatz, dem sogenannten „Kumpen“ wird der Bau des Rathauses fertiggestellt

1562

Das Amtshaus wird fertiggestellt. Steinau wird zum gerichtlichen Mittelpunkt in der Obergrafschaft Hanau

1635

Der 30jährige Krieg hinterläßt auch in Steinau seine Spuren, so sterben in diesem Jahr 564 Einwohner. Die Innenstadt ist zu Kriegsende weitgehend zerstört. Noch 1694 liegen einstmals bestellte Äcker brach

1731

Die lutherische Reinhardskirche wird eingeweiht

18. Jahrhundert

Bis zu dieser Zeit hat sich das Stadtgebiet nicht ausgeweitet

19. Jahrhundert

Steinau erhält einen Anschluß an die Bahnlinie Frankfurt‑Fulda

1929

In Zeiten großer Arbeitslosigkeit ist die Entscheidung von Max Wolf, die Dreiturm-Seifenfabrik aus Platzgründen von der Nachbarstadt Schlüchtern nach Steinau  zu verlegen, ein Lichtblick. Nach dem zweiten Weltkrieg wächst die Stadt Steinau rasch und weitere Industriebetriebe siedeln sich an

1964

Weihe der katholischen St. Pauluskirche

1970

Die Orte Bellings, Marborn, Seidenroth, Marjoß, Sarrod, Rebsdorf, Rabenstein, Uerzell, Neustall, Klesberg und Hintersteinau werden im Rahmen der Gebietsreform zur Stadt Steinau eingemeindet (bis 1974)

1991

Mit der Fertigstellung der A 66 bis zum Distelrasen bei Schlüchtern erhält Steinau einen Anschluß an das Netz der Bundesautobahnen, was die Ausweitung des Industriegebietes zur Folge hat

1998

Zusammen mit der Brüder Grimm‑Gesellschaft Kassel wird im ehemaligen Steinauer Amtshaus das Brüder-Grimm‑Haus Steinau eröffnet

 

Steinau war jahrhundertelang ein Zentrum der hessischen Töpferei. Seit dem 14. Jahrhundert ist für Steinau und einige seiner heutigen Stadtteile das Töpferhand­werk belegt. Über die Handelsstraße fand das, was die Töpfer hergestellt haben, direkten Weg zum Kunden. Funde aus mittelalterlicher Zeit und dem 17.Jahrhundert zeigen die Entwicklung des regioialen Töpferhandwerkes. Die Vielfalt von Formen und Dekoren im 19. Jahrhundert wird genauso vorgestellt wie manch besonderes Gefäß. So erzählt eine alte Steinau­erin von der „Pfingstinsel“. Die Entstehung des fast ausschließlich in Marjoß gefertigten Schraubtopfes ist im Film zu verfolgen. Eine Besonderheit ist es, dass in Steinau sowohl Gefäße in Irdenware als auch in Steinzeug hergestellt wurden. Dieser Steinzeug-Produktion ist viel Platz eingeräumt. Doch auch in Steinau schwanden im frühen 20.Jahrhundert die Absatzmöglichkeiten für die bäuerliche Keramik. Es blieben die kunsthandwerkliche Töpferei und Ofenkeramikproduktion, wobei manch prächtiger Jugendstil-Ofen hier entstanden ist.

 

 

Rundgang:

Man fährt von der Autobahnausfahrt Steinau am Bahnhof vorbei über die Bundesstraße in die Stadt und parkt oberhalb des Schlosses oder ein Stück weiter östlich. Die Zahlen vor den Sehenswürdigkeiten beziehen sich auf einen Stadtplan:

 

6.) Schloß:

Das markanteste Anwesen in der Stadt ist das Schloß. Die Ausmaße der Anlage und die feine Ausführung der Baudetails sprechen dafür, daß Schloß Steinau als Nebenresidenz der Grafen von Hanau-Münzenberg dienen sollte. Tatsächlich wurde es als hanauischer Witwensitz genutzt. Ein Zwinger mit Geschützscharten, ein breiter Graben und die mit Zugbrücken und Fallgattern gesicherten Tore machten das Schloß zu einem wehrhaften Bau, hinter dessen martialischem Äußeren sich einst prachtvolle Renaissanceausstattungen verbargen. Die Einzelformen sind dabei noch stark von der Spätgotik geprägt. Als Vorbild für den Bau wirkten vor allem die sächsischen Schlösser mit den so charakteristischen Vorhangbogenfenstern.

Schloß Steinau ist eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser in Hessen. Die große, wehrhafte Anlage entstand im 13. Jahrhundert an der wichtigen Handelsstraße von Frankfurt nach Leipzig Der Vorgängerbau wurde 1290 von Ulrich von Hanau ausgebaut. Von ihm ist der quadratische Bergfried mit barocker Haube erhalten.

Um 1525 ließ Graf Philipp II. von Hanau-Münzenberg mit dem Umbau und der Modernisierung der Burg beginnen. Er ließ den westlichen Saalbau errichten, der im Erdgeschoß eine große Hofstube und im Obergeschoß repräsentative Wohnräume und im zweiten Obergeschoß einen Festsaal beherbergte. Architekt war der Steinauer Werkmeister Asmus.

Nach dem Tod Philipps II. im Jahre 1529 ruhte die Bautätigkeit. Weite Teile des heutigen Schlosses entstanden unter seinem Sohn Philipp III. (1542 - 1558), erst 1556 wurde es vollendet. Eigentümlich ist der fünfeckige Zwinger mit bastionsartigen Bauten an jeder Ecke und dem bis zu 25 Meter breiten Hirschgraben. Die einzigen Zugänge bilden zwei gemauerte Brücken im Norden und Süden. Der Bau lehnt sich an die zeitgenössische Festungsarchitektur der Renaissance an. Dieses Konzept geht wohl auf den berühmten Festungsbaumeister Graf Reinhard von Solms zurück.

Mit dem Tod Philipps III. erlosch das Interesse der Hanauer Grafen an ihrer Nebenresidenz. Sie diente zeitweise als Witwensitz. Im Jahre 1736 fiel die Grafschaft Hanau samt Schloß Steinau durch Erbschaft an die Landgrafschaft Hessen-Kassel. Damit verlor das Schloß seine einstige Bedeutung und blieb von späteren Umbauten weitgehend verschont. So stellt Steinau heute einen in Hessen einzigartigen befestigten Schloßbau dar, wie er typisch ist für die Übergangszeit zwischen Mittelalter und Neuzeit.

Der mächtige Baukomplex gruppiert sich - den Rahmen der doppelten Stadtmauer sprengend - auf dem Burghügel über der Stadt um einen fünfeckigen Innenhof, umgeben von einem Zwinger mit Graben. Bis auf den 35 Meter hohen Bergfried von 1290 stammt die wehrhafte Anlage fast ganz aus Spätgotik und Renaissance. Erbaut wurde sie von den Grafen von Hanau in der Zeit von 1528 - 1555 (1558). Heute präsentiert sie sich, im Baustil zwischen Spätgotik und Renaissance, als die geschlossenste Anlage dieser Zeit in Hessen.

Die fünfseitige Anlage besteht aus dem Saalbau von 1528, dem Küchen‑ oder Kapellenbau von 1546, dem nördlichen Tortrakt von 1551 und dem Turmtrakt von 1553 mit dem Berg­fried. Der Innenhof  war früher geschlossen und durch eine Mauer und einen direkt an den Küchenbau anschließenden Torbau begrenzt. Damit war der Innenhof von dem umlaufenden Zwinger getrennt. An dessen Ecken erheben sich vier pavillonartige Bauten mit je einem Treppenturm.

Der Bergfried war früher immer mit einem Turmwärter besetzt, der Sichtkontakt mit den umliegenden Warten hatte. Gab es von diesen Rauchzeichen, die Gefahr signalisierten, läutete der Turmwärter das Turmglöckchen und die Bevölkerung rüstete sich zur Verteidigung.

Im Dreißigjährigen Krieg bereits erheblich beschädigt, wurde das Schloß nach dem Aussterben der Hanauer Grafenlinie 1736 als Gefängnis, Lazarett, Schreinerei, für die Forstverwaltung und für Mietwohnungen genutzt.

Die 1986 im Schloßhof durchgeführte Untersuchung diente der Ermittlung von bauhistorischen Grundlagen zur Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes. Es wurde ein tonnengewölbter Keller mit einer Grundfläche von 8 mal 12,25 Meter und einer lichten Höhe von 4,50 Meter  angetroffen, der mit seiner Südostecke an die Grundmauer der den Hof im Süden abschließenden Mauer angebaut war. Das in Nord‑Süd‑Richtung verlaufende Gewölbe ist im Scheitelbereich größtenteils eingeschlagen, der Keller mit Abbruchmaterial des 16. Jahrhunderts aufgefüllt. Der unter dem Hofpflaster liegende Keller ist Rest eines Hauptgebäudes der mittelalterlichen Burg, das nach dem Abschluß des groß angelegten Umbaus im 16. Jahrhundert niedergelegt wurde.

In den Außenmauern des heutigen inneren Gebäuderings hat sich in großem Umfang Substanz der älteren Burganlage erhalten. Diese bildete zusammen mit der nicht mehr vorhandenen südlichen Wehrmauer, deren Abbruchkrone im Hofpflaster noch ablesbar ist, einen geschlossenen Mauerring, der - an der Stelle des heutigen Umgangs - von einem Graben umgeben war. Die Wehrmauer schloß im Westen an einen mehrgeschossigen Schalenturm an, dessen Geschoßteilung noch heute an der Ostseite des sogenannten Küchenbaus ablesbar ist. Der äußere Gebäudering, bestehend aus vier Eckpavillons und zwei Torbauten, ist im 16. Jahrhundert vermutlich in den älteren Burggraben hineingebaut und anschließend der heutige

Hirschgraben angelegt worden (Archäologische Denkmale, Seite 248).

Von der Stadt herkommend gelangt man durch den nördlichen Torturm zur Durchfahrt unter den Tortrakt. Durch eine Tür links in der Durchfahrt erreicht man das Schloßmuseum mit Brüder-Grimm‑ Gedenkstätte. Sie wurde 1963aus Anlaß der Jahrhundertfeier des Todestages von Jacob Grimm geschaffen und zeigt den Besucher Erinnerungsstücke der Familie Grimm sowie deutsche‑ und fremdsprachige Ausgaben der Hausmärchen. Die berühmten Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm wurden im Jahre 2005  in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen. Ihre Verfasser verbrachten seit 1791 einen Teil ihrer Kindheit in Steinau, wo der Vater Amtmann war. So verbinden sich für Schloß und Stadt mit den Germanisten Wilhelm (1786 - 1859) und Jacob Grimm (1785 - 1863) und ihrem jüngeren, als Künstler tätigen Bruder Emil Ludwig (1790 - 1863) viele Erinnerungen. Die Grimm-Gedenkstätte im Schloß zeigt einmalige Originalstücke aus Familienbesitz, die das Leben und Werk der Brüder Grimm lebendig werden lassen. Vor allem persönliche Gegenstände, aber auch zahlreiche Graphiken Emil Ludwig Grimms, der zu den großen Porträtisten seiner Epoche zählt, sind zu bewundern.

Bis heute blieben wertvolle Räume erhalten, so unter anderem die mit Kreuzrippen gewölbte Hofstube im Erdgeschoß, einer der größten spätgotischen Profanräume Hessens. In der Hof­stube versammelte sich im 16. Jahrhundert der Hof zur Tafel. Sie wurde bis 1965 als Kirchenraum genutzt.

Nebenan ist eine Kapelle mit dem Gemälde „Maria mit dem Kinde und zwei Heilige“ aus dem Jahre 1483 (Andere Angabe: In der spätgotischen Burganlage befindet sich die Schloßkapelle, die 1696 für die lutherische Gemeinde eingerichtet wurde und bis 1731 bestand). Von 1894 ‑ 1964 wurde die Schloßkapelle von der katholischen Kirchengemeinde zu Gottesdiensten benutzt. Außerdem gibt es dort die Hofküche.

Die ursprüngliche Einrichtung der Schloßgemächer hat sich nicht erhalten, aber die bisher freigelegten Reste renaissancezeitlicher Wandmalereien vermitteln zumindest einen kleinen Eindruck von der einstigen Pracht. Alltag und Lebenswelt der Schloßbewohner werden bei regulären und zahlreichen Themenführungen lebendig.

Von der Brüder‑Grimm‑Stube gelangt man über eine Treppe in den ersten Stock des Saalbaues („Blauer Saal“). Ein Stockwerk höher liegt der „Gelbe Saal“. In einem weiteren Saal mit hölzerner Mittelstütze findet man unter anderem Gobelins mit Szenen aus dem Leben der Königin Kleopatra von Ägypten. Im ersten Stock ist auch die Ausstellung von Puppen des Steinauer Marionettentheaters.

 

Der Festsaal im dritten Obergeschoß des Saalbaus ist stark geschädigt: Der Boden hängt durch, darf nur auf einem schmalen Steg am Rand betreten werden. Auch die Decke ist an einigen Stellen notdürftig abgestützt. Die ganze Statik muß grundlegend überarbeitet werden, ein neuer Boden eingesetzt und die bereits freigelegten Wandmalereien restauriert werden.

Das ehemalige Schlachthaus steht komplett leer, der Boden ist marode, die Decke provisorisch abgestützt. Wertvoll ist das Haus, weil das Original‑Fachwerk mitsamt der mit Malereien verzierten Ausputzungen erhalten ist. Ähnlich verhält es sich in einem benachbarten Haus, im 18. Jahrhundert als Kanzlei genutzt: Restauratoren legten ungewöhnlich farbige Aus­malun­gen frei. Die Gewölberippenbögen sind marmoriert, mit Wappen verziert.

Die Bauforschung muß zeigen, ob es eventuell ältere Gewölbe der Vorgängeranlagen des Renaissancebaus gibt, ferner wie die Raumstruktur im Original aussah. Im 16. Jahrhundert waren auch die Außenmauern verputzt, zudem rund um die Fenster rot angemalt. Es muß überlegt werden, ob dieser Zustand wieder hergestellt wird.

Das Schloßmuseum ist geöffnet: März bis Oktober 10 bis 11.30 und 13 bis 16.30 Uhr, November bis Februar 10 bis 12 und 13 bis 15 Uhr, beides täglich außer montags.

 

7.) Hirschgraben:

Hier wurde „Reservewild“ als Bevorratung für die Küche des Schlosses gehalten, falls  bei gräflichen Jagden das erlegte Wildbret nicht ausreichte. An der Ostseite ist ein Kinderspielplatz. An den Gebäuden sieht man immer wieder Plumpsklos bzw. Auflagen für solche.

 

1.) Marktplatz:

Im Volksmund wird er „Kumpen“ genannt und ist Mittelpunkt der Stadt.

 

2.) Märchenbrunnen:

Auf dem Marktplatz steht außer einem Brunnen von 1840 der Märchenbrunnen. Zum 200. Geburtstag von Jacob Grimm 1985 wurde der Märchenbrunnen von dem Würzburger Bildhauer W. Finger‑Rokitnitz geschaffen. Die Reliefs der Säule, das Dornröschenschloß auf der Spitze und die Bronze‑ und Sandsteinfiguren auf dem Brunnenrand zeigen Motive aus den Märchen der Brüder Grimm. Finger‑Rokitnitz wählte die strenge Form eines Pfeiles und legte um die Oberfläche Reliefs mit Motiven aus den Märchen der Brüder Grimm. Pflanzliche Formen verbinden die einzelnen Figuren zu einer Einheit. Als Material wurde teils Kalkstein, teils Sandstein verwandt. Die Säule ragt aus einem kreisförmigen Brunnen. Die Reliefs auf der Säule zeigen von unten nach oben betrachtet folgende Motive:

Die erste Trommel zeigt die Wassernixe spielend mit dem „großen Butt“, das im Pißpott sitzende Paar „Fischer und seine Frau“, „Gevatter Tod“. Zwei Lilien, eine davon welkend, erinnern an das Märchen „Die Goldkinder“, der erschreckte Knabe schaut in die Fratze des bösen Geistes, den er aus der Flasche befreit hat.

Auf der zweiten Trommel vermischt sich das Gesicht des Geistes mit den Pflanzen des Waldes, die das Häuschen und die Hexe aus „Hänsel und Gretel“ mit einschließen. „Rumpelstilzchen“ tanzt freudig vor dem Feuer und „Rotkäppchen“ wird hier von dem bösen Wolf überlistet.

Auf der dritten Trommel schüttelt die Goldmarie unter der Aufsicht von „Frau Holle“ die Federbetten aus. Ein armes Mädchen, das „Sterntalerkind“, hebt bittend die Hände zu dem Vogel im Baum, der glückliche Königssohn bringt seine Braut auf dem Pferd noch Hai und der Prinz klettert am Zopf entlang, seinem „Rapunzel“ entgegen. Den Abschluß der vier Meter hohen Säule bildet ein kapitellartig ausgearbeiteter Burgfelsen auf dem das „Dornröschenschloß“ steht. „Der Vogel Greif“ erhebt sich in die Luft.

Die Säule wird umrahmt von einem runden Wasserbecken aus rotem Sandstein. Auf dessen Rand lauert der wasserspeiende Drache aus dem Märchen „Die zwei Brüder“, hockt die Figur eines Krebses aus dem Märchen „Der Meisterdieb“. Die beiden Figuren Prinzessin und Frosch aus dem Märchen der „Froschkönig“ sollen die charakteristischen Figuren diesem Brunnen sein, sie wurden aus Bronze geschaffen.

 

5.) Katharinenkirche:

Die gotische Katharinenkirche gilt als das älteste Gebäude der Stadt. Im Zuge von Grabungsarbeiten 1977 / 1978 wurden umfangreiche Mauerzüge und Grablagen freigelegt, welche zu vier Vorgängerkirchen gehörten. Es ist dies ein kleiner einschiffiger Bau mit rechteckigem Chorabschluß, welcher vermutlich um 900 entstanden ist. Ein zweiter Bau, dem ebenfalls Grundmauern zugeordnet  werden, erweiterte den älteren Bau vor allem im Westen. Er wird um 1100 datiert, hatte einen rechteckigen Grundriß von 16 mal 8 Meter und an der Ostseite möglicherweise eine Bauererweiterung (Chor?).

Der nachfolgende, noch in das 12. Jahrhundert datierte Kirchenbau schafft durch das Verlegen der Nordseite um ein bis zwei Mauerstärken nach Norden nur geringe räumliche Erweiterung. Die West‑ und Südseite wird etwa an gleicher Stelle ersetzt. Der Ostabschluß ist unsicher, wird aber an der Stelle der Triumphbogenwand vermutet. Die frühgotische Anlage etwa um 1320 ist zum Teil noch in dem aufgehenden Mauerwerk der jetzigen Kirche enthalten.

Im Jahre wird die Kirche 1273 wird erstmals urkundlich erwähnt. Das heutige Gotteshaus ist eine zwischen 1481 und 1511 erbaute spätgotische, zweischiffige Hallenkirche. Der Turm der früheren Kirche aus dem Jahre 1273 erhielt 1539 einen Oberbau mit steiler Spitze. Das Gotteshaus ist wie fast alle mittelalterlichen Gotteshäuser orientiert, seine Längsachse verläuft in Ost-West- Richtung. Haupt‑ und Seitenschiff werden durch vier achteckige Pfeiler getrennt, aus denen vier rippenlose Spitzbogen unmittelbar hervorwachsen.

Der Anbau des Seitenschiffs verbreitert den Kirchenraum uni ein knappes Fünftel. Über dem Seitenschiff befinden sich zwei verschieferte Quergiebel. An der Nordseite steht die Sakristei. Die Fenster der Kirche sind spätgotisch. Die jetzige Hauptglocke wurde 1477 gegossen und der heiligen Katharina geweiht. Zur Inneneinrichtung gehören eine Kanzel um 1500 und der Schalldeckel von 1680.

In der Reformation wurde die Kirche evangelisch, 1595 reformiert. Nach der evangelischen Union 1818 diente die Katharinenkirche als Winterkirche. Die Orgel wurde 1834 durch die Firma Georg Link unter Beibehaltung des barocken Prospekts aufgestellt. Von 1929 bis 1950 war sie ganzjährige Pfarrkirche. Ab 1974 begannen Restaurierungsarbeiten, wobei das Innere des Gotteshauses als Mehrzweckraum umgestaltet werden soll.

Das steinerne „Heilige Grab“ im Inneren der Kirche (etwa 500 Jahre alt) blieb nach dem Bildersturm erhalten. Von den vorhandenen Grablagen gehören ein Großteil zu den frühen Friedhöfen an den Nord‑ und Westseiten der Kirchengebäude. Mit der Kirchenerweiterung wurden sie in die Kirchenräume eingeschlossen. Von besonderer Bedeutung sind die Gräber seitlich vor dem Altar. Die Großmutter und Tante der Gebrüder Grimm, Frau des Pfarrers Grimm (1730 – 1777), fünf Kinder dieser Familie und der Sohn Friedrich Grimm, ehemals Pfarrer in Hanau, sind hier bestattet.

 

4.) Reformierte Schule (zwischen der Katharinenkirche und dem Rathaus):

n diesem alten Schulhaus am Kumpen lernten die Brüder Grimm bei Präzeptor Zinckhan lesen und schreiben. Heute ist dort das Bürgerbüro (im Keller Toiletten).

 

3.) Rathaus:

Vor dem Umbau von 1561 war es eine gotische Verkaufshalle, aber auch Rats­sitz, Gerichtsstätte, Gefängnis, Schänke usw. Der heutige Bau wurde im Jahre 1561 von Baumeister Asmus errichtet und war Sitz der Verwaltung. Besonders sehenswert ist die große Markthalle mit Holzpfeilern. In den Nischen zwischen den Fenstern im ersten Stock stehen seit 1977 acht Bronzefiguren, die typische alte Steinauer Handwerksberufe darstellen. Ursprünglich waren hier einmal „erdene Männer“ zu sehen, von denen niemand weiß, wo sie geblieben sind. Heute finden in dem Haus wechselnde Ausstellungen statt.

 

8.) Marstallgebäude von 1558:

Es gehörte zum Schloß und diente der Unterstellung von Pferden und Gerät. Durch die Brüder Zangerle erfolgte der Ausbau des Marstalls für das Marionettentheater. Das über 70 Jahre bestehende Marionettentheater „Die Holzköppe“ - ehemals eine Wanderbühne - ließ sich hier nieder. Heute sind die „Holzköppe“ international bekannt und spielen mit großem Repertoire vorwiegend Märchen der Brüder Grimm. Dort kann man auch Sammlung von Puppentheatern, Marionetten und Handpuppen besichtigen, aber auch eine der fast täglichen Vorführungen besuchen.

Mephisto ist der Methusalem unter den rund 200 Puppen der Holzköppe: Mehr als 30 Jahre hat der grüngesichtige Höllenbote mit Hakennase und Spitzbart auf dem hölzernen Buckel ‑ und in dieser Zeit nichts von seiner dämonischen Ausstrahlung eingebüßt. Meistens verhält er sich allerdings friedlich, wenn er hinter der Bühne zwischen lieblichen Prinzessinnen, einem pausbäckigen Mond oder dem süßen Käferchen Klarchen hängt. „Doktor Faust“ gehört zu den Klassikern des Marionettentheaters in Steinau (Main‑Kinzig‑Kreis). Das Stück bildet im Repertoire der Holzköppe eine Ausnahme, zählt es doch zu den wenigen, die nicht auf einer Grimm’schen Vorlage basieren. Denn die traditionsreiche Steinauer Puppenbühne der Familie Magersuppe hat sich dem Märchentheater verschrieben ‑ was sicherlich naheliegt in einer Stadt, wo die Brüder Grimm den größten Teil ihrer Kindheit verbracht haben.

Märchenhaft ist schon das Ambiente im ehemaligen Marstall des Steinauer Schlosses. Der Theatersaal im Herzen des urigen Steingebäudes, vor fünf Jahren aufwendig renoviert, läßt nicht nur kindliche Besucher die Welt draußen vergessen: mittelalterliches Gewölbe, gedämpfte Beleuchtung und von 114 plüschig‑roten Sitzen der Blick auf die kleine Guckkasten‑Bühne. Alles ist auf liebenswürdige Weise altmodisch: der Theatersaal, die handgearbeiteten Puppen und Kulissen, die Inszenierungen, die genau das erfüllen, was man sich als Kind unter Marionettentheater vorgestellt hat.

Das konsequente Festhalten an der Tradition, der Verzicht auf fast alles Moderne geschieht aus Überzeugung, wie Prinzipalin Lilo Magersuppe sagt. Der Erfolg gibt ihr recht. Gerne erzählt sie Geschichten von staunenden Kindern, schwärmt von der Faszination, die die alten Märchen auch ‑ oder gerade ‑ im Computerzeitalter ausüben. 50.000 Besucher hatten die Holzköppe vergangenes Jahr. Fast immer waren die Vorstellungen ausverkauft, oft mußten Zusatztermine angesetzt werden.

Im Jahre 1955 bezog Karl Magersuppe, Schwiegervater der heutigen Leiterin, das Marionettentheater in Steinau, nachdem er 31 Jahre mit seinem hölzernen Ensemble auf Wanderschaft gewesen war. Damit zählen die Holzköppe zu den ältesten Puppentheatern in Deutschland und gleichzeitig zu den wenigen mit festem Haus. Im Jahre 1981 übernahm sein Sohn Karl‑ Erich Magersuppe die Marionettenbühne, seit seinem Tod ist seine Frau die Theaterdirektorin. Auch in der dritten Generation soll die Familientradition gesichert sein: Sohn Mario führt mit Mutter Lilo und zwei weiteren Spielern die Faden, und die neunjährige Jasmin hat fest vor, später Theaterchefin zu werden.

Lilo Magersuppe will ihr Haus auch für andere Veranstaltungen öffnen. Vor allem abends wurde das Theater bislang selten genutzt, obwohl 4die Bühne durchaus auch für Kleinkunst geeignet ist. Zwei Konzerte und einen Kabarettabend hat sie für 2002 gebucht, und sie freut sich über jede weitere Anfrage.

Außerdem setzt Lilo Magersuppe auf Zusammenarbeit mit dem Brüder‑Grimm-Haus in Steinau. Das ganze Jahr über sollen künftig gemeinsame Workshops angeboten werden: Den Vormittag verbringen die Teilnehmer im Grimm‑Haus, um Texte zu schreiben, nachmittags werden im Theater unter Anleitung von Lilo Magersuppe Puppen geschnitzt. Die Marionetten der Holzkoppe fertigt sie aber nicht selbst ‑ sie werden bei renommierten Schnitzern in Auftrag gegeben. Viele tun schon 30 Jahre ihren Dienst. Nach ihrer aktiven Laufbahn werden die hölzernen Akteure nicht entsorgt, sondern dürfen ihren Lebensabend im benachbarten Schloß verbringen. Dort unterhalten die Holzköppe ein Marionettenmuseum, das auch einen Besuch wert ist.

 

9.) Burgmannenhaus von 1589:

Es wurde von den Burgmannen bewohnt, die Angehörige des niederen Adels und Beamte der Landesherrschaft waren. Das Burgmannenhaus war die erste Zollerhebungsstelle in Steinau. Heute ist in den alten Mauern ein romantisches Hotel‑Restaurant.

 

Brüder‑Grimm‑Straße:

Auf der alten Handelsstraße kamen Händler und Reisende durch diese schöne Straße voller Fachwerkhäuser. Hier wurden Fuhrwerke vor‑ und umgespannt, hauptsächlich aber wurde bewirtet. Es gab zahlreiche Gasthäuser mit so schön klingenden Namen wie: Zum Weißen Roß, Zum Goldenen Ochsen, Zum Fröhlichen Mann, Der Weiße Schwan (gegenüber dem Burgmannenhaus), Die Krone, Zum Güldenen Stern, Der Goldene Engel und Ratsschänke.

 

Das Literaturcafé „Alte Apotheke“ (Brüder Grimm-Straße 27):

Die gelernte Hotelfachfrau Kirsten Ranft will „Botschafterin für ein gutes, geselliges Leben“ zu sein. Die namensgebende Apotheke gab es in dem Fachwerkhaus tatsächlich bis 2010. Dann stand das Gebäude von 1680 zum Verkauf, Ranft hatte es entdeckt und sofort ein Bild im Kopf, wie sie die kleinen Räume einrichten würde. Mit Antiquitäten aus dem Biedermeier, ein bisschen Gründerzeit, ein Schuss Jugendstil. Neben dem Kaffee aus einer Steinauer Rösterei und selbst gemachtem Kuchen spielen Bücher die größte Rolle. Wer will, greift sich einen Band aus der Bibliothek und fängt direkt vor Ort an zu schmökern. Oder stellt für die Nachwelt ein Buch ins Regal. Außerdem bietet das Literaturcafé Lesungen und Musikveranstaltungen an, die im Raum „Jacob“ stattfinden. Nebenan liegt im ersten Obergeschoss der Saal „Wilhelm“ (Grimm-Stadt!), der sich für kleine Feiern oder Ausstellungen eignet. Zusammen mit der liebevoll gestalteten Terrasse im Hinterhof ist aus der ehemaligen Apotheke ein kulturell-kulinarisches Gesamtkunstwerk geworden.-Kleiner Tip: Dass jedes Heißgetränk in Begleitung einer Madeleine serviert wird, geht auf Ranfts Faible für Marcel Proust zurück. Der beschreibt in seiner „Suche nach der verlorenen Zeit“ die Erinnerung an seine Kindheit, die er mit Lindenblütentee und ebendiesem französischen Feingebäck assoziiert.

 

11.) Amtshaus:

Man geht nach links durch die Brüder-Grimm-Straße, in der es rechts in den Hof des Amtshauses geht.Im Jahre 1562 wurde das Renaissancegebäude durch den Steinmetz‑ und Baumeister Asmus fertiggestellt. Das Amtshaus war ehemals Wohnsitz der Amtmänner und machte Steinau zum gerichtlichen Mittelpunkt der Obergrafschaft Hanau. Von 1791 ‑ 1796 arbeitete und lebte hier Amtmann Philipp Wilhelm Grimm mit seiner Familie, unter anderem auch Jacob und Wilhelm Grimm, die durch ihre Kinder‑ und Hausmärchen weltberühmt wurden. Heute ist es ein Museum zu Leben und Werk der Brüder Grimm.

Das Amtshaus, das heute den Namen „Brüder Grimm-Haus“ trägt, ist ein stattlicher Renaissance‑Bau mit steinernem Sockel und einem Obergeschoß, das zum Hof hin mit einem reichen Fachwerk verziert ist. Das Gebäude und seine aus der gleichen Zeit stammenden Nebenbauten, unter anderem eine Stallung, sind in eine malerische großzügig gestaltete Hofanlage eingebettet, die mit einer Mauer umgeben ist. Das Sockelgeschoß des Baues ist durch zahlreiche profilierte Segmentbogenfenster gegliedert.

Das Obergeschoß, durch einen Treppenturm auf der Hofseite erreichbar, ist hier durch auffälliges Schmuckfachwerk ausgewiesen, das auf 21 reich skulptierten hölzernen Konsolen aufliegt und mit geschweiften Andreaskreuzen in den Zonen unter den Fenstern dekoriert ist. Bemerkenswert sind die Konsole über der spitzbogigen Eingangstür und die Zimmerarbeiten im Treppenturm des Amtshauses. Der als Kopf eines Fabeltieres ausgeprägte untere Teil hat eine geisterabwehrende Funktion. Die steinernen Giebelwände tragen ein hohes Ziegeldach.

Unter dem Walm des vorderen Giebels trägt ein kleines hölzernes Männchen die Last des Dachfirsts auf seinem Rücken.

Die mit dem Gebäude verbundene Remise stammt aus der Entstehungszeit, ein an der Südseite in spätgotischen Formen angebautes Treppenhaus stammt aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Im Inneren wurde das Haus 1904 stärker umgestaltet.

 

Das Jahr 1791 war für Philipp Wilhelm Grimm das Jahr des beruflichen Aufstiegs. Der Hanauer Stadtsekretär war zum Amtmann der Obergrafschaft Hanau nach Steinau berufen worden; eigenverantwortlich sollte er als Repräsentant des Landesherrn Landgraf Wilhelm IX. die Amtsgeschäfte im oberen Kinzigtal leiten. Mitte Januar zog Amtmann Grimm mit Frau Dorothea und den Kindern Jacob, Wilhelm, Carl Friedrich, Ferdinand Philipp und Ludwig Emil auf des Reiches Straße durch das Kinzigtal.

Das Amtshaus, in dem sich die Familie einrichtete und in dem sich heute das Brüder-Grimm-Museum befindet, ist ein stattlicher Bau mit ummauertem Hof, Brunnen, Gärten und Nebengebäuden und einer alten Linde vor dem Haus. Steinau wird die Heimat von Jacob und Wilhelm, und trotz des frühen Tods des Vaters nach nur fünfjähriger Tätigkeit als Amtmann in Steinau ihr „Jugendparadies“ wie aus späteren Äußerungen beider Brüder immer wieder deutlich wird. „Gerne haben sie den Ort auch noch als Erwachsene aufgesucht. Hier im oberen Kinzigtal entwickeln sie ihre Liebe zur Natur, und wenn sie später neue Gegenden kennenlernen, wird die Landschaft der Kindheit immer als Maßstab gelten. Hier wachsen sie in wohlhabenden, bevorzugten Verhältnissen auf. Alles prägt sich unverlierbar ein. In den ,Besinn­ungen' schreibt Jacob, er verzichte, was Steinau angehe, auf jede Lokalbeschreibung, weil allein diese ein dickes Buch füllen würde“ (Hans-Georg-Schede)

Die Familie zog in das im Jahr 1562 errichtete Amtshaus, wo im Erdgeschoß Räumlichkeiten für das alltägliche Leben zur Verfügung standen und im Obergeschoß der Vater seine Dienst- räume hatte. Die Kindheit und Jugend der Brüder Grimm in Steinau ist in ihren Selbstbiographien beschrieben.

Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm waren sechs bzw. fünf Jahre alt, als sie mit den Eltern und drei weiteren Brüdern (unter anderem Ludwig Emil Grimm, der sich als Zeichner und Radierer der Romantik einen Namen gemacht hat) 1791 nach Steinau zogen. Hier kam 1793 die Schwester Charlotte zur Welt. Der Vater Philipp Wilhelm Grimm, selbst 1751 in Steinau geboren, war hierher versetzt worden. Vorher hatte er in Hanau als Hofgerichtsadvokat gewirkt und bekleidete nun die Stelle des landgräflichen Amtmannes für die Ämter Steinau und Schlüchtern.

 

Bis 1975 diente das Steinauer Amtshaus als Amtsgericht, später wurde es von verschiedenen Ämtern der Stadtverwaltung sowie von Vereinen genutzt. Im Jahre 1998 wurde das Haus für die Errichtung einer repräsentativen Brüder Grimm- Gedenkstätte mit dem Namen „Brüder Grimm‑Haus“ zur Verfügung gestellt. Seit 1998 ist hier in Kooperation der Stadt Steinau und der Brüder Grimm-Gesellschaft e. V. ein Museum zum Leben, zum Werk und zur Wirkung der Brüder Grimm eingerichtet.

Das wissenschaftliche Wirken der Brüder Grimm wird genauso dargestellt, wie das künstlerische Schaffen von Ludwig Emil Grimm. Das Erdgeschoß widmet sich in der rekonstruierten Küche und den Nebenräumen dem Leben der Familie Grimm im Kinzigtal (immerhin sind es vier Generationen, die mit der Stadt Steinau zu tun haben). Hier ist also die an Main und Kinzig verbrachte Kindheit und Jugend der Bruder Grimm dargestellt, wobei je ein Raum der Hanauer und der Steinauer Periode gewidmet sind. Das alltägliche Leben der Grimm‑Familie ist in zwei weiteren Räumen anschaulich dargestellt, wobei vor allem dreidimensionale Objekte gezeigt werden.

Die Sprach‑ und Literaturforscher Grimm werden in einem weiteren Raum im Erdgeschoß durch Faksimiles mittelalterlicher Handschriften, Sprachkarten sowie zahlreiche Erstausgaben ihrer Werke vorgestellt. Humorvoll dahingeworfene Skizzen des Malerbruders Ludwig Emil Grimm vermitteln einen sehr intimen Einblick in das Leben und Arbeiten der Grimms. Ein ganzer Raum ist seinem künstlerischen Werk gewidmet. Vor allem durch seine vielen Porträts, Landschafts‑ und Genredarstellungen sowie seine Karikaturen spielte er eine wichtige Rolle in der hessischen Kunst des 19. Jahrhunderts.

Das Obergeschoß bietet in zehn Räumen eine Märchenwelt, in die der Besucher eintauchen kann, wo er wertvolle Ausgaben und Illustrationen sehen kann, wo aber auch Märchen zu hören und zu fühlen sind, wo nahezu 200 Rotkäppchen warten und es manche Entdeckung zu machen gilt. Man muß allerdings sagen, daß die Ausstellung mehr für Erwachsene gedacht ist und das Leben der Familie Grimm darstellt. Für Kinder - zumindest für Kinder im Vorschulalter - ist sie (im Gegensatz zu der früheren Ausstellung) nicht so sehr geeignet

 

Brüder Grimm-Haus und Museum Steinau, Brüder-Grimm-Straße 80, 36396 Steinau an der Straße, täglich geöffnet von 10 bis 17 Uhr

Eintrittspreise für beide Einrichtungen: Erwachsene: 6 Euro, Kinder und Ermäßigungsberechtigte 3,50 Euro, Gruppen ab 15 Personen Erwachsene 4 Euro, Familien 12 Euro.. Es gibt auch eine Kombikarte mit Besuch des Schlosses für 8 Euro.

Kontakt: Telefon: (0 66 63) 76 05, E-Mail: brueder-grimm-haus@steinau.de.

Internet: www.brueder-grimm-haus.de und vvww.museum-steinau.de.

 

Wenn man auf das Grundstück kommt befindet sich auf der rechten Seite in der ehemaligen Amtshofscheune das Museum der Stadt Steinau.  Über den städtischen Bereich, die Straßenstation, den Verwaltungssitz, das später ackerbürgerliche Milieu und das Handwerk berichten vier Filme und zeigen die Entwicklung Steinaus an der Straße. . Die Amtshofscheune war für die Kinder des Amtmanns ein beliebter Spielplatz. Wie hoch die Grimm-Kinder hinauskamen, auch beim Spielen, zeigt uns noch heute der Gegenstand ihres besonderen Interesses: die Scheunenleiter scheint endlos bis unters Dach zu reichen.

 

Die Bedeutung Steinaus wuchs mit dem Reiseaufkommen der Handelsstraße Frankfurt-Leipzig. Die Straße von Frankfurt nach Leipzig wurde von fast allen Menschen genutzt, die durch das Reich zogen. Kaiser und Könige, Bettler und Huren, Künstler und Denker waren genauso dabei wie mancher Kaufmann, oder ein Pilger auf seinem Weg. Heute kann man die Strecke bequem in drei Stunden mit dem Zug zurücklegen. Mit der Kutsche war das etwas anderes, da war man gut 14Tage unterwegs und es bedurfte schon einiger Utensilien, die Reise bequem zu überstehen. Das fängt beim Proviant an, geht über die Möglichkeiten zur Verteidigung und endet mit dem Geld, das man dabei haben muß. Nicht nur Bettine von Arnim kann da Geschichten erzählen.

Wagner, Schmiede und Sattler bestimmten in Steinau das Handwerk. Wen wundert das? Kamen doch täglich Menschen mit Tier und Wagen in die Stadt und mußten in einer der zahlreichen Herbergen - die es fast in jedem zweiten Haus gab - logieren, während der Wagen repariert oder das Pferd neu beschlagen wurde. Später konnte man dann vielleicht einen neuen Wagen aussuchen, hatte sich hier doch eine florierende Kutschenfabrik etabliert.

Kutschenfabriken waren auch bitter notwendig, wenn man sich einen Spurrillenstein von der Straßenhaut ansieht. Die Strapazen des Reisens werden auch uns heute hier augenfällig. Links vom Eingang zum Amtshaus ist ein Teilstück der Straße rekonstruiert, wie man es westlich von Steinau gefunden hat.

 

12.) Niedertor:

Aus dem Jahre 1384 erhaltenes Tor der Stadtbefestigung, auch Untertor genannt. Früher war es eine Kontrollstelle, an der eine Gebühr für Fremde erhoben wurde.

 

45.) Bürgerhaus von 1707 (Brüder-Grimm-Straße Nr. 79)

 

46.) Hexenturm

 

44.) Stadtmauer (gut zu erreichen durch den neuen Wohnhof)

 

13.) Hutten’sches Hospital:

Auf massivem Sandsteinsockel gebautes Fachwerkhaus mit Rundturm, das nach dem Abriß des damaligen Bürgerspitals 1384 von Meister Asmus gebaut wurde. Für einige Wochen war dieses Haus auch Wohnhaus der Familie Grimm nach dem Tode des Amtmanns Grimm.

 

14.) Herrenmühle:

Das gut erhaltene Gebäude stammt von 1440 (am Haus steht 1420) und diente auch für das Schloß als Getreidemühle

 

16.) Schnappkorb:

In Zeiten der mittelalterlichen Justiz gebräuchlicher Korb aus Eisen‑ oder Weidengeflecht. Wog da Brot des Bäckers zu wenig erfolgte zur Abschreckung die Bäckertaufe. Aber auch Feld‑, Holz‑ und Wilddiebe wurde in dem Korb sitzend an dem Galgengestell in die Kinzig getaucht.

 

15.) Alter Wehrturm:

Halbschaliger Wehrturm als Teil der Stadtbefestigung. Zwischen dem Turm und dem Amtshaus geht man an der Stadtmauer entlang und am nächsten kleinen Durchgang wieder in die Stadt.

 

17.) Stadtborn:

Die einzig sichere Quelle im Mittelalter innerhalb der Stadtmauer. Diese spendete Trinkwasser war Waschplatz und ein Lieblingsplatz zum Spielen für die Brüder Grimm.

18.) Lutherische Schule, 1736 erbaut (Eckhaus Stadtborn-Neugasse)

19.) Die Hoelin’sche Kemenate ist ein Steinbau aus dem 14. Jahrhundert mit Mauer und schönem Sandsteinbogen (unmittelbar neben der lutherischen Schule)

 20.) Renterei: Die Keller‑ und Rentmeister waren Beamte, welche die herrschaftlichen Einkünfte einzuziehen und zu verwalten hatten.

21.) Zehntscheune: In diesem Gebäude aus dem 16. Jahrhundert wurde der Zehnt eingelagert, vor allem war es Getreide von abgabepflichtigen Bauern. Eine Besonderheit sind die Stein­lager des Tores.

 

22.) Elisabethenpforte: Eine kleine Tür in der Stadtmauer (nach links sehen), die nach der Frau eines Hanauer Grafen benannt wurde.

33.) Walkmühle: Mit Wasser betriebene ehemalige Stoffwalke der Leineweber aus dem 15. Jahrhundert, heute noch Getreidemühle, früher alte Kellerei.

23.) Brückenzwinger: Gebaut als zusätzlicher Schutzwall für die Stadt. In 1000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit von den Steinauer „Mauerspechten“ restauriert.

24.) Kellerei: Das Wohnhaus der Familie Grimm noch dem Tode des Amtmanns Grimm (1798 ‑ 1805).

25.) Meistergasse: Typische Steinauer Altstadtgasse mit Zwingeranlage. In dieser Gasse stand das Wohnhaus des Henkers von Steinau.

26.) Brunnenanlage am Säumarkt: Errichtet im Jahr 2000 von Peter und Sven Klassen

27.) Brauhausborn.

 

28.) Karl‑Hellwig‑Brunnen, errichtet 1995 zur Erinnerung an die „Mauerspechte“ (hier Parkplatz).

 

29.) Reinhardskirche:

In den Jahren 1724 ‑ 1731 wurde das Gotteshaus unter Graf Johann Reinhard III. als lutherische Kirche erbaut. Die Einweihung fand am 9. September 1731 statt. Dem Baustil nach gehört sie zum sogenannten evangelischen Barock (Predigtkirche). Der Grundriß des Gotteshauses ist ein Rechteck mit halbkreisförmigen Erweiterungen an den Schmalseiten, die flache Decke des saalartigen Kirchenschiffes ist voutenförmig zu den Außenwänden heruntergezogen und mit einem umlaufenden Profil abgeschlossen. An der West‑, Süd‑ und Ostseite sind außen rechteckige, innen ausgerundete Treppenhäuser conchenartig angeordnet. Die wiedererrichtete Sakristei befindet sich an der Nordseite. Von ihrem Obergeschoß ist die an der Wand hängende Kanzel von 1730 zugänglich.

Der Turm steht an der Westseite über dem dortigen Treppenvorbau, er ist vom Rechteck zum Quadrat eingezogen und mit abgeschrägten Ecken laternenartig verjüngt. Das Mansarddach der Kirche einschließlich der Anbauten ist mit roten Biberschwänzen eingedeckt, die helm­artigen Turmausrundungen und der Turmabschluß sind mit Schiefer verkleidet, darüber befindet sich die Turmbekrönung mit Wetterhahn,

Über den oben abgerundeten Langfenstern des Kirchenschiffes und der Anbauten sind teilweise Rundfenster (sogenannte „Okuli“) angeordnet, sämtlich sechseckig bleiverglast. Der Kirchenraum ist dreiseitig von säulengetragenen, geschwungenen Emporen umschlossen, an der Westseite zweigeschossig, an der Ostseite als Orgel‑Chorempore ausgebildet. Die Orgel ‑ eine der klangvollsten des oberen Kinzigtales ‑ wurde 1965 von der Firma Stele (Bittelbronn) unter Verwendung des Barockgehäuses aufgestellt.

Die Reinhardskirche diente von 1918 als sogenannte „Sommerkirche“ und wurde von 1934 ‑ 1945 als Auslagerungsraum benutzt. Durch Kriegseinwirkung entstanden im April 1945 schwere Zerstörungen an Turm und Dach, die den teilweisen Wiederaufbau und die Neugestaltung des inneren Ausbaues bedingten. Im Jahre 1965 wurde die Kirche ihrer heutigen Bestimmung als evangelische Stadtkirche übergeben.

Baugeschichte: Der lutherischen Gemeinde der Stadt Steinau stand zunächst nur die Kapelle im gräflichen Schloß zur Verfügung. Unter Graf Johann Reinhard sollten auch Steinaus Lutheraner eine eigene Kirche erhalten. Hier im Hauptort der Obergrafschaft sollte ein großes repräsentatives Kirchengebäude entstehen, das aber für die Steinauer Gemeinde viel zu groß war. Man sah sich deshalb genötigt, alle Lutheraner der Obergrafschaft der Reinhards­gemeinde einzugliedern.

Als man den Neubau der Kirche in Angriff nahm, galt es zunächst. einen passenden Bauplatz zu finden. Man mußte Widerstände der stärkeren reformierten Gemeinde überwinden, die darauf achtete, daß ihre Rechte nicht eingeschränkt wurden. Sie bestand darauf, daß die Kirche am Rande der Stadt errichtet wurde, so wie es im „Hauptrezeß“ von 1670 - der das Zusammenleben der beiden Kirchengemeinschaften in der Grafschaft Hanau regelte –  festgelegt worden war. Man entschloß sich. die Kirche in der Vorstadt zu errichten. Dort hatte ein großer Brand im Jahr 1681 die Häuser vernichtet. Die wenigen Häuser, die dort standen, wurden 1724 abgebrochen und die Besitzer entschädigt.

Die Grundsteinlegung im Beisein des Hanauer Grafen konnte im August 1725 stattfinden. Die Bauakte hält fest, mit welchen Schwierigkeiten man kämpfte. bevor die Feierlichkeiten vollzogen werden konnten. Lang andauernder Regen hatte die Baugrube mit Wasser gefüllt, das erst abgelassen werden mußte, bevor die Grundsteinlegung vorgenommen werden konnte. Regenfälle behinderten zunächst das Vorankommen der Bauarbeiten am Fundament. Handwerkerrechnungen belegen die Aufführung des Rohbaus, der bis 1728 vollendet wurde. Schon 1727 war der Bau so weit vorangeschritten, daß Knopf, Kreuz und der Wetterhahn aufgesteckt werden konnten. Bis zur Einweihung vergingen noch mehrere Jahre. Erst am 9. September 1731 fand diese Feier statt.

Die „Hanauer Union“ im Jahr 1818 bedeutete für die Steinauer Kirche nicht das Ende als Gotteshaus, wie es bei vielen lutherischen Kirchen oft der Fall war. In Steinau trennte man in Sommerkirche und Winterkirche, das heißt. im Sommerhalbjahr fand der Gottesdienst in der Rein­hardskirche statt, im Winterhalbjahr versammelte sich die Gemeinde in der Kathar­inen­kirche, die zuvor den Reformierten als Gotteshaus gedient hatte. Ab 1929 muß man diese Regelung aufgehoben haben und seit diesem Jahr wurde die Katharinenkirche ganzjährig genutzt.

In den Kriegsjahren diente die Reinhardskirche als Lagerraum. Während dieser Zeit wurden Gestühl und Altar entfernt. Im April 1945 wurden Dach und Turm sehr beschädigt. Die Kirche bot nun ein trauriges Bild. Schon lange nicht mehr für Gottesdienste genutzt, war das Innere völlig verwahrlost. Fenster und Dach waren beschädigt. Feuchtigkeit drang ein und verursachte weitere Schäden. Überall blätterte der Putz ab und die Sandsteinteile der Fassade waren schadhaft geworden. Erste Sicherungsarbeiten wurden bald nach dem Krieg durchgeführt. Seit den fünfziger Jahren bemühte man sich um eine völlige Wiederherstellung. Die umfangreichen Restaurierungsarbeiten fanden im Wesentlichen in den Jahren 1962 bis 1965 statt. Seither dient die Kirche der evangelischen Gemeinde als Gotteshaus.

 

Baubeschreibung: Die Kirche steht noch heute in dörflicher Umgebung und beherrscht mit ihrem mächtigen Baukörper und dem im Westen aufragenden Turm das Bild. Längsachse und Turmhöhe erreichen ungefähr 36 Meter. Vor der südlichen Langseite stehend, erfährt man die Kirche als lebhaft gegliedertes Bauwerk. Zum einen sehen wir die stufenweise vorspringenden Wandflächen und das darüberliegende mächtige Mansarddach, das die Bewegung des Baukörpers aufnimmt, zum andern den im Westen stufenweise aufsteigenden Turm mit seiner sich verjüngenden Haube.

Neben der Staffelung des Baukörpers ist auch der Farbkontrast bestimmend für den ersten Eindruck. Auffallend ist der Kontrast zwischen weißer Wandfläche und roter Sandsteingliederung. Sandsteinsockel und glatte Eckleisten und das rote biberschwanzgedeckte Dach rahmen die unterschiedlichen Wandflächen ein. Auch Fenster- und Türöffnungen werden durch Sandsteinfassungen betont. Nach Norden und Süden hin sieht man jeweils sieben mächtige Rundbogenfenster mit darüberliegenden Okuli. Diese Öffnungen zeigen schlichte Rahmen mit Schlußstein. Der Schlußstein des Rundbogenfensters erreicht den Rahmen des darüber­liegenden Okulus, so daß sie eng verbunden wirken.

Die Betrachtung des Grundrisses erleichtert die Beschreibung des Gebäudes. Man steht vor einem Saalbau mit eingezogenen Halbkreiskonchen an den Schmalseiten, dem nach allen Seiten hin Anbauten vorgelegt wurden. Diese Anbauten sind unterschiedlich gestaltet. Im Westen, dem Stadtzentrum zugewandt, ist es ein rechteckiger Vorbau, auf dem der quadratische Turmaufbau sitzt. Der Langseite im Süden und der Ostseite sind risalitartige Anbauten vorgelegt, ein breiter im Süden, ein weiter vorspringender im Osten. Beide zeigen ein Walmdach. Unbedeutend ist der kleine Anbau im Norden, die Sakristei, die im Gegensatz zu den übrigen Anbauten nur etwa halbe Kirchenwandhöhe erreicht und ein Mansarddach hat.

Von jedem dieser Vorbauten ist die Kirche zugänglich.  Man sieht im Westen, Süden und Osten jeweils ein gleichgestaltetes Eingangsportal mit einer schlichten Rahmung. Eine schlichte Einfassung mit Schlußstein wird durch ein Sandsteinfeld hinterlegt. Darüber sieht man einen schlichten Dreiecksgiebel mit hellem Tympanonfeld. Jedem dieser Portale ist ein darüberliegendes Rundbogenfenster zugeordnet. Der südliche Risalit ist breiter als die übrigen Vorbauten. Zu beiden Seiten des Südportals findet sich je eines der hohen Fenster mit einem Okulus.

Am Westbau sieht man den rechteckigen Unterbau, über dessen weit vorspringendem Abschlußgesims und der darüberliegenden Attikazone aus Sandstein sich der quadratische Turm­aufbau mit mächtiger schiefergedeckter Laternenhaube erhebt. Der nach Westen hin am deutlichsten in Erscheinung tretende bergang von Rechteck zu Quadrat wird hier durch zwei Voluten überspielt. Darüber erhebt sich das Turmgeschoß mit abgeschrägten sandsteinbetonten Ecken und mit Fenstern nach jeder Seite hin. Nach Norden und Süden sehen wir ein kleines Rundbogenfenster mit Okulus, nach Osten zum Dach hin bleibt nur Platz für den Okulus, und im Westen sehen wir ein Rundbogenfenster. Es stößt in die Dachzone vor, so daß das Dachgesims hier einen Bogen beschreibt, der den des darunterliegenden Gesimses wiederholt. Die beiden Holzgeschosse der Haube setzen in verjüngender Form das Quadrat des Turmes mit den abgeschrägten Ecken fort. Darüber sehen wir Turmknopf, Kreuz und Wetterhahn und als kleine Besonderheit unter dem Knopf ein schwebendes „Dächlein“.

Im Gegensatz zum äußeren Bauwerk ist die Kirche im Innern quergerichtet. Der Innenraum hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von knapp 14 Meter und erreicht in Ost-West-Richtung in etwa 27 Meter, die lichte Raumhöhe beträgt annähernd 11 Meter.

Obwohl bei der Renovierung vieles erneuert werden mußte, blieb der Raumeindruck im Wesentlichen erhalten. Raumbestimmend sind Kanzel und Altar an der nördlichen Langhauswand, auf die auch heute noch die Sitzplätze ausgerichtet sind. Man erfährt den Raum als langgestreckte Querellipse. Die eingezogenen Konchen erscheinen, obwohl sichtbar, nicht als gesonderter Raumteil.

Die Anbauten gehören. zumindest im Erdgeschoß. nicht zum Kirchenraum. Sie bilden im Westen. Süden und Osten jeweils einen abgetrennten Eingangsraum, der im Innern abgerundete Ecken zeigt und so das Oval des Kirchenraums vorwegnimmt.

Der durch die großen Fenster sehr helle Raum wird von zwei Farben. Türkis und Weiß. Beherrscht. Der Boden. der heute helle Sandsteinplatten und dort, wo Stühle stehen, Holzbelag zeigt, fällt kaum ins Auge. Auffallender ist das schlichte Weiß der Wände und der geraden Decke, die ohne Zierrat über vorspringendem Abschlußgesims und Volute den Raum überspannt.

Kanzel und Altar sind an der Nordwand zu finden. Der schlichte Altartisch, aus Sandstein in den sechziger Jahren geschaffen, steht wie sein Vorgänger von der Wand etwas abgerückt. Hinter ihm sieht man die Tür zur Sakristei und darüber die an der Wand aufgehängte Barockkanzel. Sie ist heute wieder von der Sakristei her zu erreichen. In den sechziger Jahren stellte man die Türöffnungen, die im 19. Jahrhundert vermauert worden waren, wieder her.

Die modernen Stühle aus hellem Holz ordnen sich halbkreisförmig um Kanzel und Altar. Über ihnen - an West-. Süd- und Nordwand verlaufend - sieht man die geschwungene Empore, die den Raumeindruck entscheidend prägt. Im Übrigen dem Verlauf der Wand folgend. springt sie nur im Süden. der Kanzel gegenüberliegend, in weitem Bogen vor. Getragen wird sie von hohen Säulen, die auf einer Steintrommel über schlankem Schaft das schlichte Kapitell und den Schaftring der Toskanischen Säule zeigen. Von der Wand her stützen Kragsteine die Empore. Sie ist durch Treppen von den Vorbauten her zugänglich. Im Süden öffnete sich der Vorraum hinter der Empore zum Kirchenraum. Der hier entstandene Platz wird heute von Stuhlreihen ausgefüllt, die auf sich stufenweise erhöhenden Podesten stehen.

Auf der Ostempore steht heute die prächtige Orgel. Sie ist im Innern neu, doch sieht man noch den alten Prospekt. Ursprünglich war die Orgel im Westen aufgestellt. Dort war das hier immer noch zu sehende zweite Emporengeschoß für die Orgel vorgesehen, die nur durch die heute wieder vermauerte Öffnung der Wand zum Vorraum hin Platz finden konnte.

 

30.) Kemenate derer von Hutten: Wohnhaus derer von Welsberg, ob 1732 lutherisches Pfarrhaus.

31.) Von Welsberg’sche Pflege aus dem Jahr 1616, diese diente als Hospital, Siechen‑ und Armenhaus.

32.) Brauhausborn

34.) „Zum Goldenen Ochsen“, ehemaliges Gasthaus.

35) „Zum Fröhlichen Mann“, ehemaliges Gasthaus.

36). Alte Apotheke, ein Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert.

37.) Ältestes Fachwerkhaus in Steinau: um 1520 erbaut, Wohnhaus mit privatem Museum       

42.) Ehemaliges Jakobinisches Kaufhaus aus dem 15. Jahrhundert.

43.) Ratsschänke, erbaut 1662.

41.) Reformiertes Pfarrhaus: Im Jahre 1690 fertiggestelltes Geburtshaus des Vaters der Grimm Geschwister.

38.) Märzborn, am Backhaus.

39.) Viehhof: Ehemaliges Wirtschaftsgebäude zum Schloß. Heute ist es ein Altenwohn‑ und Dienstleistungszentrum durch Initiative der Steinauer Seniorenhilfe e.V.

40.) Wehrturm

Auf dem Friedhof der Stadt befindet sich die 1616 erbaute Welsbergkapelle. Sie ist ein einfacher Saalbau mit rundem Schluß und wurde 1958 in westlicher Richtung erweitert.

Außerdem gibt es in Steinau noch die katholische St. Paulskirche von 1963 - 1964.

 

Die Landwehr

Reste der spätmittelalterlichen Stadtbefestigung haben sich in den vier Warten und den sie verbindenden Landwehren erhalten. Schon der Beiname „an der Straße“ deutet darauf hin, dass man seit jeher verkehrsgünstig an der Via Regia zwischen Frankfurt und Leipzig liegt. Für Gastronomie und Handel ein- unschlagbarer Vorteil, für die Verteidigung der Stadt eher eine knifflige Aufgabe: Deswegen haben die Steinauer schon im Mittelalter neben Stadtmauer auf ein Früherkennungssystem für ungebetene Besucher gesetzt: die Warten.

Vier Türmchen ähnlicher Bauart verteilen sich über die Hügel rund um die Stadt, alle mit Blickkontakt zum Bergfried des Schlosses. Dort wohnte und arbeitete der Türmer, dessen Aufgabe es war, die Gegend abzusuchen und Warnsignale von den Mitarbeitern auf den Warten zu empfangen.

Die Ohlwarte im Norden und die Marborner Warte im Westen der Stadt können derzeit nicht bestiegen werden und liegen an Wanderwegen, die teils durch schöne Wälder führen, teils aber auch an der Autobahn und am Industriegebiet entlang verlaufen. Idyllischer wird der Weg hinauf nach Seidenroth, wo kurz hinter dem Ort die gleichnamige Warte einen wirklich fabelhaften Blick in alle Himmelsrichtungen bietet. Knapp vier Kilometer weiter versteckt sich hinter dem Erlebnispark Steinau in einem Wäldchen die Bellinger Warte. Auch sie ist für Besucher geöffnet, bietet durch die hohen Bäume drum herum aber keine ganz so beeindruckende Aussicht.

Wall und Graben zeichnen sich im Gelände, insbesondere westlich der Bellingser Warte bis heute ab. Die südöstlich gelegene Bellingser Warte wurde wieder aufgebaut, die südwestliche Seidenröther Warte ist spätestens im 19. Jahrhundert abgerissen worden. Im Nordwesten liegt die Marborner, im Nordosten die Ohl­warte (siehe die vorhergehenden und nachfolgenden Ausführungen).

 

Weitere Ziele sind Erlebnispark, Kletterpark, Tropfsteinhöhle, dargestellt in den folgenden Ausführungen. Die Orte Jossa, Mernes und Marjoß findet man unter der Datei „Jossatal“

 

Teufelsloch und Almosenwiese: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 168.

Seewiesenweiher bei Steinau: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 180.

Steinaubachtal bei Steinau: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 180.

Struthwiesen bei Steinau: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 184.

Weinberg bei Steinau: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 188.

 

Steinau nach Bad Soden-Salmünster (nördlich der Kinzig):

 

Mit dem Rad fährt man erst ein Stück in Richtung Freiensteinau, aber dann gleich rechts in die Ohlstraße und dann ins Feld unter der Autobahn hindurch zum Bahnwärterhaus. Von dort führt der Weg geradeaus in das Steinbachtal. Das ganze Tal ist ein Naturschutzgebiet, besonders aber eine Wiese und der „Seewiesenweiher“ (Naturschutzgebiete in Hessen, Nr. 88, Seite 180). Hier geht es hinunter zum Bach und über eine Brücke und einen Trampelpfad zu einer Stelle etwa 500 Meter oberhalb des Parkplatzes Teufelshöhle.

Mit dem Auto fährt man auch in Richtung Freiensteinau. Links ist der Parkplatz Teufelshöhle

Dort kann gleich den rechtwinklig von der Straße abzweigenden Fahrweg steil hoch zur Höhle gehen. Wenn man den Wegweiser folgt,  wird man nach links oben auf einen Gehweg geführt, der bald wieder nach rechts zu dem Fahrweg zurückführt.

 

Teufelshöhle

Der Kuhhirte Jox Mellmann vermißte im Jahr 1584 eines der ihm anvertrauten Kälber. Es war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, weil es von der Weide durch einen Bodentrichter in einen Hohlraum ge­stürzt war. Seitdem gilt Jox Mell­mann als Entdecker der Teufelshöhle, Hessens größter und bisher einziger Tropfsteinhöhle.

Lange machte man um das unheimliche Loch einen großen Bogen, manche vermuteten sogar den Eingang zur Hölle. Die Bauern warfen monatelang große Steine in das Loch, ohne es verstopfen zu können. Immer wieder verschwanden auf mysteriöse Weise Tiere wie von Geisterhand. So ist es nachzulesen in Berichten von Ludwig Emil Grimm, dem Malerbru­der der bekannten Sprach‑ und Märchen­forscher Wilhelm und Jacob. Erst 1830 traute sich der mutige Pa­piermachergeselle Walter an einem Seil durch den „Dom“ die Felsspalte hinab. Im Jahre 1848 brach eine Kuh  plötzlich auf der Weide vor den Augen ihres erschrockenen Bauern im Erdboden ein und verschwand. Am 14. Juni 1898 erkundeten drei Einheimische die Tropf­steinhöhle und entdeckten dort Reh‑ und Elchgewei­he sowie das Kuhgerippe.

In den Jahren 1905 - 1908 bauten baye­rische Bergleute einen 48 Meter langen Eingangsstollen und stießen dabei auch zufällig auf die „Kapelle“. Es wurden 300 Kubikmeter Basaltstein (heute 30 Lastwagen) wieder aus der Höhle entfernt und auch die Knochen der Kuh gefunden.

Die Fachwelt erwartete bei der wissenschaftlichen Untersuchung größere Sensationen als ein paar Knochen eiszeitlicher Tiere. Doch von Saurierskeletten oder gar menschlichen Überresten fehlte jede Spur.

Da trat der Apotheker Müller auf den Plan: Er hatte sich aus Afrika einen Affenschädel mitbringen lassen, die Zähne etwas abgefeilt, alles in Säure gelegt und dann einen eingeweihten Arbeiter angewiesen, den Schimpansenschädel in der Höhle „auszugraben”. Die Forscher waren außer sich, manche sahen in dem „sensationellen” Fund, der „homo steinaulensis“, sei das fehlende Glied zwischen Affe und Mensch. Bereits machten sich mehrere Wissenschaftler auf den Weg nach Steinau. Müller fühlte sich in seiner Meinung bestätigt, daß man nur sieht, was man sehen will. Er bekam aber doch Angst vor dem eigenen Mut und deckte den Schwin­del unter dem Hohngelächter von Zeitungen und Witzblättern auf.

Der Bürgermeister war böse über die Enthüllung, denn schwedische Wissenschaftler wollten den Schädel schon für 6.000 Mark kaufen. Immerhin, die Schlagzeilen dürften - neben ihrem zugkräftigen Namen „Teufelshöhle“ - dazu beigetragen haben, die Steinauer Tropfsteinhöhle bekannt zu machen. Ihre Benennung und die fantasievollen Bezeichnungen der bis zu 200.000 Jahre alten Tropfsteingebilde spielen im Heimatort der Brüder Grimm natürlich auf Motive aus ihren Märchen an.

Das ganze Höhlensystem umfaßt etwa 2,5 Kilometer im Dreieck. Etwa 2,5 Millionen Jahre alt ist die Auswaschung in sehr viel älterem Muschelkalk geführt. Das Wasser kommt aus einem zwei Kilometer entfernten Bach und braucht zwei Tage, bis es zur Höhle gelangt. Da es aber durch zwei verschiedene Spalten eindringt, entsteht ein Strudel, der sich langsam in die Gesteinsschichten aus Muschelkalk eingräbt.

Heute erreicht man die Hohlräume durch einen 53 Meter lan­gen Stollen, der aus Sicherheitsgründen mit Spritzbeton ausge­gossen ist. Entlang der von Eichenbalken gestützten Muschelkalk­schichten geht es in den „Dom“, über dem noch zwölf Meter Erdreich sind. Durch seine schlotartige Ver­bindung zur Außenwelt fällt nicht nur Licht in den kreisrunden, ehemals 25 Meter, nach Felsabstürzen noch 16 Meter hohen Hohlraum mit einem Durchmesser von 11 Metern. Die Temperatur beträgt im Winter 7 Grad, im Sommer 10 Grad. Im Dom kann man auch einige Felszeichnungen von Tieren sehen, die aber erst im August 2001 für Filmzwecke angebracht wurden.

Die Luft ist in der Höhle zu 100 Prozent staubfrei. Deshalb wird sie auch zu Klimakuren am tiefsten Punkt genutzt. Zur „Klimakammer“ füh­ren Treppenstufen 26 Meter unter dem Erdboden hinab. Ihr Besuch empfiehlt sich wegen des hohen Kohlen­säuregehaltes zur Keuch­hustentherapie.

Der nächste Raum ist das „Hotel“ der Fledermäuse. Hier nisten sich ab November Fleder­mäuse zum Winterschlaf ein. Bis zu 800 Exemplare aus fünf Arten kommen durch den Kamin des Doms und überwintern bis zum Frühjahr. In der Höhle gibt es aber auch Siebenschläfer, Erdkröten, Krebse, Käfer, Feuersalamander und Insekten. Überall sieht man an den Wänden auch Moose, die im Lampenlicht gedeihen.

Erst auf dem Rückweg geht man zu der Attraktion der Teufelshöhle, zur „Kapelle“, über der noch sieben Meter Erdreich sind. Während der „Dom“ durch seine Größe beein­druckt, weist die kleinere „Kapelle“ die schönsten Stalag­miten und Stalaktiten auf. Vielen der glänzen­den, im Laufe von vier bis fünf Millionen Jahren gewachsenen Sta­lagmiten und Stalaktiten gab man Bezeichnungen.

Man erkennt einen Elefanten, eine Krake und einen Bart. Ganz oben kann man eine Fledermaus, fünf Finger und den berühmten Wasserfall sehen. Der „Wasserfall“ ist ein hängendes Tropfstein­gebilde (Stalaktit), das sich in etwa 225.000 Jahren gebildet hat. Rechts vom Eingang ist das Gesicht des Teufels, seine Gurgel und der Backenzahn sind aber links. Daneben sieht man einen Totenkopf. In einer Spalte links sieht man, wie der Teufel seine Großmutter küßt. Wenn man etwas rechts hoch steigt, sieht man in einer Spalte den „Bienenkorb“, ein stehendes Gebilde (Stalagmit), dessen Höhe von 30 Zentimetern und Durchmesser von 15 Zentimetern in etwa 75.000 Jahren gewachsen ist. Es dauert 300 Jahre bis der erste Zentimeter geformt ist, danach noch einmal bis 1000 Jahre, weil das Gebilde zusätzlich in die Breite geht (vergleiche auch Elvira Klein, Rhein-Main, 122).

Öffnungszeiten der Teufelshöhle, ab Ostern Samstag 13 -19 Uhr, Sonntag 10 -19 Uhr, vom 1. Juli bis 16. Oktober täglich 13 -17 Uhr. Halbstündlich werden Besucher an den Wochenenden durch die Höhle geführt. Zum Höhepunkt verlöscht das Licht und effektvoll läßt der Höhlenführer seine Taschenlampe über die Stalagmiten und Stalagtiten huschen.

 

Bergweiher:

Über eine Treppe westlich der Teufelshöhle (bei Nässe schwer befahrbar) kommt man zum Bergweiher (mit Parkplatz). Von hier geht es auf einer Fahrstraße nach Südosten über eine Wiese (Naturschutzgebiet „Teufelsloch und Almosenwiese“, Naturschutzgebiete in Hessen, Nr. 12, Seite 168) und dann wieder rechts ab durch ein Villengebiet zu den früheren Weinbergen. Der Wanderweg (blauer Punkt) führt den Hang entlang. An einer Wegkreuzung steht eine Wandertafel. Von hier aus kann man nach rechts auf den Naturerlebnispfad durch den Weinberg gehen (Wochenende Seite 178). Er ist zu empfehlen und führt wieder auf den unteren Weg.

Der ehemalige Weinberg von Steinau ist ein heute unter Natur­schutz stehendes Kalk‑Magerrasen‑Gebiet, Standort des ge­fransten Enzians und lianenumschlungener Bäume.

Hier zeigt sich auch in besonderem Maße das Typische dieser Fahrt: weite Fernsichten über das vielgestaltige Land beiderseits des Kinzigtals (Naturschutzgebiete in Hessen Nr. 14, Seite 188).

Zwischen den bewaldeten, zum Vogelsberg aufsteigenden Berghängen fallen die unbewalde­ten Flächen ins Auge. Es sind Trockenrasen auf kalkhaltigen Böden, auf denen mal ein guter Wein gewachsen ist. Bis heute haben sich seltene Pflanzen, darunter auch einige Orchideen­arten auf diesen Wiesen gehalten. Da diese Wiesen nicht mehr bewirtschaftet werden, droht ihre Verbuschung. Rettung bringt das Bergwinkellamm, unterstützt von Ziegen. Es sorgt es dafür, daß das einzigartige Landschaftsbild erhalten bleibt.

 

Marborner Warte

Die Warte findet man, wenn man von Norden unter der Autobahn hindurch fährt und dann am Zaun des Fabrikgeländes nach rechts geht (in unmittelbarer Nähe eines Silos). Die Warte ist eine der vier Warten der Steinauer Landwehr, von denen aus heranrückende Feinde rechtzeitig erkannt werden konnten und die so die im 14 Jahrhundert erbaute Stadtbefestigung von Steinau ergänzten. Die anderen Warten sind der Ohlturm (östlich der Straße zur Teufelshöhle), die Bellingser Warte und die Seidenröther Warte (Schulmerich, Kinzig Seite 46, beschreibt den ganzen Weg in umgekehrter Richtung). An der Autobahnabfahrt Steinau fährt man dann hinter ins Dorf Marborn auf dem Radweg neben der Landstraße und über die Ulmbachbrücke und über die Straße „Im Wiesengrund“ (Wegweiser zur Mariengrotte).

 

Marborn

Das Dörfchen Marborn am Hang des Katzensteins gehörte im 14. und 15. Jahrhundert zum Besitz der Burg Hutten‑Stolzenberg und ist heute nach Steinau eingemeindet. Die katholische Kirche „St. Marien“ ist ein neugotischer Bau, der vom Frühjahr 1898 bis 8. Dezember 1898 erbaut wurde. Vorher wurde eine im alten Schulhaus errichtete Kapelle benutzt. Im Jahre 1965 wurde der Glockenturm in Art eines Campa­niles errichtet. Er ist in Skelettbauweise ausgeführt. Die Kirche wurde 1955 durch den Kirchenmaler Wirth (Fulda‑Niesig) ausgemalt und besitzt einen in Neugotik gearbeiteten Hochaltar mit einem Tabernakel und zwei Nischen für Heiligenfiguren (rechts St. Bonifatius, links St. Elisabeth von Thüringen)­.

Dazu zwei Seitenaltäre in gotischer, aber feinerer Schnitzart mit je drei Nischen für Heiligenfiguren. Im rechten Seitenaltar (Mitte) St. Sebastian, ferner St. Wendelin und St. Antonius von Padua. Alle bisher genannten Figuren und die Altäre sind in einer Werkstatt in St. Ulric (Grödnertal in Südtirol)  gearbeitet worden. Im linken Seitenaltar (Mitte) steht die Statue der Unbefleckten Empfängnis auf der Erdkugel mit Strahlenkreuz aus der Barockzeit, daneben St. Helena und St. Josef.

An den Seitenwänden sind Podeste angebracht, auf denen die folgenden Statuen ste­hen: rechts St. Katharina, weiter nach hinten St. Valentin, links ist die Kanzel (gearbeitet bei der Firma Herbst aus Bad Soden), weiter hinten die Statue des Hl. Blasius. Auf der Empore steht die Orgel, die aus der ehemaligen Hausorgel des Pfarrkurates Bilz und früheren Orgelresten aufgebaut wurde. In den beiden Pfeilern, die die Orgel­empore tragen, sind die Statuen der Apostelfürsten Petrus und Paulus angebracht. Der Kreuzweg stammt vom Aufenauer Bildhauer Brill (1905)­. Unter der Empore steht ein aus Sandstein gefertigter Taufstein. Beim Seiteneingang befindet sich eine Pietà, die einstmals in der alten Marborner Kapelle stand.

Das Naturschutzgebiet „Schwadelsberg und Seifertshain bei Marborn“ liegt nördlich von Marborn (Naturschutzgebiete in Hessen, Nr. 51, Seite 166).

 

Nach Bad Soden

Von Marborn fährt man zunächst ein Stück auf der Landstraße Richtung Romsthal. Wo die Straße einen leichten Boden nach rechts macht, geht es  geradeaus weiter auf den Kinzig­tal­weg, der mit einem blauen Punkt und einer 11 gekennzeichnet ist und dann mit einer 10, die man nach einem Rechts-Links-Knick erreicht (die 11 führt links hinunter nach Ahl). Auf diesem Weg kommt man über die Ruine Stolzenberg nach Bad Soden.

 

Empfohlen wird aber der Weg über die Rimbachfarm, der bald nach der Abzweigung des Weges 11 von der Landstraße nach links hinab führt. Völlig abgeschieden liegt in einem kleinen, engen Talkessel die Ausflugsgaststätte „Rim­bachfarm“. In diesem „Knusperhaus“ mitten im Wald kann man einzukehren (36396 Steinau-Marborn, Tel.: 0 66 63/234. Öffnungszeiten: täglich ab 11 Uhr). Bekannt ist die Rimbachfarm für ihre frischen Forellen aus eigener Zucht. Am Nachmittag lockt der Kuchen, den man auch im Garten bestellen kann. Ein Spielplatz, Ferienwohnungen und die Lage können so manchen Gast verleiten zu bleiben. Hier ist der „Apfelweinäquator“ markiert und Apfelweingeräte ((Mühle, Presse, Flaschen) sind ausgestellt. Eine kleine Dreschmaschine ist zu sehen.

Der Weg führt dann hinunter zum Kinzigtalstausee, der durch einen schmalen Durchlaß unter Eisenbahn und Autobahn erreicht wird. An der Staumauer fährt man ein kleines Stück an der Mauer entlang. Dort ist das Naturschutzgebiet „Feuchtwiesen bei Ahl“ (Naturschutzgebiete in Hessen Nr. 74, Seite 117). Von dort geht es  weiter nach Bad-Soden. Unter der Autobahn hindurch kommt man in die Major-Bedding-Straße. Major Bedding hat in den letzen Kriegstagen den Ort Ahl vor der Zerschießung bewahrt. In der Pazificusstraße sieht man rechts ein Muttergotteshäuschen von 1926 mit einer Statue von 1909. Links ist dann ein Altenheim mit dem Wappen eines Fuldaer Bischofs.

 

 

Steinau nach Salmünster (südlich der Kinzig)

 

Seidenroth

Von Steinau aus kann man einen Abstecher nach Seidenroth machen, indem man die Seidenröther Straße hinauffährt. In der Mitte des Dorfes steht die Kirchenschule. Östlich davon in dem Gehöft auf der anderen Straßenseite steht der Rest der Seidenröther Warte, die zum Frühwarnsystem von Steinau gehörte. Über die Sämanns- und Waschwiesen vergleiche: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 149.

 

Kinzigtalsperre

Wieder zurück in Steinau verläßt man die Stadt nach Westen über die Brüder-Grimm-Straße

Das Wanderzeichen „blaue 14“ führt am Friedhof mit der Wels­kapelle von 1616 vorbei, hält auf die B 40 zu und fährt an der Einmündung links hinauf zum Wald. Buchen, Eichen, Dou­glasien, Fichten, alles ist hier vertreten. Ihre schlanken Stämme erlauben einen Durchblick auf die Talsperren­land­schaft fast wie aus der Vogelperspektive von diesem erhöhten Abstand. Beim Schauen nach unten sollte man nicht versäumen, hin ­und wieder einen Blick auf den Weg zu werfen, um auf der rechten Seite, fast ver­deckt, einen Grenzstein von 1735 mit Mainzer Rad und Hanauer Wappen auszumachen. An dieser Stelle nämlich zweigt die blaue 14 nach halbrechts vom befestigten Weg ab. Wenn der Wald endet, kurz vor der B 40, hält man sich am Parkplatz entlang links, kreuzt sie auf der Straßenbrücke, nimmt anschließend den asphal­tierten Talsperren-Betriebsweg, und vor dem Damm den mit rotweißer Schranke abgegrenzten Weg.

 

Jahrhundertelang hat die verhältnismäßig kleine Kinzig mehrmals im Jahr das gesamte Tal über­schwemmt, bis ihr Anfang der achtziger Jahre ein Korsett in Form eines regulierenden Stausees angelegt wurde. Mit dem Bau der Kinzigtalsperre ist eines sichtbar erreicht worden: Die gro­ßen Überschwemmungen blieben aus.

Der Bau der Kinzigtalsperre zwischen Bad Soden‑Salmün­ster und Steinau ist längst abgeschlossen, ein Projekt, das zum einen dem Hochwasserschutz dient, zum anderen als weiteres Glied der Grundwassererschließung zur Sicherung der Trinkwasserversorgung im Rhein‑ Main‑Gebiet. Der Main‑Kinzig‑Kreis, die Städte Hanau und Frankfurt und das Land Hessen teilen sich die Aufgaben. Sie sind im Wasser­verband Kinzig, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zusammengeschlossen.

Mit 25 Millionen Mark Baukosten und zweieinhalb Jahren Bauzeit hatte der Was­serverband Kinzig 1975 kalkuliert, als die Bagger für den Bau der Kinzigtalsperre anrückten. Rund die dreifache Summe stand am Ende zu Buche, als das vornehm­lich zum Hochwasserschutz konzipierte Bauwerk 1991 die letzten Probestaus er­folgreich absolviert hatte. Etwa 30 Millio­nen Mark davon erforderten die Höherle­gung der ehemaligen B 40 zwischen Ahl und Steinau, die Sicherung des Bahn­damms auf der gegenüberliegenden Seite, oder neue Ferngas‑ und Stromleitungen.

Das Hauptbauwerk bildet ein Erddamm von 550 Meter Länge und 14 Meter größter Höhe. Bei Sommerstau entsteht ein kilometerlanger Stausee mit zweieinhalb Millionen Kubikmeter Wasser und einer Oberfläche von 710 Hektar. Im Winter liegt der Spiegel 10 Hektar darunter. Der Maximalstau beträgt 7,2 Millionen Kubikmeter. Er wird durch eine Entlastungsanlage mit drei Wehrfeldern abgeführt. Eine Turbine in der Staustufe produziert Strom.

Bis zu 40 Kubikmeter Wasser pro Sekun­de leitet der Stausee auch in Hochwasser­zeiten weiter flußabwärts. Denn Über­schwemmungen im unteren Kinzigtal sol­len aus ökologischen Gründen keineswegs ganz verhindert werden, bilden sie doch die Lebensgrundlage für unzählige Tier- ­und Pflanzenarten. Knapp über elf Meter lag die Stauhöhe bei einer der extremen Hoch­wassersituationen. Dann erstreckt sich die Wasserfläche bis auf fast 140 Hektar. Trotz verschiedentli­cher Kritik halten die Ingenieure das Bau­werk für äußerst wirkungsvoll. Seit der In­betriebnahme sei etwa in Gelnhausen die gefürchtete Hochwasserstufe 3 mit einem Pegel nahe der Fünf‑Meter‑Marke nicht mehr gegeben.

Die Freizeitnutzung des Sees und sei­ner Ufer hat der Zweckverband Main‑Kinzig übernommen. Man kann surfen, geräuschlos Boot fahren und an den Rändern natürlich wandern, die Wanderer kommen mit dem angelegten Rundweg um den See allemal auf ihre Kosten. Infolge der landwirt­schaftlichen. Nutzung entlang der Kinzig und ihrer Zuflüsse strömen aber Nitrate und andere organische Substanzen in den See, vermodern dort und trüben das Wasser derart, daß die Sicht gleich Null ist. Er­gebnis: Baden und Surfen ist verboten.

Ein eigens gegründeter Zweckverband „Erholungsanlagen beim Stausee Kinzig“ mußte Pläne für Hotels und Ferienhäuser schnell wieder zu den Akten legen. Mitte der neunziger Jahre testete der Wassersport­club Main‑ Kinzig das Areal als Segelre­vier. Bis heute freilich erschöpft sich das Wasservergnügen auf etwa 20 Ruder‑ und Tretboote, mit den Ausflügler und Wande­rer zumeist an Wochenenden auf der Tal­sperre dümpeln. Bedeutend ist der zu einem Drittel un­ter Naturschutz stehende See als Vogelre­fugium. Zu Tausenden überwintern an sei­nen Ufern nordische Wasservögel. Dazu brüten Reiher und Haubentaucher.

 

Wenn der See abgelassen ist, sieht man noch, wie die Kinzig sich früher durch das Tal geschlängelt hat. Vor der Staumauer ist noch eine Brücke zu sehen, über die der Weg führte, der von der Rimbachfarm unter Eisenbahn und Autobahn hindurch kommt. So wurde zum Beispiel im Herbst 2002 das Wasser des Kinzigstausees abgelassen, um die Dichtigkeit zu überprüfen. Der See, stellenweise wie eine ausgetrocknete Wüstenlandschaft, da­zwischen auch gefährliche Schlammstücke, in denen man durchaus versinken könne ‑ all das fasziniere viele Ausflügler, berichtet der Talsperrenwärter.

Tonnenweise Schlamm wurde Schlamm entfernt, der sich meterdick vor einer betonier­ten Rinne gesammelt hat. Offensichtlich hat die vom Land Hessen in zehnjährigem Ab­stand vorgeschriebene Sicherheitsüberprü­fung keine wesentlichen Schäden zutage gefördert. Ein paar Abplatzungen und Haarrisse im Beton bereiten den Stati­kern keine schlaflosen Nächte. Be­reite­te der weiche Untergrund den Architekten beim Bau noch Probleme ‑ so mußte am Staudamm eine zusätzliche Dichtwand eingebaut und Beton verpreßt werden, um Unterspülungen zu verhindern ‑ gibt es nach ers­tem Eindruck keine undichten Stel­len. Später werden Fugen und Verschlüs­se überprüft, Dichtungen ausgetauscht so­wie Schieber, Rohrleitungen, Wehrklap­pen und die Turbinen inspiziert.

Nur das Abfi­schen verlief nicht ganz plangemäß. Ursprünglich sollten Zander, Karpfen und Hechte in die nicht weit entfernten Hirschbornteiche ausquartiert werden. Doch die kleinen Ge­wässer erwiesen sich schließlich als un­tauglich, den gewaltigen Fischbestand auf­zunehmen. Mehr als 17 Tonnen wurden nach Absprache mit der oberen Fischerei­behörde daraufhin verwertet. Im Frühjahr sollen dann neue Fische ausgesetzt werden.

 

Ahl

Die bis 1972 eigenständige Gemeinde Ahl liegt an der ehemaligen Bundesstraße 40, die bis zur Fertigstellung der A 66 die Hauptverbindung von Frankfurt nach Fulda war. Die Bewohner des Ortes Ahl waren seit je her Reisende und Verkehr gewohnt, denn Ahl lag schon immer an der Durchgangsstraße zwischen Frankfurt und Leipzig, des „Reiches Straße“. Nur waren die Verhältnisse anders, aber die Sorgen und Nöte gewiß größer.

Viele Sorgen und großes Leid haben die durchziehenden Heere im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648), im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) und in den napoleonischen Kriegen (1805 - 1813) durch Einquartierungen und Plünderungen hinterlassen. Die erste urkundliche Erwähnung Ahls stammt aus dem Jahre 1326. Im Jahre 1866 kam die Gemeinde Ahl mit dem  Kreis Schlüchtern zu Preußen.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges geriet das Dorf in große Gefahr. Von Salmünster und Bad Soden heranziehende amerikanische Panzerverbände hatten das Dorf eingenommen. Versprengte deutsche Soldaten beschossen außerhalb des Dorfes Richtung Steinau die Panzer. Dabei wurde ein amerikanischer Soldat erschossen. Da die Amerikaner annahmen, die Beschießung sei aus der Bevölkerung von Ahl gekommen, sollte das Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Zerstörung Ahls war für Ostersonntag, 18 Uhr, vorgesehen. Die Bewohner wurden mit Hab und Gut und Vieh in die Nachbargemeinden evakuiert. Vor allem durch die Fürsprache des englischen Majors Bedding, der sich in Kriegsgefangenschaft in Bad Soden befand, konnte die Zerstörung des Dorfes abgewendet werden. Zum Gedenken an die Rettung des Dorfes legte die Bevölkerung am 10. März 1946 ein feierliches Gelöbnis ab, den 1. April als „Verlobten Tag“ jedes Jahr zu begehen, was heute noch geschieht.

Die katholische Kirche „Unbefleckte Empfängnis“ wurde in den Jahren 1910 ‑ 1913 erbaut. Das Gotteshaus ist ein rechteckiger Bau mit Apsis, jede Seite hat drei Fenster (Rundbögen) und besitzt ein schiefergedecktes Spitzdach mit sechseckigem Dachreiter. Über dem Eingang befindet sich eine Bildhauerarbeit aus rotem Sandstein. In den Jahren 1976 ‑ 1979 wurden Innen‑ und Außenrenovierungen sowie die Reparatur des Glockenturmes vorgenommen. Zur Ausstattung der Kirche gehören ein barockes Altargehäuse und die Kanzel von1770, die Kreuzigungsgruppe über dem Altar von1720 bis 1730, wahrscheinlich vom Bildhauer Keßler (Grabfeld). Im Jahre 1978 wurde aus der ehemaligen Kommunionbank ein Zelebrations­altar gefertigt. Im Gotteshaus befindet sich eine elektronische Orgel. Die Mariengrotte ist ein bekannter Treffpunkt für Gläubige.

Die Feuchtwiesen bei Ahl sind ein Naturschutzgebiet (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 166).

Über Brunnenstraße, Schulstraße und schließlich Major‑Bedding‑Straße kommt man nach Bad Soden oder geht nach Salmünster.

 

Aufenau

Die katholische Marienkirche liegt direkt an der Straße und ist ein langgestreckter Saalbau aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Im dreiseitig geschlossenen Chor befinden sich Rippengewölbe. Im Westturm befand sich ursprünglich eine offene Turmhalle. Der Turm mit Zwiebellaterne stammt aus dem Jahre 1755 und wurde 1980 renoviert. Seit 1683 war das Gotteshaus eine Simultankirche bis in das Jahr 1965. Ein besonderes Kleinod in der Kirche ist ein gemalter Flügelaltar. Das dreiteilige Bild ist die Tafelmalerei eines unbekannten mittelalterlichen Meisters und stellt die Krönung Mariens dar. Auf jeder Seite stehen sechs Apostel, kleine Engel mit verschiedenen Musikinstrumenten und Spruchbändern schweben über den Apo­steln. Das Kunstwerk aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde 1955 restauriert. Auch die Kanzel ist sehenswert. Die Orgel wurde von der Firma Ratzmann  (Gelnhausen) gebaut. Eine moderne Kirche steht etwas weiter östlich am Hang.

Feuchtwiesen bei Aufenau:  Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 118.

Steinau nach Salmünster (südlich der Kinzig)

 

Seidenroth

Von Steinau aus kann man einen Abstecher nach Seidenroth machen, indem man die Seidenröther Straße hinauffährt. In der Mitte des Dorfes steht die Kirchenschule. Östlich davon in dem Gehöft auf der anderen Straßenseite steht der Rest der Seidenröther Warte, die zum Frühwarnsystem von Steinau gehörte. Über die Sämanns- und Waschwiesen vergleiche: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 149.

 

Kinzigtalsperre

Wieder zurück in Steinau verläßt man die Stadt nach Westen über die Brüder-Grimm-Straße

Das Wanderzeichen „blaue 14“ führt am Friedhof mit der Wels­kapelle von 1616 vorbei, hält auf die B 40 zu und fährt an der Einmündung links hinauf zum Wald. Buchen, Eichen, Dou­glasien, Fichten, alles ist hier vertreten. Ihre schlanken Stämme erlauben einen Durchblick auf die Talsperren­land­schaft fast wie aus der Vogelperspektive von diesem erhöhten Abstand. Beim Schauen nach unten sollte man nicht versäumen, hin ­und wieder einen Blick auf den Weg zu werfen, um auf der rechten Seite, fast ver­deckt, einen Grenzstein von 1735 mit Mainzer Rad und Hanauer Wappen auszumachen. An dieser Stelle nämlich zweigt die blaue 14 nach halbrechts vom befestigten Weg ab. Wenn der Wald endet, kurz vor der B 40, hält man sich am Parkplatz entlang links, kreuzt sie auf der Straßenbrücke, nimmt anschließend den asphal­tierten Talsperren-Betriebsweg, und vor dem Damm den mit rotweißer Schranke abgegrenzten Weg.

 

Jahrhundertelang hat die verhältnismäßig kleine Kinzig mehrmals im Jahr das gesamte Tal über­schwemmt, bis ihr Anfang der achtziger Jahre ein Korsett in Form eines regulierenden Stausees angelegt wurde. Mit dem Bau der Kinzigtalsperre ist eines sichtbar erreicht worden: Die gro­ßen Überschwemmungen blieben aus.

Der Bau der Kinzigtalsperre zwischen Bad Soden‑Salmün­ster und Steinau ist längst abgeschlossen, ein Projekt, das zum einen dem Hochwasserschutz dient, zum anderen als weiteres Glied der Grundwassererschließung zur Sicherung der Trinkwasserversorgung im Rhein‑ Main‑Gebiet. Der Main‑Kinzig‑Kreis, die Städte Hanau und Frankfurt und das Land Hessen teilen sich die Aufgaben. Sie sind im Wasser­verband Kinzig, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zusammengeschlossen.

Mit 25 Millionen Mark Baukosten und zweieinhalb Jahren Bauzeit hatte der Was­serverband Kinzig 1975 kalkuliert, als die Bagger für den Bau der Kinzigtalsperre anrückten. Rund die dreifache Summe stand am Ende zu Buche, als das vornehm­lich zum Hochwasserschutz konzipierte Bauwerk 1991 die letzten Probestaus er­folgreich absolviert hatte. Etwa 30 Millio­nen Mark davon erforderten die Höherle­gung der ehemaligen B 40 zwischen Ahl und Steinau, die Sicherung des Bahn­damms auf der gegenüberliegenden Seite, oder neue Ferngas‑ und Stromleitungen.

Das Hauptbauwerk bildet ein Erddamm von 550 Meter Länge und 14 Meter größter Höhe. Bei Sommerstau entsteht ein kilometerlanger Stausee mit zweieinhalb Millionen Kubikmeter Wasser und einer Oberfläche von 710 Hektar. Im Winter liegt der Spiegel 10 Hektar darunter. Der Maximalstau beträgt 7,2 Millionen Kubikmeter. Er wird durch eine Entlastungsanlage mit drei Wehrfeldern abgeführt. Eine Turbine in der Staustufe produziert Strom.

Bis zu 40 Kubikmeter Wasser pro Sekun­de leitet der Stausee auch in Hochwasser­zeiten weiter flußabwärts. Denn Über­schwemmungen im unteren Kinzigtal sol­len aus ökologischen Gründen keineswegs ganz verhindert werden, bilden sie doch die Lebensgrundlage für unzählige Tier- ­und Pflanzenarten. Knapp über elf Meter lag die Stauhöhe bei einer der extremen Hoch­wassersituationen. Dann erstreckt sich die Wasserfläche bis auf fast 140 Hektar. Trotz verschiedentli­cher Kritik halten die Ingenieure das Bau­werk für äußerst wirkungsvoll. Seit der In­betriebnahme sei etwa in Gelnhausen die gefürchtete Hochwasserstufe 3 mit einem Pegel nahe der Fünf‑Meter‑Marke nicht mehr gegeben.

Die Freizeitnutzung des Sees und sei­ner Ufer hat der Zweckverband Main‑Kinzig übernommen. Man kann surfen, geräuschlos Boot fahren und an den Rändern natürlich wandern, die Wanderer kommen mit dem angelegten Rundweg um den See allemal auf ihre Kosten. Infolge der landwirt­schaftlichen. Nutzung entlang der Kinzig und ihrer Zuflüsse strömen aber Nitrate und andere organische Substanzen in den See, vermodern dort und trüben das Wasser derart, daß die Sicht gleich Null ist. Er­gebnis: Baden und Surfen ist verboten.

Ein eigens gegründeter Zweckverband „Erholungsanlagen beim Stausee Kinzig“ mußte Pläne für Hotels und Ferienhäuser schnell wieder zu den Akten legen. Mitte der neunziger Jahre testete der Wassersport­club Main‑ Kinzig das Areal als Segelre­vier. Bis heute freilich erschöpft sich das Wasservergnügen auf etwa 20 Ruder‑ und Tretboote, mit den Ausflügler und Wande­rer zumeist an Wochenenden auf der Tal­sperre dümpeln. Bedeutend ist der zu einem Drittel un­ter Naturschutz stehende See als Vogelre­fugium. Zu Tausenden überwintern an sei­nen Ufern nordische Wasservögel. Dazu brüten Reiher und Haubentaucher.

 

Wenn der See abgelassen ist, sieht man noch, wie die Kinzig sich früher durch das Tal geschlängelt hat. Vor der Staumauer ist noch eine Brücke zu sehen, über die der Weg führte, der von der Rimbachfarm unter Eisenbahn und Autobahn hindurch kommt. So wurde zum Beispiel im Herbst 2002 das Wasser des Kinzigstausees abgelassen, um die Dichtigkeit zu überprüfen. Der See, stellenweise wie eine ausgetrocknete Wüstenlandschaft, da­zwischen auch gefährliche Schlammstücke, in denen man durchaus versinken könne ‑ all das fasziniere viele Ausflügler, berichtet der Talsperrenwärter.

Tonnenweise Schlamm wurde Schlamm entfernt, der sich meterdick vor einer betonier­ten Rinne gesammelt hat. Offensichtlich hat die vom Land Hessen in zehnjährigem Ab­stand vorgeschriebene Sicherheitsüberprü­fung keine wesentlichen Schäden zutage gefördert. Ein paar Abplatzungen und Haarrisse im Beton bereiten den Stati­kern keine schlaflosen Nächte. Be­reite­te der weiche Untergrund den Architekten beim Bau noch Probleme ‑ so mußte am Staudamm eine zusätzliche Dichtwand eingebaut und Beton verpreßt werden, um Unterspülungen zu verhindern ‑ gibt es nach ers­tem Eindruck keine undichten Stel­len. Später werden Fugen und Verschlüs­se überprüft, Dichtungen ausgetauscht so­wie Schieber, Rohrleitungen, Wehrklap­pen und die Turbinen inspiziert.

Nur das Abfi­schen verlief nicht ganz plangemäß. Ursprünglich sollten Zander, Karpfen und Hechte in die nicht weit entfernten Hirschbornteiche ausquartiert werden. Doch die kleinen Ge­wässer erwiesen sich schließlich als un­tauglich, den gewaltigen Fischbestand auf­zunehmen. Mehr als 17 Tonnen wurden nach Absprache mit der oberen Fischerei­behörde daraufhin verwertet. Im Frühjahr sollen dann neue Fische ausgesetzt werden.

 

Ahl

Die bis 1972 eigenständige Gemeinde Ahl liegt an der ehemaligen Bundesstraße 40, die bis zur Fertigstellung der A 66 die Hauptverbindung von Frankfurt nach Fulda war. Die Bewohner des Ortes Ahl waren seit je her Reisende und Verkehr gewohnt, denn Ahl lag schon immer an der Durchgangsstraße zwischen Frankfurt und Leipzig, des „Reiches Straße“. Nur waren die Verhältnisse anders, aber die Sorgen und Nöte gewiß größer.

Viele Sorgen und großes Leid haben die durchziehenden Heere im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648), im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) und in den napoleonischen Kriegen (1805 - 1813) durch Einquartierungen und Plünderungen hinterlassen. Die erste urkundliche Erwähnung Ahls stammt aus dem Jahre 1326. Im Jahre 1866 kam die Gemeinde Ahl mit dem  Kreis Schlüchtern zu Preußen.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges geriet das Dorf in große Gefahr. Von Salmünster und Bad Soden heranziehende amerikanische Panzerverbände hatten das Dorf eingenommen. Versprengte deutsche Soldaten beschossen außerhalb des Dorfes Richtung Steinau die Panzer. Dabei wurde ein amerikanischer Soldat erschossen. Da die Amerikaner annahmen, die Beschießung sei aus der Bevölkerung von Ahl gekommen, sollte das Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Zerstörung Ahls war für Ostersonntag, 18 Uhr, vorgesehen. Die Bewohner wurden mit Hab und Gut und Vieh in die Nachbargemeinden evakuiert. Vor allem durch die Fürsprache des englischen Majors Bedding, der sich in Kriegsgefangenschaft in Bad Soden befand, konnte die Zerstörung des Dorfes abgewendet werden. Zum Gedenken an die Rettung des Dorfes legte die Bevölkerung am 10. März 1946 ein feierliches Gelöbnis ab, den 1. April als „Verlobten Tag“ jedes Jahr zu begehen, was heute noch geschieht.

Die katholische Kirche „Unbefleckte Empfängnis“ wurde in den Jahren 1910 ‑ 1913 erbaut. Das Gotteshaus ist ein rechteckiger Bau mit Apsis, jede Seite hat drei Fenster (Rundbögen) und besitzt ein schiefergedecktes Spitzdach mit sechseckigem Dachreiter. Über dem Eingang befindet sich eine Bildhauerarbeit aus rotem Sandstein. In den Jahren 1976 ‑ 1979 wurden Innen‑ und Außenrenovierungen sowie die Reparatur des Glockenturmes vorgenommen. Zur Ausstattung der Kirche gehören ein barockes Altargehäuse und die Kanzel von1770, die Kreuzigungsgruppe über dem Altar von1720 bis 1730, wahrscheinlich vom Bildhauer Keßler (Grabfeld). Im Jahre 1978 wurde aus der ehemaligen Kommunionbank ein Zelebrations­altar gefertigt. Im Gotteshaus befindet sich eine elektronische Orgel. Die Mariengrotte ist ein bekannter Treffpunkt für Gläubige.

Die Feuchtwiesen bei Ahl sind ein Naturschutzgebiet (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 166).

Über Brunnenstraße, Schulstraße und schließlich Major‑Bedding‑Straße kommt man nach Bad Soden oder geht nach Salmünster.

 

Aufenau

Die katholische Marienkirche liegt direkt an der Straße und ist ein langgestreckter Saalbau aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Im dreiseitig geschlossenen Chor befinden sich Rippengewölbe. Im Westturm befand sich ursprünglich eine offene Turmhalle. Der Turm mit Zwiebellaterne stammt aus dem Jahre 1755 und wurde 1980 renoviert. Seit 1683 war das Gotteshaus eine Simultankirche bis in das Jahr 1965. Ein besonderes Kleinod in der Kirche ist ein gemalter Flügelaltar. Das dreiteilige Bild ist die Tafelmalerei eines unbekannten mittelalterlichen Meisters und stellt die Krönung Mariens dar. Auf jeder Seite stehen sechs Apostel, kleine Engel mit verschiedenen Musikinstrumenten und Spruchbändern schweben über den Apo­steln. Das Kunstwerk aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde 1955 restauriert. Auch die Kanzel ist sehenswert. Die Orgel wurde von der Firma Ratzmann  (Gelnhausen) gebaut. Eine moderne Kirche steht etwas weiter östlich am Hang.

Feuchtwiesen bei Aufenau:  Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 118.

 

Steinau nach Salmünster (südlich der Kinzig)

 

Seidenroth

Von Steinau aus kann man einen Abstecher nach Seidenroth machen, indem man die Seidenröther Straße hinauffährt. In der Mitte des Dorfes steht die Kirchenschule. Östlich davon in dem Gehöft auf der anderen Straßenseite steht der Rest der Seidenröther Warte, die zum Frühwarnsystem von Steinau gehörte. Über die Sämanns- und Waschwiesen vergleiche: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 149.

 

Kinzigtalsperre

Wieder zurück in Steinau verläßt man die Stadt nach Westen über die Brüder-Grimm-Straße

Das Wanderzeichen „blaue 14“ führt am Friedhof mit der Wels­kapelle von 1616 vorbei, hält auf die B 40 zu und fährt an der Einmündung links hinauf zum Wald. Buchen, Eichen, Dou­glasien, Fichten, alles ist hier vertreten. Ihre schlanken Stämme erlauben einen Durchblick auf die Talsperren­land­schaft fast wie aus der Vogelperspektive von diesem erhöhten Abstand. Beim Schauen nach unten sollte man nicht versäumen, hin ­und wieder einen Blick auf den Weg zu werfen, um auf der rechten Seite, fast ver­deckt, einen Grenzstein von 1735 mit Mainzer Rad und Hanauer Wappen auszumachen. An dieser Stelle nämlich zweigt die blaue 14 nach halbrechts vom befestigten Weg ab. Wenn der Wald endet, kurz vor der B 40, hält man sich am Parkplatz entlang links, kreuzt sie auf der Straßenbrücke, nimmt anschließend den asphal­tierten Talsperren-Betriebsweg, und vor dem Damm den mit rotweißer Schranke abgegrenzten Weg.

 

Jahrhundertelang hat die verhältnismäßig kleine Kinzig mehrmals im Jahr das gesamte Tal über­schwemmt, bis ihr Anfang der achtziger Jahre ein Korsett in Form eines regulierenden Stausees angelegt wurde. Mit dem Bau der Kinzigtalsperre ist eines sichtbar erreicht worden: Die gro­ßen Überschwemmungen blieben aus.

Der Bau der Kinzigtalsperre zwischen Bad Soden‑Salmün­ster und Steinau ist längst abgeschlossen, ein Projekt, das zum einen dem Hochwasserschutz dient, zum anderen als weiteres Glied der Grundwassererschließung zur Sicherung der Trinkwasserversorgung im Rhein‑ Main‑Gebiet. Der Main‑Kinzig‑Kreis, die Städte Hanau und Frankfurt und das Land Hessen teilen sich die Aufgaben. Sie sind im Wasser­verband Kinzig, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zusammengeschlossen.

Mit 25 Millionen Mark Baukosten und zweieinhalb Jahren Bauzeit hatte der Was­serverband Kinzig 1975 kalkuliert, als die Bagger für den Bau der Kinzigtalsperre anrückten. Rund die dreifache Summe stand am Ende zu Buche, als das vornehm­lich zum Hochwasserschutz konzipierte Bauwerk 1991 die letzten Probestaus er­folgreich absolviert hatte. Etwa 30 Millio­nen Mark davon erforderten die Höherle­gung der ehemaligen B 40 zwischen Ahl und Steinau, die Sicherung des Bahn­damms auf der gegenüberliegenden Seite, oder neue Ferngas‑ und Stromleitungen.

Das Hauptbauwerk bildet ein Erddamm von 550 Meter Länge und 14 Meter größter Höhe. Bei Sommerstau entsteht ein kilometerlanger Stausee mit zweieinhalb Millionen Kubikmeter Wasser und einer Oberfläche von 710 Hektar. Im Winter liegt der Spiegel 10 Hektar darunter. Der Maximalstau beträgt 7,2 Millionen Kubikmeter. Er wird durch eine Entlastungsanlage mit drei Wehrfeldern abgeführt. Eine Turbine in der Staustufe produziert Strom.

Bis zu 40 Kubikmeter Wasser pro Sekun­de leitet der Stausee auch in Hochwasser­zeiten weiter flußabwärts. Denn Über­schwemmungen im unteren Kinzigtal sol­len aus ökologischen Gründen keineswegs ganz verhindert werden, bilden sie doch die Lebensgrundlage für unzählige Tier- ­und Pflanzenarten. Knapp über elf Meter lag die Stauhöhe bei einer der extremen Hoch­wassersituationen. Dann erstreckt sich die Wasserfläche bis auf fast 140 Hektar. Trotz verschiedentli­cher Kritik halten die Ingenieure das Bau­werk für äußerst wirkungsvoll. Seit der In­betriebnahme sei etwa in Gelnhausen die gefürchtete Hochwasserstufe 3 mit einem Pegel nahe der Fünf‑Meter‑Marke nicht mehr gegeben.

Die Freizeitnutzung des Sees und sei­ner Ufer hat der Zweckverband Main‑Kinzig übernommen. Man kann surfen, geräuschlos Boot fahren und an den Rändern natürlich wandern, die Wanderer kommen mit dem angelegten Rundweg um den See allemal auf ihre Kosten. Infolge der landwirt­schaftlichen. Nutzung entlang der Kinzig und ihrer Zuflüsse strömen aber Nitrate und andere organische Substanzen in den See, vermodern dort und trüben das Wasser derart, daß die Sicht gleich Null ist. Er­gebnis: Baden und Surfen ist verboten.

Ein eigens gegründeter Zweckverband „Erholungsanlagen beim Stausee Kinzig“ mußte Pläne für Hotels und Ferienhäuser schnell wieder zu den Akten legen. Mitte der neunziger Jahre testete der Wassersport­club Main‑ Kinzig das Areal als Segelre­vier. Bis heute freilich erschöpft sich das Wasservergnügen auf etwa 20 Ruder‑ und Tretboote, mit den Ausflügler und Wande­rer zumeist an Wochenenden auf der Tal­sperre dümpeln. Bedeutend ist der zu einem Drittel un­ter Naturschutz stehende See als Vogelre­fugium. Zu Tausenden überwintern an sei­nen Ufern nordische Wasservögel. Dazu brüten Reiher und Haubentaucher.

 

Wenn der See abgelassen ist, sieht man noch, wie die Kinzig sich früher durch das Tal geschlängelt hat. Vor der Staumauer ist noch eine Brücke zu sehen, über die der Weg führte, der von der Rimbachfarm unter Eisenbahn und Autobahn hindurch kommt. So wurde zum Beispiel im Herbst 2002 das Wasser des Kinzigstausees abgelassen, um die Dichtigkeit zu überprüfen. Der See, stellenweise wie eine ausgetrocknete Wüstenlandschaft, da­zwischen auch gefährliche Schlammstücke, in denen man durchaus versinken könne ‑ all das fasziniere viele Ausflügler, berichtet der Talsperrenwärter.

Tonnenweise Schlamm wurde Schlamm entfernt, der sich meterdick vor einer betonier­ten Rinne gesammelt hat. Offensichtlich hat die vom Land Hessen in zehnjährigem Ab­stand vorgeschriebene Sicherheitsüberprü­fung keine wesentlichen Schäden zutage gefördert. Ein paar Abplatzungen und Haarrisse im Beton bereiten den Stati­kern keine schlaflosen Nächte. Be­reite­te der weiche Untergrund den Architekten beim Bau noch Probleme ‑ so mußte am Staudamm eine zusätzliche Dichtwand eingebaut und Beton verpreßt werden, um Unterspülungen zu verhindern ‑ gibt es nach ers­tem Eindruck keine undichten Stel­len. Später werden Fugen und Verschlüs­se überprüft, Dichtungen ausgetauscht so­wie Schieber, Rohrleitungen, Wehrklap­pen und die Turbinen inspiziert.

Nur das Abfi­schen verlief nicht ganz plangemäß. Ursprünglich sollten Zander, Karpfen und Hechte in die nicht weit entfernten Hirschbornteiche ausquartiert werden. Doch die kleinen Ge­wässer erwiesen sich schließlich als un­tauglich, den gewaltigen Fischbestand auf­zunehmen. Mehr als 17 Tonnen wurden nach Absprache mit der oberen Fischerei­behörde daraufhin verwertet. Im Frühjahr sollen dann neue Fische ausgesetzt werden.

 

Ahl

Die bis 1972 eigenständige Gemeinde Ahl liegt an der ehemaligen Bundesstraße 40, die bis zur Fertigstellung der A 66 die Hauptverbindung von Frankfurt nach Fulda war. Die Bewohner des Ortes Ahl waren seit je her Reisende und Verkehr gewohnt, denn Ahl lag schon immer an der Durchgangsstraße zwischen Frankfurt und Leipzig, des „Reiches Straße“. Nur waren die Verhältnisse anders, aber die Sorgen und Nöte gewiß größer.

Viele Sorgen und großes Leid haben die durchziehenden Heere im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648), im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) und in den napoleonischen Kriegen (1805 - 1813) durch Einquartierungen und Plünderungen hinterlassen. Die erste urkundliche Erwähnung Ahls stammt aus dem Jahre 1326. Im Jahre 1866 kam die Gemeinde Ahl mit dem  Kreis Schlüchtern zu Preußen.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges geriet das Dorf in große Gefahr. Von Salmünster und Bad Soden heranziehende amerikanische Panzerverbände hatten das Dorf eingenommen. Versprengte deutsche Soldaten beschossen außerhalb des Dorfes Richtung Steinau die Panzer. Dabei wurde ein amerikanischer Soldat erschossen. Da die Amerikaner annahmen, die Beschießung sei aus der Bevölkerung von Ahl gekommen, sollte das Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Zerstörung Ahls war für Ostersonntag, 18 Uhr, vorgesehen. Die Bewohner wurden mit Hab und Gut und Vieh in die Nachbargemeinden evakuiert. Vor allem durch die Fürsprache des englischen Majors Bedding, der sich in Kriegsgefangenschaft in Bad Soden befand, konnte die Zerstörung des Dorfes abgewendet werden. Zum Gedenken an die Rettung des Dorfes legte die Bevölkerung am 10. März 1946 ein feierliches Gelöbnis ab, den 1. April als „Verlobten Tag“ jedes Jahr zu begehen, was heute noch geschieht.

Die katholische Kirche „Unbefleckte Empfängnis“ wurde in den Jahren 1910 ‑ 1913 erbaut. Das Gotteshaus ist ein rechteckiger Bau mit Apsis, jede Seite hat drei Fenster (Rundbögen) und besitzt ein schiefergedecktes Spitzdach mit sechseckigem Dachreiter. Über dem Eingang befindet sich eine Bildhauerarbeit aus rotem Sandstein. In den Jahren 1976 ‑ 1979 wurden Innen‑ und Außenrenovierungen sowie die Reparatur des Glockenturmes vorgenommen. Zur Ausstattung der Kirche gehören ein barockes Altargehäuse und die Kanzel von1770, die Kreuzigungsgruppe über dem Altar von1720 bis 1730, wahrscheinlich vom Bildhauer Keßler (Grabfeld). Im Jahre 1978 wurde aus der ehemaligen Kommunionbank ein Zelebrations­altar gefertigt. Im Gotteshaus befindet sich eine elektronische Orgel. Die Mariengrotte ist ein bekannter Treffpunkt für Gläubige.

Die Feuchtwiesen bei Ahl sind ein Naturschutzgebiet (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 166).

Über Brunnenstraße, Schulstraße und schließlich Major‑Bedding‑Straße kommt man nach Bad Soden oder geht nach Salmünster.

 

Aufenau

Die katholische Marienkirche liegt direkt an der Straße und ist ein langgestreckter Saalbau aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Im dreiseitig geschlossenen Chor befinden sich Rippengewölbe. Im Westturm befand sich ursprünglich eine offene Turmhalle. Der Turm mit Zwiebellaterne stammt aus dem Jahre 1755 und wurde 1980 renoviert. Seit 1683 war das Gotteshaus eine Simultankirche bis in das Jahr 1965. Ein besonderes Kleinod in der Kirche ist ein gemalter Flügelaltar. Das dreiteilige Bild ist die Tafelmalerei eines unbekannten mittelalterlichen Meisters und stellt die Krönung Mariens dar. Auf jeder Seite stehen sechs Apostel, kleine Engel mit verschiedenen Musikinstrumenten und Spruchbändern schweben über den Apo­steln. Das Kunstwerk aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde 1955 restauriert. Auch die Kanzel ist sehenswert. Die Orgel wurde von der Firma Ratzmann  (Gelnhausen) gebaut. Eine moderne Kirche steht etwas weiter östlich am Hang.

Feuchtwiesen bei Aufenau:  Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 118.

 

 

 

 

Östlich von Salmünster

 

Hausen

Der östlich Ortsteil von Bad Soden-Salmünster ist Hausen. Wenn man unter der Autobahn hindurchfährt, liegt östlich gleich nach der Autobahnauffahrt in der Spessartstraße das Heiligenhäuschen. Es steht auf der ehemaligen Grenze zwischen dem Kurstaat Mainz und dem Fuldaer Hochstift. Hausen war früher nur ein kleiner Weiler. Erstmals erwähnt ist die Siedlung anno 1319 unter dem Namen „husen“ im Zusammenhang mit einer Schenkung des Fuldaer Abtes an das Spital zu Salmünster.

Am östlichen Ortseingang von Hausen geht es rechts in die Häuserdicker-Straße. In dieser liegt links das als solches kaum erkennba­re Schloß Hausen in einer gepflegten Parkanlage. Es wurde wahrscheinlich vor 900 als Wasserburg gebaut. Konrad von Jazza (Jossa) gilt als Erbauer der Burg. Diese war von zwei Wassergräben umgeben, was auch den früheren Ortsnamen „Hausen zu den Brucken“ erklärt. Denn wer zu der Burg gelangen wollte, mußte zunächst zwei Brücken passieren.

Im Jahre 1345 kaufte sie Friedrich von Hutten von den Herren von Jossa. Er ließ den dreistöckigen, gedrungen Turm aus Bruchsteinen erbauen. Die Herren von Hutten traten aber ihre Rechte 1540 an Kurmainz ab (zusammen mit Alsberg). Der Erzbischof errichtete hier eine Kanzlei und eine Kapelle. Kurfürsten Daniel Brendel ließ 1568 bis 1572 den „langen Bau“ mit Staffelgiebel und Satteldach und die neue Befestigung errichten. Damit hatte Mainz zugleich einen Anteil von Sal­münster erworben, denn dieses Städtchen hatte seinerzeit mehrere Besitzverhältnisse.

Die kurfürstliche Regierung in Mainz richtete in dem neuerworbenen Gebiet ein eigenes Oberamt in Hausen ein. Als die Pfandschaft Salmünster 1734 durch Fulda wieder eingelöst wurde und an das Hochstift zurückging, verlor das Oberamt Hausen mehr und mehr an Bedeutung. Schließlich verlegte Kurmainz Ende des 18. Jahrhunderts den Oberamtssitz von Hausen nach Orb. Fortan wurde der Besitz von dort aus verwaltet. Bei der Aufhebung des Kurfürstentums Mainz nach den Napoleonischen Kriegen kam Schloß Hausen an Bayern, 1866 wurde es preußisch.

Ganze 104 Jahre lang war Hausen dann ein Ortsteil von Alsberg und gehörte zum Landkreis Gelnhausen. Am 1. Januar 1970 wurde Alsberg mit Hausen eingemeindet. Der letzte Bürgermeister dieser Verwaltungseinheit war der Alsberger Karl Müller. Die beiden Dörfer wurden zu Stadtteilen von Salmünster.

Im Staatsanzeiger für das Land Hessen (Ausgabe 3/1970) steht geschrieben: „Aufgrund [...] der Hessischen Gemeindeordnung [...] erhält das Gebiet der früheren Gemeinde Alsberg mit dem bisherigen Ortsteil Hausen in der Stadt Salmünster mit Wirkung vom 1. Januar 1970 die Bezeichnung „Stadtteil Alsberg“, „Stadtteil Hausen“. Darmstadt, 24.12.1969, Der Regierungspräsident“. Damit ist der Beweis erbracht, daß Hausen tatsächlich ein eigener Stadtteil der heutigen Kurstadt ist. Doch wird man der Geschichte nicht gerecht, würde man nur diese historischen Fakten berücksichtigen.

Zwar bildeten Hausen und Alsberg über ein Jahrhundert eine Verwaltungseinheit. Aber die Hausener orientierten sich - nicht zuletzt wegen der räumlichen Nähe - eher nach Salmünster. Sie gingen dort zur Kirche, kauften dort ein und feierten zusammen Feste. Die Kinder besuchten dort die Schule. Und die beiden Stadtteile wuchsen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer mehr zusammen. So schien es vielen Bürgern nur konsequent zu sein, daß sich Hausen und Salmünster 1970 zusammentaten. Hausen wird deshalb seit diesem Zeitpunkt durch den Ortsbeirat Salmünster vertreten. Heute ist Hausen ein beliebter Stadtteil zum Wohnen und Leben, denn trotz sehr guter Verkehrsanbindung und direkter Nähe zum Nahversorgungszentrum Palmusacker ist der Stadtteil ruhig und naturnah gelegen.

 

Heute ist das Schloß im Eigentum der Allianz Versicherungsgesellschaft und wird als „Jugend­dorf Schloß Hausen“ des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschland (CJD) genutzt. Eine Besichtigung ist nicht möglich. Es folgen noch hinter dem Schloß eine umgebaute Scheune und ein Mühlteich mit einer Mühle und einem Hofgut.

 

Mühlwiese

Hinter dem Ort biegt nach links die Straße nach Alsberg ab. Vom dieser geht es nach 100 Metern links ab zum Parkplatz Mühlwiese. Hier liegt einer der schönsten Waldspielplätze im Main‑Kinzig‑Kreis: Große Wiesen zum Spielen und Sonnen, schattige Plätze und phantasievolle Spielgeräte für Kinder, dazu eine Grillhütte, in der auch bei Regen das Feuer nicht ausgeht.

Oberhalb der Spielwiese teilt sich der Weg: Nach links beginnt ein 1,8 Kilometer langer Waldsport­pfad mit siebzehn verschiede­nen Übungsplätzen. Er führt im Bogen wieder zurück zur Spielwiese (Achtung: Immer auf den Forstwegen bleiben, nicht abkürzen wollen). Nach rechts geht ein Wanderweg zu den Hirschbornteichen und wieder zurück.

Gerade aus aber geht es zuerst im großen Bogen nach rechts, dann im spitzen Winkel nach links und mit Querung eines Weges nach oben. Dort trifft man auf den „Jägerheiligen“.

 

Jägerheiligen

Hier ist die 359 Meter hoch gelegene Stelle an der ein Jägersmann einen heranstürmenden Keiler auf ku­riose Weise erlegt haben soll: Der Mutige war vor dem Tier auf den Baum geflüchtet und hatte dabei Pulver und Blei ver­loren. So griff er kurzerhand zu den Knöpfen seines Rockes, lud damit die Flinte und brachte den wildgewordenen Schwarzkittel zur Strecke.

 

Alsberg

Vom Jägerheiligen geht es weiter Richtung Südosten Richtung Alsberg. Der Ort war schon früh recht eng mit Bad Soden‑Salmünster verbundene, vornehmlich durch das Geschlecht derer von Hutten, das sich Anfang des 16. Jahrhunderts unten Wohnsitze errichtete und oben auf dem Berg eine Begräbniskapelle, die heutige Wallfahrtskirche. In einem Salmünsterer Stiftsregister wird sie im Jahre 1443 erstmals erwähnt.

Alsberg ist der kleinste und mit etwa 480Metern am höchsten gelegene Stadtteil der Gesamtstadt. Von Alsberg aus hat man einen herrlichen Blick ins Kinzigtal, in den Vogelsberg und über den Spessart. Der Ort Alsberg, dem einst einige Bedeutung durch den vorüberziehenden Esels­weg zukam, blieb klein. Das Dorf Alsberg soll um Kohlenmeiler herum entstanden sein. Alsberg wurde bereits 1330 urkundlich unter dem Namen „Eilerßberg erwähnt“, was soviel bedeutet wie „Berg der Töpfer“. Zweifelslos dürfte die Gegend bereits früher bewohnt gewesen sein.

Das heutige Gotteshaus ist ein kleiner schlichter rechteckiger, verputzter Bruchsandsteinbau mit polygonem, östlichem Chorschluß. Auf der Westseite trägt das Schieferdach einen kleinen sechseckigen Dachreiter. Der Kern des Baues rührt offenbar noch von der Gründerzeit her. Der Bau der Kirche besitzt keine charakteristischen Stilelemente. Die ursprüngliche Kapelle war vermutlich gotisch, denn ein altes Spitzbogenfenster auf der Nordseite mit einfach abgeschrägtem Gewände und ohne Maßwerk des Chores, welches dem Umbau entgangen war, sowie eine kleine vermauerte Rundbogentür unter diesem Fenster konnte man noch vor 100 Jahren sehen. Die Kirche wurde um 1707 vergrößert.

Im Innern steht auf antikisierenden Säulen eine breite hölzerne Orgelempore, deren Brüstung mit gut profilierten, gedrehten Docken ausgesetzt ist. Das Kirchlein besitzt drei Altäre. Der Hochaltar aus dem Schluß des 17. Jahrhunderts hat einen kräftigen Aufbau, dessen Hauptgliederung zwei gewundene Säulen mit einem gebrochenen, geschweiften Giebel bilden. Das so umrahmte Feld ruht auf einem Sockel, der in der Mitte den erhöhten Tabernakel enthält. Den Tabernakel erarbeitete 1902 Augustin Schöppner nach einem Entwurf von Ludwig Nüdling. Pilaster teilen den Sockel wieder in drei Felder, in welchen eine plastische Kreuzigungsgruppe steht, ein großer Kruzifixus in der Mitte, etwas theatralisch und ungeschickt skulpiert Maria und Johannes zur Seite.

Zwischen den Giebelstücken erhebt sich ein mit Säulchen und rundem Giebel geschmückter Aufsatz, welcher Gottvater darstellt und von einer in Wolken thronenden, um 1860 geschnitzten Maria gekrönt wird, während den Abschluß der Giebel Engelfigürchen - an den der Seiten Schnitzereifelder mit Laubwerk und kleinen gewundenen Säulen - bilden. Zu beiden Seiten des Altars stehen die Heiligen Petrus und Paulus. Der Altartisch ist mit einer hölzernen, geschweiften Verkleidung versehen. Der Unterbau des Zelebrationstisches vor dem Hochaltar ist ein Teil der früheren barocken Kommunionbank. Das Reliquiar ‑ ein silbernes Kreuz von 1921 - enthält Kreuzpartikel.

Die Seitenaltäre sind von verwandter Bildung. Der linke mit nur einem Hauptfeld präsentiert die gutgeschnitzte Figur der Maria als Himmelskönigin (Krone und Sternenkranz, dem Jesuskind und Zepter, stehend auf der Erdkugel, der Schlange den Kopf zertretend). Im Giebelstück wie auch im rechten Seitenaltar - der einen klassischen Aufbau mit korinthischen Säulen hat – findet sich mäßige allegorische Malerei. Das Altargehäuse des letzteren zeigt ein um 1930 von Professor Hütch (Prag) gemaltes Bild der 14 Nothelfer. In das Kopfstück ist ein Bild des hl. Bonifatius eingefügt.

Kanzel und Orgelgehäuse stammen wohl aus der Zeit des letztgenannten Altars. Die Fenster haben Teppichmuster in Buntverglasung. Besonders zu erwähnen ist noch das Taufbecken in Pokalform, dessen Unterteil aus Stein innen mit einer Zinneinlage sowie mit einem Deckel von Holz versehen ist. Die Orgel baute 1893 Fritz Clewing, Fulda, unter Erhaltung des barocken Gehäuses. Im Jahre 1953 ist durch Alban Späth, Fulda, das elektrische Gebläse eingebaut worden.

Seit dem 16. Jahrhundert, als man auf einem Baum ein wundertätiges Kreuz entdeckte, wallfahren Gläubige der umliegenden Ortschaften alljährlich von Salmünster den Berg hinan. Bei dem mühevollen Aufstieg wird eine Reliquie in silbernem Schrein vom Kloster Salmünster in feierlicher Prozession zur Wallfahrtskirche getragen. Die Wallfahrtskirche ist werktags allerdings geschlossen. Am 3. Wochenende im September findet die Kirchweih statt. Sie wird seit 1976 im Zelt auf dem Schulhof gefeiert. Die Schule wurde 1929 erbaut und dient heute als Gemeinschaftshaus.

 

Auf dem Eselsweg und ein paar Metern auf der Spessarthöhenstraße könnte man zum Merne­ser Heiligen gehen (4,3 km). Das ist die Straßenkreuzung zwischen Spessarthöhenstraße und Landstraße Hausen ‑ Mernes. Am 30. März 1945 fiel hier der Soldat Ernst Steinfelder aus Rupboden. Seine Angehörigen ließen das Gedenkkreuz errichten. Den Merneser Heiligen kann man auch mit dem Auto anfahren auf der Straße von Hausen nach Mernes.

 

Hirschbornteiche

Unmittelbar an der Kirche in Alsberg führt die Ziffer 19 ins Tal mit einem Höhenunterschied von 265 Metern (Wanderzeichen rotes Kreuz). Hier ist der Kreuzweg mit 14 Stationen zur Kapelle. Hier läuft man auf dem ehemaligen Wallfahrtsweg von Orb nach Alsberg. Man kommt am roten Bildstock vorbei, der an der Landstraße nach Mernes steht. Durch hohe Buchenwälder kommt man abwärts zu den idyllisch gelegenen Hirschbornteichen (Altholzinsel Gretenberg: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 132). Sie sind Teil des Erholungsgebietes Mühlwiesen, das sich zu beiden Seiten des Klingbaches in dieser Gegend erstreckt.

Rund um die drei ruhigen, vom Wald eingeschlossenen Hirschbornteiche läuft der vier Kilometer lange „Libellenweg“, der an manchen Stellen wahlweise direkt am See oder etwas höher verläuft. In den Teichen sind Forellen, Karpfen, Schleie und Hechte, während indische Graugänse und Wildenten auf der Wasseroberfläche se­geln. An den drei ruhigen, vom Wald eingeschlossenen Teichen, warten Angler geduldig auf den Anbiß von Forellen, Karpfen, Schleien und Hechten. Die Hirschbornteiche sind Teil des Erholungsgebietes Mühlwiesen, das sich zu beiden Seiten des Klingbaches in dieser Gegend erstreckt.

 

 

 

Bad Soden‑Salmünster

 

Geschichte:

Die heutige Stadt Bad Soden‑Salmünster liegt in dem Teil des Main‑Kinzig‑Kreises, der viele Jahrhunderte zum Stift von Fulda gehörte. Die Verwaltung seines Besitzes im Kinzigtal übertrug der Fuldaer Fürstabt Amtmännern aus der weitverzweigten Familie von Hutten, denen er auch einige Stücke als Lehen gab, wiederum andere Teile verpfändete ‑ eine verschlungene Geschichte. Diese vielschichtige, nur für Spezialisten zu entwirrende Geschichte der Stadt ist mit ein Grund, warum Bad Soden‑Salmünster die Stadt des Main‑Kinzig‑Kreises ist, in der es die meisten Burgen und Schlösser gibt ‑ sieben Stück.

 

886

Weihe der ersten Kirche zu Salmünster

900

Salmünster wird als „Salchenmunster“ erwähnt, einer der ältesten Orte des Stiftes Fulda

900

Soden gelangt als Teil der Mark „Salz“ an das Stift Fulda

909

Das Kloster Fulda erhält Salmünster im Tausch gegen Massenheim von dem Erzbischof Hatto von Mainz

1190

Soden wird erstmals als „Sodin“ erwähnt

1296

Soden wird unter dem Namen „Stolzenthal“ zur Stadt erhoben und erhält Marktrechte

1319

Gründung eines Kollegiatstiftes (Gemeinschaft von Weltgeistlichen) in Salmünster

1320

Salmünster erhält die Stadtrechte.

1335

Die Kapelle auf dem Stolzenberg in Bad Soden wird erwähnt

1344

Bau der Wehranlagen in Salmünster

1370

Salmünster kommt an die Familie von Hutten

14. Jhdt.

Bau der Wehranlagen in Bad Soden

1536

Das Huttenschloß in Bad Soden wird errichtet. Salmünster wird protestantisch

1540

Salmünster kommt zur Hälfte an Mainz

1575

Beginn der Gegenreformation in Salmünster

1650

Die aus Gelnhausen vertriebenen Franziskaner lassen sich in Salmünster nieder und übernehmen die Seelsorge auch in Soden und Salz

1691

Das Franziskanerkloster in Salmünster wird errichtet (bis 1694).

1703

Bau des Rathauses in Bad Soden

1742

Salmünster kommt zu Fulda

1745

Abbruch der alten Stiftskirche, Weihe der neuer bauten Kirche in Salmünster

1788

Der Salzborn in der Ortschaft Salz wird entdeckt. Der Ort Salz kommt zu Soden

1816

Salmünster kommt an Kurhessen

1830

Aufhebung des Kreisamtes Salmünster, die Stadt kommt zum Kreis Schlüchtern

1837

Entdeckung eines Salzbornes in Bad Soden

1844

Grundsteinlegung für ein Rathaus in Salmünster.

1868

Die Bahnstation Salmünster wird eröffnet

1872

Die Stadt Soden erhält das Nutzungsrecht über die Heilquellen

1876

Errichtung der ersten Badezellen im Huttenschloß

1881

Das Badehaus an der Salz wird eröffnet

1896

Weihe der Pfarrkirche St. Laurentius in Soden

1908

Gründung der selbständigen evangelischen Pfarrei Salmünster

1928

Der Stadt Soden wir das Prädikat „Bad“ verliehen

1956

Baubeginn eines Kurmittelhauses in Bad Soden

1963

Bürgermeister Fritz Hamm wird in Personalunion der erste Kurdirektor

1967

Den Städten Salmünster und Bad Soden werden eigene Stadtwappen verliehen

1970

Eingliederung der Gemeinden Alsberg mit Hausen, Kerbersdorf und Rhomstal

1974

Am 1. Juli Zusammenschluß der Städte Bad Soden bei Salmünster, Salmünster und der Gemeinde Mernes sowie der bereits eingegliederten Stadtteile zur Gesamtstadt Bad Soden‑Salmünster

1975

Das neu errichtete Thermalsole‑Bewegungszentrum wird eröffnet

1975

Weihe des neuen katholischen Pfarrgemeindezentrums Maximilian‑Kolbe‑Haus

1975

Der Kur‑ und Badebetrieb Bad Soden besteht 100 Jahre

1977

Einweihung der Stadthalle in Salmünster

1978

Die Stadt Bad Soden‑Salmünster erhält ein gemeinsames Wappen

1980

Staatliche Anerkennung der Heilquellen

 

 

Salmünster:

 

Frankfurter Straße:

Von der Autobahn kommend fährt man in die Stadt, unter der Eisenbahn.hindurch und dann

an der Ampel nach links in die Frankfurter Straße, das alte Zentrum von Salmünster. Der Stadtgrundriß baut sich auf einem regelmäßigen Rechteck auf und hat eine gut erhaltene Stadtmauer. Salmünster besitzt weit zurück reichende religiöse Wurzeln. Der Mönch Salucho gründete im 9. Jahrhundert dort eine Siedlung, genannt „Salechenmunster”, was auf dessen Namen und monasterium = Zelle hinweist. Daraus entwickelte sich eine Kommunität Weltgeistlicher, die schließlich von Franziskanermönchen abgelöst wurden.

Rechts in der Straße sieht man die Stadtmauer und die ehemalige Gaststätte „Engel“ von 1685, wo Napoleon 1813 auf seiner Flucht nach der Völkerschlacht und sich auf der Bank vor dem Haus ausruhte.

Nach links geht die Vogtgasse ab, in der in Nr. 1 das Heimatmuseum (Goos-Haus) ist (geöffnet erster Sonntag im Monat, 14 bis 17 Uhr, Januar und Februar geschlossen). Es ist ein Beispiel an Kleinheit: Vollgestopft mit Dingen des früheren Lebens. Etwas weiter links ist das Rathaus.

 

Kirche St. Peter und Paul:

Rechts steht die barocke Pfarr‑ und Klosterkirche St. Peter und Paul. Die Missionierung hatte in diesem Raum schon früh begonnen, eine Mittelpunktkirche für eine ausgedehnte Pfarrgemeinde wurde schon 886 geweiht, betreut von einem weltlichen Kollegialstift. Franziskanermönche ließen sich erst sehr viel später in Salmünster nieder, als sie nach der Reformation ihr seit 1248 angestammtes Kloster Gelnhausen im Jahre 1649 verloren hatten.

Der Grundstein zur barocken Pfarr‑ und Klosterkirche wurde um 1. November1737 gelegt. Am 19. Oktober 1745 wurde das nach den Entwürfen des Fuldaer Baumeisters Andrea(s) Gallasini errichtete Gotteshaus fertiggestellt und durch Fürstabt Amand von Buseck auf der Rückkehr von der Kaiserkrönung Franz I. in Frankfurt mit großem Pomp eingeweiht. Die Kirche ist ein kreuzförmiger, einschiffiger Bau von drei Jochen und kurzen, innen halbrund geschlossenen Querarmen, die außen auf jeder Seite einen Risalit in einer Breite von 9,30 Metern um 1,30 Meter bilden. Die Anlage im Barockstil ist 50 Meter lang, 16 Meter breit und 15 Meter hoch gewölbt. Der Schub des Gewölbes aus Tuffstein wird im Innern durch starke Mauervorlagen, die nach den Fenstern abgestuft sind, aufgefangen. Der Chor ist nach Westen gerichtet. Hinter dem Altarraum befindet sich in der ganzen Breite der Kirche die Sakristei, darüber der Chor für den Franziskanerkonvent.

Von reicher Wirkung ist die als Schauseite behandelte Ostfront. Die Fassade wird beherrscht von dem in der Mitte dreiseitig, kräftig vorspringenden Turm, der über dem Giebel aus dem halben Achteck ins Viereck übergeht, gedeckt mit doppelter Zwiebel und Laterne. Das Kirchendach wird auf der Westseite von einem achteckigen Dachreiter mit Laterne begrenzt. Der helle Verputz kontrastiert vorteilhaft mit gut profilierten Lisenen und Gesimsen aus Sand­stein, die ursprünglich lasiert waren. Drei Portale, Fenster, Blendnischen und Figurenschmuck beleben die Fassade.

Das Mittelportal wird durch eine Figur der Immakulata zwischen zwei Putten mit Kartuschen bzw. Wappenengeln bekrönt, deren Chronogramme jeweils die Jahreszahl 1757 ergeben. In den seitlichen Fassadennischen stehen die Franziskanerheiligen Franz von Assisi (mit Kreuz und Wolf von Gubbio) und Antonius von Padua. Die Figuren der Fassade sind aus Holz, das mit wetterfestem, sandsteinfarbenem Stuck überzogen ist.

Der Innenraum hat schlanke, gratige Kreuzgewölbe mit Gurtbögen auf Halbpilastern. Altäre, Kanzel, Bänke samt dem Bildhauerwerk verfertigten die Laienbrüder Kasimir Schmittel, Melchior Egenolf und Hyacinth Wiegand, die später auch die Klosterkirche auf dem Frauenberg bei Fulda ausstatteten. Den Riß für den Hochaltar zeichnete der Maler Armbrüster aus Wächtersbach. Die Arbeiten dauerten von 1745 bis 1757. Der Hochaltar zeigt zwischen sechs korinthischen Säulen ein Altarblatt „Kreuzigung Christi“ von der Hand des Fuldaer Hofmalers Emmanuel Wohlhaupter (nach Rentkammerbelegen von 1749). Die lebensgroßen Assistenzfiguren stellen die Kirchenpatrone Petrus und Paulus dar.

Der mächtige Tabernakel mit Ähren‑ und Traubenverzierung (Schnitzereien von Sebastian Herbst, Bad Soden, 1898) ist mit einem Pelikan‑Symbol bekrönt. Über dem Altarbild das Wappen des fürstlichen Bauherrn Amand von Buseck (1737 ‑ 1757). Auf dem Architrav erheben sich vier Voluten mit zwei Engeln, die der Immakulata huldigen. Darüber die heiligste Dreifaltigkeit (große Doxologie) mit Wolken, Strahlen und Puttenköpfen, seitlich Erzengel Michael und Schutzengel mit Kind. In den Altarauszug ist der barocke Prospekt der alten Oehninger‑Orgel aus dem Jahre 1701 hineinkomponiert. Über den seitlichen reich dekorierten Durchgängen stehen lebensgroße Holzfiguren: links der Hl. Bonifatius, rechts der Hl. Benedikt.

Die beiden größeren Seitenaltäre im Altarraum sind mit Ölbildern aus der Werkstatt Wohl­haupter‑Herrlein geschmückt. Augenscheinlich sind es sehr frühe, weil etwas ungeschickte Jugendwerke des Andreas Herrlein. Der Franziskusaltar links zeigt den Hl. Ordensgründer auf dem Berg Alverno beim Empfang der Wundmale. Im Auszug St. Sebastian und Jesus‑ Monogramm, als Assistenzfiguren die beiden Franziskanerheiligen Bernardin von Siena (mit Christus‑Symbol IHS) und Johannes Capistranus (mit Fahne). Rechts der Antoniusaltar zeigt den Volksheiligen als Fürsprecher; im Auszug St. Valentinus und Marien‑Monogramm, als Assistenzfiguren die beiden Franziskanerheiligen Petrus von Alkantara (mit Kreuz) und Jakobus von Marchia (mit Flamme).

Die beiden kleineren Seitenaltäre stehen in den Winkeln des Querarmes und sind zur Ausschmückung mit Holzplastiken versehen. Am linken Altar ein schönes Vesperbild, seitlich zwei weibliche Franziskanerheilige, St. Klara (mit Monstranz) und St. Elisabeth von Thüringen (mit einem Armen), im Auszug Mutter Anna und Maria. Am rechten Altar St. Joseph mit Kind und Lilie, seitlich Johannes der Täufer (mit Lamm) und St. Joachim, im Auszug St. Johannes Nepomuk. Im linken Querarm steht der barocke Taufstein, Kelchform mit Blattschmuck, auf dem Deckel eine sehr gute Darstellung der Taufe Jesu im Jordan. Die große, reich dekorierte Kanzel zeigt unten die vier Evangelisten‑Symbole, auf dem Schalldeckel vier Evangelisten oder Propheten sowie eine lebensgroße Figur des guten Hirten mit Schäflein auf seinen Schultern, unter dem Schalldeckel die Heilig‑Geist‑Taube und an der Brüstung eine Hand mit Kreuz.

Die sechs geschnitzten Beichtstühle besitzen an der Stirnseite kleine Flachreliefs: Auf der linken Seite Ordensfrau mit Geißel (Margaretha von Cortona), Judas mit Silberlingen und Baum, Petrus mit Hahn; rechts Magdalena mit Totenkopf, Heimkehr des verlorenen Sohnes und guter Hirte. An der linken Seitenwand befindet sich noch eine künstlerisch besonders wertvolle Skulptur, bekannt als „Salmünsterer Wolken-Madonna“: Es ist die franziskanische Darstellung Mariens als Schlangenbesiegerin mittels des Kindes.

Die Kirchenfenster malten ‑ nach spätklassizistischen bzw. neuromanischen Entwürfen – im Jahre 1892 der Glasmaler J. Droeser von Frankfurt (Hl. Aloysius und Hl. Elisabeth), 1895 die Würzburger Glasmalerei Niebeler & Burkert (Franziskus unter den Tieren, Franziskus erbittet den Portiunkula‑Ablaß, Hl. Christina, Hl. Blasius, mehrere Fenster mit Teppichmuster). Ihre Stildivergenz erscheint unbedeutend, denn der Farbenreichtum mildert mit seinem Lichteffekt die barocken Konturen des minder Künstlerischen und trägt damit zum positiven Gesamteindruck bei. Aus der Werkstatt des Fuldaer Hofmalers Johann Andreas Herrlein (1723 ‑ 1796) stammen die Ölbilder des Kreuzweges.

Rechts und links vorn Ausgang grüßen der Krankenpatron Rochus (mit Hund und Brot) und der Viehpatron Wendelinus. Eine geschnitzte Kommunionbank und Stuhlwangen, Zelebrationsaltar, Paramente aus dem 18. Jahrhundert runden das Ganze ab und machen die Salmün­sterer Pfarr‑ und Klosterkirche zum einheitlichsten und reichsten Gotteshaus von den zahlreichen unter den Fürstäbten Adolph von Dalberg und Amand von Buseck errichteten Kirchenbauten sowie zum getreuen Spiegel barocker Volksfrömmigkeit im Fuldaer Land. Die Orgel wurde 1919 von den Gebrüdern Späth (Ennetach) geliefert  und1968 durch Lambert Hartweck umgebaut.

Ein festlicher Glanz breitet sich in weihnachtlichen Tagen in dem ohnedies an Altären und Kunstgegenständen reich ausgestatteten Kircheninneren aus. Dazu trägt auch die große Bergland‑Krippe bei. Sie ist seit einiger Zeit besetzt mit wertvollen barocken Figuren, gestiftet von Bad Soden‑Salmünsterer Bürgern. Die Kirche ist nur kurz vor und nach den Gottesdiensten geöffnet.

 

Schleifrashof:

Auf der linken Seite der Frankfurter Straße, am Untertor, an der südöstlichen Ecke der Stadtmauer, folgt der Schleifrashof. Die Grundstruktur des Hofs stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert. Er ist eine gut erhaltene Hofanlage mit rundem Treppenturm, Kemena­tenbau, Stallung und Torbau. Das Hauptgebäude und die Kemenate wurden im 15. Jahrhundert erbaut.

Der Hof ist ein ehemals Fuldaisches Burglehen. Um 1300 wird Konrad von Jossa zum Lehnsnehmer, bis 1540 dann die Hutten, dann gelangt er durch Kauf an Kurmainz, 1564 wieder an die von Breidenbach als Lehen gegeben. Im Jahre 1650 kam er durch Heirat an die von Fe­chen­bach, 1706 verkaufte Gottfried von Fechenbach sein Lehen an Martin Ludwig von Schleif­fras und seine Frau Magdalena Elisabeth von Bicken. Im Jahre 1768 fiel der Hof an Fulda und wurde bis 1805 als Lateinschule genutzt. Durch die Säkularisierung wurde er Eigentum des Staates und beherbergte die Oberförsterei. Heute ist der Schleifrashof im Eigentum der Stadt, hier befinden sich ein Kindergarten und Wohnungen. Das Gelände kann nur von außen besichtigt werden.

Rechts steht die evangelische Versöhnungskirche aus dem Jahre 1888. Am Ende der Straße steht eine Mariensäule. Dort kommt man übrigens nicht weiter, wenn man in Richtung Wächtersbach will.

 

Huttenhof:

Man kehrt wieder um und erreicht westlich der Frankfurter Straße durch die Huttengasse die Burg „Huttenhof“. Bereits 1364 wird ein Burggut erwähnt. Der Huttenhof ist ein rechteckiger Sandsteinbau der wahrscheinlich im 14. Jahrhundert errichtet wurde. Der Hof wird gebildet von dem Burggebäude auf der Stadtmauer, dem „neuen Haus“ aus dem 18. Jahrhundert und einer Scheune, die vor einiger Zeit ausbrannte und auf deren Grund heute ein Wohnhaus steht. Zur Stadtseite hin befindet sich eine Mauer, deren Tor das Wappen von Johann Friedrich von Hutten und Lukretia von Sande trägt. Die Linie derer von Hutten zu Salmünster starb im Jahre 1800 aus, das Besitztum ging auf die Söhne von Sophie von Köller, geborene von Hutten, über. Seit 1894 ist das Anwesen in Privatbesitz.

 

Hutten­schloß:

Nördlich des Huttenhofs an der Ecke der Stadtmauer am Schwedenring steht das Hutten­schloß. Es ist ein rechteckiger dreigeschossiger Sandsteinbau im gotischen Stil mit rundem Treppenturm und glockenförmiger Haube. Der dreigeschossige Bau mit Satteldach ist auf der
Rückseite an die Stadtmauer angebaut.

Erbauer waren 1563 Ludwig von Hutten (gestorben 1571) und Margarete Riedesel von Bellersheim. Als Besitzer folgten Johann Hartmut von Hutten, mainzischer Rat (gestorben 1652) und Philipp Ehrenreich von Hutten (gestorben 1665). Im Jahr 1687 fiel dessen einziger Sohn, Johann Philipp, als Deutschordensritter in Ungarn.

Im Jahr 1723 kam die Burg an Juliane Katharina Elionore von Hutten, die mit Freiherrn Johann Georg von Nassau verheiratet war. Das Bauwerk hieß von da an „Nassauischer Hof“. Im Jahre 1748 wurde es für eine Abfindungssumme in Höhe von 19.500 Gulden an Fulda verkauft. Im Jahr 1738 fand in diesem Hause die Huldigung für den Fürstabt Amandus von Busek statt. Nach der Säkularisation kam die Anlage an das Fürstentum Oranien-Nassau. Im Jahre 1827 wurde hier das Kurhessische Justizamt eingerichtet. Weil hier der Amtmann, der Stadtschultheiß und später der Amtsrichter wohnten, wurde es in „Amtshof“ umbenannt. Seit der Aufhebung des Amtsgerichtes fand das Grundbuchamt hier seine Bleibe. Heute befinden sich dort Wohnungen. Eine Schloßbesichtigung ist nicht möglich.

 

Kultur:

Passionsspiele: Die in Salmünster ansässigen Passionsspiele sind weit über die Grenzen des Kreises hinaus bekannt. Im drei- bis vierjährigen Turnus wird in der barocken Pfarrkirche St. Peter und Paul die Leidensgeschichte von Jesus Christus aufgeführt. Über 3.000 Zuschauer sehen dort das Passionsspiel.

Theaterensemble feel-X: Die 2001 gegründete Laienspielgruppe versteht sich als reines Tourneetheater. Ihr Repertoire umfaßt heitere Stücke vom Klassiker bis zur Modernen Komödie. Daneben inszeniert feel-X seit 2005 im zweijährigen Rhythmus auch Wintermärchen. Die Gruppe gehört dem Bund Deutscher Amateurtheater an.

Fest: Altstadtfest in Salmünster Anfang August.

 

 

Bad Soden

 

Altstadt:

Über die Sodener Straße links kommt man in den Stadtteil Bad Soden. Vor der Altstadt und dem Kurbezirk ist links ein großer Parkplatz. Der Ursprung des Namens Soden läßt keine Frage offen. Salzgewinnung aus Solequellen haben ihn früh geprägt. Er hat sich bis ins Zeitalter des Ther­malbades gehalten. Soden erlebte eine Blütezeit aufgrund des Salzhandels. Die Gründung eines Heilbades erfolgte 1875. Vor dem Ersten Weltkrieg erlangte der Kurort Weltberühmtheit.

Der Rathausplatz ist das Herzstück des Altstadtviertels. Ihn umrahmen gleich vier bemerkens­werte Sehenswürdigkeiten: links das barocke Fachwerk-Rat­haus, rechter Hand das altersgraue Huttenschloß von 1536, gegenüber die neugotische Pfarrkirche St. Laurentius, darüber die Ruine Stolzenberg.

 

Rathaus:

In der Altstadt von Bad Soden steht links das kleine barocke Fachwerk‑Rathaus von 1703, das bis 1974 noch Sitz des Bürgermeisters war. Bis hier herunter zog sich einst die Ringbefestigung der Burg Stolzenberg. Nach links kommt man in das Kurviertel. Westlich der Gaststätte „Altes Kurhaus“ ist die Otto-Quelle. Durch den Ort fließt der Fluß Salz. Im Juli gibt es das Stadtfest „Salz in Flammen“ mit einer Salzprinzessin. Der Name des Ortes kommt von Salzsieden. Man sagt heute noch: „Ich gehe in die Soden“, wenn man in den Ortsteil Soden gehen will. Zentrum der Altstadt  ist der Dippemarkt, auf dem die Keramiker aus Schlierbach ihre Waren verkauften.

 

Huttenschloß:

Nach rechts geht es in die Pacificus-Sttraße, in der gleich rechts das Huttenschloß steht, auch „Huttensche Talburg“ genannt. Ein Huttisches Hofgut wird 1387 erstmals erwähnten. Lukas von Hutten und seine Frau Apollonia ließen hier 1536 einen repräsentativen Steinbau mit vier Stockwerken und hohem Staffelgiebel und einem runden Treppenturm errichten. Der Marstallwurde 1599 angebaut. Ihnen folgten als Bewohner ihr Neffe Ludwig von Hutten (gestorben 1569), danach Johann von Hutten, Festungskommandant von Hanau (gestorben 1617), der die Burg an Daniel Hutten vererbte. Weitere Besitzer waren Georg Ludwig, Johann Philipp, Johann Georg und Karl Philipp (gestorben 1814), der letzte des Huttenstammes in Bad Soden. Die Burg kam anschließend in die Romsthal‑Steinbacher Linie der Familie, die das Gebäude verkaufte.

Nach dem Aussterben der verschiedenen huttenschen Linien übernahmen im 19. Jahrhundert Kaufleute und Fabrikanten das Huttenschloß. Im Jahre 1819 (oder 1820) erwarb der Kaufmann Johann Peter Dupré die Gebäude; einer seiner Gäste war Ludwig Emil Grimm, der sich in seinen Erinnerungen an den Besuch in Soden erinnert: „Duprés Haus war alt, von Stein gotisch, mit Fenstererkern, aber angenehm und wohnlich.“ Zwischen 1876 und 1881 wurden sogar Heilbäder im Huttenschloß verabreicht.

Im Jahre 1901 kaufte der Offenbacher Kommerzienrat Krafft, Besitzer der Sodener Garnfabrik, das Schloß. Die Familie Kraft gestaltete das Schloß zur Sommerresidenz. Sie ließ das Schloß mit einem zinnebekrönten Mauerring und einem nach innen offenen Rundturm einfassen und beraubte dabei viel seiner Historie. Zuletzt befand sich das Schloß auf dem Fabrikgelände der Firma Siemens AG. Seit 1988 befindet es sich im Besitz der Stadt. Drei Millionen Mark Zuschuß hatte der Bund der Stadt 1988 avisiert, als diese den gotischen Bau mit seinem auffälligen Staffelgiebel zum 500. Geburtstag Ulrich von Huttens von der Firma Siemens geschenkt bekam. Für eine halbe Million Mark wurde das Dach komplett neugedeckt, bis die Deutsche Einheit aber die Denkmalschützer vor neue Aufgaben stellte.

Den zehn rührigen ehrenamtlichen Helfern des „Förderverein Huttenschloß“ ist es zu verdanken, daß das Schloß schrittweise saniert wird. Dafür wurden sie mit einer Ehrenurkunde der Landesregierung ausgezeichnet. Doch die Hoffnung, das historische Erbe einem Investor schmackhaft machen zu können, erhielt mit der Kurkrise einen herben Dämpfer. Eine Brauerei könnte den Komplex pachten, glaubte der Förderverein seinerzeit. Doch als dann die Kurgastzahlen einbrachen, haben mögliche Investoren sich gefragt, wer denn das ganze Bier trinken soll. So bearbeiten Samstag für Samstag die Helfer die Bausubstanz des historischen Gemäuers. Gerhard Stock ist der Initiator eines freiwilligen Helferkreises, der in acht Jahren über 12.500 Stunden auf der Baustelle gearbeitet hat.

Die alte, marode Haustechnik haben sie demontiert, ein Kellergewölbe freigelegt und in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt einen 1902 errichteten Anbau abgerissen, um östlich an dem Gebäude einem Anbau für Toiletten, Küche und Haustechnik Platz zu schaffen (dort wurde noch ein altes Fenstergewände eingebaut). An der Ostseite ist rechts oben noch eine Freilufttoilette zu sehen. In die Fenster müssen noch die wabenförmigen Bleiverglasungen in alte Eichenholzrahmen eingebaut werden. An der wettergeschützten Gebäudefront konnten sogar die alten Klappläden wieder aufgearbeitet und mit dem rot‑goldenen Farben des Hutten‑Wappens verziert werden. Putz wurde aufgetragen, das Gemäuer äußerlich komplett in einem weißen Anstrich mit sandsteinroten Ecksteinen versehen. Heute ist dieser gotische Bau mit seinen Erkern und Staffelgiebeln zu einem Gästehaus der Stadt umgestaltet.

 

Kirche „St. Laurentius“

Zunächst wurde die Burgkapelle auch von den Bewohnern Stolzenthals besucht. Im Jahre 1335 wurde ein Weinberg um die Kapelle herum angelegt. Allerdings errichtete man einige Zeit später eine eigene Kirche am Hang, auf halber Strecke zwischen Burg und Stadt– „der Bequemlichkeit halber“, wie es in einem Brief des Pfarrers Martin Göbel aus dem Jahr 1597 heißt. Diesen älteren Bau ersetzte 1896 die Kirche St. Laurentius.

Die neugotische katholische Kirche mit spitzem Turm wurde in der Zeit von 1893 ‑ 1896 erbaut. Eine Umgestaltung des Inneren des Gotteshauses fand im Jahre 1970 statt. Die ursprüngliche Bemalung von dem Maler Guthmann ist in den Jahren 1957 / 1958 übertüncht worden. Die stilisierte Darstellung des Rosenkranzgeheimnisses auf den Seitenwänden des Mittelschiffes ist das Werk des Kunstmalers Wirth.

Der Hochaltar ist aus der Werkstatt von Sebastian Herbst (Soden). Die Aufbauten der Seitenaltäre haben nach der Umgestaltung ihren Platz an den Seitenwänden des Chorraumes gefunden. Anstelle zweier Gipsfiguren sind dort die noch aus der alten Kirche stammenden barocken Holzplastiken des Hl. Sebastian (links) und Hl. Wendelin (rechts) zu sehen. Alles andere Schnitzwerk entstammt der Werkstatt von Sebastian Herbst. Der neue Volksaltar besteht ganz aus Elementen der früheren Seitenaltäre (Platte und Säulen).

Die steingehauene Barockmadonna, die vor der alten Kirche au einer Säule gestanden hatte und beim Neubau 1894 in eine Turmnische eingelassen wurde, hat nach der Renovierung einen Platz am ersten Chorbogen (links) erhalten. Die holzgeschnitzte Reliefgruppe (Christus und vier Evangelisten) an der Stirnwand des rechten Seitenschiffes mitsamt dem Sprengwerk stammt von der neugotischen Kanzel (Sebastian Herbst), die 1970 entfernt worden ist.

An der Stirnseite des linken Kirchenschiffes ist ein Bild des Kirchenpatrons St. Laurentius (Signatur: Peter Geist 1856). Der Taufstein wurde vom Bildhauer Degenhardt aus Schlüchtern gefertigt. Eine holzgeschnitzte Pietà des Meisters Fleck aus Fulda, die früher im Seitengang stand, hat seit 1970 einen Platz links vom Haupteingang an der Gedenkwand für die Gefallenen. In dem Gotteshaus steht eine Orgel der Firma Clewing (Fulda). In Bad Soden gibt es noch die evangelische Erlöserkirche aus den Jahren 1965 -1967 mit Gemeindezentrum.

 

Ruine Stolzenberg

Auf einem steilen Bergkegel liegt nordöstlich von Bad Soden auf einem Sporn des gleichnamigen 277 Meter hohen Stolzenberg die Ruine Stolzenberg. Zum Schutze der Salzquellen wurde der Bergkopf schon sehr früh befestigt. Die Zeit der Erbauung von Burg Stolzenberg läßt sich aus der schriftlichen Überlieferung nicht mehr erschließen. Möglicherweise wurde eine erste Befestigung bereits im 11. / 12. Jahrhundert errichtet. Die günstige Lage macht das wahrscheinlich: Die Burg lag direkt oberhalb einer alten Fernhandelsstraße, der Via Regia woran noch die Bezeichnung „Maustor“ (verschliffen fürMauttor) für ein - mittlerweile abgetragenes - Stadttor am Fuß des Burgbergs erinnert. Eine Schutzfunktion der frühen Wehranlage in Bezug auf die Solequellen  im Salztal ist dagegen nicht gesichert. Diese erste Befestigungsanlage wurde Anfang des 13. Jahrhunderts zerstört.

Aber am 13. Dezember 1252 gab König Wilhelm von Holland dem Fuldaer Abt Heinrich IV. die Genehmigung zum Wiederaufbau der Burg, die kurz zuvor („nostris diebus“) von „Feinden der Kirche“ (inimicos ecclesiae) zerstört worden war.

Die Formulierung deutet darauf hin, daß die Burg einem Angriff durch Gebannte zum Opfer fiel, wobei deren Identität umstritten ist. In Frage kämen die Grafen von Rieneck,deren Versuche, sich im Kinzigtal Besitz zu erobern, für die Zeit zwischen 1230 und 1250 belegt sind und die wegen der Angriffe auf das Kloster Schlüchtere 1243 mit dem Bann belegt wurden. Aber auch der Mainzer Erzbischo fGerhard von Daun hätte Interesse an der Zerstörung der Burg haben können: der mainzische Besitz zu Salmünster lag in unmittelbarer Nähe des Stolzen­bergs, was langfristig zu Konflikten führen konnte. Zudem verfiel auch Gerhard nach 1250 aufgrund seiner Herrschaftspolitik und der Treue zur Partei der Stauferdem Kirchenbann.

Die für diese Zeit ganz ungewöhnliche Bestätigung der Besitzrechte durch den König weist in jedem Fall auf zuvor bestehende Unstimmigkeiten hin. Sie unterstreicht zugleich das politische Bündnis zwischen dem Fuldaer Abt und dem (auch deshalb) als „Pfaffenkönig“ verschrieenen Wilhelm.

Wahrscheinlich wurde nach 1252 der Bergfried neu errichtet und die gesamte Anlage in Stein ausgebaut. Dazu kamen der Burggraben, das Tor und das Gebäude für den Burgverwalter

Unklar bleibt, ob die Ringmauer bereits in dieser Phase erweitert und um das am Fuß des Burgbergs entstandene Vurburg (Suburbium)  herumgeführt wurde. Bis hinunter zum Rat­haus zog sich schließlich die Ringbefestigung der Burg Stolzenberg.

Für diese Siedlung erwirkte der Fuldaer Abt bei König Adolf von Nassau 1296 die Stadtrechte. Allerdings übernahm der in der Urkunde „Stolzenthal“ genannte Ort schließlich den Namen des eingemeindeten Salzsiedeweilers "Sod(en)“.

Das Hochstift Fulda nutzte die Burg als Amtssitz. Erster huttischer Amtmann war 1299 Hermann von Hutten. Er erscheint als „officiatus in Stolczenberg“. Es handelt sich um einen frühen Vertreter des später bedeutenden Adelsgeschlechts derer von Hutten,der als Vogt - wahrscheinlich im Auftrag de Herren von Hanau - das Burglehen verwaltete. Im Jahre 1319 wurde die Burgkapelle (neu?) eingeweiht.

Erste Erbburgmänner waren 1328 waren Hermanns Söhne Friedrich und Frowin von Hutten. Ersterer war Landvogt der Wetterau, der andere Begründer der Hutten‑Steckelberger Linie und Erbauer der Huttenkapelle im Kloster Schlüch­tern. In der Folgezeit war das Burglehen Stolzenberg Objekt umfangreicher Tausch- und Wiedertauschaktionen, in deren Verlauf sich die Familie von Hutten allmählich fest auf der Burg etablieren kann. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert führt der hier sitzende Familienstamm den Namenszusatz „zu Stolzenberg“.

Allerdings verfiel die Burg zusehends - 1512 stürzte ein Teil der ;Kemenate ein, ein weiterer Bau mußte 1519 komplett neu errichtet werden. Hier übernachtete Martin Luther 1521 auf der Rückreise vom Reichstag zu Worms.

Wenig später begann dann der Verfall der mächtigen Burg. Gegnerrische Truppen unter Philipp von Hessen rückten am 24. Oktober 1522 gegen den Stammsitz Frowins vor und schossen den Stolzenberg am selben Tag völlig sturmreif.

Trotz einiger Reparaturarbeiten in den folgenden Jahren, verlegte schließlich Lucas von Hutten um 1536 seinen Wohnsitz in das talwärts gelegene neue Schloß („Huttenschloß“), das wahrscheinlich an der Stelle eines älteren, zur Burg gehörenden Wirtschaftshofes errichtet wurde.

Noch 1597 hielten die Hutten allerdings evangeliche Gottesdienste in der Burgkapelle ab – was den Unwillen des katholischen Priesters Göbel erregte, der über diesen Vorfall berichtete. Der letzte bezeugte Bewohner des Stolzenbergs war der Burggraf Cord Gaull, dessen Kinder laut Kirchenbuch bis 1609 auf der Burg zur Welt kamen. Ein weiterer Sohn wurde dann 1611 bereits im benachbarten Eckardroth geboren.

Im Jahr 1734 erhielt Fulda die Burg wieder geschenkt. Aber es ist nur von einem „verfallenen Schloß Stoltzenberg“ die Rede. Die Gebäude wurden weitgehend abgetragen und die Steine für Bauten in der Umgebung verwendet. Ende des 19. Jahrhunderts legte man unterhalb des Plateaus, das den Burghof bildete, ein Tanzhaus an, was die Gestalt des Burgbergs zusätzlich veränderte. Im Jahre 1970 wurden die Überreste des aufgehenden Mauerwerks gesichert und der Bergfried zum Aussichtsturm ausgebaut, der seitdem als Wahrzeichen der Kurstadt Bad Soden vermarktet wird.

Die Ruine der Burg Stolzenberg ist heute frei zugänglich. Sie besteht aus einem etwa zwanzig Meter hohen Bergfried, der ungewöhnlicherweise die Angriffsseite der Befestigung schützt. Der ehemalige Eingang in etwa zehn Meter Höhe, der nur über eine Stiege zu erreichen war, ist noch zu sehen. Auf die moderne Aussichtsplattform gelangt man allerdings über einen ebenerdig angelegten Zugang. Ein größeres Mauerstück, das wahrscheinlich den Unterbau bzw. die Rückwand früherer Gebäude im Burghof bildete, ist dem Turm vorgelagert. Die Ringmauer umfaßte einst das gesamte Burgplateau; ihr Verlauf ist heute nur noch durch den umlaufenden doppelten Wallgraben angedeutet. Die drei Wälle und zwei Graben sind kaum noch erkennbar. Der Bergfried dient heute auch eine Berufskletterschule zur Ausbildung zum Industriekletter und Höhenretter  als Übungsturm.

Von der Burg Stolzenberg stehen noch der Bergfried und Mauerreste. Die Aufstiegsmühen entschädigt zudem der Blick vom 13 Meter hohen Bergfried: Das Auge erfaßt dabei das Kinzigtal sowie die Ausläufer des Spessarts und des Vogelsbergs. Von der Höhe lassen sich Stadt, Tal und der grüne Wellenschlag der Spessart‑ und Vogelsbergaus­läufer mit einem Blick überschauen, vor allem die Kurhäuser von Bad Soden. An der Burg steht eine Informationstafel.

 

Kurbezirk:

Voraussetzung für den Kurbetrieb von Bad Soden‑Salmünster und auch Bad Orb ist Mine­ralwasser aus dem Zechstein: Vor mehr als 200 Millionen Jahren bedeckte ein flaches Meer große Teile des heutigen Deutschlands. Warmes Klima bewirkte starke Verdunstung des Wassers. Die Ausdehnung dieses „Zechstein‑Meeres“ wechselte, Landschwellen riegelten zeitweise einzelne Meeresarme ab und begünstigten zusätzlich die Verdunstung in einigen Gebieten. Es floß immer mehr Wasser nach, und die aus dem Meerwasser gelösten Salze setzten sich auf dem Grund ab ‑ je nach lokaler Gegebenheit in unterschiedlich dicken Schichten und in verschiedenen Tiefen.

Heute fließt Wasser, das im Gebiet von Neuhof (bei Fulda) Salz gelöst hat, unter­irdisch durch die Mulde des Kinzigtales. Es wird im Untergrund durch Kohlensäure ange­reichert. Kohlensäure gilt als letzter Ausklang der früher im Vogelsberggebiet recht aktiven Vulkantätigkeit. Die Mineralquellen von Bad Orb und Bad Soden‑Salmünster entstammen also ebenso dem Zechstein, wie die inzwischen wieder verschlossenen Quellen von Geln­hausen. Aus dem Zechstein sprudelte auch die für das Abfüllen von Tafelwasser genutzte Spessartquelle von Biebergernünd‑Roßbach.

Im Kurmittelhaus wird kräftig gekurt. Inhalationen fehlen da ebensowenig wie Fangopackungen, Massagen sowie Trink- und Badekuren mit den Bad Sodener Stahlquellen. Die wirken besonders bei Eisenmangel, Rheuma und Gelenkschäden. Es gibt ferner das Thermal-Sole-Hallenbad, die Sauna und das 320 Celsius warme Thermal-Sole-Bewegungsbad. Das Bewegungsbad ist täglich von 8.30 bis 21 Uhr, samstags und sonntags bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt vier Mark. In der Sauna darf wochen­ends von 9 bis 20 Uhr geschwitzt werden; die übrigen Öffnungszei­ten erfährt man am besten unter Tel. 0 60 56 1 20 51 und 20 52 (Kurverwaltung).

Ein weiterer Anziehungspunkt könnte der Kurpark sein. Die frei zugängliche Anlage beginnt gleich hinter dem Kurmittelhaus und kann dank geteerter Wege auch bei nassem Wetter begangen werden.

Salzhaltige Quellen gab es in Soden, seit vor Millionen Jahren der Vogelsberger Vulkan noch aktiv war. Nachdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als nach Überschwemmungen auf einer Wiese eine weiße, salzig schmeckende dünne Kruste zurückblieb, die Salzquellen wiederentdeckt wurden, hat sich in Soden schrittweise ein reger Kurbetrieb entwickelt.

Für eine auch im Rahmen eines Fahrradausflugs mögliche „Kurz-Kur“ eignet sich die Spessart Therme Therma Sol. Abwechslung ist Trumpf. Unterschiedliche Wassertemperaturen und Solekonzentrationen ermöglichen Wechselbäder, die den Kreislauf in Schwung bringen. Am wärmsten ist es im Sole-Intensiv-Becken mit einer Sole-Konzentration von 5,5 Prozent. Das Bad in der Sole verbessert die Dehnbarkeit der Muskulatur und löst Verspannungen. Weit geringer ist die Solekonzentration im Wellenfreibad mit 0,5 Prozent. Dafür branden jede Stunde zehn Minuten lang bei „nur“ 28 Grad die Wellen auf den „Strand“: Und wer noch aktiver sein will, kann sich in einem Kanal von der mit zehn Stundenkilometer schnell strömenden Sole (diesmal 1,5 Prozent) mitreißen lassen. Durch den Solegehalt des Wassers wird jede Bewegung zu einem Schweberlebnis.

Und wem das immer noch nicht genug ist: Da gibt es den Poseidontempel, den ein Wasservorhang von der übrigen Badelandschaft trennt, die Sauna-Erlebniswelt, Liegewiese und Ruheraum, und als neuer Errungenschaft die Totes-Meer-Salzgrotte, die ringsum mit Salz aus dem Toten Meer ausgekleidet ist. Für alle, die mal wieder tief durchatmen möchten.

 

Feste: Altstadtfest in Salmünster Anfang August. Brunnenfest im Kurpark, Bad Soden, Anfang August.

 

Naturschutzgebiete:

Zelleraue bei Salmünster (Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 130) und Waldweiher bei Bad Soden-Salmünster (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 153).

 

 

 

 

 

Wächtersbach

Wächtersbach mit seinen sieben Ortsteilen und seinen etwa 12.000 Einwohnern liegt zwischen Spessart und Vogelsberg am Ostrand des Büdinger Forstes. Im Jahre 1236 wird Wächtersbach erstmals geschichtlich erwähnt. Aber schon vorher wurde hier zur Überwachung des Reichsforstes eine Wasserburg erbaut. Bereits 1404 erhielt der Burgflecken Stadtrechte. Um das Schloß gruppiert sich eine malerische schöne Altstadt, die von ihren Bewohnern in den letzten Jahren mit viel Liebe renoviert wurde und alljährlich viele Besucher anlockt.

 

Geschichte:

860 /886 

Erste Erwähnung Aufenaus

1167

Die katholische Pfarrkirche St. Maria in Aufenau wird erstmals urkundlich erwähnt

1236

 Wächtersbach wird erstmals urkundlich erwähnt als „Wevchirsbach/ We­terbach“

1354 

Erste Erwähnung Weilers

1364

Erste Erwähnung Neudorfs

1365

Das Geschlecht der Forstmeister von Geln­hausen haben in Aufenau und Neudorf eine kleine reichsunmittelbare Herrschaft. Sie kam im Jahr 1787 durch Verkauf an das Erzstift Mainz, 1814 zu Bayern und wurde 1866 preußisch

1404

Am 25. April erhielt der Burgflecken die Stadtrechte

1471

Erste Erwähnung Hesseldorfs

1489

Erste Erwähnung Wittgenborns und Leisenwalds

1578

Im Schloß wird eine Brauerei gegründet, die Wächtersbach weit über seine Grenzen hinaus bekannt gemacht hat

1680

Seit diesem Jahr wird alljährlich zu Pfingsten der weithin bekannte „Leisenwälder Markt“ veranstaltet

1687

Das Schloß ist Sitz der Grafen (seit 1865 Fürsten) zu Ysenburg‑Büdingen

1699

Wegen ihres protestantischen Glaubens vertriebene Waldenser gründen den Ort Waldensberg

1968

Die Stadt erhält aufgrund des großflächig zusammenhängenden Waldgebietes das Prädikat „Staatlich anerkannter Erholungs­ort“

1970

Aufgrund der kommunalen Gebietsreform werden die Gemeinden Wächtersbach, Aufenau, Hesseldorf, Weilers, Neudorf, Witt­genborn, Waldensberg und Leisenwald zusammengeführt

                       

Schloß:

Eine Reihe von Orten an „des Reiches Straße“, die einst das Kinzigtal durchzog, hat geschichtliche Bedeutung erlangt. Nicht so Wächtersbach, wo der Handels­strom weiter östlich vorbeizog. Seine Aufgabe war aber die Überwachung des Büdinger Waldes. Zu diesem Zweck wurde Ende des 12. Jahrhunderts eine Wasserburg erbaut. Die staufische Jagd- und Sicherungsburg ließ die Kaiser Friedrich I. Barbarossa errichten und vergab sie als Reichslehen an die Herren von Büdingen, von Trimberg und von Ysenburg. Erstmals urkundlich erwähnt wurde sie 1236 durch seinen Enkel. Zeitweilig war sie Sitz des Forstmeisters des Büdinger Waldes.  Bereits 100 Jahre später war daraus eine wehrfähige Wasserburg entstanden, die bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestand.

Im Jahre 1458 wurde den Ysenburgern die Burg als alleinigen Besitzern zuer­kannt. Im Jahre 1480 entstand dle Burg /das Schloß mit vier Rundtürmen, von der alten Burganlage ist jedoch nichts erhalten geblie­ben. Im Jahre 1522 bezog Graf Anton das Gebäude und verschönerte es. Der Nord­flügel und der Turmanbau von der Westseite wurden von 1522 ‑ 1539 errichtet und Baumeister Asmus schuf weitere Anbauten. Um 1650 erhielt das Schloß seine dreistöckige Gestalt. Seit 1685 ist sie Sitz der Grafen von Ysenburg-Wächtersbach.

Im Jahre 1687 wurde der Besitz des Büdinger Stammteiles unter die vier Söhne des Grafen Johann Ernst aufgeteilt, und es entstand die Linie Ysenburg-Wächtersbach. Wächtersbach wurde somit Residenzstadt. Im 18. Jahrhundert kamen die Remise, die Rentkammer, das Prinzessinnenhaus und ein Wirtschaftshof hinzu. Im Jahre 1816 wurde der Bergfried abgebrochen, die Wassergräben zugeschüttet und der Park angelegt.

Vom Marktplatz aus sieht man zuerst auf der linken Seite den Prinzessinnen‑Bau von 1750, verbunden mit dem gräflichen Marstall von 1718. Nördlich davon stehen das ehemalige Sudhaus der Brauerei von 1959 und der Kammerbau (Rentkammer), erbaut 1735 ‑  1736. Rechts ist das eigentliche Schloß, wie es seit Anfang des 19. Jahrhunderts aussieht. Mehrere Umbauten folgten, bis das Schloß zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine heutige Form einer geschlossenen Vierflügelanlage erhielt. Im Jahre 1875 wurde der Bau des Treppenturmes im Hof, unter Verwendung eines Portals der Ronneburg, begonnen.

Nach dem Erlöschen der Meerholzer Linie der Grafen von Ysenburg im Jahre 1929 erhielt der damals in Wächtersbach regierende Fürst Friedrich Wilhelm zwei Fünftel dieses Besitzes. Da sein einziger Sohn noch vor ihm starb, ging der Besitz an seinen Enkel Otto Friedrich über. Drei Jahre später adoptierte Fürst Karl von der Büdinger Linie der Ysenburger seinen Neffen Otto Friedrich in Wächtersbach, der Besitzer des Wächtersbacher Schlosses wurde. Das Schloß blieb bis zu einem Brand 1939 die Residenz der Fürsten von Ysenberg-Wächtersbach.  Dann wohnt dort noch S. D. Fürst Wolfgang zu Ysenburg-Büdingen.

Lange Zeit machte das Schloß nur Ärger. Nach einem Brand zog die fürstliche Familie 1939 nach Büdingen, 1977 schließlich ging auch der letzte Mieter weg, nämlich der Deutsche Entwicklungsdienst, ein Vorläufer der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. Nun stand das Gebäude leer und fing an, Probleme zu bereiten. Kurz vor der Jahrtausendwende übernahmen verschiedene Investoren das historische Gemäuer mit allerhand Plänen, ein Altenheim sollte entstehen oder eine Galerie, schlussendlich passierte aber: nichts. Der eindrucksvolle Bau verfiel, der Putz bröckelte, Fenster wurden notdürftig mit Holzplatten abgedichtet.

Im Jahre 2013 schließlich gelang es der Globus-Gruppe, das Wächtersbacher Wahrzeichen dem letzten gescheiterten Investor für 1,85 Millionen Euro abzukaufen. Der Deal: Die Supermarktkette renoviert das Schloss für die Stadtverwaltung und bekommt im Gegenzug das Gelände von Rat-. und Bürgerhaus zur Ausweitung ihres Betriebs

Allerdings entschied sich die Politik 2016, das mittlerweile entkernte und gesicherte Schloss doch selbst zu kaufen und zu restaurieren. Einerseits waren die Zinsen günstig, andererseits kommt ein öffentlicher Bauherr an ganz andere Fördermöglichkeiten heran. In Jahre 2020 war der Umbau fertig - im geplanten Zeit- und vorgegebenen Kostenrahmen. Die Stadtverwaltung hat nun ihre neue Adresse: Schloss 1.

 

Das Schloß wird von einem großen Park umgeben, in dem sich auch ein Teich befindet. Er wurde ab 1840 nach Plänen des Landschaftsarchitekten Bodenbender als englischer Landschaftspark gestaltet. Ein Baumlehrpfad führt unter anderem zu exotischen, etwa 160 Jahre alten Bäumen, die noch aus der Planungszeit des Parks stammen (Gingko, Tulpenbaum, und andere). Fast am Ende des Parks stehen links im Brauereigelände zwei etwa 50 Jahre alte Riesen-Mammut­bäume, Zypressen und ein Urweltmammutbaum, die alle aus einer Versuchspflanzung stammen.

 

Evangelische Kirche

Die Kirche entstand in drei Bauabschnitten:

1. Im Jahre 1354 als einschiffige gotische Marienkapelle ohne Turm und Querschiff. Sie wurde von Kon­rad von Trimberg 1354 errichtet und war der heiligen Maria gewidmet. Von dem ehemaligen Bau des 14. Jahrhunderts sind der westliche Teil des Schiffes und der dreiseitige Chor erhalten.

2. Im Jahre 1514 (Zahl am Turm) folgte der Turm als Wachtturm neben der Stadtmauer gelegen. Er erhielt 1702 seine markante helmförmige Bede­ckung.

3. Die heutige Kirche ist ein einfacher Hallenbau. Im Kircheninneren befinden sich die Kanzel (wahrscheinlich aus dem Jahre 1650) und Doppelemporen, die 1664 ‑ 1702 eingebaut wurden. Im Jahre 1702 wurden die Wände des Chores nie­dergelegt und nach Norden und Süden zwei Flügel angebaut, so daß ein großes Querschiff entstand. Dadurch gewann man Platz für die Herrschaftslogen und für einen Unterrichtsraum für die Lateinschule. Diese erstreckte sich auch auf die oberste südliche Empore und bestand bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Jahre 1902 wurden die zwei querhausartigen Flügel und östlich vorgelagerten, nebenchor­artig wirkenden Treppenhäuser als Zugang zur Chorloge sowie des Aufbaues eines Fachwerkgiebels quer über dem Chor erweitert.

Die Ausmalung im Inneren entstand 1938 nach Entwürfen des Frankfurter Kirchenmalers Gottfried Hubel. Im Altarraum befinden sich bunte Kirchenfenster, die aus dem vorigen Jahrhundert stammen. In dem Gotteshaus steht eine Orgel der Firma Ratzmann (Gelnhausen) aus dem Jahre 1851. Eine neue Orgel soll frühestens Ende 2003 auf der Haupt­empore ihren Platz finden.

Bei Renovierungsarbeiten im Jahre 2002 wurde die Ruhestätte der Maria Albertina von Ysenburg‑Wächtersbach vom 29. November 1711 wiederentdeckt. Die im Alter von 48 Jahren verstor­bene Maria‑Albertina aus der Linie derer von Sayn-­Wittgenstein war verheiratet mit Ferdinand‑Maximilian (1661 ‑ 1703). Aus der Ehe er­wuchs die spätere Wächtersbacher Fürstenlinie. Immerhin 14 Kinder hatte das Ehe­paar gezeugt, von denen allerdings beim Tod der Gräfin nur noch vier lebten. Als einziges Grab aus der Familie war das der Gräfin bei früheren Umbauten unangetastet geblieben und zuletzt unter Holzbohlen und fest installierten Bänken in Vergessenheit geraten. Die Konturen waren klar erkennbar, Wappen und Inschrift mü­helos zu entziffern. Ein Denkmalpfleger wollte die Platte möglichst gut sichtbar im Bereich des Altarraums aufgestellt wissen, sie wurde aber wieder in den Boden verlegt.

 

Synagoge:

Bis in das Jahr 1938/ 1942 lebte eine jüdische Gemeinde in Wächtersbach, ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Die Synagoge entstand 1895 auf einem Vorgängerbau. Um 1890 plante die jüdische Gemeinde einen Neubau, der 1895 eingeweiht wurde. Im Jahre 1938 verkaufte der letzte Vorsitzende der jüdischen Gemeinde das Synagogen­gebäude in der Bleichgartenstraße 6. Im Jahre 1950 erwarb es die Raiffeisengenossenschaft und machte ein Verkaufslager daraus. In den Jahren 1981 bis 1983 wurde die ehemalige Synagoge zu einem Bürohaus umgebaut und mit dem daneben bestehenden Bankgebäude verbunden. In den Gebäuden sind Büros beziehungsweise eine Rechtsanwaltskanzlei eingezogen.

 

Rundgang:

Man fährt von der Autobahn in Richtung historische Altstadt. Dabei kommt man am Bahnhof vorbei, wo man nach rechts in die Poststraße abbiegt. Auf der Höhe der Post parkt man (eine Stunde) und geht geradeaus weiter zur Altstadt. Die bemerkenswerten Gebäude sind für einen offiziellen Rundgang numeriert und ausgeschildert (dieser Rundgang ist erhältlich beim Heimat- und Geschichtsverein):

 

1

Lindenplatz mit Brunnenanlage, nördlich davon das ehemalige Pförtnerhaus

2

Landratsamt des Kreises Salmünster 1821- 1829

3

Amtsgericht

4

Altes Wachhaus am ehemaligen unteren Untertor (steinernes Wappen von 1742)

5

Ehemaliger Adelshof von Küchenmeister, später Untermühle von 1544

6

Ehemaliger Standort des oberen Untertores 

7

Im Hof Reste der Stadtmauer mit Halbrundturm „Betzenloch“

Jüdische Religionsschule und Ritualbad 1837 - 1909

9

Ehemaliger Adelshof von Rumpenheim, Färberei und Textilmanufaktur 1811

10

Altes Rathaus 1495, heute Heimatmuseum, mit Veränderungen um 1610 und 1865 mit Löwe als Wappenträger, ursprünglich gestiftet 1585anläßlich der Hochzeit zwischen Graf Wolfgang von Ysenburg-Ronneburg mit Ursula zu Gleichen-Remda

11

Erstes Herrschaftliches Wirtshaus (am Marktplatz links)

12

Hinterhaus: Ehemaliger Sitz des gräflichen Forstmeisters

13

Schloß, ursprünglich staufische Wasserburg, Schloß des Grafen / Fürsten zu Ysenburg  und Wächtersbach 1687 - 1939

14

Gingko-Baum, gegenüber Tulpenbaum

15

Pyramiden-Eiche

16

13 Grabsteine der gräflichen Familie Ysenburg - Wächtersbach, bis 1938 in der Kirche. Rechts Keller eines ehemaligen Gebäudes, mehrere Teiche

17

Ehemalige gräflich-ysenburgische Rentkammer 1735

18

Ehemaliger gräflicher Marstall von 1718 (westlich des Schlosses).

Rundgang um die Schloßmauer (heute Gelände der Brauerei)

19

Prinzessinenhaus: Wohnsitz der ledigen Schwestern des Regierenden Grafen

(schöne Tür auf der Schloßseite)

20

 

Fürstliche Brauerei (seit 1578), ehemalige Brauerei-Gaststätte „Braustübel“.

Rechts in der Straße schönes Fachwerkhaus. Weiter nach rechts in die Pfarrgasse. Links Haus von 1712

21

Standort des ehemaligen Obertors, erbaut um 1500, Wappen von 1514, Abriß 1803.

In der Herzgrabenstraße rechts Ecke der Stadtmauer. Straße Obertor: rechts Nummer 27 Haus von 1774, Nummer 21 „Anno 1712 J. Eichhorn“

22

Ehemaliger Adelshof von Hatzfeld, von 1885 - 1913 evangelischer Kindergarten und Augusten-Hospital.  Zurück zur Straße „Obertor“ und „Pfarrgasse“

23

Ehemaliges evangelisches Pfarrhaus mit Pfarrhof und Scheune

24 

Hofapotheke 1731, in diesem Gebäude seit 1820

25

Städtisches Hospital, 1537 Spitalhof, 1681 Spital

26

Postbotenstelle (Anfang 19. Jahrhundert)

27

Evangelische Kirche, Marienkapelle 1354, Turm: Teil der Stadtbefestigung 1514. Aufgang zur ehemaligen Lateinschule und Lehrerwohnung (1703 - 1904).

28 

Alte Stadtschule   von 1838, heute Vereinsheim mit Kulturkeller

29

Stadtmauerreste entlang des Herzgrabens

30

Stadtnmauer mit Halbrundturm

31

Ysenburgische Grablege auf dem alten Friedhof

32

Kaiserliche Posthalterei (Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts) in der Bahnhofstraße

33 

Synagoge (1855 – 1938), jüdische Religionsschule und Ritualbad (1910 - 1933)

34

Evangelisches Gemeindehaus mit Kindergarten in der Poststraße

35

Katholische Kirche im Kapellenweg

36

Evang. Pfarrhaus, Rektorschule (1904 - 1939) in der Friedrich Wilhelm-Straße

 

 

Der Panoramaweg:

Der Wächtersbacher Panoramaweg verbindet die Stadtteile an Bracht und Kinzig und bietet deutlich mehr Idylle, als man ihm auf den ersten Blick zutrauen würde. Los geht der 20 Kilometer lange Marsch am Bahnhof der Kernstadt, markiert ist er durchgehend mit einem roten Teufelchen oder einem „P“ derselben Farbe. Nach ein paar mittelattraktiven Straßenzügen ist oberhalb der Altstadt schon der erste Aussichtspunkt erreicht. Weit schweift der Blick kinzigaufwärts über Neudorf und Salmünster bis Alsberg. Dann geht es hinunter zum Schloss durch die fachwerkreiche Innenstadt und am gegenüberliegenden Hang wieder bergauf. Auf halber Strecke nach Hesseldorf das nächste Panorama. diesmal auf die bewaldeten Spessarthöhen im Süden. Vor Weilers wird die Bracht überquert, schon wieder geht es danach hinauf zum Hang über Neudorf. Belohnung ist die nächste Fernsicht, nun nach Westen Richtung Bieber­gemünd. Hinter der Eisenbahnunterführung folgt ein wunderschöner Abschnitt durch die Auen und den romantischen Weiler Kinzighausen.

Der letzte Aufstieg ist am Ortsrand von Aufenau zu bewältigen. Oben angekommen, stört dort nur der unglaublich hässliche Betonkirchturm den Blick übers Brachttal auf den Vogelsberg. Dafür zieht sich der nächste Kilometer der Wanderung durch eine traumhafte Weidelandschaft, die ganz gern auch mal von den Störchen aus dem Tal besucht wird.

Das letzte Stück Panoramaweg verläuft an der Straße und durch ein Industriegebiet.

Man kann aber auch ab Aufenau-Kindergarten mit dem Bus zum Bahnhoffahren.

 

 

Neudorf

Katholisch/evangelische Johanniskirche:

Am westlichen Rand von Aufenau geht die Straße nach Hesseldorf. Sie führt nach Neudorf.

Östlich der Straße liegt das malerische Heimatmuseum, früher wohl eine Schule oder so etwas. Auf dem erhöht liegenden Kirchenplatz liegt an der Ostseite der Straße die moderne Kirche. Hier entstanden von 1960 ‑ 1962 ein fünfeckiger Kirchenraum für die evangelische und ein rechteckiger für die katholische Gemeinde. Beide Kirchenräume in einem stumpfen Winkel aneinandergesetzt. Der davor liegende Vorhof ist über eine Freitreppe durch den Torbogen unter dem gemeinsamen freistehenden Spitzglockenturm zu er­reichen. Die den gesamten Kirchenbau umlaufende Gesimskante betont symbolisch das Band, das beide christlichen Gemeinden umschließt. Die Außenmauern der Räume des Gotteshauses wurden aus Ziegelstein errichtet. Zur Ausstattung der Kirche gehören ein barockes Kreuz, das über dem Altar hängt, und eine Orgel der Firma Bosch (Sandershausen). Eine elektronische Orgel steht der Kirchengemeinde zur Begleitung des Gesanges zur Verfügung. Über Weilers und Hesseldorf kann man wieder nach Wächtersbach zurückfahren (Die Wanderung in Frankfurt II, Seite 90, lohnt sich nicht).

Alte Weide bei Neudorf: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 131.

Lange Wiese bei Weilers: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 138.

Sterzwiesen bei Hesseldorf: Naturschutzgebiete in Hessen, Bands I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite  151).

 

Schlierbach siehe  Vogelsberg

 

Kulturwege Wächtersbach (Hühnerhof) siehe Vogelsberg
 

Rundfahrt: Autobahn Wächtersbach, Richtung Stadt fahren, vor der Stadt nach links Richtung Wittgenborn. Man wird westlich um die ganze Stadt herumgeführt, am Globus und der Wächtersbacher Messe vorbei, dann erst ein Stück nach Osten und dann links ab. Am Schloß vorbei geht es steil bergauf nach Wittgenborn. Dort rechts nach Spielberg (eigene Datei) und weiter nach Streitberg. Hier ist man auf einer Hochfläche mit prächtiger Aussicht. In Streitberg geht es nach Westen weiter nach Leisenwald (im Herbst ist dort Hochzeitsmarkt) und Waldensberg (eigene Datei). Weiter südlich liegt dann der Große Weiher nördlich von Witt­genborn. An der Ostseite der Straße liegt ein kleiner Parkplatz. Am Weiher ist eine uralte Eiche, auf der anderen Seite stehen die Gebäude des Weiherhofs. Es gibt einige Badestellen. Die Rückfahrt geht wieder nach Wächtersbach oder über Breitenborn nach Gründau.

 

 

Wächtersbach  nach Gelnhausen

 

Gelnhausen-Haitz (nördlich der Kinzig):

Die im Jugendstil gehaltene evangelische Dankeskirche in Gelnhausen-Haitz wurde in den Jahren von 1908 ‑ 1909 erbaut mit einer Kanzel, die aus der Kirche von Meerholz stammt und im Barockstil erbaut ist.

 

Wirtheim (nördlich der Kinzig)

Der Ort wird 976 erstmals erwähnt und 1442 befestigt. Er ist ein ehemaliges Zentgericht.

Eine alte Ortsbefestigung gibt es vom Grashain zur Bahnhofstraße (Nordrand des Ortes).

Rundwege gibt es zur „Wüstung Hergersfeld“ und zum  „Ringwall Alteburg“ (Von Kassel in Richtung Alteburg, weiter nach Hergersfeld, zum Wirtheimer Kringel und zurück nach Kassel).

 

Schloß:

An der Bundesstraße 40 steht an einer gefährlichen Engstelle  des Ortsteiles Wirtheim der neuen Gemeinde Biebergemünd das Schloß Wirtheim. Ein Vorgängerbau ist als Herrensitz des Martin von Forstmeister  1426 urkundlich bezeugt. Um 1500 geht das Haus in den Besitz derer von Lauter über. Der heutige zweigeschossige Steinbau mit dem hohen Satteldach wurde nach 1580 errichtet.

In den Jahren 1717 bis 1720 entstanden in dem runden Treppenturm mit spitzem Helm das Portal mit dem  Allianzwappen der Familien von Forstmeister (Wolfsangel) und von Schleif­ras (Kreuz der Kreuzfahrer, Beil, Kesselhaken, Grafenkrone), die großen Rechteckfenster im Obergeschoß und der erkerartige Anbau. Die Innerräume erhielten hölzerne Wandvertäflungen und Stuckdecken.

Im Jahre 1582 kauften die Forstmeister  das Haus wieder zurück. Im Jahre 1717 ist es Wohnung des Freiherrn Johann Friedrich von Forstmeister. Aufgrund von unvollständigen Unterlagen wurde festgestellt, daß das Schloß 1794 an Kurmainz überging. Später kaufte es Hugo von Forstmeister zu Geln­hausen. Im Jahre 1808 trat er das Schloß an den Pfandinhaber von Waldbott‑Bassenheim ab. Es wurde im gleichen Jahr an 18 Wirtheimer Einwohner zum Preis von 17.800 Gulden wei­terverkauft. Die heutigen Besitzer Jäger, Rieger, Schamp und Groß sind jeweils Inhaber einer Eigentumswohnung. Eine Besichtigung ist nicht möglich. Das Schloß wurde 19987 bis 2001 sehr schön renoviert.

 

Katholische Kirche „St. Peter und Paul“:

Die Pfarrkirche ist neben der Martinskirche in Bad Orb eine der ältesten Kirchen des Gebiets. . Außer einer urkundlichen Erwähnung in den Jahren 976 und 1148 wird im Jahre 1386 die Kirche anläßlich eines Stellentausches zwischen dem Rektor und Kaplan, Graf Reinhard von Hanau und seinem Bruder, dem Domherrn und Erzdiakon Ludwig von Hanau, genannt. In seinem Werk: „Die Bau‑ und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel“ benennt Bickell die Kirche als Pfarrkirche „Zum heiligen Kreuz“, gemeint ist damit wohl nicht die eigentliche Kirche, sondern eine heute nicht mehr vorhandene Seitenkapelle. Sie diente in früheren Kriegszeiten als Wehrkirche, worauf die höher gelegene Pforte zum Turm und die Schlitzscharten hinweisen, ebenfalls die zum Teil abgetragene hohe Umfassungsmauer des Kirchhofs.

In den Jahren 1861/62 erfolgte ein Umbau der Kirche unter Beibehaltung der Umfassungsmauer. Der im 14. Jahrhundert erbaute Turm wurde auf 27 Meter erhöht. Im Jahre 1910 wurde gegenüber dem Glockenturm an der Nordseite eine Sakristei angebaut. Im Jahre 1936 wurde die Kirche erweitert, die 1910 erbaute Sakristei abgerissen und dafür ein geräumiges Seitenschiff angebaut. Den Chorraum rückte man weiter nach Osten heraus und baute die neue Sakristei an den Glockenturm an. Die Aufgänge zur Empore wurden außen abgerissen und nach innen verlegt. Eine erneute Renovierung der Kirche erfolgte in den Jahren 1970 /  1971, am Haupteingang wurde ein Windfang angebaut, der Aufgang zur neuerbauten Empore wurde verlegt. Der gesamte Chorraum wurde neu gestaltet, alle Fenster erhielten eine neue künstlerische Verglasung.

Im Jahre 1970 wurde der bisherige Hochaltar durch einen schlichten steinernen Altartisch er­setzt. Auch die Kanzel aus dem Jahre 1685 wurde aus der Kirche entfernt. Aus dem Schalldeckel wurden zwei S‑förmig geschwungene Holzstreben herausgelöst und zu einem Lesepult umgearbeitet. Links und rechts an den Wänden des Chores befinden sich die Standbilder der beiden Kirchenpatrone. Eine besondere Kostbarkeit ist die Kreuzigungsgruppe im Chor, die 1520 entstanden sein dürfte. Von dieser Kreuzigungs­gruppe weiß man, daß sie noch 1895 an der Außenmauer der Kirche angebracht war, wie uns eine historische Aufnahme von Bickell zeigt. Daher kommt auch – nach einem Vorschlag von Bickell - der Name: „Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz“. Im Zuge der letzten Renovierung wurde diese Kreuzigungsgruppe zu einem Lebensbaum umgestaltet.

Im Seitenschiff steht der kostbare Marienaltar aus dem Jahre 1683, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Marienaltar in Bad Orb hat. Ein beachtenswertes Kunstwerk aus der Renaissancezeit ist das Schnitzwerk „Der Höllensturz“: St. Michael als Seelen­wärmer, der Erzengel in Beinschienen und Schuppenpanzer, in der Darstellung eines antiken Helden mit Schwert und Waage, der den gehörn­ten und geschwänzten Satan in die Hölle hinabstößt. Dieses Werk stammt aus der Kapelle von Alsberg. Die auf der Empore stehende barocke Orgel stammt aus dem Jahre 1737 und wurde in der Mitte des vorigen Jahrhunderts aus der Pfarrkirche zu Oberndorf übernommen. Bei den letzten Renovierungsarbeiten der Kirche erhielt die Orgel einen neuen, seitlich stehen­den Spieltisch und wurde völlig modernisiert. Unter der Empore hängen an den Seiten­wänden die Kreuzwegstationen.

 

Alteburg bei Wirthheim:                                                                              Führungsblatt 107

Verwirrend ist, daß im Gebiet von Biebergemünd gleich vier Berge „Alte Burg“ heißen: Die Wallanlage „Alteburg“ bei Wirtheim, der Berg „Alteburghöhe“ östlich von Kassel, die keltische Ringwallanlage Alteburg“ über dem Kasselbachtal und die „Altenburg“ in Richtung Bad Orb. Dazu kommt noch, daß auf der Karte der Apfel- und Ostwiesenroute die Wallanlage bei Wirtheim als „Keltischer Ringwall“ (Nummer 4) bezeichnet wird, obwohl es sich dabei um eine mittelalterliche Anlage handelt.

Wenn man von der Autobahnabfahrt Gelnhausen-West kommt, biegt man in Wirtheim nicht gleich nach rechts in Richtung Flörsbachtal ein, sondern fährt noch ein Stück weiter und dann rechts ab und wieder nach links, um an den Fuß der Wallanlage zu kommen.

Oberhalb des Ortskernes von Wirtheim schiebt sich zwischen den Kinzigzuflüssen Bieber und Hirschbach der Bergsporn „Vordere Alteburg“ in das Kinzigtal vor und bildet eine seiner Randhöhen. An seinem westlichen, dem Kinzigtal zugewandten Hang, unterhalb der Kuppe, liegt die namengebende kleine Wallanlage Alteburg, die wegen ihrer fast kreisrunden Form im Volksmund auch als „Ringsel“ oder „Kringel“ bezeichnet wird.

Die rundliche, aus mehreren geraden Wallabschnitten mit stumpfwinkliger Knickung erbaute Befestigung hat einen Gesamtdurchmesser von rund 90 Metern, der Innenfläche von 70 - 75 Metern, und umschließt, von Krone zu Krone des insgesamt 260 Meter langen Walles gemessen, eine Fläche von 0,51 Hektar. Mit den anderen vor- und frühgeschichtlichen Ringwällen im Bereich des Biebertales (Hainkeller, Alteburg bei Kassel, Burgberg bei Bieber) ist sie also schon von Lage und Größe her nicht zu vergleichen.

Dem Wall, ursprünglich eine Mauer unbekannter Konstruktion aus dem anstehenden Buntsandstein, war ringsum ein Graben - mutmaßlich mit kleinem Außenwall - vorgelegt, der an der Ostseite am deutlichsten erhalten, sonst großenteils verebnet ist. Durch die natürliche Erosion bedingt, erhebt sich der Wall auf der Westseite noch bis 2,50 Meter Höhe über das Vorgelände, im Osten nur noch wenige Dezimeter; entsprechend ist die Innenböschung im Osten noch bis ein Meter, im Westen nur ganz flach erhalten.

Das Tor liegt im Westen an der Talseite nahe der Südwestecke. Die Mauerenden - heute stark beeinträchtigt und teilweise zerstört - waren etwa 6 Meter eingezogen, was dafür spricht, daß sich über ihnen ein Torturm erhob. Im Innenraum befinden sich terrassenförmig übereinander mehrere Stufenraine, die nichts mit der ursprünglichen Anlage zu tun haben, sondern von ackerbaulicher Nutzung nach Aufgabe der Befestigung stammen. Eine Vorbefestigung auf dem Bergrücken war nicht vorhanden; der dort von Thomas beobachtete schwache Wall parallel dem Berghang geht ebenfalls auf Ackerbau zurück.

Die einzelnen Elemente der Bauart - Funde fehlen bisher - zeigen, daß die Alteburg in das frühe Mittelalter gehört und im 8. - 10. Jahrhundert entstanden ist. Ihre nicht sehr verteidigungsgünstige Lage am Hang weist darauf hin, daß sie nicht in erster Linie als Befestigung errichtet worden ist. Sie ist direkt auf den Ort Wirtheim bezogen, zu dem hin auch ihr Tor ausgerichtet ist.

Wirtheim war eine fränkische Gründung, wenn es auch erst drei Jahrhunderte später erstmals urkundlich genannt ist. Damals, im Jahre 976, schenkte Kaiser Otto II. aus seinem königlichen Besitz die Orte „Wertheim, Cassele, Hosti [Wirtheim, Kassel und Höchst] im Gau Kinzig und in der Grafschaft des Grafen Heribert“ an das Stift St. Peter und Alexander in Aschaffenburg. So könnte die Alteburg als befestigter Verwaltungssitz für das Königsgut in diesem Raum und wohl auch zur Sicherung der wichtigen Straßenverbindung gedient haben, die später als Frankfurt-Leipziger Handelsstraße („des Reiches Straße“) ihre größte Bedeutung erlangte. Sie liegt genau in der Mitte zwischen Mainz und Fulda.

 

Gelnhausen-Höchst (südlich der Kinzig)

Kulturweg Gelnhausen-Höchst: „An alten Handelsrouten und neuen Straßen“ (4 Kilometer)

(1) Gasthaus „Zum Hirschen“: Der Rundweg beginnt in der Hauptstraße, die von der Leipziger Straße nach Südosten abzweigt, beim Gasthaus „Zum Hirschen“ und dem ehemaligen Gasthaus „Stern“ nahe der Trasse der Chaussee des 18. Jahrhunderts. Hier wurden Durchreisende auf der Handelsstraße Frankfurt - Leipzig beherbergt. Der Rundweg führt von der heutigen Hauptstraße hinauf bis an die Wendelinuskapelle und führt dann mit schönem Blick auf den Ort unterhalb des Waldes entlang. Danach biegt er ab zurück in den Ort, wo über eine Seitenstraße der Ausgangspunkt wieder erreicht wird.

 

(2) Der Ortskern: Im „Alten Rathaus“, das in seiner jetzigen Form in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet wurde, befand sich der Sitz des Bürgermeisters, eine Halle für die Handdruckspritze der Feuerwehr mit der bemerkenswerten Seriennummer 112 und der Schlauchturm. Das Ensemble von Fachwerkbauten auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist Ausdruck eines nach den verheerenden Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges allmählich wieder zu bescheidenem Wohlstand gekommenen Bauernstandes. Zeichen hierfür sind vor allem die relative Größe und handwerkliche Ausführung der Fachwerkbauten aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ab dem frühen 19. Jahrhundert führte die Erbsitte der fränkischen Realteilung allmählich zur Zersplitterung der Güter und zur Teilung der Gehöfte.

Die katholische Kirche St. Wendelinus in Gelnhausen-Höchst wurde in den Jahren 1964 - 1966 errichtet anstelle einer 1892 / 1893 errichteten Kirche.

Ihren Spitznamen „Reelinge“ haben die Höchster von den Fröschen, die früher im Kinzigtal in großen Mengen vorkamen. Ihnen ist heute am Dorfbrunnen in der Ortsmitte ein kleines Denkmal gesetzt.

 

(3) Die Wendelinuskapelle (beim Friedhof): Der vorgeschichtliche Handelsweg verlief oberhalb des Kinzigtals; um den weichen Talboden zu vermeiden, der das Vorwärtskommen erschwerte. Die Wendelinuskapelle nimmt hier die Funktion eines Rastplatzes ein, zumal nur wenige Meter unterhalb ein Brunnen entspringt.

Aus Dankbarkeit dafür, daß eine im Jahre 1415 im Kinzigtal verbreitete Viehseuche die Gemeinde Höchst nicht im schlimmsten Ausmaße traf, wurde außerhalb des Ortes eine Kapelle zu Ehren des Heiligen Wendelinus gebaut. Die Kapelle verfiel in der Reforma­tionszeit, wurde aber später wieder neu errichtet und mit dem Einbau einer kleinen Empore im Jahre 1701 erweitert. Die erste heilige Messe wurde am 9. August 1707 ge­lesen. Die Wendelinuskapelle selbst wird heute nicht mehr zu gottesdienstlichen Zwecken benutzt. Alljährlich findet hier jedoch am Wendelinusfest vor der Kapelle eine feierliche Andacht mit Predigt statt.

Neben dem Gebäude gibt es weitere Überreste aus der Vergangenheit: Steinfliesen, die bei der Renovierung der Kapelle entdeckt wurden, stammen aus dem späten 14. Jahrhundert. Der in der Nähe stehende Steinkreuztorso ist nicht datierbar, sollte aber aus der mittelalterlichen Epoche stammen. Die ältesten Relikte von Höchst sind  also hier am oberen Dorfrand zu finden - eine Folge der Entwicklung entlang der Kinzigstraße.

 

(4) Blick auf Höchst: Der Weg geht um den Friedhof herum und dann am Waldrand entlang. Der Blick auf Höchst ist auch ein Blick auf stark frequentierte Verkehrsstraßen, die den Ort an  den Rand zu drängen scheinen. Aus dem alten Handelsweg Frankfurt-Leipzig ist mittlerweile eine der Hauptverkehrsadern von West nach Ost und umgekehrt entstanden, die Autobahn A 66.

 

 

Gelnhausen

 

 

Die Barbarossastadt Gelnhausen wurde im Jahr 1170 gegründet. Viele bedeutende Baudenkmäler künden dem Gast von dieser langen Zeit, doch auch das Bummeln durch Straßen und Gassen oder über die Plätze macht die hier erlebten Höhen und Tiefen der Geschichte deutlich. Heute ist Gelnhausen der kulturelle und wirtschaftliche Mittelpunkt des Kinzigtales und so ein vielfältiges Zentrum von Industrie. Bildung und Kultur. Als Einkaufsstadt für das ganze Kinzigtal. den südlichen Vogelsberg und den Nordspessartbereich bieten Fachgeschäfte, Boutiquen, Galerien aber auch große Kaufhäuser ein breitgefächertes und mehr als zufriedenstellendes Angebot. Restaurants, Cafés und Bistros sorgen für das leibliche Wohl und Veranstaltungen aller Art, Museen, Ausstellungen und Kinos bieten kurzweilige Unterhaltung.

 

Zeittafel:

 976

Erste urkundliche Erwähnung des Ortsteils Höchst

1133

Erste urkundliche Erwähnung Gelnhausens, 1151 wieder genannt

1158

Das Erzstift Mainz erwirbt das „castrum Gelenhusen“ (am Platz der Pfalz?)

1170

Gründung der Stadt durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa

1173

 Erste urkundliche Erwähnung der Ortsteile Haitz, Meerholz und Roth

1180

 Reichstag zu Gelnhausen

1180

Prozeß Barbarossas gegen seinen Vetter Heinrich den Löwen

1182

Kaiser Friedrich II. verlegt den Marköbeler Markt nach Gelnhausen

1207

Erste urkundliche Erwähnung des Ortsteils Hailer

1226

Die Reichsstädte der Wetterau, die politisch und wirtschaftlich eng mit Gelnhausen verbunden sind, schließen sich zu einem ersten Städtebund zusammen

1330

Ludwig der Bayer erlaubt den Bau eines Kaufhauses, spätere Rathaus

1349

Verpfändung von Stadt und Pfalz durch den späteren Kaiser Karl IV.

1502

Kurfürstentag in Gelnhausen

1506

Erste Erwähnung des historischen Dr. Faust in Gelnhausen

1543

Reformation, die Marienkirche evangelische Stadtpfarrkirche

1622

Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen wird geboren

1634

Verwüstung und Plünderung der Stadt währen des Dreißigjährigen Krieges

1635

Pest in Gelnhausen

1685

Wegen Pest und Hungersnot nur noch 200 Einwohner in Gelnhausen

1736

Brand des Rathauses am Obermarkt, Hageltag

1803

 Gelnhausen ist keine Reichsstadt mehr, gehört zum Großherzogtum Frankfurt

1815

Gelnhausen wird dem Kurfürstentum Hessen‑Kassel angeschlossen

1821

Gelnhausen wird Kreisstadt

1834

Philipp Reis in Gelnhausen geboren. Im Jahre 1861 führt er als erster die Telephonie vor (Übertragung der Stimme mit Hilfe galvanischen Stroms)

1866

Im Verlauf des „Deutschen Krieges“ werden das Kurfürstentum Hessen und Gelnhausen dem Preußischen Staat einverleibt

1868

Eröffnung der Eisenbahn Hanau - Fulda. Gelnhausen bekommt einen Bahnhof, 1882 Bau des Bahnhofgebäudes

1899

Gelnhausen ist eine der ersten Städte mit elektrischer Straßenbeleuchtung

1901

Elektrizitätswerk in Gelnhausen, 224 Haushalte mit elektrischem Strom

1907

Neues Landratsamt wird in Betrieb genommen

1935

Baubeginn der Kaserne in Gelnhausen

1938

Auflösung der seit dem Mittelalter bestehenden jüdischen Gemeinde

1945

Gelnhausen wird amerikanische Garnisonsstadt

1952

 Das erste vereinseigene Flugzeug des Aero Club Gelnhausen steigt auf

1970

 Zusammenschluß von Gelnhausen, Haitz und Roth

1971

Zusammenschluß mit Hailer

1974

 Zusammenschluß mit Höchst und Meerholz

1974

Verlust der Kreisstadtrechte, Bildung des Main‑Kinzig‑Kreises. Der Verwaltungssitz des neuen Main-Kinzig-Kreises wird Hanau (heute: Gelnhausen)

1984

Eröffnung der Stadthalle

1986

Die ehemalige Synagoge wird als Kulturzentrum eröffnet

1991

Das amerikanische Militär verläßt Gelnhausen

1994

Gelnhausen eine Einwohnerzahl von 21.400 (Stand 1994)

1995

Gelnhausen feiert den 825. Jahrestag der Verleihung der Stadtrechte

1996

Gelnhausen ist Stadt des 36. Hessentages

 

Geschichte:

Schon in der Zeit der Franken war das Kinzigtal besiedelt. Ein Grund dafür war sicherlich die günstige Querverbindung -(mittels einer Furt durch die Kinzig - zwischen der Birkenhainer Straße im Spessart und der Reffenstraße im Norden der späteren Stadt Gelnhausen. Die Siedlung „Geilenhusen“ wurde erstmals 1123 in einer Urkunde des Klosters Banz erwähnt, in der es um eine Grenzfestlegung im Jahre 1060 ging. Also mußte diese Siedlung um 1060 schon über das Kinzigtal hinaus bekannt gewesen sein.

Um 1108 tauchten zum ersten Mal die Grafen von Gelnhausen auf, denn ein Graf Dietmar von Gelnhausen stiftete in diesem Jahr das Kloster Selbold. Diese Grafen (die sich auch zeitweise Grafen von Selbold nannten) waren vermutlich ein alteingesessenes Geschlecht aus der Gegend um Gründau. Doch schon in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts starben die Grafen von Gelnhausen scheinbar aus, sie werden in keiner Urkunde mehr erwähnt.

Im Jahre 1158 kaufte der Mainzer Bischof die Gelnhäuser Grafenburg (sie muß am Hang über der Stadt gelegen haben) von einem der letzten Angehörigen des Adelsgeschlechts. Der Bischof schien sehr interessiert an dieser Anlage zu sein, da er andere Besitzungen verkaufte, um die nötige Sum­me für die Burg aufzubringen. Gelnhausen war für das Mainzer Bistum so wichtig, da die Kinzig die Grenze zwischen dem mainzischen Besitz im Süden und Reichsbesitz im Norden war. Somit kam der Region um Gelnhausen eine taktisch und handelspolitisch wichtige Stellung zu.

Im Jahre 1165 erwarb Kaiser Friedrich I. Barbarossa die Hälfte der Burg von Gelnhausen als Lehen vom Mainzer Bischof (was zu dieser Zeit absolut nicht üblich war). Zu dieser Zeit wuchs auch die Siedlung an, wobei man von drei dörflichen Siedlungskernen ausgehen kann, aus denen heraus von Friedrich I. die neue Stadt gegründet wurde.

Die Erhebung zur Stadt erfolgte am 25. Juli 1170. Obwohl die Stadtgründungsurkunde nicht mehr erhalten ist, ist aus mittelalterlichen Abschriften bekannt, daß den Einwohnern der neuen Stadt verschiedene Rechte zugesprochen wurden. Alle Einwohner der Reichsstadt Gelnhausen durften im ganzen Reich zollfrei und unter besonderem Schutz des Kaisers reisen, ihren Besitz frei vererben und nur der Kaiser oder seine Vertreter durften in Gelnhausen Recht sprechen.

An diesen Rechten, die der Kaiser den Einwohnern Gelnhausens verlieh, wird klar, daß dadurch Kaufleute in Gelnhausen angesiedelt werden sollten. Dafür war Gelnhausen auch bestens geeignet, da die Stadt an der wichtigsten Handelsstraße zwischen den beiden bedeutenden Messestädten Frankfurt und Leipzig lag.

Da die Kinzig nur bis Gelnhausen schiffbar war, hatte Gelnhausen auch eine wichtige Bedeutung als Umschlagplatz für Waren von der Straße auf das Wasser. Auch der präzise Ausbau der Kellerräume als Material- und Warenlager deuten auf den Plan Friedrichs hin. Gelnhausen zu einer großen und modernen Fernhandelssiedlung auszubauen. Die Stadt vergrößerte sich schnell und es wurden neue Handelsverbindungen geknüpft. Somit florierten Handel und Verkehr und auch der erhoffte Wohlstand blieb nicht aus.

Außerdem wollte Friedrich I. durch die Neugründung von reichsunmittelbaren Städten mittels der Steuern die Einkünfte aus dem königlichen Besitz vermehren. Zur Zeit der Hohenstaufen war Gelnhausen neben Köln und Frankfurt eine der steuerträchtigsten Städte nördlich der Alpen. So verlegte Friedrich II. im Jahr 1220 den traditionsreichen „Köbeler Markt“ nach Gelnhausen, womit die Stadt noch weiter wirtschaftlich aufgewertet wurde.

 

Daß die Stadtgründung Gelnhausens durch Friedrich Barbarossa nicht willkürlich, sondern lange geplant und gut vorbereitet war, sieht man ebenfalls an der Art und Weise des Ausbaus der Stadt. Zusammen mit fähigen Beratern und aufgrund der staufischen Erfahrungen in den modernen oberitalienischen Städten wurde in Gelnhausen ein modernes Kanalsystem angelegt, das gut an die geologischen Voraussetzungen angepaßt war. Dieses, für die Zeit außergewöhnliche Kanal- und Entwässerungssystem mit Holz- und Tonrohren, war auch der Grund, weshalb sich die großen Epidemien des Mittelalters in der Stadt Gelnhausen in Grenzen hielten.

Im Oktober 2014 wurden im Zuge von Bauarbeiten auf dem Gelände der früheren Gärtnerei Haldy mittelalterliche Entwässerungsgräben, Keller und andere Siedlungsspuren freigelegt.

Die Besiedlungsspuren stammen aus dem zwölften Jahrhunderten, das heißt aus der Zeit der Stadtgründung oder vielleicht auch schon davor. Gelnhausen war zu dieser Zeit größer als gedacht, wohl noch bedeutender als es ohnehin schon damals war und es ist möglicherweise auch schon älter als gedacht. Die Grabungsstelle lag damals innerhalb der Stadtmauern.

Man fand allerdings nur Erdverfärbungen, die durch von Menschen verursachte Löcher entstehen. Dort, wo ein Loch ist, kommt andere Erde rein und das kann man noch Jahrtausende später erkennen. Die Erdfärbungen auf Holz, wie etwa von Fachwerkhäusern, lassen darauf schließen, daß sie aus dem zwölften oder 13. Jahrhundert stammen.

Es war bereits zuvor bekannt, daß die Stadt Gelnhausen über ein hervorragendes Wassersystem verfügte. Es handelte sich bei hiesigen Kanälen um offene Rinnen, die vom zwölften bis zum 14. Jahrhundert funktionstüchtig waren. In der Innenstadt dürften die Kanäle gedeckt gewesen sein. Weshalb der Kanal aufgegeben wurde, ist nicht genau bekannt. Jedoch zeigten Spuren, daß es im 13. Jahrhundert einen Stadtbrand in diesem Viertel gegeben haben muß. Verziegelte Lehmstücke an den Kellerwänden zeugen noch heute davon. Möglicherweise hängt es mit dem Brand zusammen, daß der Kanal aufgeben wurde.

Ebenfalls interessant für Archäologen sind die Keramikscherben, botanische Funde oder Tierknochen. Dadurch kann man sehen, wie die Menschen damals gelebt haben. So läßt Getreide Rückschlüsse auf die Art des Ackerbaus zu dieser Zeit zu, durch die Analyse der Keramikscherben kann auf die Herkunft der Waren geschlossen werden, wodurch sich Handelsbeziehungen erschließen.

 

Mit dem Ausbau der Stadt ging auch der Ausbau der Kirchen, der Stadtbefestigung und anderer öffentlicher Bauten einher. Auch vermehrten sich Gründungen gewerblicher Art, so entstanden Brauhäuser und im Jahr 1330 erhielt die Stadt das Recht, ein Kaufhaus zu errichten.

Die Gründung der Stadt Gelnhausen hatte auch für die Staufische Reichspolitik eine große Bedeutung. Nachdem Friedrich I. den staufisch-welfischen Konflikt für sich entscheiden konnte und 1152 zum König gewählt wurde, bestand seine wichtigste Aufgabe in der konsequenten Erweiterung der königlichen Machtstellung im gesamten Reichsgebiet gegenüber den Fürsten und vor allem der Kirche. Dies erreichte er durch die Ausweitung seiner Besitz- und Herrschaftsansprüche (Über den Prozeß gegen Heinrich den Löwen im Jahr 1180 siehe unten).

Eine wichtige Rolle bei dieser Politik spielte die Wetterau, in der Friedrich eine planmäßige Städte- und Burgenpolitik betrieb (Frankfurt, Friedberg, Wetzlar, Gelnhausen). Diese Städte stellten die organisatorischen Mittelpunkte für das umliegende Reichsgut dar. Die Gründung

der Mainlinie zwischen Eger und Frankfurt bei, deren Wichtigkeit Friedrich I. schon erkannt hatte. Auch Gelnhausens zentrale Lage im Heiligen Römischen Reich spielte keine geringe Rolle bei der staufischen Städtepolitik. So fanden seit 1180 mehrfach wichtige Reichstage in Gelnhausen statt.

Im Großen und Ganzen war die Zeit zwischen 1170 und 1349 für Gelnhausen eine Zeit der wirtschaftlichen Blüte. auch wenn Gelnhausen nach dem Niedergang der Staufer in der

Mitte des 13. Jahrhunderts seine herausragende Bedeutung als Aufenthaltsort der deutschen Könige und Kaiser verlor. Im Jahre 1254 schloß sich die Stadt mit verschiedenen Städten

zum „Rheinischen Städtebund“ zusammen und gründete innerhalb dieses großen Bundes zusammen mit Frankfurt. Friedberg und Wetzlar den „Wetterauischen Städtebund“, der zwischen 1265 und 1381 wirksame Schutzfunktion erfüllte.

Der spätere Kaiser Karl IV. war der erste Herrscher, der sich um den Niedergang der Stadt „verdient“ machte. Seine aufwendige Hofhaltung und Kriegszüge gegen seinen Gegenkönig Günther von Schwarzburg führen dazu, daß er im Jahr 1349 die Steuern und Abgaben aus Stadt und Pfalz Gelnhausen verpfändet. Im Jahr 1435 erwerben die Grafen von Hanau einen Teil der Pfandherrschaft. Als unmittelbare Nachbarn versuchten diese natürlich, Gelnhausen in ihr Hoheitsgebiet einzuverleiben. Zwar gelang dies nicht, doch spätestens seit den Zerstörungen der Stadt im Dreißigjährigen Krieg, hatte Gelnhausen seine Bedeutung als mittelalterliche Kaiserstadt verloren. Bis zum Reichsdeputationshauptschluß von 1803 konnte sich Gelnhausen nicht mehr aus der Pfandherrschaft lösen und verlor nun alle Rechte als Reichsstadt. Die glanzvolle Epoche war nun endgültig vorbei.

 

Gelnhausen wurde von Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Rahmen seiner Reichslandpolitik in der Wetterau gegründet. Von Anfang an sollte die Stadt den imperialen Anspruch des Herrschers ausdrücken. Da neben der Handelsstraße von Frankfurt nach Leipzig sich in Gelnhausen weitere wichtige Verkehrswege kreuzten und die Kinzig bis hierher schiffbar war, wurde der Handel in der Stadt gefördert. Das führte dazu, daß Gelnhausen schon im 13. Jahrhundert zu den großen und kapitalkräftigen Städten des Reiches gehörte, da sich viele reiche Kaufleute hier niederließen.

Dieser Reichtum machte sich auch im Stadtbild bemerkbar. Das mittelalterliche Gelnhausen war geprägt von großen, massiven Steinhäusern. Fachwerkhäuser waren in der Minderzahl, konnten doch die Kaufleute ihre Waren sicher vor Brand und Diebstahl in den Steinbauten einlagern. Der Obermarkt, wo sich die Straßen trafen, wurde zum Zentrum der planmäßig angelegten Stadt.

Daß Gelnhausen heute durch Fachwerkhäuser geprägt ist, liegt daran, daß man die Handelsstraßen auch als Heerstraßen nutzte und während des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) Gelnhausen mehrfach von plündernden Söldnertruppen überfallen und gebrandschatzt wurde. Diese Zerstörungen, Hungersnöte und Seuchen führten dazu, daß die Stadt zeitweilig nahezu unbewohnbar und entvölkert war. Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausen schildert die Verwüstungen Gelnhausens in seinem Roman „Der abenteuerliche Simplicissimus“ auf drastische Weise.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg kamen nur langsam wieder Menschen nach Gelnhausen, da es aber keine kaiserliche Förderung wie im Mittelalter gab, kamen nun arme Bauern und Hand­werker aus der Umgebung hierher, um auf den alten Keller- und Sockelgeschossen der zerstörten Bauten ihre einfachen Fachwerkhäuser zu errichten.

Im Jahre 1611 zählte man in der Stadt 498 Steuerzahler und 36 Adelige und andere Standespersonen. Einunddreißig Jahre später gab es nur noch 40 Bürger! Selbst vierzig Jahre später. in den Jahren 1670 / 1672 zählten die Geschoßbücher (eine Art Vermögenssteuerliste) nur 232 Steuerzahler. Das Wirtschaftsleben der ehemals so prächtigen Reichsstadt Gelnhausen war nach dem Krieg vollkommen niedergeschlagen. Die das Stadtbild prägenden Bauten wie die Marienkirche, die ehemaligen Klosterhöfe, die steinernen Bürgerhäuser und das Rathaus verwahrlosten, auch der Kaiserpfalz vor der Stadt ging es nicht besser.

Im Jahre 1700 begann sich das Leben in der Stadt mit wachsender Bevölkerungszahl und Aufbauwillen langsam zu erholen. An Stelle der reichen Kaufleute des Mittelalters waren allerdings nun Handwerker und Bauern aus der Umgebung in die Stadt gezogen. Auf die Sockelgeschosse der zerstörten Steinbauten wurden einfache Fachwerkgeschosse gesetzt, um wieder ausreichend Wohnraum zu schaffen. Meist waren es rein konstruktive Fachwerke, die anschließend verputzt wurden, auch um einen Steinbau vorzutäuschen.

Die seit dem Jahr 1349 bestehende Pfandherrschaft auf Stadt und Pfalz Gelnhausen war inzwischen zum größten Teil an die Hanauer Grafen gegangen. Mit deren Aussterben im Jahr 1736 fiel dieser Teil der Pfandherrschaft an das Haus Hessen- Kassel, das 1746 auch den beim Pfalzgrafen bei Rhein verbliebenen Pfandteil erwarb. Im Jahre 1755 wurde die Stadt von hessischen Truppen belagert und ausgepreßt. Auch im Siebenjährigen Krieg mußten die Gelnhäuser Bürger zahlreiche Truppendurchmärsche erdulden. Hohe Einquartierungszahlen und Kontributionen zehrten zusätzlich an den Finanzen der Gelnhäuser.

Am 25. Februar 1803 wurde Gelnhausen durch den Reichsdeputationshauptschluß dem Kurfürstentum Hessen-Kassel eingegliedert. Mit diesem Datum verlor die Stadt endgültig ihre ehemaligen reichsstädtischen Freiheiten und Rechte. Schon vier Jahre später, am 1. November 1807, wurden Gelnhausen und die ehemalige Grafschaft Hanau dem französischen Kaiserreich einverleibt. Den Franzosen wurden zuerst Sympathien entgegengebracht, da man hoffte, die Stadt erfahre unter französischer Besetzung wieder einen wirtschaftlichen und politischen Aufschwung: das Interesse an der neuen französischen Herrschaft legte sich dann aber bald, weil der städtischen Bevölkerung horrende Abgaben auferlegt wurden. Diese Forderungen vermochte Gelnhausen aber nicht zu zahlen, obwohl der 1811 eingeführte Code Napoleon verschiedene bürgerlich-fortschrittliche Neuerungen wie die Aufhebung der Leibeigenschaft und der ;rundherrlichen Rechte, die Durchsetzung der Gewerbefreiheit und eine rechtliche Gleichstellung der Juden brachte.

Auch in Gelnhausen läßt sich, vergleichbar mit anderen Städten. die französisch besetzt waren ein gewisser französischer Spracheinfluß erkennen. So ist der Gelnhäuser Gehsteig ein „Trottwar“, von der französischen Vokabel „trottoir“ für Bürgersteig abgeleitet. Auch die Straße, die „Schossee“ hat unverkennbar französische Wurzeln.

Während der Jahreswende 1812 / 1813 litt die Bevölkerung unter den nach Rußland marschierenden Soldaten und deren Einquartierungen, auch Napoleon I. und seine Gemahlin Marie-Luise halten sich in Gelnhausen auf. Beim Rückzug der geschlagenen Grande Armee kommt es immer wieder zu Plünderungen und Ausschreitungen.

 

Das bürgerliche Gewerbe wandelte aufgrund der Entwicklung Gelnhausens nach dem Dreißigjährigen Krieg sein Gepräge. Die alten Zünfte der Tuchmacher und Weber waren fast ganz ausgestorben. Das städtische Handwerk hatte sich vollkommen gewandelt. Waren vor dem Dreißigjährigen Krieg die Handwerker auf die durchreisenden Kaufleute hin ausgerichtet (die beiden Schmidtgassen zeugen noch heute von den vielen Schmieden, die es als Servicestationen in Gelnhausen gab), sind es nun eher persönliche Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen. Aus der einstigen Handels- und Gewerbestadt war ein kleines Handwerkerstädtchen geworden.

Eine Liste der gewerbetreibenden und arbeitenden Bevölkerung nennt im Jahr 1825 bei etwa 3.300 Einwohnern 656 arbeitende Personen. Es gibt 76 Schuster, 36 Schneider, 15 Weber und 25 andere im Bekleidungsgewerbe tätige Menschen. Die Bäcker. Metzger und Müller bringen es auf 134 Personen, das Baugewerbe auf 60. Es gibt zu dieser Zeit 19 Schmiede in Gelnhausen. Das Ledergewerbe beschäftigt 22 Menschen, 17 sind Landwirte. 82 werden als Ackerbürger geführt, 41 Bürger führen Spezialgewerbe für den örtlichen Bedarf aus und 129 Tagelöhner komplettieren die Liste. Um 1843 wurden drei Tabakfabriken, eine Papiermühle, zwei Essigsiedereien und eine Spiritus- und Likörfabrik, auf den noch betriebenen Weinbau zurückgehend, betrieben.

In dieser Zeit wurden jährlich fünf Jahrmärkte abgehalten (zum Beispiel für Schuhwaren. Schmiedewaren und Tuche bei denen auch ein reger Austausch mit dem Umland stattfand), daneben gab es zwei Wochenmärkte. Trotzdem darf man sich keine biedermeierliche Handwerkeridylle le vorstellen, besonders im Schuhmacher-. Schneider-, und Metzgerhandwerk arbeiteten die Meister alleine, da sie sich keine Gesellen leisten konnten.

Am 5. März 1816 wurde die kurhessische Zunftordnung erlassen, die die zuvor durch den Code Napoleon erlassene Gewerbefreiheit zurücknahm. So konnten bis 1869 keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten aufkommen und verwirklicht werden.

Die Gewerbepolitik Kurhessens beschränkte die Handwerke für die Dörfer. Dort durften nun nur noch die Berufe der Kleinschmiede, Wagner und Radmacher, Zimmerleute, Schuhflicker. Bauernschneider und Leinweber ausgeübt werden. Zwar halfen diese Beschränkungen den Handwerkern Gelnhausens, indem sie stärker für das Umland produzieren konnten, die Zuzugsbeschränkungen (Ortsbürgerrechte) der Gemeindeordnung machte jedoch die Entwicklung eines vorindustriellen Gewerbes unmöglich.

Im Jahre 1821 wurde der Landkreis Gelnhausen gebildet, und die Kreisbehörden zogen am 1. Januar 1822 von Meerholz in die Stadt Gelnhausen, wo die Kreisverwaltung in einem ehemaligen Klosterhof ihre Heimstatt fand. Der Fachwerkbau wurde etwas irreführend als „Stadt­schreiberei“ bezeichnet.

Als Kreisstadt entwickelte sich Gelnhausen schnell zum Verwaltungs- und Gewerbemittelpunkt der umliegenden Gemeinden. ja bis weit in den Vogelsberg hinein. Deshalb mußte sich die Stadt modernen Gegebenheiten anpassen. Im Jahr 1838 wurde die große Durchgangsstraße durch die Stadt, die immer noch den Verlauf der alten Frankfurt - Leipziger Handelsstraße hatte (und heute noch in der Alten Leipziger Straße nachvollziehbar ist) in die Ebene verlegt. Diese Neue Straße (heute Berliner- und Barbarossastraße, im Volksmund vereinzelt noch „Neue Schossee“ genannt) schmiegte sich an die Südseite des ersten Stadtmauerrings an und sprengte so erstmalig die Grenzen der mittelalterlichen Stadt.

Der neue Kreis Gelnhausen erfuhr vielfältige Gebietsänderungen, zum Beispiel 1830 durch die Eingemeindung von 31 Orten aus dem aufgelösten Kreises Salmünster und die Abgabe von sechs westlich gelegenen Gemeinden an den Kreis Hanau. Im Jahre 1867 wurde der Kreis im Osten erweitert, als 20 ehemalige bayerische Spessartgemeinden - vor allem die Salzstadt Orb - hinzugeschlagen werden konnten.

Dieser Landkreis, der aus den Ämtern Bieber, Gelnhausen (anfangs auch Langenselbold) und Meerholz, isenburgischen Besitzungen um Birstein und dem einstmals bayerischen Landgerichtsbezirk um Orb und dem Joßgrund bestand, existierte bis 1974 und ging mit den Landkreisen Schlüchtern und Hanau im neuen Main-Kinzig-Kreis auf. Zunächst war der Verwaltungssitz Hanau, in Gelnhausen und Schlüchtern waren Hauptverwaltungsstellen als Ausgleich für den jeweils verlorenen Kreisstadtstatus eingerichtet wurden.

Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als sich die aufkommende Gummi-Industrie in Gelnhausen niederließ und wieder ein wirtschaftlicher Aufschwung folgte, konnten die letzten Baulücken aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges geschlossen werden. Der Anschluß an die Eisenbahnstrecke Frankfurt - Bebra tat sein Übriges. Gelnhausen wurde endlich wieder die blühende Stadt, die sie auch heute, rund einhundert Jahre später, noch ist. Durch die Autobahn 66, die einen direkten Anschluß an die Stadt Frankfurt am Main und das Rhein-Main-Gebiet schafft, hat Gelnhausen heute wieder die verkehrsgünstige Situation erreicht, die die Stadt auch schon in mittelalterlicher Zeit geprägt hat.

 

Im Jahre 1866 fiel Gelnhausen aufgrund der Niederlage Kurhessens und dessen Beistand zu Österreich an das aufstrebende Königreich Preußen. So war der Weg frei für den Bau einer Eisenbahnlinie von Frankfurt nach Bebra auf rein preußischem Territorium. Schon zwei Jahre später war die Teilstrecke Hanau - Fulda vollendet, und der neue Bahnhof Gelnhausen wurde eröffnet. Es verzeichnete sich ein Zuzug verschiedener Betriebe in der Region, so kauften die Krupp-Werke die Bieberer Bergwerke und bauten an die Hauptstrecke der Bahn im Jahre 1888 eine Nebenstrecke , die später neben Transport- ab 1895 auch als Personenbahn -nach Gelnhausen diente.

Die Stadt prosperierte zum Verkehrsknotenpunkt verschiedener Klein- und Nebenbahnen (Gelnhausen-Gießen, Gelnhausen-Freigericht-Langenselbold und der Spessartbahn in den Biebergrund). Die Eisenbahn diente auch erheblich dem Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus dem ganzen Kreisgebiet zu den Märkten nach Hanau und Gelnhausen. Damit wurden vor allem die Frauen entlastet, die zuvor ihre Produkte mit Handwagen und Fuhrwerken befördern muß- ten. Die Kreisbevölkerung war nun einer Arbeitswandlung unterzogen worden. Viele Arbeitssuchende aus Spessart und Vogelsberg fuhren (und liefen?) in die Städte, um dort ihrer Tätigkeit nachzugehen.

In den ländlichen Gebieten gab es ein höheres Arbeitskräftepotential, ein niedrigeres Lohn­-Niveau und Freiräume für Betriebserweiterungen. Dies führte zur Ansiedlung von Firmen aus einem weiteren geographischen Umfeld und machte Gelnhausen schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Gummiwarenindustrie.

Die Pendlerbewegung ins Rhein-MainGebiet blieb weiterbestehen, aber viele qualifizierte Personen, vor allem Frauen, die zuvor als Dienstmädchen oder Saisonarbeiterinnen tätig waren, fanden nun einen Arbeitsplatz in den neugegründeten Betrieben Gelnhausens.

Mit der industriellen Entwicklung wurden Banken, etwa die Gelnhäuser Bank für Handel. Gewerbe und Landwirtschaft gegründet (1864) oder angesiedelt (Reichsbank für Gelnhausen und Büdingen im Jahr 1900). Gebäude großer Versorgungsunternehmen wurden errichtet. So entstand 1866 das Wasserwerk, 1883 das Postgebäude in der heutigen Brentanostraße, in den Jahren 1897 / 1898 das Städtische Krankenhaus zwischen den beiden Holztoren und 1902 das Elektrizitätswerk. Auch ein kleiner Badebetrieb gegen Gicht und Rheumaleiden wurde eingerichtet, da man beim Eisenbahnbau 1868 Solequellen entdeckte, die wahrscheinlich Ableger des Bad Orber Solelagers waren. Ein kleines Kurhaus wurde im Jahre 1927 eingerichtet. Aber im Schatten Bad Orbs konnte sich Bad Gelnhausen nicht entwickeln.

Im Jahr 1863 ließ Conrad Heinrich Schöffer die stadtbildprägende „Villa zum Goldenen Fuß“ (heute sogenannte „Weiße Villa“, Sitz des Burckardthauses) errichten. Es folgten in einer weitläufigen Parkanlage im Westen der Stadt das Gartenhaus „Dorotheenruhe“ (heute „Bergschlößchen“) und die „Villa Witu die dem Abrißwillen der siebziger Jahre geopfert wurde. Der weithin gerühmte Schöffersche Garten wurde später zum Gelnhäuser Kurpark, die „Villa Witu“ mußte sogar vollständig modernen Zweckbauten weichen.

Im Jahre 1850 zählte Gelnhausen 3.986, um 1900 bereits 4.598 Einwohner, aber bis 1950 verdoppelte sich die Bevölkerungszahl, besonders durch die Ansiedlung von Opfern der Bombardierungen in den Großstädten und den Flüchtlingen aus den Ostgebieten. Diese Personen wurden schnell integriert und brachten für die Stadt neue Handwerke wie die Polsterei und den Musikinstrumentenbau aus ihrer ehemaligen Heimat mit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es nur zur Ansiedlung kleinerer Betriebe, da das Gelände für ein geplantes Industriegebiet durch die Wohnsiedlungen der amerikanischen Streitkräfte belegt wurde. Im April 1945 befreiten die amerikanischen Truppen Gelnhausen und setzten dem Nationalsozialistischen Regime hier ein Ende.

Gelnhausen war vom Krieg weitgehend verschont geblieben, obwohl es Fliegerangriffe auf die Kaserne und einige Rüstungsbetriebe gab. Getroffen wurde der Bahnhof, versprengte Glassplitter trafen den Vierungsturm und den Glockenturm der Marienkirche, das Gotische Fachwerkhaus in der Kuhgasse und das Dach des Ziegeltores. Diese Schäden, auch die Zerstörung einiger Wohnhäuser in der Berliner und in der Alten Leipziger Straße, wurden bis 1946 behoben.

 

 

Dreimal wurde das Gelnhäuser Stadtgebiet im Laufe seiner Geschichte erweitert. Im Jahre 1346 mit dem Anschluß der Vorstadt Ziegelhaus, 1895 durch die Eingemeindung der bis dahin selbständigen Gemeinde „Burg Gelnhausen“ per kaiserlichem Dekret sowie im Zuge der modernen Gebietsreform durch die freiwilligen Anschlüsse der Gemeinden Roth (1970), Haitz (1970), Hailer (1971), Höchst (1974) und Meerholz (1974), das erst nach ausdrücklichen Interventionen des hessischen Innenministeriums ein Stadtteil Gelnhausens wurde.

Bis 1992 stieg die Bevölkerungszahl durch Eingemeindungen auf fast 21.000 Einwohner. Dazu kamen von 1945 bis 1992 noch etwa 5.000 amerikanische Staatsbürger.

Die Stationierung der US-Streitkräfte endete zwei Jahre nach dem Vollzug der Deutschen Einheit. Nach dem Ende des Golfkrieges waren alle amerikanischen Soldaten abgezogen. Mittlerweile firmiert das Gelände der ehemaligen Coleman-Kaserne unter dem Namen Handels- und Gewerbepark Herzbachweg und ist ein neues Investitionsgebiet der Barbarossastadt Gelnhausen. Handel und Gewerbe finden hier beste Voraussetzungen vor, vor allem auch dank der beiden Anschlüsse an die Autobahn A 66, die ein Verknüpfungspunkt mit den großen, modernen Fernstraßennetzen Deutschlands und Europas sind. Hier begegnen sich Geschichte und Gegenwart Gelnhausens.

Heutzutage hat die Barbarossastadt Gelnhausen knapp 22.000 Einwohner und besitzt den Status eines Mittelzentrums im östlichen Rhein-Main-Gebiet. Die Stadt ist die Metropole des mittleren Main-Kinzig-Kreises und als dessen geographischer Mittelpunkt ein Zentrum des Handels, der Dienstleistungen, der Industrie und der Verwaltung. Am Ende wurde es sogar noch Kreisstadt.

 

Weitere Ausführungen zum Thema „Geschichte“ finden sich am Schluß der Seite und werden im Internet nicht wiedergegeben, können aber beim Verfasser angefordert werden:

Dichtung oder Wahrheit (Sagen):

Der Reichstag zu Gelnhausen und die Gelnhäuser Urkunde

Des Reiches Straße

Stadtbefestigung

Klöster

Kurfürstentag 1502

Der Dreißigjährige Krieg

Hexenverfolgung

Juden

Dr. Faust

Architektur in der Stadt

Turnvater Jahn

Max von Schenkendorf

Weinbau

Johann Philipp Reis

Karl Weysser in Gelnhausen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rundgang:

Die Stadt Gelnhausen weist trotz Hanglage und späterer Bebauung ein heute noch erkennbar einheitliches Konzept des Straßensystems auf. Zwei Hauptstraßenzüge entlang des Hanges von West nach Ost leiten die alte Frankfurt‑Leipziger Straße zu den beiden großen Marktplätzen Ober‑ und Untermarkt. Sie werden von annähernd rechtwinklig verlaufenden Nord‑Süd-Straßen geschnitten, ohne den erheblichen Steigungen auszuweichen.

Von der Autobahn fährt man bis zur Alten Straße von Frankfurt nach Leipzig (nicht in die Gewerbegebiete). Auf dieser Straße nach Osten und dann nach links in die Oberstadt. Parken in der Röther Straße (eine Stunde) oder im Herzbachweg oder an der Holzgasse oder am Kapellenweg (nordöstlich des äußeren Holztores). Je nach Parkplatz steigt man dann in den Rundgang ein, der in diesem Fall mit der Godobertuskapelle am Kapellenweg beginnt.

 

Eine Schrift des Fremdenverkehrsamtes schlägt für einen Rundgang folgende Reihenfolge vor: Rathaus, Peterskirche, Geburtshaus Reis, Arnsburger Klosterhof, Fachwerkhaus „Symern“, Franziskanerkloster, Kindergarten, Bürgerschule, Augustaschule, Pfarrgasse, Johanniterhaus, Deutschherrenhaus, Inneres Holztor, Äußeres Holztor, Buttenturm, Godobertuskapelle, Halbmond, Steinbrunnen, Marienkirche, Romanisches Haus, Reis-Denkmal, Haitzer Tor, Hexenturm, Grimmelshausen-Geburtshaus, Synagoge, Gotisches Haus, Fürstenhof, Schifftor, jüdischer Friedhof, Stadtmauer, Ziegelturm, Zehntscheune, Haintor, Kaiserpfalz.

Gelnhausen kann man aber auch auf einem ausgeschilderten Rundgang durch die Altstadt (mit Kaiser-Pfalz) erkunden. Einen Faltplan gibt es beim Verkehrsamt (Tel.: 06051/83 03 00). Die im Folgenden verwendeten Zahlen beziehen sich auf den Vorschlag für einen Rund­gang, den Schüler erarbeitet haben.

 

Turmuhrenmuseum (Godobertusweg 15):

Seit 1976 restauriert und sammelt der 73 Jahre alte Orgelbaumeister Bernhard Schmidt Turmuhrwerke ‑ spektakulär anzuschauende, schmiedeeiserne Apparaturen, die das Verrinnen der Stunden mittels der Bewegung mächtiger Zahnräder, Steingewichte, Seile und Glockenschläge sichtbar und hörbar machen. Der Gelnhäuser hat mittlerweile 38 Zeitmeß-Geräte an unterschiedlichsten Orten aufgespürt, auf Vordermann gebracht und ausgestellt: ein Augen‑ und Ohrenschmaus, nicht nur für den Fachmann.

Zudem erstaunen die betagten Mechaniken mit echter Ausdauer. Diese Techniken sind zwar alt, aber zuverlässig. Die Uhrwerke liefen teilweise über 300 Jahre lang. Das älteste Stück der Sammlung stammt aus dem Jahr 1520, das schwerste Exponat bringt beeindruckende sieben Zentner auf die Waage und das modernste Gerät ist gerade einmal sechs Jahre alt und in einem kleinen grauen Kästchen an der Wand versteckt: Eine elektronische Turmuhrsteuerung mit LED‑Anzeige.

Als Restaurator und als Sammler hat sich Bernhard Schmidt bereits landesweit einen Namen gemacht. Er wird konsultiert, wenn es darum geht, Bauart, Baujahr oder Hersteller eines Uhr­werkes zu ermitteln. Und Nachfrage besteht: Seinem 2001 erschienenen Fachbuch „Turm­uhrwerke“ will er eine überarbeitete und erweiterte Neuauflage folgen lassen. Sein Fachwissen hat er aus Museen, Archiven, alten Rechnungsbüchern und aus luftiger Höhe. Er ist wohl auf einige hundert Kirchtürme geklettert und hat Fotos gemacht. Rund 380 Bilder hat er bereits in seiner privaten Datenbank zusammengetragen.

Aber auch mit diesem geballten Wissen ist manche Restaurierung ein echtes Puzzlespiel. Etwa dann, wenn er ‑ wie bei einem Turmuhrwerk von 1698 passiert ‑ auf einem Dachboden eine in unsortierte und lehmverkrustete Einzelteile zerlegte Apparatur aufspürt. Mehrere Wochen Bastelarbeit stecken in jedem der ausgestellten Exponate.

Im Verhältnis zur ursprünglichen Konstruktionszeit ist das jedoch recht wenig. Die Bauzeit für eines der antiken Uhrwerke taxiert Schmidt auf ein dreiviertel Jahr ‑ wenn sich ein Meister und zwei Gesellen konzentriert ans Werk machten. Dieser Aufwand hatte seinen Preis: Solche Uhren haben damals so viel gekostet wie ein Bauernhaus. Jedes Zahnrad mußte einzeln gefeilt werden.

Wenn Bernhard Schmidt seine 38 Uhrwerke zum Laufen bringt, dann schwirrt und surrt es prächtig in seinem Museum. Dann wird auch das Mysterium „Zeit“ selbst etwas greifbarer, um dessen Flüchtigkeit sich all das Knarren und Ächzen und Knirschen diese raffiniert konstruierten Messinginstrumente drehen.

Um zu erfahren, was die Stunde aber wirklich geschlagen hat, blickt Bernhard Schmidt, der stets größten Wert auf Pünktlichkeit legt, auf sein Handgelenk. „Die Genauigkeit der Turmuhrwerke ist schon gut. Aber wenn ich die exakte Zeit wissen will, dann schaue ich auf meine Armbanduhr.“

 

Godobertuskapelle (Kapellenweg)                                                                                       (20)

Nördlich, außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern gelegen, befindet sich das wohl älteste erhaltene Gebäude Gelnhausens und angeblich die älteste Kirche im Kinzigtal, nämlich die Godobertus­kapelle. Die Kapelle wird 1260 erstmals erwähnt, stammt aber wohl aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und war ursprünglich eine Doppelkapelle. Sie gehörte vielleicht zu einem vorstaufischen Wirtschaftshof oder einer kleinen frühen Dorfsiedlung, die jedoch erst Ende des 14. Jahrhunderts als Godebrechtshusen bezeugt ist (schon vor der Stadtgründung). Vielleicht gehörte sie aber auch zu einer alten schon vor der Stadtgründung aufgegebenen Grafenburg am Hang über der Stadt. Sie wird heute auch „Gela­kapelle“ genannt. Zu früheren Zeiten wurde sie auch als „Martlerkirche oder Kapelle der 10.000 Märtyrer bezeichnet.

Über einem fast quadratischen Grundriß erhebt sich ein kompakt wirkendes, zweigeschossiges Gebäude aus Bruchsteinen, das an den Giebelseiten vom Obergeschoß an mit Fachwerk versehen ist. Der Chorbogen im Osten ist vermauert, eine Apsis fehlt. Während der Eingang für das Erdgeschoß durch das Portal an der Südseite gebildet wurde, war der Raum im Obergeschoß über eine Außentreppe an der Nordseite zu erreichen.

Grabungen im Bereich des Ostgiebels wurden 1907 / 1908, 1948 und 1972 / 1973 durchgeführt. Die letzte Grabung konnte ein halbrundes Apsis­fundament nicht nachweisen, das früher vermutet wurde. Statt dieser wird nun ein Ostturm mit quadratischem Grundriß vermutet, da am Ostgiebel die Abrißfugen bis zum Dach über dem Obergeschoß hinaufführen. Im Jahre 1974, anläßlich der Verlegung eines neuen Sandsteinbodens, wurde auch die Standfestigkeit des südwestlichen Eckfundamentes überprüft. Unter den roh überschlagenen Sandsteinquadern fand man einen typischen staufischen Bossenquader, der wohl eine ältere Datierung der Kapelle als 1200 ausschließt.

Lediglich einige Reste des Gebäudes weisen auf seinen ehemaligen sakralen Charakter hin, unten anderem im Inneren die Ansätze eines Kreuzgewölbes, ein Portal auf der Südseite, das eingeritzte Kreuz in der Mitte des Türsturzes sowie Rundbogenfenster. Von dem hohen quadratischen Bau ist die ehemals überwölbte Apsis abgebrochen und der Chorbogen vermauert. Auf dem Kirchhof stehen alte Grenzsteine. Außerdem muß wohl früher ein Dachreiter, der üblicherweise als Glockenstuhl verwendet wurde und der auf Stichen des 17. Jahrhunderts noch zu sehen ist, den sakralen Charakter des Baus betont haben.

Die kleine Kapelle ist heute nur noch ein Fragment. Doch ihre Bauform läßt darauf schließen, daß sie bereits im frühen 12. Jahrhundert entstanden sein muß. Nicht nur die kleinen Rundbogenfenster mit ihrer Trichterlaibung sprechen für diese frühe Datierung, auch das Portal auf der Südseite ist zeittypisch. Über einem dünnen Türsturz erhebt sich ein Entlastungsbogen mit dazwischen vertiefter Fläche, womit die Frühform eines romanischen Tympanons gebildet wird; vielleicht waren hier Malerei oder ein Relief.

Neben der Gestaltung von Eingang und Fenstern gibt auch das Mauerwerk Hinweise auf die Entstehungszeit der Kapelle. Unter einem jüngeren, sich allmählich lösenden Putz wird der originale Putz des 12. Jahrhunderts sichtbar. In großen Flächen ist dieser besonders an der Nordseite des Baues zu erkennen. An diesen Stellen kann man dann den originalen Fugenstrich erkennen, welcher ein regelmäßiges Mauerwerk vortäuschen sollte. Die Tatsache, daß man sich die Mühe machte, einen mit Ausnahme der Eckquader aus Bruchsteinen gefertigten Bau auf diese Art zu verschönern, verrät, daß die Kapelle zu ihrer Zeit einen gewissen repräsentativen Charakter gehabt haben muß.

 

Betrachtet man heute den Innenraum, so erhält man aufgrund der fehlenden Zwischendecke einen völlig anderen Raumeindruck als den ursprünglichen. Die Höhe in der das Zwischengewölbe eingezogen war, läßt sich durch den vermauerten Chorbogen ebenso nachvollziehen. wie durch die Ansätze eines Kreuzgewölbes, die im Inneren noch zu erkennen sind. Anfang des letzten Jahrhunderts fertigte ein Augenzeuge Skizzen von dem damals noch vorhandenen Gewölbe an. Die Zeichnungen überliefern, daß zwei mal zwei Gratgewölbe, die von einer Mittelstütze getragen wurden, das Erdgeschoß vom oberen Stockwerk trennten. Das gesamte Innere war wohl ehemals mit Malereien geschmückt. Reste davon - Rankenwerk aus gotischer Zeit - sind am Chorbogen erhalten.

Vom Bautypus her handelt es sich bei der Godobertuskapelle um eine sogenannte Doppelkapelle, das heißt es sind zwei übereinander gefügte. kultisch selbständige Kapellenräume vorhanden, wovon jeder mit Chor und eigenem Zugang ausgestattet ist. Bei manchen Sakralräumen dieser Art existierte eine verbindende Öffnung zwischen Unter- und Obergeschoß. Die ohne Unterschied durchlaufenden Eckquader sowie das einheitliche Bruchsteinmauerwerk, das keine Baufugen aufweist, belegen, daß die Kapelle von Anfang an zweigeschossig war, ebenso die Abbruchspuren des Chorbereiches, die über den vermauerten Chorbogen im Erdgeschoß hinausreichen.

Über die Benutzung und Ausstattung der Godobertuskapelle im Mittelalter sind keine schriftlichen Quellen vorhanden. Da Doppelkapellen jedoch häufig in Zusammenhang mit Burgen auftauchen, kann man auch in Gelnhausen davon ausgehen, daß der Bau einem Guts- oder Adelshof zugehörig war. Dafür spricht auch die Lage des „Gotteshus ufm Steffensberg“, wie die Kapelle in einer Urkunde aus dem 16. Jahrhundert genannt wird, da solche Hanglagen einen beliebten Standort für adelige Anwesen boten. In kirchenrechtlicher Hinsicht waren diese Kapellen nicht unbedingt nur alleine für die Angehörigen der Herrscherfamilien vorhanden, sie konnten auch näher umgrenzte Pfarrechte besitzen.

Die Godobertuskapelle war möglicherweise der geistliche Mittelpunkt der ehemaligen Dorfsiedlung Godebrechtshusen, für deren Bevölkerung in ihr getauft, gebeichtet und die Messe gelesen wurde. Die baulichen Gegebenheiten der Doppelkapelle machten es dabei möglich, daß das einfache Volk und die Herrschaft getrennt voneinander am Gottesdienst teilnahmen: Ganz dem mittelalterlichen Weltbild entsprechend war der obere Raum für Adel und Gefolge, der untere für das Gesinde bestimmt.

Für den oberen Raum von doppelgeschossigen Pfalz-. Burg- und Schloßkapellen nimmt man an, daß als Vorläufer die sogenannten Hauskapellen gelten, die schon seit altchristlicher Zeit üblich waren. An den Königshöfen mit einem bevorzugten Rang versehen, war schon seit der Zeit Kaiser Konstantins ein besonderer Kreis von Geistlichen mit der privaten Andachtskapelle verbunden.

In den Hauskapellen wurden jene Reliquien aufbewahrt, die den Rechtsanspruch der Herrschaft begründen sollten. Im Laufe des Mittelalters wurden bei den Hauskapellen die Rechte dann dermaßen eingeschränkt, daß in ihnen zwar die Messe gelesen werden konnte, der Sonntagsgottesdienst und die pfarramtlichen Handlungen wie Taufe oder Beichte durften aber nur in der nächstliegenden Pfarrkirche stattfinden. Erst wenn in nächster Nähe keine Pfarrkirche vorhanden war, wurden der Kapelle die allgemeinen Pfarrrechte verliehen. Mit diesen PfarrRechten verband sich die Pflicht, die Kapelle auch für die einfachen Leute allgemein zugänglich sein zu lassen.

Der Sonntagsgottesdienst durfte dabei nur im unteren Raum, der „Leutkapelle“, gehalten werden. Das Privileg des Grabrechtes erlaubte dem Bauherrn aber, diesen unteren Raum auch als Grab­lege für sich und seine Angehörigen zu nutzen, um so der fürbittenden Messen teilhaftig zu werden. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wird der Bau erstmals als „capella guduberti“ genannt. Im Jahre 1294 wird die Kapelle dann ein zweites Mal in einem eigenen Schriftstück erwähnt, in welchem sie durch den Mainzer Bischof dem Kloster Meerholz als Besitz bestätigt wird.

Bauherr der kleinen Kapelle war vermutlich ein Graf Gotbertus zu Gelnhausen. Wohl als letzter männlicher Nachkomme seiner Familie stand er in irgendeiner Form mit dem Mainzer Bistum in Verbindung, da er schriftlichen Quellen zufolge das dortige Viktoriastift im Jahre 1191 beschenkte. Manche vermuten auch, daß er derjenige war, welcher die alte Gelnhäuser Grafenburg, von der keine baulichen Reste mehr gefunden wurden, an das Bistum Mainz verkaufte.

Aber nicht nur mit Mainz. sondern auch mit dem Kloster Meerholz muß Graf Gotbertus in irgendeinem Zusammenhang gestanden haben, da er auch diese geistliche Gründung mit Schenkungen versehen hatte. In der Folge läge dann nahe, daß dieser letzte Sproß des Geln­häuser Grafengeschlechtes ein Geistlicher war und die kleine Kapelle gründete, in der er die begraben werden wollte und sie deshalb dem Kloster Meerholz stiftete.

Im Jahre 1756, als die Apsis baufällig geworden war, fand man bei den Abrißarbeiten derselben, nur wenige Schritte vom Altar entfernt, einen steinernen Sarg. Auf dem Deckel waren nur noch die Buchstaben GODO... zu entziffern. Die Aufschrift des Sarges muß schon im 13. Jahrhundert stark verwittert gewesen sein, meinte doch schon damals der Mainzer Urkundenschreiber die Beschriftung mit dem Namen des Heiligen Godehard ersetzen zu müssen, denn diesem Heiligen war doch die bischöfliche Palastkapelle in Mainz geweiht. 

Lokale Quellen aus Gelnhausen verraten aber, daß die Kapelle in „ere unser frauwen und der zehndusend marteler geweiht war.“ Man kann deshalb vermuten. daß es sich bei den Totengebeinen, die man im Sarg fand, nicht um Reliquien, sondern um die Überreste des Grafen

Gotbertus zu Gelnhausen handelte

Nach der Reformation kam die Godobertuskapelle samt ihren Gütern an die Stadt und wurde profanisiert. Der obere Raum diente von da an als Wohnung für den Wächter der umliegenden Weinberge. Den unteren Raum nutzte man als städtisches Magazin. in dem Weinbergspfähle

und ähnliche Materialien aufbewahrt wurden.

 

Äußeres Holztor (Am Holztor):                                                                                            (8)

Man geht nach Westen. Am nördlichen Ende der Straße „Am Holztor“ steht das Äußere Holztor. Da der Wohnraum im inneren Mauerring zu eng wurde und deshalb erweitert werden mußte, errichtete man zwischen 1330 und 1361 das Äußere Holztor. Es ist ein Torbau mit darüber liegendem Wächterhaus und diente ebenfalls als Ausgang zum Büdinger Wald. Der äußere Mauerring war mit Tortürmen, aber auch einfache Toren passierbar. Ein Torturm war an dieser Stelle nicht nötig, da das Innere Holztor entsprechend abgesichert war. Nach einem gut erhaltenen Teil des äußeren Mauerrings am äußeren Holztor zu urteilen, muß man wohl von einer mittleren Höhe der Stadtmauer von etwa sieben Metern ausgehen

Beim steilen Anstieg in den Büdinger Wald nördlich des äußeren Holztores hoch zum Blockhaus erblickt man das Bergschlößchen, das der reiche Großhandelskaufmann Schlösser vor über 100 Jahren für seine Frau Dorothe bauen ließ und das heute ein Restaurant mit gehobener Gastronomie beherbergt.

 

Hospital (Am Holztor)::

Das Hospital westlich unterhalb des äußeren Holztores lag zunächst außerhalb der Stadtmauer, wurde aber im 14. Jahrhundert in den äußeren Mauerring einbezogen. Erstmals wird es 1233 in einem Streit zwischen den Spitalbrüdern und dem Kloster Selbold erwähnt. Es ist noch heute - wenn auch mit vielen Veränderungen - als Bau erhalten. Der heute als Wohn‑ und Geschäftshaus genutzte Bau zeigt an der Ostseite noch historischen Baubestand. Der Chor beherbergt heute eine Metzgerei. Es wird als Altenheim genutzt.

 

Inneres Holztor:                                                                                                                    (7)

Der Raum zwischen Innerem und Äußerem Holztor (die sogenannte „Barbakane“) war strategisch sehr günstig, da ein Feind, falls er das äußere Tor überwunden hatte, dann in der Falle saß, weil er zwischen den Toren und Mauern eingesperrt war.

Am südlichen Ende der Straße steht das Innere Holztor. Es ist das kleinste der acht erhaltenen Tore in Gelnhausen. Es wurde mit der inneren Stadtmauer in der um 1220 errichtet und diente als Stadtausgang zum Büdinger Wald, zum „Holz“ (das heißt zum Wald). Es ist ein typischer Schalenturm des Hochmittelalters, der an drei Seiten aus massivem Mauerwerk besteht. Die Mauer zur Stadtseite wurde offen gelassen und nur mit Holz verschlossen. Dies sparte nicht nur Zeit, sondern war auch billiger (typische Bauweise für einen Schalenturm). Außerdem diente diese Bauweise zur Abwehr von Feinden. Sie konnten sich nämlich, einmal in den Turm eingedrungen, zur Stadtseite hin nicht verschanzen. Heute kann man auf der Nordseite noch die Laufschienen für das Fallgatter erkennen, ebenso eine Pechnase. Von hier aus wurden üble Flüssigkeiten, auch siedendes Öl oder Pech ausgegossen, um Gegner am Angriff des Tores zu hindern.

 

Johanniter‑Komturei (Holzgasse):

Die Johanniter waren seit 1324 in Gelnhausen nachgewiesen, im Jahre 1393 wird ihr Hof mit Kapelle erwähnt. Ihr nächster Sitz war in Rüdigheim bei Hanau. Der Hof der Johanniter‑ Komturei an der Westseite der Holzgasse in Höhe der Straße „Stadtschreiberei“ hat das Aussehen eines steinernen Bürgerhauses aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Die darin gelegene Kapelle war von außen nicht sichtbar. Wann der Hof in privaten Besitz überging, ist nicht bekannt. Noch heute aber zählt der Bau mit seinem hohen Treppengiebel in der Holzgasse zu den prächtigsten mittelalterlichen Steinbauten in Gelnhausen

 

Haus der Deutschherren von Sachsenhausen (Holzgasse):

Der Deutschherrenorden aus Sachsenhausen war seit 1303 ebenfalls in der Holzgasse begütert. Sie betrieben einen Wirtschaftshof in zwei nebeneinander liegenden einfachen Steinbauten. Für die Deutschherren von Sachsenhausen können in Gelnhausen keine seelsorgerischen Tätigkeiten oder Spitaldienste nachgewiesen werden, so daß der Hof trotz seiner Größe wohl nur zur Verwaltung der zahlreichen Güter, Weingärten und Gefälle diente. Die Niederlassung blieb bis nach der Reformation bestehen. Im Jahre 1837 wurde eine Scheune auf dem Hof des Geländes zur katholischen Pfarrkirche umgebaut, nachdem die Stadt das Gelände gekauft hatte.

 

Franziskanerkloster (Stadtschreiberei)                                                                   

Man geht dann weiter nach Süden in die Holzgasse und dann links in die Straße „Stadtschreiberei“. In einem Wohnhaus in der Straße Stadtschreiberei 7 sind heute noch drei romanische Fenster der Nordseite der romanischen Klosterkirche und des Kreuzgangs des Franziskanerklosters zu erkennen, vor allem Fenstergewände (Archäologische Denkmäler, Seite 128 ff). Das Kloster hat 1248 schon bestanden und dürfte so zu den ersten Niederlassungen dieses Ordens im deutschsprachigen Raum zählen, da die Franziskaner erst 1209 / 1210 vom Papst vorläufig anerkannt worden waren.

Als die Franziskaner sich in Gelnhausen niederließen, bauten sie ein schon bestehendes Kirchengebäude zur Klosteranlage um. Das Kloster erstreckte sich über das ganze Gebiet zwischen Obermarkt, Holzgasse, Stadtschreiberei und Töpfergasse.

Für die Franziskaner gab es keine baulichen Vorschriften. Die Mönche richteten sich beim Bau ihrer Anlagen nach den örtlichen Gegebenheiten, wobei sie sich bemühten, die Gebäude um einen Kreuzgang anzuordnen. Auch in Gelnhausen bildete der Kreuzgang das Zentrum der Anlage. Dazu kamen eine romanische Klosterkirche (in der Straße „Stadtschreiberei“), eine gotische Laienkirche aus dem 14. Jahrhundert (zum Obermarkt hin) und die Konvents­gebäude.

Das Kloster war nur sehr schwach besetzt, und zwar mit sechs Fratres und einem Guardian, der Mindestanzahl für einen Konvent. Im Jahre 1540 wurde das Kloster wegen der Reformation an die Stadt übergeben, und die Mönche siedelten nach Salmünster um. Die zum Obermarkt hin stehende Kirche wurde 1822 abgerissen. Die Klostergebäude dienten später als Archivräume und als Lateinschule. Im Jahre 1826 wurden sie jedoch abgerissen, und an ihrer Stelle errichtete man 1873 die ehemalige Bürgerschule. In der ehemaligen Augustaschule daneben sind heute das Verkehrsamt, das Stadtarchiv, die Grimmels­hausenbücherei und das Heimatmuseum untergebracht

Einfach ein paar Modelle vom Holzfernsprecher zum Smartphone aufzustellen, erschien der Leiterin Simone Grünewald zu trivial. Fasziniert vom Riesenmodell eines menschlichen Herzens in der Kinderakademie Fulda, kam sie auf die Idee des begehbaren Ohrs.

Kleine und große Besucher können das Hörorgan hautnah kennenlernen, indem sie durch eine überdimensionierte Ohrmuschel ins Innere klettern. Dort geht es rutschend vorbei am Trommelfall ins Mittelohr, wo über dem Kopf der Gehörgangentdecker ein riesiger modellierter Knochen die Schwingungen des Trommelfells auf einen Sensor überträgt, der die erzeugte Bewegung in Echtzeit in Licht- und Tonimpulse umsetzt. Sehr beeindruckend, und vom Pr.- ähnlich aufgebaut wie der Fernsprecher, den Reis 1861 in Frankfurt präsentierte. Wieder raus aus dem Organ warten in der Experimentierstraße noch allerlei Überraschungen rund ums Hören und Telefonieren, und wer will kann in einem Workshop sogar noch ein professionell abgemischtes Hörspiel aufnehmen.

Auf dem Gelände des Franziskanerklosters wurde 1872 auch ein Kindergarten als Stiftung des Consuls Conrad Heinrich Schöffer und seines Schwiegersohns Carl Becker errichtet.

 

Stadtschreiberei                                                                                                      

Einst als Sitz eines Ritterordens im 12. Jahrhundert errichtet, fiel der Gebäudekomplex während der Reformation in den Besitz der Stadt. Es war ein sehr repräsentatives Anwesen. Und so zog dort auch der Stadtschreiber ein, ein juristisch ausgebildeter, angesehener Mann. Er erhielt Geld nicht nur aus der städtischen Kasse, sondern auch über sein Lehen in Richtung Gutleutsiedlung, im klimatisch begünstigten Westen der Stadt.

Die Stadtschreiber schrieben Protokolle über die Rechtshändel der Stadt, über Grundstücksangelegenheiten, über Steuergeschäfte. Sie führten aber auch Buch über Neuigkeiten und aufregende Geschehnisse außerhalb Gelnhausens. Einzig die Protokolle des Stadtschreibers Hartmann Prell, der in Gelnhausen von 1417 bis 1431 nachweislich arbeitete, blieben bis heute erhalten. Auch er schrieb nicht nur für das Archiv, sondern hielt nebenbei Zeitgeschichte fest: So berichtete er etwa über die Gefechte der Engländer in Frankreich, die die Jungfrau von Orleans für die französische Seite siegreich beendete. Alle anderen Stadtbücher sind in Kriegszeiten gefleddert worden. Das Papier wurde anderweitig gebraucht. Soldaten haben sich zum Beispiel daraus Schießpflaster gemacht.       

So weiß man auch nicht genau, wann der letzte Stadtschreiber aus dem ehrwürdigen Haus auszog. Es blieb jedenfalls in städtischem Besitz und wurde Landratsamt, als der Landrat von Meerholz nach Gelnhausen kam. Schüler büffelten ebenso in den Räumen wie das Heimatmuseum geschichtliche Stücke dort unterbrachte. Nach dem Krieg fanden Menschen ohne Wohnung darin Unterkunft.

In den sechziger Jahren wurde in der alten Scheune (einem romanischen Bau!) Apfelwein gekeltert, das ehemalige Wohnhaus diente als Lager. Der Süßmoster Haas hatte das Gelände dafür erworben. Das hat der ehemaligen Stadtschreiberei nicht gutgetan. Und als der Kelterei‑ Betrieb dort auszog, verfiel das denkmalgeschützte Fachwerk‑Gebäude weiter.

Scheune und Stallungen und die schönen gotischen Tore waren abgerissen worden. Schließlich stürzten im Mai 1992 gar das baufällige Dach und die Nordfassade teilweise in sich zusammen. Nichts mehr stand von dem Haus, das der Straße „Stadtschreiberei“ seinen Namen gab, außer seiner Basis, dem historischen Kellergewölbe. Die Stadt hatte das Anwesen im November 1987 zurückgekauft und verkaufte es an einen neuen Eigentümer, der ein Wohn‑ und Geschäftshaus auf dem alten Kellergewölbe errichten ließ. Er mußte sich aber an die Auflagen halten, die Fachwerkfassade originalgetreu wiederherzurichten.

Beim Abtragen von Maßwerk kam auch ein alter Wappenstein zum Vorschein, den wahrscheinlich eine Stadtschreiberfamilie hinterlassen hat. Daneben war eine kleine Nische, in der vermutlich eine Heiligenfigur stand. Der sogenannte „Neidkopf“, ebenfalls an der Westfassade, war früher nicht an dieser Stelle, sondern wohl irgendwo am Hinterhaus angebracht. Er zeigt höchstwahrscheinlich einen Mönch, diente als Abwehrzauber und sollte dem Hausherrn Glück bringen.

 

Steinbrunnen (Am Steinbrunnen):                                                                                       (17)

Die Verlängerung der Straße „Stadtschreiberei“ ist die „Kirchgasse“. Sie führt auf die Straße „Am Steinbrunnen“. Hier ist ein kleiner Platz. Der eigentliche Steinbrunnen ist aber erst am südlichen Ende der Straße an der Ecke Pfarrgasse. Aus dem Steinbrunnen läuft heute noch Wasser. Er wurde 1370 erstmals erwähnt. Die frühere Bezeichnung war „Steinborn“, wobei „Born“ aber eine Quelle meint. Die drei Quellen wurden gefaßt durch einen rund 25 Meter langen begehbaren Schacht, der mit Sandstein gefaßt wurde. In den Nischen standen einst Heiligenfiguren zum Schutz. Die eigentliche Steinplatte steht heute links neben dem gußeisernen Brunnen.

Die Quelle spendete pro Minute rund 17 Liter Wasser. Es wurde mit Holzeimern aus einem Becken geschöpft. Die Quelle versorgte noch andere öffentliche Schöpfstellen über ein Kanalnetz, zum Beispiel am Obermarkt und am Untermarkt. Das Wasser wurde vorwiegend getrunken. Gewaschen hat sich der Mensch etwa einmal im Jahr, zum Kochen nahm er lieber schlechten Wein.

 

Marienkirche (Pfarrgasse):                                                                                                  (3)

Schon von weitem fällt dem Besucher Gelnhausens die Marienkirche ins Auge, da sie auf einer breiten Stufe eines Berghanges errichtet wurde. Die Marienkirche konnte sich das ganze Mittelalter hindurch bis zur Reformation als einzige Pfarrkirche Gelnhausens behaupten und beeinflußte als Institution das kirchliche Leben in Gelnhausen stark. Die Marienkirche ist neben der Pfalz das kunstgeschichtlich bedeutendste Bauwerk der Stadt.

In diesem Zusammenhang muß man sich vor Augen halten, daß eine Kirche im Mittelalter nicht nur religiösen Zwecken diente. Die Kirchen waren gleichzeitig Versammlungsräume, dienten dem Anbieten von Waren oder als Übernachtungsquartiere für durchziehende Händler. Gleichzeitig war eine prächtige Kirche auch Statussymbol für die Menschen und die Stadt.

Schier unendlich scheint die Zahl der bemerkenswerten Details an dem bis 1250 errichteten Gotteshaus. Experten weisen der Marienkirche einen herausragenden Platz unter den Bauten der späten Stauferzeit ein. Ihr gelungener Stilmix von Romanik und Gotik, drei Prunkportale, der einzigartige Lettner (die verzierte Trennwand zwischen Chor und Mittelschiff), die reiche bauplastische Dekoration ‑ die Beschreibungen der perfekten Architektur und Steinmetzkunst füllen dicke Bücher. Aber ausgerechnet ein zumindest optisch eindeutiger, weithin erkennbarer Baumangel lag den Gelnhäusern im 18. und 19. Jahrhundert einst besonders am Herzen: Der schlank aufragende Helm des südlichen Flankenturms war krumm wie eine Banane und galt deshalb sogar als Wahrzeichen. Die Legende von der mutwillig zerstörten Besonderheit spukt immer noch durch die Altstadtgassen.

Die Baugeschichte der Marienkirche ist gerade aus diesen Gründen eng mit der Geschichte Geln­hausens verbunden. Graf Dietmar von Gelnhausen stiftete im Jahre 1108 bei Selbold (heute Langenselbold) ein Kloster. Dieses spätere Prämonstratenserkloster wurde mit reichem Grundbesitz im südlichen Kinzigtal ausgestattet und verfügte unter anderem über das Patronatsrecht der Kirchen in Gelnhausen. Das heißt: Nur Geistliche des Klosters Selbold durften in Gelnhausen Kirchen errichten, Gottesdienste und Predigten halten sowie die Kollekte vornehmen.

Die Selbolder Prämonstratenser, die bis zur Reformation die Patronatsrechte der Kirchen Gelnhausens besaßen, hatten eine Niederlassung in Gelnhausen. Als „Langenselbolder Hof“ wurde das Altaristenhaus in der Braugasse gegenüber der Marienkirche bezeichnet. Reste der mittelalterlichen Architektur sind noch im Inneren erhalten, außerdem weist die Ostfassade die einstige Gliederung auf. Dieser Hof diente wahrscheinlich dem Abt des Langenselbolder Klosters als Absteigequartier.

Das Selbolder Prämonstratenserstift erbaute dann um 1120 eine kleine einschiffige und turm­lose Kirche in Gelnhausen, aus der die heutige Marienkirche hervorgegangen ist. Von der alten Kirche ist heute noch das Westportal zu sehen. Bald nach der Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1170 durch Friedrich Barbarossa erhielt die kleine Kirche einen noch viergeschossigen Westturm (Glockenturm) vorgesetzt, dessen Untergeschoß nach drei Seiten hin offen war. Darauf folgte der Neubau des dreischiffigen Langhauses: Die Saalkirche wurde erweitert und erhielt, gemäß dem Stil der Zeit die Form einer dreischiffigen Basilika. In dieser Zeit wurde auch ein Querhaus mit Apsiden angelegt. Die Marienkirche blieb aber trotzdem ein einfacher. typisch romanischer Bau mit Flachdecken und einem wenig gegliederten Baukörper.

Um 1220 änderte Selbolder Kloster seine Pläne, da es architektonisch mit dem aufwendigen Neubau der Peterskirche konkurrieren wollte. Durch ihre Formenvielfalt drohte der Bau der Peterskirche die Marienkirche in den Schatten zu stellen. Außerdem sah das Kloster sein Patronatsrecht in Gelnhausen gefährdet. Der Streit um den Bau der Peterskirche ist daher für die nun folgende großartige Ausgestaltung der Marienkirche von großer Bedeutung. Der an französischen Formen geschulte Baumeister, der den Weiterbau der Marienkirche leitete, ergänzte nun die bisher vorherrschenden romanischen Stilelemente mit den vor allem aus dem burgundischen Raum kommenden Formelemente der Frühgotik, ohne jedoch zunächst einen wirklichen Übergang zur gotischen Architektur zu finden

In dieser Zeit wurde das Langhaus vollendet, das mit seinen lastenden Wänden noch den einfachen romanisch geprägten Stil der Prämonstratenser erkennen läßt. Außerdem wurde das nördliche Seitenschiff bis zur Westflucht des Turmes verlängert und beide Seitenschiffe außen mit einem Spitzbogenfries versehen, der noch heute vorhanden ist. Auch die Fenster des Obergadens sind einfache, unprofilierte Rundbogenfenster. Die Nordseite der Kirche, die von der Handelsstraße Frankfurt-Leipzig einsehbar war, wurde dabei reicher dekoriert, als es bei der nur von der Stadt aus erreichbaren Südseite der Fall war. In dieser Zeit wurden auch große Teile des Ostbaues begonnen, jedoch nur in halber Höhe ausgeführt.

 

Um 1225 kam dann ein Meister, der vermutlich den Namen Heinrich Vingerhut trug, an die Marienkirche. Er gilt als Vater der Architektur der Marienkirche. Er war in Frankreich geschult worden und verstand es, die frühgotischen französischen Bauelemente mit den romanischen Formen, die er im Rhein-Main-Gebiet vorfand, zu verbinden. Er löste nun endgültig die romanische Blockhaftigkeit durch gotische Gliederungsprinzipien auf.

So gelang es ihm, ein in der Geschichte der Baukunst einzigartiges Werk des Übergangs zu schaffen: Es vereint die von den romanischen Bauten der Zisterzienser her bekannte Wandgeschlossenheit mit dem beginnenden Gliederreichtum und den Durchdringungen der Baumasse der frühen französischen Gotik. Vor allem der Chorbau zeigt in seinem Inneren durch seine Blendarchitektur Auflösung und Gliederung im vorgenannten Sinn.

Ein besonders prägnantes Beispiel für diese Verbindung zweier unterschiedlicher Architekturstile ist das nördliche Hauptportal: Die Giebelform mit ihrem fast rechten Winkel ist der Romanik verpflichtet. Die schlanken Nischen und hohen Säulen, die den Giebel rhythmisieren, sind Elemente der Gotik, beides steht gleichwertig neben einander.

An diesem Portal hat sich der Baumeister auch selbst verewigt. Eine für das 13. Jahrhundert typische Baumeisterfigur trägt die Inschrift „Heinrich Vingerhut“. Analog zum Nordportal ist das Südportal gestaltet. nur, wie bei der ganzen Südseite, ist das Portal fast unmerklich etwas einfacher ausgeführt.

In dieser Zeit erhielt der Ostteil der Kirche sein endgültiges Aussehen. Ein neuer polygonaler Chor wurde angesetzt und das Chorquadrat erhielt im Inneren eine aufwendige Blendarchi­tektur, die die Wandfläche gliedert und in mehrere Geschosse auflöst. Außen erhielt der Chor eine umlaufende Zwerchgalerie mit Giebeln über der Polygonseite.

Über den Nebenabsiden wurden schlanke Türme errichtet, über der Vierung entstand ein gewaltiger achtseitiger Turm. Etwa in der Mitte des 13. Jahrhunderts erhielten die Chortürme ihre endgültige Höhe. Ebenfalls im 13. Jahrhundert wurden die Seitenschiffe so verlängert, daß der Westturm, der bisher der Kirche vorgesetzt war, ganz in die Architektur einbezogen wurde. Für die Prämonstratenser bedeutete dies ein entschiedenes Abweichen von ihrer Reformidee, nach der es nur eine strenge, auf Schlichtheit und Sparsamkeit bedachte Bauform geben durfte.

Dr. Georg Wilbertz allerdings vermutet einen anderen Baumeister, der sehr souverän mit Formen und Traditionen umgegangen sei. Er nimmt auch an, daß Hauptchor und Nebenchöre im 13. Jahrhundert aus einem Guß entstanden. Es hätten zwei Kirchen in einer existiert: ein Bereich für den Klerus (also die Prämonstratensermönche) und ein schlichterer und konservativerer Bereich für die „Laien“.

 

An der Kirche wurden später nur geringe Veränderungen vorgenommen. Dazu gehört die Verlängerung der Seitenschiffe noch im 13. Jahrhundert, die nun den Westturm in den Kirchenraum einbezogen. Wahrscheinlich Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die Sakristei im Südosten angebaut (sie ist durch den Chor zu erreichen und beherbergt zwei spätgotische Wirkteppiche). Die Sakristei besaß ursprünglich keine Tür ins Freie. Um 1467 wurde dann noch östlich zwischen Chor und Sakristei die siebenseitige Prozessionskapelle eingefügt. Das Maßwerk der Kapelle zeigt schon das spätgotische Fischblasenmotiv. Anbauten des 14. und 15. Jahrhunderts sind im Südosten Sakristei und Prozessionskapelle. Im 15. Jahrhundert wurden die die bis dahin relativ niedrigen Seitenschiffe erhöht und mit einer Reihe von Maßwerkfenstern versehen. Dies war die letzte, den Bau prägende Maßnahme an der Kirche. Sie hatte ihr endgültiges Aussehen gefunden.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Marienkirche stark beschädigt. Um die Kirche auch weiterhin nutzen zu können, wurden die Risse der Innenwände im 17. Jahrhundert mit einem Kalkputz überzogen. Fensteröffnungen, bei denen die ursprüngliche Verglasung verloren war, wurden einfach vermauert.

Wahrscheinlich auch ein Relikt des Dreißigjährigen Krieges war der „Schiefe Turm“ der Marienkirche, der lange als Wahrzeichen Gelnhausens gegolten hat. War das seltsam verbogene Dach aus Kalkül oder Zufall entstanden? Und bis heute haben sich die Zweifel erhalten, ob die bizarre Konstruktion aus Notwendigkeit oder bloß aus Borniertheit gegenüber dem Genie ihres Baumeisters abgetragen werden mußte. Obwohl es in der Barockzeit vorkam, daß Türme bewußt in einer außergewöhnlichen Form entstanden sind, ist diese ehemalige Gelnhäuser Attraktion eher der desolaten Finanzsituation der Stadt nach diesem Krieg zuzuschreiben: Die Schäden am Helm des südlichen Chorflankenturmes wurden wahrscheinlich nur notdürftig repariert, so daß sich frisches Holz, das verwendet wurde, witterungsbedingt verzogen hatte und mit der Zeit ein schiefer Turmhelm entstand.

Am 13. Juli 1877 wurde mit dem Abriß des schiefen Turms begonnen wurde. Geschichtsforscher Heinrich Horst weiß aus Überlieferungen, wie sehr die Menschen an der Kuriosität hingen: Für die Beseitigung des Abbruchschutts wurden Helfer gebraucht. Doch die mußten von außerhalb geholt werden. Aus Gelnhausen war niemand bereit, daran mitzuwirken. Einen geraden Turm hat schließlich jeder; aber man suche mal so einen schiefen.

Der Abriß des gut 22 Meter hohen Daches, das um die Mittelachse spiralig gebogen und zur Seite geneigt war, geschah innerhalb einer großangelegten Sanierung der Marienkirche. Dennoch dürfte der Turm den Verantwortlichen mit Abstand die meisten Probleme bereitet haben. Statt sich zu ängstigen, das bedrohlich geneigte Gebilde könnte eines Tages herabstürzen und Kirchgänger unter sich begraben, kämpften die Menschen dafür, den schiefen Chorwinkelturm nicht anzutasten.

Dafür gab es sogar einige Argumente, denn die Fachleute waren zumindest über die Ursache der Schiefstellung nicht einig. Wie der Lokalhistoriker Johann Lorenz Kreuter 1906 beschrieb, vertraten die mit der Restaurierung der Kirche beauftragten Sachverständigen die Auffassung, daß die Verformung die Folge einer schlechten und vernachlässigten Konstruktion sei. Andere Experten jedoch waren der Ansicht, der Turmhelm sei absichtlich in dieser gewundenen Form errichtet worden und stelle somit ein besonderes Baukunststück der Erbauer dar.

Wohl auch deshalb, weil das Kuriosum zahlende Besucher in die Stadt lockte, formierte sich eine Bürgerinitiative, die der Baukunststück‑Theorie anhing. Sie opponierte gegen Kirchenbauleitung und Regierungsaufsicht, die den Abriß als zwingend notwendig erachteten. Eine Petition an das königliche Ministerium führte zur Entsendung eines Obergutachters aus der Hauptstadt, brachte aber nur kurzzeitig Hoffnung. Der Historiker Kreuter über das Ende: „Als nämlich der zur Begutachtung berufene hochbetagte, oberste Leiter des Bauwesens, Geheimer Oberbaurat Salzenberg aus Berlin mit Hülfe eingebauter Gerüste den Turm befahren und auf seinen Zustand untersucht hatte, lautete die endgültige Diagnose: ‚Unrettbar verloren!’, worauf alsbald zur Niederlegung des Turmhelms geschritten wurde.“ Die Kirchenbau‑ Kommission notierte dazu in einem Dokument, das am 17. Oktober 1877 im Knopf des Vierungsturmes deponiert wurde: „Der Abbruch des Thurms war eine gefährliche Arbeit, denn die ganze Construktion war außer Rand und Band und man kann von Glück sagen, daß durch den schon lange möglichen Zusammensturz kein Unglück geschehen ist.“

Zweifelsfrei bewiesen ist damit die Baufälligkeit der Turmspitze allerdings nicht. Erstaunlicherweise hat die Schiefstellung auch einen recht langen Zeitraum von mindestens 167 Jahren überdauert. Erstmals wird ein krummer Turm in einer Urkunde von 1710 erwähnt.

Die erste Abbildung des schiefen Turms findet sich im Gelnhäuser Gesangbuch von 1728. Gerade hingegen sind beide Flankentürme in dem bekannten Kupferstich der Stadtansicht um 1630 von Matthäus Merian dargestellt. Könnte Merian das Bild geschönt und den schiefen Turm gerade dargestellt haben? Eine solche Besonderheit hätte der Künstler sich nicht entgehen lassen. Auch noch ältere Abbildungen zeigen den Turm gerade.

Somit müßte der Zeitpunkt der Veränderung des „sicher ehemals geraden Turmhelms“ (Dinges) zwischen 1630 und 1710 liegen. Über das wie und warum kann man nur Vermutungen anstellen, wie es schon Kreuter tat: Ein Orkan oder ein Erdbeben könne schon während des Dreißigjährigen Krieges zu Schäden geführt haben. Diese seien aber zunächst unbeachtet geblieben, da Gelnhausen infolge der Kriegseinwirkungen über längere Zeit unbewohnt und noch längere Zeit verarmt gewesen sei. Wahrscheinlich erst 1685 ‑ damals sei eine allgemeine Kollekte veranstaltet worden ‑ sei durch eine geschickte Reparatur die Verdrehung gesichert, vielleicht aber auch verstärkt worden. Immerhin habe der Turm dann eine Reihe von Erdbeben, die um das Jahr 1700 registriert worden seien, gut überstanden. Es kursieren allerlei weitere Theorien zum schiefen Turm. Eine davon ist, daß auf der einen Seite trockenes Holz, auf der anderen aber feuchtes Holz verbaut wurde und sich die Konstruktion deshalb verdreht hat.

Offen bleibt einstweilen auch die Frage, weshalb der nördliche Zwilling des Turmes sich als so viel dauerhafter erweisen konnte. Er trägt heute noch sein Dach, das um 1284 vollendet wurde und laut Bauhistoriker Georg Wilbertz das älteste seiner Art sein dürfte, das noch vollständig existiert. Während der umfassenden Restaurierung der Marienkirche zwischen 1986 und 1999 konnte immerhin dieser 700 Jahre alte Turmhelm mit einem aufwendigen Stützkorsett gerettet werden.

 

Bei den grundsätzlichen Renovierungsarbeiten an der Kirche in den Jahren 1877 bis 1879 wurde der Turmhelm abgetragen und in seiner ursprünglichen Form wieder hergestellt. Bei dieser Renovierung wurde auch der Kalkputz im Inneren entfernt. Leider wurden dabei fast alle darunterliegenden mittelalterlichen Fresken und Farbspuren gründlich beseitigt. Die zerstörten Glasfenster wurden durch neue Scheibe in mittelalterlichem Stil ersetzt, die barocke Orgel mußte einer neugotischen weichen (im Jahre 2017 wurde eine neue Orgel gebaut) und auch in der Architektur wurden einige Details ergänzt. So erhielt der Vierungsturm die betenden Engelfiguren an den Giebelspitzen. Die Zerstörungen durch amerikanischen Beschuß am Karfreitag 1945 wurden schnell beseitigt, woran eine Inschrift am nördlichen Querhausportal erinnert.

Bisher zum letzten Mal fanden im Inneren der Kirche 1962 / 1963 umfangreiche Erneuerungsarbeiten statt. Die Kanzel des 19. Jahrhunderts wurde durch die Renaissance-Kanzel ersetzt. Die mit gotischen Dreipässen versehenen Wangen der Bänke wurden durch nüchterne Formen ersetzt. Die gotisierenden Scheiben des 19. Jahrhunderts größtenteils durch Antikglasfenster mit einem Rautenmuster ausgetauscht. Die Zutaten des 19. Jahrhunderts sollten entfernt werden, nur der mittelalterliche Raum hatte zu wirken.

Seit 1987 wird die Marienkirche nun abermals einer größeren Restaurierung unterzogen. Zuerst wurde der Vierungsturm, dann die Chorflankentürme baulich gesichert. Im Jahre 1990 folgte der Glockenturm und im Herbst 1993 wurde das Hauptdach erneuert. Zur Jahrtausendwende soll diese Aktion, die den mittelalterlichen Kirchenbau für die nächsten Jahrhunderte retten soll, abgeschlossen sein.

Eine Michaelskapelle, die als Totenkapelle für Seelenmessen auf dem Kirchhof an der Nordseite stand, wird erstmals 1289 urkundlich erwähnt. Der Bau wurde 1825 bei Straßen­erweite­rungsarbeiten beseitigt, ebenso ein „Heiliges Grab“, das um 1490 von einem Jerusalempilger gestiftet worden war.

 

Kurzgefaßte Baugeschichte der Kirche:

Um 1200

Die Prämonstratensermönche aus Selbold bauen eine kleine, turmlose Kirche

Nach 1170

Ausbau zu einer dreischiffigen Basilika. Der fünfgeschossige Glockenturm im Westen und ein Querhaus mit Apsiden werden ergänzt (oder: etwa 1150)

13. Jahrhdt.

Erhöhung des Glockenturmes

1225-1250           

Abschluß der Arbeiten am Ostteil der Kirche. Bau eines mächtigen, achteckigen Turmes über der Vierung und zweier schlanker Türme. Verlängerung der Seitenschiffe, Erhöhung der Chorflankentürme und Errichtung des Lettners

1446

Aufstockung der Seitenschiffe

15. Jahrhdt.

Anbau der Prozessionskapelle

1685   

Ausbesserung der Schäden des 30jährigen Krieges

1877-1879

Das schon damals schiefe Dach des Südturms wird gerichtet

1946-1948

Ausbesserung der Schäden durch den Beschuß Gelnhausens im Frühjahr 1945

1970-1981

Restaurierung der Altäre, Epitaphen, Bildteppiche und weiterer Kunstschätze

1987-1999

Bei der „Jahrhundert‑Restaurierung“ werden Dächer und Dachstühle sowie der stark geschädigte Außensandstein saniert

1999   

Gründung der „Stiftung Marienkirche“

2000   

Restaurierung der fünf Fenster im Chor (teilweise aus dem 13. Jahrhundert)

 

 

Sehenswertes an der Außenseite der Marienkirche:

Fünf Portale führen zum Innenraum. Die beiden Portale am Längshaus und das im 15. Jahrhundert versetzte Portal am Westturm gehören noch zur zweiten, die Querhausportale zur letzten Bauperiode. Außen wie innen steigert sich das Werk von Westen nach Osten in Gliederung, Formenfülle und plastischer Ausgestaltung.

Das Querhaus ist an den beiden Stirnseiten prunkvoll mit je einem Portalvorbau ausgestattet. Die beiden Querhausportale sind bis auf die Bogenfeldbilder fast gleichartig. Der Giebel über dem Portalbogen ist mit sieben steigenden Bogennischen ausgefüllt. Alle Säulen tragen frühgotische Blatt‑ und Knospenkapitelle, in die (wie auch bei den Konsolen) oft Figuren eingestellt sind.

Das nördliche Querhausportal hat zwei Abtreppungen mit eingestellten Säulen, die sich oben als Archivolten fortsetzen. Ein mit zwei Bändern kreuzförmig umwickelter, blattgeschmückter Rundstab bildet den Rahmen für das Tympanon. Dieses zeigt den Gekreuzigten zwischen Maria und dem Evangelisten Johannes, die links vom Erzengel Gabriel und rechts vom Erzengel Michael umrahmt werden.

Die rechte Konsolfigur über dem Portal stellt Heinrich Vingerhut dar, den viele für den Baumeister der Marienkirche halten; selbstbewußt blickt er seitdem, in Stein gemeißelt, vom Schauportal an der Nordseite auf Straße und Besucher. Die linke Figur hält ein Gefäß in den Händen und gilt deshalb auch als Schatzmeister. Das nördliche Querhausportal wird auch als Brautportal bezeichnet, weil Brautleute sich vor dem Einzug zur Hochzeitsfeier hier außerhalb der Kirche ihr Jawort geben mußten.

Das Tympanon des Portals zum nördlichen Seitenschiff (westlich des Querhausportals) zeigt in der Mitte den segnenden Christus auf einem Thron mit einem Buch in der linken Hand. Er wird von der gekrönten Himmelskönigin Maria mit überlangen Zöpfen und dem Evangelisten Johannes sowie zwei nicht identifizierbaren Bischöfen flankiert.

Das dreischiffige Langhaus hat noch die einfachen romanischen Formen. Die in gotischer Zeit erhöhten Seitenschiffe sind durch eine Reihe abwechslungsreicher Maßwerkfenster belebt. Unter den oberen Fenstern zieht sich ein mit schönen Konsolen unterstützter Spitzbogenfries hin.

Eine Kuriosität stellt das „Gelnhäuser Männchen“ an der Westseite des nördlichen Seitenschiffes dar: Es bemüht sich vergeblich mit Armen und Beinen, in einem Ausgleichselement den Bogen weiter zu spannen. Der Sage nach haben sich die Bauleute ausgerechnet bei den Bögen des gotischen Messwerks verrechnet und mussten einen schmaler gestalten als alle anderen. Da soll ein Geselle auf die Idee gekommen sein, genau in diesen Bogen ein Männchen zu setzen, der die zu klein geratene Arkade scheinbar auseinanderdrückt u d noch nicht ganz damit fertig geworden ist.

Vermutlich ist das nicht der wahre Grund für die bockte Geometrie. Viel wahrscheinlicher ist, dass der kleine Fehler mit Absicht gemacht wurde. Man findet solche scheinbaren Missgeschicke an vielen Kirchen, sollen sie doch ausdrücken, dass allein Gott in Lage ist, Perfektes zu schaffen. Für diese 'Theorie spricht, dass Gelnhäuser Männchen in der nordöstlichen Ecke des Gebäudes angebracht wurde. Jede Himmelsrichtung hatte im Mittelalter bestimmte Bedeutung: Aus dem Osten wurde das Heil erwartet, weil dort die Sonne aufging, der Norden stand für Dunkelheit und Kälte. Also musste nach damaliger Logik eine geisterabwehrende Figur idealerweise in der Richtung angebracht werden, an der diese Symboliken aufeinandertreffen.   

 

Der quadratische Westturm baut sich in sechs Stockwerken auf. Sein Erdgeschoß zeigt eine tonnengewölbte, ursprünglich nach drei Seiten offene Halle. An der Ostseite befindet sich das älteste Portal der Kirche. Es ist zugemauert und wurde einst mit dem vorgezogenen Seitenschiff hierher versetzt.

Je zwei stufenweise vorgestellte Säulen mit Kelchblockkapitellen tragen Blendbogen, die sich um ein freies Bogenfeld schließen. Die einzelnen Geschosse des aus Bruchsteinen gefügten Turmes sind durch Gesimse getrennt und finden oben in den Giebeln in einem rheinischen Rhombendach mit achtseitigem Türmchen ihren Abschluß. In den beiden oberen Geschossen und in den Giebeln sind romanische Fenster. Unten über dem Portal ziert eine Rundbogennische, die ein zwischen zwei Rosetten schreitendes Lamm mit Kreuz und Nimbus und unter dem Bogenfeld ein Vierpaßfenster zeigt. An der rechten Seite des Westgiebels ist die Geln­häuser Elle angebracht.

Das südliche Portal an der Längswand ist rundbogig umrahmt und trägt über blindem Bogenfeld einen zierlichen Kleeblattbogen. Im Tympanon des südlichen Querhausportals sieht man in der Mitte die thronende Mutter Gottes mit dem Jesuskind auf dem Schoß. Sie wird von vier Frauengestalten umgeben, die sich leicht nach innen wenden. Sie verkörpern weibliche Tugenden und die Jungfräulichkeit. Innen stehen die beiden Heiligen Katharina und Margaretha, außen knien anbetend die beiden Schwestern Maria Magdalena und Martha.

Im Schnittpunkt von Quer‑ und Langhaus erhebt sich über einer Rundkuppel der achtseitige Vierungsturm. Auf den Giebeln über den gekuppelten Fenstern stehen acht Engelfiguren. Der Chor, umrahmt von den beiden runden Nebenchören, springt architektonisch mit polygonalem Fünf-Achtel-Schluß nach Osten vor. Ein Rundbogenfries schließt die Fensterfläche nach oben ab. Darüber zieht sich eine Kleebogengalerie, hinter der sich Rosenfenster in Vierpaßform befinden. Eine Giebelkrönung mit kleinen Fenstern auf jeder Polygonalseite und ein achtseitiges Zeltdach beschließen den Chor.

 

Im Jahre 1999 wurde vor dem Westportal zur Erinnerung an die Pfarrerswitwe Elisabeth Strupp, die 1599 mit anderen Frauen als angebliche Hexe hingerichtet worden war, eine Skulptur errichtet. Ein Arbeitskreis bereitete den 400. Todestag des bekanntesten Opfers des Gelnhäuser Hexenwahns vor. Dieser entdeckte auch die als verschollen geltende Anklageschrift im Marburger Staats‑Archiv wieder. Elisabeth war die Schwiegertochter des Pfarrers Peter Strupp, der 1542 die Reformation in der Barbarossastadt einführte. Offenbar im Glauben, ihre Familie sei tabu, setzte sie sich für im „Hexenturm“ eingekerkerte Frauen und Männer ein. Sie soll ihnen sogar Brot und Blumen gebracht haben. Der Obrigkeit war dieses Verhalten ein Dorn im Auge.

Unter dem Vorwand, sie habe Kirchensilber gestohlen, wurde Elisabeth Strupp verhaftet und gefoltert. Sie gestand schließlich die Tat, daß sie eine Zauberin und „vom Satan in bunten Kleidern zum Schornstein hinaus in eine Wildnis“ gebracht worden sei, wo sie dem Teufel habe „zusagen“ müssen. Am 3. August 1599 starb sie auf dem Richtplatz „Escher“ am Kinzigufer durch das Schwert des Henkers. Ihr hoher Stand ließ ihr die „Gnade“ des Enthauptens zuteil werden, ehe sie verbrannt wurde. Die Asche von Elisabeth Strupp wurde in alle Winde zerstreut.

In einer bundesweiten Ausschreibung hatten sich neun Künstler um den Auftrag beworben.

Den Zuschlag erhielt eine außerordentlich filigrane Umsetzung des Themas: Ein zwei Meter hoher Metallring begrenzt die Tanzbewegungen einer Frauenfigur, die versucht, aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Der Körper ist aus einem endlosen Vierkantstahl gewoben. Da das Antlitz der Märtyrerin nicht bekannt ist, wurde für die Skulptur ebenfalls eine gesichtslose Darstellung ausgewählt. Gefertigt hat das Kunstwerk der Berliner Bildhauer Karl Menzen nach einem Entwurf der bulgarischen Künstlerin Fanna Kolarova.

Die Skulptur vor dem Westportal der Marienkirche soll nicht nur an alle unschuldig Verfolgten erinnern, sie ist auch das Gegenstück zu den Zeugnissen des Gelnhäuser Schultheißen Johann Koch im Inneren des Gotteshauses. Der als besonders grausam bekannte Hexenrichter soll für den Tod von Elisabeth Strupp verantwortlich gewesen sein. Als das offenkundige Fehlurteil ruchbar wurde - kurz nach ihrem Tod gestanden ein Handwerker und der Küster den Diebstahl - stiftete Koch eine neue Kanzel für die Kirche. Die Grabplatte des Hexenrichters ruht noch immer hinter dem Hochaltar in der Kirche. Die Skulptur seines Opfers verharrt draußen vor der Tür.

 

Rundgang durch die Kirche:

Wenn man das Gotteshaus von Westen betritt, kommt man zuerst in den Vorraum unter dem Glockenturm. Es handelt sich um eine bisher unbekannte Kapelle, die man dadurch fand, daß man die Seitenwände untersuchte und dabei auf Nischen traf. Durch den noch ursprünglichen romanischen Eingang sieht man das ganze Kirchenschiff vor sich.

Im Mittelschiff befindet sich an der Westseite die mächtige Orgel, die durch die gute Akustik der Kirche voll zur Geltung kommt. Im Jahre 1967 wurde von der Firma Bernhard Schmidt (Gelnhausen) eine neue Orgel hergestellt, die im Oktober eingeweiht wurde. Das Gehäuse steht unter Denkmalschutz und stammt aus dem Jahre 1870.

Im Innenraum öffnet sich das Mittelschiff nach den Seiten in vier spitzbogigen Arkaden auf kräftigen Pfeilern. Die einst kahlen, heute gequaderten Wandflächen, die hochsitzenden rundbogigen Fenster und die flache Decke lassen den romanischen Stil erkennen.

Höhepunkt des Innenraumes sind Vierung und Chor. Im Querhaus beherrscht die durch reich profilierte Pfeiler und spitze Gurtbogen betonte Vierung mit ihrer hohen Kuppel den gesamten Kirchenraum. Dort treffen sich das Querschiff und das Hauptschiff. Von oben gesehen bilden beide Schiffe dadurch die Kreuzform ab.

Die Vierung wird außen von einem achteckigen Turm überwölbt. Durch diese Bauweise wird die mittelalterliche Zahlensymbolik optisch verdeutlicht: Es gibt vier Evangelisten und vier Himmelsrichtungen, Die Acht gilt als Zahl des Heils: Im Zentrum der Vierung befindet sich ein Abschlußring, dessen Rand acht Köpfe bilden. Diese Köpfe stellen die verschiedenen Winde und Himmelsrichtungen dar.

Unter der Vierung befinden sich wichtige Elemente der Kirche: der Apostelaltar (oder Kreuzaltar), ein Taufbecken, die Renaissancekanzel und der Lettner. Der neue Taufstein ist ein Werk des Bildhauers Helmuth Uhrig, Arnoldshain, 1963. Die Kanzel wurde im Jahr 1600 vom damaligen Schultheiß Johann Koch gestiftet, der wegen seiner Hexenverfolgung traurige Berühmtheit erlangte.

 

Das bedeutendste Kunstwerk ist jedoch der Lettner (von „lectorium“ = Lesepult). Der Lettner trennt den reich ausgestatteten Chorraum für die Klostergeistlichen von der eher schlichten Laienkirche. An dieser Stelle wurden in den Gottesdiensten Evangelium und Epistel vorgelesen. Der Lettner erhielt so eine liturgische Legitimation. Wie kaum ein anderer Kirchenbau in unserer Region, bezeugt die Marienkirche mit ihrer Ausstattung noch das religiöse Leben in mittelalterlicher Zeit. Vor allem durch die Altarausstattung und den Lettner lassen sich wichtige Elemente der Frömmigkeit dieser Epoche nachvollziehen. In einer mittelalterlichen Kirche ging es laut und geschäftig zu. Deshalb war es notwendig, einen stillen Raum für die Gebete und liturgischen Verrichtungen der Geistlichen zu schaffen. Schon im Frühmittelalter errichtete man deshalb Schranken, welche die Kirche in zwei Räume teilten. Einfache, hölzerne Trennwände, die zu diesem Zweck geschaffen wurden, ent­wickelten sich im Laufe des Hochmittelalters im Kircheninneren zu eigenständigen Baukörpern, den Lettnern, die optisch den Raum gliederten. Dem durch das Westportal eintretenden Besucher wurde so verwehrt, nach Osten hin den ganzen Raum zu erfassen. Er sollte hinter dem Lettner noch etwas erahnen, es sollte so ein für ihn unbekannter, ja mystischer Raum entstehen.

 Der Raum vor dem Lettner, das Langhaus der Kirche, stand allen Besuchern offen. Die Bürger der Stadt, die Bewohner des Umlandes, aber auch die zahlreichen durchziehenden Kaufleute konnten diesen Raum zur Andacht und zum Gebet aufsuchen. Der durch den Lettner abgeteilte Chorraum (das Sanctuarium der Kirche) durfte von diesen Menschen, den kirchlichen Laien, nicht betreten werden, sondern er war nur den Geistlichen zugänglich. Diese in ihrer Funktion unterschiedlichen Räume hatten deshalb auch eine verschiedenartige Ausstattung. Während sich die Geistlichen in „religiösen Dingen“ auskannten - sie wußten ja durch ihre theologische Ausbildung, um was es im Gottesdienst und in den Schriften ging - sollten Laien durch eine entsprechende Gestaltung des Raumes mit Kirche und Religion vertraut gemacht werden.

Auch dazu diente der Lettner; er wurde zu einer didaktisch gestalteten Bilderwand, an der entweder das Leben Christi oder das „Jüngste Gericht“ dargestellt wurde. Diese Bilder mußten optisch ansprechend gestaltet sein. Sie waren ganz auf das Schaubedürfnis der Laien im Schiff zugeschnitten. Aufgrund des Bildungsstandes konnte nur ein Bruchteil der Bevölkerung dem Inhalt der Messe folgen. Es fehlten die entsprechenden religiösen Kenntnisse, aber auch Latein, die Sprache der Kirche, war den einfachen Leuten so gut wie unbekannt. Zudem stand ja der Geistliche bei der Messe hinter dem Lettner, so daß dieser eine optische und akustische Barriere bildete. Die meisten Gläubigen konnten nur dem äußeren Ritus der Messe folgen, etwa dem Wechsel zwischen Stehen und auf dem bloßen Boden knien. Bänke gab es für die Laien im Schiff nicht. Um nun die Laien Woche für Woche, Monat für Monat, mit den Ideen der Kirche vertraut zu machen, waren Bilder im Kirchenraum von großer Bedeutung. Durch das ständige Anschauen sollten die Gläubigen mit den Ideen der Kirche vertraut gemacht werden.

Die Reliefs am Lettner waren zudem farbig gestaltet, was die Darstellungen für die Laien in der mysteriengläubigen Zeit des Mittelalters natürlich noch interessanter machte. Der Lettner der Marienkirche in Gelnhausen ist einer der wenigen noch erhaltenen mittelalterlichen Lettner. Im 16. Jahrhundert, auf dem Konzil zu Trient wurden die Lettner in der katholischen Kirche als Trennung zwischen den Geistlichen und den Laien abgeschafft. In der Folge wurden die meisten Lettner zerstört, da sie liturgisch nicht mehr notwendig waren. Schon vorher aber, im Jahr 1543, wurde die Stadt Gelnhausen reformiert, es gab keinen Bildersturm und die gesamte Ausstattung der Kirche blieb erhalten, auch als dann die katholische Kirche die Lettner abschaffte, blieb so der Lettner als heute einzigartiges Denkmal erhalten.

 

Die ursprünglich einfachen Wände wurden zu dreiseitigen Bühnen ausgebaut, deren Rippengewölbe von gebündelten Säulen getragen wird. Der Zugang erfolgte von der Rückseite durch Treppen. Oben schließt der Lettner mit einer Brüstung ab, an der in einer Galerie spätgotische Heiligenfiguren gemalt sind. Der plastische Schmuck der Kapitelle ist durch die Darstellung der Jahreszeiten als Hinweis auf die vier biblischen Weltzeiten gekennzeichnet. Dieses multifunktionales Sandsteingebilde ist einer der wenigen erhaltenen dieser Art.

Am Gelnhäuser Lettner ist in vier Reliefs das „Jüngste Gericht“ dargestellt. Neben der leiblichen Auferstehung wird dem Kirchenbesucher der Weg der Seligen ins Paradies, der durch einen Kirchenbau führt, genauso präsentiert, wie der Weg der Verdammten in die Hölle, welche schließlich mit all ihren Qualen den Abschluß des Zyklus bildet.

Auf der rechten Seite sieht man einen kleinen Teufel, der die Verdammten zum Höllenrachen führt. Das ist nicht ohne gesellschaftliche Brisanz, denn hier ist eine recht illustre Schar mit Ketten gefesselt: Es sind hier nicht nur Ungläubige, die den Weg in die ewige Verdammnis nehmen, wie etwa der gelehrter Jude, der durch seinen spitzen Hut charakterisiert ist, oder ein Reicher (am Geldbeutel erkenntlich), der offensichtlich bei einem feuchtfröhlichen Anlaß (umgestoßener Krug) überrascht worden sind und nun dem Höllenrachen zugeführt werden. Man sieht auch einen Geistlichen, einen König, einen betenden Mönch, eine Nonne, einen Abt, eine vornehme Frau und einen reichen Mann. Sie alle zählen zu der Gruppe, die der Erzengel Michael mit seinem Schwert noch antreibt.

Hier sitzt nun die erlauchte Gesellschaft inmitten lodernder Flammen und bösartigsten Unterweltsgestalten ‑ dem einen prangt der Ekel in Form einer dicken, fetten Kröte auf der Brust. der andere ist bemüht, sich am Arm eines Teufels herauszuziehen, was ähnlich erfolglos enden dürfte wie der Versuch des Reichen, seinen Reichtum durch Herunterwürgen seines Goldes zu retten.

Hier sollte verdeutlicht werden, daß niemand aufgrund seiner Herkunft oder seines Standes wegen einen Platz im Paradies zugesichert bekommen konnte. Jeder mußte ihn sich durch ein entsprechendes Leben erwerben. Es ist selbstverständlich, daß solche Darstellungen - sie waren im Mittelalter recht häufig - auch Neidgefühle dämpfen sollten, die das einfache Volk gegenüber der Oberschicht, zu der auch die Kleriker gehörten, hegte. Die Hölle selbst - vom künstlerischen Anspruch her bewußt expressiv gestaltet - läßt die Gesichter der Gequälten zu verzerrten Grimassen erstarren. Bei diesem Relief wird noch heute deutlich, daß es mit seiner ursprünglichen farblichen Gestaltung und bei entsprechender Beleuchtung seine Betrachter durchaus erschrecken konnte.

In der Gruppe der Seligen herrscht eine beschwingte Leichtigkeit vor, einfache, glückliche Gestalten laufen den Kirchenfenstern zu. Die Auferstehung wird durch sich räkelnde, noch müde gähnende (da frisch erwachte) Sarginsassen symbolisiert. Auferweckte steigen aus ihren Särgen, und Selige schreiten der Himmelspforte entgegen. Die Seligen sind in Kutten gekleidete Menschen - jedermann hat die Möglichkeit, sich auf den Weg ins Paradies zu begeben. Die drei Bögen des Lettners enthalten naturalistische Kapitelle mit Blättern, Blüten und Früchten.

 

Unter dem Lettner ist heute der Apostel‑ oder Kreuzaltar, der Laienaltar zum „Heiligen Kreuz

Der Altaraufsatz wurde um 1500 gestiftet und fügt sich mit seiner Aussage in das Thema des Lettners ein. Im oberen Teil des Altaraufsatzes wird die Kreuzigungsgruppe mit dem Gekreuzigten sowie Johannes und Maria dargestellt. Auf der linken Seite des Gekreuzigten kniet Johannes der Täufer und auf der rechten Seite der Apostel Paulus. Die Identifizierung der einzelnen Apostel, die als Holzfiguren mit viel Gold verziert aufgestellt sind, ist nicht immer leicht, denn im Laufe der Zeit wurden Teile der charakteristischen Symbole, die sie kennzeichnen, abgebrochen. In der Mitte zwischen den Aposteln knien zwei als Relief geschnitzte Engel mit Kerzen vor einem Tor, das in geöffnetem Zustand an bestimmten Festtagen einen Blick in den Chorraum gestattete. Die Symbole der vier Evangelisten umgeben die Figuren der Apostel.

Das Kruzifix über dem Lettner hat seinen Standort mehrmals gewechselt und ist erst 1934 hier aufgestellt worden. Der Meister dieses Werkes aus der spätgotischen Zeitgestaltete den Todeskampf Christi, in dem er mit dem leidenden zugleich auch den erhöhten Herrn sichtbar werden läßt. In der Brüstung des Lettners sind Malereien aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Sie stellen Christus im Zentrum von 22 Heiligen dar.

Im Laufe des Kirchenjahres wurde der Kircheninnenraum auf die einzelnen Feste vorbereitet. Es wurden dafür Bildteppiche, Leuchter, aber auch Skulpturen aufgestellt. Doch in der Passionszeit verhüllte man all diesen kirchlichen Schmuck als Zeichen der Trauer. An den hohen Festtagen aber wurde der Prunk in den Kirchenräumen bis ins Unermeßliche gesteigert. Der Höhepunkt dabei war der Blick in die für die Feiertage geöffneten Flügelaltäre, so daß die Innenseiten der Flügel mit ihrem Goldgrund und die Schreine mit den in goldene Gewänder

gehüllten Heiligenfiguren sichtbar wurden.

Der Lettner der Marienkirche entstand kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts. Sein Stil unterscheidet sich merklich von dem des Meisters der Chorkonsolen: Durch seine derb‑kräftige und ausdrucksstarke Reliefkunst läßt er eine stilistische Nähe zum „Naumburger Meister“ erkennen. Die bildliche Thematik des Lettners und seine Form folgen dem ehemaligen Westlettner des Mainzer Domes, einem Frühwerk des Naumburger Meisters.

 

Die mittelalterlichen Kirchen waren angefüllt mit Altären und prächtigen Altaraufbauten. Neben dem Hochaltar für die Geistlichen - er steht im Chor der Kirche, hinter dem Lettner - und dem Laienaltar vor dem Lettner - der für die Pfarrgemeinde gedacht war - gab es Altäre in allen Kapellen. Oft standen sie mit ihren schrankartigen Aufbauten vor jeder Säule und jedem Pfeiler. Für die Marienkirche sind im ausgehenden 15. Jahrhundert zehn Altäre mit ihren Retabeln urkundlich überliefert.

Nur zwei von ihnen sind mit den heute noch erhaltenen fünf Altären identisch: der Kreuzaltar unter dem Lettner und der Annenaltar in der südlichen Seitenapsis. Doch zeugen auch die übrigen Altäre der Marienkirche, die alle um das Jahr 1500 entstanden sind, der Nikolaus-Altar in der nördlichen Seitenapsis, der kleine Marienaltar (der heute in der Prozessionskapelle steht) und natürlich der Hochaltar, der im Jahr 1500 entstanden ist und dessen Flügel der Seligenstädter Maler Nicolaus Schit geschaffen hat, von einer Zeit, als Religion und Kunst noch untrennbar miteinander verbunden waren.

 

Hinter dem Lettner erhebt sich der hohe Raum des Hauptchores. Zwei seitliche Türen unter dem Lettner fuhren in den Chor, in dem der Stil Vingerhuts mit seinen reichgeschmückten Kapitellen und Gewölbesystemen voll zur Entfaltung kommt.

Der Hochaltar im Chor ist signiert „1500 Nicolaus Schit“. Er ist ein Marienaltar und wurde um 1500 geschaffen. In geöffnetem Zustand sind links von Maria zu sehen: Petrus mit dem Schlüssel und der Bibel sowie Johannes der Täufer mit bloßen Füßen, der auf das Lamm Gottes zeigt. Rechts von der Mutter Gottes steht Johannes der Evangelist mit segnender Hand und dem Giftkelch, aus dem eine Schlange entflieht. Daneben steht Paulus mit dem Schwert, das seine Hinrichtung versinnbildlicht. Darüber ist der auferstandene Jesus zu sehen, der segnend vorangeht. Auf den Seitenflügeln sind jeweils zwei Heilige abgebildet. im geschlossenen Zustand ist in der Mitte des Altars die Verkündigung der Geburt Jesu durch den Engel zu sehen. Ein Bischof als allgemeiner Nothelfer und der Heilige Georg flankieren die Szene.

Über dem Schrein steht in einem fein ausgearbeiteten Gesprenge eine Christusfigur als Ecce Homo. Die Altarflügel zeigen Heiligenfiguren unter Laub-Ornament auf der Innenseite und auf der Außenseite eine Darstellung von Mariae Verkündigung.

Aus der gleichen Zeit wie der Lettner stammen die 1934 freigelegten, heute stark verblaßten Fresken. Die Wandmalereien im Chorraum zeigen Marienlegenden sowie Kaiser Konstantin und seine Mutter Helena. Figuren auf Konsolen erzählen unter anderem vom Kampf des Menschen mit der Sünde (Drache) und vom Bösen, das sich selbst in den Schwanz beißt. Die Chorfresken wurden im 19. Jahrhundert stilecht ergänzt und zeigen unter anderem Kaiser

Barbarossa mit einem Kirchenmodell in der Hand.

Das Sakramentshäuschen (14. Jahrhundert) an der Nordwand des Chorschlusses ist mit bemaltem Schnitzwerk gerahmt und im Innern mit einer Marienkrönung und zwei Stifterwappen geschmückt. Beachtenswert sind die in vier Reliefs dargestellten Szenen des Jüngsten Gerichts. Die beiden äußeren Fenster zeigen Szenen aus Marienlegenden. Die beiden inneren Fenster geben Passion und Wirken Jesu wieder. Im mittleren Fenster wird der Stammbaum Jesu bildlich dargestellt.

Nach den meisterhaften plastischen Steinmetzarbeiten an den Architekturteilen im Chor nennt man den Künstler „Meister der Chorkonsolen“ (um ihn abzusetzen vom Meister des Lettners).

Zwei Wandschränke aus dem 14. Jahrhundert an der Südostwand des Chores dienten zur Auf­bewahrung des Kirchengerätes bestimmt. Hinter dem Hochaltar steht auch der Grabstein des Schultheißen Koch mit seinem Bild. Das Chorgestühl stammt aus dem 14. Jahrhundert und besteht aus Klappsitzen mit Vorsprüngen zum Anlehnen während sehr langer Gottesdienste.

In der Sakristei sind zwei spätgotische Wirkteppiche ausgestellt, wahrscheinlich einst als Antependien dienten. Der um 1450 entstandene Passionsteppich stellt in zwei Reihen übereinander die Leidensgeschichte dar. Der auf Entwürfe Schongauers zurückgehende Marienteppich ist ein Weihnachtsteppich aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, der „Maria im Paradies­gärt­lein“ zeigt, der ein von einem Engel gejagtes Einhorn in den Schoß springt.

 

Die Glasmalereien der Fenster stammen an sich aus der Entstehungszeit der Kirche, wurden aber 1877 stark restauriert und teilweise neu geschaffen. Jedes der fünf Chorfenster ist aus sechs umrahmten Medaillons zusammengesetzt. Die drei ersten Fenster von links zeigen größtenteils alte Darstellungen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, während die zwei letzten der Restaurierung des 19. Jahrhunderts angehören. Die biblischen Szenen dieser Bilder aus dem Leben Christi und der Maria zeigen jeweils von unten nach oben:

Erstes Fenster von links:

Legende von Joachim und Anna: Joachims Reise nach Jerusalem, seine Berufung, Vertreibung aus dem Tempel, Verkündigung an Joachim, Verkündigung an Anna, Geburt Marias.

Zweites Fenster:

Die Passion: Abendmahl, Verrat des Judas, Christus vor Pilatus, Geißelung, Kreuzigung, Grablegung.

Drittes Fenster:

Der Stammbaum Christi: Wurzel Jesse, David, Verkündigung an Maria, Geburt Christi, Auferstehung, Salvator mundi (Erlöser der Welt).

Viertes Fenster:

Aus dem Leben Christi: Taufe, Versuchung, Erweckung des Lazarus, Zinsgroschen, Austreibung der Wechsler aus dem Tempel, Palmsonntag.

Fünftes Fenster:

Marienlegende: Marias Einzug in den Tempel, Darstellung im Tempel, der Engel erscheint Joseph, Vermählung der Maria, ihre Verklärung.

 

Vor den um 1500 entstandenen Seitenaltären konnten Menschen ihre Sorgen Gott vortragen, die auf ihnen abgebildeten Heiligen sollten den Gläubigen Mut machen und ihnen helfen.

In der rechten südlichen Seitenapsis steht der Annenaltar (Anna Selbdritt) von 1500. Dargestellt sind die drei Generationen der Heiligen Familie: Anna, die Mutter von Maria, Maria und das Kind Jesus. Die Figur rechts von dieser Figurengruppe könnte Joachim, den Vater Marias, darstellen, die Figur auf der anderen Seite den Kirchenvater Augustinus. Eine andere Deutung sieht in der linken Gestalt mit ihrer Schriftrolle einen Vertreter der Verheißungen des Alten Testaments, der auf Jesus Christus deutet, die rechte Gestalt repräsentiert das Neue Testament. Die beiden Flügel zeigen die Anbetung der Hirten und der Könige

An der Wand neben dem Altar, aber schon wieder im Kirchenschiff, sind lebensgroß der Burg­graf Johann von Lauter und seine Frau Wilhelma von Colmar dargestellt, die beide 1589 starben. Farbrekonstruktionen lassen die ursprüngliche Gestaltung erkennen.

In der nördlichen Seitenapsis steht der Magdalenen‑ bzw. Brautaltar. Er zeigt in seinem Mittelbild Magdalena, mit einem großen Salbengefäß vor dem gekreuzigten Jesus kniend. Nach der christlichen Überlieferung war es Magdalena, die Jesus mit ihren Tränen die Füße wusch und sie mit kostbarem Öl salbte. Der linke Seitenflügel zeigt den Heiligen Martin, der seinen Mantel mit einem Bettler teilt. Rechts ist entweder der Heilige Liborius von Le Mans dargestellt (ein Freund des Heiligen Martin) oder der Heilige Nikolaus (Nikolausaltar). Die Legende erzählt, daß Bischof Nikolaus einem armen Mann drei goldene Kugeln schenkte, damit seine drei Töchter heiraten konnten.

Die nach Westen verlängerten Räume der Seitenschiffe dienen heute im Norden als Gedächtniskapelle. Im Süden dienten sie bis 1963 als Taufkapelle; dort steht der zweite Taufstein, an dem bis 1963 getauft wurde, ein Pult mit einem Gästebuch und Architekturteile. Dort ist ein dreiteiliger geschnitzter Altar mit der Darstellung der Maria mit dem Kinde und auf den Flügeln reliefartig gearbeitet Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist (im Jahr 2002 nicht zu sehen).

Die älteste der Glocken ist aus der Zeit um 1260 – 1270.

 

 

Obermarkt:                                                                                                                            (1)

Über den Obermarkt verlief eines der bedeutendsten Handelsstraßen des Reiches, die Straße von Frankfurt nach Leipzig. Die Pfarrgasse östlich des Obermarktes (ursprünglich „Fahrgasse“) war ursprünglich wesentlich breiter, stellte aber dann eine der beiden Engstellen in Gelnhausen dar. Weil die Bewohner der Gasse in der engen Altstadt ihre Häuser immer weiter zur Straße hin vergrößerten, blieb Ende ein nur drei Meter breiter Durchlass übrig. Das Ausmaß Ladung auf den Wagen hatte sich nach diesem Nadelöhr zu richten. Damit es in Gelnhausen nicht zu Verstopfungen kam, schon zu Beginn der Reise in Frankfurt oder Leipzig das „Lade-Maß“ für die Pfarrgasse angelegt

 

 

Die Benutzer waren gehalten, das Maß ihrer Fuhren nach diesen engen Stellen in Gelnhausen zu richten, wollten sie nicht wieder abladen müssen.Heute erinnern an der Nordseite der Pfarrgasse eine Wandzeichnung und ein Spruch an diese engste Stelle: „Von Leipzig an der Pleisse, bis Franckfurtt an den Main, auf der gantzen Strasze die engste Stelle sein“

Beliebter Anlaufpunkt der Gäste war das Badehaus in der Petersiliengasse, direkt neben dem Engpass. Da kümmerten sich Bademägde um das Wohl der Kunden – das allerdings mehr aus Vereinigung als Reinigung bestand. Kurz gesagt: Das war ein Puff. Wobei die Mägde - auch „Hübschnerinnen genannt - keinen schlechten Ruf hatten. Zum Teil wurden sie so von der Stadt engagierten, um die einheimischen Mädchen vor lüsternen Durchreisenden zu schützen.

Der Name der Petersiliengasse geht möglicherweise auf die aphrodisierende Wirkung des Küchenkrauts zurück. Nach dem Bade rasch die Lenden mit ein wenig Extrakt aus dem Petersilienstengel betupft, konnte beim anschließenden Vergnügen wahre Wunder vollbringen. Sehr viel grausamer ist die Wirkweise des Stoffs bei Frauen: Hier begünstigt das ätherische Öl in hoher Dosierung den Abbruch ungewollter Schwangerschaften oder gar den eigenen Tod. Und so geisterte in dieser Zeit auch der makabre Spruch durch die engen Gassen Gelnhausens: „Petersilie hilft dem Mann aufs Pferd der Frau aber unter die Erd'“.

 

Auf der Nordseite befindet sich an der Ecke zur Holzgasse das „Haus Symeren“ (mittelhochdeutsch für „zimmern). Die Brandmauer zeigt die Jahreszahl 1533, das Gebäude ist aber erheblich älter und wurde schon 1305 urkundlich erwähnt.

Rechts davon sieht man die im Jahre 1834 erbaute Bürgerschule, die heute einige Ämter der Stadt Gelnhausen beherbergt. An ihrer Stelle stand früher die Laienkirche des Franziskanerklosters. In der ehemaligen Augustaschule daneben sind heute das Verkehrsamt, die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv und die Grimmels­hausenbücherei untergebracht. Außerdem befindet sich hier das Heimatmuseum. Dieses zeigt Modelle der Kaiserpfalz und alter Gelnhäuser Gebäude, volkskundliche Sammlungen, Ausgrabungsfunde sowie Erinnerungen an den 1834 in Gelnhausen geborenen Physiker Philipp Reis und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

An der Südseite des Platzes (Obermarkt 9) ist noch ein steinernes Haus im Stil der frühen Renaissance erhalten, das früher einmal den Gasthof „Zum Adler“ beherbergte. Im Jahre 1736 wurde das Obergeschoß durch Blitzschlag vernichtet (der Hageltag erinnert heute noch an dieses Unwetter). Das Haus wurde im barocken Stil wieder aufgebaut.

An der südlichen Ecke Pfarrgasse / Petersiliengasse steht das „Haus zum Pfarreisen“, wo sich früher die Roste befanden, die die Tiere vom Kirchhof fernhalten sollten. In der Petersiliengasse in der Nähe der Kirche wohnten früher die leichten Mädchen, damit man sie besser von der Kirche aus überwachen konnte, vielleicht aber auch, damit es die geistlichen Herren nicht so weit zu ihnen hatten.

 

Rathaus (Obermarkt):

Ludwig der Bayer erteilte im Jahr 1333 der Stadt als Oberster Stadtherr die Genehmigung zum Bau einer überdachten Kaufhalle an der Südseite des Obermarktes. Vorher gab es zwar verschiedenste Verkaufsstellen an diesem Platz, doch eine zentrale und vor allem überdachte Möglichkeit für auswärtige Kaufleute, hier ihre Waren anzubieten, gab es nicht. So entstand ein zweigeschossiges Gebäude, dessen große Halle im Untergeschoß direkt mit den Waffen der Händler befahren werden konnte, so daß die gröberen Waren direkt von den Wagen verkauft wurden. Das Obergeschoß, das durch eine Außentreppe zugänglich war, diente wertvolleren Dingen, Stoffe. Gewürze oder Duftöle wurden hier unter anderem feilgeboten. Im Mit­tel­­alter gab es überregionale Märkte (Messen) vorwiegend an Feiertagen, so in Gelnhausen zum Beispiel am 2. Februar (Lichtmeßmarkt), am 24. Juni (Johannesmarkt) und am 29. September (Michelsmarkt).

Seit dem 15. Jahrhundert nutzte man diese Kaufhalle auch als Rathaus. Sie wurde neu gestaltet und übernahm als städtisches Verwaltungsgebäude die Funktion des Romanischen Hauses. Um das Gebäude besser zu nutzen, wurde sogar ein Renaissanceanbau auf der linken Seite erstellt. Der Anbau und das Obergeschoß dienten nun der Verwaltung, die Halle blieb weiterhin dem Marktgeschehen vorbehalten.

Sein heutiges Aussehen verdankt das Rathaus einem Brand am 15. August 1736. Bei einem Gewitter schlug der Blitz in den Dachstuhl des Gebäudes und setzte dort lagernde Tabakvorräte in Brand. Tabak, Akten und Dachstuhl bildeten schnell ein großes Feuer, das das Gebäude bis auf das Untergeschoß abbrennen ließ. Nur ein großer Gewitterschauer konnte die Stadt damals vor einer weit größeren Brandkatastrophe retten. Deshalb wird der Tag in Gelnhausen noch heute als „Hagelfeiertag“ begangen. Im Jahr 1737 wurde das Rathaus in seiner barocken Form mit großen geohrten Fenstern und einem Balkon mit gußeisernem Gitter im Obergeschoß, dem Mansarddach und dem barocken Dachreiter wieder errichtet.

Vor dem Haus steht der Laternenanzünder. Rechts vom Eingang ist die Gelnhäuser Elle angebracht, ein von der Stadt festgelegtes Eichmaß von 55,5 Zentimeter Länge. In der Halle im Erdgeschoß ist ein spätgotisches Fresko zu sehen, das Kurfürst Joachim I. von Brandenburg und seinen Bruder Albrecht zeigt, die beide 1502 am Kurfürstentag in Gelnhausen teilnahmen (siehe eigenen Artikel am Schluß).

 

Peterskirche (Obermarkt):                                                                                                  (4)

St. Peter wirkt auf den ersten Blick wie ein Bauwerk aus unserer Epoche. Bei genauerem Hinsehen läßt sich dann aber erkennen, daß Baumeister aus verschiedenen Jahrhunderten für das jetzige Aussehen der Kirche verantwortlich sind. Die dreischiffige Basilika aus rotem Sand­stein gehört im Kern sogar zu den ältesten erhaltenen Bauten Gelnhausens. Baubeginn war die Zeit um 1200.

Westlich des Obermarktes liegend stand St. Peter am Zentrum des mittelalterlichen Marktgeschehens in Gelnhausen. Der Bereich um die Kirche herum wurde dabei möglicherweise mit einbezogen, indem die Händler ihre Buden und Verkaufsstände rundum aufstellten, sicher teilweise auch an der Kirchenmauer abstützten. Die Handelsstraße und somit auch der Hauptstrom der Reisenden, wurden südlich an der Kirche vorbeigeleitet. Schauseite der Kirche sollte deshalb auch die Südseite werden, auf deren Ausgestaltung man daher besonderen Wert legte.

Der zentrale Standort am Markt weist schon darauf hin, daß die Bauherren die Absicht halten, dieser Kirche eine weitaus größere Bedeutung beizumessen, nämlich ihre Nutzung als Hauptpfarrkirche und zentraler gottesdienstlicher Bau in Gelnhausen.^!     

Einige Zeit nach der Stadtgründung entschlossen sich die in kurzer Zeit reich und selbstbewußt gewordenen Bürgern Bürger Gelnhausens, eine Kirche zu bauen, die der städtischen Obhut unterstehen sollte. Als Einwohner einer Reichsstadt wollten sie ihr Prestige noch steigern, indem ein besonders moderner und prächtig ausgestatteter Kirchenbau den Mittelpunkt der Stadt bilden sollte. Hinzu kam wohl, daß man diese Kirche dann auch mit Geistlichen, die man selbst auswählen wollte und die die Belange der Stadt hätten vertreten können, zu besetzen plante.

Das Recht zum Neubau von Kirchen und Bethäusern in Gelnhausen lag aber beim Kloster Selbold. Das bedeutete, von ihm hingen Genehmigung und Ausführung des Baus ab. Der Abt und die Mönche des Selbolder Klosters bestanden nun aber auf ihrem Patronatsrecht und waren mit dem städtischen Ansinnen, neben der Marienkirche eine zweite, viel größere Kirche zu errichten, nicht einverstanden. Grund dafür war nicht nur die Furcht vor sinkendem Einfluß bei einem stärkeren Mitspracherecht der Bürger im Kirchenwesen, sondern sie fürchteten vor allem finanzielle Einbußen. Da die Grundlage für die Finanzierung der Baukosten wohl durch Spenden gebildet wurde und die Bürger auch für die in der gleichen Zeit im Bau befindlichen Marienkirche ihren Beitrag in Form von Spenden und Abgaben leisten sollten, mußten die Selbolder Prämonstratenser doch sehr um das Vorwärtskommen ihres eigenen Bauvorhabens bangen.

Das Gotteshaus wurde erstmals im Jahre 1151 schriftlich erwähnt, als der Erzbischof Heinrich von Mainz das Kloster Selbold mit seinen Besitzungen - darunter auch die St. Peter Kirche zu Gelnhausen - in seinen Schutz nahm. Berühmte Bauleute, die aus der lothringischen Bauschule stammen, wurden für das umfangreiche Bauvorhaben verpflichtet. Die Grundsteinlegung dieser Kirche datiert um das Jahr 1200. Sie sollte nach den ursprünglichen Plänen als eine dreischiffige Basilika errichtet werden, das Langhaus und die Seitenschiffe sollten wesentlich länger werden, als sie es heute sind. Die geplanten Ausmaße lassen sich am besten an der Nordseite außerhalb der Kirche erahnen, wo an der Westseite des Querhauses noch Ansätze für die geplanten Gurtbögen sichtbar sind.

Nachdem der Bau der Kirche in Gang gekommen war, kam es zu einem Streit zwischen denn Propst des Klosters Selbold und dem Schultheißen („Villicus“) von Gelnhausen, dem Vertreter des Kaisers. In einem Schriftstück aus dem Jahre 1229 wiesen drei als Streitschlichter fungierende Mainzer Kanoniker die städtischen Gremien in ihre Schranken und verboten ihnen, sich jemals wieder in die kirchlichen Rechte des Klosters Selbold innerhalb der Stadt Gelnhausen einzumischen. Streitpunkt war wohl der Bau von St. Peter, der ja ohne Genehmigung des Selbolder Klosters in Angriff genommen worden war.

Bereits im Jahre 1234 mußte der Bau auf päpstliche Anordnung zunächst eingestellt werden. Papst Gregor IX. entschied dann in diesem Konflikt zugunsten des Klosters und untersagte der Stadt Gelnhausen 1238 den Bau neuer Kirchen. Für die bereits begonnene Peterskirche bedeutete das: Provisorische Fertigstellung und Aufgeben der ursprünglich beabsichtigten architektonischen Gestaltung, welche eine dreischiffige, kreuzförmige Gewölbebasilika im gebundenen System beinhaltet hatte. Das geplante Gewölbe wurde niemals ausgeführt, stattdessen erhielt die Kirche eine einfache, flache Balkendecke.

Die Bauzeit von Beginn bis zum heutigen Aussehen läßt sich grob in vier Abschnitte einteilen. Die erste Bauperiode erstreckte sich von der Zeit um 1200 an bis zum Jahr 1229 bzw. 1238, als Streitigkeiten zwischen dem Kloster Selbold und der Stadt Gelnhausen den Baubetrieb stoppten. Da man eine Kirche in der Regel von Osten nach Westen errichtete, lassen sich hier die ältesten und am weitesten ausgeführten Zeugnisse der Baugeschichte finden. Am Außenbau berichten dabei nicht nur die reich profilierten Sockel und der Quadermauerverband der unteren Querschiffhälfte von dem aufwendigen Konzept der ursprünglichen Bauherren. Beachtenswert sind auch die Lisenen mit ihren bis in eine bestimmte Höhe abgerundeten Kanten, die am Fuß noch mit zusätzlicher Bauornamentik versehen sind, und nicht zuletzt das Süd- und das Nordportal. Auch der figürlich gestaltete Bogenfries mit einer Petrusdarstellung über dem nördlichen Eingang ist ein Relikt dieser Zeit, sollte jedoch vermutlich eher in Traufhöhe eingesetzt werden und ist nicht vollendet worden. Auch im Inneren sind mit dem westlichen Vierungsbogen, den Vierungspfeilern und der ersten Mittelschiffarkade mit stark floral geprägten Kapitellen Teile aus der frühen Bauzeit erhalten.

 

Der zweite Bauabschnitt - eingeleitet durch die bereits erwähnten Streitigkeiten - führte zu einer provisorischen Fertigstellung der Kirche. Das ursprünglich architektonisch viel aufwendiger und repräsentativer geplante Bauwerk wurde mehr oder weniger notdürftig zu Ende gebaut. Diese Planänderung macht sich für den aufmerksamen Betrachter an folgendem Teilen bemerkbar: Die aufwendige Profilierung im Sockelbereich bricht plötzlich ab und wird einfacher weitergeführt. Das Querschiff besteht nur bis zur halben Höhe aus Quadermauerwerk, dann wurde die Wand mit Bruchsteinen, die heute durch Verputz unsichtbar sind, weiter hochgezogen. An der nördlichen und südlichen Westwand des Querhauses sind noch die Bogenansätze der ursprünglich wesentlich höher geplanten Seitenschiffe sichtbar. Auch die Länge des Baus von Osten nach Westen wurde nicht in der ursprünglichen Planung durchgehalten. Für die mittelalterlichen Proportionsverhältnisse ist der Bau bei seiner Höhe zu kurz geraten.

Nach ihrer Fertigstellung wurde die Peterskirche dann nicht - wie vorgesehen - als Stadtpfarrkirche, sondern nur als Trau-, Tauf- und Beerdigungskirche verwendet. Allenfalls wenn an der Marienkirche Reparaturen durchgeführt werden mußten, diente St. Peter als Ausweichquartier, um einen geeigneten Ort für das Zelebrieren der Messe zu haben.

Nach der Reformation, die die Auflösung des Klosters Selbold zur Folge hatte, ging die Peterskirche in das Eigentum der Stadt Gelnhausen über. Für den Rat der Stadt Gelnhausen war sie nur eine finanzielle Belastung, außerdem brauchte man nach der Reformation keine zweite Kirche. Die notwendigen Reparaturen wurden nur dürftig durchgeführt und der Zerfall des Gebäudes nahm seinen Anfang. Im Dreißigjährigen Krieg diente das Gotteshaus als Stallung und Heeresmagazin. Während des Siebenjährigen Krieges diente die Kirche als Lagerraum und Lazarett. In der napoleonischen Zeit wurde sie als Lazarett und für Truppenunterkunft eingesetzt. Nach einer kurzzeitigen Nutzung als städtisches Materiallager konnte sich die evangelische Kirchengemeinde im Jahre 1826 als stolzer Besitzer von St. Peter bezeichnen. Da die Unterhaltskosten für das Gebäude der Gemeinde jedoch zu hoch wurde, die Stadt deshalb auch das „Geschenk“ Peterskirche ablehnte, geriet das Gotteshaus wieder in private Hände und wurde fürs erste endgültig verweltlicht („profanisiert“).

 

Mit dem Besitzerwechsel ging der dritte Bauabschnitt vonstatten. Schon vor dem Jahr 1830, als der Zigarrenfabrikant Maehler das Gebäude für 925 Gulden ersteigert hatte, war bereits der Chor abgebrochen worden, es folgte erst der eine, dann der andere Turm wegen angeblicher Baufälligkeit. Der neue Eigentümer ließ im Querschiff Zwischenwände und Zwischendecken für Wohnungen einziehen, während in den Schiffen Werkräume untergebracht wurden. In diesem Zustand blieb das Gebäude bis 1920.

 

Erst im Jahre 1920 geriet St. Peter wieder zurück in geistlichen Besitz. Die Erben des Tabakfabrikanten verkauften die „Fabrik“ für 90.000 Mark an die die seit 1839 bestehende katholische Kirchengemeinde. In den nachfolgenden 18 Jahren wurde der Bau dann unter der Leitung des Architekten Martin Weber in einem vierten Bauabschnitt restauriert und ergänzt. In diese Zeit fällt auch der Anbau des quadratischen Chorraumes und der viereckigen Glockentürme. Eine entscheidende Neuerung dieses Bauabschnittes war auch der Bau einer Krypta­kirche unter dem neuen großen Chorraum. Im Jahre 1938 wurde die Kirche eingeweiht. In den Jahres 1982 / 1983 wurde die Kirche dann völlig saniert. Aus dieser Zeit stammt der lettnerartige Einbau im Chor. Das Gebäude wurde mit Ausnahme der Werksteinflächen des nördlichen und südlichen Querhauses vollflächig verputzt. Das Konzept für diese Sanierung war: Alle Bauteile und Epochen sollten harmonisch miteinander verbunden werden.

 

Aus romanischer Zeit stammen noch die Langhausarkaden, die Vierungspfeiler, die Außenwände von Langhaus und Querschiff mit den anspruchsvollen Portalen aus der Zeit um 1180 / 1190, die oberrheinisch‑elsässische und burgundische Einflüsse verraten. Im Bogenfeld über dem nördlichen Seiteneingang ist eine Arbeit aus dem Jahr 1220 zu sehen: Petrus sitzt auf einem vereinfachten Thron. Er verkörpert das Papsttum mit Lehramt (die aufgeschlagene Bibel) und kirchlichem Richteramt (der Himmelsschlüssel).

Das Südportal wird auch „Löwenportal“ genannt, weil ganz unten zwei Löwen zu sehen sind. Sie sind neuzeitliche Nachbildungen eines heimischen Künstlers, da die Originale im Laufe der Jahrhunderte stark verwitterten und beschädigt wurden. Der Löwe gilt als Auferstehungssymbol, weil er der Sage nach seinen totgeborenen Kindern seinen Atem einhauchte. Das Bogenfeld über dem Portal weist noch einige Ankerpunkte auf, an denen eine bildliche Steinmetzarbeit hätte angebracht werden sollen.

Zur Ausstattung der Kirche gehören eine Nachbildung der gotischen „Muttergottes aus Hallgarten“, die um 1415 am Mittelrhein entstanden ist: Maria steht auf einer Mondsichel, in deren abwärtsgekehrter Rundung ein Gesicht zu erkennen ist. Es stellt ein Sinnbild für die Unbeständigkeit alles Irdischen dar. Auf Marias linker Hand sitzt der Christusknabe und hat in seiner rechten Hand Weinblatt und Traube.

Des Weiteren finden sich in der Kirche die Holzfigur „Johannes der Täufer“ aus der alten Pfarrkirche in der Holzgasse (am Obermarkt) sowie der Kreuzweg, eine bayerische Hinterglasmalerei aus dem 18. Jahrhundert. Die in der St. Peters Kirche benutzte Orgel wurde 1963 durch die Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen) umgebaut.

Im Zusammenhang mit der Renovierung sind neu in die Kirche gekommen bzw. geschaffen worden: Der Altar und der Ambo (erhöhtes Pult für Lesungen), die Weinrebe und Kornähre als Symbole für Wein und Brot beim Abendmahl tragen. Der Altar ist als Sinnbild für den Abendmahlstisch wie ein Tisch geformt. Der „Lettner“ holt mit der ihn krönenden Kreuzigungsgruppe das Erlösungswerk Jesu Christi bildhaft in den Raum. Das Kruzifix zeigt Jesus, der den Erlösertod stirbt. Maria, die Mutter Jesu, und der Apostel Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, stehen in einer angespannten Haltung unter dem Kreuz.

 

Lambertusbrunnen (Lambertusgasse):                                                                               (16)

Am westlichen Ende führt der Obermarkt in die Lambertusgasse, die zum Lambertusbrunnen führt. Er wird 1289 als Lindborn erwähnt, die beiden Namen deuten auf „lindes“ (weiches) Wasser hin. Hinter dem Brunnen sieht man hin zum Buttenturm:

 

Buttenturm:                                                                                                                          (9)

Der frühere „Hohe Turm“ erhielt den Namen „Buttenturm“ wahrscheinlich, weil seine schlichte, halbrunde Form an eine Weinbutte (ein auf einer Seite abgeflachtes Gefäß für die Weinlese, das auf dem Rücken getragen wurde) erinnert. Er wurde um 1328 als Beobachtungs‑ und Signalturm gebaut, ist also der älteste reine Turm ohne Torfunktion. Von hier hatte man gute Sicht über das ganze Kinzigtal. Früher konnte der Turm nur von der Stadt aus betreten werden und der Eingang lag eine Etage höher. Der Buttenturm war einige Jahrzehnte bis 1936 in Privatbesitz.

 

Stadtmauer:

Über die Lambertusstraße südlich kommt man nach rechts in die Röthergasse und dann gleich wieder links in den Plankenweg zur Berliner Straße. Dort sieht man an der Kreuzung mit der Philipp-Reis-Straße vor der Stadthalle noch einen Rest der Stadtmauer. Hier sind noch etwa 15 Meter der äußeren Stadtmauer aus der Zeit um 1330 im Original erhalten (dazu gesonderter Artikel am Schluß der Datei). Man geht aber auf der Berliner Straße nach Osten und dann geradeaus in die Langgasse.

 

Philipp‑Reis‑Geburtshaus (Langgasse):                                                                                (23)

In der Langgasse Nummer 45 schräg gegenüber wurde Philipp Reis am 7. Januar 1834 als Sohn eines Bäckermeisters geboren. Er gilt als Erfinder des Telefons. Als Physiklehrer in Friedrichsdorf erfand er das Telefon und starb dort am 14.Janmaur 1874 (siehe eigenen Artikel am Ende der Datei).

 

Arnsburger Hof (Langgasse):

Etwas weiter östlich ist der große Wirtschaftshof des Zisterzienserklosters Arnsburg mit einem Verwaltungsgebäude und einer Kapelle. Ihn gab es bereits seit Anfang des 13. Jahrhunderts in Gelnhausen. Der Gebäudekomplex in der Langgasse blieb auch nach der Reformation erhalten und wurde 1742 im barocken Stil erneuert und aufwendig ausgebaut. Im Jahre 1798 kaufte die Stadt den Arnsburger Hof, veräußerte ihn aber später an einen Bürger.

 

Gasthaus „Zum Löwen“ (Langgasse):

An der Nordseite schräg gegenüber steht eines der ältesten Gasthäuser Deutschlands, das seit 1639 im Familienbesitz ist. Das Gasthaus „Zum Löwen“ hat der berüchtigte Dr. Faustus erstmals 1506 in seinen Schriften erwähnt. Er will dort logiert und seine Zauberstücke aufgeführt haben Faust ist ein Mysterium. Niemand weiß genau, wann und wo er geboren wurde, selbst der Vorname des Wandermagiers steht nicht mit Bestimmtheit fest. Sicherer ist, dass er ab 1506 in etlichen Städten aufgetaucht ist, die Menschen faszinierte und die Kirche verärgerte.

Die erste und ausführlichste Quelle über einen Aufenthalt stammt aus Gelnhausen: Es ist ein Brief von Johannes Trithemius, der im Original bis heute in der Vatikanischen Bibliothek lagert. Darin schreibt der Kirchenmann an einen befreundeten Astrologen wenig schmeichelhafte Dinge über Faust. Er sei in der Stadt als schrecklicher Prahlhans aufgetreten, habe sich als der vollkommenste aller Alchemisten bezeichnet, sei schlussendlich aber doch nur durch Frechheit und Nichtsnutzigkeit aufgefallen. Dazu muss man wissen, dass Faust und Trithemius gewissermaßen in Konkurrenz standen, denn auch der Verfasser des Briefes verstand sich als Magier, freilich von der guten Sorte, weil er von der Kirche unterstützt wurde. Zu Gesicht bekommen hat das kleine Lästermaul seinen Widersacher allerdings nicht, denn „als er meiner Anwesenheit hörte, floh er alsbald aus der Herberge“. Diese Herberge ist der Gasthof „Zum Löwen“,

Wenn es Faust wirklich gegeben hat, gehörten diese hektischen Ortswechsel zu seinem Leben. Denn wer seinerzeit als Wunderheiler und Hypnotiseur durch die Lande zog, hing quasi permanent schon mit einem Bein überm Scheiterhaufen. Belege für sein Wirken gibt es von Ingolstadt bis Bad Kreuznach und von Erfurt bis Staufen im Breisgau. Aber kein Bericht ist so ausführlich und konkret lokalisiert wie der über seine Station im Löwen von Gelnhausen.

(zu Dr. Faustus siehe eigenen Artikel am Ende der Datei).

 

Das „Living Room“-Haus (Kuhgasse 9)

Seit 2004 stiehlt ein Neubau den Fachwerkhäusern in der Altstadt die Show: das umgangssprachlich „Schubladenhaus“ genannte mit seiner hellen Alu-Fassade und 52 Fenstern. Entstanden ist der Hingucker dort, wo früher das „Zitronenhäuschen“ gestanden hat, ein gelb verputztes Häuslein, errichtet aus dem Schutt des Dreißigjährigen Krieges. Platz für seinen Neubau hatte Architekt Götz Stöckmann also nicht besonders viel, dazu kamen auch die Auflagen des Denkmalschutzes. Und so entstand in klassischer Giebelform auf nur 65 Quadratmetern die außergewöhnlichste Behausung im ganzen Kinzigtal.          

Mittelpunkt des Erdgeschosses ist ein 40 Tonnen schwerer Sandsteinmonolith, auf dem der Esstisch steht. Die Küche, einen Meter tiefer, bietet so wenig Platz, dass die Kaffeemaschine aus dem Boden gefahren kommt und nach getaner Arbeit dort auch wieder verschwindet. Ganz oben, unter dem spitzwinkligen Dach, verbirg sich ein lichtdurchflutetes Arbeitszimmer, aber der größte Höhepunkt ist der Schlafraum im ersten Obergeschoss. Der komplette Bettbereich kann mit einem Elektromotor über Schienen meterweit ins Freie gefahren werden, der „Living Room“ sieht dann aus wie eine überdimensionierte Kommode, in deren mittlerer Schublade der Besitzer einen freien Blick auf die Sterne genießt, ohne dass ihn von dabei jemand sehen könnte.

 

Gotisches Haus, Steinernes Haus (Kuhgasse):                                                          (21)

Nach rechts geht man dann in die Kuhgasse. An der nordwestlichen Ecke der Kreuzung mit der Brentanostraße steht der frühere Amtssitz der Herren von Steinhaus. Das Haus ist eines der ältesten erhaltenen Fachwerkhäuser Hessens. Am Haus steht die Jahreszahl 1340. Nach der Jahresringchronologie wird das Fäll­datum der Baumstämme auf etwa 1351 datiert. Das Erdgeschoß bildete einen einzigen großen hallenartigen Raum. Die mehrfachen Geschosse kragen zur Straße hin aus. Das Gebäude ist ohne wesentliche äußere Veränderung in seiner Ursprungsform erhalten.

 

Synagoge (Brentanostraße):                                                                                                (13)

Man geht nach Osten in die Brentanostraße und kommt zur Synagoge auf der Nordseite. Die jüdische Gemeinde ist seit 1241 nachgewiesen. Gemeinsam mit dem mit Stadtteil Roth und Altenhaßlau bestand eine jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter. Im Pestjahr 1349 wurden auch in Gelnhausen Juden außerhalb der Stadt verbrannt. Doch siedelten sich wieder Menschen jüdischen Glaubens in der Stadt an und begannen ‑ nach erneuter Verfolgung im 16. Jahrhundert ‑ im Jahr 1601 mit dem Bau dieser Synagoge.

Nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg wurde sie 1656 wiederaufgebaut. Aus dieser Zeit stammen die meisten Schmuckformen und der barocke Thoraschrein im Inneren. Sie Synagoge wurde1734 umgebaut und erweitert. Der heutige Zustand nach der 1986 abgeschlossenen Renovierung entspricht im Wesentlichen dem erweiterten Bau jener Zeit.

Allerdings gehörten früher zu den Baulichkeiten in der Brentanostraße (bis 1906 trug diese den Namen „Judengasse“) noch ein Gemeindehaus mit Schulraum und Wohnung des Lehrers, ein Garten, ein Brunnen und die Mikwe für das rituelle Bad. Durch eine „Immunitätsmauer“ war dieser Komplex zur Straße hin abgeschlossen. Die letztgenannten Teile wurden 1975 leider für die Errichtung eines Parkplatzes abgerissen, so daß nur noch das Gebäude für den Gottesdienst erhalten ist.

Gelnhausen hat sich gerne seiner historischen Synagoge gerühmt, die in der Reichskristallnacht am 9. November 1938 unbehelligt blieb. Aber schon vor dem Novemberpogrom hatte

ein „arischer“ Gelnhäuser Kaufmann das Gebäude von der jüdischen Gemeinde erworben und als Lagerraum genutzt. Aber schon Tage vorher hatte die „Kinzig‑Wacht“ vermeldet, daß „Gott sei Dank der hartnäckigste Vertreter des üblen Gelichters das Weite gesucht“ habe und Gelnhausen „judenfrei“ sei.

Im Jahre 1981 erwarb die Stadt die ehemalige Synagoge, die am 25. September 1986 als Stätte der Kultur und Begegnung wiedereröffnet werden konnte. Seitdem gab es Hunderte von Veranstaltungen im Gebäude. Der ehemalige Sakralbau kann heute im Rahmen von Führungen oder Ausstellungen besichtigt werden. Sehenswert ist der einzigartige barocke Thoraschrein an der Ostwand, der noch ganz erhalten ist. Seit der Renovierung steht am Aufgang zur Synagoge eine Bronzetür zum Thema der Ringparabel aus Lessings „Nathan der Weise“. Beide Werke fordern die Menschen zu religiöser Toleranz auf.

 

Fürstenhof (Fürstenhofstraße):                                                                                            (19)

Am östlichen Ende der Brentanostraße geht es nach rechts in die Ohmstraße, die zur Fürstenhofstraße führt. Hier steht nach Osten zu auf der rechten Seite das heutige „Hotel Stadtschänke“. Das Haus war der ursprüngliche Verwaltungssitz der Geln­häuser Pfandherren und diente Anfang des 16. Jahrhunderts als Versammlungsort der deutschen Kurfürsten. Es wurde 1549 im Stil der Renaissance ausgebaut. Aus dieser Zeit stammt das ausdrucksvolle Fachwerk am Ostteil des Gebäudes. Im Jahre 1685 wurde der Fürstenhof Wohnsitz eines Pfalzgrafen. Im Jahre 1783 erwarb der Erbprinz Wilhelm von Hessen‑Hanau (und später Kurfürst Wilhelm I. von Hessen) das Anwesen für seinen illegitimen Sohn Carl von Heimrod, einen Freund Goethes. Im Jahre 1814 machte der weltberühmte Dichter hier Station auf der Rückreise von einer Kur am Rhein.

 

Einhornapotheke, Krämergasse 1:

Ganz unten in der Krämergasse steht die um 1600 errichtete Einhorapotheke,. in der noch die alte Einrichtung aus der Vorkriegszeit erhalten ist.

 

 

Schifftor (Schifftorstraße):                                                                                                   (10)

Man geht in der Fürstenhofstraße nach Westen, quert die Berliner Straße und geht in die Schifftorstraße zum Schifftor. Es wird oft auch „Wächter der Kinzig“ genannt, denn die Kinzig war in früheren Zeiten bis Gelnhausen schiffbar (für die damals flacheren Schiffe!). Der Torturm war also Eingang und Ausgang der Stadt zur Schiffsanlegestelle. Das Tor wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gemeinsam mit der äußeren Stadtbefestigung erbaut. Es hat eine sehr massive Bauweise, spitzbogige Pforten, einen seitlichen Erker mit einer Wendeltreppe und zwei gewölbte Geschosse im Inneren. Es hatte den Vorteil, daß es aufgrund der schmalen Treppe, die den Weg nach oben erschwerte und auf der man Feinde leicht zurückstoßen konnte, von außen nur schwer zugänglich war. Später wurde Schifftor auch als Haftstätte für leichtere Vergehen genutzt.

Weiterhin besitzt das Tor sowohl innen als auch außen eine Pechnase und Schießscharten, die der Verteidigung dienten. Ein Fallgatter war nicht nötig, da das Tor an keinem befestigten Verkehrsweg lag und man es zu jeder Zeit schließen konnte. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Tor von Bürgern der Stadt bewohnt. Mit den Steinmetzdetails (gotische Laubwerkdekorationen) ist es der interessanteste Torturm der Stadtbefestigung. An der Südseite ist ein Wappen aufgemalt.

 

Jüdischer Friedhof                                                                                                                (14)

Hinter dem Schifftor außerhalb des zweiten Mauerrings befindet sich links der relativ große jüdische Friedhof mit vielen alten Grabsteinen. Über 300 Jahre lang bis 1938 bestatteten die Juden der Stadt und einiger umliegender Dörfer hier ihre Toten auf dem mit einer Mauer eingefriedetem Areal. Die ältesten Grabsteine sind zu Beginn des 17. Jahrhunderts geschaffen worden. Auf dem „Ehrenhügel“ des Gemeindefriedhofs wurden bedeutende Rabbiner wie Rabbi Chanoch Henoch und der sagenumwobene „Wundertäter“ Rabbi Samuel Warburg bestattet. Als man 1938 hier die letzte jüdische Tote zu Grabe trug, wurden die Trauernden von den Nationalsozialisten beschimpft und von allen Seiten mit Steinen beworfen.

Man geht wieder zurück zur Seestraße. Auf der linken Seite sieht man dort noch das alte Elektrizitätswerk.

 

Ziegelturm (Am Ziegelturm)                                                                                     (11)

Man geht wieder zurück bis nördlich des Schifftors und dann nach Osten in die Seestraße. So kommt man zum früheren Ziegeltor, das ursprünglich direkt am Ausgang zur Vorstadt „Ziegelhaus“ stand, in der Töpfer und Ziegler ansässig waren. Es wurde jedoch um 1840 abgerissen und „vererbte“ seinen Namen an den heutigen Ziegelturm, der früher als „Äußeres Haß­lauer Tor“ bezeichnet wurde. Er ist mit gotischen Toren und steilem Walmdach mit der äußeren Stadtbefestigung entstanden und besitzt steinerne Führungsleisten für das Fallgatter, das den Ausgang aus der Stadt versperren konnte, denn der Turm diente als Sicherung gegen das ehemals Mainzische und Hanauische Gebiet jenseits der Kinzig. In seiner Tordurchfahrt war noch der Rest eines um 1500 entstandenen Wandbildes zu erkennen, welches Christus am Kreuz mit Maria und Johannes zeigte, bis es schließlich 1995 übermalt wurde.

 

Zehntscheune (An der Zehntscheune):                                                                                (25)

Man geht weiter in Richtung Kinzig und dann nach links über die Müllerwiese zur Zehntscheune. Ursprünglich war das Gebäude der Wohnsitz des Burgkaplans. Ein Grundherr, der dieses Gebäude erwarb, nutzte es im 19. Jahrhundert als Zehntscheune, in der die Abgaben abhängiger Bauern gesammelt wurden. Reste romanischer und spätgotischer Bauelemente sind noch erkennbar. Das Gebäude wurde aber mehrfach umgebaut und verändert (zum Beispiel das Dach).

Ein Stück weiter am südlichen Ende der Burgstraße stand das Haintor, das die Stadt schützte, als die Kinziginsel und die Kaiserpfalz noch nicht befestigt waren. Dieser Torbau trug ursprünglich einen Fachwerkaufsatz, der als Wohnung des Torwächters diente,

In der Straße „An der Burgmühle“ schon jenseits des Kinzigarm befindet wo sich die Skulptur „Wir sitzen alle in einem Boot“ (24), die von Claus Bury anläßlich des Hessentages 1996 geschaffen wurde.

 

Burgmannenhaus:                                                                                                                (18)

Am Zugang zur Pfalz steht links das Burgmannenhaus. Es ist um 1500 entstanden (Jahreszahl 1564 im Bogen) und war Wohnsitz eines Burgmannen der Kaiserpfalz. Es enthält Bauelemente der Gotik und Renaissance. Heute ist in dem Gebäude ein Museum zur Geschichte der Kaiserpfalz untergebracht. Die Burgmannen waren verantwortlich dafür, daß die Kaiserpfalz nicht nur bei Kaiserbesuchen versorgt und geschützt wurde. Für ihren Dienst in diesem Erb­amt erhielten die Mitglieder der Reichsritterschaft, aus denen sich die Burgmannen rekrutierten, Teile des Königsgutes zum Lehen. Die Burgmannen führte der Burggraf: der Herrscher setzte diesen auf Lebenszeit ein. Im 15. Jahrhundert wurde der Burggraf schließlich vom Burgdirektor abgelöst: die Burg­mannen wählten und der Herrscher bestätigte ihn. Die Burg­mannen hatten ihre oft auch repräsentativ gestalteten Wohnsitze in der Vorburg. Hier befanden sich auch die Lagerräume für Naturalien, die Stallungen und die Wirtschaftsgebäude.

 

Kaiserpfalz:                                                                                                                           (15)

Die Pfalz in Gelnhausen ist die am besten erhaltene staufische Anlage. Sie ist zwar vergleichbar klein, ragt aber durch ihre großartige bildhauerische Ausgestaltung weit heraus. So wie die Pfalz ist auch Gelnhausen als Aufenthaltsort Friedrich Barbarossas von großer Bedeutung.

Ob Friedrich Barbarossa seine Kaiserpfalz in vollendetem Zustand gesehen hat, ist allerdings fraglich. Der Name „ Pfalz“ kommt vom lateinischen „Palatium“, denn auf dem Palatinischen Hügel in Rom hatten die Cäsaren ihre Villen. So bedeutet in Anlehnung an die Antike der Begriff „Pfalz“ etwa „Kaiserliche Residenz“.

Eine Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches, dessen Grenzen sich vom Königreich Frank­reich bis an die Oder und von der Nordsee bis an das Mittelmeer erstreckten, sucht man auf einer Karte vergebens. Das Fehlen einer lokalisierten Hauptstadt machte das Reisen des Kaisers von Pfalz zu Pfalz notwendig. Auch die Größe des Reiches erforderte ein ständiges Umherziehen des Herrschers. Man spricht darum auch vom „Reisekönigtum“. Die deutschen Herrscher seit Karl dem Großen hatten ein Netz fester Stützpunkte geknüpft, in denen sie auf ihrem Weg durch das Reich jeweils für einige Tage oder Wochen Quartier nahmen. Burgen, Klöster und Bischofssitze gehörten ebenso dazu wie die eigens für die Beherbergung des Königs und seines Hofstaats erbauten Pfalzen.

An den Pfalzorten fanden Reichstage, politische Handlungen, Repräsentationen, Rechtsprechungen, kirchliche und weltliche Feste statt. Das Reichsoberhaupt kam mit seiner herrschaftlichen Familie, mit Fürsten. Priestern und mit dem jeweils dazugehörenden zahlreichen Gefolge. So ist erklärlicherweise für die Aufenthaltsdauer eines Herrschers in einer Pfalz in der Regel die Versorgungskapazität mit Lebensmitteln bestimmend. Ebenso ist einsichtig, daß solche königlichen Hofaufenthalte langfristig geplant und am Ort gut vorbereitet sein mußten. Die dafür erforderlichen finanziellen und wirtschaftlichen Lasten hatten zum Teil die benachbarten Orte der Pfalz zu tragen. 

Ein prachtvolles Beispiel dieser monarchischen Reiseresidenzen ist die Kaiserpfalz zu Gelnhausen. Um seine Besitztümer in der Wetterau und im Kinzigtal zu sichern, hatte Barbarossa einige Jahre zuvor die freie Reichsstadt Gelnhausen zwischen Frankfurt und Fulda gegründet. Daß er sich dort dann zusätzlich eine Pfalz bauen ließ, zeigt den hohen Stellenwert, den Geln­hausen in seinem politischen Denken einnahm. In dem Gelnhäuser Werk staufischer Kunst ist eine Lieblingspfalz des Kaisers Friedrich Barbarossa erhalten.

Der Ort war gut gewählt: Gelnhausen lag an einem Kreuzungspunkt wichtiger Straßen, an der westöstlich verlaufenden Kinzigstraße, die Frankfurt und Leipzig verbindet und der nord-südlich verlaufenden Bergstraße auf die Wetterau. Überdies war die Kinzig zumindest für kleine Schiffe befahrbar. Nicht unwichtig dürfte für den leidenschaftlichen Jäger Barbarossa auch gewesen sein, daß der nahe Büdinger Forst reiche Beute versprach.

Friedrich Barbarossa legte politisches Schwergewicht auf die Wetterau. Der alte Königshof Frankfurt bot zwar schon eine relative politische Geschlossenheit, aber galt es noch zu stärken. Städtegründungen wie Friedberg und Gelnhausen und Burgbauten wie Münzenberg und Büdingen sollten noch zur Stärkung dieser Landschaft beitragen. Aus diesem politischen Strategiegedanken heraus lag es nahe, im Zusammenhang mit der neugegründeten Stadt Gelnhausen eine Pfalz zu errichten, zumal hier günstige wirtschaftsgeographische Voraussetzungen erfüllt waren.

 

Friedrich I. gründete am 25. Juli 1170 in der Nähe der Burg Gelnhausen eine neue Stadt. Die Gründung einer Pfalz zusammen mit einer Stadt ist ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Festigung der staufischen Machtpolitik. Wenig später wurde hier eine Münze mit der Umschrift „Beatrix Gelenhus“ geprägt. Das Kaiserpaar findet man auch auf dem Wappen der Stadt. Nach der Stadtgründung war Friedrich I. wieder 1173 in Gelnhausen.

Die große Bedeutung der Pfalz läßt sich aus den Kaiserbesuchen und Reichstagen erkennen.

Auch große Geschichte ist in Gelnhausen geschrieben worden. Im Jahr 1180 fand dort einer der wichtigsten deutschen Reichstage des Mittelalters statt. Mehr als fünfzig Fürsten, Bischöfe und Äbte waren auf Einladung Barbarossas nach Gelnhausen gekommen, um über das Schicksal Heinrichs des Löwen zu entscheiden. Dem Herzog von Bayern und Sachsen, einem Vetter und mächtigen Rivalen Barbarossas, war nämlich kurz zuvor wegen ständiger Unbotmäßigkeiten die Herrschaft über seine Länder aberkannt worden, er selbst wurde mit der Reichsacht belegt. Der Gelnhausener Reichstag bestätigte dieses Urteil. Der umfangreiche Besitz des Welfenherzogs wurde neu verteilt - mit schwerwiegenden Folgen für die territoriale Zersplitterung des deutschen Reiches. Heinrich wurde in einem Feldzug, den Barbarossa gemeinsam mit verbündeten Fürsten gegen ihn führte, geschlagen und mußte für mehrere Jahre in die Verbannung nach England gehen.

Auch 1182 und 1184 besuchte der Kaiser die Pfalz und hielt 1186 dort einen weiteren bedeutenden Reichstag ab, bei denen es im Wesentlichen um das Verhältnis von Kirche und Reich ging. Friedrich I. soll selbst sechsmal einen längeren Aufenthalt in der Barbarossaburg genommen haben. Im Jahre 1188 feierte er sein letztes Osterfest auf deutschem Boden in Gelnhausen.

Heinrich VI., der Sohn Friedrichs, hat vermutlich einen Teil seiner Jugend in Gelnhausen verbracht und bezeichnet in Privilegien die Stadt als seinen liebsten Aufenthaltsort. Auch für ihn sind acht Aufenthalte belegt. Bei einem seiner Besuche im Jahre 1193 gab er hier die Freilassung des festgesetzten englischen Königs Richard Löwenherz bekannt. Auch Philipp von Schwaben, Friedrich II., und sein Sohn Heinrich haben Gelnhausen besucht und die Pfalz zum zeitweiligen Aufenthalt gewählt. Insgesamt sind 30 Besuche der Staufer bezeugt, von denen der geschichtlich bedeutendste der Reichstag von 1180 war. Der Reichstag von 1195 ist noch besonders erwähnenswert. Mit dem Aussterben der Staufer verlor auch die Pfalz seit Ende des 13. Jahrhunderts allmählich an Bedeutung.

 

Die Pfalz wurde 1170 bis 1190 unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa auf einer Kinziginsel südöstlich vor Gelnhausen erbaut. Die eigentlichen Bauten der Anlage und der dazugehörigen Vorburg wurden im östlichen Bereich der Insel errichtet. Der westliche Teil der Insel - die heutige Müllerwiese - blieb unbebaut. Dieses Gebiet eignete sich hervorragend für die Anlage eines Tiergartens, um die Verpflegung der Anlage zu sichern. Bei Kaiserbesuchen diente die Wiese zur Errichtung von Zelten oder Blockhäusern für das kaiserliche Gefolge. Außerdem konnten hier auf diesem nie besiedelten Gelände auch Turnierspiele abgehalten werden. Von der Kinziginsel aus konnte man über drei Brücken nach Gelnhausen bzw. zu umliegenden Dörfern gelangen.

Die Pfalz ist eine ehemalige Wasserburg und bildet eine von Wasser umgebene Ringanlage. Die im Grundriß unregelmäßig polygonale Ringmauer aus Buckelquaderwerk paßt sich am Ostende einer langgestreckten Kinziginsel dem Flußlauf an. Auf der Nord‑ und Westseite umgibt eine geräumige Vorburg mit drei Brückentoren die Kernburg. Trotz mehrfacher Umgestaltungen der Vorburg, vor allem im 15. Jahrhundert, entsprechen die Lage der Tore, Straßenführung und Häuserfluchten der staufischen Gründung.

Die Gelnhäuser Pfalz unterscheidet sich durch bestimmte Merkmale von anderen Burgen. Da sie auch ein Repräsentationsbau war, wurde sie aufwendiger gestaltet. Die heutige Ruine ist von allen staufischen Pfalzen eine der besterhaltenen. Die repräsentative und künstlerische Ausgestaltung überwiegt deutlich gegenüber ihrem festungsmäßigen Charakter. Sie diente nicht nur zur Verteidigung und Beherrschung wichtiger Punkte, sondern bot auch die Möglichkeit zur Unterbringung von Besuchern. Deshalb mußten ständig Lebensmittel vorrätig sein (Getreide, Gemüse, Eier, Hühner, Schweine, Kühe, Wein und Bier).

Über die Bauzeit der Kaiserpfalz machen Historiker und Kunsthistoriker verschiedene Angaben, die alle lediglich auf Hypothesen beruhen, da keine Urkunde über den Bau vorliegt. Die Vermutungen über den Baubeginn der Kaiserpfalz nennen Jahreszahlen zwischen 1152 und 1190. Moderne kunsthistorische Untersuchungen lassen eine Entstehungszeit zwischen 1170 und 1190 wahrscheinlich erscheinen. Die Steinmetzarbeiten des Palas schließen unmittelbar an die Schmuckformen des Wormser Westchores an und lassen sich so auf die achtziger Jahre datieren. Wenn man gut zehn Jahre für die vorbereitenden Arbeiten und die Fundamentierung annimmt, dürfte der eigentliche Bau in dieser Zeit entstanden sein. So differieren selbstverständlich auch die Daten der Fertigstellung, die sich im Bereich von 1170 bis 1230 bewegen.

 

Die Burg wird urkundlich bereits 1158 als Sitz der Grafen von Gelnhausen genannt: Erzbischof Arnold von Mainz kaufte sie von dem rechtmäßigen Besitzer, wahrscheinlich vom Grafen von Gelnhausen. Sie ist aber nicht mit einer älteren Anlage auf der Kinziginsel in Verbindung zu bringen, die Untersuchungen haben eindeutig bewiesen, daß beim Bau der heutigen Pfalz keine älteren Reste benutzt wurden.

Kurz vor 1170 gelangte die Burg an Kaiser Friedrich I. Barbarossa, der eine Pfalz gründete, die er wohl zwischen 1170 und 1180 baute. Die Kaiserpfalz zu Gelnhausen ist jedenfalls eine Schöpfung der Hohenstaufen, die von 1125 bis 1250 regierten. Der Bau wurde unter Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) begonnen und unter Heinrich VI. vollendet.

 

Für die Bauarbeiten rechnet man ungefähr sieben Jahre. Eine heute kaum noch bestimmbare Zeit für die Herrichtung des Pfahlrostes aus Eichenbalken, auf dem die Mauern ruhen, kommt hinzu. Um die Pfalz am sumpfigen Ufer der Kinzig überhaupt errichten zu können, mußte zunächst ein stabiler Unterbau geschaffen werden, weil erst nach acht Metern ein tragfähiger Lehmboden angetroffen wurde. Zu diesem Zweck wurden etwa 18.000 bis 20.000 Eichenstämme dicht an dicht in den morastigen Boden gerammt - ein Kraftakt, der mehrere Jahre in Anspruch nahm. Der Pfahlrost ist trotzt seiner unterschiedlichen Höhe einheitlich in den sumpfigen Boden der Kinziginsel bis unter den Grundwasserspiegel eingerammt worden. Für die Haltbarkeit der eingerammten Pfähle mit den darauf angebrachten Holzrosten, war die Höhe des Grundwasserspiegels von größter Bedeutung.

Auf diesem Holzrost konnte dann erst mit der eigentlichen Errichtung des Mauerwerks begonnen werden. Der zum Bau benutzte graurote, widerstandsfähige und feinkörnige Sandstein konnte in den Steinbrüchen oberhalb der Stadt Gelnhausen gebrochen werden. Die verschiedenen Bauhandwerker wie Maurer, Steinmetze, Zimmerer, Schlosser und Schmiede waren unter einem Meister zu einer Bauhütte zusammengeschlossen. Diese Fachleute wurden zusätzlich unterstützt durch Handlanger und Fuhrleute. Durch die verschiedenen Steinmetzzeichen - die heute noch gut im Mauerwerk erkennbar sind - wissen wir, daß allein etwa 60 Steinmetze mit dem Bau der Pfalz beschäftigt waren. Weil jeder Steinmetz sein individuelles Zeichen hatte, war es möglich. Quantität und Qualität der geleisteten Arbeit zu kontrollieren und zu bezahlen.

Bis zur Höhe des Hofes wurden die Fundamentmauern aus Bruchstein aufgerichtet. Darauf lagern die mächtigen Buckelquader und Werksteine. Begonnen wurde mit dem Sockel des Torturmes und dem Rundturm im Burghof. Dieser Turm ist niemals höher als sein Sockel gebaut worden. Anschließend wurde die Ringmauer gesetzt. Als der Torturm schon zu einer ansehnlichen Höhe gediehen war, wurde mit dem Untergeschoß des Palas angefangen. Während an der Ringmauer weitergearbeitet wurde, kamen die Bildhauer. Die Kapitellformen, ihr Schmuck und die Entwicklung der Basen zeigen die Folge, in der die Bildhauer arbeiteten. Im Anschluß an die Kapitelle des ersten Obergeschosses des Palas wurde mit denen der Kapelle über der Torhalle begonnen.

 

Rundgang:                 

Die Gebäude der Pfalzanlage in Gelnhausen gliedern sich in: Verteidigungsanlagen (Ringmauer, Torturm und Bergfried), Wohn- und Repräsentationsräume, Vorburgbereich. Die Baufolge der Pfalz kann man an der Entwicklung der Kapitelle und den Steinmetzzeichen ablesen. Aus diesen reich vorhandenen Zeichen entnimmt man, daß etwa 40 Steinmetzen gleichzeitig an der Burg gearbeitet haben müssen. Hinzu kam die große Zahl der Handlanger. Auch die Bauern mußten wahrscheinlich Spanndienste leisten. So konnte der Bau in verhältnismäßig kurzer Zeit aufgeführt werden.

Man betritt die Pfalz durch die Eingangshalle, des einzigen noch in seiner Urform existierenden Raums der Pfalz. Die zweischiffige Torhalle ist in je drei Joche gegliedert. Das ursprüngliche Kreuzgratgewölbe ist im nördlichen Schiff noch erhalten, im südlichen durch ein Kreuzrippengengewölbe in gotischer Zeit erneuert. Das gleiche Gliederungsschema wird im da­rü­berliegenden Geschoß aufgenommen. Dort befand sich auch die Kapelle, die man über zwei Treppen erreichen kann In vergleichbaren Anlagen findet man immer wieder an Gott geweihte Räume an den gefährdeten Stellen, zum Beispiel über dem Eingangstor. Angreifer hätten also nur durch eine Zerstörung dieses heiligen Ortes in die Anlage eindringen können. Die Kapelle diente nicht nur bei Kaiserbesuchen als Gotteshaus, sie war gleichzeitig Kirche der in der Vorburg lebenden Burgmannschaft. Noch bis zum Jahr 1810 wurde in der Kapelle Gottesdienst gefeiert.

Aufbau und Fassadengliederung der Innenseite dieses Baukörpers erinnern sicher nicht zufällig an römische Triumphbögen und unterstreichen damit den repräsentativen Charakter der Anlage. Das vorzüglich gearbeitete Adlerkapitell der in der Nähe der Torhalle frei vorgestellten Säule symbolisiert den Herrschaftsanspruch des Kaisers.

Nach dem Innenhof zu ist die Torhalle offen. Durch die Halle gelangt man in den lichten, mit Bäumen bestandenen Innenhof der Anlage. Zur Rechten erhebt sich ein 13 Meter hoher, rechteckiger Torturm, der zugleich die Funktion des im Ostteil des Hofes geplanten, aber dann nie gebauten Bergfrieds übernahm. In seiner Mauer führt die Treppe zur Kapelle. Der Turm ist ähnlich aufgebaut wie die Ringmauer und diente als letzte Zufluchtstätte im Ernstfall. Er war vom Hof aus über eine Leiter zu erreichen, die den einzigen Zugang in etwa sieben Meter Höhe erschloß. Im Untergeschoß waren der Vorräte angelegt.

Auf der linken Seite befindet sich das Herzstück der Anlage: die Hoffassade des einst dreistöckigen Palas. Dort fanden nicht nur Hoftage, Gerichtssitzungen, Empfänge und Feste statt. Das Hauptgebäude bot dem König und seiner Familie auch eine repräsentative und komfortable Unterkunft. Durch die doppelsäuligen Fenster erblickt man im Hintergrund die Marienkirche in der Gelnhausener Altstadt.

Der kaum eingetiefte Keller trug zwei Geschosse, von denen das darüberliegende durch die erhaltenen Langseiten noch einen guten Eindruck vermittelt. Das Eingangstor - das über eine hölzerne Freitreppe zugänglich war - wird oben von einem Kleeblattbogen mit reichem Rankenfries abgeschlossen, der wiederum von einem Rundbogen umfaßt wird. Darüber ist der sogenannte „Barbarossakopf“ (sekundär) eingemauert.

Im Unterschied zu den wehrhaft und trotzig wirkenden Buckelquadermauern der Verteidigungsbauten zeigen die Wohn- und Repräsentationsräume ein Mauerwerk aus geflächten Quadern. Außerdem sind diese Gebäudeteile künstlerisch reich ausgestattet, reichverziert mit Kapitellen, Friesen und Säulen, ein Bild staufischer Baukunst

Dem Besucher bietet sich in der Hoffassade des Palas ein prächtiges Zeugnis staufischer Profanarchitektur. Er sieht links von einem Zugang elf gekoppelte Rundbogenarkaden (zweimal drei und auf der anderen Seite fünf Rundbogen‑Arkaden), die durch ganz unterschiedlich ge­staltete Kapitelle besonders geschmückt sind. Vor allem die Palmetten-Ringbandkapitelle gehören zu den delikatesten Steinmetzarbeiten, die die profane Architektur dieser Zeit hervor­gebracht hat. Die reich gegliederten Kapitelle des Palas gehören zu den erlesensten Zeugnissen staufischer Bau-Ornamentik.

Unterbrochen wird die Arkadenreihe durch ein aufwendig gestaltetes Dreipaßportal, das ursprünglich der Zugang zum ersten Obergeschoß war und durch zwei hölzerne Treppenläufe erschlossen wurde.

Die Gliederung der Fassade ist durch die Funktion der Innenräume bestimmt. Westlich des Eingangs befinden sich zwei Drillingsarkaden mit jeweils vier Säulchen, von denen jeweils zwei hintereinander stehen, östlich davon fünf Arkaden, gleichfalls mit doppeltstehenden Säulchen. Bei gleicher Grundform ist jedes Kapitell anders mit Rankenwerk, Blattornamenten, Menschen‑ und Tierdarstellungen verziert. Die Mauern der Wohn‑ und Repräsentationsräume sind aus geflächten und künstlerisch gestalteten Quadern errichtet.

Neben der Hoffassade ist vom Palas auch ein Rest der Nordwand erhalten. an sich sieht man heuter nur noch den Keller. Wo der Kamin die Wand hinauf führt, kann man aber noch in das Erdgeschoß sehen. Hier sind noch links und rechts des Kamins zwei Schmuckplatten mit Flechtwerkornamentik zu sehen, der einzigen in der Anlage. Hier haben wohl der Kaiser und die Kaiserin gesessen. Von ihr sind noch die auf ornamentierten Halbsäulenvorlagen ruhenden, mit Flechtbandornament verzierten Wangen erhalten.

Die beiden, links und rechts des Kamins befindlichen ornamentierten Platten könnten die Rücklehnen der Sitze des Kaiserpaares gewesen sein, die mit reliefiertem Webmuster reichverziert sind. Die eine Lehne liegt in der direkten Achse des Portales und ist so schon vom Hof aus sichtbar.

Im ersten Obergeschoß des Palas dürfte die Kaiserfamilie gewohnt haben. Im zweiten befand sich sicherlich ein großer Saal, Im Untergeschoß waren vermutlich Küchen‑ und Dienstbotenräume untergebracht, denn von der Fassade her ist das Untergeschoß sehr schlicht gehalten.

Die damaligen Wohnbedingungen in einer Pfalz muten uns heute als eine Art Überlebenstraining an. Ein festes Mobiliar gab es in solchen Räumen nicht. Der Kaiser führte auf seinen Reichszügen seinen ganzen Besitz, auch seine Möbel (von mobil = beweglich) mit sich. Man schützte die Räume vor unwirtlichen Witterungseinflüssen, indem man mit Fischblasen oder geöltem Pergament bespannte Holzrahmen in die leeren Fensteröffnungen einsetzte. Löcher und Ritzen wurden mit Schafwolle ausgestopft oder mit Pech oder Talg verklebt. Die Betten schütze man durch dicke Vorhänge vor der Kälte. Während im Winter die die Fußböden mit Fellen, Wollteppichen oder Matten ausgelegt waren, wurden im Sommer die Räume mit Blüten und aromatischen Kräutern ausgestreut, um üble Gerüche zu vertreiben.

Steinmetzarbeiten sind sonst nur bei Sakralbauten üblich gewesen, deshalb gilt Gelnhausen als schönste staufische Pfalz. Für die Bildhauer sind drei Hauptmeister zu unterschieden, denen Gesellen zur Seite standen. Einer der Meister hat wohl in Südfrankreich gelernt Oberitalien bereist und die vollplastischen Ranken mit den einzelnen, darin verwobenen Figuren geschaffen. Ganz anders arbeitete der zweite Bildhauer, der von der Burg Münzenberg her bekannt ist. Ihm fehlt zwar die zum Gotischen tendierende Elastizität und Loslösung vom Kapitellkern, dafür aber schließt er mit seinen Dekorationen mehr die Form des Kelchblocks zusammen und besitzt mehr Phantasie. Erst ein bis zwei Jahre nach der Tätigkeit dieser Bildhauer an der Pfalz kam ein dritter Meister, der elsässische Arbeiten kannte; sein erstes Werk ist das äußere östliche Kapitell der Palast‑Ostarkade.

 

Umschlossen wird die Anlage von einer sechseckigen Ringmauer aus mächtigen Buckelquadern aus rotem Buntsandstein. In einer Zeit, in der es außer den großen Kirchen kaum Steinbauten gab, mußte die 1,80 Meter bis 2,10 Meter dicke und ursprünglich 7,50 Meter hohe Mauer einen gewaltigen Eindruck auf die Menschen gemacht haben. Sie ist bis auf ein kleines Stück am Torturm im Umfang jedoch nicht in voller Höhe erhalten. Sie war aber ursprünglich höher und wurde von einem Wehrgang mit Zinnen abgeschlossen. Auf manchen Steinen kann man noch die Zeichen der Steinmetzen erkennen, mit denen diese ihre Arbeit markierten - bezahlt wurde Stücklohn.

Ihre Stärke beträgt zwei Meter. Es handelt sich um ein zweischaliges Mauerwerk. Nach außen ist die Ringmauer in den für die Stauferzeit typischen Buckelquadern errichtet, also Steinen, die auf einer Seite nicht glatt abgearbeitet sind, also einen steinernen Buckel haben. Solches Mauerwerk sollte die Wehrhaftigkeit auf optischem Wege erhöhen. Gleichzeitig war es auch unmöglich, an der unregelmäßigen Fläche eine Sturmleiter hochzuschieben. Zum Hof hin ist die Mauer größtenteils in glatt gearbeiteten Hausteinen ausgeführt, innen mit Bauschutt als Füllmauerwerk versehen.

Die Mauer hatte keine Zugbrücke und das Tor hatte kein Fallgatter. Eine umseitige Verteidigung war außerdem dadurch geschwächt, daß sich sämtliche Wohn- und Repräsentationsgebäude an die Ringmauer anlehnen. Man vertraute stark auf die schützende Insellage und auf die Pfalz vorgelagerte Vorburg, dem heutigen Stadtteil Burg.

Zwei Abort‑Erker und ein kleines Fenster in der südlichen Ringmauer erinnern an ein nicht mehr bestehendes Wirtschaftsgebäude aus der romanischen Zeit. Im Burghof vor der östlichen Ringmauer haben sich Fundamente eines im Durchmesser 16 Meter großen Rundbaus erhalten, Reste eines Bergfrieds, der vermutlich aus statischen Gründen niemals über den Sockelbereich hinaus gediehen ist. Das heute noch gut erkennbare Fundament zeigt einen Durchmesser von 16 Metern, die Mauerstärke sollte wohl vier Meter betragen. Wie der Turm hätte aussehen sollen, kann man an dem etwa gleichzeitig entstandenen und noch erhaltenen Sinwellturm der Nürnberger Reichsburg erkennen.

 

Niedergang, Verfall, Rettung:

Die politische Bedeutung der Pfalz Gelnhausen währte aber nur bis in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts. Es konnten angesehene Familien aus der Wetterau durch Lehen zum Schutz der Anlage gewonnen werden. Das war aber nur so lange möglich, wie es in der Wetterau Reichsland gab. Als im 13. und 14. Jahrhundert die für die Pfalz dienstleistenden Gerichte wie Sel­bold, Gründau, Altenhaßlau. Wolferborn und das Freigericht veräußert wurden, sank damit auch die Bedeutung der Pfalz. Der Zusammenbruch der Stauferherrschaft bewirkte auch den allmählichen Verfall der Barbarossaburg.

Ab 1330 begann der deutliche Niedergang der Pfalz. Im Jahre 1349 werden die Stadt Gelnhausen und die Burg von dem späteren Kaiser Karl IV. an den Grafen Günther von Schwarzburg für 20.000 Mark Silber verpfändet. Damit endet auch die direkte Bindung an das Reich. Als Herrscherfigur beschäftigte sich Karl ohnehin eher mit den südöstlichen Reichsteilen, so daß er Gelnhausen für seine machtpolitischen Pläne nicht mehr benötigte. In diesen Jahren des Niederganges der Pfalz waren die Burgmannen in ihrem Handeln oft sehr eigenmächtig; sie verkauften Lehnstücke an zugezogene Handwerker und ließen Gebäude verfallen. Mehrfach wurde sie von ihren Besitzern verpfändet, und da die Pfandherren wenig Interesse an ihrer Erhaltung zeigten, begann sie zusehends zu verfallen.

Als zu Beginn des 16. Jahrhunderts Kaiser Maximilian I. Gelnhausen besuchte, mußte er - weil die Pfalz inzwischen unbewohnbar geworden war - in einem Patrizierhaus in der Stadt wohnen. Noch 1814 ließ die Hanauer Rentkammer Wasserbauten an der Kinzig mit Steinen aus der Pfalz ausführen. Die Gelnhausener nutzten die Anlage gar als Steinbruch. Mitte des 19. Jahrhunderts fanden die ersten Renovierungsarbeiten statt. Zwischen 1929 und 1932 fanden Grabungen in Verbindung mit Fundamentsicherungsmaßnahmen statt. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Pfalz Eigentum des Landes Hessen.

Die grundlegenden Instandsetzungsarbeiten wurden jedoch erst 1961 - 1963 und 1995 ‑ 1996 vorgenommen. Erst seit den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts und nun auch in neuester Zeit ist man dabei, das noch Vorhandene zu erhalten und einer breiten Öffentlichkeit zur Besichtigung freizugeben. Besitzer der Burg ist das Land Hessen, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, Bad Homburg v. d. H. Heute ist die Kaiserpfalz einer der Hauptanziehungspunkte für viele interessierte Stadtbesucher, doch Luftverschmutzung und die problematische Fundamentierung schaffen immer wieder neue Probleme, was den Erhalt dieses einzigartigen Bauwerks betrifft.

 

Grimmelshausen-Haus:

Wenn man von der Pfalz nach Norden geht, sieht man in der einstigen Vorburg links das ehemalige Rathaus der bis 1803 reichsunmittelbare Gemeinde „Burg Gelnhausen“, die im Jahr 1895 auf Anordnung Kaiser Wilhelms II. aufgelöst und der Stadt Gelnhausen einverleibt wurde. Man kommt man zur Barbarossastraße. Dort geht man links ein ganzes Stück nach Westen. Es geht an der Kreisverwaltung vorbei, östlich neben der Sparkasse sieht man noch Architekturreste.

Rechts sieht man schon den Hexenturm. Rechts geht es dann hoch in die Schmidtgasse. An der Ostseite der Schmidtgasse (vor der Abzweigung der Straße „Am Fratzenstein“) befindet sich im Grimmelshausen-Hotel das Geburtshaus des größten deutschen Schriftstellers der Barockzeit, Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausen. Er wurde wahrscheinlich im Jahr 1622 hier geboren. Er schrieb mit seinem berühmten Barockwerk „Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch“ den ersten deutschen Roman (über Grimmelshausen (siehe eigenen Artikel am Ende der Datei).

 

Hexenturm (Am Fratzenstein):                                                                                             (12)

Rechts geht es in die Straße „Zum Fratzenstein“, wo rechts der Hexenturm steht (das Gelände ist allerdings nicht ständig zugänglich). Der ursprüngliche Name dieses Turms war „Fratzenstein“ oder „Gackenstein“. Er ist auf die hockende Steinfigur an der westlichen Außenseite des Turms zurückzuführen, die angeblich angebracht wurde, um die Burgbewohner zu verhöhnen (doch dann wäre die Figur wohl eher in Richtung auf die Burg angebracht worden).

Der 24 Meter hohe und 9,40 Meter im Durchmesser messende Turm, dazu Mauern von 2,80 Meter Dicke ist ein typisches Beispiel für die runden Befestigungstürme, die nach der Entwicklung der Feuerwaffen die älteren Türme mit quadratischem Grundriß ablösten, da sie stabiler gebaut werden konnten. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass feindliche Geschosse an gekrümmten Mauern eher abprallten als einschlugen.

Aufgrund der gewaltigen Mauerstärke war der Turm von Anfang an als Geschützturm bestimmt. In den Nischen des Obergeschosses standen drei große und zwei kleinere Doppelhacken. Die abgeschrägte Turmspitze diente der Richtungsveränderung feindlicher Geschosse. Der Rundturm hat einen Zinnenkranz, der als Dach einen Ziegelhelm trägt.

Der Baubeginn des Hexenturms war 1447 im Rahmen einer Erneuerung der Stadtbefestigung. Diese hatte der Zweck, den inneren Mauerring zu verstärken und im Kriegsfalle die aus der Kaiserpfalz über die Kinzig führende Brücke zu sichern. Der Turm wurde erst 1478 vollendet, da sich die Bewohner in der Burg und um sie herum durch den Bau bedroht fühlten und einen Baustopp erwirkt hatten.

Obwohl der Turm zum inneren Ring der Stadtmauer gehörte, war er nicht direkt mit ihr verbunden, sondern nur vom Wehrgang aus über einen hölzernen Steg zu erreichen. Die oberen Turmgeschosse konnten von der Stadtmauer durch eine außen geführte Treppe erreicht werden.

Der Turm war dafür ausgelegt, Feuerwaffen abzuschießen. Deshalb befindet sich im unteren Geschoß ein acht Meter hoher gewölbter Raum, in dem das Pulver gelagert wurde. Dieser Raum war nur durch ein Loch in der Decke (das so genannte Mann‑ oder Angstloch) mit Hilfe einer Seilwinde zugänglich. Pulverdämpfe, die entstanden, konnten durch eine weitere Öffnung im Gewölbe und durch Schlitze im Turmdach entweichen. Die dicken Wände sollten die Bürger bei einer Explosion schützen.

Später wurde in das im Untergeschoß befindliche Gewölbe ein Eingang gebrochen und der Raum privat als Keller genutzt. Da der Turm als der sicherste der Stadt galt, wurden später im Untergeschoß Menschen gefangengehalten, besonders die, die der Hexerei beschuldigt wurden. Daher kommt auch der spätere Name „Hexenturm“. Über 50 Frauen, aber auch Männer und Kinder, denen man Zauberei oder einen Bund mit Teufel vorwarf, dämmerten im ehemaligen Munitionskeller fensterlos ihrer Verhandlung entgegen. Die endete so gut wie immer dem Scheiterhaufen, zur Not mit einem unter Folter erzwungenen Geständnis. Heute dient der Turm als Ausstellungsort von nachgebauten Foltergeräten. Die Beschuldigten wurden damals jedoch nicht im Turm, sondern am Ort der Verhandlung- also im Rathaus - gefoltert.

In den letzten Jahren hat in Gelnhausen eine intensive Auseinandersetzung mit der Zeit der Hexenverfolgungen stattgefunden. Daraus entstand eine ausführliche Dokumentation, die im Hexenturm ausgestellt ist und über den Hexenwahn sowohl in der Stadt als auch in anderen europäischen Ländern berichtet. Zum Gedenken an die vielen unschuldigen Opfer wurde im Garten vor dem Turm die Skulptur „Die Rufende“ der Künstlerin Eva-Gesine Wegner errichtet. Gelnhausen war die erste Stadt, in der ein solches Denkmal aufgestellt wurde (siehe gesonderter Artikel am Ende der Datei).

Einen ganz besonders guten Blick auf den hatte Familie von Grimmelshausen aus ihrem Haus in der Schmidtgasse 12. Es ist davon auszugehen, dass der spätere Schriftsteller Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen in seiner Kindheit und Jugend ziemlich genau mitbekommen hat, was im benachbarten Turm abging. Wer seine Werke mit diesem Hintergrundwissen liest, findet immer wieder Anspielungen auf die grausigen Erlebnisse seiner Kindheit in Gelnhausen.                

 

 

Untermarkt:                                                                                                                          (2)

Man geht wieder zurück zur Schmidtgasse und nach Norden hinauf zum Untermarkt. Dieser wurde 1305 erstmals urkundlich erwähnt und ist vermutlich in der Zeit der Stadtgründung neu entstanden. Er war der bedeutendste Platz der Stadt, denn an ihm befanden sich die wichtigsten Gasthöfe, die Häuser der angesehenen Patrizierfamilien sowie die Verkaufsräume der Krämer (die Gewölbe findet man heute noch in der „Kratzhacke“ und im Untergeschoß des Romanischen Hauses). Von Krämern und den Bauern aus der Umgebung wurden früher zweimal in der Woche auf dem Untermarkt vor allem Waren für den täglichen Bedarf verkauft.

Geht man auf dem erhöhten Weg an der Nordseite des Platzes entlang, so kommt man zum „Durchgang zur Marienkirche“. Dahinter ist ein malerischer schmaler Durchgang, das Höfchen (22), mit viel alter Architektur und dem ehemaligen Küsterhaus.

An der Südseite des Platzes steht der ehemalige Gasthof „Zum Schwan“ (Untermarkt Nr. 7), in dem 1562 Kurfürst Friedrich von der Pfalz einige Tage logierte. Im Haus Breidenbach (Untermarkt 13) wohnte Kaiser Maximilian I. im Jahre 1506 anläßlich seiner Huldigung durch die Stadt. Das Steinwappen trägt die Umschrift: „In Dem iar des hern MCCCCLXVIII frederich von breydenbach ht disen baw ufgebracht“.

Auf dem Platz wurde einem der berühmtesten Männer der Stadt ein Denkmal gesetzt: Philipp Reis, dem Erfinder des Telefons. Er wurde hier am 7. Januar 1834 geboren und verstarb am 14. Januar 1874 in Friedrichsdorf/ Taunus.

 

Romanisches Haus (Untermarkt):

An der Nordseite des Untermarktes steht als eines der Amtshäuser Deutschlands, das in Urkunden „praetorium“ genanntes Haus, das heute wegen seines Baustils „Romanisches Haus“ genannt wird. Es war Sitz des kaiserlichen Vogts in der Stadt, des „villicus“, d. h. des Vertreters des Kaisers und Gerichtshof der Stadt. Der Vogt (später Schultheiß) hatte in Abwesenheit des Kaisers die Amtsgeschäfte zu vollziehen. Dieser Villicus mußte natürlich entsprechend repräsentativ residieren.

Das Gebäude ist ein aufwendiger Steinbau aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts, vermutlich um 1180. Mit seiner traufenseitigen Ausrichtung und seiner Fassadengestaltung, die an die Hauptbauten von Burgen oder Pfalzen erinnert und auch Parallelen zur Gelnhäuser Kaiserpfalz zeigt (Kapitelle), ist es ein für die Zeit des Hochmittelalters typisches öffentliches Gebäude.

Das dreigeschossige Gebäude bestand ursprünglich aus drei übereinander gestaffelten, nach vorne offenen Hallen. Das Untergeschoß war durch große Bögen geöffnet. Ihm war ehemals eine Rampe auf drei offenen Tonnengewölben mit Zugang über eine Freitreppe vorgebaut („Verkündigungsterrasse“). Die darüberliegende zweigeschossige Fassade ist durch Kleeblattportal und Rundbogenarkaden gegliedert. Das Hauptgeschoß mit dem Gerichtssaal war durch drei Portale (zwei später durch Fenster ergänzt) geziert, von denen das mittlere einen reichgeschmückten Kleeblattbogen hat. Das Obergeschoß ist noch heute mit einer Arkaden­reihe geschmückt.

Für jedes Geschoß gab es einen separaten Zugang, in den ersten Stock führten zum Beispiel Holztreppen auf beide Seiten des Balkons. Mitte des 14. Jahrhunderts erfolgte nördlich ein Erweiterungsbau in massiver Bauform mit Fachwerkobergeschoß als Stadtschreiberei für den erweiterten Geschäftsumfang der Verwaltung.

Nach 1430 gelangte das Romanische Haus in den Privatbesitz einer Patrizierfamilie und wurde als Wohnhaus genutzt. Im 17. Jahrhundert wurde der mittelalterliche Bau durch ein davor errichtetes Fachwerkhaus fast ganz verdeckt. Erst 1881 wurde das ursprüngliche Romanische Haus wieder entdeckt und in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gebracht. Im Besitz des Konsuls Karl Becker wurde aus dem Romanischen Haus eine neuromanische Villa. Entstellende Umbauten, vor allem die den Eindruck völlig verfälschende Dachsituation, konnten 1955 jedoch durch die ursprünglichen Architekturformen ersetzt werden. Im Jahre 1979 baute man ein neues Treppenhaus ein. Heute dient der gesamte Gebäudekomplex als Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde.

 

 

Nur bei Stadtführungen zu besichtigen ist eine alte Brunnenanlage, die die Wasserversorgung sicherte.

 

Haitzer Tor (Untere Haitzergasse):                                                                                       (5)

Vom Untermarkt geht man nach Osten in die Untere Haitzergasse. Gegenüber der Straße „Am Fratzenstein“ ist ein Fratzenstein zu sehen (der Name der Straße kommt aber von dem Stein am Hexenturm). Am Ende steht das Haitzer Tor, der von den Abmessungen her bedeutendste Turm der Stadt. Es wurde um 1380 errichtet und war der Ausgang zum benachbarten Dorf Haitz. Die Handelsstraße von Frankfurt nach Leipzig führte durch das Tor, das die schmalste Bogenbreite auf dieser ganzen Strecke hatte. Deshalb galt es (neben der Pfarrgasse) als Maß für die Kaufleute. Dieses Maß war ihnen aber lästig, da sie ihre Wagenladung so ausrichten mußten, daß sie das Tor passieren konnten.

Das Tor hat im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen erfahren. So wurde der Schalenturm zum Beispiel im 16. Jahrhundert zur Stadtseite hin ein aufwendiges Renaissanceportal.

verschönert. Im Jahre 1822 durchbrach man die Stadtmauer und verlegte die Straße auf die Nordseite des Tores. Im Jahre 1840 wurde der obere Teil bis zur halben Höhe abgerissen und der restliche Bau zum Wohnhaus umgebaut.

 

Halbmond (Kapellenweg):                                                                                                    (6)

Etwas östlich des Haitzer Tors geht der Kapellenweg nach Nordwesten ab. Er führt zum Halbmond, dem am höchsten gelegenen Bauwerk der Gelnhäuser Stadtbefestigung. Er wird in die Zeit um 1535 datiert. Frühere Namen dieses Turmes waren „Aulen­turm“ (1535) oder „Oberer Turm“ (1569). Seinen neuen Namen erhielt der Halbmond durch seine halbrunden Grundriß-Form, die an einen Halbmond erinnert. Sie ist ähnlich wie beim Hexenturm zu begründen ist: Die halbrunde Form sollte die Geschoßbahn von kleinerer Munition ablenken, zugleich war es möglich, von diesem Turm aus den die Mauern belagernden Feind von der Seite angreifen zu können. Die Verteidiger konnten mit ihren Kanonen, die zur Zeit der Errichtung des Turmes noch nicht drehbar waren, die Feinde nach beiden Seiten vor der Stadtmauer beschießen (Flankenschutz). Früher war der Turm noch mit einem Dach geschützt und zur Stadtseite hin mit einer Fachwerkwand verschlossen.

Man erzählt sich, vom Halbmond führe ein unterirdischer Gang zur berühmten Kaiserpfalz auf der Kinziginsel. „Als Kinder sind wir da immer hineingeklettert“, sagt ein alter Gelnhäu­ser. Doch bis zur Barbarossaburg sind die Jungs nie gekommen, der Geheimpfad war verschüttet. Den Ansatz kann man an der Ostseite noch sehen. Unterhalb liegen der Grimmelshausen-Gedenkstein und ein Kriegerdenkmal.

 

 

 

Weinbergmauern:

Buntspecht, Fledermäuse, Hornissen und der äußerst seltene Hirschkäfer haben sich im Streuobstgürtel zwischen Gelnhausen und Roth ihre ökologischen Nischen erhalten. Das ehemalige, teilweise terrassierte Weinbaugebiet ist nicht nur ein seltenes Artenrefugium, sondern durch die mitunter noch erhaltenen Weinbergmauern auch von kulturhistorischer Bedeutung. Um den Gelnhäuser Hang in seiner Form weitgehend zu bewahren, hat der Landschaftspflegeverband des Main-Kinzig‑Kreises dort nun die zweite Phase der Streuobstsanierung eingeleitet. In der ersten Phase waren vor gut drei Jahren „In der Herzbach“ mehr als 4.000 Quadratmeter Streuobstwiese vor der Verwilderung bewahrt worden. Bei der so genannten Ver­buschung wird die typische Wiesenvegetation verdrängt und die Bewirtschaftungsflächen für die ortsansässige Schäferei immer knapper.

Nun sollen am „Oberen Ringwolf“ rund 7000 Quadratmeter Fläche entbuscht und anschließend als Beweidungsflächen der Schäferei zur Verfügung gestellt werden. Die Pflege wird auf Basis eines Landwirtschaftlichen Entwicklungsprogramms (HELP) vergütet. Um die ökologische Funktionsfähigkeit des Streuobstgürtels zu erhalten, sind langfristige Anstrengungen verschiedener Partner notwendig (zum Thema „Weinbau“ vergleiche besonderen Artikel am Ende der Datei).

 

Burckhardthaus:

 Als Konrad Heinrich Schöffer (1815 ‑ 1878) als vermögender Mann aus Amsterdam in seine Geburtsstadt zurückkehrte, erwarb er am „Goldenen Fuß“ reichlich Land und schmiedete die Pläne für einen luxuriösen Familiensitz. Unweit vom romantischen Stadtkern entstand als Kontrast ab 1863 ein modernes dreieinhalbgeschossiges Gebäude im neoklassizistisehen Stil: die „Villa zum goldenen Fuß“, später nur noch „Weiße Villa“ genannt.

Dabei ist das Mauerwerk des weithin sichtbaren Landsitzes aus rotem, heimischem Bundsandstein. Erst danach wurde der großbürgerliche Bau, geschmückt von Apollo und Aphrodite und bewacht von Sockeln ruhenden Löwen, in Anlehnung an griechische Vorbilder verputzt und mit heller Farbe getüncht. Auch die Steinmetzarbeiten dokumentieren weiter hoch zu den Dreiecksgiebeln „mehr Schein als Sein“. Während Säulen und Pfeiler echtes Steinmetzhandwerk verraten, wurde Gesims aus Holz geformt und die kleinen Säulen der Balustraden und die Brüstungsfelder von Balkonen und Fenstern als Abgüsse nachgebildet.

Von Großkaufmann Schöffer ist überliefert, daß er bei allem Hang zur Selbstdarstellung ein Herz für die verfallende Barbarossastadt hatte und sich speziell um den Erhalt die Marienkirche verdient machte.

Mehr als ein Jahrhundert nach dem Bau stellte die Sanierung des Gotteshauses die „Weiße Villa“ in den Schatten. Weil die Landeskirche Millionen Mark in die Renovierung steckte, fristete die nach dem Krieg zum Sitz des Burckhardthauses umgewandelte Klassizismus‑Bau lange Jahre ein kümmerliches Dasein. Obgleich etwa die Balkone aus statischen Gründen schon längere Zeit gar nicht betreten werden dürfen, verschwanden Sanierungspläne für das verwitterte Gebäude fast zwei Jahrzehnte immer wieder schnell in den Schubläden. In den siebziger Jahren zog man sogar den Abriß des evangelischen Bildungsinstituts in Erwägung.

Nun existiert ein Synodenbeschluß der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), das auch aus Denkmalschützer-Sicht baukünstlerisch und kulturgeschichtliche bedeutende Objekt ab 2003 zu sanieren; einhergehend mit dem 110‑jährigen Bestehen der einst in Berlin gegründeten Erwachsenenbildungseinrichtung. Bis das helle Wahrzeichen wieder in Richtung Kinzigtal leuchtet, werden vermutlich zwei Jahre vergehen Und erst dann sollen im zweiten Bauabschnitt der Innenbereich der „Weißen Villa“ sowie das in den fünfziger Jahren oberhalb errichtete so genannte Haus B umfassend modernisiert werden. Dort beläuft sich der Kostenvoranschlag auf zwei Millionen Euro.

Nach einer Sanierung der „Weißen Villa“ im Jahr 2003 wird die Einrichtung zum bundesweiten Bildungszentrum der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) wachsen. Mehrere kirchliche Einrichtungen sollen in einem „Zentrum für Bildung“ zusammengeführt werden.

Mit Dr. Frank Austermann hat das Weiterbildungszentrum einen neuen führenden Theologen bekommen. Das vor 110 Jahren in Berlin von christlichen Frauenvereinen zur Notlinderungen von verarmten Arbeiterinnen und Hausgehilfinnen ins Leben gerufene Burckhardthaus hat sich nach dem Krieg in Gelnhausen zu einem Hort der Bildungsarbeit entwickelt, an dem sich immer neue Einrichtungen der evangelischen Kirche konzentriert haben, zuletzt 1994 das Frauenzentrum im Anne‑Paulsen‑Haus. Es gab berufsbegleitende Seminare in dem evangelischen Institut für Jugend‑, Kultur‑ und Sozialarbeit. Etwa 1.700 Teilnehmer haben im Jahr 2002 rund 100 Seminare belegt. Bei vier bis fünf Kurstagen zählt die Tagungsstätte mit 92 Betten etwa 8000 Übernachtungen im Jahr. Für die Erwachsenenbildungsabteilung samt dem Haus des Evangelischen Pressedienstes (epd) in Frankfurt werden Umzugspläne Richtung Kinzigtal geschmiedet. Auch steht eine Verlegung des im westfälischen Münster angesiedelten für Schulbildungsfragen zuständigen Comenius‑Institutes im Raum.

Räumliche Kapazitäten für ein bundesweites Bildungszentrum der EKD gibt es reichlich. Nachdem die Tagungsstätte vor drei Jahren einen neuen Bettentrakt erhielt, soll nun die Sanierung der „Weißen Villa“, dem Hauptsitz der Tagungsstätte beginnen. Zeitnah soll auch das Geld für eine Modernisierung des oberhalb gelegenen Hauses B bereit gestellt werden. Insgesamt wollen Landesdenkmalamt, Kirche, die Stiftung Deutsche Jugendmarke und der Verein binnen zwei Jahren mehr als 3 Millionen Euro investieren.

Alleine die Vereinsstruktur des Bildungsträgers mit seinen 33 Beschäftigten werden so auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten sein. Um die kirchliche Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlichen Themen in der Gesellschaft wirkungsvoll vorantreiben zu können, sind professioneller Strukturen nötig. Deshalb muß das Burckhardthaus vom Verein zur Betriebsgesellschaft mutieren.

Unter Verwendung eines von Schülern herausgegebenen Buches und einer Informationsschrift des Fremdenverkehrsamts Gelnhausen und anderer Materialien zusammengestellt.

 

Kinzigaue bei Gelnhausen: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 123.

 

 

Wanderung von Gelnhausen zum Hühnerhof:

Von der Autobahnabfahrt Gelnhausen-West fährt man zunächst auf der Freigerichter Straße in Richtung Stadt und über die Frankfurter Straße in die Parkstraße. An deren Ende nach links in den Herzbachweg und dann gleich wieder rechts in den Mühlbachweg an einem Park vorbei und recht in die Wilhelm-Schöffer-Straße. Vom dieser biegt man halblinks ab in den Buchenweg und dann die vierte Straße rechts in den Ulmenweg. Dieser führt auf die Straße „Am Schlößchen“, wo an der gleichnamigen Gaststätte der Ausgangspunkt der Wanderung ist.

Die Straße führt weiter in den Dürichweg, den man aber gleich wieder nach links verläßt in die Deutschordenstraße. Man kommt zu dem großen Steinbruch, den man auch von unten aus dem Kinzigtal sieht. Von dort geht es nach rechts wieder steil bergab. Wo rechts ein Baum mit Wanderzeichen ist geht es nach links. An der nächsten Gabelung bleibt man rechts und läuft in Richtung Haitz im Wald weiter. Man kommt auf die Straße „Am Geiersberg“, geht an dessen Ende etwas nach rechts und dann nach links in die Straße „Am Heiligen Krappen“.

Wieder kommt man an einem Steinbruch vorbei und an einer Vielzahl von alten Weinbergs­mauern (auch in Richtung Roth sind viele Weinbergsmauern)

An der Gabelung geht man rechts nach unten ins „Würgebachtal“. Nach einem kurzen Stück Forstweg geht es gleich wieder rechts ab. Links steht dann ein Gedenkstein für einen Förster. Nach rechts geht es dann runter zum Löschteich. Dahinter geht es links und langgezogen den Berg in Richtung Kuhruh hoch. Wenn man schon fast oben ist, geht man an dem Schild GVCR nach links und kommt zur Schutzhütte auf der Kuhruh (330 Meter hoch, nach anderen Angaben 350 Meter). Der Name muß wohl mit einem Rastplatz für die Kühe bei der Waldweide zu tun haben. Ein Teil der Schutzhütte sieht jedenfalls wie ein Rinderoffenstall aus. Rechts gegenüber ist ein Gedenkstein, der an 25 Jahre Waldpartei des Spielmanns- und Fanfarenzugs Roth erinnert.

Jenseits der Kuhruh behält man die Richtung bei. Nach einiger Zeit muß man aber rechts abbiegen mit den verschiedenen Wanderzeichen der grün-weißen Vögel. Allerdings kommt man schon nach wenigen Metern zu einer Gabelung, wo man links weitergeht mit dem grünen Zeichen „x“. Wenn man dann rechts einen Teich sieht, geht man an diesem links vorbei und dann halblinks hoch. Auf diesem Weg kommt man an den Rand des Golfplatzes am Hühnerhof. Hier könnte man schon links abbiegen auf den Rückweg. Es wird aber empfohlen, das Hofgut Hühnerhof zu besuchen.

 

Zuerst trifft man auf die offen Kapelle auf der linken Seite. Geradeaus sieht man die alten Gebäude des Hofguts. Wenn man rechts um das langgestreckte Hotel herum geht, kommt man zum Eingang der Gutsschänke in einem urigen Gewölbekeller.

Das Gut hieß Anfang des 18. Jahrhunderts „Neuer Hof“ und wurde 1739 als „Hof am Hühner­fluß“ beschrieben. Der Hof wird auch „Hoierhof“ genannt, von „Hoier“, das soviel bedeutet wie „hoher Rain“. In den Jahren 1840 - 1842 wurde das Wohnhaus vergrößert und die Hofgebäude erweitert. Zeitweise war das Gut Eigenbetrieb des Grafen von Meerholz und war früher viermal so groß wie jetzt. Die Verkleinerung der Wirtschaftsfläche wirkte sich katastrophal aus. Die Äcker trugen den notwendigen Unterhalt der Gebäude nicht mehr.

In fünf Jahrzehnten bis 1980 wechselten viermal die Eigentümer. Um 1980 kam der gebürtige Ingolstädter Walter Hecker nach einigen Zwischenstationen (unter anderem in Amerika) nach Gettenbach, wo er ein teilweise eingestürztes Ensemble vorfand, das kaum noch zu retten schien. Der gelernte Landwirt und Bäckersohn wagte es dann, den buchstäblich darnieder liegenden Hof aufzupäppeln. Günstig kaufte er die Anwesen, mißtrauisch und mitleidig beäugt von der Dorfbevölkerung, die sein Scheitern wie das seiner Vorgänger prophezeite und ihm heute um so größeres Lob für seine Aufbauleistung zollt.

Vier landwirtschaftliche Betriebe hat Hecker im Laufe seines arbeitsreichen Lebens hochgebracht und die Erlöse in das jeweils nächste Projekt gesteckt. So auch hier. Anfangs wurden die einsturzgefährdeten Teile mit alten Biberschwänzen gedeckt, die in den 60er und 70er Jahren von den Bauherren noch häufig weggeworfen wurden. Inzwischen sind sie wieder heiß begehrt. Ein Gebäude nach dem anderen wurde in Eigenleistung und zunächst mit einfachsten Mitteln saniert. In Absprache mit dem Denkmalschutz wurden ehemalige Lagerräume in Hotelzimmer verwandelt.

Daneben gibt es die inzwischen verpachtete Gutsschänke mit Restaurant im Gewölbekeller, in dem wegen seines ausgeglichenen Klimas ehemals Äpfel für den Verkauf an Frankfurter Keltereien aufbewahrt wurden. Hinzu kommen Wohnungen für das Personal, Speicher für die Anbauprodukte wie Weizen, Raps, Gerste und Zuckerrüben, eine alte Schnapsbrennerei mit hohem Ziegelschornstein, eine hauseigene Schlosserwerkstatt. Hier wird alles selbst repariert und fabriziert, vom Eßtisch bis zur Wohnzimmerlampe. So stammt die gesamte Einrichtung der gutbürgerlichen Gaststätte aus der komplett eingerichteten Schreinerei. Alles haben sich Hecker, seine Familie und die wenigen Helfer selbst erarbeitet. Sie trinken sogar ihren selbst erzeugten Apfelwein.

Als vorläufig letztes Projekt wurde hinter dem Wohnhaus eine kleine, öffentlich zugängliche Kapelle gebaut. Sie ist Dank an einen Schöpfer für das gelungene Werk. In der Kapelle steht der heilige Franz von Assisi, ebenso naturverbunden wie Walter Hecker. Die Bronzefigur hat er jedoch ausnahmsweise nicht selbst gegossen, sie stammt von einem befreundeten Künstler.

 

Bekannt ist der Hühnerhof wegen seines Golfplatzes. Eine lange Wartezeit gibt es nicht für das Neun‑Loch‑Areal. Jeder darf hier zu wirklich günstigen Preisen spielen oder es erlernen. Auf der teilweise überdachten „Driving Rauch“ können die ersten Schläge geübt werden. Das dazu notwendige „Eisen“ gibt es kostenlos. Nur für die Bälle, je 36 Stück, sind 2,50 Euro zu zahlen. Die werden im Übrigen später von einem eigens dafür konstruierten Fahrzeug eingesammelt.

Daneben liegt das Putting‑Green, wo sich für eine halbe Stunde lang gebührenfrei das Einlochen trainieren läßt, dann das sogenannte Chipping‑Green zur Annäherung an die Fahne, schließ­lich der eigentliche Profi‑Platz, der erst betreten werden darf, wenn der Neuling nicht mehr bei jedem Schlag den Rasen umgräbt und die Regeln gelernt hat. Auch für letzteres gibt es jeden Freitag einen kostenfreien Lehrabend. Bezahlen muß man zunächst nur für den australischen Trainer, so ihn der Anfänger in Anspruch nimmt.

Die Anlage erfreut sich großer Beliebtheit. Schon am Morgen tummeln sich etwa ein Dutzend mehr oder weniger erfahrene Golfer auf dem Gelände. Manche kommen von weither, weil es frei zugängliche Platze dieser Art nur ganz wenige in Deutschland gibt. Ein eigener Club existiert noch nicht. Da er jedoch die Voraussetzung ist, weltweit auf jedem Grün spielen zu dürfen, will Besitzer Walter Hecker demnächst zweigleisig fahren. Weiterhin soll aber jeder hierher kommen können: „Das ist mir lieber als eine elitäre Kundschaft.“ Außerdem baut der 60‑Jährige zusätzlich gerade einen Minigolf‑Parcours und eine Kneipp-Anlage, um den Hühnerhof für Besucher noch attraktiver zu machen Ein kleines Freizeitzentrum für jeden Geldbeutel soll hier entstehen.

 

Vom Hühnerhof aus geht man wieder ein Stück zurück bis zu dem oberen Teich am Golfplatz und dort rechts. An der Kreuzung geht man geradeaus mit den grün-weißen Wanderzeichen Am Waldrand entlang hat man eine schöne Aussicht auf das Kinzigtal. And er nächsten Kreuzung geht es aber links hoch in einen Hohlweg (mit dem Schild „Privatweg“). Nach dem ersten Anstieg folgt man dem Wanderzeichen Wildschwein nach rechts (man könnte allerdings an der Kreuzung auch geradeaus gehen).

Bei dem Übungsplatz des Hundevereins geht es auf dem Jakobsweg links hoch, an dem Bienenverein vorbei. An der nächsten Gabelung geht es rechts weiter mit dem Wanderzeichen „5“ (nicht nach links). Wenn man aus dem Wald kommt, stößt man auf die Photovoltaik­anlage des Kreises, an der man rechts vorbei geht.

Geradeaus im Wald sieht man schon die Gelnhäuser Warte. Diese war ein Beobachtungs- und Signalturm oberhalb der Handelsstraße Frankfurt-Leipzig, sozusagen ein Vorposten des Röther Tores. Der Wald war natürlich noch nicht vorhanden, so daß man weit ins Kinzigtal sehen konnte. Hinter der Warte geht man rechts herum auf den ursprünglichen Weg. Unten geht man weiter auf den Wegen „5“ und „6“, die im großen Bogen um die ehemaligen Kasernen herumführen. Man kommt auf den Herzbachweg, von dem man links abbiegt auf die Grimmelshausenstraße, die nach einem Links-Rechts-Knick auf die Wilhelm-Schöffer-Straße führt. Von der geht nach links der Buchenweg ab, der wiederum nach rechts zum Ulmenweg führt.

 

 

 

 

 

Gründau  - Lieblos

 

G ründau - Lieblos

Zwischen Kinzig und Büdinger Wald liegt die Gemeinde Gründau. Durch den Zusammenschluß der Dörfer Lieblos, Rothenbergen, Niedergründau, Mittel-Gründau, Hain-Gründau, Breitenborn und Gettenbach wurde sie im Zuge der Gebietsreform gebildet. Heute leben in Gründau 14.500 Menschen. Wiesentäler, lichte Waldungen im südlichen Teil der Gründauer Gemarkung und tiefe Wälder nördlich von Breitenborn und Gettenbach machen den landschaftlichen Reiz der Gemeinde aus. Verbunden mit gut ausgebauten Wegen abseits stark befahrener Straßen findet der Gast hier beste Voraussetzungen für erholsame Stunden. Speziell für Wanderer wurden in der Gemeinde Rundwanderwege verschiedener Längen ausgeschildert. Einer davon führt zum Wildgehege im idyllisch gelegenen Ortsteil Gettenbach. Für weitere Freizeitaktivitäten steht seit kurzem am Gut Hühnerhof in Gettenbach der erste öffentliche Golfplatz Hessens zur Verfügung (siehe Wächtersbach Kulturwege).

 

Um 725

Bau der ersten (Holz‑) Kirche auf dem Kirchberg bei Niedergründau

1173

Ersterwähnung von Lieblos als „Libelas“

1217

Ersterwähnung von Niedergründau als „Grinda“

1217

Ersterwähnung der Bergkirche am 15. August 1217

1219

Ersterwähnung von Mittelgründau als „Grinda media“

1220

Ersterwähnung von Rothenbergen als „Rodinberch“

1252

Ersterwähnung von Gettenbach

1268

Ersterwähnung von Haingründau als „Grindaha in Hayn“

1592

Großbrand in Rothenbergen; mehr als die Hälfte der Anwesen brennt nieder

1613

Bau der Neuen Herberge bei Lieblos

Um 1634 

Zerstörung des Dorfes Haingründau samt seiner Kirche im Dreißigjährigen Krieg, später Wiederaufbau des Dorfes rechts der Gründau

Um 1700 

Verlegung des Gerichtssitzes in die Neue Herberge bei Lieblos

1813

Napoleon hält sich am 29. Oktober 1813 im Gasthaus Faß in Rothenbergen auf

1816 

Das Fürstentum Ysenburg wird auf dem Wiener Kongreß geteilt: Das Gericht Gründau kommt zu Hessen‑Kassel, die Orte Mittelgründau und Haingründau kommen zu Hessen‑Darmstadt

1825

Gründung einer jüdischen Schule in Lieblos

1830

Bauernrevolte in den Gründauer Dörfern

1840

Einweihung der heutigen Bergkirche

1870

Eröffnung der Bahnstrecke Nidda‑Gelnhausen (Mittelgründau und Lieblos / Roth).

1889 

Beginn des Basaltabbaus in Breitenborn

1935

Kriegsvorbereitungen; Bau einer auch Gründau berührenden Bunkerlinie vom Main bis zur Wetterau, Landung des ersten Flugzeugs auf dem Flugplatz Rothenbergen

1949

1. April: Aufbau der WIBAU in Rothenbergen

1951

Eröffnung der Freilichtbühne auf dem Herzberg bei Lieblos

1953

Einweihung einer neuen Schule in Lieblos

1953

Einweihung des Schwimmbades in Breitenborn

1963

Bau der katholischen Christkönigskirche bei Niedergründau (bis 1965)

1963

Bau der Mittelpunktschule Rothenbergen/Niedergründau (bis 1964).

1968

Gründung der Firma Möbel‑Walther in Lieblos

1972

Gemeinde‑Gebietsreform, Zusammenschluß von Breitenborn, Gettenbach,

Haingründau, Lieblos, Mittel‑Gründau, Niedergründau und Rothenbergen

1982

Autobahnanschlüsse Rothenbergen und Lieblos

1986

Bau des Bürgerzentrums (mit Rathaus) in Lieblos

seit 1973

Bau von fünf Kindergärten, Mehrzweckhallen, Gemeinschaftshäusern und

Sportanlagen

 

 

Rothenbergen:

Zahlreiche frühgeschichtliche Spuren wurden auf der westlichen Gemarkung Rothenbergens entdeckt. Die erste urkundliche Erwähnung aus dem Mittelalter findet sich in einem Güterverzeichnis das ungefähr auf das Jahr 1215 datiert werden kann. Rothenbergen wird in dieser Urkunde „Rodinberch“ genannt. Der königliche Hof „Rodinberch“ schützte im frühen Mittelalter

vermutlich die Auffahrt auf die Kinzigstraße, die bis 1810 hauptsächlich über den Höhenweg nach Langenselbold führte, und stellte für die Steigung den Vorspann. Zu dieser Zeit gruppierten sich die Bauernanwesen noch um den mittelalterlichen Dorfmittelpunkt „Schieversteiner Hof“. Den stärksten Einfluss auf die Dorfentwicklung hatte die Straße von Frankfurt nach Leipzig.

Während des Mittelalters veränderte sich die Straßenführung. Um die Strecke zu verkürzen, bogen die Reisenden westlich vom Galgenberg nach Rothenbergen ins Tal ab. Seit dieser Zeit führte eine der wichtigsten Straßen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation durch das Dorf.

Außer Transport-, Nachrichten- und Reiseweg war die Reichsstraße auch Pilgerweg von Fulda nach Santiago de Compostela. Seit 2011 wird hier wieder gepilgert. Der Weg ist markiert und ein Pilgertreff am Mehrgenerationenhaus

Zahlreiche weltliche und geistliche Herren hatten in Rothenbergen Besitzungen. So besaß

das Kloster Meerholz dort, wo sich heute die Volks- und Raiffeisenbank befindet, einen Hof mit weiten Ländereien. Über die Königs-, Reichs- und später Bundesstraße hat sich Kulturgeschichte bewegt: Kaufleute, Reisende, Soldaten, bedeutende Persönlichkeiten wie Friedrich Barbarossa, Grimmelshausen, Goethe und Napoleon kamen durch den Ort. Christiane Vulpius, Goethes Frau, hatte 1797 in Rothenbergen einen unfreiwilligen Aufenthalt.

Rothenbergen bildete mit Niedergründau, Lieblos, Roth, Mittelgründau sowie den Wüstungen Rodenborn und Meynengesäß das 1260 erstmals erwähnte Gericht Gründau. Es gehörte zur Reichsburg Gelnhausen. Seit 1436 war es Teil der Isenburgischen Herrschaft. Sein Zentrum lag auf dem schon in keltischer bzw. germanischer Zeit als heiliger Ort genutzten Schieferberg, wo heute die Bergkirche steht. Dort fällte der Centgraf mit den Schöffen Urteile bei Streitigkeiten

und Strafsachen. Die Todesurteile wurden bis ungefähr 1800 als Machtdemonstration und Warnung auf dem Rothenberger Galgen vollstreckt, der an der Kinzigstraße lag.

Die Grafen von Isenburg führten 1542 als Herren des Gerichts Gründau die Reformation ein und damit wurde Rothenbergen evangelisch. Die erstmals 1217 erwähnte Bergkirche in Niedergründau war die einzige Kirche des Gerichts und ist heute noch das zentrale Gotteshaus der evangelischen Kirchengemeinde „Auf dem Berg“. Über Jahrhunderte blieb Rothenbergen ein evangelisches Dorf. Eine jüdische Gemeinde ist nicht nachgewiesen. Durch Flucht und Vertreibung in den vierziger Jahren kamen katholische Christen in den Ort. Seit 1965 haben sie in der „Christ-Königs-Kirche“ ihr Domizil.

Während und nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte sich die Einwohnerzahl durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen um ein Drittel auf 1.266 im Jahre 1946. Die Gründung der Firma WIBAU auf dem ehemaligen Flugplatzgelände leitete den Wandel zur Arbeitnehmergemeinde ein. Eine gut ausgebaute Infrastruktur, zahlreiche moderne öffentliche und kirchliche Einrichtungen sowie ein intensives Vereinsleben bildeten in den fünfziger und sechziger Jahren die Grundlage für ein blühendes Gemeinwesen.

Zum 1. August 1972 wurde Rothenbergen per Gesetz Teil der neuen Gemeinde Gründau. Durch seine Nähe zum Ballungsraum Rhein-Main und den Naherholungsgebieten der Umgebung zieht der heute bevölkerungsreichste Gründauer Ortsteil mit 3.881 Einwohnern (2012) in den letzten Jahrzehnten viele Neubürger an

 

Rundgang:

Der europäische Kulturweg schlägt je einen Rundweg durch Rothenbergen (sechs Kilometer, 50 Meter Höhenunterschied) und Niedergründau vor. Diesen wird hier jedoch nur teilweise gefolgt. Vorgeschlagen wird ein Gang durch beide Ortsteile, beginnend bei der alten Schule. Die Zahlen beziehen sich jedoch auf die Tafeln am Kulturweg.

 

(5) Schule:

Von der Autobahnabfahrt fährt man wieder nach Norden unter der Autobahn hindurch in die Alte Dorfstraße, die auf die Schulstraße führt, in der im Westen die alte Schule stand. Die erste nachgewiesene Schule Rothenbergens, die sogar über ein Glockentürmchen verfügte, stand in der Frankfurter Straße 44. Ihr berühmtester Schüler war Leopold Peter Anton Jakob Calaminus (1808-1866), der Hauslehrer des Erbgrafen von Ysenburg-Wächters­bach, Pfarrer in Wächtersbach und Hanau und ein bedeutender Heimatforscher wurde.

Im Jahre 1888 zog die Schule in das Haus Frankfurter Straße 41 um. Bei ungefähr 800 Einwohnern gab es damals bis zu 150 Kinder, die in drei Klassen von zwei Lehrern unterrichtet wurden

Da das Schulgebäude bald zu klein geworden war, baute die Gemeinde ein neues, 1912 eingeweihtes Schulhaus in der Schulstraße 3 („Wasserfallsheeg“) mit drei Klassenräumen für jeweils 70 Kinder und zwei Wohnungen für Lehrer. Auch die immer noch intakte Schulglocke aus dem Jahre 1854 fand hier ihren Platz.

Als in den folgenden Jahren die Schülerzahl wegen des Ersten Weltkrieges und der wirtschaftlich schlechten Lage während der Weimarer Republik auf 87 absank, wurde eine der drei Klassen aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte sich die Schülerzahl so sehr, dass das vorhandene Schulgebäude im Jahre 1954 erweitert werden musste

Zu Beginn der sechziger Jahre platzten in Rothenbergen und im benachbarten Niedergründau die beiden Dorfschulhäuser aus allen Nähten und so bot sich ein gemeinsamer Neubau an. Von 1963 bis1964 ließen die beiden Gemeinden mit Unterstützung des Kreises Gelnhausen und des Landes Hessen in der Niedergründauer Straße 17 eine Mittelpunktschule als Grund- und Hauptschule bauen. Es entstand eine moderne und großzügige Anlage mit zwölf Klassenräumen, Lehrküche, Werkraum und Naturkunderaum. Die Schule verfügte über eine Aula, Verwaltungsräume und eine Turnhalle. Seit 1992 ist die räumlich erweiterte Schule Grund-, Haupt- und Realschule des Main-Kinzig-Kreises und trägt nun den Namen von Anton Calaminus.

Zwischenzeitlich errichtete die Gemeinde Gründau auf dem Schulgelände eine Dreifelder-

Sporthalle. Hier entstand 2003 das Mehrgenerationenhaus „Anton“. Es ist eine offene Begegnungsstätte und bietet vielfältige Angebote.

 

(6) Von der Schulstraße geht es nach rechts in die Niedergründauer Straße und dann nach links in die Frankfurter Straße. In Friedenszeiten ermöglichte die Straße Wohlstand für die Vorspannbauern und Gastwirte. In Kriegszeiten brachte sie Not und Zerstörung für alle Bewohner, besonders im Dreißigjährigen Krieg (1618-48) und zur Zeit Napoleons (1799-1815). Deshalb stammen die Fachwerkhäuser des Dorfes frühestens aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Bis in die dreißiger Jahre muss der Zustand der Durchgangsstraße mehr schlecht als recht gewesen sein. Zwar wurde seit 1810 die Kinzigstraße am Rande des Tales nach Langenselbold geführt, aber die Ortsdurchfahrt blieb eng und der Straßenbelag war nicht befestigt.

Wegen der Kurven kam es in dieser Hauptstraße durch Rothenbergen oft zu Unfällen. Die enge Ortsdurchfahrt war für den seit den sechziger Jahren stark gewachsenen Kraftfahrzeugverkehr sehr beschwerlich. Weit bekannt war das Nadelöhr „scharfe Kurve“ an der Frankfurter Straße 47.

Zebrastreifen oder Verkehrsampeln Richtete man erst ein, nachdem Menschen bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt oder getötet worden waren. Im Jahre 1967 wurde hier ein Schnell-Einsatz-Zug mit zwei Krankenwagen und einem Gerätewagen stationiert, weil der Ort sich zum Unfallschwerpunkt entwickelt hatte. Finanziert wurde er vom Hessischen Innenminister und vom Rothenberger Roten Kreuz personell besetzt. Lange kämpften die Rothenberger für eine

Umgehungsstraße.

Die Straße, an der sich viele Geschäfte, Gastwirtschaften, ein Hotel und zwei Tankstellen befanden teilte das Dorf in zwei Hälften und ihre Überquerung geschah häufig unter Lebensgefahr. Der mit dem Verkehrsaufkommen verbundene Lärm war unerträglich. Mit der Einrichtung der Bundesautobahn 66, die den Durchgangsverkehr um den Ort leitet, wurde die Verkehrssituation verbessert.

In der Frankfurter Straße 27 steht derr ehemalige Meerholzer Klosterhof. Er war bis 1997 Gaststätte und ist heute Volks- und Raiffeisenbank. In der Frankfurter Straße 41 steht der Schieversteiner Hof“, heute Landgasthof „Zum Bogen“. Hier befanden sich Herrnhaus, Backhaus, Vorratshäuser und eine Herberge. In der Frankfurter Straße 44 war die erste Schule, in der Frankfurter Straße 41 die zweite Schule.

 

(7) Industriepark:

Im Osten der Frankfurter Straße biegt nach rechts die Wibaustraße ab, die zum heutigen Industriepark südlich der Jahnstraße führt. Hier entstand im Zuge der nationalsozialistischen Kriegsvorbereitungen von 1935 bis 1937 am Rand Rothenbergens ein Fliegerhorst als Ausbildungsstelle mit 100 Soldaten und 250 Zivilangestellten. Dafür mussten Bauern ihr Land eintauschen, wurde Wiesengelände trockengelegt, die Kinzig begradigt und ein Damm gegen Überschwemmungen aufgeschüttet. Aus Tarnungsgründen entstanden die Gebäude im ortsüblichen Fachwerkstil. Nach außen galt die Anlage als „Deutsche Verkehrsfliegerschule“. Der Bau eines Militärflugplatzes verstieß gegen den Versailler Friedensvertrag von 1919, in dem das Verbot einer Luftwaffe festgeschrieben war. Ein Luftbild der vierziger Jahre zeigt die im Vergleich zum Dorf riesigen Ausmaße des Flugplatzes.

Der Bau eines Militärflugplatzes veränderte das bäuerlich geprägte Alltagsleben. Die Einwohnerzahl stieg, es entstanden Arbeitsplätze, Soldaten prägten das Ortsbild. Aber aus dem Bauerndorf an des Reiches Straße wurde ein militärisches Ziel im Zweiten Weltkrieg. Kurz bevor die Amerikaner am 30. März 1945 Rothenbergen vom Nationalsozialismus befreiten, sprengten deutsche Soldaten den größten Teil der Militäreinrichtungen. Die Spuren der Militäranlage sind heute jedoch noch unübersehbar: Gebäude, Bunkerreste, die Ausweichbefehlsstelle als Bunkerstollen am Westrand des Ortes, Wohnblöcke in der Fuldaer-Straße.

Die Amerikaner richteten auf dem ehemaligen Flugplatzgelände nach dem Krieg zunächst ein Materiallager ein. Dieses ging 1947 in die „Staatliche Erfassungs-Gesellschaft für öffentliches Gut (StEG) über, die Abwicklungseinrichtung der ehemaligen deutschen Wehrmacht. Ilm Jahre 1949 gründete Karl Heinrich Matthias auf dem Gelände die Firma WIBAU (Westdeutsche Industrie- und Straßenbaumaschinen). Sie stellte mit bis zu 1.400 Mitarbeitern in Rothenbergen und Steinau Straßenbaumaschinen her, die in die ganze Welt verkauft wurden.

Im Jahre 1950 siedelte sich die Firma Bauerhin zunächst als Heizdeckenproduzent an, dann als Zulieferer für die Automobilindustrie mit heute 550 Mitarbeitern (2012). Über drei Jahrzehnte sollten WIBAU und Bauerhin den Industriestandort Rothenbergen prägen und als Steuerzahler der Ursprung für den Reichtum der Gemeinde Rothenbergen sein. Im Jahre 1983 ging die WIBAU in Konkurs. Auf dem Gelände wurde ein Industriepark gegründet.

Neben den beiden Industrieunternehmen entstand seit 1950 auf dem ehemaligen Flugplatzgelände mit Unterstützung der „Nassauischen Siedlungsgemeinschaft“ ein Wohngebiet für Alt- und Neubürger, so wurden die Flüchtlinge und Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges genannt. Die Grundstücke waren etwa 800 Quadratmeter groß und die immer gleichen Siedlungshäuser maßen 65 Quadratmeter in der Grundfläche und hatten zwei Wohnungen.

Westlich der Jahnstraße in der Rohrstraße weihte die Evangelische Kirchengemeinde 1967 ein Gemeindezentrum ein. Sie wollte den Gottesdienstbesuchern den Weg zur Bergkirche ersparen und Räume für Aktivitäten kirchlicher Gruppen schaffen.

 

(1) Methodistische Kirche (Drei-Kirchen-Blick)

Wieder zurück auf der Frankfurter Straße geht nach Norden die Kirchbergstraße ab. An ihrem nördlichen Ende steht die Evangelisch-Methodistische Friedenskirche von 1967-1969 (Kirch­bergstraße 8-10). Nach Streitigkeiten zwischen dem evangelischen Pfarrer und zahlreichen Rothenberger Gemeindemitgliedern gründete sich 1911 eine methodistische Gemeinde, die im Folgejahr ihre Kapelle einweihte.

Da der Methodismus in England seine Wurzeln hat und der Kampf gegen den Alkohol dort betont wurde, leitet sich der Spitzname „Teesöffer“ für die Einwohner  Rothenbergens vom englischen „tea totaler“ für Antialkoholiker ab.

Als die Kapelle der Methodistengemeinde zu klein und der Holzbau mit den Jahren baufällig geworden war, errichtete man zwischen 1967 und 1969 in der Kirchbergstraße die Friedenskirche. Hier hat man den „Drei-Kirchenblick“, denn von hier sind noch zwei weitere Kirchen zu sehen: Die katholische Christ-Königs-Kirche von 1964 (Niedergründauer Straße 20) und die evangelische Bergkirche – die älteste Kirche der Umgebung.

Auf der Kirchbergstraße geht man noch ein Stück nach oben und dann im spitzen Winkel nach links zur Bergkirche. Diese wird dann unter Niedergründau besprochen. Mit dem Auto muß man wieder die Kirchbergstraße nach Süden fahren und nach rechts durch die Schillerstraße zur Niedergründauer Straße. Der Kulturweg schlägt dann vor, nach Westen in den Schneidweg zu gehen und diesen dann in der Verlängerung immer weiter um den Galgenberg herum (der aber auf der Karte „Hühnerberg“ heißt). Diesen Weg kann man nur zu Fuß oder mit dem Rad machen. Aber man kann erwägen, ob man ihn einbezieht, zumal außer der Aussicht nicht mehr viel zu sehen ist (man würde sich dann nur auf den Rundweg Rothenbergen beschränken und am besten die ganze Tour zu Fuß oder mit dem Rad machen). Nördlich des Galgenbergs hat man einen zweimaligem Panoramablick mit zwei Panoramatafeln.

 

(2) Panoramablick 1 nach Osten:

Der Blick vom Galgenberg nach Osten ist auf Niedergründau und die Bergkirche gerichtet. Im Hintergrund liegt der Büdinger Wald. Von dieser Stelle hat sich über Jahrhunderte Reisenden und Kaufleuten, die von Frankfurt in Richtung Leipzig unterwegs waren, der gleiche Anblick auf den Büdinger Wald und das Kinzigtal geboten. Um den sumpfigen Untergrund an der Kinzig zu meiden, fuhr, ritt oder lief man von Langenselbold über den Galgenberg, dann unterhalb der Bergkirche über Lieblos nach Gelnhausen.

 

(3) Panoramablick 2 nach Süden:

Der Blick reicht vom Galgenberg weit nach Süden über das Kinzigtal in den Spessart und wird vom Höhenkamm des alten Verkehrsweges Birkenhainer Straße begrenzt (gleichzeitig die Grenze zwischen Hessen und Bayern). Rothenbergen ist Teil des Ronneburger Hügellandes. Der Boden besteht aus Löss, Grundlage einer ertragreichen Landwirtschaft. Wertvolle Biotope der Landschaft sind kleine Gehölze, Streuobstwiesen und naturnahe Fließgewässer mit angrenzenden Feuchtbiotopen. An verschiedenen Stellen finden sich dort auch wildwachsende Orchideen Auf biologischer Seite finden wir an dieser Stelle ein Mischwäldchen aus Kornelkirsche und Apfel. Die Kornelkirsche, ein Hartriegelgewächs, ist eine typische Pflanze der nördlichen Hemisphäre und die zweithäufigste der drei in Deutschland vorkommenden Kirscharten.

Der (Kultur-)Apfel verdrängt immer mehr den ursprünglichen Wildapfel, dessen Holz schon in prähistorischer Zeit zum Haus- und Zaunbau verwendet wurde. Auf der anderen Seite findet man Felder und Wiesen, die einen Tummelplatz für Rehe, Wildkaninchen und Feldhasen

darstellen. Vögel wie der Mäusebussard oder die Gartengrasmücke nutzen die Pfosten als Aussichtspunkte bei der Futtersuche.

Die Landwirtschaft bildete früher die Grundlage für die Ernährung der Bevölkerung – auf dem Galgenberg wird heute noch Ackerbau betrieben.  Die geringe Waldfläche der Gemarkung besteht hauptsächlich aus Buchen. Der eigentliche Rothenberger Wald, der den Ort in früherer Zeit mit Bau- und Feuerholz versorgte, liegt im Bereich des heutigen Gelnhäuser Stadtteils Roth und wird „Oberwald“ genannt.

Seit 1998 verbessert die „Hegemeinschaft Gründau“ -  die Vereinigung der Jäger -  die Biotope. Sie hält Flächen bereit, wohin sich die wildlebenden Tiere zurückziehen können. Verstreut auf dem gesamten Landschaftsgebiet werden Feldgehölze angelegt und Äsungsflächen geschaffen, wo sich das Wild ernähren kann. Hier leben Rehwild, Hasen, Kaninchen, Füchse, Marder, Waschbären, Wildschweine, Fasanen und Wildenten.

 

(4) Weiße ‚Steinkaute:

An einem Weg, der spitz nach links abbiegt, geht man ein Stück weiter und dann gleich rechts zur „Weißen Steinkaute“. Als Johann Wolfgang Goethe im Herbst 1765 auf seiner Reise nach Leipzig die Weiße Steinkaute passierte, erlebte er etwas Seltsames:  In „Dichtung und Wahrheit“ schildert er: „Wir fuhren nämlich zwischen Hanau und Gelnhausen bei Nachtzeit eine Anhöhe hinauf und wollten, ob es gleich finster war, doch lieber zu Fuß gehen, als uns der Gefahr und Beschwerlichkeit dieser Wegstrecke aussetzen. Auf einmal sah ich an der rechten Seite des Wegs in einer Tiefe eine Art von wundersam erleuchtetem Amphitheater. Es blinkten nämlich in einem trichterförmigen Raume unzählige Lichtchen stufenweise übereinander und leuchteten so lebhaft, dass das Auge davon geblendet wurde. Was aber den Blick noch mehr verwirrte, war, dass sie nicht etwa still saßen, sondern hin und wider hüpften, sowohl von oben nach

unten als umgekehrt und nach allen Seiten. ... Auf Befragen wollte der Postillion zwar von einer solchen Erscheinung nichts wissen, sagte aber, dass in der Nähe sich ein alter Steinbruch befinde, dessen mittlere Vertiefung mit Wasser angefüllt sei“.

Goethe konnte das ihm dargebotene Schauspiel nicht erklären. Die von ihm beschriebene Anhöhe ist die Rothenberger „Weiße Steinkaute“. Bei Goethes Beobachtung handelt es sich um Methangas, welches sich als Sumpfgas aus unter Luftabschluss verwesten organischen Stoffen

entwickelt. Sobald es an die Luft kommt, verbrennt es mit bläulicher Flamme.

Unterhalb der „Weißen Steinkaute“ zum Tal der Kinzig hin befand sich5000 vCh. auf einem geschützten Südhang in den Fluren „Scheiblingsgraben“ und „Auf der Bäune“ eine jungsteinzeitliche Siedlung. Die Bewohner bezeichnet man nach der Form ihrer Töpferwaren als „Bandkeramiker“. Die dort von Archäologen geborgenen Funde werden im Gründauer Heimatmuseum in Niedergründau ausgestellt. Auch keltische Überreste fanden sich in Rothenbergen wie eine Gewandnadel oder der Teil eines Glasarmreifs, zu dem es nahezu identische Fundstücke aus dem Gräberfeld von Alzenau-Hörstein gibt. Aus der Gemarkung Steinkaute stammt ein Goethit – das Mineral, das nach seiner Entdeckung im Jahre 1806 nach Goethe benannt wurde, der selbst Mineraliensammler war.

Der „Wellesborn“ am Fuß des Südhangs direkt an der Autobahn ist eine alte Wasserstelle. Wahrscheinlich wurde sie schon von den Bandkeramikern genutzt. Die Absenkung des Grundwassers durch die Drainageanlage auf den Äckern hat den Brunnen im 20. Jahrhundert versiegen lassen. Seit 1810 führte an dieser Stelle die Frankfurt-Leipziger-Straße vorbei. Zwischen der katholischen Christ-Königs-Kirche und der Weißen Steinkaute verläuft der Abschnitt Frankfurt-Fulda einer Route des Jakobsweges. Um den Wellesborn feierten die Menschen der Umgebung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts jedes Jahr das „Kirschblütenfest“, denn die Reichsstraße säumten von 1857 bis 1938 zahlreiche Kirschbäume.

 Dann geht es unterhalb des Galgenbergs wieder nach Osten ins Dorf.

 

  

Niedergründau:

Der Charakter Niedergründaus (eigentlich „Gründau auf dem Berg“) bildete sich aus zwei entgegengesetzten Enden: Zum einen wird das Dorf von der 1217 erstmals erwähnten Bergkirche überragt, zu der eine Kirchengemeinde und ein Gerichtsbezirk gehörte – Niedergründau war also zentraler Ort. Zum anderen wurden die Bewohner stark durch die Landwirtschaft geprägt, die auf den fruchtbaren Feldern des Ronneburger Hügellandes prächtig gedieh. Beide Schwerpunkte sind heute noch erkennbar: Die Bergkirche als eine Station des Jakobsweges zwischen Fulda und Frankfurt - sowie der Friedrichshof als letzter großer landwirtschaftlicher Betrieb im Dorf (Aussiedlerhof in der verlängerten Untergasse).

Das Gericht Gründau stand im späten Mittelalter im Spannungsfeld zwischen den Grafen von Hanau, dem Kloster Selbold, dem Erzbischof von Mainz, der Stadt Gelnhausen und den Grafen von Isenburg, denen es 1424 endgültig gelang, Niedergründau an sich zu ziehen. Im Jahre 1816 kam Niedergründau zu Hessen-Kassel, 1866 wurde es preußisch und 1945 hessisch. Pfingstmontag 1971 wurde Niedergründau freiwillig Teil der neuen Gemeinde Gründau.

In dem stark landwirtschaftlich geprägten Umfeld spielte im Dorf der Landhandel eine große Rolle, sichtbar an der früheren Vielzahl der Geschäfte in der Obergasse sowie an der Firma Landhandel Rückriegel.

 

Rundgang:

(5) Bergkirche:

Die evangelische Bergkirche in der Schieferbergstraße 53 ist die zentrale Kirche der evangelischen Kirchengemeinde „Auf dem Berg“. Das Kirchspiel deckte sich mit dem alten freien Gericht Gründau. Bis 1648 waren dies außer Gründau die Gemeinde Roth, Lieblos, Rothenbergen, Niedergründau, Rotenborn, Alt-Mittelgründau, zeitweise gehörte auch Haitz dazu. Rotenborn und Alt-Mittel­gründau gingen ein und an der Stelle der Wüstungen Salmansgesäß und Husenbach wurde 1648 das heutige Mittelgründau errichtet. Heute gehören zum Kirchspiel die Dörfer Gettenbach, Lieblos, Mittelgründau, Niedergründau, Roth, Rothenbergen und seit 1977 Hain-Gründau gehören.

Im Jahre 1217 wird die Kirche erstmals erwähnt. Der älteste Teil ist heute der 1556/1657 erbaute etwa 33 Meter hohe Turm Der hochaufragende Turm krönt den Bergrücken bei Niedergründau. Daneben stehen das Pfarrhaus und das alte Gerichtsschulgebäude.

Die ursprünglich dem Heiligen Petrus geweihte Kirche stellt einen der ältesten Siedlungspunkte im unteren Kinzigtal dar. Südlich der Kinzig entstanden durch die Tätigkeit Kilians entlang der alten Birkenhainer Straße um 690 die Martinskirchen in Haßlau, Bieber, Orb und Oberndorf. Am alten Lauf der Kinzigstraße aber gründete man Peterskirchen in Selbold, Gründau und Gelnhausen. Die Peterskirche „Auf dem Berg“ bestand im Mittelalter seit etwa 760 in einer einfachen Urform. Sie stand wahr­scheinlich weiter westlich, da unter einem Nebengebäude des alten Pfarrhofes (heute Gemeindehaus) noch ein Keller mit Nischen vorhanden ist, der unter der alten Kirche oder dem ältesten Turm als Krypta gedient haben kann.

Graf Dietmar von Selbold - der sich auch „von Gelnhausen“ nannte und ein geborener Graf von Hardeck war - gründet 1108 bei Selbold ein Klosterstift, das er reich mit Grundbesitz ausstattete. Er schenkte um 1158 die Parochialkirche mit allem Zubehör dem Prämonstratenser-Chor­herren­stift in Selbold. Eine seiner Erbinnen, die Gräfin Gisela, gründete die Bergkirche neu. Nach allgemeiner Annahme ließ sie den mittelalterlichen Bau errichten, der bis 1556 bestand und einen gotischen Turm hatte.

Dem Kloster Selbold ging das Patronat allerdings zeitweise wieder verloren, als Stauferkaiser Friedrich I. um 1170 die verschleuderten Reichsgüter in der Gegend wieder an sich zog. Doch 1217 gelang es dem Selbolder Klosterpropst Werner auf einem Kaisertag in Fulda, den Kaiser Friedrich II. von der Rechtmäßigkeit der Schenkung der Gräfin Gisela zu überzeugen, so daß ihm der Besitz der Bergkirche wieder in zwei Kaiserurkunden zugesichert und in weiteren Urkunden vom Erzbistum Mainz wie auch vom Papst bestätigt wurde. Dies ist das Datum der

Ersterwähnung.

Der damalige Inhaber, der Weltpriester Wigand, bleib nach bis 1230 im Besitz der Pfründe. Doch von da an finden sich nur Konventualen des Klosterstifts als Leutpriester und Hilfsgeistliche „Auf dem Berg“. Dies waren unter anderem 1262 Konventsbruder Ulrich, Pfarrer Gerlach von Buchen 1353, Pfarrer Hartman von Rückingen 1357 - 1366, Wilhelm Brunsack 1446 und Johannes von Breitenbach 1469 - 1477.

Bei der Auflösung des Klosters Selbold in der Reformationszeit 1543 fiel auch die Bergkirche mit ihrem Besitz wieder an die Erben der Stifterfamilie, die Grafen von Ysenburg, zurück. Der letzte Konventsbruder auf der Gründauer Pfarrstelle, Nikolaus Müller (Molitor), hat offenbar wie seine Klosterbrüder die Bekenntniswandlung mitgemacht. Er bat aber 1549 um seine Ver­abschiedung, weil er wegen des „Interims“ nicht mehr öffentlich predigen wollte. Seine Witwe Luisa Millerin erhielt bei seinem Tode 1559 eine Versorgung.

Der völlige Umbau war 1556 / 1557 durch den starken Verfall von Kirche und Turm notwendig geworden. Da der Herrschaft Ysenburg nun die Pfarrstellenbesetzung zufiel, sorgte sie auch für die Wiederherstellung der Kirche. Nach den erhaltenen Baurechnungen verzehrte Meister Kaspar von Büdingen und andere Baumeister 16 Kronen, als er 1556 „die Visierung überantwortet und die Höhe des Turms gemessen“. Den Umbau besorgte Meister Hans von Laubach mit fünf Knechten, und die Zimmerarbeiten machte Meister Hans Bricker.

Der Turm wurde vom 28. August 1556 bis zum 15. Oktober 1557 erbaut. Am 15. Oktober 1557 wurde der Knopf auf den Turm gesetzt. Die Gesamtkosten betrugen 145 Gulden 23 Kreuzer. Die Bauleute ließen von dem romanischen Bau nur das Schiff bestehen, das noch ein kleines abgeschrägtes Rundbogenfenster an der Nordseite zeigte. Auch die angebaute Sakristei besaß ein gleiches Rundbogenfenster. Im Übrigen beherrschte der Spitzbogen an Türen, Fenstern und Gewölben vor. Ein Modell von 1863 wird im Pfarrhaus aufbewahrt.

Die älteste und größte Glocke ist von 1509. Sie trägt in scharf gegossenen Neumajuskeln die Inschrift: „Osanna heiß ich, Meister Hans czw Franckfort gos mich MDIX“. Die anderen Glocken gingen in den Kriegen von 1618 bis zu den Weltkriegen verloren.

Dier nachmittelalterliche gotische Kirchenbau hat trotz seiner abgelegenen Lage im Dreißigjährigen Krieg sehr gelitten, so daß 1651 eine völlig neue Inneneinrichtung wie neues Gestühl, Emporen und Kanzel fällig waren. Dach und Turm mußten wiederholt ausgebessert werden. Die letzte größere Reparatur der Kirche und des Pfarrhauses erfolgte 1808.

 

Den vierten, heutigen Kirchenbau erstellten 1834 – 1838 (1840) die Gemeinden des Kirchspiels im klassizistischen Stil. Für die zahlreichen Gemeindeglieder wurde für einen Akkordpreis von 20.000 Gulden der riesige Hallenbau errichtet, zum Teil mit großen Sandsteinquadern. Das Schiff wurde in der Zeit vom 5. März 1838 bis zum November 1840 errichtet. Das Bauwerk ist außen nicht verputzt worden, so daß die behauenen Sandsteine dem Betrachter sichtbar bleiben.

Es wurden zahlreiche Teile des Vorgängerbaus noch einmal verwendet, wie zum Beispiel Grabsteine für die Schallöffnung oder ein Gesicht, dessen Alter ungeklärt ist. Sie finden es an der südlichen Mauer rechts des Kirchturms in etwa drei Meter Höhe. Das „Steinerne Gesicht“ ist ein in Buntsandstein gehauener Männerkopf. Am Portal der Bergkirche findet sich die Jakobsmuschel, weil hier eine Station auf dem Jakobsweg ist

 Im Jahre 1839 wurde die „Ratzmann-Orgel“ in der Bergkirche eingebaut, auf der zu lesen ist: „Verferdiger dieses Werkes Georg Franz Ratzmann u. Sohn. aus Ohrdruff 1839“. Außergewöhnlich an dem Instrument ist, dass der Spieltisch nicht wie gewöhnlich vor der Orgel, sondern mitten im Orgelgehäuse steht, sowie dass die Pedal-Registerpfeifen passend zum Register

aus Holz gefertigt sind. Damit sie zu den anderen Metallpfeifen passen, sind sie vorn gerundet und metallfarben gestrichen. Da die Orgel kaum verändert wurde, stellt sie in ihrer Originalität und in ihrem klanglichen Charakter einen ganz besonderen Wert dar.

 

Das Innere der saalbauähnlichen Kirche wurde in den Jahren 1950 und 1979 erneuert. Die Renovierung paßte mit ihrer kassettenartigen Einteilung der Decke und der Beseitigung der verschnörkelten Aufbauten hinter der Kanzel das Innere gut dem klassizistischen Stil des Gebäudes an. Bei der Erneuerung verlegte man auch die Decken der Seitenschiffe - die ursprünglich genauso hoch wie das Mittelschiff waren - tiefer. Die Stühle im Altarraum sind durch Pilaster gegliedert und mit Giebelaufsätzen geschmückt. Der Altar mit neugotischer Balustrade und die Kanzel liegen in Verlängerung des mittleren Ganges. Die westliche Empore wird von dem bedeutenden Orgelprospekt, der mit einem Ysenburgischen Wappen verziert ist, beherrscht. Die Räderuhr ist von 1899.  Im Jahre 2004 wurde die Orgel aufwendig grundsaniert und mit einem Festprogramm eingeweiht. Ein Förderverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch in Zukunft für die Orgel Sorge zu tragen.

 

Auch Gebäude sind Lebensraum für Tiere. Der Kirchturm bietet Schutz und Raum zur Jungenaufzucht für Fledermaus, Dohle, Turmfalke, Schleiereule. Die Fledermäuse stehen in Deutschland unter besonderem Artenschutz. Die erforderliche Baumpflege rund um die Bergkirche st naturschutzgerecht ausgerichtet, sodass die Quartiere für die Tiere ungestört bleiben. Die 1958 gegründet Musik- und Vogelschutzvereinigung setzt sich auch für die im Turm brütenden Vögel ein. Zum 50-jährigen Jubiläum konnte die Gruppe im Jahre 2008 die Kirche auf dem Berg mit der Plakette „Lebensraum Kirchturm“ auszeichnen. Der farbenprächtige Pirol ist durch die großflächige Zerstörung früherer Flussauen und alter Laubwälder hierzulande zu einer seltenen Erscheinung geworden. An der Bergkirche ist sein flötender Didlioh-Ruf noch zu hören.

 

Das alte Pfarrhaus wurde 1751 gebaut und ist inzwischen abgerissen. Das neue Pfarrhaus wurde 1908/1909 errichtet. Am Südhang des Kirchberges wurde bis in das 19. Jahrhundert Weinbau betrieben, von dem heute noch einzelne Mauern zu sehen sind. Vor allem gilt das für die Mauer, die sich gegenüber dem Garten des Pfarrhauses an der Straße entlangzieht. Die übrigen Weinbergsmauern in den Niedergründauer „Wingerte“ (= Weingärten) sind abgetragen und mit Gras überwachsen. Der Gelnhäuser Bürgermeister und Apotheker Johann-Heinrich Cassebeer schrieb 1822: „Der Niedergründauer Wein dürfte, seines Ursprungs zufolge, dereinst zu den vorzüglichsten Sorten zu rechnen seyn“.

Eine Merkwürdigkeit ist die Glöcknerwohnung und das Schulgebäude für das ganze Kirchspiel. Dieses geht mit seinen bis zu 80 Zentimeter dicken Mauern und tiefen Fensternischen im Unterstockwerk wohl in vorreformatorische Zeit zurück. Der Holzbau des Oberstockwerks enthält den Schulsaal, in dem seit der Reformationszeit zunächst die schulwilligen Kinder des Kirchspiels und von etwa 1700 bis 1840 nur von Niedergründau unterrichtet wurden. Konfirmandensaal war er bis 1926.

Der alte Friedhof liegt hinter der Bergkirche und war früher komplett von einer Mauer umgeben. Hier wurden die Bewohner des Kirchspiels „Gründau Auf dem Berg“ beerdigt. Die letzte

Erweiterung wurde im Jahr 1862 vorgenommen. Die letzte Beerdigung fand 1911 statt. Heute existieren nur noch wenige Grabsteine. Der neue Friedhof wurde 1883/1884 angelegt. Das Denkmal von 1870/1871 wurde zur Erinnerung an die Gefallenen dieses Krieges von den Gemeinden Gettenbach, Lieblos, Mittel-Gründau, Niedergründau und Rothenbergen errichtet.

Steinbildhauer war Adam Josef Kramer aus Fulda.

Die Fläche ist heute bewaldet und aus der Nutzung genommen. Hier beginnt auch der alte Mittel-Gründauer Kirchweg (kleine Informationstafel): Er führt zum Teil mit Treppenstufen zur Bergkirche hinauf. Der Wald, der diesen Pfad säumt, ist heute aus dem forstwirtschaftlichen Betrieb herausgenommen. Hier soll sich Natur entwickeln können.

Hier stehen auch Robinien. Für die einen ist die Robinie ein Einwanderer aus Amerika und sollte so konsequent wie möglich bekämpft werden. Andere sehen in der Robinie eine zukunftssichere Alternative für die Baumartenwahl auf Grenzstandorten von Buchen und Eichen. Die weißen Blüten bieten ein sehr reichhaltiges Angebot an Nektar während der Blütezeit von Mitte Mai bis Ende Juni.

Der Rotmilan schätzt nahrungsreiche Wiesen, die in der Gründau-Aue im 20. Jahrhundert durch Flurbereinigung, Entwässerungsmaßnahmen und den Umbruch in Ackerflächen zurückgegangen sind. Der alte Eichenbestand für den Horstbau und die offene Landschaft helfen dem Rotmilan bei der Jungenaufzucht. Seine Beute besteht aus kleinen Wirbeltieren, im Frühjahr zu einem Drittel aus Regenwürmern. Etwa 20 Exemplare Rot- und Schwarzmilan wurden 2015 im

Gründautal um die Bergkirche gezählt.

 

(6) Obergasse:

Auf der Schieferbergstraße geht es dann nach Westen zur (querenden) Liebloser Straße, in der jüdische Familien wohnten. Weil Niedergründau zur Herrschaft der Grafen von Ysenburg-Meerholz gehörte, hatten sich hier Juden angesiedelt. Es waren nie mehr als vier Familien, die hier lebten, von denen eine Mitte der 1850er Jahre den Aufstieg zum Großhändler schaffte, während die übrigen Kleinhandel betrieben. Mit dem vollen Einsetzen der industriellen Revolution zogen viele Juden der ehemaligen Ysenburger Herrschaft in die Städte des Rhein-Main-Gebiet, weil dort die Verdienstmöglichkeiten besser waren.

Jacob Grünebaum wohnte im Jahr 1855 im Haus Liebloser Straße 5. Er war Krämer und Frucht­händler und hatte eine kleine Landwirtschaft. Im Jahre 1864 wurden Jacob Grünebaum ebenso wie sein Sohn Leopold als Handelsmann bezeichnet. Im Jahre 1881 arbeitete Leopold darüber hinaus als Metzger. Sein Sohn Hermann (geboren 1869) führte im 20. Jahrhundert neben der Metzgerei ein Lebensmittelgeschäft. Konrad Henning (geboren1878), Nachbar, Landwirt und Straßenbauarbeiter, trug das für Rothenbergen bestimmte Rindfleisch zur dortigen Kundschaft. Hermann Grünebaum war der letzte Vorsteher der Synagogengemeinde Lieblos, zu der Lieblos, Roth und Niedergründau gehörten.

Die Gaststätte Emmel bezog ihr Rindfleisch von einer jüdischen Metzgerei, die sich in der Liebloser Straße in der Nähe der Untergasse befand und die bis in die Zeit des Nationalsozialismus bestand. Mit dem beginnenden Nationalsozialismus wurde die Gaststätte Emmel kurzzeitig geschlossen, weil sie nach wie vor mit der Metzgerei Grünebaum zusammenarbeitete. Hermann Grünebaum wanderte mit seiner Familie 1934 in die USA aus, bevor der Nazi-Terror in seinem vollen Ausmaß zuschlug.

 

Weiter nach Westen geht es in die Obergasse. In der ehemaligen Hauptstraße Niedergründaus gab es viele Geschäfte und Gewerbebetriebe. Das Gründauer Heimatmuseum in der Obergasse 20 besteht aus drei Gebäuden: dem alten Schul­haus, dem benachbarten alten Bauernhaus mit Scheune und Hoffläche („Häfnerhaus“) und Schmiede Lenz. Hier werden Dauerausstellungen zu den Themen Archäologie und Hausschlachtung sowie eine Schulstube aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeigt. Seit 1997 werden die Gebäude als Heimatmuseum und Archiv der Gemeinde Gründau genutzt.

Im Jahre 1846 erfährt man erstmals von der Gastwirtschaft Emmel, Liebloser Straße 6, als ein Anbau genehmigt wird. Der erste Gastwirt war Peter Emmel. Im Jahre 1996 wurde „150 Jahre Gastwirtschaft Emmel“ gefeiert. In dem von der Landwirtschaft geprägten Niedergründau lag es nahe, dass die Erfahrungen mit Nutztieren auch in die knappe Freizeit bei der Zucht von Kleintieren eingebracht wurden. Im Jahre 1913 wurde der Kleintierzuchtverein im Gasthaus „Landmann“ (siehe Tafel Obergasse) gegründet, der sich der Zucht von Rassegeflügel und Rassekaninchen widmet. Die beiden Weltkriege unterbrachen die Vereinstätigkeit. Ein Höhepunkt war 1963 die große Tierschau zum 50. Jubiläum in den Gasthäusern Landmann und Emmel. Kurz zuvor war eine Jugendgruppe gegründet worden. Von 1981 an traf sich der Verein zu seinen Sitzungen im Keller des Gemeinschaftshauses. Eine der größten Veranstaltungen fand 1984 statt, als 77 Aussteller insgesamt 622 Tiere präsentierten.

Zur Gaststätte „Landmann“ siehe Tafel 7 Obergasse (die aber auf der Internetseite nicht zu öffnen ist bzw. nur eine Kopie von Tafel 6 enthält). Weitere Gastwirtschaften in Niedergründau waren der „Bayrische Hof“, der um 1952 von Ludwig Lenz in der Odenwaldstraße 3 eröffnet und 1974 geschlossen wurde.

 

(4) Landhandel Georg Rückriegel, Obergasse 36 und 49:

Das Geschäft Landhandel Rückriegel wurde um 1920 gegründet, als Georg Rückriegel (1901-61) in seinem Elternhaus in der Obergasse 36 mit dem Handel von Landesprodukten begann.

Zunächst lagerte er die Waren provisorisch in der Waschküche und auf dem Boden darüber. Im Jahre 1923 wurde der erste Trakt des bestehenden Gebäudes mit einem Büro und Lagerräumen für „Georg Rückriegel Landesprodukte“ in der Obergasse 49 errichtet. Um 1939 trat ein Anbau mit Garage für den Mercedes hinzu. Außerdem wurde aufgestockt und das Lager verlängert.

Im rechten Winkel dazu wurden neue Ställe mit Heu- und Strohboden gebaut. In den Jahren 1952/53 folgte eine große Lagerhalle im rechten Winkel zu den Ställen. Im Jahre 1954 holte Georg Rückriegel mit Lastwagen und Anhänger die drei neuen Glocken für die Bergkirche in Bad Friedrichshall-Kochendorf am Neckar. Die festlich geschmückten Fahrzeuge und Glocken wurden durch die Dörfer der Kirchengemeinde gefahren und zum Kirchberg gebracht.

Nach dem Tod Georg Rückriegels wurde die Firma 1961 verpachtet.

Der Kulturweg geht jetzt vom ehemaligen Landhandel Rückriegel im Zickzack durch das Dorf zur Bergkirche. Sinnvoller ist jedoch der hier vorgestellte umgedrehte Weg von der Bergkirche durch die Obergasse.

(1) Sportplatz, Brücke und der Bach Gründau:

Von der Obergasse kann man dann nach Norden in die Schmidtgasse gehen, dann nach rechts in die Untergasse und dann nach links auf der Mittelgründauer Straße zum Sportplatz gehen, der oft von Hochwasser bedroht wurde. Hier ist der Start des Kulturweges Niedergründau vorgesehen. Hier war früher der Ort vieler Wettkämpfe und Feste für die Niedergründauer Jugend. Etwa 100 Meter bachaufwärts war 1936 das Schwimmbad eingerichtet worden, das bald nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr genutzt wurde.

Unterhalb des Sportplatzes befinden sich nach Norden zwei Brücken: Die „Kleine Brücke“ führt über „die Kleine Bach“. Die Brücke über die Gründau wurde bei einem Manöver im Jahre 1957 schwer beschädigt.

Man kommt zum Ronneburger Weg. Hier gab und gibt es eine Reihe von so genannten „Krautgärten“. Für die Pflege dieser kleinen Anlagen ist im heutigen Berufsleben keine Zeit mehr zu erübrigen, weshalb sich - wenn überhaupt - vor allem Rentner (innen) um diesen Teil unserer heimischen Kulturlandschaft kümmern.

Der Stieglitz war der Vogel des Jahres 2016. Mit seinen Farben weiß, schwarz, rot, gelb und braun gehört er zu den farbenprächtigsten heimischen Singvögeln. Sein Bestand hat in Deutschland von 1990 bis 2013 um 48 Prozent abgenommen. Es gibt viele Möglichkeiten, den Lebensraumdes farbenfrohen Finken zu erhalten. Kleine unbearbeitete Ecken in Gärten, an Sport- und Spielplätzen, Schulen, Ackerflächen oder Straßenrändern tragen dazu bei. Jeder Gartenbesitzer

kann zum Erhalt dieses Vogels etwas beisteuern, indem er eine Fläche mit heimischen Wildkräutern anlegt und auf Pflanzenschutzmittel verzichtet

 

(2) Ronneburger Weg:

Die Mittelgründauer Straße heißt jenseits der Landesstraße jetzt Ronneburger Straße. Auf ihr verläuft der Kulturweg nach Nordwesten. Man geht auf ihm bis zu der Tafel 2, etwas nördlich des zweiten Weg der nach links abbiegt. In Niedergründau liefen die beiden Wege von Rothenbergen und Lieblos zusammen, die über den Ronneburger Weg nach Altwiedermus führten. Für die Niedergründauer war dies auch eine Hauptverbindung für den Getreide-, Kartoffel-, Zucker- und Futterrübenbau, da es früher noch nicht so viele Feldwege zwischen den einzelnen Äckern gab.

Der Blick vom Ronneburger Weg ist auf den Büdinger Wald gerichtet, dessen Untergrund - so wie im Spessart - aus rotem Buntsandstein besteht und dessen plattenartiger Charakter deutlich wird. Dazwischen erstreckt sich das Gründautal. Nach links hin folgt dann der Hohe Vogelsberg, dessen zweithöchste Erhebung, der Hoherodskopf (764 Meter, 35 Kilometer entfernt) von hier aus bei guter Fernsicht zu finden ist.

Hier wie überall in der Landwirtschaft hat die Maschinisierung die Feldwirtschaft und den Lebensablauf der Bevölkerung massiv verändert. Das Landschaftsbild war früher kleinteilig und strukturiert, entsprechend der geringen Größe der Felder. Gleichzeitig gehörte für die Bauern die Tierhaltung zum Alltag, Kühe wie Pferde, auch im Nebenerwerb. Die Technisierung in der Landwirtschaft, begleitet von zwei Flurbereinigungen und dem Wandel auf dem Arbeitsmarkt, haben zur Bildung größerer Ackerflächen geführt. Streuobstbäume sind von Ackerflächen auf Wiesengrundstücke gewechselt.

Die Erschließung der landwirtschaftlichen Fläche durch die Vergrößerung der Ackergrundstücke sowie die Anlage von Flurwegen war Aufgabe der Flurbereinigung. Die Regulierung des Baches Gründau war Anlass dafür, im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den Jahren 1935/1936 neue Gräben für Wiesenbewirtschaftung und Ackerbau sowie für den Hochwasserschutz auszuheben. Im Gründautal entstanden durch die Flurbereinigungen Entwässerungsgräben, die in der feuchten Gründauaue Wiesenbewirtschaftung ermöglichten. Im Winter hatte die Jugend hier ihren Spaß auf Eisbahnen. Die Flurbereinigung führte dies nach dem Zweiten Weltkrieg fort.

 

(3) Ronneburger Hügelland:

Auf dem nach links abzweigenden Weg geht man nach Südwesten weiter. Dort steht bald die nächste Informationstafel. Hier hat man einen guten Blick über das Gründautal auf den Spessart, der sich jenseits des Kinzigtals bis über 500 Meter hoch erhebt. Rechter Hand der Friedrichshof, der Äcker und Grünland in der Umgebung nutzt, um Milchkühe zu füttern sowie um eine Biogasanlage zu betreiben. Für weitere Informationen siehe: http://www.friedrichshof-gruendau.de.

Der Name „Ronneburger Hügelland“ wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt, als man Deutschland in kleinere Landschaftseinheiten aufteilte. Gemeint ist damit der Bereich zwischen Wetterau, Vogelsberg und Spessart. Beim Rundgang auf dem Kulturweg bekommt man einen guten Eindruck dieser hügeligen Landschaft. Das Ronneburger Hügelland zeichnet sich durch eine abwechslungsreiche Landschaft mit Feldern, Wiesen, Hecken, Streuobst und Waldpartien aus. Die Bergrücken sind aus Überresten des Vogelsberg-Vulkanismus geformt. Der Lößboden, der die fruchtbare Landwirtschaft hervorbringt, wurde in der Eiszeit angeweht. Offiziell hat diese Landschaft zwischen Wetterau und Spessart seit 1988 den Namen „Büdinger-Meerholzer Hügelland“.

 

Gründau-Aue:

Links um ein Wäldchen herum geht es weiter in Richtung Südosten über die Landesstraße. Südlich von ihr stehen noch zwei kleinere Informationstafeln, bis es nach links ins Dorf geht in die Untergasse hinein. Heute erstreckt sich links und rechts des Bachs von Langenselbold bis Mittel-Gründau das Landschafts- und Naturschutzgebiet Gründau-Aue bei Niedergründau mit einer Ausdehnung von 110 Hektar.

Schilfzonen und feuchte Wiesen sind Lebensraum für viele Sing- und Greifvögel, weshalb das Landschaftsschutzgebiet in der Gründauaue zahlreichen Vogelarten ein ideales Brut- und Nahrungsangebot bietet. Auch Zugvögel nutzen diese Fläche als Rastplatz, wie 2014 zu sehen, als hier Kraniche Zwischenstation machten. Auch der Eisvogel ist in der Gründau-Aue zuhause.

Entlang der Gründau findet sich in den Naturschutzgebieten auch Röhricht, wo Rohrammer und Teichrohrsänger leben.

Das Landschafts- und Naturschutzgebiet Gründau-Aue sorgt dafür, dass Flora und Fauna von der intensiven Landschaftsnutzung ausgenommen werden. Hier findet der Storch ausreichend

Nahrung für seinen Nachwuchs. Mit 413 Weißstorchpaaren in Hessen wurde 2015 ein neuer Höchststand erreicht. Dazu trugen die Ausweisung von Schutzgebieten bei, zum Beispiel in den achtziger Jahren in der Gründau-Aue bei Niedergründau. Vor zwanzig Jahren siedelten sich vereinzelt Störche in Südhessen an und seit diesen Tagen kümmern sich viele engagierte Naturschützer um deren Wohl.

 

Bandkeramikersiedlung:

Wer mit dem Auto unterwegs ist und sich die Wanderung durch das Hügelland ersparen will, wird vom Nordrand von Niedergründau nach Mittelgründau weiterfahren. Im Sommer 1991 wurde beim Bau des Radweges zwischen Mittel-Gründau und Niedergründau eine Siedlung der Bandkeramiker angeschnitten. Dieser Bereich an der Gemarkungsgrenze zwischen Niedergründau und Mittel-Gründau, im „Kleinen Feldchen“, dürfte bereits vor 7.000 Jahren bewohnt gewesen sein. Bei den folgenden Ausgrabungen konnten Pfostenlöcher der Häuser und Lehmgruben gefunden werden. Die Gruben wurden wahrscheinlich als Keller oder Vorratsraum genutzt und später wieder mit Abfällen und Scherben befüllt. Außer den Häuserpfostenresten und Scherben wurden Steinwerkzeuge, Quarzit, Feuerstein und Hämatit gefunden. Hämatit wurde feingerieben als Farbstoff verwendet. Auf den Scherben sind noch deutlich die

linearen Verzierungen zu erkennen, die den Bandkeramikern ihren Namen gaben.

Am „Am Vogelherd“ bei Mittelgründau befinden sich 19 Grabhügel auf einem Ausläufer des Steinkopfes, dessen Rücken sich mäßig nach Südsüdosten neigt, wo die Hohe Straße die Höhe zwischen Fallbachtal und Gründautal quert.

 

Mittelgründau

Die evangelische Kirche in Mittelgründau wurde im Jahre 1976 an der Durchgangsstraße erstellt. Wo die Straße nach Haingründau abzweigt, steht das Backhaus

 

Haingründau

 Gräfin Gisela, die letzte Burggräfin von Gelnhausen mit Stammsitz in Langenselbold, die um 1150 lebte, hat eine Kapelle in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts bauen lassen, die dem Heiligen Laurentius geweiht war. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche des Ortes von wilden Horden und Kriegern als Zufluchtsort genutzt. Alles was aus Holz bestand wurde zerschlagen und als Brennmaterial benutzt. Das Gotteshaus wurde 1715 als Laurentiuskirche wieder aufgebaut. Umfangreiche Reparaturen fanden in den Jahren 1820 und 1857 statt. Eine Orgel wurde 1852 erworben. Die heutige evangelische Kirche ist ein Saalbau mit Haubendachreiter, hölzernen Gewölben und doppelten Emporen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In der Dorfstraße steht rechts das alte Backhaus.

Der Ortsteil Hain-Gründau erhielt nach jahrzehntelanger Planung eine Umgehungsstraße. Als die Pläne konkretisiert wurden, stellte sich heraus, daß sich auf der geplante Straßentrasse mehrere vorgeschichtliche Siedlungsstellen befinden, die gemäß Hessischem Denkmalschutzgesetz generell nicht zerstört werden dürfen. Die Kompromißlösung bei übergeordnetem Interesse, wie sie eine Umgehungsstraße zur Lärmentlastung der Anwohner nun einmal darstellt, ist die vollständige Dokumentation der unterirdischen Kulturdenkmäler, das heißt zunächst, eine fachgerechte archäologische Ausgrabung. Diese wurde unter Einsatz einer großen Grabungsmannschaft durchgeführt. Erwartet wurde in der ersten Fläche eine jungsteinzeitliche Siedlung, von der sich auch Ansätze zeigen, jedoch weisen weitere Funde auf die Anwesenheit von Menschen auch während der Bronzezeit, der Eisenzeit und des Mittelalters oder der Neuzeit hin.

 

Breitenborn   

Von der Verbindungsstraße zwischen Lieblos und Büdingen gelangt der Besucher vorbei an Hain‑Gründau durch hügelige, saftig grüne Landschaft nach Breitenborn. Nicht umsonst wurde der zweitkleinste Ortsteil von Gründau 1960 als schönstes Dorf im ehemaligen Kreis Gelnhausen gekürt. Das Idyll wird lediglich ein wenig gestört durch die hohen Hochspannungsmasten, die das Tal überspannen. Unterhalb des Ortes liegt der Geisweiher, ein Angelteich, in dem sich dicke Forellen tummeln.

Der 1200‑ Einwohner- Ort galt schon damals als „Perle des Büdinger Waldes“ und war dank der reichen Basaltvorkommen nicht eben unvermögend, so daß man sich in den fünfziger Jahren sogar ein eigenes 25 mal 15 Meter großes Freischwimmbad mit Planschbecken leisten konnte.

Die Anlage ist jedoch schon lange zugeschüttet, entsprach sie doch in den siebziger Jahren nicht mehr den modernen Anforderungen. Und die neue, knapp 15.000 Einwohner zählende Großgemeinde Gründau sah sich zu dieser Zeit nicht in der Lage, das Geld für eine Sanierung aufzubringen. An den Standort erinnert nur noch die Schwimmbadstraße, wo sich jetzt eine große Omnibus‑ und Lastwagenwerkstatt erhebt. Ähnlich verhält es sich mit dem davon abzweigenden Brauhausweg. Die Breitenborner Brauerei sucht man dort vergebens.

Von der Straße nach Wittgenborn biegt man links ab in den Ort, Nach links geht es in die Schwimmbadstraße. Sie führt zum Hofgut mit Forsthaus, das Graf Wolfgang Ernst zu Ysenburg-Büdingen im Jahr 1605 begründete. Anders als bei den umliegenden Ortschaften ist der Zeitpunkt der Gründung des Hofguts auch tatsächlich auch die Geburtsstunde von „Brydenborn“, wie es damals hieß. Der Name birgt kein Geheimnis. Er steht für den breiten Born, der im Unterdorf aus dem Berg quillt.

Eine alte Sage muß allerdings doch sein, die sich um die Entstehung des Ortes rankt: So erinnert sich Helga Stern an die Geschichte, daß der Fürst seinerzeit hier im tiefen Wald verirrte und ein Köhler ihm den Weg hinaus gezeigt habe. Dieser Fingerzeig als zwei Spuren im Schnee prangen noch heute auf dem fürstlichen Wappen. Als Dank sei dem Köhler ein Stück Land geschenkt worden: die Keimzelle Breitenborns. Richtig daran ist, daß Graf Wolfgang tatsächlich im Jahre 1605 den Grundstein für das Hofgut mit Mühle und Jagdhaus legte.

Bald kam die erste Glashütte hinzu, denn die Bedingungen für die Herstellung von Fensterglas, Flaschen und Trinkgläsern waren hier besonders günstig. Holz aus dem Wald gab es im Überfluß, dazu Wasser aus zahlreichen Quellen, Sand, Basalt und Kalk, so daß keine der notwendigen Rohstoffe von weit her bezogen werden mußten.

Als Begründer des Handwerks und damit auch Urvater des Dorfes Breitenborn gilt der Glasmacher Georg Wentzel aus Brückenau in der Rhön. Nicht viel später ließen sich seine Kollegen Gundelach, Beyer und Trebing hier nieder, weshalb 1637 die erste Gemeinschaftshütte entstand. Alle diese Gründerfamilien sind übrigens inzwischen vom männlichen Zweig her ausgestorben, die Namen somit erloschen.

Schon bald waren die Glashersteller, weit weg von der nächsten Ordnungsmacht, den Nachstellungen von Räubern und Wegelagerern, so genannten „Schnapphahnen“ ausgesetzt, weshalb sie Mitte des 17. Jahrhunderts eine Eingabe beim Fürsten machten, wonach jedem ein „Carpiner“ (Karabiner) oder ein „Feuerrohr“, außerdem ein Kontingent Wachbunde zugestanden werden sollten. Es waren rauhe Sitten damals So wurde das Auslegen eines Fuchs‑ oder Wolfseisens mit dem Abschlagen der rechten Hand geahndet. Wer auch nur einen Hasen fing, mußte dafür seinen rechten Daumen lassen. Und wer einen Hirsch erlegte, mußte dafür mit einem bunten Ochsen bezahlen. Da die Hütten viel zu tun hatten, siedelten sich nun auch andere Handwerker, Schneider, Schuh­macher, Metzger und Bäcker an. Sie kamen zum Teil von weit her, etwa aus Thüringen, Böhmen oder der Pfalz. Im Jahre 1659 zählte der Ort 88 Einwohner.

Mitte des 18. Jahrhunderts begann der Niedergang. Grund dafür war einerseits der Siebenjährige Krieg, der die Bevölkerung in Deutschland verarmen ließ. Glas wurde den meisten Menschen zu teuer. Außerdem erwuchs den kleinen Betrieben immer mehr Konkurrenz. Die Produktion wurde zunehmend stärker mechanisiert. Im Jahre 1761 kam das Aus für die letzte Gemeinschaftsglashütte. In ihrer Not entschlossen sich viele zur Emigration nach Pommern, Rußland oder sogar nach Amerika. Diejenigen, die zurückblieben, waren verhungert und verlumpt, denn die Landwirtschaft gab wenig her. Zwar gab es noch einen Versuch seitens der Ysen­burger, mit dem Bau einer neuen Glashütte an die guten alten Zeiten anzuknüpfen, doch erwies sich der als Fehlinvestition. Um 1900 wurde auch dieses Gebäude abgebrochen. Von der allgemeinen Misere waren auch die Pächter des Hofgutes, insbesondere die Müller, betroffen. Sie gingen reihenweise pleite oder mußten um Verringerung oder Stundung des Zinses bitten.

 

In der Forsthausstraße geht es nach rechts. Auf der linken Seite steht die Schule mit Betsaal.

Mit der vorindustriellen Blüte kam mit Johannes Schäfer auch der erste Schulmeister nach Breitenborn. In der Folge machten hier häufig umherstreifende Studenten Station, um den Jüngsten das Einmaleins beizubringen. Das letzte Schulhaus mit Betsaal wurde 1928 / 1929 gebaut, hat aber inzwischen ausgedient. Lediglich einen Kindergarten gibt es im Ort.

Rechts stehen dann das alte Forsthaus und fast daneben die Mühle aus dem 17. Jahrhundert, die von 1680 bis 1965 in Betrieb war. Das Mahlwerk ist schon lange außer Betrieb, aber Kollergang, einige Mühlsteine und andere zum Handwerk gehörende Gerätschaften sind noch zu sehen. Die Mühle gehörte mit zum Hofgut.

Klein‑Venedig könnte man das Dorf nennen, so viele Brücken und Stege überspannen den Litterbach, der mitten durch den Ort fließt, viele davon bereits in den zwanziger Jahren erbaut.

Elektrisches Licht gab es erst 1922. Acht Jahre später wurde die Wasserleitung gebaut.

Die evangelische Kirche, ein aus Sandstein bestehender Langbau, wurde um 1860 erbaut. Das Gotteshaus ist ein schmuckloser Bau mit einem kleinen Turm. Im Jahre 1978 wurde am hinteren Ende der Kirche ein kleiner Anbau angefügt. In dem Gotteshaus steht eine Orgel der Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen).

Die Breitenborner, die seit jeher „auf harter Scholle gebettet“ waren, zeigten sich erfinderisch. So schnitten sie um 1800 im heimischen Wald „Seegras“, das als Ersatz für das teure Roßhaar zum Polstern von Sesseln, Sofas und Matratzen benutzt wurde.

Den zweiten Aufschwung erlebte das Dorf im ausgehenden 19. Jahrhundert, als der Bergingenieur Friedrich Rousselle ein Basaltwerk begründete, das noch heute nördlich des Ortes an der Straße nach Wittgenborn in Betrieb ist.

 

Mit einer sechseinhalb Kilometer langen Seilbahn wurde seit 1906 „das Gold des Vogelsberges“ zur Verladestation mit eigenem Bahnanschluß nach Wächtersbach transportiert. Das burgähnliche Gebäude in der Nähe des Bahnhofs wird jedoch schon lange nicht mehr benutzt. Heute werden die noch immer begehrten, blauschimmernden Katzenköpfe oder der Schotter mit großen Lastwagen direkt vom Werk abgefahren. Früher rumpelten die Seilbahnloren im Minutenabstand über den Berg, teilweise 80 Meter über dem Boden und jeweils mit einer halben Tonne Füllgewicht. Bis zu 400 Männer, darunter 120 aus dem Dorf, standen hier in Lohn und Brot. Inzwischen sind im Werk der Mitteldeutschen Hartstein‑ Indus­trie gerade noch 15 Mitarbeiter beschäftigt.

Ende der siebziger Jahre wurde die Seilbahnanlage stillgelegt. Südlich des Turms steht aber noch ein Turm aus Vogelsberger Basalt. Um in zu erreichen läuft man an der ersten Schranke des Betriebsgeländes nach links und trifft nach etwa 500 Metern auf den Turm. Am Ortseingang von Breitenborn steht noch ein originale Lore der Seilbahn.

 

Prominentester Sohn der ehemals selbständigen Gemeinde war wohl der bundesweit bekannte Maler und Grafiker Fritz Stübing, der 1988 im Alter von 87 Jahren starb. Nach der Städel‑ Kunstschule in Frankfurt hatte er sein Handwerk an der Hochschule für Bildende Kunst in Berlin erlernt. Dort machte er sich auch als Bühnenmaler einen Namen. Später lehrte er in Bochum. Seinen Bewunderern machte es der gebürtige Breitenborner nicht leicht: Zu seinen Schrullen gehörte es, daß er sich nur höchst ungern von seinen Werken trennte und diese daher oft als „unverkäuflich“ im Katalog erschienen.

Westbruch bei Breitenborn: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 156.

Von Breitenborn fährt man wieder zurück auf die Straße Richtung Gelnhausen und biegt dann links ab in Richtung Hühnerhof und Gettenbach.

 

 

Hühnerhof

Einen knappen Kilometer vom eigentlichen Dorf Gettenbach entfernt liegt hier gleich rechts hinter dem Abzweig der „Hühnerhof“. Ein in die Wiese rasierter Schriftzug auf „Golf für alle“ weist darauf hin. Anfang des 18. Jahrhunderts hieß der Hof noch „Neuer Hof“ und wird 1739 als „Hof am Hünerfluß“ beschrieben. Der Hof wird auch „Hoierhof“ genannt, von „Hoier“, das soviel bedeutet wie „hoher Rain“. In den Jahren 1840 - 1842 wurde das Wohnhaus vergrößert und die Hofgebäude erweitert. Zeitweise war das Gut ein Eigenbetrieb des Grafen von Meerholz.

Um 1980 kam der gebürtige Ingolstädter Walter Hecker nach einigen Zwischenstationen, unter anderem in Amerika, nach Gettenbach, wo er ein teilweise eingestürztes Ensemble vorfand, das kaum noch zu retten schien. Der Hof war früher viermal so groß wie jetzt und gehörte zum Erbhof Hailer‑Meerholz, erklärt Walter Hecker den Niedergang. Die Verkleinerung der Wirtschaftsfläche wirkte sich katastrophal aus. Die Äcker trugen den notwendigen Unterhalt der Gebäude nicht mehr.

In fünf Jahrzehnten bis 1980 wechselten viermal die Eigentümer, ehe sich der gelernte Landwirt und Bäckersohn daran wagte, den buchstäblich darnieder liegenden Hof aufzupäppeln. Günstig kaufte er die Anwesen, weil sie sonst niemand wollte; mißtrauisch und mitleidig beäugt von der Dorfbevölkerung, die sein Scheitern wie das seiner Vorgänger prophezeite und ihm heute um so größeres Lob für seine Aufbauleistung zollt.

Vier landwirtschaftliche Betriebe hat Hecker im Laufe seines arbeitsreichen Lebens hochgebracht und die Erlöse in das jeweils nächste Projekt gesteckt. So auch hier. Anfangs wurden die einsturzgefährdeten Teile mit alten Biberschwänzen gedeckt, die in den sechziger und siebziger Jahren von den Bauherren noch häufig weggeworfen wurden. Inzwischen sind sie wieder heiß begehrt. Ein Gebäude nach dem anderen wurde in Eigenleistung und zunächst mit einfachsten Mitteln saniert. In Absprache mit dem Denkmalschutz werden gerade ehemalige Lagerraume in Hotelzimmer verwandelt.

Daneben gibt es die inzwischen verpachtete Gutsschänke mit Restaurant im Gewölbekeller, in dem wegen seines ausgeglichenen Klimas ehemals Äpfel für den Verkauf an Frankfurter Keltereien aufbewahrt wurden.  Hinzu kommen Wohnungen für das Personal, Speicher für die Anbauprodukte wie Weizen, Raps, Gerste und Zuckerrüben, eine alte Schnapsbrennerei mit hohem Ziegelschornstein, die hauseigene Schlosserwerkstatt. Denn hier wird alles selbst repariert und fabriziert, vom Eßtisch bis zur Wohnzimmerlampe. So stammt die gesamte Einrichtung der gutbürgerlichen Gaststätte aus der komplett eingerichteten Schreinerei. Alles haben sich Hecker, seine Familie und die wenigen Helfer selbst erarbeitet. Sie trinken sogar ihren selbst erzeugten Apfelwein.

Jetzt, wo Hecker die Früchte seiner Mühen langsam zu ernten beginnt, hat er als vorläufig letztes Projekt hinter dem Wohnhaus eine kleine, öffentlich zugängliche Kapelle gebaut. Sie ist Dank an einen Schöpfer für das gelungene Werk. In der Kapelle steht der heilige Franz von Assisi, ebenso naturverbunden wie Walter Hecker. Die Bronzefigur hat er jedoch ausnahms­weise nicht selbst gegossen, sie stammt von einem befreundeten Künstler.

 

Bekannt ist der Hühnerhof wegen seines Golfplatzes. Eine lange Wartezeit gibt es nicht für das Neun‑Loch‑Areal, wie Platzwart Anton ‑ unter seinem Nachnamen kennt ihn niemand ‑ berichtet. Jeder darf hier zu wirklich günstigen Preisen spielen oder es erlernen. Auf der teilweise überdachten „Driving Rauch“, auf der die ersten Schläge geübt werden können. Das dazu notwendige „Eisen“ gibt es kostenlos. Nur für je 36 Bälle muß man 2,50 Euro zahlen. Die werden im übrigen später von einem eigens dafür konstruierten Fahrzeug eingesammelt.

Daneben liegt das Putting‑Green, wo sich für eine halbe Stunde lang gebührenfrei das Einlochen trainieren läßt, dann das sogenannte Chipping‑Grün zur Annäherung an die Fahne, schließlich der eigentliche Profi‑Platz, der erst betreten werden darf, wenn der Neuling nicht mehr bei jedem Schlag den Rasen umgräbt und die Regeln gelernt hat. Auch für letzteres gibt es jeden Freitag einen kostenfreien Lehrabend. Bezahlen muß man zunächst nur für den australischen Trainer, so ihn der Anfänger in Anspruch nimmt.

Die drei Jahre alte Anlage erfreut sich großer Beliebtheit. Schon am Morgen tummeln sich etwa ein Dutzend mehr oder weniger erfahrene Golfer auf dem Gelände. Manche kommen von weither, weil es frei zugängliche Platze dieser Art nur ganz wenige in Deutschland gibt. Ein eigener Club existiert noch nicht. Da er jedoch die Voraussetzung ist, weltweit auf jedem Grün spielen zu dürfen, will Besitzer Walter Recker demnächst zweigleisig fahren. Weiterhin soll aber jeder hierher kommen können. Außerdem baut der 60‑Jährige zusätzlich gerade einen Minigolf‑ Parcours und eine Kneipp-Anlage, um den Hühnerhof für Besucher noch attraktiver zu machen Ein kleines Freizeitzentrum für jeden Geldbeutel soll hier entstehen.

 

Gettenbach

Das repräsentative Gebäude am Ortseingang von Gettenbach links diente zunächst als Büro des Kalkwerks. Dann hatte ein Esoterik‑Verlag dort seinen Sitz. In den siebziger Jahren wurden hier die ersten Beate‑Uhse‑Bücher gedruckt, was allerdings kaum einer im Dorf wußte, sonst wäre die Empörung groß gewesen.

Etwas weiter im Unterdorf steht auf der rechten Seite die 1849 erbaute Schule. Sie wurde bis 1965 als solche benutzt und dann zum Lokal umgebaut. Seit März 2002 aber ist die „Turmschänke“ geschlossen.

Im Mitteldorf (am oberen Ende des Oberdorfs) geht von der Eichelkopfstraße rechts die Straße Gerbergsgipfel ab. Nach einem Rechtsbogen liegt links nicht allzuweit von der Ortslage dann ein ehemaliger Steinbruch, und über dem liegt östlich der jüdische Friedhof mit 21 Grabsteinen.

 

Durch ein unbebautes Stück Landschaft kommt man ins eigentliche Dorf Gettenbach. Aus dem Dunkel der Geschichte trat Gettenbach im Jahr 1252, als Roseman von Kempenich und Heinrich von Isenburg einen bisher lehenbaren Zehnten zu Findorf dem Kloster Ilbenstadt übereigneten. Als Gegenleistung erhielten sie das Dienstgut (eine sogenannte „Hufe“) eines der zwölf reitenden Förster des staufischen Reichsforstes Büdinger Wald in Gettenbach („mansum in Gettenbach“)(nach anderer Angabe 1338 erstmals erwähnt).

An der Stelle der Hufe entstand im Laufe der Jahrhunderte ein Forsthof und aus diesem im Jahr 1377 der Gettenbacher Hof. Aus diesem Forsthof hat sich das Gettenbacher Schloß entwickelt. Er ging im 17. Jahrhundert in den Besitz der Grafen Ysenburg‑Meerholz über. Zeitweise war er Eisenhütte. Das sogenannte „Jagdschloß“ wurde 1841 bis 1857 unter der Regierung des Grafen Carl zu Ysenburg und Büdingen in Meerholz erbaut. In der Folgezeit diente das Schloß bis 1875 als Jagd‑ und Sommerquartier der Grafen. Als Verwalter residierte dort der gräfliche Förster.

Von 1875 bis 1889 lebte das Erbgrafenpaar Friedrich und Marie zu Ysenburg und Büdingen in Meerholz in diesem Gebäude. Nach Ableben des Erbgrafen im Jahre 1889 bewohnte dessen Witwe, Erbgräfin Marie geb. Prinzessin Reuß ä. L. bis zu ihrem Tode 1909 allein das Jagdschloß.

Danach wurde es vollständig umgebaut. Nach Aussagen heute noch lebender Einwohner von Gettenbach bekam dieses Gebäude dann erst den jetzigen verschindelten Dachreiter. Nach 1918 wohnte hier noch einige Jahre Prinzessin Friedrich Wilhelm zur Lippe, Schwester des letzten Grafen zu Ysenburg Büdingen in Meerholz. Seit 1926 wurde das Schloß als Kinderheim genutzt. Im Jahre 1929 - nach dem Tode des Grafen Gustav - hat Fürst Carl zu Ysenburg und Büdingen Gettenbach geerbt. Noch dessen Ableben kam es 1941 durch Erbschaft an den jetzigen Fürsten Otto Friedrich zu Ysenburg und Büdingen. Von 1933 bis 1945 war das Schloß an den weiblichen Arbeitsdienst vermietet.

Im Jahre 1944 wurden Teile des kriegszerstörten Frankfurter Friedrichsheims, einer Einrichtung der Orthopädischen Universitätsklinik, in das Gettenbacher Schloß verlagert. Im Jahre 1958 wurde das Haus vom Jugendsozialwerk übernommen, das dort ein Kurerholungsheim und eine Internatsschule betrieb. Seit 1997 ist dort ein Wohnheim mit Tagesstätte. Das heutige Margarete‑Fischer-Bosch‑Haus ist eine Einrichtung des Internationalen Bundes für Sozialarbeit. Jährlich verbringen rund 450 Kinder und Jugendliche einen vier‑ bis sechswöchigen Kur‑ und Erholungsaufenthalt. Zusätzlich gibt es 14 stationäre Wohnplätze.

 

Der 435-Einwohner-Ort hat aber noch mehr Sehenswürdigkeiten: Wie im Spessart gab es in der waldreichen Gegend eine Glashütte und einen Hochofen, der auf das Jahr 1689 datiert wird. Sie existieren nicht mehr, ebensowenig wie die 1670 erbaute Getreidemühle, die in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts einem Brand zum Opfer fiel.

 

Zu sehen ist aber noch der alte Forsthof an der Ostecke des Schlosses. Vermutlich ist er der alte „Knissenhof“, der Stammsitz eines staufischen Ministerialen und reitenden Försters namens „Knusso“. Das heutige Gebäude wurde im 19. Jahrhundert als Gräflich Meerholzische Oberförsterei errichtet.

Etwas weiter oben an der Straße steht auf der linken Seite das öffentliche Backhaus, das von 1840 bis 1947 benutzt wurde. Es sollte verhindern, daß die Menschen bei sich zu Hause einheizten und dabei möglicherweise einen Brand entfachten. Es kann nach der Renovierung wieder betrieben werden.

Es folgt die Scheune des Papiermüllers, die 1740 von Heinrich Christoph Katz errichtet wurde.

Im Jahre 1740 siedelte sich der aus Wiesbaden stammende Papiermacher Geselle Heinz Christoph Katz hier an, um mit der reichlich vorhandenen Wasserkraft Holz zu zerkleinern und daraus Papier herzustellen. Das Papier erregte wegen seiner Güte eine starke Nachfrage. Das Unter­nehmen wurde ein Erfolg. Das Papier trug als Wasserzeichen zwei vertikal verlaufende weiße Balken und eine Katze, die in einem Kreis sitzt. Als um 1840 die kleinen Papiermühlen nicht mehr in der Lage waren, mit den Dampfkraft‑Papiermaschinen zu konkurrieren, mußte Nachfolger von Heinz Christoph Katz den Betrieb einstellen. Im Jahre 1850 wanderte die Familie Katz wie so viele aus der Umgebung nach Amerika aus.

Neben der Mühle steht das Wohnhaus des Papiermüllers aus dem Jahr 1738. Die Inschrift über dem Türsturz ist allerdings nicht zu sehen. Man hat das Gebäude nämlich 1966 zu einer Gast­stätte umgebaut und dabei noch eine Front aus Holz und Glas vorgeblendet. Die Gaststätte heißt „Weißer Hirsch“, nach den Damhirschen, die man aus dem Tierpark Hellabrunn in das Gehege am Köhlerkopf eingesetzt hatte. Dieses Gehege reicht bis an den Bach unterhalb der Gaststätte heran. Wenn man Glück hat, kann man dort einen Hirsch sehen. Eine Informationstafel ist an der Scheune. Dort ist auch der Parkplatz.

Neben der Gaststätte sieht man am Bach das Modell einer Mühle. Sie wurde gebaut von dem gebürtige Dörnigheimer Bäckermeister Heinz Saladin. Er hat sein weitläufiges Grundstück

gegenüber an der Straße „Kohlplatte“. Dort hat er aus Stein und anderen Naturmaterialien kleine Modellbauten geschaffen, Burgen und Schlösser mit Wasserläufen. Das größte Objekt ist der Pferdestall, an dem der Spruch steht: „Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mangel, hat nie ein gutes Pferd im Stall und nie im Bett ein Engel“. Oben am Waldrand steht die elf Personen fassende kleine Kapelle.

 

Im kleinsten Gründauer Ortsteil ist die Welt - zumindest verkehrstechnisch - zu Ende. Nach der Ortsdurchfahrt kommt nichts mehr außer Wald. Man befindet sich im Niemandsland zwischen dem Main‑Kinzig‑Kreis und der Wetterau. Hier kommt nur noch der Forst der Grafen von Ysenburg.

Mit dem Rad geht es dann den Schulgrund gerade hoch. An den ersten beiden Teichen stehen nachgebauten Miniatur‑Mühlen von Saladin. Sie erinnern an den Industriestandort Büdinger Wald: Der Wald war Holzlieferant und das Wasser war Energieträger. Im Gettenbachtal wurden eine Glashütte und eine Eisenschmelze betrieben.

Am ersten Brunnen des Wasserwerks steht ein Gedenkstein an den Grafen Machold, der hier seinen letzten Hirsch schoß. Hier stehen auch die mächtigen Hute‑Eichen, unter denen im 18. Jahrhundert über tausend Schweine geweidet haben. Es waren Hausschweine, die sich beim Durchwandern der Wälder von Eicheln und Bucheckern ernährten. Stalltierhaltung gab es nicht, dafür die Schweinehirten, die uns in den Märchen Brüder Grimm begegnen.

Der Weg geht rechts weiter immer das Tal hoch (nicht rechts oder links abweichen). Das Wanderzeichen ist der weiße Kreis auf schwarzem Grund. Nach etwa drei Kilometern kommt von rechts das Wanderzeichen weißes Kreuz dazu.

Zuletzt geht es links steil hinauf auf die Höhe zu den „Vier Fichten“, einem Kreuzungspunkt im Büdinger Wald. Geradeaus geht es nach Wächtersbach. Hier ist der höchste Punkt des Büdinger Waldes mit 406 Meter Höhe. Das „Wildschwein zum Anfassen“ aus Bronze ist allerdings nicht mehr vorhanden. Auch die vier Fichten kann man nicht mehr ausmachen. Vier Fichten sollen die vier Brüder Johann Casimir, Ferdinand Maximilian, Georg Albrecht und Karl August im Juni 1687 gepflanzt haben, nachdem sie die Grafschaft Ysenburg‑Büdingen in die vier Teile Büdingen, Wächtersbach, Meerholz und Marienborn aufgeteilt hatten.

An den „Vier Fichten“ geht es scharf links Richtung Westen. Wanderzeichen ist der weiße Balken auf schwarzem Grund. Auf der „Reffenstraße “ geht es wieder abwärts. Bei dieser Straße handelt es sich um einen Teil einer uralten Handelsstraße zwischen Leipzig und Frankfurt am Main. Die Handelsstraße verlief parallel zur alten Kinzigstraße auf der Höhe und war daher hochwassersicher. Den Namen hat die Reffenstraße von einem tiefen Taleinschnitt, einer „Reffe“. Die Reffe konnte von damals schweren Fuhrwerksfahrzeugen nicht mit voller Ladung bewältigt werden. Die Fuhrleute waren gezwungen. jeweils einen Teil der Ladung abzuladen. um heim zweiten Anlauf dann den Rest der Ladung durch die Reffe zu bringen. Da diese Um­laderei viel Kraft erforderte und von räuberischen Banden zu Diebstählen genutzt wurde. war die Reffenstraße bei den Fuhrleuten sehr verhaßt (in DATA-Street heißt diese Straße allerdings „Rennstraße“, die „Reffenstraße“ ist weiter nördlich eingetragen).

Nach etwa 4,5 Kilometern kommt man an eine Kreuzung mit dem Wanderweg mit zwei weißen Balken auf schwarzem Grund (am Baum an der Südwestecke zu sehen). Dort ist auch schon ein Wildgatter angebracht. Doch der Eingang zum Wildpark ist etwa 100 Meter weiter geradeaus. Durch einen kleinen Durchgang kommt man durch das Gatter. Zunächst sieht man eine Wiese mit einem künstlich angelegten Teich. Hier kann man vielleicht auch Rehe entdecken. Die „weißen Hirsche“ jedoch werden sich wohl nicht zeigen. Das Rotwild hat in früheren Zeiten dem Laubwald arg geschadet, weil es die Bäume abgeschält hat. Deshalb wurde es durch laubfreundliches Damwild aus Ungarn ersetzt. Gegen den dunklen Wald hebt es sich hell, ja fast weiß hervor, deshalb der Name „Weißer Hirsch“.

Die Weiterfahrt durch den Wildpark empfiehlt sich nicht, weil die Straße nach Haingründau führt. Man geht wieder zurück bis zur Kreuzung und fährt dann hinunter zu den Teichen am Parkplatz.

 

Bei der 750-Jahr‑Feier fand am Sonntag, 12. Mai 2002, eine Theateraufführung statt unter dem Motto „Mittel‑ und Unterdorf“. Die drei ansässigen Vereine (Feuerwehr, Bartclub - der schon einige Weltmeister hervorgebracht hat - und schließlich der über 100 Mitglieder zählende Gesangverein) setzten die Chronik in ein Theaterstück um. Dabei erinnerten sich die Dorfältesten an frühere Begebenheiten und Personen, etwa den berüchtigten Räuberhauptmann „Mahner­hannes“, der in der Gegend sein Unwesen trieb, oder an den Aufstand der geknechteten Leibeigenen gegen die Herren von Ysenburg‑Meerholz.

Nachgestellt wurde auch der Prozeß vor dem Hanauer Landgericht aus dem Jahr 1923 zum Mord am Oberförster, der von einem Wilderer angeschossen nach zwei Tagen seinen Verletzungen erlag. Gespielt wurde auch die Geschichte der „Knochenmühle“, wie die nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg nach Gettenbach ausgelagerte Frankfurter orthopädische Klinik verächtlich‑spöttisch genannt wurde.

Im Dorfgemeinschaftshaus fand eine Ausstellung „Gettenbacher Impressionen“ mit Werken des Breitenborner Malers Fritz Stübing statt. Die Ausstellung wurde ergänzt durch historische Fotografien Gettenbachs. Die Gettenbacher Vereine servierten Kaffee und Kuchen.

In eine Phantasiewelt führt schließlich noch ein Gettenbacher Verein, den es zwar schon seit 14 Jahren gibt, der aber nur den wenigsten Dörflern bekannt sein dürfte. Es handelt sich dabei um eine verschworene Gemeinschaft von Mystikern, Spielern, Mittelalterliebhabern und Fans von fiktiven Welten, die vor allem im Internet ihr Wesen und manchmal auch ihr Unwesen treiben. Unter www.einhorn‑ev.org ist der „Wanderer des Netzes“ willkommen.

Von Gettenbach fährt man wieder zurück zur Straße nach Gelnhausen und kommt nach Lieblos und Gelnhausen-Roth

 

Lieblos

Im Jahre 1835 waren von 207 Einwohnern 44 jüdischen Glaubens, die die örtliche Synagoge besuchten. Die letzte Beerdigung fand in den zwanziger Jahren statt. Bis 1938 bestand eine kleine jüdische Gemeinde. Im Jahre 1850 bildeten die in Lieblos, Getten­bach, Roth, Rothenbergen und Niedergründau lebenden jüdischen Familien eine eigene Gemeinde. Vermutlich wurde im 18. Jahrhundert ein Betsaal in einem älteren Haus errichtet, das von der jüdischen Gemeinde erworben wurde. Beim Novemberpogrom 1938 wurde in der Synagoge Feuer gelegt, wodurch die Inneneinrichtung verbrannte. Nach 1945 diente das Gebäude als Mehrfamilienhaus, der Besitzer wechselte mehrfach. Der Standort ist in der Rathausstraße 2 in der Ortsmitte.

 

Tagkaute bei Lieblos: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 114.

 

Roth: Evangelische Paul‑Gerhardt‑Kirche von 1958–1959, Paul-Gerhardt-Straße 2.

 

 

 

 

 

 

 

Linsengericht

Linsengericht liegt südlich von Gelnhausen im Kinzigtal an den Hängen der sanft ansteigenden Berge des Spessarts. Ein Teil des Gemeindegebiets liegt im „Naturpark Spessart“. Auf die frühe Besiedlung des Gebietes der heutigen Gemeinde Linsengericht weist eine keltische Fliehburg auf dem Hainkeller-Kopf hin. Schon im frühen Mittelalter bildeten die genannten Gemeinden eine nur dem Kaiser untertänige „Freie Marktgenossenschaft“, das Gericht Hasela, das volkstümlich „Linsengericht“ hieß. Was außerhalb der umhegten Dorfmarken war, galt als Allmende, als gemeinsames Eigentum, wie es auch beim Markwald der Fall war. Der gemeinsame Besitz des Markwaldes („Gerichtswald“ Altenhaßlau, etwa 1284 Hektar) und das gemeinsame Kirchenspiel waren bis zum Gemeindezusammenschluß im Jahre 1970 wichtige Bindeglieder der fünf Gemeinden.

Der Name „Linsengericht“ wird erstmals am 12. September 1240 erwähnt. Für die Deutung des Namens gibt es verschiedene Möglichkeiten: Die fünf Dörfer waren mit für die Versorgung der benachbarten Kaiserpfalz bei Gelnhausen verantwortlich. Vor allem Linsen sollen als Zehnt an die von Kaiser Friedrich Barbarossa ge­gründete Burg geliefert worden sein, zum Beispiel für den Gelnhäuser Reichstag anno 1180. Aber der Anbau von Linsen ist in der Gemarkung wegen des Klimas schwierig.

Die andere Deutung des Ortsnamens basiert auf der lokalen Ge­richtsbarkeit, die um „keiner Linse Wert vom Recht abgewichen“ sein soll. Oder der Name wird von „Lindengericht“ (= Gericht unter der Linde) hergeleitet.

Ursprünglich war das Gericht Reichsgut und unterstand nur dem Kaiser. Im 13. Jahrhundert gehörte es zum Bistum Würzburg, das es an die Ritter von Trimberg als Lehen weitergab, bis es dann an Hanau kam. Die niedere Gerichtsbarkeit übte der Zehntgraf in Altenhaßlau aus.

Die Verwaltung der Gemeinde Linsengericht befindet sich heute in Altenhaßlau, das traditioneller Mittelpunkt ist. Anläßlich der 750-Jahr-Feier des Linsengerichter Hauptortes Altenhaßlau hat man auf dem „Linsenrain“ die bikonvex geformten Samenkörner vermehrt, aber an sich bleibt die Vermehrung der Schmetterlingsblütler heute wärmeren Gefilden überlassen. Nach traditioneller Ernte mit der Sense und schweißtreiben­dem Dreschen mußte die Suppe mit Im­port-Gemüse angerührt werden.

Die Linsengerichter von heute haben eher mit High-Tech als mit der Landwirtschaft zu tun. Die landschaftlich attraktive Lage der Dörfer im Naturpark Hessischer Spessart trifft mit einer guten Anbindung an wichtige Verkehrsadern zusammen. Dank der direkt angrenzenden ehemali­gen Kreisstadt Gelnhausen ist eine gut ausgebaute Infrastruktur zu finden. Dies hat Linsengericht zu einer bevorzugten Wohnsitzgemeinde für Menschen aus dem Rhein- Main-Ballungsraum werden las­sen, die sich den Traum vom Eigenheim im Grünen erfüllen. Ein Großteil der Ar­beitnehmer unter den 10.400 Einwohnern pendelt täglich nach Westen zu den Indus­triestandorten.

 

Geschichte:

1240

Am 20. September wird das Gericht (Linsengericht) erstmals erwähnt

1240

Erstmalige Erwähnung von Altenhaßlau als „Hasela“

1288

Erste urkundliche Erwähnung von Eidenge­säß unter dem Namen „Ytzengesesze“

13. Jhdt.

Bau der evangelischen Martinskirche in Altenhaßlau

1326

Erste urkundliche Erwähnung von Lützel­hausen als „Lutzelnhusen“

1334

Erste urkundliche Erwähnung von Großen­hausen als „Groczinshusen“

1398

Erste urkundliche Erwähnung von Geislitz als „Giselhartes“

1806

Bau des Rathauses in Eidengesäß

1889

Bau des neuen Schulhauses in Eidengesäß, das 1950 umgebaut und aufgestockt wurde

1908

Bau der Wasserleitung in Lützelhausen

1909

Bau der Wasserleitung in Eidengesäß

1911

Bau eines Schulhauses in Geislitz

1914

Bau der Wasserleitung in Geislitz

1920

Lützelhausen, Eidengesäß und Geislitz erhielten elektrisches Licht (bis 1922)

1935

Durch Rodung eines großen Wald­stückes wird der Weiler Waldrode gegründet

1938

Bau eines Schwimmbades in Eidengesäß, das im Krieg wieder geschlossen wurde

1953

Anlegen des ersten Weinberges in Großen­hausen

1953

Erstellung des Feuerwehrgerätehauses und des Dorfgemeinschaftshauses in Eidengesäß

1956

Einweihung des Rathauses und der evange­lischen Kirche in Geislitz

1961

Einweihung des Feuerwehrgerätehauses in Lützelhausen

1963

 Bau der Gemeinschaftsschule zwischen Eidengesäß und Geislitz

1963

 Bau der katholischen St. Johanneskirche in Alten­haßlau

1965

Verschwisterung von Altenhaßlau mit St. Etienne du Bois (Frankreich)

1965

Bau einer evangelischen Kirche in Großenhausen

1970

Zusammenschluß der Dörfer Altenhaßlau, Eidengesäß, Geislitz und Großenhausen zur Großgemeinde Linsengericht

1970

Beginn der „Beschützenden Werkstät­ten“ und des Kindergartens in Alten­haßlau

1971

Lützelhausen schließt sich der Großgemeinde an

1971

Umbau des Dorfgemeinschaftshauses in Eidengesäß zu einem Kindergarten

1972

Baubeginn der Umgehungsstraße in Lützel­hausen

1972

Bau der Kreissonderschule „Brentanoschu­le“ in Altenhaßlau (bis 1973)

1980

Einweihung der Schule „Martinschule“ in Altenhaßlau

1980

Entstehung eines Festplatzes mit Gebäude, zwei Sportplätze mit Vereinsheim in Geislitz

1981

Umbau der alten Schule zum Bürgerhaus mit Saal in Eidengesäß

1985

Ehemaliges Schulhaus in Geislitz wird als Kindergarten genutzt

1985

Entstehung eines evangelischen Pfarrhau­ses in Eidengesäß zusammen mit Geislitz

1987

Fünfzig-Jahr-Feier von Waldrode

1988

Bau einer Turnhalle mit Clubräumen sowie 5 Tennisplätzen in Lützelhausen (bis 1989)

1989

700-Jahr-Feier von Eidengesäß

1990

750-Jahr-Feier von Altenhaßlau

1989

Umbau des „Hanauischen Amthofes“ und der „Zehntscheune“, heute Rathaus in Altenhaßlau

1995

25-jähriges Jubiläum der Großgemeinde Linsengericht

 

Lützelhausen

Von der Autobahnabfahrt - Gelnhausen-West kommt man zuerst nach Lützelhausen Der Name kommt von „lützel“ (= klein) und erscheint urkundlich erstmals 1326 als „Lutzeln­husen“. Der Ort ist nicht zu verwechseln mit Biebergemünd-Lützel. Um 1400 wurde der Ort von dem Zusammenbruch einer großen Bergwerksanlage betroffen, in der nach Eisen und Kupfer geschürft wurde und von der bis heute große Mulden der Tagbaustollen zurückgeblieben sind.

 

Großenhausen

Großenhausen, als „Groczinshusen“ erstmals 1334 urkundlich aufgeführt, besaß bis vor einigen Jahrzehnten einen 100 Meter tiefen Stollen, in dem Schwerspat abgebaut wurde. In den sogenannten „Blaulöchern“, den Flachsdarren, wurde Flachs gewonnen. Rechts geht die Gelnhäuser Straße ab, von der links der Kirchweg abgeht. Hier steht die evangelische Kirche von 1964 - 1966, die eine Kanzel aus der Reinhardskirche in Altenhaßlau hat. Wenn man aber auf der Geislitzer Straße weiter in den Ort fährt geht links die Straße „In der Ecke“ ab, die zu einem Östlich der Straße nach Großenhausen ist der Wingertsberg, wo Wein angebaut wurde.

 

Hufeisen

Wenn man durch Großenhausen hindurchgefahrem ist geht es links weiter nach Waldrode und noch ein Stück weiter geht es auf die Straße nach Altenhaßlau und von der geht es rechts ab  zum Hufeisenhof. Der Hufeisenhof wurde 1946 von den Sidolwerken Köln errichtet (und diente auch als Jagdhütte) und war seit 1958 Freizeit- und Tagungsstäte des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt (daher noch die Kapelle am Ostrand des großflächig bebauten Geländes). Seit 2000 ist er Gaststätte und Hotel (vor allem für Seminartagungen), aber der Besuch kann nicht empfohlen werden.

Auf der Teerstraße (Hessenweg) geht m an dann hinauf zum Hufeisen. Rechts steht ein Gedenkstein für den Oberförster und Kreisjägermeister Kurt Kuba (1925 - 1945). Das Hufeisen ist eine Wegspinne mit Schutzhütte. Die Birkenhainer Straße kommt von Großauheim bzw. Neuwirtshaus, läuft über den Hof Trages und steigt bis zum Fronbügel stetig an. Danach nimmt sie den Umweg über das „Hufeisen“ in Kauf, um die Höhenmeter nicht zu verschen­ken. Bis zur „Bayrischen Schanz“ verläuft sie auf der Grenze zwischen Hessen und Bayern, dann führt sie nach Gemünden hinab.

Für den Platz „Hufeisen“ bieten sich zwei Interpretationen an. Der Weg macht eine scharfe Biegung nach rechts, fast in der Form eines Hufeisens. Oder: An diesem Ort soll sich einmal eine Schmiede befunden haben, damit die Pferde hier neu beschlagen werden konnten. Doch weder die Schmiede noch die Tränke lassen sich nachweisen. Gefunden haben die Archäologen statt dessen Reste einer keltischen Fliehburg. Der Passant wird dieses vorgeschichtliche Zeugnis - die Reste der Wälle - kaum erkennen.

 

Geislitz

Wieder zurück auf der Straße nach Altenhaßlau kommt man nach Geislitz. Der Ort wurde als „Giselhartes“ 1398 erstmals urkundlich erwähnt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war es nach Einwohnern mit 242 Personen für kurze Zeit die größte Gemeinde im „Gericht Altenhaßlau“. Heute leben in Geislitz 1.275 Einwohner. Am Ortseingang am Friedhof steht die evangelische Kirche von 1955 - 1956.

 

Eidengesäß

Eidengesäß wurde 1288 erstmals erwähnt. Eidengesäß war der Ort der Korbmacher, die ein für den Spessart typisches Handwerk ausübten. Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Eidengesäß eine weit und breit einmalige Korbmacherdichte, in jedem dritten Haus war einer. Mit 2 500 Einwohnern ist Eidengesäß heute eine reine Wohngemeinde und Mittelpunkt des Fremdenverkehrs der Gemeinde Linsengericht. Wildpark, Angelweiher und 20 Kilometer markierte Wanderwege bieten reiche Abwechslung.

In der Bergstraße steht die Kirche. Ur­sprünglich stand hier eine dem St. Veit geweihte Kapelle. Der frühgotische Chor ist um 1300 ge­baut, die jetzt so genannte Marienkapelle wurde im Jahre 1349 erbaut. Das heutige Kirchenschiff stammt aus der Zeit um 1750. Der Turm und die Sakristei wurden 1906 erbaut (siehe Jahreszahl über dem Eingang). Im Chorraum wurde ein Teil des barocken Orgelprospektes aus der ehemaligen Rein­hardskirche in Altenhaßlau von 1749 wiederverwendet.

Zum Tiergehege kommt man über die Straße nach Breitenborn. Am Ende des Ortes geht es rechts ab. Der Weg macht einen Linksbogen zwischen den Sportplätzen hindurch und trifft auf einen anderen Weg, in den man rechts einbiegt. Dort ist nach einigen Metern das Gehege.

 

 

Ringwall Hainkeller                                                                                     Führungsblatt 106

Der Zugang zum Ringwall erfolgt entweder vom Hufeisenhof auf am Hang entlangführenden Wegen südlich der Bergkuppe „Raue Heil“ zum Hainkeller (1,65 Kilometer). Oder vom Parkplatz „Breitenborner Höhe“ an der Straße Eidengesäß nach Breitenborn auf mäßig ansteigenden Waldwegen in weitem Bogen zum Bergsporn des Hainkellers (2,2 Kilometer). Dieser Weg dürfte bequemer sein als von weiter unten an der Straße nach Breitenborn oder direkt von Lützel den Hang aufwärts. Man kann den Hainkeller auch verbinden mit einem Besuch in Biebergemünd.

Aus dem nord-süd-verlaufenden Höhenzug, der das Tal der Bieber von der Kinzig und ihrer Talweitung südlich Gelnhausen trennt, ragt als östli­cher Ausläufer der „Raue Heil“ (435,4 Meter) der breite Bergsporn des Hainkellers in das Tal des Lützelbaches vor, der unweit von Lanzingen in die Bieber mündet. Vom Talgrund aus, über den er sich fast 200 Meter erhebt, erscheint er als isolierte Kuppe, besitzt aber nur im Norden, Osten und Süden steile Abhänge, während er im Westen über einen flachen Sattel mit dem Höhenzug verbunden ist. In die Nordseite der Kuppe ist von Osten her ein steilge­böschtes Tälchen eingeschnitten und verleiht dem Berg hier eine eigen­artige Naturgestalt.

Um die Bergkuppe zieht ein doppelter Ringwall, der offensichtlich namen­gebend für den ganzen Berg war. Die beiden Wallinien haben eine ovale Gesamtform und queren den Bergsattel. Sie halten sich auf der Nord- und Ostseite möglichst auf der Höhenlinie, erreichen ihren tiefsten Punkt im Südosten und ziehen auf der Südseite in gleichmäßiger Steigung wieder zum Sattel hoch.

Der Verlauf des inneren Walles ist wesentlich durch die natürlichen Gege­benheiten bedingt. Vom leichten Wiederanstieg der Bergkuppe an der Ostseite führt er über eine Strecke von etwa 60 Meter über den ebenen Sattel, umfaßt er im Norden das Tälchen, an dessen westlichem Abschluß und nördlichem Rand er geführt ist. Dadurch ist im Nordwesten eine scharfe, fast rechtwinklige Ecke ausgebildet.

Im Bereich hinter der Ecke hat eine Eingrabung auf einer Terrasse des Tälchens Anlaß zu der Vermutung gegeben, hier habe zur besseren Übersicht und Verteidigung ein Holz­turm gestanden (Rundschanze E bei Thomas). Es handelt sich jedoch eindeutig um eine neuzeitliche Eintiefung, wie sich eine weitere ganz ähnlich direkt hinter der Ecke findet, die auf Bergbauversuche oder Schatzgräberei zurückgeht.

Der innere Ring hat eine Gesamtlänge von 600 Metern und schließt eine Fläche von knapp 2,4 Hektar ein. Das Tor lag auf der Nordseite. Es war ein einfacher Durchlaß von 2 bis 3 Meter Breite in der Wehrmauer. Seine Umgebung ist zergraben und verändert, wie der ge­samte Wall durch Steinentnahme, Schatzgräberei, Überfahren und Forstkultur schwerstens gelitten hat und nur noch an wenigen Abschnitten mit Innen- und Außenböschung eine Höhe von rund einem Meter erreicht.

Der äußere Wall umfaßt mit 780 Meter Länge eine Fläche von knapp 4,4 Hektar. Er führt im mittleren Abstand von 20 bis 30 Metern um den inneren Ring herum. Nur wo er an der Westseite den Bergsattel quert, ist er bis fast 50 Meter vorgelegt. Auch er ist schwer beschädigt und war zudem durch seine Lage tiefer am Hang der Erosion stärker ausgesetzt, so daß er mit Ausnahme des westlichen Teils über größere Strecken gar nicht mehr, sonst nur noch als Geländestufe vorhanden ist.

Das vermutlich einzige Tor lag unterhalb des Innentores auf der Nordseite und war als Tangentialtor, das heißt mit übereinandergreifenden Mauerenden gebaut. Diese Situation ist kaum mehr nachvollziehbar, da gerade hier ein Windbruch infolge der Orkane des Frühjahrs 1990 und anschließende Forstarbeiten den ehemaligen Wallverlauf fast unkenntlich gemacht haben; auf der Gegenseite im Süden hat das Überpflügen des Walles zur Anlage von Forstkulturen denselben Erfolg gezeitigt.

Zwischen den beiden Wällen liegt im Bergsattel zwischen den Zufahrts­wegen ein durch kleine Erd- bzw. Steinwälle begrenztes Viereck von knapp 15 mal 20 Metern. Es muß bei neuzeitlichen, forstlichen (?) Maßnahmen entstanden sein, die hier eine ebene Fläche geschaffen haben, und hat mit der früheren Besiedlung der Anlage nichts zu tun. Ebenso sind in der Literatur genannte Podien innerhalb und vor allem außerhalb der Wälle am Nord- und Osthang des Berges keine Zeugnisse der Besiedelung, sondern Überreste von Windbrüchen.

Zur Wasserversorgung der Befestigung konnten mehrere Quellen dienen, die allerdings erst wesentlich tiefer am Hang austreten. Die nächstgele­gene befindet sich am Osthang in über 200 Meter Entfernung vom äußeren Wall und trägt - im Zusammenhang mit einer Sage, die Riesen als Erbauer und Bewohner der Wälle ansah - den Namen Riesen-Klotze­-Born oder Riesenklosborn. Eine andere Quelle weit im Nordwesten der Anlage wurde als Hainborn bezeichnet.

Die zu den vorliegenden Wällen verstürzten Mauern muß man sich als Holz-Stein-Erde-Mauern mit senkrechter Vorder- und Rückfront vorstel­len, die zum überwiegenden Teil aus dem anstehenden Buntsandstein erbaut waren. Vor ihnen verlief kein Graben, was zu der irrigen Annahme geführt hat, den Erbauern sei die Mühe des Aushebens eines Grabens zu groß gewesen und sie hätten statt dessen lieber eine zusätzliche Mauer, den äußeren Ring, errichtet! Tatsächlich ist der Graben jedoch kein Bestandteil vorgeschichtlicher Befestigungsanlagen und war nach dem Stand der Kriegskunst und Belagerungstechnik gar nicht notwendig.

Vom Hainkeller sind Funde bisher nicht bekannt. Was bei den umfängli­chen Wühlereien und Zerstörungen gefunden worden sein mag, ist verlo­ren. Grabungen haben noch nicht stattgefunden oder sind nicht überlie­fert. Ein Schnitt durch den Außenwall an der Westseite sollte von einer Grabung stammen. Nach Form und Anlage dürfte die Befestigung in die Frühlatènezeit gehören, also in die frühe keltische Zeit im 4 ./ 3. Jahrhundert vCh.

Ein gerne konstruierter Zusammenhang mit vermuteter vorge­schichtlicher Nutzung der Orber Salzquellen oder vermutetem vorge­schichtlichem Eisenbergbau im Biebertal ist reine Spekulation. Völlig in das Reich der Phantasie gehört auch die Konstruktion eines Befesti­gungs­systems im Biebertal, zu dem neben dem Hainkeller die in ihrer Zeitstellung völlig unterschiedlichen Anlagen der Alteburg bei Wirtheim, der Alteburg bei Kassel und auf dem Burgberg bei Bieber herangezogen wurden. Der Hainkeller war zu seiner Zeit ständig bewohnter, befestigter Mittel­punkt eines größeren Siedlungsgebietes, das vermutlich weit über das Biebertal hinausreichte.

 

Altenhaßlau

Über Eidengesäß fährt man nach Altenhaßlau. Achtung: Wenn man von Eidengesäß nach Altenhaßlau kommt und später auf die Autobahn in Richtung Hanau will, dann muß man nach links in die Hauptstraße abbiegen, sonst wird man nach Gelnhausen-Ost geleitet.

Am Rande des Orts geht rechts die „Sandhohle“ ab und dann fährt man noch einmal links in die Sackgasse „Strumpelburg“. Dort steht in einem von einer Mauer umgebenen Garten der so genannte „Jussowsche Tempel“. Er ist ein klassizistisches Kleinod von kreisrundem Grundriß. Im Jahre 1806 entwarf der Bau­meister des hessischen Kurfürsten Wil­helm I., Heinrich Christoph Jussow, das Gebäude als Gartenpavillon. Bauherr war Carl Fried­rich Buderus zu Carlshausen, Berater des Kurfürsten und Wahl-Linsengerichtler. Er war es, der den Frankfurter Münzhändler Mayer Amschel Rothschild mit dem Lan­desherrscher zusammenbrachte und so den Aufstieg der Rothschilds zu mächti­gen Bankern ermöglichte. Der Freizeithistoriker Richard Arnoldi hat hartnäckig für die Rettung des lange unbeachteten „chinesischen Tempels“ ge­kämpft und die geschichtlichen Zusammenhänge in Erinnerung gerufen. Das be­wog sogar Elie Baron de Rothschild, eines der Oberhäupter der Rothschild-Dynastie, die Gemeinde mit dem einprägsamen Na­men zur 750-Jahr-Feier im Jahre 1995 zu besuchen.

Wieder zurück auf der Eidengesäßer Straße geht nach einem kurzen Stück links die Hauptstraße ab. Links geht es zum Amtshof, ein hanauisches Amtshaus aus dem 16. Jahrhundert mit Zehntscheune, das zum Rathaus mit Heimatmuseum umgebaut wurde.

Die evangelische Martinskirche hatte ursprünglich den Namen „St. Martin“. Doch 1818 wurde sie in „Wilhelmskirche“ umbenannt, erhielt aber 1968 wieder die Bezeichnung „Martinskirche“. Sie wurde erbaut im 11. / 12. Jahrhundert (auf der Tafel an der Kirche steht 6. - 8. Jahrhundert) als eine Kapelle, die später zur Wehrkirche ausgebaut wurde. Der Chor ist um 1230 erbaut von der Bauhütte der Marienkirche in Gelnhausen. Äußerlich charakteristisch ist der gedrungene Turm mit einem achteckigen verschieferten Spitzhelm über vier Spitzgiebeln aus dem 14. Jahrhundert. Der Chor mit gotischem Kreuzrippengewölbe und Knospenkonsolen geht auf die Zeit um 1230 zurück. Die Sakristei wurde im 15. Jahrhundert erbaut. Vom Baustil her ist das heutige Gotteshaus eine frühgotische Chorturmkirche mit teil­weise noch romanischen Bauteilen und einem barocken Kirchenschiff aus der Zeit von 1752 - 1753. Im Jahre 1958 wurden Erweiterungen an der Westseite und eine Renovierung durchgeführt. Die Erneu­erung der Kirchenmauer, der Treppe und des Vorplatzes wurden 1980 durchgeführt. In und an dem Gotteshaus befinden sich Grabsteine aus dem 17. und 18. Jahrhundert, darunter mehrere Wappensteine. Zur Ausstattung der Kirche gehören Abendmahlskannen aus dem Jahre 1695 und Brot­teller aus dem Jahre 1705, jeweils mit Stifternamen. Die Kanzel wurde 1752 und der Altar 1958 erbaut. Die Orgel wurde von der Firma Bernhard Schmidt (Gelnhausen) unter Verwendung von Teilen der Barockorgel aus dem Jahre 1768 erstellt.

In der Metzgergasse steht an der Ecke ein kleines Brauhaus. Nördlich der Kirche stehen zwei große Hofgüter mitten im Ort. Mit Hilfe des hessischen Dorferneuerungsprogramms wurden etliche Fachwerkhäuser saniert und Scheunen zu attraktiven Wohnungen umgebaut. In der Schulstraße wurde die alte Schule zu einem „Haus der Vereine“ umgestaltet und heute ist hier auch ein Radio-Museum ist. Hier ist auch ein Parkplatz.

Die Reinhardskirche wurde 1725 erbaut als Jagdzeughaus der Landgrafen von Hanau. Im Jahre 1818 wurde sie durch Landgraf Reinhard von Hanau (daher der Name) der lutherischen Gemeinde als Kirche zur Verfügung gestellt. Im Jahre 1963 erfolgte der Umbau zum jetzigen Gemeindehaus (Jugendheim). Im Obergeschoß des Hauses befindet sich ein schöner Barocksaal. Auf der rechten Seite der Straße steht die Reinhardts­schänke mit zwei alten Grabsteinen. Das Haus wurde im Jahre 1976 von der Gemeinde erworben und 1983 /84 umgestaltet wurde mit einem Saal mit 450 Sitzplätzen.

Am westlichen Ausgang von Altenhaßlau steht das „Sportcenter Kinzigtal“, das 1974 durch Kurt Bechtold erbaut wurde, mit 8 Kegelbahnen und 4 Bowlingbahnen sowie zwei Tennisfeldern unter einem Dach. - Die katholische Gemeinde versammelt sich in der St. Johanniskirche von 1963 / 1964.

 

Das Paradieschen (An der Wann 1):

Für die Brüder Kurt und Mario war es die Überzeugung für verantwortungsvoll produzierte Lebensmittel, die sie in ihre Geiselbacher Garage trieb. Dort packten die beiden 1995 die ersten Gemüsekisten aus regionalem Anbau und tuckerten mit einem uralten Transporter zu ihren Kunden. Ein Jahr später folgte der erste Laden, eine zwölf Quadratmeter große Gartenhütte. Nach und nach kamen immer mehr Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter dazu, das Unternehmen wuchs und bezog kurz nach der Jahrtausendwende eine neue Packhalle samt Verkaufsraum, immer noch im Kahlgrund.

Aber irgendwann auch diese Räumlichkeiten an ihre Grenze, für die Expansion ein neuer Standort gesucht und jenseits der Landesgrenze in Linsengericht gefunden.

Seit 2014 steht der kühne Palast aus Glas und Holz am Ortsrand von Altenhaßlau. Die Leser der „Schrot & Korn“ wählten das Paradieschen zum besten Bio-Supermarkt Deutschlands, und Mario wurden als Unternehmer des Jahres ausgezeichnet. Sie beschäftigen mittlerweile weit über 100 Mitarbeiter. Die verwöhnen ihre Kunden mit Frühstück, zwei wechselnden Mittagsmenüs, viel Fachwissen und dem Elan, der nur entsteht, wenn ein ganzes Team auf einer Wellenlänge schwimmt. Das Versprechen, hier „Produkte von netten Menschen zu kaufen, wird vollumfänglich eingelöst. Natürlich ist alles etwas teurer als beim Discounter. Aber zu wissen, woher das Ei, das Fleisch oder die Rübe kommt, wie produziert und transportiert wurde, ist die paar Euro extra wert, das Einkaufsambiente allemal!

 

Das Radiomuseum (Florian Straße 6-8):

Wer mit legendären Namen wie Saba, Telefunken oder Wega etwas anfangen kann, wird von den Schaustücken im Dachgeschoß des Hauses der Vereine begeistert sein. Dort haben Hörfunk-Liebhaber eine ehemalige Privatwohnung in ein wunderbares Museum verwandelt. Auf einer Zeitreise von den zwanziger Jahren bis heute wecken viele der 400 Exponate Erinnerungen an die Epoche, als Oma und Opa anstelle eines Fernsehers noch so ein wuchtiges Röhrengerät im Wohnzimmer stehen hatten.

Besonders stolz sind die Macher auf ihre gesammelten Kuriositäten, mit denen im Lauf der Jahrzehnte der Musikkonsum vereinfacht werden sollte. Sei es ein Rutschsystem für den automatischen Kasettenwechsel oder das „Schaub Lorenz Music Center 5001“, das auf 126 Spuren 140 Stunden Tonkunst speichern konnte. Der Höhepunkt technischen Neuerungen, die sich nicht durchgesetzt haben, ist ein kleiner VW Bulli aus den siebziger Jahren, der mit Tonabnehmer und Lautsprecher ausgestattet direkt auf einer Schallplatte seine Runden dreht und dabei einen sehr zweifelhaften Hörgenuss verursacht. Weil man den Geräten als Laie ihre Besonderheiten oft gar nicht ansieht, ist eine Führung mit einem der Vereinsmitglieder am spannendsten und amüsantesten.

Abgesehen von der Ausstellung wird in einer Radioklinik auch Hilfe bei der Reparatur älterer Apparate angeboten. Wer ein museales Stück wieder zum Laufen bringen möchte, ist mit den Ratschlägen der Technikprofis gut bedient. Und wer ein ganz besonderes Schätzchen als Spende oder Leihgabe zur Verfügung stellen kann sich gern an die Museumsmacher wenden.

 

Waldrode

Der Regiomat:

Der Wanderer hat das Hochplateau über Großenhausen erklommen, genießt die Ruhe und die Aussicht und hat Durst. Im schlimmsten Fall auch noch Hunger. Doch kein Gasthaus, kein Laden, nicht eine Tanke bietet irgendetwas an. Die Rettung steht an der Hauptstraße von Waldrode: der Regiomat.

In einem freundlichen Holzhäuschen können sich Wanderer, Dorfbewohner und Durchreisende seit Sommer 2019 mit regionalen Bioprodukten versorgen. Der Automat ist gefüllt mit Käse, Eiern, Wurst, Wasser und Limonade und steht 24 Stunden zur Verfügung. Finanziert wurde die kleine Infrastrukturmaßnahme von Kreis und Spessart-Tourismus. Bewerben konnte sich jeder, der drei Bedingungen erfüllte: er kein anderer Nahversorger im Dorf, Wanderwege in der Nähe, ein fester Partner vor Ort, der sich regelmäßig um den Verkaufsautomaten kümmert.

In Waldrode sind das Tobias und Henry Groh vom benachbarten Ziegenhof. Sie bestücken den Regiomat zu etwa einem Viertel mit ihren Produkten, Käse vom Schaf und der Kuh werden von anderen Biohöfen zugekauft, die Eier kommen vom Hofgut Marjoß, Wasser aus Biebergemünd, die Säfte aus Freigericht und die Limonade aus dem bayrischen Spessart. Für die beiden Landwirte geht mit dem Automaten ihr Traum der Direktvermarktung in Erfüllung, denn für einen Hofladen bräuchten sie Personal - und das würde sich wohl nicht rechnen. Mehrmals pro Tag prüfen die Ziegenbauern, ob die elektronische Verkaufshilfe nachgefüllt werden muss, wer nämlich sein Lieblingsprodukt nicht kriegt, kommt möglicherweise nicht wieder. Engpässe kann es höchstens mal in der Nacht geben, denn erstaunlich gute Umsätze erzielt der Regiomat nach Einbruch der Dunkelheit. Warum, das können sich die Grohs auch nicht so recht erklären.

 

 

 

 

Hasselroth

Die Gemeinde Hasselroth setzt eine historische Tradition fort, obwohl sie in ihrer jetzigen Gestalt erst seit 1974 besteht. Die drei Ortsteile Gondsroth, Niedermittlau und Neuenhaßlau bildeten nämlich bis ins 20. Jahrhundert das Kirchspiel Niedermittlau, existierten also lange vor ihrer politischen bereits als kirchliche Einheit. Heute haben sie insgesamt 7.550 Einwohnern.

Im Kulturweg findet sich jeder Ortsteil mit eigenen Traditionen, historischen Entwicklungen

und Mentalitäten wieder: Neuenhaßlau ist betriebsam wegen des Tonabbaus und der Diamantschleiferei. Für Gondsroth steht das mittelalterliche Rittergeschlecht der Herren von Gonsrod (= Adel) und für Niedermittlau der romanische Löwe im Inneren des Turms der Laurentiuskirche.

Hasselroth ist eine muntere Gemeinde mit einem außergewöhnlich regen Vereinsleben. Die Gemeinde ist landschaftlich reizvoll gelegen und umgeben von Landschaftsschutzgebieten. Es gibt auch ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet, der 11 Hektar große „Hässeler Weiher“ nördlich von Neuenhaßlau, nördlich der Bahn in Höhe der beiden rechteckigen Teiche südlich der Bahn

 

(Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 121). 

Heute wird Hasselroth durch das Aufeinandertreffen von Urbanität und Natur geprägt, einerseits durch seine Anbindung an das Rhein-Main-Gebiet und andererseits durch die intensive Beschäftigung mit Natur, sei es in den Obst- und Gartenbauvereinen, im eindrucksvolles „Natur- und Vogelschutz-Informations-Zentrum“ in der Bahnhofsiedlung (Südostrand) oder im Ersten Hessischen Jugendwaldheim mit einem Informationszentrum für Umweltbildung. 

 

1234

Bau einer Kapelle in Gondsroth

1525

Beginn der Reformation im Bereich der drei Dörfer

1629

Pest in den Dörfern Gondsroth, Neuen­haßlau und Niedermittlau  (bis 1634)

1717

Erneuerung der Kirche in Gondsroth

1777

Bau des alten Schulhauses in Neuenhaßlau

1780

Bau des Kirchenschiffs in Niedermittlau

1845

Bau des „neuen“ Schulhauses  (jetzt Rathaus)  in Neuenhaßlau

1847

Auswanderung von 67 Personen aus Nieder­mittlau nach Nordamerika

1847

Bau des alten Schulhauses (später Rathaus)

1854

Neuenhaßlau erhält einen eigenen Friedhof

1893 

Gründung der Raiffeisenkasse Neuenhaßlau‑Gondsroth

1899

Errichtung des Bahnhofs  Niedermittlau

1910

Flurzusammenlegung der Gemeinden Neuenhaßlau‑Gondsroth

1917

Anschluß Neuenhaßlaus an die öffentliche Wasserversorgung

1921

Anschluß Neuenhaßlaus an die Elektrizi­tätsversorgung

1936

Entstehung des Luftwaffen‑Versorgungsla­gers im Gemeindewald

1945

Bombenabwürfe über der Gemarkung Neuenhaßlau

1969 

Bau des evangelischen Gemeindehauses „Johannes­-Heermann‑Heim“ in  Neuenhaßlau

1969

Das Land erteilt der Gemeinde Neuen­haßlau die Genehmigung zur Führung eies Gemeindewappens und einer Gemeindeflagge

1969

750 jähriges Bestehen des Heimatdorfes Neuenhaßlau

1970

Zusammenschluß von Neuenhaßlau und  Gondsroth zur Gemeinde Hasselroth

1974

Anschluß von Niedermittlau an Hasselroth; Bildung des Main‑Kinzig‑ Kreises

 

 

 

 

Ysenburger Hecke:

Die Anfahrt erfolgt über die Autobahnabfahrt Langenselbold und über den Bahnhof nach Neuenhaßlau. Rechts der Straße von Langenselbold nach Neuenhaßlau liegt die Ysenburger Hecke, eine zu Wald gewordene Gemarkung. Hier lag einst die erstmals 1236 erwähnte Siedlung Laubersbach, deren Abgaben an das Kloster Selbold und auch zum Einkommen des Kaplans von Gondsroth mit „etliche Sichling Korn und ein Ohm Wein“ beitrugen. Wann die Ansiedlung verschwunden ist, steht nicht fest. Eine Jagdkarte von 1527 zeigt, warum die „Ysenburger Hecke“ ihren Namen trägt: Das rot eingerahmte Gebiet enthielt zur damaligen Zeit keinen Wald (wie etwa im nebenliegenden Rodenbacher Wald), sondern stellt sich als Heckenlandschaft dar. Zum Teil wurde die Gemarkung zum Weinanbau genutzt.

 

 

Tanklager:

Ein Stück weiter auf den Ort zu, aber nördlich der Straße, liegt das Gelände des so genannten „Tanklagers“, das 1936 durch die Berliner Wirtschaftliche Forschungsanstalt (Wifo) aus dem Besitz der Gemeinde erworben wurde. Die Wifo war eine Tarnorganisation der Reichsregierung und diente Rüstungszwecken. Der 1939 fertiggestellte Gebäudekomplex wurde abgeriegelt und diente der Versorgung der nahegelegenen Fliegerhorste Rothenbergen und Langendiebach. Das Tanklager überstand den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden. Die technischen Anlagen wurden demontiert und die gut erhaltenen Gebäude dienten in den folgenden Jahren mehreren Zwecken: Zunächst als Hilfskrankenhaus der Stadt Hanau, danach als Wohnheim für Heimatvertriebene und Aussiedler.

 

Neuenhaßlau:

Die Besiedlung von Neuenhaßlau dürfte sich am alten Verkehrsweg von Selbold über die Kinzigfurt zur Birkenhainer Straße orientiert haben. Der Ort „Neuenhaselaha“ wurde 1219 erstmals urkundlich erwähnt und gehörte teilweise zum Reichslehen des Rittergeschlechtes von Rückingen, das 1343 dort eine Kapelle stiftete. Ab dem 15. Jahrhundert übernahm die Grafschaft Ysenburg das Neuenhaßlauer Gebiet. Die Einwohnerzahl von etwa 200 Personen sank im 30-jährigen Krieg wegen der Einquartierung hessischer und spanischer Truppen 1621/27 und wegen der Pest 1629/35. Erst 1790 wurde die Einwohnerzahl von 1596 wieder annähernd erreicht. Die Niederlage Napoleons 1815 besiegelte das Ende der Grafschaft Ysenburg.

 

Diamantschleifer:

Anfang des 20. Jahrhunderts konnte sich für einige Jahrzehnte das Diamantschleiferhandwerk in Neuenhaßlau etablieren. Der Anstoß dazu ging von Philipp Breideband aus, der in Afrika Einblick in die Bearbeitung von Edelsteinen erhalten hatte und 1911 in der Bahnhofstraße eine Schleiferei eröffnete. Diese überstand die Wirtschaftsblockade des Ersten Weltkriegs und wurde ab 1921 von Breidebands Stiefsohn Martin Bender geführt. Der Erfolg führte zur Gründung weiterer diamantverarbeitender Betriebe, unter anderem in Neuenhaßlau, Niedermittlau und Hailer, die sich zu einer attraktiven Anlaufstelle für die Schulabgänger der Umgebung entwickelten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es fünf Schleiferbetriebe in Neuenhaßlau. Der Aufschwung der Industrie im Rhein-Main-Gebiet ab den fünfziger Jahren bot besser bezahlte Arbeitsplätze, was dazu führte, dass das Diamantschleifergewerbe Anfang der siebziger Jahre fast völlig ausstarb. Lediglich in Neuenhaßlau überlebte ein Betrieb in der Bahnhofstraße 27, der sich von der Schleiferei auf den Handel mit Diamanten verlegte.

 

Tongrube:

 Der heutige Angelteich an der Heegstraße geht zurück auf den Betrieb einer Tongrube des Neuenhaßlauer Schamotte- und Tonwerks zwischen 1904 und 1920. Danach wurden Werkhalle und Kamine abgerissen. Erhalten blieb das ehemalige Kontorhaus, das der Zigarrenfabrikant Michael Gerstenberg 1929 kaufte. Das an der Hanauer Landstraße (östlicher Teil der Durchgangsstraße) gelegene gründerzeitliche Doppelhaus war ursprünglich als Arbeiterwohnhaus der Schamottefabrik konzipiert. Es wurde in der Folgezeit als Direktorwohnung hergerichtet.

Die beiden nebeneinander liegenden Gebäude an der Hanauer Landstraße 13/15 und 17 wurden aus den Ziegeln des Schamottewerks errichtet. Links das Fertigungsgebäude der Zigarrenfabrik bzw. das frühere Kontor der Schamottefabrik. Rechts die ehemalige Direktorwohnung der Zigarrenfabrik. Die hellen Klinkersteine des Gerstenberg-Gebäudes (zu sehen auch am Hause Hauptstraße 24) waren die Spitzenprodukte aus dem Schamotte- und Tonwerk Neuenhaßlau. Sie wurden „Verblender“ genannt - und wurden teuer bezahlt: zu teuer, wie sich am sinkenden Absatz ablesen ließ.

 

Glockentürmchen:

Das Wahrzeichen von Neuenhaßlau, das Gebäude „Glockentürmchen“ von 1777, steht neben der Tongrube. Hier war bis 1895 die Schule untergebracht. Später wohnten im Glockentürmchen Leute, die im Krieg ausgebombt worden waren. Daneben das erwähnte Haus Hauptstraße 24 mit den „Verblendern“.

 

Kirche:

Eine im Jahre 1343 erbaute Kapelle zwischen Hanauer Landstraße und Hauptstraße inmitten eines dreieckigen Kirchhofs verfiel im 16. Jahrhundert. Bei der Platzwahl für die Notkirche von 1949 kehrte die Gemeinde wieder in die Nähe der alten Kapelle auf die „Kirchenwiese“, zurück. Auch die neue Christuskirche von 1958 hat in der Nähe der Hasselbachstraße 9 ihren Platz gefunden. Sie schlägt mit der Aufstellung des mittelalterlichen Altarsteins im Vorraum den Bogen zwischen heute und der vom 14. bis ins 16. Jahrhundert bestehenden Dorfkapelle. Der vom Hailerer Architekten Georg Reuther geplante Kirchenbau erhielt bei der Renovierung 1997 eine beeindruckende Umgestaltung: Die Kirchenfenster wurden bis zum Boden erweitert. Der Künstler Tobias Kammerer aus Rottweil gestaltete eine Passionsseite (Farbe violett-schwarz) und eine Osterseite (Farbe: gelb-orange).

Die Katholische Kirche „St. Maria, Hilfe der Christen“ in der Marienstraße 4 im Süden des Ortes ist von 1954 – 1956.

 

Edelweißhütte:

Südlich von Neuenhaßlau und westlich von Gondsroth ist die Edelweißhütte am Wingert. Zu ihr kommt man über die Richard-J.-Ruff-Straße am nordwestlichen Ende von Gondsroth. Man geht geradeaus an der Feuerwehr vorbei, an der Feldwegkreuzung weiter geradeaus, dann rechts und links und immer weiter bis zum Waldrand. Der Name Wingert (Weinberg) deutet an, dass hier früher Wein kultiviert wurde. Später gediehen Getreide und Kartoffeln, bis man Obstbäume (überwiegend Äpfel) anpflanzte.

Die im April 1972 fertiggestellte Schutzhütte wurde vom Touristenverein „Edelweiß“ Gondsroth e. V. errichtet und nach einem Brand im Jahr 2002 erneuert. Der Touristenverein wurde 1919 von zehn Gondsrothern gegründet und ist seit 1927 eine Ortsgruppe des Spessartbundes. Im Sommer ist die Edelweißhütte an Sonntagen geöffnet. Wanderer und Gäste genießen die Ruhe, den angrenzenden Wald und den herrlichen Ausblick. Auf dem Spielplatz können sich Kinder austoben. Alljährlich findet hier an Christi Himmelfahrt ein Festgottesdienst statt. Hier ist der Ausgangspunkt für Wanderungen in den Spessart, durch das Kinzigtal in den Vogelsberg und durch die Bulau zum Main.

 

Gondsroth:

Gondsroth mit seiner Kapelle wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gegründet und gehörte in dieser Zeit den Grafen von Selbold-Gelnhausen. Ab 1534, unter der Herrschaft der Grafen von Ysenburg, wurde die Reformation eingeführt.

 

Kirche: Die früheste Erwähnung der evangelischen Kirche liegt vor 1151. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde die noch heute existierende Kirche errichtet. Der stilistische Vergleich mit anderen Bauwerken der Region wie mit der Marienkirche in Büdingen untermauert die historischen Verbindungen zwischen dem Kirchspiel Niedermittlau und der Grafschaft Ysenburg am Übergang zwischen Mittelalter und früher Neuzeit.

Ein wehrhafter Westturm mit Spitzhelm über vier verschieferten Giebeln gibt der Kirche ihr markantes Aussehen. Der Bau des Turmes konnte mit Holzproben auf die Jahre zwischen 1460 und 1469 datiert werden. Dies entspricht auch der kunstgeschichtlichen Einordnung des spitzbogigen Turmportals im spätgotischen Baustil. Weitere Baumaßnahmen wurden 1646 (Turm) und 1717 (Gesamtbau) durchgeführt. Eine Besonderheit des Baus war der hölzerne, spitze, achteckige Turmhelm, der den steinernen Helmen der Hochgotik nachempfunden war. Im Jahre 1993, nach dem fäulnisbedingten Absturz des Hahns von der Turmspitze, wurde der Turmhelm zu 80 Prozent erneuert.

Das Dachgestühl des Kirchenschiffes wurde 1717 erneuert. Da die Kirchenwände der nun erhöhten Belastung nachgaben, wurde nachträglich an der Außenwand eine Holzkonstruktion angefügt. Der Blick in den Dachstuhl zeigt den auf den hölzernen Pfeilern („Stelzen“) basierenden Aufbau.

Das historische Turmuhrwerk wurde beim letzten Umbau gerettet und in künstlerischer Gestaltung bei der Kirche präsentiert. Der Entwurf stammt von Matthias Kraus aus Neuenhaßlau.

Das Gotteshaus ist ein schlichter kleiner Saalbau mit dreiseitigem Schluß und mit bäuerlichen Eichenemporen mit Drallien (Treppenstäbe aus Holz).. Im Innern stehen eine Renaissancekanzel und eine Steinmeyer-Orgel von 1927. 

In der Dorfmitte stehen der Backesbrunnen und Belgeshof.

 

Die Herren von Gonsrod:

Gondsroth hat seinen Namen von einer „Rodung“, die vermutlich nach einem der Ortsgründer benannt wurde: „Gunters-rade“. Die Siedlung stand im Mittelalter unter der Herrschaft des Rittergeschlechtes von Gonsrod, das in der Dorfmitte einen Hof besaß und dessen Einnahmen aus der Pacht und Zinszahlungen der ortsansässigen Bauern bestanden.

Die Herren von Gonsrod waren in militärischen und Verwaltungsfunktionen u.a. an der Kaiserpfalz in Gelnhausen tätig, sowie für die Grafengeschlechter Hanau und Rieneck und die Erzbischöfe von Mainz. Seit dem späten 15. Jahrhundert waren die Gonsrod mehrfach Stadtschultheißen von Aschaffenburg. Der Lebensmittelpunkt der Familie Gonsrod wechselte im 16. Jahrhundert in den Kahlgrund, wo der Weiler Heimbach bei Mömbris zum Familiensitz wurde. In der Cyriakuskirche zu Mömbris befinden sich die Grabmäler des letzten Familienmitglieds Philipp von Gonsrod (gestorben.1548) und seiner Ehefrau Walburgis (gestorben 1562). Im Jahre 1548 starb das Rittergeschlecht Gonsrod aus. Danach übernahmen die Grafen von Ysenburg die Kontrolle über Gondsroth. Der Ort wurde dem Kirchspiel Niedermittlau zugeschlagen. Nach dem Ende der napoleonischen Zeit wurde Gondsroth kurhessisch.

 

Niedermittlau 

Zum Kirchspiel Niedermittlau, das bis 1965 bestand, gehörten ursprünglich neben Niedermittlau die Kirchengemeinden von Gondsroth, Hailer, Neuenhaßlau und Meerholz. Im Jahre 1744

erfolgte die Abtrennung der Orte Meerholz und Hailer, die fortan das Kirchspiel Meerholz

bildeten. Besondere Bedeutung für die Entwicklung des Kirchspiels hatten die Klöster Meerholz und Selbold.

Niedermittlau gehörte als Teil des Gerichts Selbold seit dem 11. Jahrhundert zum Machtbereich der Grafen von Selbold-Gelnhausen, die um 1150 ausstarben. Als weltliche Herrscher setzten sich im Kirchspiel Niedermittlau die Grafen von Ysenburg durch, die hier auch die

Reformation einführten. Im Jahre 1566 trennten die Ysenburger das Gebiet links der Kinzig vom Gericht Selbold ab und schufen das neue Gericht Meerholz

 

Laurentiuskirche:

Der Turm der Laurentiuskirche ist das markanteste Bauwerk von Niedermitttlau; er ist vom Kirchgarten aus am besten bewundern. Durch Messungen an Holzteilen wurde das Alter der unteren Hälfte des Kirchturmes um das Jahr 1030 datiert (an der Kirche steht 1000). Da zu dieser Zeit Niedermittlau keine Kirche besaß, kann es sich um einen Wehrturm am sogenannten Sälzerweg gehandelt haben, der von Bad Orb entlang der Kinzig über Niedermittlau und Somborn an den Main führte. Der aus nach außen behauenem Sandstein bestehende Turm wird bereits im Jahre 1890 vom Kunsthistoriker Ludwig Bickell als der älteste Turm des Kreises Gelnhausen bezeichnet. Die Kirche ist wesentlich jünger. Das Bodenniveau im Hauptschiff liegt deutlich über dem des Turms. Das legt die Vermutung nahe, dass er im Lauf der Jahrhunderte (ein Jahrtausend!) erheblich abgesackt ist.

Die Bedeutung des Bauwerkes für die Grafen von Selbold-Geln­hausen zeigt sich, an den Schildkapitellen sowie zwei Steinmasken, die wohl aus dem frühen 12. Jahrhundert stammen. Innen im Turm eingemauert ist noch ein romanisches Löwenrelief an Ostseite des Turms, das auch zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstanden sein dürfte. Leider ist es  nur auf Fotografien zu bewundern, weil es vom Kirchendach verdeckt wird. Seine genaue Bedeutung ist bis heute unklar. An der Außenmauer ist unterhalb der Turmuhr die Steinplastik eines Gesichts zu entdecken. Wer genau hinschaut, findet an der Südseite auf gut halber Höhe eine eingemauerte Fratze, die möglicherweise als Schreckmaske böse Geister fernhalten sollte.

Ab 1338 werden Pfarrer in Niedermittlau erwähnt. Im Jahre 1533 besetzte Graf Anton von

Ysenburg die Niedermittlauer Pfarrstelle gegen den Willen des Klosters Meerholz mit einem protestantischen Pfarrer, womit die Reformation im Kirchspiel eingeführt wurde.

Die Kirche wurde 1454 (Inschriftstein neben der Seitentür) umgebaut und im 30-jährigen Krieg schwer beschädigt. An deren Stelle errichtete der Ysenburgische Landesherr 1780 das spätbarocke Kirchenschiff. Der Giebel der Kirche trägt Renaissancezüge. Das Innere des Gotteshauses ist einfach und schlicht gehalten. An der Westfront rechts von der Kanzel befindet sich das Sakramentshäuschen (Tabernakel) von 1490 aus der früheren Kirche. Zur Ausstattung gehört auch eine schöne Kanzel. Im Vorraum befindet sich eine große Grabplatte der Eheleute Hörle. Vor etwa 90 Jahren wurden die Emporen vergrößert; bei der Renovierung 1972 wurden diese jedoch wieder auf ihre ursprüngliche Größe verkleinert. Im gleichen Jahr wurden auch der ehemalige Grafenstuhl, der Stuhl für die Pfarrfamilie und für die Kirchen­ältesten ausgebaut. Die klangschöne Orgel wurde 1855 durch den Orgelbauer Ratzmann aus Gelnhau­sen installiert. 

Sicher ist, dass es um den Dachstuhl im Schiff der Laurentiuskirche nicht gut steht. Risse in der renovierten Decke alarmierten die Gemeinde und führten zur Gründung eines Vereins, der sich den Erhalt des Gebäudes zum Ziel gemacht hat. Durch Sicherungsarbeiten konnte zwar verhindert werden, dass die Kirche komplett gesperrt werden musste. Eine grundlegende Sanierung scheint aber unvermeidlich. Kostenpunkt: mindestens 250.000 Euro.. Man sagt, dass die Schreckensfratze in der Außenmauer zu grinsen beginnen würde, wenn ein Großspender die komplette Summe übernähme.

 

Im weiteren Verlauf der Straße ist zunächst das Backhaus zu sehen. Der Gemeindebackofen ist von 1779 und war bis 1959 mit einem Fachwerkhaus umgeben, das damals Backhaus war; früher war hier auch die Rats- und Wachstube. Es folgen die ehemalige Dorfschänke und die ehemalige Schule.

 

Juden:

Im Jahre 1933 gab es in Niedermittlau vier jüdische Familien, die sich durch eine starke Religiosität, das strenge Beachten des Sabbats und das Begehen der jüdischen Feste auszeichneten. Sie waren - sicherlich auch durch ihren Anteil am Wirtschaftsleben - in die Dorfgemeinschaft integriert. So waren die Familien der Brüder Aaron und Marcus Hirsch (Neugasse 33 bzw. Neugasse 17) im Agrarhandel und im Metzgereigewerbe tätig. Die Familie Hermann Heinemann (Neugasse 19) besaß einen Kleintierhandel. Das Dritte Reich setzte dem ein Ende:

Aaron Hirsch musste 1935 sein Haus verkaufen und emigrierte nach Amerika zu seiner Tochter, Marcus Hirsch verkaufte sein Haus nach der Reichspogromnacht 1938. Er wurde 1941 mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert und später ermordet. Hermann Heinemann und seine Frau wurden 1942 nach Theresienstadt

deportiert. Sie wurde dort, er in Auschwitz ermordet. Johanna Levi, wohnhaft in der Hauptstraße, verkaufte 1939 das Haus und verließ Niedermittlau, als letzte jüdische Einwohnerin.

Der für die jüdischen Gemeinden des Freigerichts, in Hasselroth und in Meerholz angelegte

Friedhof von Niedermittlau befindet sich am Ortsausgang in Richtung Altenmittlau (ganz im Süden am Beginn des Altenmittlauer Weges).

 

Heimatmuseum:

Das Heimatmuseum ist in der Hauptstraße 46. Die volkskundliche Sammlung und die historischen landwirtschaftlichen Geräte in der Remise können in der Hauptstraße nach Voranmeldung besichtigt werden: Tel. 06055 2900. Es gibt auch ein Backhaus.

 

Kleinbahn:

Die Freigerichter Kleinbahn (im Volksmund „Die Bembel“) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige verkehrstechnische Errungenschaft. Sie wurde 1904 in Betrieb genommen. Finanziert wurde das Projekt durch die Gründung einer Aktiengesellschaft, deren Anteile zu zwei Dritteln an den preußischen Staat und zu einem Drittel an den Kreis Gelnhausen übergingen, der 1937 Eigentümer der Bahn wurde.

Diese fuhr in einem großen Bogen durch den Vorspessart und verband nun auf einer Länge von 20 Kilometer die Bahnhöfe Langenselbold und Gelnhausen und brachte die Menschen über Langenselbold oder Gelnhausen zur Hauptverkehrsstrecke Frankfurt-Fulda. Die in Hanau und Offenbach beschäftigten Arbeiter konnten ihre Arbeitsplätze nun schneller erreichen. Indirekt wirkte sich die Kleinbahn auch auf die Arbeitsplatzsituation aus, da Stückgut wie Kunstdünger oder Kohle einfacher in den Ort gebracht werden konnte.

In Spitzenzeiten lockte sie fast 700.000 Fahrgäste im Jahr an. Und nicht Menschen, auch Güter wurden transportiert. Kalk, Ton, Kohle, Sand, Holz und natürlich Zigarren. Denn das Freigericht war lange eine Hochburg der Tabakverarbeitung. Im Jahre 1919 wurden in 26 Fab 1,2 Millionen Zigarren pro Woche gewickelt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten immer weniger Menschen mit der Freigerichter Kleinbahn fahren. Das Aus für die Personenbeförderung kam schon 1955. Acht Jahre später wurde auch Gütertransport auf der 20 Kilometer langen Strecke eingestellt. der wenigen Relikte, die noch an die Geschichte der „Bembel“ erinnern, ist der kleine Bahnhof von Gelnhausen-Haller (Jahnstraße), der heute ein bisschen verloren in einem Wohngebiet herumsteht. Außer natürlich das nachgebaute Modell mit allen zwölf ehemaligen Haltestellen im Heimatmuseum Somborn.

 

Sälzerweg:

Salzquellen machten Menschen reich - jedenfalls galt das bis ins 18./19. Jahrhundert, bis die Steinsalzproduktion das Siedesalz verdrängte. Auch Orb war jahrhundertelang eine reiche Stadt. Auf alten Karten kann man Orb inmitten eines Wegesterns sehen. Einer dieser Wege führte auch durch Niedermittlau. Dieser Sälzerweg führte von Orb über Wirtheim, Höchst, Altenhaßlau, Hailer, Meerholz, Niedermittlau nach Somborn und dann weiter über Alzenau und Kahl an den Main und nach Seligenstadt. Auf diesem Weg gab es natürlich auch Übernachtungsmöglichkeiten, Kontrollstationen, Depots, usw. Niedermittlau war ein Etappenort auf dem Sälzerweg, denn zwischen dem ab 1354 befestigten Wirtheim und Niedermittlau liegen etwa 20 Kilometer Entfernung - die Tagesleistung für einen Ochsenkarren.

Noch heute kann man auf Satellitenbildern zwischen Niedermittlau und Somborn einen Weg

verfolgen, der als Sälzerweg bekannt ist. Er beginnt in Niedermittlau mit dem Weg, der von der Altenmittlauer Weg als erster nach rechts abzweigt. Der Weg führt südlich an einem Wäldchen vorbei, das heute „Espich“ heißt, seit alters her aber als „Sälzerbusch“ bekannt ist. Nördlich von Somborn mündet er in Höhe der Rosenstraße auf die Straße nach Gondsroth.

 

Panoramaweg:

Der Kulturweg schlägt noch einen Panoramaweg östlich von Niedermittlau entlang dem Niedermittlauer Heiligenkopf vor (im Volksmund auch „Berkopp“ genannt). Hier eröffnet sich ein Panorama vom Franzosenkopf am Sölzert im Süden bis nach Frankfurt und zum Taunus hinüber über das Kinzigtal zu den Ausläufern des Vogelsbergs. Auffällig präsentiert sich dabei eine Hügelgruppe mit drei Kuppen im Südwesten. Dies ist der Hahnenkamm, die Quarzitstufe am Beginn des Vorspessarts bei Alzenau. Zwischen dem Blick auf den Hahnenkamm und Niedermittlauer Heiligenkopf liegen die beiden Dörfer Bernbach und Altenmittlau, deren Kirchtürme den Blick weisen.

 

Hautersberg, heute der Niedermittlauer Heiligenkopf:

Auf der Spessartkarte des Nürnbergers Paul Pinzing von 1562/94 ist im nördlichen Spessart bei Bernbach und Niedermittlau der „Hautersberg“ eingezeichnet, der heute „Niedermittlauer Heiligenkopf“ heißt. Hauderer ist die historische Bezeichnung für den Berufsstand der Lohnfuhrleute bzw. der Lohnkutscher. Als „haudern“ bezeichnete man früher das Anspornen der Pferde durch kräftiges Zurufen. Im Jahre 1811 wurden die Vorschriften für die Lohnkutscher noch in einer so genannten „Haudererordnung“ zusammengestellt. Im Hamburger Stadtrecht von 1497 gibt es Regeln für Hauterer, und auch die Frammersbacher Fuhrleute waren Hauterer.

am“

Franzosenlöcher:

Direkt an der Gemarkungsgrenze zwischen Niedermittlau und Meerholz und zwischen dem Niedermittlauer Heiligenkopf und dem Rauhenberg liegen die so genannten Franzosenlöcher. Wann genau diese tiefen Gräben entstanden sind und woher sie ihren Namen haben, ist unbekannt. In alten Urkunden kann man Hinweise finden, dass unsere Vorfahren schon vor 600 Jahren an dieser Stelle Erze abgebaut - oder den Versuch dazu unternommen haben. Sogar heute noch kann man mit etwas Glück eisenhaltiges Gestein in Wurzeltellern finden. Belegt ist, dass etwa um das Jahr 1400 der Gelnhäuser Schöffe Wicker von Selbold vergeblich sein

ganzes Vermögen eingesetzt hatte, um mit Hilfe thüringischer Bergleute am Rauhenberg

Erz abzubauen. Eine Mühle am Schandelbach diente als Schmelzmühle.

In den Jahren 1490 und 1499 verlieh der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg Schürfrechte „uf und vor dem Spessart“ und „uf des Abts Theil vor dem Birkenhain“. Das könnte

auf Besitz des Klosters Selbold hindeuten. Zwischen 1867 und 1871 wurden im Bereich der Franzosenlöcher noch Metallerzfelder ausgewiesen, aber wegen Unergiebigkeit 1968 wieder aufgehoben. Wäre dieser erneute Versuch erfolgreich gewesen, dann hätte man vielleicht unterhalb der Franzosenlöcher die Grube Heinrich in dieser Gemarkung gefunden, denn diesen Namen trug das Erzfeld in alten Karten.

 

Jugendwaldheim:

Wer den Panoramaweg ausläßt, fährt von Niedermittlau nach Norden in Richtung Bahnhofsiedlung und im Kreisel nach links. Die Straße führt westlich um die Bahnhofsiedlung herum, über die Bahn und weiter nach Norden. Rechts steht dann ein Schild „Hessisches Jugendwaldheim“, das auf den Waldparkplatz weist. Das letzte Stück muß man laufen.

Das Erste Hessische Jugendwaldheim „Kurt Seibert“ ist benannt nach dem damaligen Revierförster. Kurt Seibert war Gründer und Spiritus Rector des Ersten Hessischen Jugendwaldheims. Unermüdlich kämpfte er für die Umweltbildung der Kinder aus der Region. Der damalige Ministerpräsident Hans Eichel honorierte dies durch seinen Besuch.

Das Jugendwaldheim wurde 1974 als Informationszentrum für Umweltbildung und Umwelterziehung für Schüler aller Klassen- und Altersstufen gegründet. Hier werden Kinder und Jugendliche erlebnispädagogisch mit der Natur und dem Ökosystem Wald vertraut gemacht. Die Themenschwerpunkte sind u.a. die Lebensräume Wald, Bach und Wald­teich, ihre Erforschung sowie ihr Schutz und Erhalt. Ob bei der Erkundung des eigenen Biotops auf dem neu angelegten Steg oder bei Lagerfeuer mit Stockbrot - für Kinder ist das Jugendwaldheim ein Paradies.

Zu diesem Zweck unterhält das Jugendwaldheim einen 25 Hektar großen Schul- und Lehrwald, der über 21 Informationsstände, einen Amphibienschutzteich sowie über das Freilandlabor „Birkigsbach“ verfügt. Hier finden Veranstaltungen zu sämtlichen Aspekten des Naturraums Wald, Tiere, Pflanzen, Mineralien, usw. statt. Ende 2006 wurde das Projekt „Wasserwerkstatt“ gegründet, in dem den Schülern ein bewussterer Umgang mit Wasser und dem Ökosystem Bach vermittelt wird. Hauptziel im Gesamtkonzept des Jugendwaldheims ist die Sensibilisierung der Jugend für den Wald und die Natur und das eigene umweltverträgliche Handeln im Sinne der Nachhaltigkeit.

Die Straße führt dann weiter zur Autobahn.

 

 

 

 

Hailer

Der kleine Bahnhof von Gelnhausen-Haller (Jahnstraße) steht heute ein bisschen verloren in einem Wohngebiet herum.

Am Ortsrand von Haitz befindet sich eine Golfanlage mit. 18 Bahnen mit einer Länge von bis zu 25 Metern (Krempsche Spitze 20). Für Hobby-Spieler ist es die größte Anlage dieser Art in Hessen. Anspruchsvoll, aber nicht zu schwer, genauso wollte es Platzbesitzer Roland Rützel.

Nachdem er seine Anteile an einer Schlüchterner Schlosserei kauft hatte, legte Rützel eine längere Orientierungsphase ein. In einem Urlaub an der Ostsee entdeckte er zum ersten Mal eine solchen Midi-Golfplatz und war sofort begeistert. Danach fuhr er ein dreiviertel Jahr durch Deutschland, klapperte Kunstrasenanlagen von Süd nach Nord ab und sammelte Ideen. Als ihm schließlich das Gelände in Gelnhausen angeboten wurde, schlug er zu und verwirklichte 2015 seinen Traum.

Neben den Bahnen war Rützel auch eine Gastronomie Berghütten-Optik besonders wichtig. Denn die Gäste sollten nicht nur spielen, sondern sich auch wohlfühlen und ihre Partie auch gern für ein Pausen-Bierchen unterbrechen. Das ist besonders an heißen Tagen ratsam, denn

die Anlage bietet wenig Schatten. Bäume und Golf vertragen sich einfach nicht, einerseits schmieren dem die Blätter alles voll, andererseits drückt das Wurzelwerk über kurz oder lang ungewollte Hügel in den Kunstrasen.

 

 

 

Meerholz

Auf über 825 Jahre lebendige Geschichte kann Meerholz bei Gelnhausen zurückblicken. Zwar gehörte die kleine Residenz seit der Gebietsreform 1974 zur Barbarossastadt Gelnhausen, ein früherer Zusammenhang mit der nahen Kaiserpfalz in den Kinzigauen (was zu vermuten wäre) bestand jedoch nicht. Die über 800 Jahre alte Gemeinde beherbergte lange Zeit ein Hoheitsamt, ein Amtsgericht und war erster Sitz des Landratsamtes Gelnhausen.

Erst im 19. Jahrhundert begann sich auch der Ort, der stets im Schatten des Klosters gestanden hatte, zu entwickeln. Gerade in den vergangenen Jahren ist viel getan worden, um die Altstadt mit ihrem Fachwerk in engen Gassen zu sanieren. Neben dem Fachwerk-Rathaus von 1726  steht ein runder Wartturm aus dem 15. Jahrhundert.

Den Rundgang beginnt man auf der Durchgangsstraße. In der Altstadt stehen hübsche Fachwerkhäusern. In der Rathausgasse steht der Wehrturm der einstigen Stadtmauer.

 

Kloster:

Lange vor dem Schloß gab es in Meerholz ein Frauenkloster der Prämonstratenser. Charakteris­tisch für den Orden war, daß sich Männer‑ und Frauenklöster oft in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. So ist auch das 1173 erstmals erwähnte Meerholzer Kloster wohl eine Zweigniederlassung des Männerklosters in Selbold. Eine wichtige Funktion des Klosters bestand in der Versorgung unverheirateter Töchter des Kleinadels und aus Gelnhäuser Patrizierhäusern. Es war ein armes Kloster, der Besitz bestand wesentlichen aus wenig erschlossenem Waldgebiet links der Kinzig. In der näheren Umgebung existierten mehrere Klöster, die um Schenkungen konkurrierten. In Gelnhausen gab es ein Franziskanerkloster in der Stadt und ein Zisterzienserkloster vor der Stadt, in Marienborn stand das „Hauskloster“ der Ysenburger, weitere Klöster gab es in Ilbenstadt und Konradsdorf.

Die Nonnen des Prämonstratenserordens ließen sich 1173 an der Stelle des heutigen Schlosses nieder. Obgleich reichlich Stiftungen und Schenkungen an das Kloster übergingen, gelangte es in den folgenden Jahrhunderten nie zu größerer Bedeutung. Lediglich die adligen Damen der Umgebung, die nicht unter die (weltliche) Haube zu bringen waren, fanden hier ihre Bleibe.

Die letzte Äbtissin legte 1555 ihr Ordensgewand ab und übergab das Kloster dem Grafen von Ysenburg-Büdingen gegen eine jährliche Pension an Geld und Naturalien. Der Graf ließ unverzüglich die ohnehin zerfallenden Gebäude abreißen und auf den alten Grundmauern ein Schloß mit Kirche erbauen als Residenz für die spätere Linie Büdingen-Meerholz.

 

Schloß:

Graf Anton von Ysenburg‑Büdingen, ein zielstrebiger Protestant und geschickter Politiker, hatte es in den Wirren der Reformation leicht, das Kloster in seine Verfügungsgewalt zu bekommen. Das Kloster wurde im Jahre 1554 aufgelöst und ging in das Eigentum des Grafen Anton von Ysenburg über. Sein Sohn Georg begann 1555 damit, auf den Grundmauern des Klosters das Schloß zu errichten. Gegen den Schloßbau protestierte die Stadt Gelnhausen. Ludwig der Bayer hatte 1333 der Stadt zugesichert (1429 von Kaiser Sigismund erneuert), daß im Umkreis einer Stunde „kein burglicher Bau noch Schloß errichtet werden dürfe“. Es fand zwar eine örtliche Besichtigung statt (Augenschein‑Protokoll vom 17. Dezember1567), der Graf zu Ysenburg beachtete jedoch die Einwände nicht, sondern setzte das Bauwerk fort.

Die vierflüglige Anlage umschließt den Kreuzhof des Klosters. Der südliche Flügel bezieht die ehemalige Klosterkirche mit romanischen und gotischen Bauelementen ein. Aus der ersten Bauphase ist der Ostflügel mit dem geschweiften Renaissance-Giebel erhalten.  Das Schloß wurde von Georgs Bruder Wolfgang vollendet. Im Jahre 1845 wurde die Schloßanlage mit einem zweiten Innenhof und einen englischen Park erweitert  Graf Gustav zu Ysenburg-Büdin­gen ließ das Schloß 1909 großzügig umgestalten. Aus dieser Bauphase stammen das neugotische, zinnenbekrönte Eingangstor, der Neorenais­sance-Erker  aus roten Sandsteinen am Nordflügel und der Durchgang zum östlichen Hof, dem ehemaligen Kreuzgang.

Mit dem Tod des Grafen Gustav von Ysenburg -  Büdingen erlosch im Jahre 1929 die Meerholzer Linie. Das Schloß fiel an die Wächtersbacher Linie der Ysenburger. Diese verkauften das Schloß 1942 an die Stadt Frankfurt. Es war Landheim der Frankfurter Mittelschulen und findet heute Verwendung als Pflegeheim der Inneren Mission Frankfurt. Eine Besichtigung ist nur von außen möglich.

 

Schloßkirche:

Die Ursprünge der Schloßkirche reichen bis ins zwölfte Jahrhundert zurück. Im Jahre 1554 ging die Klosterkirche an den Grafen von Ysenburg über, des das einschiffige Gotteshaus zu einer Schloßkapelle mit Turm gestalten ließ. Die Kirche ist ein im Kern gotischer Bau. Der Turm mit einer spätmittelalterlichen Steinbalustrade steht an der Südseite und besitzt eine barocke Laternenhaube. Im Innern des Gotteshauses befindet sich eine zweigeschossige Empore (entstanden Ende des 17. Jahrhunderts) mit der ehemaligen Herrschaftsloge und einer neubarocken Kanzelwand. Der Altar mit der neubarocken Kanzelwand, flankiert von den Reformatoren Luther und Calvin, rührt aus einer Umgestaltung von 1906. An den Wänden stehen Grabsteine der ehemaligen Grafenfamilie und ein Taufstein aus neuerer Zeit. Beachtenswert sind der holzgeschnitzte Altar mit Kreuz sowie der Aufgang zur ehemaligen Grafenloge. Die Orgel stammt von der Firma Bosch (Sandershausen).

Noch heute ist der 14. Oktober 1906 ein wichtiges Datum in der Ortsgeschichte. Zur Trauung der Ysenburger Gräfin Ortrud mit dem Schwager des Kaisers. dem Prinzen Albert zu Schleswig-Holstein‑Sonderburg‑Glücksburg in der Schloßkirche kam Wilhelm II. höchstpersönlich nach Meerholz.

Im Jahre 1929 wechselte der Besitz an den Fürsten zu Ysenburg und Büdingen, der die Schloßkirche 1982 der evangelischen Gemeinde übereignete. Jetzt hat sich ein Förderverein zum Erhalt des Gotteshauses formiert, das einer Sanierung bedarf. Umfangreiche Reparaturen sind auch im Glockenturm erforderlich. Im Übergang der beiden Gebäudeteile sind Eichenbalken und Nadelholz marode. Im Dachstuhl nisten Fäulnis und Holzbock. Dazu ächzt das Gebälk unter der Last zweier schwerer Stahlglocken, die Anfang der fünfziger Jahre anstelle ihrer im Krieg eingeschmolzenen bronzenen Vorgänger aufgehängt wurden.

Anfang des Jahres hat ein örtliches Architekturbüro die Beseitigung der statischen Schäden auf mehr als eine Million Euro beziffert. Samt Planungskosten sowie einer Innenrenovierung, die in einem dritten Bauabschnitt erfolgen soll, rechnet Lapp mit Kosten, die 1,2 Millionen Euro noch übersteigen könnten. Obgleich die Landeskirche Kurhessen‑Waldeck noch keine finanziellen Zusagen erteilt hat, hofft Lapp, daß Mitte 2003 die Handwerker im Gotteshaus Einzug halten können. Die Schloßkirche ist nur nach Gottesdienst zu besichtigen.

In Gelnhausen-Meerholz gibt es ein Evangelisch-freikirchliches Gemeindehaus aus den Jahren 1959 / 1960. und in Meerholz-Hailer gibt es die katholische Kirche Maria Königin aus den Jahren 1958 / 1959.

 

Schloßpark:

Wegen der Mauer sieht man wenig von den exotischen Bäumen dieses einst im englischen Stil angelegten Gartens. Deshalb sollte man von der Hauptstraße aus erst einmal einen Abstecher in den Park machen. Die obere Parkhälfte unmittelbar an der Schloßkirche ist tagsüber immer geöffnet. Besonders auffallend unter den exotischen Bäumen ist der Mammutbaum. Der untere Bereich, der der Öffentlichkeit nur an Sonntagen von April bis Oktober offensteht, knüpft mit seiner Bepflanzung dagegen an die heimische Vegetation der Kinzig‑Auenwälder an.

 

Schießhaus:

Vom Schloß geht man die Schießhausstraße links steil hinauf. Ab der Hauptstraße folgt man wieder dem roten Andreaskreuz. Die Trasse der Kleinbahn, die das Freigericht mit den Bahnen der Kinzigbahn in Gelnhausen und Langenselbold verband, ist deutlich zu erkennen. Kurz darauf sieht man auf der linken Seite ein parkähnliches Gelände, rechts das „Schießhaus“. Im Park steht ein Denkmal zur Erinnerung an Graf Carl, der sich engagiert um die wirtschaftliche Entwicklung in Meerholz (Gründung der Post, Aufbau einer Seidenraupenzucht) gekümmert hat und deshalb in der Bevölkerung großes Ansehen genoß. Auch das Schießhaus wurde von ihm erneuert, heute ist hier ein renommiertes Restaurant.

Von altersher wurden Meerholzer Schützen auf dem Schießplatz ausgebildet. Als die Schießhallen verfielen, übernahm Graf Carl von Ysenburg die Anlagen. Er ließ  1857 ein neues Schießhaus errichten. Graf Carl konnte in den neuen Räumen seiner Schießleidenschaft nachgehen, gleichzeitig bildeten sie den repräsentativen Rahmen, seine Gäste angemessen zu bewirten. Im Jahre 1850 erblühte das hoch gelegene Areal als gräfliche Parkanlage. Nun soll der Botanische Garten zwischen den Stadtteilen Hailer und Meerholz wieder zur Attraktion werden. Der Geschichtsverein Meerholz-Hailer leistete über drei Jahre lang wichtige Vorarbeiten, ein eigens gegründeter Arbeitskreis soll das Projekt mit städtischen Geldern vollenden.

Der lange aus dem öffentlichen Blick verschwundene Boden ist überaus geschichtsträchtig. Im 18. Jahrhundert feilten dort die Bürgerwehren beider Stadtteile an ihrer Treffgenauigkeit. Im Jahre 1850 erwarb der passionierte Jäger Graf Carl zu Ysenburg und Büdingen das komplette Terrain inklusive Schießanlagen, baute einen Wochenendsitz (das heutige Restaurant „Schießhaus“) und betrieb auf knapp 100.000 Quadratmetern gekonnt Landschaftsarchitektur. Ein 1919 von seinen Kindern errichtetes Denkmal erinnert an exponierter Stelle noch heute an den Parkgründer und dessen Leidenschaft: Am Sockel des Monuments pirscht sich ein in Stein gehauener Jagdhund an zwei prächtige Fasane heran.

Ende des 19. Jahrhunderts durchpflügte der Fortschritt die Idylle. Die Trasse der Freigerichter Kleinbahn teilte den Park. Die 1904 aus Spannbeton errichtete Gustavsbrücke stellte wenigstens symbolisch die Einheit wieder her. Im Jahre 1921 kam im östlichen Teil des Areals ein imposantes Kriegerdenkmal hinzu. Im  Jahre 1924 pflanzte Prinz Waldemar von Preußen die Bismarckeiche ‑ als lebendiges Erinnerungszeichen für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen beider Stadtteile.

Erst 1965 kam das Gelände zu seinem Namen „Botanischer Garten“, als die Grundschule Hailer‑Meerholz die inzwischen verwaiste und verwilderte Anlage als Schulgarten mit Terrarium, Teich und Lehrtafeln nutzte. Doch diese zweite Blütezeit endete bereits wieder in den siebziger Jahren. Der Park, mittlerweile in städtischem Besitz, verwilderte erneut und in den neunziger Jahren riß die Stadt wegen Sicherheitsbedenken schließlich die Gustavsbrücke ab.

So soll etwa die Lutherlinde, unter deren Zweigen einst Freilicht‑Theateraufführungen entzückten, wieder von Gestrüpp und wildem Astwerk befreit und als Ort zum Verweilen verschönt werden. Neue Kieswege sollen angelegt, der Seerosenteich wieder hergerichtet und eine neue Skulptur aufgestellt werden, die die enge Verbundenheit von Hailer und Meerholz symbolisiert. Zwei Künstler arbeiten derzeit an entsprechenden Ideen. Vor allem aber soll die Gustavsbrücke wieder aufgebaut werden.

Die gastronomische Tradition wird bis heute im Schießhaus gewahrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Herbert Schmitz, den die Kriegsgefangenschaft nach Gelnhausen verschlagen hatte, erst Pächter, später Eigentümer des Schießhauses. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Haus zu einem weit über die Kreisgrenzen beliebten Tanzlokal. Namhafte Kapellen, so das Ensemble Erich Börschel vom Hessischen Rundfunk, spielten in Meerholz. Mit seinem Schwiegersohn Lefèvre trat ein Wandel ein: Der mit vielen Auszeichnungen geehrte Küchenmeister erreichte mit dem Schießhaus einen Spitzenplatz in der deutschen Gastronomie. Trotzdem gilt hier, daß Wanderer herzlich willkommen sind.

 

Palais:

Westlich des Schlosses ist die Tempelstraße. Dort steht das Palais der Grafen von Ysenburg und Büdingen. Es wurde 1748 bis 17451 unter Graf Karl Friedrich erbaut. An der Nordseite ist der langgestreckte, zweigeschossige Wohnbau mit Mansarddach durch zwei Eingänge mit davor liegenden Freitreppen zugänglich. Die nach Süden ausgerichtete Schauseite des Gebäudes wird von einem säulentragenden Balkon unter einem Dreiecksgiebel dominiert. Der quergestellte Turm mit geschwungener Haube, kleiner Laterne und spitzem Zeltdach entstand Mitte des 19. Jahrhunderts. Zum Palais gehört ein kleiner Park mit altem Baumbestand. Er diente als Wit­wen- und Alterssitz der Ysenburger Grafen in Meerholz. Im Jahre 1964 erwarb die Gemeinde Meerholz das Gebäude. Seit den achtziger Jahren ist das Haus im Privatbesitz und beherbergt eine private Sammlung aus Neu-Guinea (Besichtigung auf Anfrage möglich).

 

Mittelpunkt der EU:

Seit dem 1. Januar 2007 liegt der geographische Mittelpunkt der damaligen Europäischen Union in der Gemarkung von Meerholz, und zwar zwischen dem Meerholzer Heiligenberg und dem Niedermittlauer Heiligenberg. Man findet die Stelle, wenn man von Westen kommt, wenn man der Beschilderung gleich rechts am Eingang des Ortes folgt.

Durch die Straße „Am Viadukt“, „Taunusstraße“, „Am Börner“ kommt man zur Straße „Am Schwarzerlich“. Gleich an ihrem Beginn geht rechts ein Feldweg ab, der aber für den allgemeinen Autoverkehr gesperrt ist. Auf diesem Feldweg geht man weiter, biegt dann links ab und geht immer weiter aufwärts bis am Wasserwerk vorbei. Dort geht es noch einmal rechts hoch. Nach einiger Zeit steht links eine Bank mit der Aufschrift „Europäische Zentralbank“ und daneben drei Fahnenmasten. Ein Gedenkstein ist inzwischen vorhanden. Unterhalb liegt ein Naturschutzgebiet. Am Wald beginnt schon die Gemarkung von Niedermittlau. Rückwärts kann man auch in der Straße „Am Börner“ geradeaus fahren und kommt durch die „Wingertstraße“ zur „Hanauer Landstraße“.

Die Europäische Union (EU) feiert jährlich am 9. Mai den Europatag. Hintergrund ist die vom damaligen französischen Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 vorgestellte Erklärung über ein vereintes Europa als Voraussetzung für das Aufrechterhalten friedlicher Beziehungen. Die Schumann-Erklärung gilt als Grundstein der heutigen Europäischen Union. Rund um den Europatag gibt es in Deutschland seit vielen Jahren eine Europawoche. Auch der Main-Kinzig-Kreis beteiligt sich an der. 13. Europawoche.

Um die Bedeutung des geographischen Mittelpunkts der Europäischen Union noch mehr hervorzuheben, schmückt ein Kunstwerk den EU-Mittelpunkt in Meerholz. Die Meerholzer Kulturstation Kaufmann wurde beauftragt, einen Entwurf anzufertigen. Fünf Künstler und drei Künstlerinnen der Kulturstation Kaufmann in Meerholz haben die Skulptur entworfen. Kerstin Franz, Constanze Hänsgen, Sabine Räbiger, Ernst Berthold, Klaus Kirschner, Volker Hes und Q. Fell alias Bernd Wilfer investierten über 40 Stunden Arbeitszeit in ihr Konzept.

„Die Skulptur ist erlebbar, sie bietet etwas zum Anfassen und ist zum Draufsetzen gedacht“, erklärte Künstler Bernd Wilfer die Intention der sieben Künstler. Die kreisrunde, rund 8.500 Kilo schwere Scheibe aus Sandstein hat einen Durchmesser von 180 Zentimetern und sieht aus wie ein Mühlrad. Auf  der Oberfläche verlaufen vom Mittelpunkt ausgehend bis zu einem äußeren Ring feine Linien. Diese Linien dienen als Wegweiser. Rund um den Stein haben die Künstler ein 12 Zentimeter breites Band aus Edelstahl angebracht, auf dem die Länderkennzeichen der EU-Mitgliedstaaten eingraviert sind. Die Skulptur dient insgesamt als Kompaß, so daß jeder Besucher der Linien und der dazu Länderkennzeichen sehen kann, in welcher Himmelsrichtung  die 27 Mitgliedsstaaten liegen.

In der Mitte der Scheibe befindet sich ein Hohlraum, in den Sand aus allen 27 Mitgliedsstaaten der EU eingefüllt wird.  Der Hohlraum wurde mit  einem gewölbten Deckel aus poliertem Messing verschlossen. Die Skulptur wird so installiert, daß ihr eigener Mittelpunkt exakt auf dem geographischen Mittelpunkt der EU liegt. „Der gewölbte Deckel in Kuppelform ist handschmeichelnd und mit einer Gravur von Picassos Friedenstaube verziert“, berichtete Bernd Wilfert weiter. Um die Friedenstaube herum sind die genauen Koordinaten des EU-Mittelpunkts und „Geographische Mitte der EU 03.01.07“ zu lesen.

Zu dem Entwurf gehört auch eine zweite Skulptur in Form einer Glasröhre auf einem Sandsteinsockel. In dieser Skulptur, die entweder im Rathaus Gelnhausen oder im Main-Kinzig-Forum aufgestellt werden soll, befindet sich - diesmal sichtbar – ebenfalls Sand oder Erde aus den 27 Mitgliedstaaten der EU. Eine zweite Röhre aus Edelstahl zeigt an, welcher Sand aus welchem Land stammt.  Der Landrat hatte sich vorgenommen, das Prädikat „Europas Mitte“ gemeinsam mit der Stadt Gelnhausen intensiv zu vermarkten. Daß dies kein utopisches Ziel ist, hätten die Städte und Regionen gezeigt, denen diese Ehre bisher zuteil wurde: Deren Bekanntheitsgrad stieg nachhaltig

 

Aber am 1. Juli 2013  begann die Mitgliedschaft Kroatiens als 29. Staat.  Der EU-Mittelpunkt ist weiter gewandert. Doch die  „Initiative Neue EU-Mitte Gelnhausen“ veranstaltetet seit 2007 jedes Jahr zum Europatag ein Fest am EU-Mittelpunkt. Aber 2013 traf man sich ein letztes Mal, um Meerholz als Mittelpunkt der EU zu feiern. Im Jahre 2008 wurde eine Sternwanderung organisiert und Stände aufgestellt, die unterschiedliche Nationalitäten vertraten.

Weitere Aktivitäten waren unter anderem die Eröffnung des Meerholzer Kulturweges und eine Ausstellung im Main-Kinzig-Forum. Auch auf der Messe Öko-Trends war die Initiative mit einem Info-Stand regelmäßig vertreten. Als vergangenes Jahr zur Europawoche das Motto „Das europäische Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen Generationen“ von der europäischen Kommission herausgegeben wurde, reagierte die Meerholzer Initiative mit einem „Quiz der Generationen“. Außerdem wurde vom Künstler „Q. Fell“ das Logo mit dem Meerholzer Schaf entwickelt. Hunderte von Personen aus allen Kontinenten und natürlich aus ganz Europa haben in den vergangenen sechs Jahren die EU-Mitte besucht, darunter auch viele hochrangige Politiker empfangen.

 

Meerholzer Hügelland: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 107.

Tongrube von Meerholz: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 116.

Hailerer Sonnenberg: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 109.

Tongrube von Hailer: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 115.

 

 

Freigericht

Die Gemeinde umfaßt die Ortsteile Somborn, Neuses, Horbach, Altenmittlau, Bernbach und hat 14.700 Einwohner und ist als bekanntes Naherholungsgebiet in den Naturpark Spessart eingebettet. Im Freigericht gab es eine Reihe von Mühlen. In Altenmittlau, Somborn und Neuses sind zehn Mühlen belegt. Eine Mühle zu Horbach wurde 1594 erwähnt. Vor dem Dreißigjährigen Krieg gab es zwei Mühlen, die aber im Krieg zerstört wurden und 1590 wieder aufgebaut wurden. Besitzer waren 1735 Johannes Keßler und Conrad Peltz. Eine dritte kleine Mühle soll am Krötenbach gestanden haben. Der Mühlgraben etwas oberhalb des Weges zur Mariengrotte gehörte zur Bibamühle, die 1917 stillgelegt wurde.

Die Gemeinde Freigericht hat Ihren Ursprung im Centgericht Somborn, das bis zum Teilungs­vertrag von 1748 zwischen der Grafschaft Hanau und Kurmainz mit den Centgerichten Alze­nau, Hörstein und Mömbris die Markgenossenschaft „Freigericht Willmundsheim vor der Hart“ bildete. Ausdrücklich wurde im Teilungsvertrag bestimmt, daß die bestehenden Rechts­verhältnisse nicht angetastet werden dürfen. Die kirchliche Rechtsprechung übte im Centge­richt Somborn das Erzbistum Mainz aus. Daher blieben die fünf Ortsteile der heutigen Gemeinde Freigericht überwiegend katholisch.

 

Somborn

Nachdem die Hanauer Straße einen Rechtsbogen gemacht hat geht es links in die Hauptstraße

(Einbahnstraße). Dort steht links die „Alte Apotheke“ mit dem Freigerichter Heimatmuseum

Dort befindet sich auch das nachgebaute Modell der Freigerichter Kleinbahn mit allen zwölf ehemaligen Haltestellen. Daneben steht das Gasthaus „Freigericht“. Man kann auf dem kleinen Parkplatz ein Stück weiter links parken. Dort ist eine Gedenktafel für den Missionsbischof Bernhard Schilling, der 1914 in Somborn geboren wurde und seit 1949 in Neu-Guinea wirkte.

Wenn man weiter auf der Hauptstraße fährt steht links in der Straße „Zangenborn“ die katholische Kirche „St. Anna“ (bis 1842 St. Peter und Paul). Eine Urkunde über die Entstehung der Pfarrei Somborn ist nicht bekannt. Zum ersten Male wird in einer Urkunde von 1184 der Zehnte der Pfarrei Somborn erwähnt. Die erste steinerne Kirche, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut wurde, war wahrscheinlich gotisch. Da dieses Gotteshaus um 1700 baufällig wurde und die Zahl der Gläubigen gestiegen war, wurde in den Jahren 1719 - 1724 die neugotische (nicht barocke) St. Peter und Paul-Kirche errichtet.

In den Jahren 1868 - 1870 fand eine bauliche Veränderung statt. Es wurden das Längs- (Mittel) Schiff und der Chor in Nord-Süd-Orientierung unter Einbeziehung der alten Barockkir­che als Querschiff in neu romanischem Baustil mit Kassettendecke erstellt. In den Jahren 1911-1913 wurden die beiden Seitenschiffe mit Muttergottesapsis und der zweite Turm erbaut. Die Türme bekamen einen spitzen viereckigen Helm und wurden durch einen Querbau miteinander verbunden. Die Fensterumrahmungen der zweiten Kirche wurden an den Seitenwänden wieder verwendet.

Im alten Chor steht ein Barockaltar von 1719. Hinter dem neuen Altar steht ein übergroßer siebenarmiger Leuchter. Links vom Chor ist eine Pietà, rechts der Tod des Joseph. Die Kanzel aus Stein ist sehr filigran gestaltet. Die Kirche ist ausgestattet mit den Plastiken Johannes Nepomuk 1740, Hl. Anna 1730, Guter Hirte 1720, Mutter Gottes 1730, Hl. Joseph und einige Puttenengel, Anna Selbdritt (1754 von Hofmann, Aschaffenburg). Eine Kreuzigungsgruppe von Anton Wermerskirch 1710 soll an der Westseite der Kirche stehen, ist aber nicht zu finden. Die Orgel wurde von der Firma Michael Weise in Plättling a.d.D. geliefert und am 9. Oktober 1960 eingeweiht. Es gibt auch noch eine Schwesternhauskapelle, erbaut 1904 in gotischem Stil mit einer holzgeschnitzten Statue des Hl. Antonius und eine evangelische Kirche von 1963 / 1964 mit freistehendem Turm.

 

In Somborn bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938, deren Entstehung reicht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Zur Gründung einer selbständigen jüdischen Gemeinde kam es erst 1904. Ein Betraum in einem der jüdischen Häuser war nach 1877 vorhanden. In den Jahren  1905/ 1906 wurde in der Josephstraße 14 eine Synagoge erbaut, beim Novemberpogrom 1938 wurde jedoch die Inneneinrichtung zerstört. Nach 1945 nutzte man das Gebäude für Unterrichtszwecke, ab 1955 stand es leer. Im Jahre 1966 wurde es zu einem bis heute bestehenden Wohnhaus umgebaut.

 

 

 

Neuses

Der Ort Neuses wird erstmals um 1000 in einem Seligenstädter Zinsregister erwähnt. Im Ort arbeiteten früher viele Portefeuiller, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Neuses heimisch wurden, nachdem um 1845 das Portemonnaie aus Leder erfunden worden war. Zentrum der Lederwarenindustrie war Offenbach, die aber Zulieferer im Rodgau hatte und mit dem Ausbau der Verkehrswege auch im Vorspessart. Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte das Handwerk noch einmal einen Aufschwung, weil die großen Produktionsanlagen in Offenbach beschädigt waren .Es wurden nun auch Portefeuilles und Etuis aus lederähnlichen Kunststoffen und Textilien hergestellt, es wurden Futterstoffe, Schaumstoff, Wollpapier, Nieten, Ösen, Schnallen und Druckknöpfe verwandt. Heute gibt es den Beruf des „Porteuifellers“ nicht mehr.

Die katholische Kirche „St. Wendelinus“ wurde 1899 von Adolph Ludorf aus Alzenau gebaut. Sie hat keinen ausge­sprochenen Stil, ist einschiffig und aus Ziegelsteinen erbaut, die 1974 verputzt wurden. Lediglich die Ziegelsteine um die Fenster wurden ausgespart.  Adolf Amberg lieferte den Entwurf für die Bemalung von 1909. Adolf Amberg wurde als Sohn Neuseser Eltern 1874 in Hanau geboren, eine Straße in Neuses ist nach ihm benannt. Er war Meisterschüler an der Berliner Akademie. Sein erstes großes Werk war der Entwurf eines Eheschließungszimmers im Heilbronner Standesamt. Bei der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 zeigte er zusammen mit Professor Otto Rieth einen über drei Meter hohen Brunnen als Allegorie auf die deutsche Musik, wofür er eine Silbermedaille erhielt. Wenig später schuf er das Aachener Ratssilber, eine prunkvollen Tafelaufsatz, der ausschließlich benutzt wurde,  wenn der deutsche Kaiser Aachen besuchte. Seine ausgezeichneten Federzeichnungen erinnern an Albrecht Dürer. Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1903 hielt er sich häufig in Neuses auf. Für das Grab seiner Mutter schuf er eine Kupferplatte einer Mutter mit Kind. Im Jahre 1913 wurde er im Grunewald in Berlin tot aufgefunden.

Das Innere wurde 1974 neu gestaltet. Die Decke wurde durch eine Holzdecke ersetzt. Im Chor wurde die Kreuzigungsgruppe, die früher auf den Altar statt, an der Wand angebracht. Altar, Tabernakel und Taufstein sind vom Bildhauer Kirsch, Petersberg. entworfen und hergestellt worden. Eine barocke Madonna mit Kind wurde auf der rechten Seite aufgestellt. Auf der linken Seite steht der Taufstein (nicht Kanzel) mit den Evangelisten und dem Guten Hirten. Auch an der Orgelempore findet sich der Gute Hirte. An den Wän­den des Schiffes wurden rechts der Hl. Josef und links der Hl. Wendelinus angebracht. Ein Holzschnitzer aus Wüsten­sachsen fertigte den Kreuzweg an. Die Orgel wurde von der Firma Karl Börner (Rodenbach). hergestellt.

Die Tür auf der Rückseite ist geöffnet. Auf der Rückseite der Kirche ist eine modern gestaltete Mariengrotte mit einer Gedenktafel für den Geistlichen Rat Josef Vogel, der von 1962 - 1984 Pfarrer in Neuses war.  - Die Kapelle von 1731 etwas weiter östlich im Ort wird heute als Jugendraum genutzt wird.

 

Horbach

Horbach wird erstmals 850 urkundlich erwähnt. Aus gefundenen Grabbeigaben schließt man, daß schon 2400 vCh Menschen in dieser Gegend lebten. In Horbach steigt man im Zickzack auf einen Hang hinauf und kommt in die Altenmittlauer Straße und über die Bachstraße zur neuen katholischen Kirche.

Da die Platzverhältnisse in der alten Michaelskapelle zu eng geworden waren, befaßte man sich mit dem Neubau einer Kirche. Bischof Josef Damian Schmitt erklärte den Kirchenbau in Horbach für den dringendsten Fall in der ganzen Diözese. Es galt nun zunächst einen geeigneten Bauplatz zu finden. Darüber vergingen Jahre, dann kam der Erste Weltkrieg dazwischen, dennoch wurden Spenden gesammelt um den Neubau zu ermöglichen.

Im Winter 1923 / 1924 wurden die Fundamente ausgehoben und am 10. November 1924 fand die Grundsteinlegung statt. Die Steine wurden im Gemeindewald am „Neuen Weg“ im Näss­lich­grund gebrochen, harter Glimmerschiefer. Daß Hor­bach eine Barockkirche bekam, war nicht zuletzt der Weisung von Bischof Josef Damian zu verdanken. Die Einweihung fand am 26. September 1926 statt. Durch die Not zusammengeschmiedet, vollbrachten die Horbacher in Eigenleistung eine große Gemeinschaftsarbeit. Äußerlich wurde die Kirche in den letzten Kriegstagen 1945 durch mehrere Geschosse getroffen. Im Inneren kommt man zuerst an der Turmkapelle vorbei. Dort befinden sich die schmerzhafte Muttergottes (Pietà), der Hl. Joseph am linken Bogen der Turmkapelle und ein  Totentanz (aus einem Kriegergedächtnis). Rechts vom Aufgang zur Empore ist der Hl. Bruder Konrad (nicht von Wohlfahrt, sondern aus einer Werkstatt in Bensheim). Die Kirche hat Glasfenster mit Engeldar­stellungen, barockumrahmt. Eine Orgel ist auch vorhanden.

Die bedeutendsten Ausstattungsgegenstände sind über dem rechten Seitenaltar das Gemälde „Die Aufnahme Mariens“, vermutlich aus der Schule Rembrandts, und  bemalte Holzplastiken, die vom Bildhauer Wohlfahrt aus Steinheim hergestellt wurden: das Kruzifix über dem Hochaltar, Erzengel Michael als Drachentöter auf dem linken Seitenaltar und die Kanzel, überhöht von dem Posaunenengel.

 

Auf der Hauptstraße geht man dann etwas weiter nach Norden. Auf der rechten Seite ist ein Platz, an dessen Ostseite die St.‑Michaels‑Kapelle steht. Entstanden ist sie im 11. oder 12. Jahrhundert. Horbach war bis ins 19. Jahr­hundert noch keine eigenständige Pfarrei. Für Gottes­dienste diente die kleine St.‑Michaels‑Kapelle. Nach 1926, mit der Einweihung einer neuen, großen Kirche, wurde sie profaniert, so daß sie heute Eigentum der politischen Gemeinde ist.

Ende der achtzi­ger Jahre machten Sanierungsarbeiten archäologische Untersu­chungen der St. Michaelskapelle erforderlich. Hierbei konnten insgesamt vier Bauphasen nachgewiesen werden.  Alle vier Bauten folgen ungefähr dem gleichen recht­eckigen, ostnordöstlich ausgerichteten Grundriß. Am deutlichsten sind die vier Phasen innen an den Chorerweiterungen und dem früher unterschiedlichen Fußbodenbelag ablesbar. Für den ersten Bau, ein einfacher Rechtecksaal, fehlen datierende Anhalts­punkte.

Der zweite Bau, aus starkem, massivem Bruchsteinmauer­werk, dürfte im 13. Jahrhundert entstanden sein und bis ins ausge­hende 14. Jahrhundert bestanden haben, wie es datierende Funde - darunter eine Münze - belegen. In ihrem Grund­riß unterscheidet er sich lediglich durch die kleine Apsis von seinem Vorgänger.

Die dritte Kapelle, für die eine Nutzung, bis ins 17. Jahrhundert angenom­men werden darf, erhielt einen größeren, polygonalen Chorraum, der an die Längswände des zweiten Baues angefügt wurde. Die heute noch sichtbare Form erhielt die Kapelle 1700 / 1701, wie aus einer Urkunde hervorgeht, erneuert wurde sie 1897. Nach den Ausgrabungen 1988 wurde sie von der Gemeinde Freigericht restauriert und ist seit 1992 kultureller Mittelpunkt Horbachs.

 

Zur Fatima-Kapelle fährt man an der Kirche vorbei in die Mühlenstraße, dann nach rechts in die Wingertstraße und dann nach links in die Schulstraße. An der Schule geht es links in die Straße Spessartblick. Am Ende des Sportplatzes geht es rechts nach Norden. An der Nordwestseite des Sportplatzes wählt man den mittleren Weg, der steil nach unten führt (wo die Schranke ist). Nach gut 300 Metern sieht man rechts eine Fatima­-Kapelle mit Altar von 1958, dahinter links ein Grab Jesu.

 

Altenmittlau

Westlich der Durchgangsstraße steht eine Kapelle, die frühere Kirche (vor der man auch parken kann). Sie wurde 1749 erbaut und wird seit 1902 von der Kirchengemeinde zu Versammlungen genutzt und 1950 weiter ausgebaut. Sie dient der Kirchengemeinde heute als Gemeinde- und Jugendraum. Außerdem befindet sich ein Raum für die Missionsgruppe (Kolpingzei­chen) unter dem Gemeindesaal. An der Kirche sind das Gefallenendenkmal und eine Gedenktafel für Pfarrer Konrad Trageser (1884 - 1942), geboren in Altenmittlau und ermordet im KZ Dachau.

Östlich der Durchgangsstraße steht die katholische Kirche „St. Markus“ Am 6. Mai 1900 wurde der Grundstein gelegt,  da die im Jahre 1749 erbaute alte Kirche nicht mehr den Erfordernissen entsprach. Nach zweijäh­riger Bauzeit wurde das neugotische Gotteshaus am 23. September 1902 geweiht. Wegen der hohen Kosten konnten die Säulen im Innenraum damals nicht aus Sand­stein ausgeführt werden, sondern wurden in runder Form gemauert. Den holzgeschnitzten Altaraufbau fertigte die Firma Busch in Steinheim. Im Jahre 1905 erklang erstmals eine von der Firma Ratzmann (Gelnhausen) erbaute Orgel.

Zerstörungen an der Kirche durch Granateinschläge wurden nach Kriegs­ende wieder behoben. Zum fünfzigjährigen Jubiläum wurde das Gotteshaus im Jahre 1952 renoviert. Nach all den Jahren der Restaurierung und Erneuerung der St. Markuskirche wurde am 28. April 1974 der neue Altartisch konsekriert. Die rechte Kapelle soll dem Gedächtnis der Taufe dienen, die linke (entstanden aus der früheren Sakristei) der Verehrung der Schmerzensmutter.

In den Rundbogen über den Kapellen stehen die Figu­ren Petrus und Paulus. Zwischen Altar und Schiff ist eine alte Marienplastik (etwa 1780) aus der alten Kapelle vom Restaurator Kiel neu gefaßt worden. Die Statuen des Hl. Markus, des Hl. Wendelinus und der Hl. Barbara stehen ebenfalls im Gotteshaus. Der Kreuzweg ist aus Terrakotta und stammt aus dem Jahre 1956. Im Jahre 1967 wurde eine Sakristei angebaut. Im Jahre 1970 wurde das Dach durch Wegnahme der Gauben und des Dachreiters über dem Chorraum vereinfacht. Der spitze Kirchturm ist an die Kirche angebaut. Hinter der Kirche steht ein Stein, der an die Beschießung durch die Amerikaner am 30. März 1945 (Karfreitag) erinnert, durch den die Kirche erheblich beschädigt wurde. Die Kirche ist in der Regel nicht geöffnet.

 

Bernbach

Von Altenmittlau biegt man nach Osten ab nach Bernbach. Im Ort ist an der Nordseite der Straße ein Bildstock. Wo die Durchgangsstraße nach links abbiegt, steht links die frühere Filialkapelle, die 1718 aus Mitteln der politischen Gemeinde erbaut und 1874 erweitert wurde. Im Jahre 1876 wurde eine kleine Barockorgel eingebaut. Bis 1908 wurde die Kapelle für Gottesdienste genutzt. Die Orgel wurde 1908 in die neue Kirche gebracht. Bis 1970 diente das obere Geschoß als Schule, das untere Geschoß wurde als Bürgermeisteramt genutzt. Türmchen, Fenster und Portal wurden 1907 entfernt. Heute befinden sich darin Schulungsräume und ein Sprechzimmer für die Gemeinde Freigericht.

Rechts geht es in die Schulstraße zur Kirche. Von 1907 bis 1908 wurde die katholische Kirche „St. Bartholomäus“ erbaut. Der neuromanische rote Sandsteinbau mit seitlich angebau­tem Glockenturm wurde im Jahre 1928 von Carl Schmauß aus Fulda ausgemalt. In den Jahren 1974 - 1975 wurde die Sakristei angebaut und der Innenraum modernisiert. Dabei wurden die Seitenaltäre sowie die Kanzel entfernt.

Zuerst kommt man in die Beichtkapelle mit einer Christusfigur mit Kreuz und zwei Holzfiguren. Die Innenaus­stattung des Gotteshauses besteht aus einem Altartisch aus grünem Marmor, darüber ein Holzkruzifix, links der Tabernakel, an der Rückwand der Grundstein. Im Chor befinden sich vier Fenster, wobei die beiden mittleren Buntfenster links Bartholomäus und rechts Bonifatius zeigen. Im Querschiff über den Eingängen zur Beichtkapelle und der neuen Sakristei befinden sich je eine siebenteilige Buntrosette im mittleren Kreis; links Mutter Anna mit Maria  (mit Bezug zur ehemaligen Mutterkirche St. Anna, Somborn), rechts St. Josef mit dem Jesuskind.

Im Dreijochschiff sind vier große und acht kleine bleiverglaste Fenster. Die Empore trägt die Orgel aus dem Jahre 1934, erweitert 1964 von der Firma Späth (Ennetach). Auf drei Rundbögen hinter der Orgel sieht man eine siebenteilige Buntrosette mit Cäcilia im Mittelkreis.

 

 

 

Kulturweg: „Freigerichter Bucht“ (12 Kilometer)

Wenn man aus Richtung Somborn kommt fährt man in Neuses links ab in die Bahnhofstraße Richtung Horbach. Etwas außerhalb des Ortes steht ein großes Schild „Fernblick“. Dort biegt man rechts ab und fährt hinauf zum Gasthaus und zum Aussichtsturm (großer Parkplatz)

 

(1) Fernblick:

Der im Jahr 2000 eröffnete Aussichtsturm am „Fernblick“ lädt zu einem ersten Eindruck beim Blick nach Norden auf die Freigerichter Bucht ein bis zur Ronneburg. Hier  ist die Aussicht auf Vogelsberg und Wetterau besonders schön. Eine Tafel zeigt die Richtung der Orte, die man sehen kann.

Etwas unterhalb des Turms liegen die Reste der Rodfeldeiche. Es ist nicht bekannt, ob die Rodfeldeiche früher einen bestimmten Ort bezeichnet hat oder einem bestimmten Zweck diente. Vielleicht stand sie einst an der Wegeverbindung von Neuses zur Birkenhainer Straße. Möglicherweise wurde sie aber einfach beim Roden der großen Wiesenfläche (dem „Rod­feld“)  stehen gelassen. Wegen ihrer landschaftsprägenden Erscheinung wurde sie 1977 unter Naturschutz gestellt. Am 19. Januar 2007 fiel die bereits seit einigen Jahren von einem unheilbaren Pilz befallene Rodfeldeiche dem Sturm „Kyrill“ zum Opfer. Ihr Alter ist nicht bekannt, sie wird aber auf mindestens 300 Jahre geschätzt. Der Stamm soll als Zeugnis der Veränderung der heimischen Landschaft so liegen bleiben, wie er im Sturm fiel. Der Stamm hat einen Durchmesser von 1,5 Meter und einem Umfang von 7,6 Metern am Fuß. Die Eiche war wohl über 25 Meter hoch. Wenige Schritte von hier gedeiht aber schon ein junger Nachkomme für den gefallenen Riesen.

Man geht im rechten Winkel hinter der Gaststätte hoch  und biegt an der zweiten Kreuzung kurz vor einer Hütte rechts ab auf die Birkenhainer Straße. Rechts befindet sich eine kleine Mariengrotte. Die Straße macht einen Rechtsbogen bis zu einer Schutzhütte. Dort geht es rechts ab (nicht der Weg direkt an der Hütte, sondern mit dem  Zeichen des Kulturwanderwegs). Der Weg macht einen Linksknick und führt hinunter nach Neuses. Vor dem Ort ist rechts eine Lamafarm. Man kommt in die Fabrikstraße und halbrechts über die Straße „Spielwiese“ in die Schulstraße.

 

(2) Neuses:

Nach links durch die Adolf-Amberg-Straße geht es über die Bahnhofstraße den Eselsweg hinauf. Vor dem Hochbehälter geht es rechts ab zum Aussichtspunkt auf freiem Feld:

 

(3) Rundblick:

Die Station bietet einen 360-Grad-Rundblick einschließlich der Nordspessart‑Flanke. Im Süden beherrscht die Kette der Spessarthügel das Bild, im Norden reicht der Blick über das Kinzigtal hinaus zur Ronneburg bis in den Vogelsberg. Von hier lassen sich fast alle Kirchtürme der Gemeinde Freigericht sehen: im Süden Neuses, im Osten Horbach, im Norden Altenmittlau und im Westen Somborn. Rundblicke dieser Art sind im Spessart sehr selten, weshalb auf der Panoramatafel die Namen der sichtbaren Berge und Ortschaften eingezeichnet sind ‑ und darüber hinaus, zum Beispiel von Frankfurt, das hinter den südwestlichen Hügeln liegt.

Links rechts und dann wieder links geht es hinter zur Straße Altenmittlau - Horbach. Gegenüber ist die Auffahrt zum Steinbruch Altenmittlau (mit dem Wegweiser „Servator“).

 

(4) Steinbruch Altenmittlau

Auf dem ausgedehnten Gelände des Steinbruches Schmitt wurde bis 1970 Dolomitgestein abgebaut und zu Kalk gebrannt, danach als Material für den Straßenbau (A 66) und zur Herstellung von Düngemitteln verwandt. Seit 1998 findet kein Abbau mehr statt, der Steinbruch wird saniert, das heißt er wird mit Erde aufgefüllt. Dadurch kann man so gut wie nichts mehr von dem Steinbruch sehen.

In dem Steinbruch sind drei wesentliche Schichten des jüngsten Erdaltertums (des Perm) aufgeschlossen: Gegen Ende des Erdaltertums (Paläozoikum) wurde vor 300 Millionen Jahren das Grundgebirge des Spessarts herausgehoben, das Variskische Gebirge. Nordwestlich vor dem Spessart erstreckte sich ein Meeresbecken, das bis zum Taunus reichte. In dieses Becken transportierten vor 260 Millionen Jahren (unteres Perm) Bäche aus den umgebenden Gebirgen durch Verwitterung entstandene Gerölle, Sande und Tone, die hier eine rotbraune und graugefärbte Schichte bilden („Rotliegendes“). Diese Ablagerungen bilden die Basis des Steinbruchs. Sie sind  in einer Grube neben dem Eingang zum Steinbruch und am 200 Meter weiter westlich (links) am Wegesrand angeschnittenen Berghang aufgeschlossen.

Unmittelbar nach der Zeit des Rotliegenden wurden vor 250 Millionen Jahren gelbliche Sande und Gerölle, zum Teil verbacken (Konglomerat) von Bächen des Spessarts und auch des Taunus hier am Rande des Meeresbeckens abgelagert. Diese Ablagerungen werden als Zechsteinkonglomerat bezeichnet. Auf diesen Ablagerungen wuchsen damals vor allem Nadelbäume. Durch den Abbau des darüber liegenden Dolomitgesteins im Steinbruch wurde auf der alten Oberfläche Abdrücke der ehemaligen Nadelbäume des Typus Voltzia Hexagona (Bischoff) Geinitz wieder sichtbar; solche Funde sind  in Deutschland sehr selten.  Die Funde sind im Heimatmuseum Somborn ausgestellt.

In der nachfolgenden Zechsteinzeit des oberen Perm wurde das Gebiet überflutet und besaß eine Verbindung zum nördlichen Meer, der späteren Nordsee. Nun wurde der Zechsteindolomit über dem Konglomerat abgelagert. Das gut geschichtete Dolomitgestein ist hier noch mit einigen Metern Mächtigkeit erhalten. Mit ihm schließt vor 225 Millionen Jahren das Erdaltertum ab.

Neben etwa 30 Mineralien wie Malachit, Mimetesit, Calcit, Bleiglanz und Dolomit­kristallen ist das Vorkommen des Minerals Azurit im hiesigen Dolomitgestein von besonderer Bedeutung. Azurit ist in Jahrmillionen aus kupferhaltigen Lösungen entstanden und bildet tiefblaue (azurfarbene) Kristalle, die sich zu größeren Aggregaten zusammenlagern. Wegen der gut ausgeprägten Kristalle und des reichen Vorkommens gilt der Steinbruch in Altenmittlau weltweit als eine der wichtigsten Fundstellen und wird in den Mineralien-Fachbüchern bevorzugt erwähnt. Sogar auf einer Briefmarke des Staates Guinea in Westafrika findet sich das Abbild eines in Altenmittlau gefundenen Azuritkristalls. Das Motiv ähnelt dem eines Azuriten in einem Mineralienlexikon, der aus dem Steinbruch Altenmittlau stammt.

Heute kann man den Steinbruch erst noch rechts umgehen. Dazu geht man zunächst ein kleines Stück rechts vom Eingangstor weiter und dann halblinks den Berg hoch. Aber auch von hier kann man nicht mehr in den Steinbrauch hineinsehen. Auf der Höhe geht es dann im rechten Winkel weiter und an der Weise links ab. Auf der Teerstraße nach links und dann wieder rechts kommt man in die Straße „Am Felsenkeller“, die direkt auf das Gasthaus „Zum Lamm“ führt, wo man einkehren kann.

Gegenüber der Gaststätte „Zum Lamm“ geht es oberhalb der Durchgangstraße in die Straße „Kleiner Weinberg“, die hinter dem Dorf und am Steinbruch vorbei führt. Rechts neben dem Wohnhaus Schmitt ist der Dolomit mit seinen Mineralien noch an der Westseite des Steinbruchs relativ gut aufgeschlossen.

Man kommt jetzt wieder zur Einfahrt des Steinbruchs und auf dem Weg weiter, den man schon einmal gegangen ist, jetzt aber wieder mit dem Kulturweg geradeaus. Rechts ist sehr bald ein kleines Schild zu sehen, das  auf die Freigerichter Kleinbahn hinweist. Sie verkehrte von 1904 bis 1955 zwischen Gelnhausen und Langenselbold. Sie erschloß das Freigericht für den Personenverkehr sowie für den Transport von Gütern, insbesondere von Sand aus der Grube bei Neuses. Zwischen Altenmittlau und Horbach kann man die ehemalige Bahntrasse rechts noch sehen, der übriggebliebene Viadukt ist aber nicht zu finden.

 

(5) Horbach:

In Horbach kommt man zunächst an der Kirche vorbei und dann auf der  Hauptstraße  etwas weiter nach Norden zu einem Platz, an dessen Ostseite die St.‑Michaels‑Kapelle steht.  Vor  der Kapelle geht es rechts ab in die Straße „Am Trieb“, die auf die Straße „Am Junkernberg“ führt. Von dieser geht nach rechts der Kulturweg weiter. Von dem breiten Weg geht es dann aber mit dem Kulturwegzeichen erst recht und dann gleich wieder links einen Trampelpfad hinunter zur Mariengrotte. Sie wurde von der Kirchengemeinde in einem ehemaligen Steinbruch in den Jahren 1945 - 1949 als Dank für den Schutz in den letzten Kriegstagen errichtet. Ortspfarrer Anton Biba, Kaplan Aloys Schön und der Fuldaer Theologe Dr. Karl Biba, der aus Horbach stammt, gaben den Anstoß zum Bau der Grotte, der aber wegen Mangel an Baumaterial so lange dauerte.

Dr. Karl Biba wurde am 20 April 1898 geboren und starb am 2. Januar 1988 in Horbach. Er studierte 1919 bis 1926 in Rom an der Gregorina, am 11. April 1925 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Im Jahre 1922 wurde der Doktor der Philisophie und 1926 der Theologie. Sein erster Gottesdienst („Heimatprimiz“) war am 27. Juli 1926 in der neuen St. Michaelskirche in Horbach. Dann war er 1932 bis 1936 im Auslandsschuldienst in Hermannstadt in Siebenbürgen. Bis 1964 war er Lehrer und Seelsorger am Domgymnasium Fulda. Von 1958 bis 1963 war er auch Dozent für Katechetik und Pädagogik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Fulda. Im Jahre 1975 wurde er Ehrenbürger der Gemeinde Freigericht. Er ist verdienter Heimatforscher von Horbach.
Auf dem Weg unterhalb der Grotte geht es nach rechts. Man kommt vorbei an einem Gesteinsaufschluß mit Wohnungen von Feuersalamandern. Man kommt zur Kneippanlage, deren Hütte sonntags ab 14 Uhr geöffnet ist (Der Ortsteil Horbach ist staatlich anerkannter Erholungsort). Hinter der Kneippanlage und unterhalb der Grotte wird ein Teil des Näßlichbachs in einen einige hundert Meter langen Kanal abgeleitet, Der Wanderweg daneben ist zwischen Wassertretbecken und Parkplatz bei der Feuerwehr einer der schönsten im Spessart.

Nach links geht es dann über die Straße zum Gondelteich es im Nässlichgrund an der Straße nach Geiselbach. Südlich des Gondelteiches verläuft der Naturpfad Freigericht. Dort beginnt auch ein fünf Kilometer langer, mit einem Eichblatt markierter Rundweg zum Frohn­bügel. Der Weg geht etwa drei Kilometer stetig bergauf, von flacheren Stellen unterbrochen. Oben trifft man wieder auf die Birkenhainer Straße, von der aus man die Gaststätte Frohnbügel sehen kann

 

(6) Frohnbügel:                     

Seit jeher war der Frohnbügel ein Hofgut der Abtei Seligenstadt. Namentlich wird er erstmals 1728 genannt. Hier wurde Ackerbau und eine große Schäferei betrieben. Nach der Säkularisation erlebte der Hof ein wechselvolles Schicksal, bis Georg Adam und Katharina Hessler von Geiselbach hierher zogen und 1905 die Gaststätte „Zur Waldesruh“ eröffneten. Ihre Nachfahren führen die Gaststätte noch heute. Man wollte sogar zum „Kurort“ werden mit eigenem Apfelwein und einer Milchkur. Von hier hat man eine Aussicht bis zum Odenwald.

Vom Frohnbügel hat man die Wahl, entweder auf bayerischer Seite den europäischen Kulturweg Birkenhainer Straße 1 „Im Krombacher Landgericht“ zu gehen, oder auf der hessischen Seite den europäischen Kulturweg Birkenhainer Straße 2 „Freigerichter Bucht“ weiter kennen zu lernen, auf dem man gute Aussichten hat.

Auf der Birkenhainer Straße geht es dann nach Westen. Entlang der Birkenhainer Straße befinden sich mehrere Gruppen von Grabhügeln. Das weist darauf hin, daß der Verkehrsweg schon in vorgeschichtlicher Zeit von Bedeutung war. Durch gut sichtbare Grabanlagen entlang einer vielbefahrenen Handelsstraße wollte man den Verstorbenen eine Bedeutung über den Tod hinausgeben. Aber auch zwischen Neuses und Horbach wurde ein Grabhügel gefunden, in dem übereinander Gräber der Schnurkeramiker, Glockenbecherkultur und der Hallsteinzeit gefunden wurden. In einem Horbacher Grabhügel wurde eine hölzerne Grabkammer nachgewiesen und eine Feuersteinklinge aus dem mittleren Loiretal, ein Beleg für den regen Austausch zwischen weit entfernten Regionen.

An einer Wegspinne geht es halbrechts weiter. Am Weg stehen rechts  und links Gedenksteine (mit brennenden Teelichtern). Schließlich kommt man wieder am Parkplatz „Fernblick“ an.

 

Autofahrten:

Man kann die Ziele zum großen Teil auch mit dem Auto ansteuern, Der Gondelteich liegt an der Straße von Horbach nach Geiselbach auf der rechten Seite. Auf der anderen Talseite geht es nach rechts zur Mariengrotte.

Wenn man von Horbach nach Norden fährt in Richtung Waldrode, kommt man zum Naturschutzgebiet Hardt bei Bernbach (oben auf der Höhe links ist eine Schranke). Aber man sollte es nur bei Interesse aufsuchen (Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 110).

Bei Waldrode liegt auch der Franzosenkopf. Die mit 481 Meter die höchste Erhebung von Freigericht gehört bereits zur Buntsandsteinformation des Hochspessarts. Der Franzosenkopf trägt seine Namen vermutlich von einer Geschützstellung der napoleonischen Armee, die damit im Oktober 1813 auf dem Rückzug nach der Völkerschlacht bei Leipzig den Weg durch das Kinzigtal kontrollieren wollte.

 

Hüttelngesäß:  siehe Spessart,  Kahlgrund

Hof Trages siehe Hanau Kreis,  Rodenbach

 

 

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© Homepage von Peter Heckert