Kirchengeschichte

 

Inhalt: Germanenmission, Kirchenbau, Wertevermittlung, Nazizeit, Frieden., Wettlauf zum Jahr 2000, Chirstenverfolgung

 

Germanenmission

Das Christentum kommt nicht aus Europa. Es kam aus Vorderasien und brachte den Glauben des kleinen jüdischen Volkes in einen Erdteil, der zuerst verständnislos und verärgert darüber war, schließlich aber davon fasziniert war und tausend Jahre nach Christus seine eigentliche Kraft im Christentum entdeckte. Der Vorgang der „Germanenmission“ füllt eire Zeitraum vor rund 800 Jahren: im 3. Jahrhundert kamen Germanen am Rhein in Berührung mit dem Christentum und im 12. Jahrhundert gab es in Schweden noch offenes Heidentum.

Im ersten Jahrhundert hatte es ja die großen Missionsreisen der Apostel und ihrer Nachfolger gegeben. Aber danach finden wir zunächst nur die „Gelegenheitsmission“: Gemeindeglieder kamen mit Nichtchristen in Kontakt und führten sie mehr zufällig in die Gemeinde hinein. Die Ausbreitung war aber auf die Grenzen des römischen Reiches beschränkt.

In dieses Reich brachen aber zur Zeit der Völkerwanderung die Germanenstämme ein. So kam das Christentum nicht zu den Germanen, sondern die Germanen kamen zum Christentum. Besonders gilt das für die Franken und die Westgoten, die die größte Ausstrahlungskraft auf ihre Nachbarn hatten.

Man muß dabei bedenken, daß die Religion bei den Germanen eine Angelegenheit des ganzen Volkes war. Einzelbekehrungen waren unmöglich. Der Übertritt zum Christentum war nicht so sehr die Sache persönlicher Entscheidung des Einzelnen als vielmehr die gemeinsame Entscheidung einer ganzen Gruppe. Meist bedeutete der Entschluß des Fürsten auch die „Bekehrung“ des ganzen Stammes. Der Weg ging also vor oben nach unten. Gelegentlich beschleunigte man auch die Massenbekehrung durch Gewaltanwendung („Schwertmission“). Bei den Germanen dürfen wir deshalb nicht von „Bekehrung“ sprechen, sondern von Christianisierung.

Als erster der Germanenstämme sind wohl die Westgoten mit dem Christentum in Berührung gekommen. Auf ihren Streifzügen machten sie Gefangene, die Christen waren. Die bedeutendste Persönlichkeit unter den westgotischen Christen war ein Enkel eines solchen Gefangenen. Es war der Bischof Wulfila (311 - 383), der Mitglied einer Gesandtschaft der Goten zum römischer Kaiser war und bei dieser Gelegenheit von Patriarchen von Konstantinopel zum „Bischof der Goten „ geweiht wurde. Seine große Bedeutung lag vor allem in der Übersetzung der Bibel in die gotische Sprache.

Durch kriegerische Verwicklungen zog der Hauptstamm über Italien nach Spanien. Ein Teil aber blieb im Jahre 348 am Fuß des Balkangebirges in der Gegend des heutigen Sofia sitzen. Diese „Kleingoten“ gewannen dann im Donauraum einen germanischen Stamm nach dem anderen für ihre Form des Glaubers, die wir heute „Arianismus“ nennen, die aber ursprünglich die übliche Form war.

Den entscheidenden Durchbruch zur Christianisierung der Germanen vollzogen allerdings nicht die nationalkirchlichen germanisch-arianischen Stämme, sondern die universalkirchlichen fränkisch-angelsächsischen Kreise.

Chlodwig (482 - 511) einte die fränkischen Stämme und wurde so der Schöpfer des großfränkischen Reiches (Nordsee, Biskaya, Mittelmeer, Lech). In der Alamannenschlacht (wahrscheinlich 497) hatte er Christus angerufen, ihm den Sieg zu schenken, weil seine Götter ihn verlassen hatten. Er siegte und wurde ein Christ. Er nahm die katholische Form des Christentums an, die damals in Westeuropa verbreitet war. Der Grundstein für das Abendland war damit gelegt. Seine Gefolgsleute schlossen sich ihm an. Er hatte ihnen allerdings völlige Freiheit gelassen.

Drei Generationen später allerdings wurde unter dem König Dagobert I. im Jahre 626 der Taufzwang eingeführt und jeder heidnische Kult verboten. In dem entsprechenden Edikt heißt es: „Wenn einer sich nicht freiwillig durch das Bad der Taufe wiedergebären lassen wollte, er vom König genötigt durch die heilige Taufe abgewaschen würde!“ Das wurde von Bedeutung, als die Franken andere germanische Stämme unterjochten.

Die Germanen waren aber auch innerlich vorbereitet auf die Überrahme des Christentums. In Christus sahen sie den mächtigen König, der nicht nur Hilfe in persönlicher Lebensnot bietet, sondern auch durch seinen Sieg über Tod und Teufel die Welt vor allen Unheilsmächten sichert. Germanische Treue gebot, diesem Herrn mit ganzer Hingabe zu folgen. Er darf sogar zum Klosterdienst berufen, aber man erwartet dann auch den entsprechenden Lohn.

Der „Herr“ ist für den Germanen der Gefolgschaftsführer, dem man sich freiwillig anschließt. Man bringt ihm Vertrauen und Dienstbereitschaft entgegen und darf dann vor ihm Milde und Einsatzfreudigkeit erwarten. Treuebruch war so eine teuflische Tat, die höchstens durch gesteigerte Gefolgschaftsleistung gesühnt werden konnte (Später allerdings auch durch Geld; dagegen Luther 1517!). Durch das stellvertretende Leiden Christi wird die Ehre Gottes, die durch die Sünde des Menschen verletzt wurde, wiederhergestellt. All das kam germanischem Denken entgegen.

Verhängnisvoll wurde aber das germanische Eigenkirchenrecht. Im Gebiet nördlich der Alpen fehlten ausreichend Städte, die Mittelpunkte kirchlicher Organisation hätten werden können. Landpfarreien mußten geschaffen werden. Ein Grundherr wurde Erbauer und damit Herr einer Kirche: Er stellte den Pfarrer an und erhob Opfer und Zehnten. Entsprechend hatte der König die Leitung der Gesamtkirche. Diesem nationalkirchlichen Denken gegenüber erhob die Kirche den Anspruch, eine einheitlich organisierte Universalkirche zu sein, wo der Kaiser unter dem Papst steht. Daraus entstanden die Streitigkeiten im Mittelalter, die mit dem gleichzeitigen Niedergang von Papsttum und Kaisertum endeten.

Große Bedeutung für die Christianisierung der Germanen hatten auch die iro-schottischen Mönche, die als Wanderprediger nach Germanien kamen. Die Namen Pirmin, Gallus, Kilian, Emmeran, Korbinian und Kolumban sind uns bekannt. Die bedeutendste Persönlichkeit aber ist der Mönch Winfrith, der später Bonifatius genannt wurde. Er wurde 672 als Sohn eines westsächsischen Grundbesitzers in Wessex in England geboren. Gegen den Willen der Eltern trat er ins Kloster ein. Er hätte eine glänzende Laufbahn haben können. Aber ein Traumgesicht brachte ihn dazu, Wanderprediger zu werden. Er begann seine Tätigkeit unter den Friesen, wo der Angelsachse Willibrod in schwerer Arbeit stand.

Dann schickte ihn der Papst zu den Hessen und Thüringern, wo christliche Gemeinden inmitten heidnischer Umgebung lebten. Sie sollte er zusammenfassen, ihren Glauben reinigen und festigen und neue Glieder den Gemeinden zuführen. Auf die Unterstützung der politischen Macht verzichtete er. Arm und bedürfnislos zog er von Ort zu Ort.

1n Amöneburg stiftete er ein erstes Kloster, in dem Pfarrer für die neugewonnen Gemeinden herangebildet werden sollten. Bei Geismar in der Nähe von Fritzlar predigte er vor einer großen Menschenmenge, die sich unter der Donareiche eingefunden hatte, ein Baum, der dem Donnergott der Germanen heilig war. Winfrith aber sagte, daß der Christengott aller Göttermächten überlegen sei. Die Leute murrten, weil er das unter der geweihten Eiche zu sagen wagte. Da entschloß er sich, mit einigen Gefährten der Baum zu fällen. Die Leute hielten den Atem an und erwarteten die Rache des Donnergottes. Der Baum stürzte (nach der Legende „vor einem göttlichen Wehen bewegt“ schon nach dem ersten Schlag) und nichts geschah. Da erkannten die Leute die Ohnmacht ihrer Götter und ließen sich taufen. Winfrith aber baut aus dem Holz eine christliche Kapelle.

Dann führte ihn sein Weg wieder ins Thüringische. In Ohrdruf gründete er ein Kloster, das er mit seinen Gefährten besetzte. Von dort aus verbreiteten sie das Evangelium in die Wälder. An vielen Orten entstanden Kapellen und Glockentürme. Auch das Kloster Fulda geht auf Winfrith zurück und das Kloster Hersfeld auf seinen Nachfolger Lullus.

Kirchengeschichtlich hat er eine große Bedeutung, weil er die deutschen Lande der Herrschaft Roms unterstellte. Der Papst hat ihn zum Erzbischof gemacht und ihm der Namen „Bonifatius“ gegeben. Schon 722 hatte er bei seiner Weihe zum Missionsbischof dem Papst den gleicher Gehorsamseid geschworen wie die Bischöfe der römischen Kirchenprovinz. Zeitlebens sah er in der Gemeinschaft mit Tom die Einheit des Leibes Christi gesichert. Auch die fränkische Kirche links und rechts des Rheins reinigte er und ordnete sie neu, nachdem sie zu sehr verweltlicht waren und das geistliche Leben zum Erliegen gekommen war. So geht die ganze kirchliche Organisation im fränkischen Reich auf Bonifatius zurück.

Aber nicht überall ließen sich die Menschen so leicht davor überzeugen, daß der reue Glaube der richtige sei. Vor allem die Sachsen (im heutigen Niedersachsen) weigerten sich heftig, den alten Glauben         abzulegen. Weil der Frankenkönig die Mission unterstützte, um das Sach­sen­­land in die Hand zu bekommen, mußten die Sachsen mit der Taufe zugleich den Sieg des fremden Volks anerkennen. Schon hier kam es zu einer Vermengung von Mission und Kolonialherrschaft. Man schrieb ihnen grausame Gesetze vor:

„Versucht jemand fernerhin im Lande der Sachsen als Ungetaufter sich zu verbergen und versäumt er es, zur Taufe zu kommen und will Heide bleiben, der soll des Todes sterben. Wer mit den Heiden gegen die Christen Pläne schmiedet oder mit ihnen in der Gegnerschaft gegen die Christen verharren will, der soll des Todes sterben. Wer aus Verachtung des Christentums das Fasten in den 40 Tagen vor Ostern bricht und Fleisch ißt, der soll des Todes sterben. Wer der Körper eines Verstorbenen nach heidnischer Sitte verbrennen und seine Gebeine zu Asche werden läßt, der soll mit dem Tode bestraft werden. Wir verordnen nach Gottes Gebot, daß alle den zehnten Teil ihres Vermögens und ihres Erwerbes ihren Kirchen und Priestern geben!“

Der Kampf dauerte 30 Jahre. Karl der Große war 782 oder 785 zu erster Siegen gekommen, Nach vielen Aufständen und Hinrichtungen ließ sich der Sachsenherzog Widukind 785 taufen. Doch im Jahre 804 kam es wieder zu Aufständen. Karl ließ tausende von Sachsen ins Rheinland bringen, um sie in engen Kontakt mit christlicher Bevölkerung zu bringen. Umgekehrt ließ er Franken unter den Sachsen ansiedeln. Breite Volkskreise paßten sich aber nur äußerlich den kirchlichen Sitten an und es entstand eine heidnisch-christliche Mischreligion, die auch in gottesdienstlichen Leben Einfluß gewann (Festbräuche, Heiligenverehrung, Wallfahrtwesen). Man kann nur staunen, daß dennoch schon wenige Jahre später der „Heliand“ unter diesen Sachsen entstand, ein frühes Zeugnis tiefer christlicher Frömmigkeit und ein Versuch, das fremdländische Evangelium in die Welt der Germanen zu übertragen.

So waren für ein paar Jahrhunderte „Europa“ und „christlich“" eins (Afrika war heidnisch, Asien war vorwiegend islamisch, Rußland war unerschlossen, von Amerika wußte man nichts). Der moderne Nationalismus aber hat nichts Christliches mehr an sich und die Kultur ist kirchenfremd, wenn nicht sogar atheistisch. Keine Kirche kann unheilvolle politische Entwicklungen verhindern oder den Frieden sichern. Auch in Europa ist der christliche Glaube heute eine Sache der Minderheit. Sie verstehen sich nicht mehr als Missionare und Kolonisatoren gegenüber den „jungen“ Völkern, sondern als helfende Partner, die sogar auf einen Teil ihres Lebensstandards verzichten, um anderen zu helfen. Vielleicht kommen in einigen Jahren aber Missionare aus Afrika und Asien in den europäischen Urwald aus Stahlgerippen, Antennen und Betonmasten.

 

Slavenmission:

Im Osten unseres Landes konnte sich das Evangelium nur langsam aus breiten. Hier wohnten slawische Stämme: Die Liutitzen in Brandenburg und der Altmark, die Abodriten in Mecklenburg und Pommern und die Sorben in der Lausitz und in Sachsen. Die ersten Missionare wurden durch Otto der Großen zu dieser „Wenden“ gesandt. Es entstanden die Bistümer: 948 Brandenburg, Havelberg, 968 Magdeburg, Merseburg, Zeitz (ab 1032 nach Naumburg verlegt), Meißen. Doch schon 983 wurden die Bistümer Brandenburg und Havelburg bei einem Wendenaufstand zerstört. Die Abodriten erschlugen sogar ihren Fürsten Gottschalk, als er 1066 versuchte, sie zum Christentum zu bringen.

In mühevoller Missionsarbeit gelang es einzelnen Mönchen, neue Zentren des christlichen Glaubens zu schaffen: Ratzeburg, Schwerin, Doberan. Aber durch den Wendenkreuzzug 1147 wurde wieder das Erreichte zerstört, weil man die Einwohner des Landes vor die Wahl stellte,

sich taufen zu lassen oder umgebracht zu werden.

Erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde es ruhiger, weil christliche Volksstämme einwanderten und die Wenden nachgeben mußten. Nun entstanden auch im Norden Bistümer: Wollin in Pommern, 1165 Dom zu Brandenburg, 1170 Dom zu Havelberg. Schließlich eroberten noch die Dänen die Burg Arkona auf Rügen und erschlossen so das ganze Land für das Christentum.

Mit dem Vordringen der Deutschen mußten sich die Wenden immer mehr in den Vorstädten ansiedeln, auf dem sogenannten „Kietz“, ein Wort, mit dem man die wendische Fischerhütte bezeichnete. Vor allem aber wurde der gesamte Spreewald zu einem Rückzugsgebiet des stammesbewußten Wendentums. Schon vor 1000 Jahren gab es so etwas wie „Apartheid“ und die Deutschen waren stolz darauf, ein „christliches“ Volk zu sein.

Noch 1525 betonte man, daß man „teutscher Art“ geboren ist. Die Wenden gehörten zu den „unehrlichen“ Leuten, waren Bürger zweiter Klasse, obwohl man doch schon 400 Jahre nebeneinander wohnte. Die Wenden hatten einen besonderen Platz in der Kirche, wenn man sie nicht gar draußen auf dem Friedhof stehen ließ. Erst nach dem Gottesdienst erteilte ihnen der Priester vor der Tür den Segen.

Der Bischof Dodilo von Brandenburg wurde von seiner eigenen „Gemeindekindern“ erdrosselt. Bei dem großen Slavenaufstand 983 zerrte man seinen Leichnam noch einmal aus der Gruft und beraubte ihn seiner bischöflichen Kleidung. Bis ins 12.Jahrhurdert blieben die Slawen unbekehrt. Man war froh, wenn sie Frieden hielten, ihre Abgaben zahlten und einmal im Jahr mit ihren Täuflingen zur Kirche kamen und die Toten christlich beerdigen ließen.

Besonders die Sorben des Spreewaldes blieben noch lange bei ihren heidnischen Sitten. Man wohnte in Einzelgehöften, größere Orte gab es nur am Rand des Gebiets (Burg, Lübben, Vetschau). In den deutschen Kolonistendörfern gab es zwar Kirchen, aber dort gingen nur die Deutschen hinein. Es gab kein Kloster und deswegen nur wenige Pfarrer. Im Jahre 1495 gab es im ganzen Gebiet nur acht Kirchen. Nur langsam wurden aus den „getaufter Heiden“ echte Christen. Wann die letzten Reste des offenen Heldentums verschwanden, kann man gar nicht sagen.

Die letzte Fremdheit des Evangeliums wurde erst durch die Reformation überwurden. Jetzt durfte auch die Volksspracheim Gottesdienst verwendet werden. Das Neue Testament wurde ins Sorbische übersetzt. Die Sorben erhielten eigene Kirchen, zum Teil wurden ihnen die Klosterkirchen der ehemaligen Klöster übergeben (Cottbus). In Vetschau wurde die sorbische Kirche eher errichtet als die deutsche von 1694, die Wand an Wand mit ihr steht. In Straupitz wurde die sorbische Kirche erst 1828 - 32 erbaut. So fand der christliche Glaube erst spät im Spreewald Verbreitung, aber er ist hier auch besonders stark verwurzelt. Die Sorben des Spreewaldes halten bis heute treu an ihrem Glauben fest.

 

 

Kirchenbau: Die Kirche und das christliche Kulturerbe

 

Berühmte Touristenkirchen stehen seit Jahren im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Aber heute gilt die Aufmerksamkeit auch den weniger bekannten Kirchen. Dazu kommt ein wachsender Zustrom zu Orgelkonzerten und Aufführungen klassischer Werke der Kirchenmusik mit einer bemerkenswerten altersmäßigen und sozialen Zusammensetzung der Besucherschar. Der Gottesdienstraum wird aber oft auch als Museum verstanden, die geistliche Musik wird zum ästhetischen Genuß. Ihre Erhaltung aber erfordert oft einen hohen Einsatz der Kirchengemeinden.

Bei der Aufnahme des kirchlichen Kulturgutes in eine Nationalkultur kommt es aber zu einer

Verweltlichung. Der Staat will christliches Kulturerbe selbst verwalten und die Kirche als Kulturträger ablösen. Man sieht dabei bewußt von der christlichen Auslegung ab und übergeht die Glaubensaussage, die sich darin niedergeschlagen hat.

Die Kirchen dienen heute noch dem ursprünglichen Zweck. Da aber Gesamtgesellschaft und Kirche nicht mehr deckungsgleich sind, bedeutet die Erhaltung repräsentativer Gebäude oft eine Überforderung der Gemeinden; die Gebäude können häufig nur unter Inanspruchnahme fremder Mittel erhalten werden.

Als Eigentümer und Nutzer von Gebäuden hat die Kirche die Pflicht, sie zu erhalten und zu pflegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aber sie wird den Interessenten auch den ursprünglichen christlichen Inhalt der Kunstwerke erläutern, ihren Bezug zur Botschaft der Bibel erklären und die aktuelle Aufgabe im Leben der Gemeinde bezeugen.

Die Kirche hat für die Auslegung des Kulturerbes kein Monopol. Christliche Werke können auch weltlich interpretiert werden. Die Kirche aber geht davon aus, daß in einem christlichen Kunstwerk ein Künstler christliche Glaubenserfahrungen Ausdruck verliehen hat; darauf hinzuweisen, ist ein missionarischer Dienst. Den Gemeinden sollte stärker bewußt werden, welcher Reichtum uns mit dem christlichen Kulturerbe überkommen ist.

 Die Gemeinde nimmt das Erbe selbst in Gebrauch, um auch mit seiner Hilfe die Anrede des Evangeliums zu erfahren. Daneben tritt die missionarische Ausrichtung des Evangeliums. Sie nimmt aber auch einen stellvertretenden Dienst für die Öffentlichkeit wahr, solange diese die Pflege des Erbes nicht ausreichend wahrnimmt. Damit geschieht auch ein Beitrag zum Mensch­sein des Menschen als Kulturwesen.

Es ist aber notwendig, die kirchlichen Mitarbeiter zur Dialogfähigkeit anzuleiten. Erläuterungen bei Kirchenführungen sollten nicht nur historisch-kunsthistorisch orientiert sein, sondern es sollte auch der Bildinhalt christlicher Kunstwerke nacherzählt werden und darauf hingewiesen werden, daß die Gemeinde auch heute dieses Kunstwerk in Gebrauch nimmt.

Dieses Erbe anzunehmen bedeutet allerdings auch, daß wir es nicht ausschließlich christlich vereinnahmen können. Die intensive Nutzung eines gotischen Kirchenraumes durch die gegenwärtige Gemeinde liegt ganz im Sinne der früheren Erbauer und muß immer den Vorrang vor denkmalpflegerischen Gesichtspunkten haben. Umgekehrt ist nicht zu leugnen, was weltliche Geschichtsbetrachtung ständig hervorhebt: Alle christlich geprägte Werkgesinnung hätte nicht zu den heute bestaunten Kunstwerken aus Stein, Holz, Glas und Farbe geführt, wäre nicht die Opferbereitschaft der kleinen Leute, die Geschicklichkeit der Handwerker und Künstler, die Weitsicht oder auch das Repräsentationsbedürfnis weltlicher Obrigkeiten gewesen. In jedem kirchlichen Denkmal steckt ein gutes Stück Weltlichkeit. So hat heute jeder Bürger, zu welcher Weltanschauung er sich bekennen mag, ein Anrecht auch an den kirchlichen Denkmalen, die seinen Lebensbereich mit gestalten und Zeugnisse auch seiner Geschichte sind. Sich heute an dem uns überlieferten reichen Erbe zu freuen, bedeutet allerdings auch, Lasten tragen zu müssen. Christen und Nichtchristen, Staat und Kirche sind dabei in vielfacher Weise miteinander verbunden. Bei aller Wertschätzung von Denkmalen geht es vor allem darum, daß Christen intakte Stätten für die ihnen zugestandene Möglichkeit der Religionsausübung haben.

Bauabenteuer Nikolaikirche:

Die kriegszerstörte Nikolaikirche in Rostock wurde nach einer ungewöhnlichen Konzeption, die eine komplexe Nutzung des mittelalterlichen Bauwerks ermöglicht, wiederaufgebaut Einerseits waren denkmalpflegerische, stadtbilderhaltende Gesichtspunkte maßgebend, andererseits fand der Aspekt optimaler Nutzung durch die Kirche volle Berücksichtigung.

In den Turm, der seine äußere Gestalt behielt, wurden Etagen eingebaut, so daß er als kirchliches Bürogebäude dienen kann. In den vom Kirchendach gebildeten Raum wurden drei Etagen mit 20 Wohnungen eingefügt. Das Kirchenschiff wurde zu einem Mehrzwecksaal gestaltet. Mit der so umfassenden und ungewöhnlichen Rekonstruktion von St. Nikolai ist Neuland auch in europäischem Maßstab betreten worden. St. Nikolai bleibt freilich eine nicht beliebig wiederholbare Sonderbaumaßnahme, da sie sich mit dem Einbau von Wohnungen in das Kirchendach normalen Kriterien entziehe.

 

Kirchenbaustile in Stichworten:

Die Baukunst ist von alters her die mächtigste der Künste. Ihr Sinn ist die Gestaltung des Raumes durch den Menschen. Der Raum wird eingeordnet in die Welt, in die äußere Umgebung (Landschaft) und in die Zeit. Hier spiegelt sich wider, daß alles menschliche Leben an Raum und Zeit gebunden ist.

Die verschiedenen Völker und Zeitepochen haben unterschiedliche Ansichten vom Raum gehabt und in ihren Bauwerken dieses unterschiedlich gestaltet. Frühe Zeiten und Völker kannten zunächst nur den Innenraum: die Höhle, das Zelt, die Hütte. Erst mit dem Wachsen menschlicher Gemeinschaft entsteht der Außenraum. Einzelhäuser ordnen sich zum Dorf. Später entstehen Straßen und Plätze, die sich durch Größenordnung unterscheiden. Der Städtebau beginnt.

Über alle diese Bauwerke erhebt sich das Heiligtum, der Tempel, der Raum Gottes - die Kirche. Die alten Stadtbilder der europäischen Städte mit den die Häuser weit überragenden Kirchen und Kathedralen, die Dörfer, überragt von den Kirchentürmen, geben uns noch Kunde davon. Dies bedeutet auch, daß die Kirche eine besondere, unübersehbare Stellung im Leben der Menschen einnahm.

Erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde diese Stellung des Gotteshauses im Zuge allgemeiner Verweltlichung des Lebens untergraben. Unsere Großstädte sind nicht mehr von Kirchtürmen überragt. Auch im Leben der Menschen ist die Kirche aus dem Mittelpunkt gerückt.

Aber immer noch ist die Kirche die besondere Stätte der Gemeinde der Christen, der Raum zur Versammlung, der bestimmte Ort, das „Kämmerlein der Gemeinde“, in dem man gemeinsam betet, lobt und dankt, wo das Wort Gottes verkündet wird. Jesus sagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen!“In besonderer Weise trifft dieses Wort auf die Kirche zu. Darum bauen wir auch heute noch Gotteshäuser.

 

ROMANIK:

Entwicklung von 800 (Karl der Große) bis etwa 1250 (Ende der Staufer)

Die Zivilisation des römischen Kaiserreichs ging in den Stürmen der Völkerwanderung zugrunde. Landstraßen verfielen, Häfen versandeten, der Handel kam zum Stillstand. Europa war ein großes Bauernland, wo jeder auf seinem Grund und Boden lebte und sich damit begnügen mußte, was dieser für ihn abwarf. Alles geistige Leben, der technische, moralische, wissenschaftliche und soziale Fortschritt waren an die Kirche gebunden. Außer den Klöstern, Schulen, Universitäten und Hospitälern der Kirche war alles andere Leben ein Bauerndasein aus der Hand in den Mund. Alle formschaffende Tätigkeit jener Zeit spielte sich vor oder sozusagen auf den Mauern der Kirche ab.

 

Als das Christentum im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion wurde, übernahm man einen Häusertyp, der für den Zweck einer großen Versammlung geeignet war: die Basilika (ein Gebäude, das als Markthalle, Versammlungslokal und Gerichtssaal schon lange verwendet wurde). Der Zweck, einen großen Raum zu schaffen, der geeignet war, viele Menschen aufzunehmen, wurde so erfüllt.

 

Typisch für diesen Stil: dicke Mauern, flache Mauerpfeile, Rundbogentüren, Rundbogenfenster, die sich treppenförmig durch die dicken Mauern ziehen

Bau: Streng, einfach, geschlossen, Teile des Baukörpers klar unterscheidbar

Wirkung: wuchtig, monumental, erhaben

Ausdruck für:  Glaubensgewißheit und Kampfbereitschaft des Menschen für seinen Glauben

Dabei erkennbar:

a) Vorbau (Paradies), Größenverhältnis der Schiffe

b) ob Kirche zwei Chöre hat, bei Hochromanik im Osten und Westen, je einem Schutzpatron geweiht

c) Basilikaform, wenn Mittelschiff höher als Seitenschiffe, sehr häufig, da älteste christliche Kirchenform (übernommen von römischer Basilika - Gerichtshalle, vgl. Trier!)

d) alte Anlage: dreischiffig, Mittelschiff in Apsis endend (Altarplatz im Osten, der vor dem Altar zelebrierende Priester schaut zum Heiligen Land; dann auch Seitenschiffe in Apsiden ausgehend, besonders in Klosterkirchen, Platz für viele Mönche). Später Apsis zu Chor vergrößert (Platz für Klerus und Bischof), zwischen Schiff und Chor Querschiff, Grundriß Kreuz, bei langem Kreuzpfosten - lateinisches Kreuz. Wenn Pfosten und Arme gleich lang: griechisches Kreuz, führt zu Zentralbau (Taufkapellen).

e) Beim Betrachten der Nord- und Süd-Seiten am besten Turmanlage überschaubar. Türme rund oder viereckig, in oberer Zone oft achteckig, oft Rhombendach. Zahl der Türme: entweder ein mächtiger Turm im Westen oder je einer als Portalflankierung bei einchorigem Bau, dazu der große, gedrungene Vierungsturm über Durchdringung von Mittel und Querschiff.

Manchmal auch Vierungsturm im Westen (selten), meistens noch zwei kleinere in den Winkeln von Längshaus und Querschiff oder von Querschiff und Chor. Möglich also ein, zwei, drei, fünf, sechs, auch sieben Türme (Limburg).

Wirkung: Gottesburg, Festung des Glaubens, daher auch wenig Außenschmuck; in Frühzeit kaum, ab elften Jahrhundert Auflockerung durch Bogenfenster. Rundbogenblenden, Bogenfriese, Radfenster, vorgestellte, verzierte Halbsäulen.

 

Das Innere des Gotteshauses: Der Chorraum ist vom Kirchenschiff durch eine Zwischenmauer getrennt. Fußboden des Chorraums um einige Stufen erhöht. Im Inneren der Kirche liegt jedem einzelnen Gewölbe ein quadratischer Grundplan zugrunde

Akustik im Raum ist nicht für die Rede, sondern für den Gesang geschaffen. Auch der romanische Stil ist ebensowenig wie der spätere gotische ein rein kirchlicher Stil. Die mittelalterlichen Kirchen paßten sich in hohem Grad an die gewöhnliche bürgerliche Bauweise an.

Anders als die Welt draußen, geheimnisvoll, dämmrig (wegen der kleinen Fenster), Eindruck von strenger Harmonie durch die Maßverhältnisse: Gebundenes System, d.h. Vierungsmaß ist Maßeinheit für Länge, Höhe und Breite, zum Beispiel dreimal in Mittelschifflänge, einhalbmal in Seitenschiffbreite usw.

Teilung des Raumes in Schiffe durch zwei Arkadenreihen, gebildet von Säulen oder Pfeilern. bzw. in Stützenwechsel Säule - Pfeiler (in Hildesheim zum Beispiel zwei Säulen und ein Pfeiler)

Wirkung: Feierliche Leitung des Andächtigen von Joch zu Joch durch Triumphbogen (höher als Arkaden. bis Decke oder Gewölbe reichend) hin zu dem Allerheiligsten, zum Altar, an dem Meßopfer gefeiert werden. Davor die rote „ewige“ Lampe zum Zeichen, daß der Leib Christi (die geweihte Oblate) anwesend ist in der Monstranz im Tabernakel (Aufsatz auf Altar).

Durch Stützenwechsel wird der Weg des Fortschreitens auf Andachtzentrum betont. Sehr eindrucksvoll das romanische Würfelkapitell, ohne Verzierung - Ausdruck für völliges Genügen in einem Bezirk, der frei ist von irgendwelchen Einflüssen der Welt und von Bildern aus der Natur (Später Verzierung durch Blätter- und Vogelplastiken).

 

Krypta: Begräbniskapelle unter Chor, Anlehnung an Märtyrergrabstätten, gebaut für Fürsten oder Geistlichkeit. In Krypta („das Verborgene“) niedrige. gedrungene Säulen und Gewölbe, hier wurden Totenandachten gehalten. Königin Mathilde baute Dom von Quedlinburg mit Krypta für ihren Gemahl. König Heinrich (919-36).

Durch Krypta Chor erhöht, nur über Treppe erreichbar. Chor gegen Kirchenschiff abgegrenzt durch Schranke, deutet dadurch Trennung von Klerus und Laien. Priester und Volk. Nach Wegfall der Krypta später Zeichen der Trennung beibehalten durch große Chorschranke - Lettner (auch in gotischen Kirchen). Ausdruck für Priesterkirche.

 

Der Rundbogen: - das allgemein bekannte Kennzeichen der romanischen Architektur, an Fenstern, Portalen, in Hochromanik auch als Gewölbebogen, ein sogenannter „Übergangsstil“, schon verdrängt durch Spitzbogen, dennoch Gesamtcharakter als romanisch bezeichnet. Darum also Vorsicht bei Annahme, Rundbogen sei das ausschlaggebende Kennzeichen.

Rundbogen = Halbkreis, Kreis = Symbol für Ewigkeit.

Zur Stauferzeit Auflockerung, Verzierung, Zeichen für Weltfreudigkeit, mehr Fenster, größer, besonders schöne Radfenster über Hauptportal (Auge Gottes, Bild der Ewigkeit). Beleuchtung schön bei Westsonne.

Der romanische Stil ist in besonders hohem Maße von der deutschen Baukunst geprägt. Man hat ihn auch den „Rundbogenstil“ genannt. Der halbkreisförmige Bogen ist das Hauptglied der Architektur. Er wurde aus der alten römischen Baukunst übernommen. Die folgenden Jahrhunderte haben keinen eigenen Baustil im Kirchenbau hervorgebracht. Man hat sich nach den alten Bauten gerichtet, ihr Stil war üblich.

 

GOTIK:

etwa 1200-1525, ans Frankreich (Isle de France) kommend, doch eigentümlich eingedeutscht.

Der Stil der mittelalterlichen Kunst in Europa. Der Mensch der Gotik ist ein Stadtbewohner. Der Berufsstand des Handwerkers tritt hervor.

Bauentwicklung: früh basilikal, später gleichhohe Schiffe, also Hallenkirche.

Gesamteindruck: aufwärtsstrebende Bewegung durch vertikale Linien.

Der Spitzbogen ist die alles beherrschende Architekturform der Gotik. . Der Spitzbogen konnte zusammengedrückt oder erweitert werden, die Gewölbeglieder brauchten deswegen nicht quadratisch zu sein. Der Pfeiler war die Stütze des Gewölbes. Das Streben in die Höhe zeigten Fenster, Türen, Giebel und Türme. Im Innenraum folgten die Säulen dieser Bewegung.

Kein Bestehen einzelner Teile des Baukörpers, wie beim romanischen Dom, die aneinander gebaut sind, sondern ein Zueinandergreifen von Schiff und Chor, ein Übergehen von Fassade in Turin (Köln, Nürnberg), von Wand in Fenster, von Stein in Glas, von Zierat in freie Luft

Ausdruck: für religiöse Sehnsucht des spätmittelalterlichen Menschen.

Ziel: Erhebung zu Gott, Eingehen in die jenseitige Welt.

Eindrucksvollstes Zeichen: dafür: Entmaterialisierung des Steines im zentnerschweren Schlußstein. schwebend gehalten vom Druck des Pfeilers und Rippen in schwindelnder Höhe.

Technische Grundlage dafür:            Erfindung der Spitzbogenkonstruktion, dadurch unabhängig vom Quadrat als Basis für die in der Romanik übliche Halbkreiswölbung. Kein Baukörper - eher Bauskelett, kein Tragen von Lasten, sondern Auffangen und Weiterleiten von Druck.

Hinweise auf Einzelheiten:

1. Die herrlichen Glasgemälde an Stelle der romanischen Wandbilder, farbige Bilder, Predigten aus Glas (auch biblia pauperum) verlangen wegen der Figurenfülle ungeteilte Aufmerksamkeit bei der Betrachtung, woraus andächtige Versenkung in die heiligen Gegenstände wird.

2. Auch festlicher Schmuck, wie die bunten Gobelins in den romanischen Kirchen an Festtagen.

3. Sie lassen das nüchterne Tageslicht nicht eindringen, vielmehr macht Tageslicht das auf den Bildern dargestellte heilige Leben erst transparent. „Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell herein, daß uns werde klein das Kleine, und das Große groß erscheine, schöne Ewigkeit!“

4. Überwältigung des Gemüts durch Fülle und Farbenpracht.

5. Gleiche Wirkung auf die Seele durch Spiel von Licht und Schauen zwischen den Spitzbogenpfeilern (wie im Buchenwald): Gefühl der Vereinzelung, der Winzigkeit. Erwachen und Förderung persönlicher, individueller Frömmigkeit.

6. Schmuckfreudigkeit der Spätgotik - besonders am Außenbau - Ausdruck für Freude an Schönheit und Reichtum - aber auch für innere Unruhe, religiöse Unsicherheit, Zwiespältigkeit in Glauben und Angst.

Beispiele für gebannte Angstvorstellung: Fratzen der Wasserspeier, kartenspielende Teufel­chen an Säulen - sogar am Taufbeckenfuß. Immer mehr Altäre, immer mehr Fürbitten (14 Nothelfer, viele Kirchen „Aller Heiligen“).

Reformation:  Absage an Werkgerechtigkeit und Tun der Menschen. Neu verkündet: sola fide, sola gratia. Luther der Kunst gegenüber gleichgültig (außer Musik). Alte Kirchenbauten bleiben; mitunter Inneneinrichtung von Meßkirche auf Predigtkirche verändert.

Bänke und Stühle für viele Zuhörer, Emporen eingezogen.

 

RENAISSANCE:

Besinnung auf die Kunst der Antike, in Europa 1500 bis 1600.

Kein Interesse für Sakralbau, ganz wenig Kirchen im Renaissancestil (im Gegensatz zu Italien - Peterskirche), doch viele Renaissance-Altäre in gotische Kirchen gestellt.

Merkmal: Horizontale, Halbkreismuschel. Kugel, kleine Pyramide = antike Schmuckformen.

Die Renaissance liebt den Rundbau. Im Gegensatz zu den stürmisch zum Himmel emporstrebenden Linien der Gotik wurde das Erdgebundene durch ruhende horizontale Linien unterstrichen. Das längliche Gebäude wurde durch Säulenreihen in drei „Schiffe“ aufgeteilt. Das mittlere Schiff war am breitesten und überragte die beiden „Seitenschiffe“, so daß es mit Fenstern über ihren Dächern ausgestattet werden konnte. Am östlichen Ende des Mittelschiffes wurde eine halbrunde Apsis ausgebaut, in deren Mitte der Altar stand. Die Ausschmückung dieses Raumes durch ein großes Bild in der Kuppel sollte die zentrale Stellung und Bedeutung des Altars besonders betonen. Die beiden Säulenreihen wurden zu einer Allee, die zum Altar hinführte. Die flache Holzdecke unterstreicht noch die kraftvolle perspektivische Wirkung. Die christliche Basilika ist der Grundtyp unserer Kirchen. Das Äußere des Gebäudes ist vorläufig nicht allzu eindrucksvoll. Ist ein Glockenturm vorhanden, so steht er im Freien, ohne jeden Zusammenhang mit der Kirche - ein nackter Zylinder, einem hohen Wasserturm ähnlich.

 

BAROCK:

Siebzehntes und achtzehntes Jahrhundert; Herkunft Italien. Nachfolgezeit der Renaissance.

Liebe zu Welt und Schönheit. Kraft und Fülle.

Gründe für den Reichtum an kirchlichen Barockbauten:

1. Baunotwendigkeit als Folge des dreißigjährigen Krieges

2. Erstarken der katholischen Kirche nach Tridentiner Konzil.

3. Barock als Jesuitenstil - auch ein Kampf- und Werbemittel der Gegenreformation.

Merkmale: Zwiebelturm.

Typische Linienführung: diagonale Kombination der antiken bzw. romanischen Horizontalen mit der gotischen Vertikalen. Horizontale - Ausdruck von Erdgebundenheit oder Glaubensgewißheit. Vertikale - Ausdruck von Jenseitssehnsucht. Diagonal - Ausdruck für beides: Freude an Welt und Glaubensinbrunst.

Die gedrehten Altarsäulen: Bild für aufzüngelnde Flammen. Kirchenkörper außen in der bisher üblichen Form, oft auch Zentralbau mit überhöhter Kuppel über Vierung (An der gebrochenen Linie der Kreisperipherie findet das Auge keinen Halt.) Grundriß häufig Kreis, oft auch Ellipse.

Große Wirksamkeit der kirchlichen Bauten auf alle Sinne der Menschen durch gefällige, schmeichelnde Formen, weiche Linien, Wellenformen, durch festliche Farben, weiß, gold-rot, pastell. Gestalten der Deckengemälde. Große, klangreiche Orgeln (Gehör). Verstärkung der Perspektive in Deckengemälden, darauf der geöffnete Himmel dargestellt, hebt das Raumempfinden auf.

Schön, anmutig und festlich gestalteter Innenraum (Säulenschmuck, Girlanden aus Früchten und Blumen, Putti - kleine, flügellose Engelbübchen - auf dem Deckengemälde selig aufschwebende Heilige, auf dem Altarbild Himmelfahrt der Madonna).

Lage der Kirche: in landschaftlich schöner Gegend. Motiv: Barock - sozusagen Gotik mit umgekehrtem Vorzeichen. Spätgotik verwirrend durch Zierat, Barock verwirrend durch Vielfalt und Mächtigkeit.

Ecclesia triumphans: Ausdruck für Macht, Stärke und Kampffreudigkeit der wiedergefestigten katholischen Kirche.

Im Innenbau: die Fülle der Heiligen-Altäre, die gestikulierenden und gen Himmel blickenden Heiligengestalten, der goldfunkelnde, reiche Aufputz des Altars.

Daneben nur wenige bedeutende evangelische Kirchen im Barockstil. im Außenbau vor allem zentral angelegt (Rundbau mit Kuppel), Innenraum großzügig als Predigtkirche ausgenutzt (Frauenkirche Dresden). In Berlin und Potsdam vornehmlich Langhaus mit Turm (Garnisonkirche Potsdam). Ausgestaltung hell und freundlich, aber keineswegs unruhig und überladen.

Neue Zuordnung der Bänke zu Altar und Kanzel zuerst in Schloßkirchen ausprobiert. Von da an oft Kanzel über dem Altar.

 

Der Stil unserer Zeit fragt sehr betont nach der Zweckmäßigkeit der Gebäude. Längst überragen Hochhäuser die Kirchentürme vergangener Zeiten. Große Kirchen sind kalte, leere Versammlungsräume. Der Gottesdienst ist nicht mehr der zentrale Treffpunkt der Christen. Gefüllt werden große Kirchen nur noch bei besonderen Anlässen (Weihnachten, Konfirmation, Kirchentage). In kleinen Gesprächsgruppen kommen Christen häufiger zusammen. Dementsprechend baut man heute Kirchen oder Gemeindezentren für die Zusammenkünfte der verschiedensten Gruppen.

 

 

 

Das Christentum - ein Fundament unserer Kultur

Unsere deutsche Kultur als Teil der europäischen Kultur ist vom Christentum geprägt, mit

allen Brüchen und Ambivalenzen, Glanzvollem und Schreckenerregendem, mit Humanität Förderndem, Humanes Verratendem und Bestialität Duldendem, mit Tiefbewegendem und Markerschütterndem, mit vielfältigen Zeugnissen großer Kultur in Malerei, Musik, Architektur, Sprache und Literatur, mit Liedern und Gedichten, mit der Hochschätzung des Individuums zumal, daß sich stets seinem Nächsten verpflichtet weiß. Es verband sich mit viel Volksbrauchtum und politisch Mißbrauchtem, mit Befriedendem und Konfliktschürendem, mit Philosophischem und Populistischem.

Infragestellung des historisch Gewordenen weist auf das Ursprüngliche, immer wieder zu den Quellen. Zurück zu den nicht verunreinigten Quellen! Atheismus bleibt ein Stachel des Glaubens, weil ein unlösbares Warum aufschreit, im Kreuz von Golgatha und in jedem Kreuz, das Menschen zu schwer wird zu tragen. Vulgär-Atheismus mit Vergleichgültigung allen existentiellen Fragens hat längst den reflektierten Atheismus als Teil der Selbstbefreiung von höherer Fremdbestimmung abgelöst. Inzwischen fürchten hierzulande einige Intoleranz des Christlichen, die selber jahrzehntelang antichristliche Intoleranz im Namen einer historischen Wahrheit mit Parteimacht ausgeübt oder schweigend hingenommen hatten.

Nach dem Jahrhundertereignis von 1989, das zur „Wende“ verfälscht und verkleinert wurde, hatten freilich Kirchen und einige ihrer Strategen religiöse Morgenluft gewittert. Wo rot gewesen war, kehrte wieder schwarz ein. Kirchen und ihre Repräsentanten gehörten wieder zum geachteten Establishment, obwohl nur ein Fünftel der Bevölkerung sich als christlich verstand und versteht. Die Kirchen schienen zeitweilig nicht nur unbestritten zu sein - sie wurden auch als Träger einer gewaltig-gewaltlosen Revolution kurzzeitig heroisiert, bevor sie erneut denun­ziert wurden - als angeblicher Hort von Denunzianten. Und nun wieder marginalisiert. Lang wirkende antikirchliche und antichristliche Mentalitäten wurden sichtbar.

Der sogenannte wissenschaftliche Materialismus mutierte im Kapitalismus schnell zum kon­sumistischen Materialismus. Östlich und westlich geprägte Kirchenfeindlichkeit vereinigten sich schnell, selbst wenn sie politisch weit voneinander entfernt sind, wie der Streit um die Leipziger Universitätskirche St. Pauli zeigte.

Nun droht neuer Konflikt in der Stadt Leipzig, die beim Angriff gegen die Sonntagsruhe in Konsumtempeln vorangegangen war, wo nun ein schlichtes Kreuz in einer Trauerkapelle abgehängt wurde, da religiös Ungebundene sich daran stören, wo ein Jesuslied beim Bachfest für Ethikschüler nach Meinung einer Schulleiterin nicht für zumutbar gehalten wird, wo gar die enge Verbindung von Thomaskirche und Thomanerchor mit finanziellem Drohfinger in Frage gestellt wird, schlagen - bis hin zum „Siebten Kreuz“ Das Kreuz im Doppelsinn von Tod und Leben trotz Tod.

Warum soll ein schlichtes Kreuz trauernde Menschen in einer Friedhofskapelle stören? Solange das Kreuz niemanden zu irgendwelchen religiösen Bezeigungen nötigt, ist es zumutbar. Freilich hat das Kreuz herhalten müssen für mancherlei Mißbrauch. Als Protestant hat man in der Tat Schwierigkeiten, es in Schulen hängen zu sehen - gar als Repräsentanz einer Kirche, die sich als Besitzerin der Wahrheit geriert.

Wo wir allerdings das Christliche aus dem öffentlichen Leben heraus-rängen, ist dies verbunden mit einem Kulturverlust. Immerhin ließ man in den Friedhöfen, ob kirchlich oder kommunal, Kreuze selbst in der DDR zu. Doch was hatte unsereins in kommunistischer Zeit an Symbolik fraglos zu ertragen?

Die kulturelle Substanz würde vergleichgültigt, wenn der Thomanerchor nicht mehr regelmäßig in der Thomaskirche Bach zur Motettenzeit singen würde; schließlich ging es Johann Sebastian Bach, dem vielleicht größten Musiker unseres Kulturkreises, immer um S. D. G. - Gott allein die Ehre.

Toleranz heißt zu ertragen: ertragen, daß es Atheisten, daß es Christen gibt. Ertragen, daß es Bürger gibt, die unsere christlich geprägte Kultur nicht bloß als etwas Museales, sondern als einen Weg zum gültigen Leben begreifen - zu dem niemand je mehr genötigt, aber jedermann eingeladen ist. Wen das Christliche in unserer Kultur stört, der möge sich am Karfreitag und auch zu den drei christlichen Festmontagen nicht genötigt sehen, freizumachen (nach Friedrich Schorlemmer).

 

 

Freiheit und Religion: Kein Monopol auf Wertevermittlung

Dank der Religionsfreiheit gebe es mittlerweile „eine Art allgemeine Handlungsfreiheit für jedes beliebige Verhalten, solange es nur religiös motiviert ist“ sagte die Ministerin Brigitte Zypries. . Gleichzeitig werde die Gesellschaft religiös immer heterogener. „Wir sollten nicht mehr jedes beliebige Verhalten unter den besonderen Schutz dieses wichtigen Grundrechts stellen“, lautet deshalb ihre Forderung. „Wenn das Verständnis der Religionsfreiheit nicht stärker präzisiert werde, würden immer häufiger Menschen versuchen, sich durch den Hinweis auf ihre Religion von der Geltung der allgemeinen Gesetze zu befreien. Dies könne die Gesellschaft nicht hinnehmen.“

Ähnlich klar äußerte sich Brigitte Zypries auch zur Frage des Religionsunterrichts an Schulen: „Die Religion ist nicht die einzige Quelle von Werten einer Gesellschaft“, so die Ministerin. „Die Kirchen haben deshalb in der Schule keinen Monopolanspruch auf die Wertorientierung junger Menschen.“ Weil die Religionsgemeinschaften die Kinder nach Bekenntnissen trennten, müsse der staatliche Unterricht auch Foren der Integration schaffen. In Fächern wie „Rechtskunde und Politik“, „Werte und Norme“ oder „Ethik“ könnten die Schüler auch über die Religionen etwas erfahren, denen sie nicht angehören, sagte die Ministerin. Nur wer andere Religionen kenne, könne ihnen mit Respekt begegnen. „Deshalb sollten alle Schüler über alle Religionen etwas lernen - und zwar gemeinsam und nicht bekenntnisorientiert.“

 

 

Streit um „korrektes“ Weihnachten

Ein Kindergarten in Bozen hat mit dem geplanten Verzicht auf Weihnachtslieder aus Respekt vor muslimischen Kindern einen Sturm der Empörung ausgelöst. Knapp 30 der 80 Schützlinge der Einrichtung stammen aus Einwandererfamilien. Doch selbst der zuständige Imam versicherte angesichts von so viel Entgegenkommen: „Jesus ist auch für diejenigen heilig, die an den Koran glauben.“ Am Ende gab die Schulbehörde dem öffentlichen Druck nach: Bei der Weihnachtsfeier sangen die Kinder nun doch „Stille Nacht“. Schließlich war der geplante Verzicht auf Weihnachtslieder, in deren Mittelpunkt das Jesuskind steht, nicht als rücksichtsvolle Geste gegenüber muslimischen Einwandererkindern aufgenommen worden, sondern als Mißachtung der eigenen religiösen Wurzeln.

Die gleiche Diskussion gab es in Deutschland, als Kindergärten nicht mehr einen Martinsumzug machen wollten, sondern ein „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“. Doch wer in ein Land einwandert, der sollte zumindest auch die dortigen Bräuche kennenlernen und nach Möglichkeit auch übernehmen. Aber es kann nicht sein, daß ein Volk auf seine Bräuche verzichtet, nur um die Einwanderer nicht zu vergrämen.

 

Die Seele Europas

Im März 2007 verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Berlin eine feierliche. Erklärung über die Werte und Aufgaben der EU. Die Bundesregierung, die im Januar den EU-Ratsvorsitz übernimmt, hofft auf neue Impulse für den ins Stocken geratenen Verfassungsprozeß.

Die Kirchen Europas haben einen Teil zur Diskussion beigesteuert. Im Rahmen eines ökumenischen Kongresses, der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), kamen in Brüssel rund 100 Vertreter protestantischer, orthodoxer und anglikanischer Kirchen Europas zusammen. An der Konferenz unter dem Motto „Werte - Religion - Identität“ nahmen auch Vertreter der wichtigen europäischen Institutionen teil, darunter EU-Kulturkommissar Jan Figel. Die katholische Kirche war ebenfalls vertreten.

Der Verweis auf das christliche Erbe Europas wurde von einigen Konferenzteilnehmern hingegen weiter vermißt: So betonte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, er halte einen Hinweis auf jüdisch-christliche Überlieferungen weiterhin für wichtig.

 

 

Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus

 

Weimarer Republik

1. Der deutsche Luther: Nach 1918 griff man gern wieder auf Luther zurück, der verherrlicht wurde als der Genius der Deutschen. Besonders geschah das im Kulturprotestantismus, aber die Lutheraner stellten sich gegen diese Tendenzen. Diesen Nationalismus, der Luther für sich in Anspruch nahm, hätte man nach dem Krieg noch strikter ablehnen müssen.

Die Sozialdemokraten wehrten sich gegen die Bevormundung durch die Kirche. Man stelle sich nur vor: Der sozialdemokratische freidenkerische Lehrer wird visitiert von einem geistlichen Herrn und den Katechismus abgefragt, von einem Pfarrer des Bürgertums, der nach Ansicht der damaligen Sozialdemokraten die Armen auf ein besseres Jenseits vertröstet. Aber nun kam die Sozialdemokratie an die Regierung. In den sozialdemokratisch regierten Ländern sollte die Konfessionsschule abgeschafft werden.

Im Reichstag stand Mumm (ein Mitglied des kirchlich-sozialen Kreises) gegen Hellmann (einen Sozialdemokraten). Mumm führte aus: „Verzicht auf bekenntnismäßige Bindung führt zu einem konfessionellen Brei. Die Konfessionsschule aber kann das Erbe Luthers aufnehmen. Das Luthertum gibt Kraft für den sozialen Aufstieg, der Menschen mit Vertrauen auf Gott erfordert!“

Die Sozialdemokratie meint, nach den religiösen Jahrhunderten sei jetzt die Religion am Vergehen, zumal sie sich durch die starke Identifizierung mit dem Kaiserreich kompromittiert hat. Besonders geht es um die Befreiung aus der Gewissensnot, am Religionsunterricht teil­nehmen zu müssen. Deshalb wurde die Forderung der religionsfreien weltlichen Schule aufgestellt. Die Kirche hat sich nie mit dem Weimarer SPD-Staat identifiziert, sie trauerte immer noch dem Kaiserreich nach und gab den neuen Staat 1933 leicht auf. Der frühere Hofprediger Stöcker und der Sozialdemokrat Naumann erkannten zwar auch viele Unterlassungssünden. Aber sie scheiterten, weil die Sozialdemokratie nichts mehr mit der Religion zu tun haben wollte. Für beide war eine Ernüchterung nötig, ehe sich Kirche und Sozialdemokratie verstanden.

 

2. Die Kriegsschuldfrage:

Versailles stellte die alleinige Kriegsschuld Deutschlands fest, es wurde für alle Schäden haftbar gemacht. Es blieb dem Reichstag nichts anderes übrig, als zu unterschreiben. Keine Regierung hat den Krieg vorbereitet, noch einen Monat vor Kriegsausbruch fuhr Kaiser Wilhelm II. auf Nordlandreise. Man war sich nicht über die Folgen des Blankoschecks an Österreich klar (Beistandspakt). Aber keiner hat den Krieg gewollt. Aber sie haben auch den Frieden nicht gewollt.

Die Weimarer Republik stand unter dem Schatten von Versailles, die Krise wirkte sich besonders in Deutschland aus. Da kam Hitler und erreichte den Widerruf von Versailles, was die Weimarer nicht schafften, das gelang ihm durch Gewalt.

 

3. Das Ende der Staatskirche durch die Weimarer Verfassung:

Die Landesherren wurden aus der Verwaltung ihrer Kirchen weggefegt. Die Kirchenartikel Artikel 10. 124.135-138 waren schon im Verfassungsentwurf des Jahres 1849 angelegt. Die Ausführung der Gesetze wurde den Ländern überlassen. Aber die Stellung der Kirche wurde vom Reich festgelegt, es erklärte sich nicht für „nicht zuständig“ in Fragen der Religion.

Die Religionsgemeinschaften wurden „Körperschaften öffentlichen Rechts“ (jede Gesellschaft, die Gewähr für eine gewisse Dauer bietet, kann eine Körperschaft öffentlichen Rechts werden und deshalb zum Beispiel Steuern erheben in Verbindung mit den staatlichen Steuerlisten). Aber die Kirche hatte dennoch fast nur die Stellung eines Vereins. Die Schulaufsicht wurde Ländersache.

Die geschichtliche Entwicklung verlief wie folgt: Zunächst war der Landesherr der Leiter der einzigen Kirche in seinem Land. Nach dem Westfälischen Frieden wurde das Bekenntnis an das Terrorotium gebunden. Nach 1815 gab es eine Staatskirchenhoheit: Der Staat hatte nur die Aufsicht über die Religionsgesellschaften. Aber nach der Weimarer Verfassung („Es besteht keine Staatskirche“, § 137) waren alle Konfessionen vor dem Staat gleich.

Die Linke in der Nationalversammlung verlangte aber bald die völlige Trennung und die Aufhebung der Geldleistungen an die Kirche. Doch die Anträge wurden abgelehnt, weil man die Kirchen nicht zum Verein oder zur Partei herabwürdigen wollte; das hätte ihrer Stellung nicht entsprochen, geschichtlich und tatsächlich.

Es gab keinen großen Umbruch und kaum größere Auseinandersetzungen. Die Kirche war ein krisenfreier Raum in der Weimarer Verfassung. Abe es wurde gefordert, daß die Kirche mit ihrer Vergangenheit hätte brechen sollen und sich ganz auf die Seite der Weimarer Republik hätte stellen sollen.

 

4. Die Neuordnung der Landeskirchen:

a. Deutsch-Evangelischer Kirchenbund 1922: Er war die Verwirklichung der Forderung von 1848 und Fortsetzung des Deutschen-Evangelischen Kirchenausschusses. Drei Organe:

Deutsch-Evangelischer Kirchentag: Nicht an Weisungen der Kirche gebunden, Fortsetzung der Eisenacher Konferenz, Verwurzelung in der Breite des Kirchenvolks.

Kirchenbundesrat: Vertreter der Kirchenregierungen, an deren Weisungen gebunden.

Deutsch-Evangelischer Kirchenausschuß: Vollziehendes Organ, Vertretung nach außen.

Die sittlichen und religiösen Werte der Reformation sollten neu belebt werden. Alle bekennen sich zu den Bekenntnissen der Reformation, aber ausgeführt werden sie von den einzelnen Kirchen verschieden.

Die Fürsorge für das Ausland sollte verstärkt werden. Das innere Band mit den abgetretenen Gebieten sollte erhalten bleiben. Die Freiheit der Wissenschaft sollte weiter bestehen. Man wollte Widerstand gegen den Mammon in allen Volksschichten leisten. Die Volksmission sollte das ganze Volk erreichen.

Im Jahre 1921 wandte man sich gegen Versailles und die Abtretung der oberschlesischen Gebiete und gegen die Rheinlandbesetzung. Im Jahre 1927 gab es eine Vaterländische Kundgebung:

- Jesus ist über alle Völker- und Rassenunterschiede der Heiland der Welt.

- Jedes Volk hat seine besondere Aufgabe im Rahmen der gesamten Menschheit

- Das Volkstum ist von Gott gegeben, ein Weltbürgertum wird abgelehnt

- Dem Christentum verdankt Deutschland seine höchsten Güter.

- Die deutsche Art des Christentums ist auch für andere wertvoll geworden.

- Der Staat ist eine Gottesordnung.

Irgendwie stimmt das natürlich alles, aber hier wird schon die Entwicklung zu den Deutschen Christen deutlich. So hieß es zum Beispiel: Kirche will, daß jeder der staatlichen Ordnung untertan ist, daß jeder sich dafür einsetzt, was Volk und Staat stärkt; solcher Vaterlandsdienst ist auch Gottesdienst. Im Jahre 1930 gab es einen „Gruß zur Befreiung des Rheinlandes“ mit einer Stellungnahme zur Kriegsschuldfrage. Dieser nationalistische Sog führte dazu, daß die evangelische Kirche weitgehend das Dritte Reich begrüßte.

 

b. Von der Lutherischen Konferenz zum Lutherischen Weltkonvent:

Die allgemeine lutherische Konferenz war nicht unmittelbar an der Gründung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes beteiligt. Die Lutheraner hatten als Gegenstück den Lutherischen Weltkonvent und die Lutherische Konferenz erhielt von diesem eine beschränkte innerhalb Deutschlands.

Der Lutherische Weltbund wurde aber nicht zur weltweiten Sammlungsbewegung, da Deutschland schwach und hilfsbedürftig geworden war. Dafür wurde das amerikanische Luthertum dem deutschen gleichbedeutend (das zeigte sich daran, daß beide gemeinsam nach Eisenach einluden zum lutherischen Weltkonvent). Aber die amerikanischen Lutheraner warfen den deutschen vor, sie zerbrächen die Einheit des Luthertums durch seine Zusammenarbeit mit den anderen deutschen Kirchen.

 

c. Die Bekenntnisbindung der Landeskirche:

Schaumburg-Lippe behauptete nach 1918, in der Identität mit der Reformation zu stehen. Die großen Landeskirchen aber hielten nicht die Rechtskontinuität aufrecht. Die reformatorischen Bekenntnisse wurden diskutiert: Wo lag das verpflichtende Erbe? Das führte zur Aktualisierung der reformatorischen Bekenntnisse, denn der Streit der Liberalen um das Apostolikum war nur aus einer gewissen Ruhe heraus möglich gewesen; dies ganze Problematik zerfiel, als sich die Kirche auf ihre Grundlagen besinnen mußte.

Dialektische Theologie und Lutherrenaissance machten die Reformation zum verpflichtenden Neuanfang, der Kulturprotestantismus zerfiel, die evangelische Kirche wurde zur Reformation zurückgeführt.

Die Landesherren als Hemmnis einer Einigung waren nun weggefallen, aber es kam doch zu keiner Union. Über den Kirchenbund hinaus bestand kein Bedürfnis zu größerer Einigung. Dieser erstrebte einen dauernden Zusammenschluß des deutschen Protestantismus. In diesen Rahmen fügen sich die neuen Verfassungen der Landeskirchen ein mit ihren verschiedenen Bekenntnissen, aber es treten keine Gegensätze im Bekenntnis auf. Alle berufen sich auf die Reformation!

Lehrunterschiede sind nicht kirchentrennend, trotz der Konkordienformel, die erwähnt wird. Häufig ist in der Präambel nicht einmal etwas von den Bekenntnissen erwähnt, an erster Stelle wird immer die Schrift genannt. Es wird festgestellt, daß es verschiedene Verfassungen gibt, aber praktisch hatte das noch keine Wirklungen. Man betont und bejaht die Zusammenarbeit bei der „Förderung des Protestantismus“ und der „Ausbreitung des Evangeliums“, aber ansonsten will man selbständig bleiben.

Die Landeskirche Hannover aber hat auch die Beziehung zu anderen lutherischen Kirchen in der Welt. Sie fühlte sich immer als Exponent de s Weltluthertums und hatte so nur schwer einen Zugang zur Union. Sie stand ständig in Spannung zwischen Nation und Welt.

 

 

d. Weimarer Verfassung und Evangelischer Kirchenbund:

Durch die Revolution drohte das Reich zusammenzubrechen, weil die revolutionären Landesregierungen sich nichts sagen lassen wollten von einem Räterat in Berlin. Man knüpfte an 1848 an (nicht an Rußland 1917). Preußen blieb gebietsmäßig bestehen, obwohl die revolutionäre Regierung zunächst mit der eigenen Vergangenheit brechen wollte, dann aber den Gesamtstaat bejahte, der aber nun keine Hegemonie mehr hatte. Aber dieser Mammutstaat war natürlich nicht zu übersehen, Preußen hatte die Schlüsselstellung beim Kampf 1933. Das aber war in der Weimarer Verfassung nicht bewältigt.

Die Weimarer Republik hatte einen Bundesrat mit unitarischer Struktur und einen Reichsrat als föderal-demokratisches Element; dieser war aber nur beratendes Organ der Reichsregierung und hatte deshalb ein vermindertes Gewicht gegenüber dem Reichstag. Der Reichstag war ein unitarisch-demokratisches Element und hatte laut Verfassung das Schwergewicht. Aber das Übergewicht Preußens wurde abgebaut.

Der Deutsche Evangelische Kirchenbund von 1922 hatte auch eine föderale Struktur, Mitglieder waren die den Bund schließenden Landeskirchen. Der Kirchenbundesrat war föderal aufgebaut, das kirchenbehördliche Element aus offiziellen Vertretern der Landeskirchen. Der Kirchenausschuß war geschäftsführendes und vollziehendes Organ. Der Kirchentag war das unitarisch-synodale Element, die Mitglieder waren nicht an Weisungen der Landeskirche gebunden. In Preußen war der Präsident des Oberkirchenrates der oberste Verwaltungsbeamte der Altpreußischen Union und seit 1908 in Personalunion auch Präsident des Kirchenausschusses des Kirchenbundes. Aber die Altpreußische Union wurde zur Keimzelle der Reichskirche.

Der Kirchenbund war also nicht analog der Weimarer Verfassung gebildet, sondern knüpft an die Tradition des Bismarckreiches an. Deshalb hat auch Preußen noch seine herausragende Stellung. Es war auch ein Verhängnis der Weimarer Republik, daß sie die Preußenfrage nicht geklärt hatte, denn Preußen wurde zwar äußerlich entmachtet, aber es blieb unübersehbarer Machtfaktor.

Es kam zum Preußisch-Evangelischen Kirchenvertrag von 1931: Jetzt ging es nicht mehr um eine einseitige staatliche Regelung, sondern um einen Vertrag gleichberechtigte Partner. Vorher hatten die Katholiken das Konkordat abgeschlossen, nun wollten die Protestanten auch so einen Vertrag haben. Aber scherwiegend war die politische Klausel: „Wer ein Amt erhalten soll, muß dem Staat genehm sein!“

 

Der Kirchenkampf

a. Die Machtübernahme Hitlers im evangelischen Urteil:

Ein Mitglied der „Bekennenden Kirche“ wird diese Frage anders beurteilen als ein Historiker, der heute die Dokumente über die Absichten der Machthaber vor sich hat. Die Erinnerungen der aktiv Beteiligten sind nur Quelle und der Kritik unterworfen. Als Deutschland aus dem Völkerbund ausgetreten war, hat Martin Niemöller im Namen des Pfarrernotbundes ein Telegramm an Hitler geschickt: „Wir geloben dem Führer Treue und Gefolgschaft!“ Der Pfarrernotbund stand zunächst auf Seiten Hitlers, weil dieser das Diktat von Versailles aufgehoben hatte. Aber so alte Sachen kann man heute nicht mehr aufwärmen. Am Anfang war aber kaum einer dagegen (nur die Kommunisten), alle begrüßten Hitler.

1. Die Preisgabe der Weimarer Demokratie hat zu den schlimmsten Verbrechen unter den Nazis geführt.

2. Die langwierigen Verhandlungen mit den Siegermächten führten dazu, es einmal mit Gewalt zu versuchen.

3. Die Kränkung der Verhandlungsbereitschaft der Weimarer Republik enttäuschte die Deutschen.

4. Das schlechte Gewissen der Siegermächte wollte an Hitler das gut machen, was es an der Weimarer Republik versäumt hatte.

5. Das Bürgertum fürchtete die „kommunistische Flut“. Die KPD war die drittstärkste Partei und man begrüßte in Hitler den starken Mann, der gegen die Kommunisten vorging. Die Bezeichnung „Nationalsozialismus“ schien beide Fragen zu lösen: die nationale und die soziale. Außerdem streute das Gerede vom „positiven Christentum“ dem Bürgertum nur Sand in die Augen.

 

b. Die Antwort der Kirche auf den Regierungsantritt Hitlers:

Zunächst schien sich die Zusammenarbeit gut zu entwickeln. Man sah in der Gegnerschaft der Nationalsozialisten eher einen Kulturkampf wie bei Bismarck, also eine Augenblickserscheinung oder Kinderkrankheit. Der Einfluß in der Schule war ja gesichert. Staat und Kirche sollten beide dazu beitragen, das Volksleben „moralisch zu entgiften“. Und so schien es auch zu sein: Der totale Staat duldete nie Korruption bzw. diese kam nicht bis in die Presse. Die meisten Deutschen waren völlig ahnungslos. Selbst an der Spitze wußten nicht alle Bescheid. Andere aber wußten alles - aber auch alles.

Die Katholiken gaben einen Hirtenbrief heraus:

1. Volk und Staat sind Vorstufen des Reiches Gottes, das Jahr 1933 bedeutet keinen Einschnitt.

2. Menschliche Obrigkeit ist Abglanz der göttlichen Herrschaft, die Autorität des Staates wurde bejaht.

3. Der Kampf gegen Versailles ist berechtigt, die Forderung nach Gerechtigkeit und Lebensraum ist gefordert.

4. Die Volksgemeinschaft wird bejaht, aber die Blutsgemeinschaft abgelehnt (also gegen die Rassenideologie).

Aber auch die katholische Kirche wurde mehr und mehr zurückgedrängt, es gab weltliche Ersatzorganisationen zur Entkonfessionalisierung („Gottgläubige“).

Die evangelische Kirche jedoch wurde auseinandergerissen. Man forderte zum Mittun auf: „Laßt eure Bedenken fahren!“ Aber es gab auch andere Stimmen, etwa die Sydower Bruderschaft, die eine theologische Erneuerung wollte. Aber von allen Seiten der evangelischen Kirche wurde dem neuen Regime guter Wille entgegengebracht. Aber diese Liebe wurde enttäuscht. Die Kirche war nur der politische Faktor. Als sie nicht im Ganzen zu gewinnen war, wurde sie auch verdammt wie die Katholiken.

 

c. Die Deutschen Christen:

Ludwig Müller wurde im April 1933 der Vertrauensmann Hitlers in Kirchenfragen. Es gab schon Vorläufer der späteren „Glaubensbewegung Deut­sche Christen“, die auch gegen das Alte Testament waren. Die Auflösung des Erlösungsprinzips des Paulus forderten und das Heldentum Christi auf der Grundlage der Mystik darlegen wollten. Ab 1928 geriet die Bewegung in immer radikaleres Fahrwasser. Im Jahre 1932 wurde die „Glaubensbewegung“ gegründet. Leiter war Pfarrer Hossenfelder. Die Bewegung war jetzt nicht mehr nur auf Preußen beschränkt, sondern erfaßte das ganze Reich. Und sie suchten den Anschluß an die National­sozialisten.

Dazu kam die „Kirchenbewegung Deutsch r Christen“ und die „Thüringischen DeutschenChristen“ (Erlösungswerk Adolf Hitlers, Deutsche Geschichte ist Heilsgeschichte, Hitler als Inkarnation des göttliche Willens, der Deutschland in Gottes Auftrag aus der Schmach führt).

Die „Christlich-Deutsche Bewegung“ war das deutsch-nationale Gegenstück, sie hatte politische Ziele und war konservativ. Auch Ludwig Müller gehörte eher zu diesem Kreis als zu den völkischen Deutschen Christen. Er wurde Reichsbischof, weil Hossenfelders wirre Ideen selbst den Nazis zu verdächtig waren.

Aber es war nicht nur Primitivismus. Auch Hochschullehrer wie Emanuel Hirsch und Paul Althaus gehörten zu den Deutschen Christen. Ziel war eine Reichskirche (auch mit den Reformierten), aber keine Staatskirche, aber auch nicht Kirche als „Kirche im Staat“, sondern der Staat wurde von Römer 13 her anerkannt.

Deutlich ist aber der dritte Punkt des Programms: „Kirche der Christen arischer Rasse“. Dennoch sollte es auch Mission geben, selbst unter den Juden im Reich. Die Evangelische Kirche wurde dadurch in schwere Kämpfe gestürzt. Daraufhin wurde aber auch der Präsident des Kirchenbundes mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet.

 

d. Der Kampf um den Reichsbischof:

Geplant waren ein lutherischer Reichsbischof, ein reformierter Reichsvikar und die unierten Gemeinden sollten sich entscheiden für eine Seite. Die Lutheraner lehnten eine solche Reichs­kirche ab, denn diese würde zur Spaltung führen. Die Lutheraner schlossen sich in Würzburg zusammen gegen die geplante Reichskirche. Auch 800 reformierte Pfarrer und Gemeindeglieder lehnten die Reichskirche ab, ebenso die Altpreußische Union.

Das war kein guter Auftakt für die Verhandlung in Loccum, zu der Müllers Anwesenheit erzwungen wurde. Man forderte die Übergabe der Kirche an die Deutschen Christen („Der Führer wird dann die Kirche schützen, ohne daß Köpfe rollen“). Die Verhandlungen spitzten sich auf die Frage des Reichsbischofs zu. Gegen Müller wurde der hannoversche Bischof Marahrens aufgestellt. Aber die Reformierten waren dagegen, man wollte einen Lutheraner aus der Union.

Doch für Hitler und die Deutschen Christen stand Müller als Reichsbischof fest. Aber mit 55 gegen 31 Stimmen wurde er abgelehnt, es siegte Friedrich von Bodelschwingh, ein Vertreter der jungreformatorischen Bewegung. Ausschlaggebend war das Vertrauen des „betenden und arbeitenden Volkes“, nicht Hitlers.

Aber sofort begann die Propaganda gegen den neuen Bischof: Er sei nicht der Vertrauensmann Hitlers, gehöre nicht zu den Deutschen Christen, das Kirchenvolk sei nicht befragt worden. Doch die vorzeitige Ernennung eines Bischofs ohne entsprechende Verfassung war die einzige Möglichkeit, der Gleichschaltung zu entgehen. Andererseits konnte man dann bei freien Wahlen kirchenfremde Wählermassen mobilisieren.

Neuer Präsident der Altpreußischen Union wurde Dr. Werner, ein Deutscher Christ. Müller übernahm Ende Juni 1933 den Evangelischen Kirchenbund. Daraufhin trat Bodelschwingh zurück.

 

e. Die Bildung der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) vom 11. bis 14. Juli 1933:

Ein neuer Verfassungsausschuß schuf eine neue Verfassung, die einstimmig angenommen wurde, weil man durchaus bereit war zu einer Neuordnung der Kirche. Aber Hitler war nicht bereit, die Macht wieder aus den Händen zu geben, wenn er auch so tat, als würde er die Kirche unterstützen.

1. Der theologische Charakter der neuen Verfassung: In der Präambel ist das Erste nicht mehr die Schrift und die Bekenntnisse, sondern die „geschichtliche Wende“, die Offenbarung Gottes in der Geschichte. Das bedeutete den Beginn der Zerstörung der evangelischen Kirche. Aber ohne Loyalität war eine Zusammenarbeit mit dem Staat nicht möglich, sie war ihm ausgeliefert (Die Katholische Kirche hatte Rückhalt im Papsttum). Die Verfassungen der Landeskirchen blieben aber bestehen.

2. Die Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche:

An der Spitze steht ein lutherischer Bischof, der aber ernannt wird in Gemeinschaft mit den Geistlichen des Ministeriums. Dieses gab es zur Zeit Bodelschwinghs noch nicht, es war jetzt die eigentliche Kirchenbehörde: Drei Geistliche und ein Jurist. Die Deutsche Evangelische Nationalsynode hatte 60 Mitglieder, sie hatte den Reichsbischof zu berufen. Dazu gab es noch einzelne Kammern.

 

f. Unitarismus und Föderalismus (in Staat und Kirche):

Hitler wollte Vollender des Bismarckreiches sein und dem Reich mehr Hoheit geben, die Bismarck aus taktischen Gründen noch zurückstellen mußte. Preußen wurde die Keimzelle eines unitarischen Reiches, zumal es auch schon einen Herrentyp gezüchtet hatte und die Ostkolonisation vollbracht hatte.

Am 31. März 1933 erging das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Das Ermächtigungsgesetz wurde auch auf die Länder ausgedehnt. Am 7. April 1933 kam das zweite Gesetz: Es gab Reichsstatthalter in den Ländern. Der Ministerpräsident von Preußen wurde zwar nicht Reichskanzler, aber die preußischen Minister konnten auch Reichsminister sein.

Verhängnisvoll war die Personalunion vom Ministerpräsident und Reichstatthalter in Preußen. Ab 1935 hatten die Länder keine partikularen Interessen zu haben, der Statthalter wurde Leiter der Landesregierung, der Einheitsstaat war da. Ach die Partei wurde gleichgeschaltet und der Gauleiter wurde Reichstatthalter.

Auch die Kirchenverfassung von 1933 hatte einen unitarischen Zug. Aber die föderalistischen Züge wurden nicht eliminiert: In Bekenntnis und Kultus blieben die Landeskirchen selbständig. Aber die Altpreußische Union war die Plattform, von der aus die Nazis ihr Ziele zu verfolgen suchten, sie war viel stärker unter Druck als die Landeskirchen.

Am 14. Juli 1933 wurde die Kirchenverfassung bestätigt durch ein Reichsgesetz. Damit wurde die Rechtskontinuität gewahrt (Körperschaft öffentlichen Rechts, Fortsetzung des Kirchenbundes). Aber es wurden auch Kirchenwahlen angeordnet. Durch die dann der Einbruch kirchenferner Wählermassen in die Kirche erfolgte.

Die Deutsche Evangelische Kirche behielt die föderale Tradition in unitarischem Rahmen. Der Kirchenbundesrat wurde aufgehoben. Es erfolgte die Umwandlung in eine unitarische Reichskirche, die Landeskirchenwurden (außer in Bekenntnis und Kult) in die Deutsche Evangelische Kirche eingegliedert.

Die Altpreußische Union wurde zur Keimzelle der Reichskirche. Es kam zu einer Personalunion zwischen Preußen und dem Reich: Reichsbischof Müller war auch Landesbischof in Preußen, das rechtskundige Mitglied des geistlichen Ministeriums (Dr. Werner) wär Präsident des preußischen Oberkirchenrates. Das unierte Mitglied des geistlichen Ministeriums (Hossen­felder) war geistlicher Vizepräses des Oberkirchenrates.

 

Bis zur Eingliederung der Landeskirchen in die Deutsche Evangelische Kirche

a.) Die Kirchenwahlen 1933:

1. Die Unabhängigkeit der Wahlen wurde zugesichert.

2. Wahllisten

  • „Evangelium und Kirche“ (vorher die jungreformatorische „Evangelische Kirche“: Bindung an die Schrift, gegen die Irrlehre der Deutschen Christen, für eine bekennende Kirche.
  • „Deutsche Christen“: Aufforderung „Baut die Kirche im neuen Staat Adolf Hitler! Gegen Pharisäismus und Marxismus!“ Sie waren die SA Gottes in der Kirche und sahen in Ehe und Rasse eine Schöpfungsordnung.
  • „Liste für die Freiheit des Evangeliums“: Sie waren auch gegen die Deutschen Christen und inhaltlich so gut wie identisch mit der jungreformatorischen Bewegung. Unterzeichnet war der Aufruf von Karl Barth.

3. Staatliche und parteiliche Eingriffe:

Praktisch alle zur Kirche Gehörenden hatten Wahlrecht. Jeder Nationalsozialist aber hatte die Pflicht, sich an der Wahl zu beteiligen. In Mecklenburg wurde die „Bekennende Kirche“ verboten. In Hessen wurde das Ergebnis der Wahl vorher bestimmt (Drei Viertel Nazis).

 

b. Der Arierparagraph als Anlaß des Kirchenkampfes:

 

1.Der „Status confessionis“ in Preußen:

In Preußen wurde Müller zum Bischof. Die Synode war mit drückender Mehrheit „braun“. Das Amt des Generalsuperintendenten wurde abgeschafft (Otto Dibelius mußte gehen). Die Altpreußische Union war fest in der Hand der Deutschen Christen.

Am 6. September 1933 wurde das „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten“ erlassen: Jeder Beamte muß politisch zuverlässig sein und darf nicht mit einem Nicht-Arier verheiratet sein oder selbst Nicht-Arier sein (sonst erfolgte die Zwangspensionierung). Als Präses Koch dagegen Stellung nahm, war das die Geburtsstunde der „Bekennenden Kirche“: Es kam zur Trennung, die Bekenntnistreuen verließen die Synode. Die jungreformatorische Bewegung wurde unter Martin Niemöller als „Pfarrernotbund“ neu konstituiert: Bindung an Schrift und Reformation, Eintreten gegen jede Verletzung, Hilfe für die Bedrängten, gegen den Arierparagraph, der dem Bekenntnis widerspricht. Es ging dabei um 29 Pfarrer jüdischer Herkunft, die in Deutschland angestellt waren. Der Protest erfolgte so unüberhörbar, daß der Staat an diesem „Nein“ nicht vorbeigehen konnte.

 

2. Der Arierparagraph außerhalb der Altpreußischen Union:

In Württemberg sollte der Paragraph keine rückwirkende Wirkung haben, in Bayern wurde er gar nicht erst eingeführt. In Hannover versetzte man die Pfarrer, ohne sie dabei „schuldig“ zu sprechen, aber es wurde kein Pfarrer mit jüdischer Herkunft mehr neu eingestellt. In diesen Landeskirchen kam es höchstens zu örtlichen Zusammenstößen mit der Partei. Das Gesetz wurde durch die Ausführungsbestimmungen neutralisiert. In Preußen aber kam es zur Trennung. Aber aufgrund der Kirchenwahlen war der „status confessionis“ noch nicht gegeben (der Punkt, an dem man unbedingt bekennen muß).

 

3.Das Gutachten der theologischen Fakultäten:

Marburg erklärte sich scharf gegen den Arierparagraphen, Erlangen war unklar und zurückhaltend bei der Berufung von Juden. Das war schon ein Risiko, denn man wußte damals ja nicht, worauf alles hinlief.

 

c. Die Nationalsynode in Wittenberg 1933:

Hier sollte der Reichsbischof gewählt werden. Gewählt wurde Ludwig Müller. Dagegen und gegen die Verklammerung mit Preußen sprachen sich zwölf Bischöfe aus, meist Lutheraner, die um ihren Bekenntnisstand fürchteten (nicht gegen die Nazis und den Arierparagraphen) und weil die Minderheit nicht überspielt werden dürfe.

Doch die Sache wurde nicht weiterbetrieben, jetzt begann der Kampf um die Seele des Volkes“. Man verlegte sich auf die Volksmission, die Landeskirchen wurden beschwichtigt. . durch die Verbindung der Kirche mit dem nationalen Gedanken wollte man die Massen wieder gewinnen. Viele Pfarrer machten mit, stellten sich aber umso entschiedener gegen den Staat, als sie merkten, wohin die Sache lief.

Aber herangezogen wurden dazu in erster Linie Deutsche Christen. Doch das hätte den verheißungsvollen Anfang einer Zusammenarbeit mit den Deutschen Christen auf volks­missionarischem Gebiet nicht zu stören brauchen, wenn es nicht innerhalb der Deutschen Christen zu einem besonderen Vorfall gekommen wäre.

 

d. Die Sportpalastkundgebung der Deutschen Christen:

Dr. Krause, der Gau-Obmann von Berlin, öffnete Vielen die Augen. Er forderte: eine deutsche Volkskirche ohne Konfessionen und Synoden und Bischöfe, Einheit von Staat und Kirche, heldische Frömmigkeit, artgemäßes Christentum, völkischer Glaube. Letzter Sinn ist die Ehre der deutschen Nation. Das Alte Testament wurde als minderwertig angesehen (Lohnmoral). Der Arierparagraph sollte auf und unter der Kanzel durchgeführt werden. Die Theologie des Paulus wurde abgelehnt, ebenso der Erbsündegedanke und die Kreuzestheologie. Es blieb nur eine reine Jesuslehre für den heldischen deutschen Menschen.

Diese Kundgebung bedeutet jedoch das Ende der machtvollen Glaubensbewegung. Ein Sturm der Entrüstung wurde laut. Diese Rede war nur eine Zusammenfassung von Rosenbergs Buch „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“.

Müller distanzierte sich scharf und legte die Schirmherrschaft über die Deutschen Christen nieder. Dr. Krause und Hossenfelder gründeten eigene Gruppen. Die Thüringer spalteten sich ab, die NSDAP entzog der Glaubensbewegung ihr Vertrauen. Die Deutschen Christen sollten nur eine Hilfstruppe sein, nicht zum Staat im Staate werden. Nun wurden sie nicht mehr von der Polizei unterstützt. Die Pfarrer bleiben in ihren Ämtern, waren aber kirchenpolitisch unbedeutend. Am 24. Januar 1934 wurde Rosenberg mit der Aufsicht über die gesamte Volkserziehung beauftragt. Er wurde Dogmatiker des gegenchristlichen Kurses.

 

e. Die Deutsche Glaubensbewegung:

Es gab auch nichtchristliche völkisch-religiöse Verbände, die zunächst nichts mit den Nazis zu tun hatten. Begründet wurden sie 18841 von dem ehemaligen Missionar Hauer. Er gründete den Bund der Köngener, die aus der Jugendbewegung erwachsen ist. Aber es gab kein Bekenntnis, die Grundlage war das gemeinsame Erleben.

Seit 1927 gab es die“ „Deutsche Freischar“ und den „Freundeskreis der kommenden Gemeinde“. Sie waren der Meinung, die höhere Form von Religion sei gekommen, in der die Hilfsvorstellung eines persönlichen Gottes nicht mehr nötig ist.

Seit 1933 gab es die „Deutsche Gottesschau“, die Bibel der neuen Bewegung. Diese war nicht antisemitisch, denn Hauer protestierte anfangs gegen die Diffamierung der Juden. Doch dann meinte er, daß die Handelnden Schuld auf sich laden müßten, denn der Führer handelt aus letzter Verantwortung.

Es wäre darauf angekommen, gleich am Anfang zu protestieren. Die Gebildeten aber meinten, es handele sich nur um die Begleiterscheinung des Umbruchs, es werde sich schon alles einpendeln, der Nationalsozialismus werde schon bürgerlich werden.

Auch die (marxistischen) Freidenker stießen bei einer Zusammenkunft auf der Wartburg zu der Gruppe. Diese verlangte nun den Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Die Nazis gaben ihr die Bahn frei, indem sie denen keine Nachteile versprachen, die aus der Kirche austraten. Aber die Partei hütete sich, offen Partei zu ergreifen.

Später erhielt die SS immer mehr Einfluß. Vom 18. - 21 Mai 1934 setzten sich die radikalen Kräfte durch. Hauer war es um die Toleranz gegangen. Jetzt wurde der Kirchenaustritt gefordert. Symbol wurde das goldene Sonnenrad auf blauem Grund. Daraufhin schieden die Marxisten wieder aus, aber die Glaubensbewegung wirkte nun in die Breite.

 

Die Deutschen Christen und der Reichsbischof

1. Die Gleichschaltung der Jugendarbeit:

Müller stand nach der Sportpalastkundgebung zwischen den Stühlen. Aber am 17. Juni1933 war Baldur von Schirach zum Reichsjugendführer ernannt worden. Er beteuerte, die Jugendverbände sollten selbständig bleiben, er wolle sich nur nicht an eine bestimmte Konfession binden. Doch ein halbes Jahr später hatten die anderen keine Existenzberechtigung mehr. Der Reichsbischof, dem die Befehlsgewalt über die Verbände übertragen war, schließt eine Vertrag über die Aufnahme in die Hitlerjugend, über den Kopf von Erich Stange hinweg (20. Dezember 1933). Jetzt wollte man die Kirche aushungern, weil man mit der spontanen Begeisterung nicht durch gekommen war.

 

2. Der Maulkorberlaß:

Der Gottesdienst dient ausschließlich der Verkündigung. Kirchliche Amtsträger dürfen keine Rundschreiben verbreiten gegen die Kirchenführer. Ein förmliches Disziplinarverfahren wurde angedroht.

 

3. Offener Kampf gegen den Reichsbischof:

Am 7. Januar 1934 ließ der Pfarrernotbund eine Kanzelabkündigung gegen den „Maulkorb“ und den Reichsbischof verlesen. Etwa 3500 Pfarrer haben die Abkündigung verlesen, die Kirchenleitungen gingen nicht direkt vor und wollten verhandeln. Sie gingen zu Hitler, damit Müller abgesetzt wird. Am 25. Januar 1934 fand die entscheidende Beratung bei Hitler statt. Göring verlas vorher das Protokoll eines Telefongesprächs Niemöllers mit Künneth, in dem dieser erwähnt hatte, es sei alles „gut eingefädelt“.

Dem Pfarrernotbund wurde Landesverrat vorgeworfen. Hitler wollte seine Hand zurückziehen (auch finanziell), die Kirche würde eine Sekte werden, deshalb könne der Reichsbischof nicht fallengelassen werden. Hitler appellierte an das Nationalgefühl und die Bischöfe stellten ihre Bedenken zurück, düstere Mahnungen stimmten sie um.

Die Bischöfe bekräftigten die Unterstützung für Reich und Führer, wandten sich gegen die Hetze in der ausländischen Presse, die die Widerstände als Kampf gegen den Staat wertete. Die Bischöfe stellten sich am Ende geschlossen hinter den Reichsbischof.

Aber vorher war der Arierparagraph zurückgezogen worden, er hatte ja einmal zur Bildung der Bekennenden Kirche geführt. Aber diese war nun gespalten, denn es war nicht zum Sturz gekommen, sondern zur Legalitätserklärung. Daraufhin traten 2000 Pfarrer aus dem Pfarrer­notbund aus. Es war ein Einschüchterungsversuch, einen Tag vorher war Rosenberg eingesetzt worden, auf diesem Hintergrund, muß man alles sehen.

Außerdem waren die lutherischen Kirchen noch intakt, sie hatten es leicht, sich loyal zu erklären, während die Frage in der Altpreußischen Union und bei Niemöller viel akuter war. Dort war die Kirche zerstört und konnte nun zum offenen Kampf antreten. Die Lutheraner wollten ihre Kirchen in Ruhe erhalten, man könne nicht eine Gleichheit im Leiden fordern, denn die unterschiedliche Lage der Kirche war ja vom Staat geschaffen worden.

Hitler hatte die Kirche fallen gelassen. Niemöller war ihm der unbequemste Gegner, er sollte kompromittiert und isoliert werden. Hitler spielte wieder einmal Theater. Man wußte, daß nationale Verantwortung eine Frage des Gewissens war, zumindest für diese Bischöfe. Sie steckten zurück und fanden es als unpassend, jetzt gegen Müller vorzugehen.

Niemöller war unbeherrschter Stoßtruppkämpfer. Von seiner Position war es leicht, auf die „schwachen Bischöfe“ herabzusehen, die sich hier voreilig durch das Gejammer Hitlers hatten umstimmen lassen. Niemöller war zweifellos der entschiedenste Mann, aber Bischof Wurm hat recht, wenn er meint; „Gott hat Daniel nicht gesagt, er soll den Löwen auf die Schwänze treten!“

Aber Niemöller und die lutherischen Bischöfe haben nur die Rolle gespielt, die ihnen die Nazis zugedacht haben. Sie konnten beide keine freien Entscheidungen mehr fällen, sondern sie wurden überspielt. Aber eine Kapitulation war es nicht, der Kampf ging ja weiter.

 

Die Eingliederung der Landeskirchen in die unitarische Reichskirche

a. Die Eingliederung der Altpreußischen Union in die Deutsche Evangelische Kirche:

Müller erlangte am 26. Januar 1934 die absolute Macht in der Altpreußischen Union. Er übertrug seine Befugnisse auf die Deutsche Evangelische Kirche, die nun die Union leitet. Die Organe der Altpreußischen Union sind jetzt nur noch Vertreter der Deutschen Evangelischen Kirche. Zwei Monate nach dem 25. Januar widerrufen Wurm und Meiser ihre Erklärung, die Lutheraner blieben bis in den März noch verhandlungsbereit.

Die Unierten und Unierten und die Reformierten formierten sich schon zur Bekenntniskirche. Bedeutend wurden nun die Synoden. Schon am 3. Januar legte Karl Barth in Barmen die Grundlage zur späteren Erklärung.

In Westfalen wurde ein Bruderrat zur Verwaltung eingesetzt, Koch wurde Präses und Bischof der Bekennenden Kirche. Nun ergingen Friedensbotschaften des Reichsbischofs, der von Dr. Werner angeklagt worden war. Eine Verurteilung aller Maßnahmen seit dem 26. Januar drohte. Da amnestierte Müller lieber, alle Verfahren wurden niedergeschlagen. Aber gleich anschließend provozierte man Notstände und hatte einen Grund zur Eingliederung der Landeskirchen (wie bei der staatlichen Gleichschaltung).

 

b. Entsprechung zwischen staatlicher und kirchlicher Verfassung:

Preußen war Hausmacht auch der einheitlichen Reichskirche: Es ging in der Reichskirche auf und wurde die erste Provinz der Reichskirche. Aber die Gleichschaltung war nicht so leicht durch Gesetzgebung zu erreichen, denn die Landeskirchen waren ja selbständig im Bekenntnis. Man löste zunächst nur die Organe der Landeskirche auf. Doch dann erfolgte die zweite Etappe der Gleichschaltung aller Landeskirchen durch Dr. Jäger, jetzt genau nach dem Vorbild der staatlichen Eingliederung. Aber man mußte sehr sorgfältig vorgehen, gründlicher als beim Staat. Ab 7. Mai wird eine Landeskirche nach der anderen eingegliedert, indem nun die kirchliche Gesetzgebung allein von der Deutschen Evangelischen Kirche erfolgt. Im September wurde Müller Reichsbischof.

 

c. Die Eingliederung Hannovers in die Deutsch-Evangelische Kirche:

Am 23. April fand unter Dr. Jäger die entscheidende Sitzung in Berlin statt. Es wurde zugesichert, daß der Bekenntnisstand gewahrt bleiben sollte. Marahrens war bereit dazu, die Gruppe „Evangelium und Welt“ lehnte ab. Jedoch sollten nach Marahrens die Befugnisse erst auf einen lutherischen Zweig (als Gegengewicht zu Preußen) übertragen werden und dann auf die Deutsche-Evangelische Kirche.

Aber gerade das wollte Jäger verhindern, auf die Dauer sollten auch die Lutheraner gleichgeschaltet werden. Verhandelt wurde jedoch mit dem Senat (der Bischof hatte nur die geistliche Führung), in dem die Deutschen Christen die Mehrheit hatten. Der Bischof mußte nur unterschreiben, weil er formal dazu verpflichtet war, aber aus Gewissensgründen zog er die Unterschrift gleich wieder zurück.

Am 16. Mai konstituierte sich die „Bekenntnisgemeinschaft“, die aber gut mit dem Pfarrer­notbund zusammenarbeitete. In der Marktkirche stellten sich die Gemeinden hinter den Bischof, der Rechtsverwahrung einlegte gegen das Eingliederungsgesetz. Marahrens verlangte von allen Pfarrern eine Vertrauenserklärung, es kam nicht zum Schisma, die Deutschen Christen blieben eine Minderheit, die nur einige Schlüsselpositionen hatten. An Hannover also scheiterte die Eingliederungsspolitik Müllers und Jägers zum ersten Mal. Die Klage des Senats gegen Marahrens wurde am 4. März 1935 abgewiesen.

 

d. Die Barmer Synode:

Hier kam es zur unmittelbaren Konfrontation des leitenden Theologen Karl Barth mit der Irrlehre der Deutschen Christen. Die Lutheraner jedoch hielten sich etwas zurück, Hannover stand ja in schweren Kämpfen, aber es bejahte auch Barmen.

 

1. „Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutsch-Evangelischen Kirche“.

Zunächst geht es um die Eingliederungspoltitik, erst dann um die Stellungnahme zu Kulturprotestantismus und natürlicher Theologie. Die Synode stimmt dem Vortrag Asmussens und der formulierten Erklärung zu (es sind also zwei Teile, die Ausführungen Asmusssens gehören dazu).

Die Synode beruft sich dann auf die Verfassung vom Juli 1933 (aber ohne die Präambel, die von der „geschichtlichen Stunde“ handelt). Die Erklärung wird den Bekenntniskonventen der großen Verbände übergeben, die sie von ihrem Bekenntnis her interpretieren sollen. An die Stelle der Kirchenregierung soll die Bekenntnissynode treten, die hierarchische Gliederung wird abgelehnt (also gegen den Reichsbischof). Kirchliche Einheit soll es nur geben, wenn das Bekenntnis gewahrt wird und die Gemeinde der Träger der Wortverkündigung bleibt.

 

2. Der Bekenntnischarakter:

Ausgangspunkt ist das Bekenntnis der Landeskirche, aber auf dem Boden der e i n e n apostolischen Kirche. Es ist ein Bund evangelischer Bekenntniskirchen, man kann nicht von einem einigenden Bekenntnis aller protestantischen Konfessionen reden. Aber gerade weil alle ihren Bekenntnissen treu bleiben wollen, schließen sie sich gegen die Eingliederung in die die unitarische DEK zusammen. Also kann man sich nicht auf Barmen berufen, wenn man von Unionstendenzen spricht.

 

3. Kritik durch den Ansbacher Kreis:

Unter Althaus und Elert wurde im Ansbacher Kreis die Kritik gewisser Lutheraner laut. Sie bejahten das gute Regiment Hitlers, der mit Zucht und Ehre die Schöpfungsordnung sichert.

Aber neben das Evangelium (erste These) kann nicht das Gesetz treten und als Zuchtmeister zu Jesus hinführen, denn Jesus ist kein Gesetzgeber (wie die Lutheraner sagen). Und wenn der Staat zur Schöpfungsordnung zählt (zweite These), wie kann man ihn angreifen?

 

Aber der „Ansbacher Ratschlag“ ist nicht die einzige Antwort des Luthertums. Auch Asmussen und die Bekenntnissynode von Augsburg bringen die entscheidenden Stellungnahmen der Lutheraner. Althaus und Elert traten auch bald aus dem Ansbacher Kreis aus. Der Gegensatz zwischen Karl Barth und dem Luthertum war nicht in Barmen angelegt, er ging gegen die Deutschen Christen und Nazis, also den gemeinsamen Gegner.

Der Fehler des Ansbacher Kreises ist jedoch die Metaphysiserung von Familie, Volk, Rasse, die mit einem göttlichen Schein („Schöpfungsordnung“) umgeben wurden. Nicht die Ordnung ist heilig, sondern Gott ist heilig, der den Menschen fordert in jeweils neuen äußerlichen Klagen. Um den Einzelnen geht es, nicht um ein Naturrecht. Und Gott kann vom Einzelnen fordern, sich gegen die menschliche (!) Ordnung zu stellen. Jesus Christus ist also das e i n e Wort Gottes.

 

e. Die Legitimierung der Eingliederung der Landeskirchen:

Am 9. August 1934 trat die Nationalsynode zusammen. Die Reichskirchenregierung machte die Synode zur obersten Rechtsinstanz über den Landeskirchen („Das Recht ist Diener des Lebens“, sprich: der Rasse, das alte Recht wird als nicht mehr lebenskräftig abgeschafft). Nun erläßt nur noch die DEK die Gesetze, nur im Bekenntnis und Kult sind die Landeskirchen frei.

Karl Barth jedoch verweigerte den Dienst-Eid. Er forderte einen Zusatz… „..soweit ich es als evangelischer Christ verantworten kann!“ Barth verließ Deutschland. Durch ein Rechtfertigungsgesetz sollten alle bisherigen Rechtsbrüche sanktioniert werden. Doch Müller ging seinen Weg zur Einheitskirche weiter, er wurde Bischof, während die bekennenden Pfarrer unter kirchlichen und staatlichen Maßnahmen zu leiden hatten.

 

f. Die zweite Bekenntnissynode in Dahlem:

Sie richtet sich gegen die Eingliederung Bayerns und Württembergs. Man war der Meinung: „Damit tritt das kirchliche Notrecht ein“. Es kam also zum offenen Aufstand und zur Bildung einer Kirchen-Gegenregierung. Man wollte das Bekenntnis wahren, obwohl die Synode der Bekennenden Kirche auch nicht bekenntnisgebunden war: man sprach vom „Bund der be­kenntnis­bestimmten Kirchen“.

Berufen wurde der Bruderrat und aus seiner Mitte der „Rat zur Führung der Geschäfte“ (Breit, Barth, Niemöller, Asmussen, Fiedler, Koch). Die Gemeinden sollten der Reichskirchenregierung den Gehorsam verweigern und die Kirchengemeinschaft mit denen abbrechen, die den Deutschen Christen gehorsam sind. Auch in den Landeskirchen wurden Bruderräte gebildet. Sie hatten nun auch die Verantwortung für die Ausbildung der Studenten und nahmen auch das Examen ab (obwohl die Universitäten dieses nicht anerkannten).

 

g. Besuch der Bischöfe bei Hitler:

Am 30. Oktober fand eine Aussprache statt. Meiser und Wurm waren vorher wieder aus der Haft entlassen worden. Jäger verlor seine Ämter. Der Staat kapitulierte vorerst aus außen­politischen Gründen (gegen Niemöller), denn das Ausland war aufmerksam geworden. Aber nun war durch eine Maßnahme des Staates die Bekennende Kirche gespalten, denn die intakten Landeskirchen (Hannover, Bayern, Württemberg) wurden nun wieder von ihren rechtmäßigen Bischöfen geleitet.

 

Vom kirchlichen Notrecht bis zur Spaltung der Bekennenden Kirche

a. Erste vorläufige Kirchenleitung der DEK:

Müller trat nicht zurück, setzte aber die alte Verfassung von 1933 wieder ein. Die Altpreußische Union wurde wieder aus der DEK ausgegliedert. Damit hatte aber Müller seine Macht verspielt, er hatte nichts mehr zu tun. Die Bekennende Kirche jedoch bildete am 20. November 1934 eine gemeinsame Kirchenleitung für zerstörte und intakte Kirchen. Die führenden Köpfe waren Bischof Marahrens, Koch, Breit, Humburg (reformiert) und Flor (Kirchenjurist). Maßgeblich war die Verfassung vom Juli 1933. Zwanzig von 28 Landeskirchen traten der vorläufigen Kirchenleitung bei.

Aber Niemöller und einige andere traten aus dem Bruderrat aus, weil sie für die Linie Barmen-Dahlem fürchteten. Aber am 16. Mai 1935 trat Niemöller wieder dem Reichsbruderrat bei, der jedoch dann bald auseinander fiel (Bad Oeynhausen). Auch Karl Barth trennte durch seine Stellungnahme zur Frage des Eides.

 

b. Die dritte Bekenntnissynode in Augsburg:

Anlässe für die Tagung vom 4. bis 6. Juni 1935 waren die Häufung der Verurteilung von Geistlichen und die Notwendigkeit der Zustimmung zur Verfassung. Die Teilnehmer waren sich aber alle einig. Es kam zur Anerkennung von Bruderrat und Bischöfen als Kirchenregierung und der Bekenntnissynode als synodalem Element. Die Pfarrer wurden sie aus dem Konzentrationslager entlassen, der Staat lenkte wieder ein. Widerstand gegen den Staat wurde abgelehnt.

In einem Wort an die Gemeinden, Pfarrer und Ältesten erfolgte eine entscheidende Absage an die Irrlehre der Deutschen Christen. Den Gemeinden wird zwar Leiden vorausgesagt, aber sie dürfen durch das Wort auf ihr Recht hinweisen. Im Einzelnen heißt es:

„Wir bezeugen die Unüberwindlichkeit der Kirche. Jesus ist das Haupt der Kirche (nicht „das eine Wort“). Wir rufen die Gemeinden zum Bekennen auf. Seid untertan aller menschlichen Ordnung, aber man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. Wir rufen die Prediger zum Gehorsam gegen die Schrift. Wir befehlen der Gemeinde die Sorge um die Verkündigung, auch wenn ihr die Pfarrer und Kirchen genommen sind. Wir preisen unter dem Kreuz den Sieg des Herrn!“

Aber das Augsburger Wort bleibt unbekannt. Aber wo hat die Bekennende Kirche besser gesprochen: In den Verwerfungsthesen von Barmen oder in der theologia crucis von Augsburg?

Nicht das Gegen, sondern das Für ist das Wesen der Kirche. Später jedoch standen die Barthianer positiv zur DDR, die Lutheraner jedoch standen auf der Linie Barmen-Dahlem. Karl Barth aber hat mit einer romantischen natürlichen Theologie Schluß gemacht. Aber er ist anfällig gegenüber den eschatologischen politischen Ideologien (wie dem Marxismus), das ist eine echte Versuchung für die Barthianer wie die Obrigkeitsgläubigkeit der Lutheraner.

 

c. Die lutherische Kirche bis zur Synode in Oeynhausen:

Nach Würzburg wurde ein lutherisches Direktorium unter Meiser gegründet (die Keimzelle der VELKD). Aber auch die Bekenntniskonvente fühlten sich als Glied der Bekennenden Kirche, sie führten auch noch Beiträge an den Pfarrernotbund ab. Der Arbeitsausschuß tagte zuerst am 18. September 1934, er ist eine episkopale Bekenntnisgruppe gegenüber der synodalen in Preußen.

Am 12. Februar 1935 einigten sich die lutherischen Kirchen auf eine eigene Initiative zur Einigung der Lutheraner. Auf dem „Deutschen Lutherischen Tag“ in Hannover gab es jedoch wieder verdächtige Thesen gegenüber dem Staat. Das Luthertum hat hier nicht zur Klarheit gefunden. Volk und Staat waren ihm natürliche Ordnung, also das andere Extrem zu den Barthianern und Niemöller, die eine eindeutige Haltung einnahmen.

„Deutsche evangelische Woche“ (26. bis 20.8.35) in Hannover.

„3. Lutherischer Weltkonvent“ ((13.-20.10.35) in Paris mit Marahrens als Präsident.

 

d. Der Zerfall der Bekennenden Kirche durch die Synode in Oeynhausen:

1. Bildung des Reichskirchenministeriums und der Ausschüsse:

Neuer Leiter wird Hanns Kerrl, ein harmloser Idealist, völlig ahnungslos, aber im Glauben, das Beste für die Kirche zu tun. Am 24. September 1935 wird das „Gesetz zur Sicherung der Deutschen-Evangelischen Kirche“ erlassen (mit 18 Durchführungsverordnungen bis 1945). Man beruft sich auf die Kirchenwahlen und die Verfassung, die durch die Kämpfe der einzelnen Gruppen nicht verwirklicht wurde. Weil es diese Kämpfe gibt, greift der Staat ein, bis die Kirche wieder selbständig ist.

Die Kirche sollte völlig vom Staat gelöst werden und ihren Status als öffentlich-rechtliche Organisation verlieren. Es wurde ein Kirchenausschuß für die innerkirchlichen Angelegenheiten eingesetzt. Das geschah auch in den zerstörten Landeskirchen, nicht in den intakten Kirchen und nicht in den DC-Kirchen, allerdings auch in Preußen, um Müller auszuschalten. Hier sollen Männer verhandeln, die noch miteinander reden.

Der Reichsbruderrat lehnte diese Ausschüsse ab, weil sie vom Staat eingesetzt waren. Aber die intakten Kirchen wie die Hessen und Sachsen entschlossen sich zu bedingter Zusammenarbeit. Der Bruderrat lehnte sie strikt ab (17:11 Stimmen), aber die vorläufige Leitung stimmte dafür.

 

2. Bekenntnissynode von Oeynhausen:

Es war die letzte gemeinsame Synode am Amtssitz Kochs. Es ging um die Zusammenarbeit mit dem Reichskirchenausschuß, der sich zumindest nach außen gut kirchlich gab: Die Ausschüsse seien nicht zu vergleichen mit den Deutschen Christen oder Funktionären wie Ludwig Müller.

Der Bruderrat jedoch verstand: „Die Staatskirche ist da!“ Dabei hatte der Staat es gerade umgekehrt beabsichtigt, nämlich eine Trennung. Das war der Irrtum des Bruderrats (und Niemöller hat nach dem Krieg auch zugegeben, daß er zu viel gekämpft hat). Der Bruderrat rief zum „status confessionis“ auf. Am 17. Februar 1936 wurde die Synode eröffnet.

Aber es war schon vorher entschieden, man kam nicht mehr zum echten Gespräch. Es ging um kirchenpolitische Machtkämpfe, in denen die Fronten schon festgelegt waren. Zunächst erfolgte ein Protest, weil die Beschlüsse von Augsburg vom Reichsbruderrat nicht ausgeführt worden waren, weil er seine kirchenpolitische Stellung behalten wollte.

Einzelne versuchten verzweifelt, diese Entwicklung aufzuhalten. Die Atmosphäre war geladen, es kam zu Zwi­schenrufen. An sah von der Ausführung der Augsburger Beschlüsse noch einmal auf (Umbildung der Zusammensetzung der Synoden). Aber in den Reden von Marahrens (Exponent von Augsburg) und Niemöller (Exponent von Dahlem) kam der ganze Gegensatz zum Ausdruck.

Es ging um radikale Ablehnung oder bedingte Zusammenarbeit. Marahrens wollte den Staat als Rechtsordner anerkennen. Aber die vom Staat zerstörte Kirche hatte sich ja gerade in den Bruderräten eine funktionierende Verwaltung geschaffen, so daß es der Rechtshilfe des Staates gar nicht mehr bedurft hätte.

 

Gesamt-evangelisch

Evangelisch-lutherisch

deutsch

ökumenisch

1922 Deutsch-evangelischer

Kirchenbund

1927 Lutherisches Einigungs­werk

1923 Lutherischer Weltkonvent (Eisenach)

1933 DEK (mit Landeskirchen)

1933 Lutherischer Zweig der DEK

 

1934 Eingliederung in die Reichskirche

1934 Lutherischer Rat

1935 Dritter lutherischer Weltkonvent (Paris)

 

1936 Rat der Ev.-L. Kirche

 

1948 Evangelische Kirche in Deutschland

1948 VELKD

1947 Lutherischer Weltbund

 

Marahrens trat zurück. Daraufhin wurde die zweite vorläufige Leitung gegründet, die wesentlich von den zerstörten Kirchen getragen wurde. Aber dem Partner wurde kein eigener Weg zugestanden. Doch man hatte erkannt, daß es nicht mehr um eine christliche Häresie ging, sondern um den heidnischen Staat, der hinter allem stand.

Nach der Weimarer Verfassung hatte der Staat das Recht der Einflußnahme, denn die Kirche hatte ja auch ihre Vorteile. Deshalb konnte Hitler auch fordern, die Kirche solle sich positiv zu seinem Staat stellen. Und wenn der Staat die Kirchensteuer einzieht, dann darf er auch diese Gelder überwachen. Man stand also zwischen Staatskirche und Freikirche.

Hätte sich die Kirche gegen den Staat gestellt, hätte sie sich um den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gebracht. Der Staat und die Juristen aus der vorläufigen Leitung hatten also recht, ihrer Sachkenntnis stand nur das Pathos Niemöllers entgegen. Aber die letzten wahren Absichten des Staates hat Niemöller richtig erkannt, während Marahrens blind war. Aber Niemöllers Konsequenzen waren fraglich, er wollte auf den Troß verzichten und nur mit der blanken Waffe kämpfen.

Zur Spaltung kam es über die Vorlage der vorläufigen Leitung: Einig war man sich noch über die beiden ersten Punkte: Leitung kann nur von der Kirche eingesetzt werden und die Ausschüsse werden nicht anerkannt, weil sie nicht über Lehre und Irrlehre entscheiden können.

Der dritte Punkt aber wurde nicht angenommen: Die Ausschüsse sollten aber dafür sorgen können, daß die Kirche ihr Recht ausüben kann. Das aber hätte eine bedingte Anerkennung bedeutet.

Es ging um eine radikale Ablehnung der Ausschüsse oder bedingte Anerkennung in genau festgelegten Grenzen. Es kam zu einer formalen Kompromißlösung. Jeder sollte vor seinem Gewissen über seine Stellung zu den Ausschüssen entscheiden. Aber es fehlte der Wille, den Standpunkt des anderen zu respektieren. Deutlich wird das in den Zusatzerklärungen: Die Niemöllerguppe (44 von 154 Synodalen) hielt die Arbeit der Ausschüsse für nicht gerechtfertigt. Auch Heinrich Vogel lehnte jede Zusammenarbeit mit den Ausschüssen ab.

 

Der weitere Weg der Kirchen

In den intakten Kirchen bildete sich eine Kirchenleitung. Am 18. März 1936 kam es in Leipzig zu einer Vorbesprechung, es wurde ein Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche gebildet (Breit, Hahn, Lilje, Beste), der zur Arbeit mit den Ausschüssen bereit war. Aber vorausgegangen war die Trennung von den Brüderräten. Doch es hätte nicht zu Spaltung zu kommen brauchen.

 

 

 

Frieden

Soldatenbriefe:

[Verlesung des Briefes eines Soldaten an seinen Vater, geschrieben kurz vor dem Angriff. Dann die Nachricht von seinem Tode. Zuerst seine Begeisterung und die Durchhalteparolen, dann sein Ende. Man muß die Frage des Kriegsdienstes einmal so praktisch sehen, wenn man sich ein Urteil bilden will:

 

Brief von Helmut Braun, im Felde, den 2. August 1944:

Mein lieber Vater!

Wenn auch als sichtbares Zeichen und Wunder gestern der Heimatbrief der NSDAP vom 27.7. bereits eintraf, erachte ich es doch nicht als zu früh, Dir schon jetzt zu Deinem Geburtstag zu gratulieren. Zu diesem hohen Tage wünsche ich Dir vor Allem Gesundheit, also Genesung von Deinem Leiden. Als weiteres wünsche ich Dir Glück und Wohlergehen und daß der Sieg doch bald errungen werden möge. Der letzere Wunsch ist wohl der frommste und der Wunsch und das Gebot, das uns Deutsche all angeht und der einem jeden auf der Seele brennt.

Wenn ihr nun diesen Tag festlich begeht, was ich wohl annehme, dann denkt daran, daß wir Soldaten, daß ich hier draußen mit meinen Männern stehe und dafür garantiere, daß der Feind nur langsam Boden gewinnen kann, daß ich aber, wenn Ihr Euer Glas erhebt, in derselben Sekunde an Euch alle denken werde und mir mit allen Sinnen ausmale, wie schön es doch daheim ist in unserer über alles geliebten deutschen Heimat. Dem Kameraden, der in der Heimatpost vermerkt ist mit seiner Äußerung: „Lieber daheim als Schweinehirt, als in irgendeinem fremden Land“, kann ich nur lebhaft beistimmen.

Wenn die Lage auch nach wie vor sehr ernst ist, besonders im Osten, dann ist sie immer noch keineswegs hoffnungslos. Und wir denken stets: „Nun erst recht!“ Es kann nicht mehr lange dauern, da wird die Katz wieder rappeln. Ich glaube fest daran, und ich glaube auch, daß der Sieg gar nicht mehr so fern sein wird. Wenn man in letzter Minute auch versuchte, dem Führer in die Zügeln zu fallen [Attentat vom 20. Juli 1944] es nutzt denen auf der Gegenseite ja alles nichts. Eines Tages sind wir wieder am Dreinhauen, da wird denen bestimmt Hören und Sehen vergehen, das walte Gott!

Die Westfront steht. Warum man hier nicht längst reinen Tisch gemacht hat? Das ist militärisches Geheimnis und höhere Strategie, aber Ihr könnt versichert sein, daß Generalfeldmarschall Kluge und der gute Rommel genau wissen, was Sie zu tun haben. Was nun mich betrifft, hat sich wenig geändert. Ich führe meine Kompanie weiter. Man hat hier an der Front von Troarn im Augenblick etwas Ruhe, wie das ist, ich glaube das kannst Du ermessen, lieber Vater. Wenn ich sage, daß man hier immer noch im Bereich aller Artillerie und der Luftwaffe ist. Aber sie können uns mal…. An den andauernden Spektakel hat man sich gewöhnt. Essen und Trinken schmeckt auch, denn das viele Vieh konnte von der Bevölkerung nicht mitgenommen werden. So lebt man also seine Tage.

Ich wünsche Dir nun nochmals alles Gute, lieber Vater, und ein recht frohes Geburtstagsfest im Kreise all Deiner Lieben und bin mit den allerherzlichsten Grüßen  Dein Helmut.

 

Dienststelle F.P.Nr. 13 228

Der Chefarzt                                                                                                 O.U., den 22.8.44

Abtl . II            Az. 50 g, Tgb. Nr . 24/27/44 

 

Herrn

Rudolf Braun

[Ort und Kreis]

 

Sehr geehrter Herr Braun!

Wir erfüllen die traurige Pflicht, Sie von dem Ableben Ihres Sohnes, des Leutnants Helmut B r a u n, geb. 20.7.13, F.P.Nr. 19 698 A, in Kenntnis zu setzen.

Ihr Sohn, der Leutnant Helmut Braun, wurde bei den schweren Kämpfen am 9.8.44 durch Granatsplittersteckschuß in der linken Gesäßhälfte, mit Zertrümmerung des Sitzbeines, schwer verwundet. Nach erster Hilfe auf dem Hauptverbandplatz erfolgte sein Abtransport in ein motorisiertes Kriegslazarett. Besonderer Verhältnisse halber wurde Ihr Sohn dann mit Krankenkraftwagentransportkolonne in unser Kriegslazarett

Während bei der Aufnahme das Bewußtsein noch relativ war, traten unter zunehmender Verschlechterung des Allgemeinzustandes Bewußtseinsstörungen auf. Leider erwiesen sich alle ärztliche Kunst und die opferbereite Pflege als nicht in der Lage, Ihrem Sohn das Leben zu erhalten. Unter den Anzeichen einer allgemeinen Sepsis schlief der Patient nach Hinzutritt einer nicht mehr zu scherzlos ein. Die Truppe wurde von uns benachrichtigt. Die Beisetzung fand auf dem Westfriedhof in Reims mit allen militärischen Ehren im Beisein des evangelischen Kriegspfarrers des Lazaretts statt.

Möge die Gewißheit, daß auch Ihr Sohn sein Leben im Schicksalskampf unseres Volkes für unseren Führer und für den Bestand unseres deutschen Vaterlandes hingegeben hat, Ihnen ein Trost sein in dem schweren Leid, welches Sie durch diesen Verlust betrifft.

Da allen Fürsorge- und Versorgungsfragen wird Ihnen das zuständige Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt, dessen Standort bei jeder militärischen Dienststelle zu erfahren ist, bereit willigst Auskunft erteilen

Ich grüße Sie in aufrichtigem Mitgefühl. Heil Hitler! Ihr …., Oberstabsarzt und Chefarzt.

 

 

 

Estland, den 25.3.44.

Mein liebes Lenchen und Marthachen!

Ich hatte Dir schon geschrieben, daß ich am 25.desMonats wieder einen schweren Kampf vor mir habe. Es hat sich um einen Tag verschoben: Also morgen den 26. geht es los. Ich will nun die Zeit noch dazu ausnutzen, um Dir einen Gruß vor dem Kampf zu schreiben.

Mein liebes Lenchen, ich habe so ein komisches Gefühl, als wenn mir was passieren könnte. Ich will Dir das Herz nicht noch schwer machen, als es schon ist, aber man muß sich mit dem Schlimmsten abfinden. Ich will den Vater im Himmel bitten, daß er mich in diesem Kampf behütet und beschützt wie in den letzten. Hier gibt es nur eins, entweder bekommt man eine richtige oder man kommt heil durch. Das letztere wollen wir hoffen.

Mein liebes Lenchen! Ich kann mir gar nicht denken, daß ich wieder zurück soll. Jetzt, wo wir ein so gutes und schönes Kind haben, jetzt, wo unser Leben erst einen Inhalt hat, jetzt wo man Weiß, für wen man arbeitet und lebt. Ich habe mir schon vielmals des Nachts, wenn ich auf Posten stand so unser weiteres Leben vor die Augen gestellt und ich bekam immer wieder frischen Mut zum Leben. Ich kann es einfach nicht denken, daß uns der Vater im Himmel so hart strafen will. Aber nur er verfügt über uns und Ihn wollen wir uns beugen wie er es macht, so wird es wohl richtig sein.

Ich denke immer noch manchmal an Deine Krankheit, da habe ich ihn auch immer gebeten, er soll Dich wieder gesund machen, ich war nahe daran zu zweifeln, aber dann hat er meine Bitte doch erhört. So lege ich auch jetzt mein Leben in seine Hand. Ich habe ihm versprochen, unseren kleinen Liebling zu erziehen in Gottes Namen und ich selber will, wenn ich wieder nach. Hause komme, Ihm dienen und ein tüchtiger Kirchgänger werden. So handele Du schon an unserem Liebling und erzähl ihr vom lieben Gott.

Wir wollen hoffen, dass alles gut geht und ich gesund aus diesem Kampf herauskomme. Ich schreibe Dir gleich, wenn es vorbei ist, es kann sich nur um ein bis zwei Tage handeln. Also in Gottes Namen bis dahin. Heute erhielt ich noch einen Brief von Dir vom 11.3.44. Darin schreibst Du mir, dass Du mit Emma zum Schilaufen warst. Ja, ich freue mich, dass Du auch Freude daran gefunden hast. Ja, wenn der Krieg erst zu Ende ist, dann fahren wir alle drei Ski, das wird eine Freude werden. Auch von unserem Liebling schreibst Du, dass sie ein kleiner Naturfreund ist, und dass sie das von Dir geerbt hat. Na, von mir hat sie ja auch etwas geerbt.

Wenn ich wieder einmal nach Hause komme, so wird sie schon bald in die Schule kommen?

Nun habe ich Dir das Herz wieder schwer gemacht. Nimm alles nicht so tragisch, ich werde schon wieder heil herauskommen. Das Beste wollen wir hoffen. Ich will nun schliessen in der Hoffnung, dass der Krieg bald ein Ende nimmt und wir gesund wieder zurückkehren können.

Es grüsst und küsst Dich vielmals Dein lieber Walter und Pappa. Viele Grüsse an Schwiegereltern, ……….. meine Mutter …….und alle anderen.

Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen!

 

 

Film „Die Brücke“:

In dem Film „Die Brücke“ von Bernhard Wicki wird die Sinnlosigkeit des Krieges deutlich. Gegen Ende des Krieges werden noch 7 sechzehnjährige Schüler zum Volkssturm eingezogen. Sie freuen sich, „die Ehre des Vaterlandes“ verteidigen zu dürfen. Man weiß nicht so recht, was man mit ihnen anfangen soll. Da gibt man ihnen den Befehl, die Brücke vor einer Stadt zu verteidigen, die aber militärisch überhaupt keine Bedeutung hat und sowieso gesprengt werden soll. Als dann die Panzer kommen und sie in ihren Schützenlöchern mit einem Geschoßhagel überschütten, da steht nur noch helle Angst in ihren Gesichtern zu lesen. Aber da ist es schon zu spät. Sie sterben „für Führer, Volk und Vaterland“. Nur einer kehrt zurück und stellt die Frage nach dem Warum; er hat am eigenen Leibe erlebt, daß die Begeisterungsreden in der Schule in keinem Verhältnis zur grausamen Wirklichkeit stehen.

Wir fragen uns heute vielleicht, wie die Menschen damals so kalt und teilnahmslos dem sinnlosen Morden zusehen konnten. Aber heute ist es ja nicht anders. Es gibt ja auch heute Krieg und keiner erhebt die Stimme dagegen. Die meisten sagen: „Was geht das mich an, ich kann doch nichts dafür!“

 

Rechtfertigungsversuche für den Krieg:

1. Den alten Rittern ging es nur um den Kampf an sich, der ritterlichen Spielregeln entsprechen mußte. Das brachte Ehre ein der Erfolg oder Mißerfolg und das Ziel des Kampfes waren demgegenüber zweitrangig.

2. Dann aber kam das rationale Verständnis des Krieges auf: Man führt Krieg, um eine Provinz oder eine Kolonie zu gewinnen, um Machtpositionen und wirtschaftliche Vorteile zu erwerben. Man wägt die Vor- und Nachteile ab und entscheidet dann, ob der Einsatz lohnt.

3. Gefühlsmäßige Gründe spielen eine Rolle, wenn man etwa „Erbfeinde“ ausrotten will und es gar nicht erwarten kann, bis man dem Feind an den Hals springen kann.

4. Viele sehen in dem Krieg auch ein Mittel zur Erziehung zu „Heldentum“ und „Mannesehre“. Dadurch könnten der Jugend ewige Werte vermittelt werden, die sie sonst nicht erfahren kann. Man sagt, es sei „süß und ehrenvoll“, für das Vaterland zu sterben (Horaz).

5. Die Verteidigung des eigenen Lebens und das der Familie sei die Pflicht eines jeden Mannes, sagt man. Es sei besser, sich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, als sich wehrlos abschlachten zu lassen. Nur sagen das meist eben beide Seiten.

 

Geschichtlicher Rückblick:

Für die älteste Christenheit war die Frage des Krieges kein Problem. Johannes hat den Soldaten nicht verboten, ihre Waffen zu haben (Lk 3,14). Der Friede wurde als ein seitliches Gut verstanden, das von der Welt nicht berührt werden kann. Die Vorgänge in der Welt aber gehen sowieso bald zu Ende, darum braucht man sich nicht zu kümmern.

Erst mit der beginnenden Staatskirche ändert sich die Lage gründlich. Die Kirche wird selbst zur staatstragenden Macht und ihre Distanz zur Welt hört auf. Der Soldateneid widerspricht nicht mehr dem Taufsakrament und der Staatsdienst ist nicht mehr gottwidrig. Der Kriegsdienst wird ein Beruf neben anderen und ist nicht mehr Mordhandwerk.

Dennoch hat man immer gewarnt: Der Friede ist mehr wert als aller Krieg. Und nicht alle Kriege haben in gleicher Weise dem Recht zum Sieg verholfen oder auch nur verhelfen wollen.

Es kam dann die Lehre vom gerechten Krieg auf. Ein Krieg ist gerecht:

- Wenn schweres Unrecht nur auf einer Seite liegt

- Wenn Schuld und Strafe für das Vergehen im rechten Verhältnis stehen

- Wenn Aussicht auf den Sieg des Rechts gegeben ist        

- Wenn durch den Krieg das Rute gefördert werden soll   

- Wenn die Kriegsführung selbst rechter Art ist.

Doch gegen jeden Punkt kann man schwerwiegende Gegengründe ins Feld führen. Jede Seite wird immer ihren Krieg als gerecht bezeichnen. Und so gibt es heute auch in der Kirche zwei gegensätzliche Ansichten, bei denen Werturteil gegen Werturteil steht:

Die einen sagen: Der Krieg dient der Verteidigung des Vaterlandes, des Volkes, der Kultur und der Familien. Er weckt solche Tugenden wie Tapferkeit, Opfergeist und Disziplin. Er ist geheiligt durch das Opfer der Gefallenen. Kriege sind unvermeidbar. Wer sie verhindern will ist feige oder es fehlt ihm die Vaterlandsliebe.

Die anderen sagen: Der Krieg ist gekennzeichnet durch massenhaftes Töten, er bringt Leid und Schmerz. Er bringt Unsittlichkeit, Ehebruch, Verelendung und Zerstörung geistiger und materieller Werte mit sich. Aber wenn man will, kann man die Kriege abschaffen oder doch wenigstens stark eindämmen.

 

Der moderne Krieg:

Die „klassischen Kriege“ waren zeitlich begrenzt durch Kriegserklärung und Friedensschluß, sie waren räumlich beschränkt auf den Kriegsschauplatz sie waren personell beschränkt auf die Soldaten in Uniform und sie waren methodisch begrenzt und hatten feste „Spielregeln“. Sie sollten zum Wiedereintritt des Friedens führen und zu friedlichen Verhandlungen.

In der Neuzeit aber hat sich der begrenzte Krieg zum unbegrenzten entwickelte: Die Kriegsvorbereitungen laufen schon frühzeitig an, aber auch nach dem Waffenstillstand gibt es noch Reparationen, Besatzungsmacht und Umgruppierung der politischen Fronten. Die Kriege haben ein weltweites Ausmaß angenommen, in jeden „kleinen“ Krieg hängen sich die Großmächte hinein. In den Methoden ist der Krieg unbegrenzt, selbst ein Atomkrieg ist im Bereich des Möglichen.

Die Zivilbevölkerung genießt keinen Schutz mehr, weil sie selber in den Krieg mit eingespannt wird. Eine Verteidigung ist sinnlos, weil es Waffen gibt, gegen die ein Schutz nicht mehr möglich ist.

Darüber hinaus sind Staatsgrenzen nicht mehr mit den ideologischen Fronten gleichzusetzen. Der Begriff des Vaterlandes zählt nicht mehr, zumal meist die gespaltenen Nationen die Brenn­punkte eines möglichen Krieges hergeben und jede Seite dann behauptet, das Vaterland zu sein. Das Vaterland ist nicht mehr letzter und absoluter Wert.

Heute ist eine noch schlimmere Form des Krieges üblich geworden: Es wird ein Guerillakrieg geführt, bei dem man bald hier, bald dort zuschlägt und dabei meist auch viele Zivilisten trifft (was nicht heißt, daß man Soldaten töten dürfte). Es finden sich Selbstmordattentäter, die ohne Schonung des eigenen Lebens einen Staat destabilisieren wollen, aber meist einen aussichtslosen Kampf führen.

Und noch eine Gefahr ist dazugekommen: Der Kampf mit chemischen oder biologischen Waffen. Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs hat es selbst Hitler nicht gewagt, solche Waffen einzusetzen. Aber heute sind Diktatoren (vor allem in kleinen Staaten) in der Versuchung, entweder damit das eigene Vlk zu unterdrücken oder größere Staaten anzugreifen: Atomwaffen kriegen sie nicht hin, aber chemische Kampfstoffe kann jeder leicht anrühren.

 

„Gerechter“ Krieg:

Unser höchstes Ziel kann nur das Wohl der ganzen Menschheit sein. Die Völker und Menschen können heute nicht mehr gegeneinander leben, sondern müssen sich bemühen, das gemeinsame Vaterland zu suchen und zu verwirklichen. Das ist vielleicht in den Augen vieler Menschen nicht besonders ehrenvoll, sondern eher mühevoll. Aber wenn überhaupt, dann liegt höchstens hier eine Rechtfertigung des Krieges.

Nur die Idee einer echten Solidarität der ganzen Menschheit kann es in letzter Notlage unabwendbar machen, die schutzlose Gemeinschaft gegen ein Unrecht von außen mit der Waffe zu schützen. Nur zum Schutz des menschlichen Lebens (nicht des Lebensstandards oder gar des Luxus einer Gruppe von Menschen), um eine Bedrohung von Leib und Seele abzuwenden, darf man Waffen anwenden. Nur der darf unter Umständen ein gutes Gewissen haben, dem wirklich das Wohl aller Menschen vor Augen steht und der nur dem Unmenschen Widerstand entgegensetzen will.

 

Die Stellung des Christen zum Frieden:

Mancher hat gemeint, man müsse auch mit der Waffe in der Hand für seinen Glauben und für seine Weltanschauung kämpfen. Bei einer Weltanschauung mag das vielleicht auch möglich sein. Aber schon das sogenannte „Dritte Reich“ hat gezeigt, wohin das führt. In den Zeitungsanzeigen war dann von „tiefer, aber stolzer Trauer“ die Rede und den Gewinn hatten doch immer nur die Mächtigen.

Für den Glauben kann man nur Zeugnis ablegen. Man kann sogar für ihn sterben. Aber man kann nicht mit der Waffe für ihn kämpfen. Was hätten wir als Christen auch zu verteidigen? Irdische Güter, die Interessen der Mächtigen, unser Leben oder das anderer Menschen? Nur Gott kann unser Leben erhalten. Keine Armee kann uns wirklich schützen - an Gottes Segen ist alles gelegen. Wie sollte man auch für sein eigenes Leben kämpfen, wenn dabei das Leben anderer Menschen vernichtet wird? Die anderen sind doch auch unsere Nächsten: der Mann im Schützengraben gegenüber, die Frauen und Kinder in den Städten, auch die kilometerweit entfernten Menschen, die von einer Rakete getroffen werden.

Der irdische Friede ist nicht das höchste Gut. Durch ihn werden die Menschen nicht besser und die Welt wird nicht umgewandelt. Auch innerhalb des Friedenszustandes besteht ein Gegensatz der Interessen, Streit und Feindschaft. Hier muß sich erst der Frieden bewähren, indem er einen Ausgleich schafft und den Streit beendet.

Entschieden wird dabei nach der Ordnung des geltenden Rechts, soweit das unter Menschen möglich ist. Die Christen werden sich hier mit den Nichtchristen über ihr gemeinsames Schick­sal verständigen müssen. Und die gemeinsame Sprache dabei ist die Vernunft. Man wird die Feindschaften zu hemmen versuchen, Verträge schließen und Kompromisse aushandeln. Es kommt immer wieder die Zeit, wo wir miteinander auskommen müssen. Praktisch bedeutet das eine Theologie der Koexistenz.

Die Theologie des Friedens ist heute nicht mehr der Glaube an ein ewiges Friedensreich, wie es die Pazifisten früherer Zeiten wollten. Sie wird vielmehr ganz realistisch sein müssen und eine Verantwortung gegenüber der bedrohten Schöpfung und ihren Ordnungen übernehmen.

Wir können nicht Gott unseren Herrn heißen und seine Schöpfung der Vernichtung preisgeben.

Der Krieg muß fortgeführt werden mit den Mitteln der Politik. Das bedeutet: Gespräch und Ausgleich mit dem politischen Gegner. Es gibt kein vernünftiges Argument, das gegen einen vernünftigen Ausgleich der Interessen auf dem Weg der Verhandlung geltend gemacht werden könnte.

Jeder einzelne muß hier selber entscheiden, ob er für seine Person Zeugnis ablegen will von diesem Friedenswillen. An zwei Punkten könnte er deutlich werden: In der Ablehnung des Wehrdienstes und in dem eigenen Urteil bei dem Dienst mit der 'Waffe.

 

Das Recht auf Wehrdienstverweigerung:

Fast jeder Staat nimmt sich das Recht von seinen Bürgern den Wehrdienst zu fordern. Jeder Staatsbürger will ja auch von der Allgemeinheit geschützt werden, also muß er auch seinen Beitrag zum Schutz der Allgemeinheit leisten. Es wird ja auch meist in demokratischer Form über diese Fragen abgestimmt, und mancher wird dann vielleicht sagen: „Ich kann zwar nicht mit gutem Gewissen Soldat sein, aber doch mit getröstetem Gewissen!“

Dennoch muß dem Einzelnen die Möglichkeit bleiben, den Wehrdienst aus Gewissens- und aus Glaubensgründen abzulehnen. Der Staat hat aber dann das Recht, wenigstens einen Ersatzdienst zu fordern. Es sollte dann so positiv wie möglich bestimmt werden, wofür dieser Ersatzdienst geleistet wird. Es geht dabei doch nicht um ein Ausweichen vor der Verantwortung, sondern um einen anderen Weg, dem Nächsten einen Dienst zu erweisen und den Frieden zu wahren.

Der Staat sollte erkennen, daß man nicht nur mit der Waffe in der Hand dem Frieden dienen kann, sondern auch durch die Ablehnung des Wehrdienstes einer Beitrag zur Versöhnung der Völker leisten kann. So ungefähr hat es Werner Roß ausgedrückt, ein junger Vikar, der wegen totaler Ablehnung des Wehrdienstes in der DDR zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde und danach in die Bundesrepublik ausgewiesen wurde.

„Die Zeugen Jehovas“ (auch „Bibelforscher“ genannt) sind da ja in der R:egel ebenso radikal. Sie gehen fast alle ins Gefängnis. Ihre Prediger fordern generelle Befreiung vom Wehrdienst, wie sie den meisten Geistlichen in aller Welt zugestanden wird (in der DDR war das zwar kein Gesetz, wurde aber in der Regel in der Praxis so gehandhabt).

Es ist wirklich eine Frage, ob nicht die Wehrdienstverweigerung auch die Ersatzdienstverweigerung nach sich zieht. Gewissen macht Arbeit und tut unter Umständen weh. Jedenfalls sollten Staat und Kirche die Gewissensentscheidung eines Menschen achten. .Der Soldat und der Ersatzdienstleistende haben beide Anspruch darauf, daß sich die Kirche um sie kümmert .Wer sich für das Soldatsein entscheidet ist kein schlechterer Christ als der andere, der den Wehrdienst ablehnt. Die Kirche wird sich für die Gewissensfreiheit und die Würde der Person einsetzen; aber sie wird sich auch um die Läuterung der Motive ihrer Glieder bemühen.

Weithin gilt der Wehrdienstverweigerer noch als Bürger zweiter Klasse. Sein Dienst ist nur ein „Ersatz“, eine Art Hobby für junge Leute mit besonders empfindsamem Gewissen. Damit steht er oft in einer gewissen Isolierung. Die Kirche sollte ihm hier helfen, damit sein Dienst als aktives Friedenszeugnis verstanden wird.

Aber die Wehrdienstverweigerer haben das Wort „Friedensdienst“ nicht allein gepachtet, denn auch die Soldaten sehen ihre Aufgabe im Schutz des Friedens. Aber die Verweigerung des Wehrdienstes ist eine christlich mögliche Entscheidung und nicht ein verwerflicher Irrtum.

Schon 1955 hat der Rat der EKD den beiden deutschen Regierungen einen Ratschlag übermittelt, in dem es heißt: „Die erschreckende Ausweitung des modernen Krieges und die geschärfte Verantwortung gegenüber Waffengewalt und Krieg legen jedem Christen die Frage in das Gewissen, ob der Krieg als ein letztes Mittel der Verteidigung und die Teilnahme am Krieg oder die Vorbereitung dafür erlaubt sein kann. Wenn der Staat die Befugnis zur Heranziehung seiner Bürger zum Wehr- und Kriegsdienst in Anspruch nimmt, so steht er vor der Frage, ob er nicht um der Würde des Menschen willen und als ein Zeichen eigener staatlicher Selbstbegrenzung darauf verzichten muß, von Menschen den Kriegsdienst zu fordern, die dadurch in ernste Gewissensnot geraten. Die Kirche bittet die Regierenden in Ost und West unseres Landes, für eine zureichende Gesetzgebung zum Schutz derjenigen Sorge zu tragen, die aus Gewissensgründen den Kriegs- und Waffendienst verweigern!“

Jeder Christ ist aufgerufen, das Gebot der Liebe persönlich zu praktizieren. Aber Wehrdienst­verweigerung ist keine Dogmatik, sondern ein Zeugnis des Glaubens, allerdings nicht das Alleinzeugnis. Der erste Schritt führt zu Gott. Denn woher kommt letzten Endes der Krieg zwischen den Menschen? Hat er nicht seine letzte Ursache im Ungehorsam gegen Gott? Er ist nicht schuld am Krieg.

 

Erziehung zum Frieden:

Der sowjetische Kinderbuchautor Samuil Marschak beobachtete einmal sechs- und siebenjährige Kinder beim Spiel. „Was spielt ihr?“ fragte er sie. „Wir spielen Krieg“, antworteten die Kinder. Darauf sagte Marschak: „Wie kann man nur Krieg spielen! Ihr wißt doch bestimmt, wie schrecklich der Krieg ist. Ihr solltet lieber Frieden spielen!“ - „Das ist eine gute Idee“, sagte eins der Kinder. Doch dann standen sie beieinander, dachten nach, tuschelten miteinander, berieten sich. Schließlich stand eines der Kinder auf, trat an Marschak heran, der sie schweigend beobachtet hatte, und fragte: „Großväterchen, wie spielt man Frieden?“

 

Ebenen der Friedenserziehung:

Global: Friedenserziehung hat es zu tun mit den Erscheinungsformen von Friedlosigkeit und den Bemühungen um Frieden im weltweiten Rahmen. Es wird nachgedacht über Ereignisse und Konflikte in denen es um die Sicherung des Friedens und die Schaffung größerer Gerechtigkeit geht, aber auch um die großen Weltprobleme wie Wirtschaft, Umwelt, Hunger, Durchsetzung der Menschenrechte.

Gesellschaftich: Friedenserziehung setzt sich auseinander mit allen Formen von Unfrieden und Unfreiheit in der Gesellschaft. Sie findet in der eigenen Gesellschaft einen bevorzugten Ort des Lernens und der Veränderung. Es geht weniger um Bewußtseinsbildung als um Erschließung und Einübung. Sie will Menschen helfen, Gleichgültigkeit zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen, mit Andersdenkenden zusammenzuleben und kritikfähig zu werden. Sie ist vor allem Erziehung zu Mündigkeit und Verantwortung.

Zwischenmenschlich: Bei der Friedenserziehung geht es um die Überwindung von Unfrieden in den persönlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie will helfen, die Ursachen eigener Friedlosigkeit zu erkennen und Voraussetzungen für ein menschliches Zusammenleben zu schaffen. Mangel an Geborgenheit, Ängste und Vorurteile, Haß und Gewalt im Nahbereich machen den Menschen langfristig unfähig, den Frieden im Großen zu gestalten. Die Friedensfähigkeit des Einzelnen trägt zu einer Infrastruktur des Friedens im politischen und gesellschaftlichen Bereich bei. Vor allem gilt es, vorhandenen Unfrieden zu verringern und Raum für gelingenden Frieden zu schaffen.

 

Aufgaben der Friedenserziehung:

• Vermittlung von Wissen: Ursachen und Folgen des Wettrüstens, gerechte Weltwirtschaftsordnung, Rolle der UNO und des Völkerrechts, F.-Bewegung.

Veränderung von Einstellungen: Bewußtmachen von Vorurteilen und positive Veränderung, • Offenheit für Ansichten und Meinungen anderer, Bereitschaft zu Gespräch, Zusammenarbeit, Gewaltlosigkeit bei Streit.

• Befähigung zum Handeln: Aufweis sinnvoller Handlungsmöglichkeiten, Einflußnahme auf friedenspolitisch wichtige Entscheidungen mit Rückhalt in einer Gruppe.

 

Friedenserziehung in der Familie:

Früher hieß es noch: „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Clausewitz, 1780 bis 1839). Heute sagt man: „Wir werden in einem Zustand leben, der den Namen Weltfrieden verdient, oder wir werden nicht leben!" (Carl Friedrich von Weizsäcker, 1964). Es ist nicht mehr zeitgemäß, von „Krieg und Frieden“ zu sprechen, sondern von „Frieden und Krieg“.

Doch immer gibt es aber die Verstellung, daß das Übel „Krieg“ geringer sei als das Übel „Konflikt“. Es bleibt uns aber keine Wahl, als miteinander zu lernen, Konflikte zu lösen ohne Krieg. Christen gehören auf die Seite derer, die diese Verantwortung erkennen, denn sie leben aus dem Beispiel Gottes in Jesus Christus, der den ungeheuren Konflikt zwischen Mensch und Gott gelöst hat. Kriegsdenken bindet auch nicht nur ökonomische Mittel, sondern auch die besten geistigen und psychischen Kräfte der Menschen. Aus dieser lähmenden Umklammerung gilt es, sich zu befreien und den Anstrengungen im Zeichen des Krieges alle nur mögliche Arbeit für den Frieden entgegenzusetzen.

 

Eltern sollten sich deshalb fragen: Welche Umgangsformel rechnen unter die Gewaltanwendung?      Können wir auf jede Gewaltanwendung in der Erziehung verzichten? Welche Erfahrungen gibt es, einen Konflikt ohne Gewalt zu lösen?

Beim Spielzeug anfangen: Kinder versuchen sich schon im früher Alter im Kriegsspiel. Sie streben dabei immer mehr nach Vervollkommnung. Ist das ein notwendiges Entwicklungsstadium? Oder müssen wir entsetzt sein und dem entgegenarbeiten? Kann man vom wirklichen Krieg erzählen? Welchen Ersatz kann man anbieten? (Sport, Wettkampf).

Es gilt, den Krieg und das Kriegshandwerk zu entzaubern. Es ist Ehrfurcht vor dem Geschöpf und dem Geschaffenen zu wecken, auf Hilfs- und Pflegebedürftige hinzuweisen und etwas zum „bauen und bewahren“ zu geben.

Mit Aggressionen umgehen lernen: Wenn wir uns bedroht fühlen, reagieren wir aggressiv, schlafen mit Worten oder handgreiflich zurück. Auch helfen zwar die Aggressionen zum Erwachsenwerder, aber sie können auch das eigene Leben beschädigen und fremdes verletzen. Deshalb muß man es lernen, mit Aggressionen umzugehen. Das heißt: Wir müssen sie uns bewußt machen.

Das Gefühl der Bedrohung kann auch in der eigener Unsicherheit liegen und deshalb unter Kontrolle genommen werden. Der Entstehung solcher Gefühle muß durch ein Gefühl der Sicherheit vorgebaut werden. Das gelingt nur, wenn man die Erfahrung der Selbstsicherheit und des Vertrauens entgegensetzt. Vom ersten Tage an müssen die Eltern dem Kind Vertrauen schenken, so daß es Selbständigkeit und Einmaligkeit seiner Person erfährt und es einen ei­genen Beitrag für das Zusammenleben der Familie leisten kann. Ein Kind, das sich ange­nommen fühlt, kann seiner Umwelt frei von Druck und Bedrohung begegnen und wird sein Verhalten nicht von anderen steuern lassen.

Eltern sollten sich niemals als Unterdrücker aufspielen. Wo Nachdruck nötig ist, muß dem Kind Gelegenheit gegeben werden, den erfahrenen Druck abzureagieren (Kind wird wegen Krachmachen aus dem Zimmer verwiesen, darf aber noch einmal ungestraft die Tür zuknallen).

Ein Kind braucht auch Hilfestellung, damit es nicht dem Urteil einer Gruppe über andere verfällt. Kinder werden frei bleiben von Vorurteilen, wenn sie zu Hause Offenheit und Gastfreiheit erleben.

Schließlich könnte man auch erkennen, daß fairer Streit nicht unbedingt etwas Negatives sein muß. Ein Streitgespräch kann besser sein als sich aus dem Dialog zurückzuziehen. Der Streitpartner sollte wirklich als Partner akzeptiert werden. Keiner soll glauben, allein die ganze Wahrheit zu besitzen.

 

Thesen zum Friedensdienst:

Leitsätze der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer:

I.

 a) Es gibt unter uns Christen, die die frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst u.a. in einer Ablehnung des Kriegsdienstes bezeugen, und die sich hierin an die Autorität Jesu Christi gebunden wissen. Diese Gewissensentscheidung ist für sie ein Stück ihres Glaubensgehorsams, zu. dem sie in der Nachfolge Jesu Christi berufen sind,

b) Dieses Nein bedeutet keine Absage an den Staat und seine Ordnung; es verstellt sich vielmehr als Friedensdienst gerade auch an die staatlichen Ordnungen. Damit ist es ein Zeugnis für die Macht der Ohnmacht Christi, gerichtet an alle Menschen, auch an den Staat und seine Vertreter,

c) Mit seiner Entscheidung überantwortet der evangelische Kriegsdienstverweigerer die Menschen, die in seinem Staat leben, an einer Stelle, wo der Staat sie dem Schutz der Armee und ihrer Waffen oder Vernichtungsmittel anvertraut, dem Schutz des Herrn. Aus diesem Vertrauen eröffnen sich auch neue Wege tätiger politischer Mitverantwortung, die zur wirksamen Erhaltung und Gewinnung des Friedens führen,

d) Für ihn (den Kriegsdienstverweigerer ) ist der Ersatzdienst Friedensdienst und damit Alternative zum Kriegsdienst,

II.

Aus alledem ergeben sich für die evangelische Kirche und ihre Gemeinden folgende Aufgaben:

a) Die Kirche stellt sich mit Worten und Taten so hinter die evangelischen Kriegsdienstverweigerer, daß sie deren Friedenszeugnis als legitimes kirchliches Bekenntnis bejaht und mitträgt.

b) Die Kirche sorgt mit dafür, daß die staatlichen Stellen den Ersatzdienst so ordnen, daß dieser Dienst von einem evangelischen Kriegsdienstverweigerer als Ausdruck und Gestalt seines Friedenszeugnisses verstanden und geleistet werden kann,

c) Die Kirche stellt dem Staat kirchliche Arbeitsstellen, Einrichtungen oder Projekte zur Verfügung, in denen der Ersatzdienst geleistet werden kann, und die die Einheit vom gesetzlichen Ersatzdienst und christlichen Friedensdienst sichtbar machen sollen,

d) Die Kirche wacht mit besonderer Sorgfalt darüber, daß die Kriegsdienstverweigerer .und Ersatzdienstleistenden nicht diffamiert, gesellschaftlich benachteiligt oder beruflich geschädigt werden.

e) Die Kirche achtet darauf, daß ihre Glieder, die den Ersatzdienst leisten, mit anderen Christen zusammen leben und arbeiten können; da diese jungen Männer oft aus einer einsam gefällten Gewissensentscheidung herkommen, hilft sie ihnen, die Isolierung zu überwinden und die Formen gemeinsamen Lebens einzuüben,

III.

 a) In dem Maße, in dem die Kirche ihre Sorgfalt für die Kriegsdienstverweigerer versäumt, macht sie ihre Militärseelsorge unglaubwürdig; in dem Maße, in dem sie diese Sorge wahrnimmt, gewinnt sie eine kritische Distanz zur Militärseelsorge und bezeugt die Freiheit ihrer Verkündigung an Soldaten und Waffenlosen.

b) Die Evangelische Kirche in Deutschland erfüllt hierdurch das Versprechen, das sie durch ihre Synoden von Weißensee 1950 und Elbingerode 1952 gegeben hat: „Wer um des Gewissens willen den Kriegsdienst verweigert, soll der Fürsprache und der Fürbitte der Kirche gewiss sein!“

 

 

Carl Ordnung: „Erziehung zum Frieden“, erschienen im Unionverlag 1980

1. Friedenserziehung ist von den Friedensbewegungen der Vergangenheit und Gegenwart immer als wesentlicher Teil ihrer Aufgaben begriffen worden. Häufig verstanden sich bürgerliche Friedensbewegungen (im Vergleich zu politischen Parteien) als primär erzieherische, meinungs- und gewissensbildende Organisationen.

2. Auch die Arbeiterbewegung maß der Aufklärung über die Ursachen des Krieges und der Herausbildung einer antimilitaristischen Gesinnung und Haltung von Anfang an große Bedeutung bei.

3. Die Friedenserziehung, wie sie Ende der sechziger Jahre in kapitalistischen Ländern Westeuropas und Nordamerikas entstand, ist sich dieser Tradition kaum bewußt. Sie entwickelte sich als ein neues ideologisches Phänomen in der spätbürgerlichen Gesellschaft.

4. Friedenserziehung sollte einerseits mithelfen, daß sich die Bevölkerung dieser Länder auf das neue internationale Kräfteverhältnis einstellt, das durch das Erstarken des Sozialismus und das Scheitern der Pläne zu seiner Zurückdrängung im Zeichen einer Politik der Stärke entstanden war.

5. Andererseits drückt sich in der Diskussion über Möglichkeiten von Friedenserziehung die gewachsene Friedenssehnsucht und Friedensverantwortung unter den Menschen dieser Länder aus.

6. Obwohl Friedenserziehung nicht direkt aus der Friedensforschung hervorgegangen ist, ent­wickelte sich bald eine engere Verbindung zwischen diesen beiden ideologischen Konzeptionen, denen ähnliche Funktionen bei der notwendigen ideologischen Anpassung des Imperialismus an das neue internationale Kräfteverhältnis zugedacht waren.

7. Wie in der Friedensforschung, so bilden sich auch in der Friedenserziehung zwei Richtungen heraus:

a. eine konservative, die primär die Anpassungsfunktion erfüllt

b. eine gesellschaftskritische, in der sich wesentlich die gewachsene Friedensverantwortung ausdrückt.

8. Die Konservative Friedenserziehung geht vom Individuum aus; sie sieht die wesentlichen Wurzeln des Krieges in der Gesinnung oder in der Triebbestimmung des Menschen (Aggressionstrieb). Indem sie zu einer Friedensgesinnung erziehen will und vor allem Regulierungsmechanismen für innergesellschaftliche Konflikte anbietet, trägt sie zur Stabilisierung der kapitalistischen Gesellschaft bei. Friedenserziehung wird hier Erziehung zur Zufriedenheit.

9. Die kritische Friedenserziehung deckt die gesellschaftlichen Wurzeln des Urfriedens auf und entwickelt Strategien zur Veränderung imperialistischer Strukturen. Dabei gelingt es ihr nur in Einzelfällen, den Rahmen bürgerlichen Denkens zu durchbrechen.

10. Dieselben politischen Kräfte in der BRD, die die Friedenserziehung politisch und materiell förderten und damit ihren Aufschwung ermöglichten, setzten zur gleichen Zeit eine stärkere Militarisierung der Schulen durch. Während über Friedenserziehung vieldiskutiert wurde, bleibt ihr praktischer Einfluß auf die Schulen gering. Die politische Bildungsarbeit wurde Anfang der siebziger Jahre mehr durch Wehrkunde als durch Friedenserziehung bestimmt („Wehrkunde“ und vormilitärische Ausbildung gab es nur im Osten].

11. Kirchen und christliche Gruppen haben den Gedanken der Friedenserziehung in einer Weise aufgegriffen, daß der Eindruck erweckt wurde, daß Friedenserziehung die - wenn nicht ausschließliche, so doch - wichtigste Form der Wahrnehmung von Friedensverantwortung durch Christen sei.

12. Die Attraktivität von Friedenserziehung für viele Menschen hängt damit zusammen, daß sie von der Voraussetzung ausgeht, jedem einzelnen die Möglichkeit eines direkten Beitrages zum Weltfrieden zu eröffnen. Wenn man eher durch erzieherisches und selbsterzieherisches Handeln seine Friedensverantwortung wahrnehmen kann, bleibt einem der mühsame und komplizierte Weg politischen Handelns erspart. Das kommt der traditionellen Abstinenz und Unsicherheit vieler Christen entgegen.

13. Der Weltfrieden entsteht nicht primär im Ergebnis erzieherischer Aktivitäten. Er fordert politisches Handeln. Hauptaufgabe aller Friedenserziehung kann deshalb nur sein, Menschen zur Wahrnehmung politischer Verantwortung zu erziehen, sie zur bewußten Teilnahme am weltweiten Ringen um eine dauerhafte Friedensordnung zu befähigen,

14. Das wird erhärtet durch ein Forschungsergebnis britischer. Friedensforschung, die auf Grund zahlreicher Realanalysen festgestellt hat, „daß übergeordnete makrostrukturelle eher bestimmen als umgekehrt und daß sich die ersteren aus der Addition der letzteren nicht erklären lassen“ (Senghaas). Wer also Friedensverantwortung wahrnehmen will, darf sich nicht auf den zwischenmenschlichen Bereich beschränken, sondern muß versuchen, Einfluß auf Entwicklungen auf der gesellschaftlich-politischen oder internationalen Ebene zu gewinnen. Das ist nur kollektiv und organisiert möglich.

1. Die Einsicht in die auf dieser Ebene wirkenden Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge gehört zu den Hauptaufgaben von Friedenserziehung. Dabei wird deutlich, daß die allermeisten den Frieden bedrohenden Entwicklungen nicht symmetrische, sondern asymmetrische Konflikte sind (vgl. etwa den Konflikt zwischen dem Apartheidregime in Südafrika und den Schwarzen und Farbigen, zwischen Entwicklungsländern und Multis, aber auch den sogenannten „Rüstungswettlauf“, an dem Ost und West mit unterschiedlichen Zielsteilungen und Potenzen beteiligt sind). Deshalb kann ein Beitrag zur Lösung dieser Konflikte nicht durch gleichartige Appelle an beide Seiten geleistet werden, sondern durch Parteinahme für die Seite, die mehr soziale Gerechtigkeit und damit Frieden schaffen kann,

16. So muß beispielsweise die grundsätzliche Absage an alle Feindbilder nicht unter allen Umständen friedensfördernd sein.

a) der Tatbestand der Feindschaft ist häufig nicht primär subjektiv, sondern durch in gesellschaftlichen Verhältnissen wurzelnden Interessengegensätzen objektiv begründet.

b) Es ist deshalb zu fragen, ob ein Feindbild gesellschaftliche Realität widerspiegelt oder (vielleicht sogar bewußt) verzerrt (Antiimperialismus - Antikommunismus), ob es Konflikte rationalisieren hilft, oder ob es sie emotionalisiert und ob es auf friedlichen Wettstreit mit dem „Feind“ orientiert oder ein Zusammenleben mit ihm als unmöglich erscheinen läßt.

In diesem Sinne kann das eine (antiimperialistische) Feindbild friedensfördernd sein; das andere (antikommunistische) ist friedensgefährdend. Jesus sagte: „Liebet eure Feinde!“und nicht: „Überwindet die Feindbilder!“ [Hier liegt ein Beispiel vor, wie die damalige Ost-CDU die Politik der SED gebilligt und mit christlichen Worten vertreten hat].

 

„...weil ich den Befehl bekam“

Der 22 jährige amerikanische Soldat Paul Meadlo gab nach dem Massaker von Son My (bzw. My Lai) der Fernsehgesellschaft CBS am 24. November 1969 folgendes Interview:

Warum haben Sie das getan?

Weil ich den Befehl bekam. Damals glaubte ich auch, das Richtige zu tun. Ich habe Kameraden verloren, einen verflucht guten Kumpel. Und daran hab ich gedacht. Gleich nachdem es vorüber war, habe ich mich zunächst gut gefühlt. Aber später dämmerte es mir Außerdem:

Der Kompaniechef Hauptmann Ernest Medina wer ja da. Warum hat er die Sache nicht gestoppt?? Er war ja da. Er hätte zu jeder Zeit aufhören lassen können.

Und wie spielte sich alles ab?

Wir sind in das Dorf eingezogen und haben angefangen, das Dorf zu durchsuchen und die Leute zu sammeln und sie zur Dorfmitte zu treiben. Es waren Männer, Frauen und Kinder, auch Babys. Wir haben alle zusammengetrieben und sie hinkauern lassen. Dann kam Oberleutnant Calley herüber und sagte: „Ihr wißt ja, was ihr mit ihnen zu tun habt!“ Ich hielt es für selbstverständlich, daß er nur wollte, wir sollten sie bewachen. Etwa 15 Minuten später kam er zurück und sagte: „Warum habt ihr sie noch nicht getötet!“ Er ging etwa vier Meter zurück und fing an, auf sie loszuknallen. Und er sagte mir, ich sollte schießen. Da hab ich dann mit dem Schießen begonnen. Ich habe so etwa vier Magazine in die Gruppe gefeuert.

Wieviel haben Sie damals wohl getötet?

Ich hatte auf Dauerfeuer gestellt. Da kann man nicht wissen, wieviel man getötet hat, weil die Schüsse so schnell kommen. Vielleicht habe ich 13 oder 15 von ihnen getötet.

Wie erschießt man Babys?

Ich weiß, nicht. Das ist so eine Sache.

Und wie denken Sie jetzt in der Rückschau über all das?

Die ganze Sache drückt mir aufs Gewissen. Und sie wird für den Rest meines Lebens auf mein Gewissen drücken. Aber wie ich schon gesagt habe: Gott hat mich schon am nächste- Morgen gestraft.

Wodurch?

Dadurch, daß ich auf eine Mine trat. Ich glaube, ich habe meine Strafe weg (Er wurde so sehr verletzt daß ein Fuß amputiert werden mußte. Einige Zeit später wurde er aus der Armee entlassen).

 

Der Druck auf den Knopf

Es ist eine fabelhafte Sache, mit einem technischen Spielzeug zu spielen. Man sitzt auf dem Fußboden oder im Sessel, drückt auf einen Knopf und der Mechanismus des Spielzeugs arbeitet, ganz wie es uns paßt.

So ist das auch mit dem Bombenschützen im Flugzeug am nächtlichen Himmel. Das Radargerät zeigt das Ziel an. Der Befehl zum Auslösen wird gegeben. Der Bombenschütze drückt auf den Knopf. Die Bombenschächte öffnen sich und die verderbenbringende Fracht saust in die Tiefe. Der Mann, der auf den Knopf drückt, hat seine Arbeit beendet. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und bereitet sich auf die nächste Aufgabe vor.

Ein Druck auf den Knopf - und maschinell wird getötet. Wer aber von denen, die einen solchen Knopf bedienen mußten, hat jedesmal daran gedacht, daß damit in furchtbarer Weise getötet wurde? Die Menschen, die der Stahl zerschmetterte, waren in weiter Ferne, waren

im unpersönlichen Etwas, waren Material, das die Maschine vernichtete. Durch die Schaffung der Atombombe genügt ein leichter Druck auf einen winzigen Knopf und die Ausrottung der Menschheit ist geschehen.

 

 

Der Bomberpilot von Hiroshima

Die „Internationale Kulturhalle“ in Nagasaki in Japan beherbergt das Atombombenmuseum. Es erinnert an den 9. August 1945, an dem die erste Atombombe auf diese Stadt abgeworfen wurde. Am 6. August wurde die Stadt Hiroshima von einer Bombe der gleichen Art getroffen, die harmlos ist im Vergleich zu den heutigen Superwaffen. Und doch haben diese zwei „kleinen“ Bomben unzähliges Leid über die Menschen gebracht.

In der Ausstellung sieht man vor allem Bilder, die das Ausmaß der Zerstörung und der Leiden dokumentieren. Eine beschädigte Wanduhr gibt die Zeit der Explosion an, denn ihre Zeiger sind 11.02 Uhr stehengeblieben. Ein kleiner Junge schleppt seinen verletzten Bruder auf seinem Rücker. Menschen irren durch die Trümmerwüste.

In den Vitrinen liegen zerfetzte und teilweise verbrannte Kleider und zerschmolzene Glasflaschen. Ein Basaltsteinblock läßt die ungeheure Hitze der Explosion deutlich werden, denn seine Oberfläche weist blasige Veränderungen auf. Zwiebeln weisen starke Verunstaltungen auf, die durch die Radioaktivität des Bodens verursacht wurden.

Wenige Schritte vor der Kulturhalle im Park steht eine schwarze Steinsäule. Über dieser Stelle explodierte die Bombe. Auf einem aus Feldsteinen gemauerten Sockel steht die Statue eines Kindes, das eine Friedenstaube in den Händen hält. Die Steine des Sockels stammen aus verschiedenen Ländern (auch aus der Sowjetunion und aus Ungarn).

Die Japaner nennen Nagasaki „Die Wunde am Körper der Erde“. Weil sie um das Leid durch die Atombombe wissen, mahnen sie die Menschen der ganzen Welt immer wieder. Vor einigen Jahren hatte man die Namen von 36.902 direkten Opfern des Atombombenabwurfs

Über Nagasaki festgestellt. Doch dazu kommen noch über 61.000 Namen der Menschen, die in späteren Jahren an den Folgen der radioaktiven Strahlen gestorben

In Hiroshima hat man bis 1950 etwa 280.000 Tote gezählt (bei einer Einwohnerzahl von 400.000). Die Überlebenden haben vor allem zu leiden unter Leukämie, tumorhafter Hautwucherungen, Lebererkrankungen, grauer Star und Neurosen.

Die Flugzeugpiloten, die die tödliche Last nach Japan gebracht hatten, standen einige Wochen als gefeierte Helden („victory-boys“) im Mittelpunkt der amerikanischen Presse. Einer von ihnen aber ist mit der unermeßlichen Schuld nicht fertiggeworden. Dabei gehörten zu jener 509. Bombergruppe nur besonders ausgewählte Männer, die auf ihre hohen charakterlicher Fähigkeiten hin durchleuchtet worden waren.

Dieser Claude R. Eatherly stammt aus Texas, war bei Kriegseintritt Student und meldete sich als pflichtbewußter Patriot zum Militärdienst. Zunächst war er Patroullienflieger im Stillen Ozean. Er heiratete eire junge Schauspielerin und führte eine normale Ehe. Im Jahre 1947 wird er ehrenvoll aus der Armee entlassen. Er wird Angestellter eines Petroleumskonzerns in Houston und besucht die Abendschule, um Jura zu studieren. Schließlich bringt er es bis zum Verkaufsdirektor.

Doch dann wurden die erschütternden Dokumentationen über das verheerende Ausmaß der Atombombenabwürfe in Japan veröffentlicht. Täglich stieg die Zahl der Opfer. Claude R. Eatherly konnte nicht mehr schlafen. Er schreckte auf und rief: „Die Kinder, die Kinder!“Mit Schlafmitteln versuchte er, seine Ängste zu verscheuchen. Aber schließlich verfolgen ihn die Gesichte auch bei der Arbeit.

Eatherly stopft Geldscheine in Briefumschläge und schickt sie nach Hiroshima. In Briefen nach Japan klagt er sich an und bittet um Verzeihung. Aber alles beruhigt ihn nicht. Als Präsident Truman 1950 bekanntgibt, Amerika werde eine Wasserstoffbombe bauen, macht er einen Selbstmordversuch mit Schlafmitteln. Im Krankenhaus gab man ihm auf seine Bitten hin Insulinschocks, weil er vergessen wollte. Aber alles reichte nicht aus, sein Gewissen zu betäuben.

Seine Frau ließ sich von ihm scheiden. Nach sechs Wochen wurde er aber als normal entlassen und der Obhut seines Bruders übergeben. Doch sein Schuldbewußtsein wurde er nicht los. Aber er kämpft mit allen Mitteln gegen die Heldenverehrung und jedes weitere Wettrüsten. Er reist umher und hält Vorträge. Aber man startet Gegenaktionen und will ihn lächerlich machen. Er tritt ein für Abschaffung der Kernwaffen und totale Abrüstung.

Da greift er zu anderen Mitteln, um seinen Ruf als idealer Kriegsheld zu zerstören: Er beraubt Menschen und schickt das Geld nach Japan. Er begeht zwei Raubüberfälle auf kleine Postämter in Texas, bei denen er aber absichtlich kein Geld mitnimmt. Doch er will deutlich machen, daß er nicht verrückt ist und nicht aus einem unkontrollierbaren Impuls handelt. Er will nur die Öffentlichkeit auf die doppelte Moral aufmerksam machen: Für ihn ist es ein Widerspruch, wenn ein Bankräuber gnadenlos verurteilt wird, aber einem Massenmörder des Krieges wird die „Gnade der Strafe“ verweigert.

Mit Scheinvergehen will er die Strafe erzwingen. Aber er kommt kaum zum Sprechen. Sein Fall ist zu unbedeutend. Nach einem erneuten Selbstmordversuch im Jahre 1951 unterzieht er sich wieder einer psychiatrischen Behandlung. Bis 1959 pendelt er zwischen Gerichtssaal und Klinik hin und her. Aber seine Zeitgenossen wollen nicht erkennen, daß ein moralisch Aufgeschreckten gegen eine kranke Gesellschaft kämpft die nach Hiroshima zur Tagesordnung übergegangen ist. Filmangebote hat er abgelehnt.

Am15. April 1959 wurde Eatherly ins „Veteran Hospital“ in Waco eingeliefert. Dort leben etwa 400 Kriegsteilnehmer, die seelisch an den Folgen des Zweiten Weltkriegs leiden. Er schrieb unzählige scharfsinnige Schriftsätze, um eine ordentliche juristische Beurteilung seines Falls zu erreichen. Aber er kam damit nicht durch. Und die Armee bestand darauf, daß er in sicherem Gewahrsam blieb. Er war jetzt Zivilist, aber die Armee bestimmte weiter über ihn.

Aber er konnte von der Heilanstalt aus dennoch mit zahlreichen Menschen in Verbindung treten. Er schrieb Briefe an japanische Zeitungen, in dem er die Menschen vor Hiroshima um Verzeihung anflehte. Er adoptierte eine ganze Reihe von Kriegswaisen, um ein wenig von seiner Schuld zu sühnen.

Am wichtigsten wurde für ihr der Kontakt mit dem Wiener Philosophen Günther Anders.

Er schrieb an Eatherly: „Sie sind unser Lehrer. Für uns ist die Tatsache 'tröstlich', daß Sie mit dem Geschehen nicht fertigwerden. Ein Zeugnis dafür, daß Sie Ihr Gewissenhaben wachhalten können, obwohl Sie einmal als Maschinenstück in einen technischen Apparat eingeschaltet gewesen und in diesem erfolgreich verwendet worden waren. Und da Sie dazu imstande waren, haben Sie bewiesen, dass man dazu imstande ist - daß unsereiner dazu gleichfalls imstande ist!“

Eatherly bekennt in einem Brief: „Mein einziger Wunsch ist, einen Beitrag zum Frieden zu leisten, für das Ende der Atomrüstung zu arbeiten, und die Rechte aller Menschen zu sichern, gleich welcher Rasse, welcher Hautfarbe oder welchem Glauben diese zugehören.... Krieg ist wild und unmenschlich. Krieg sollte nicht unser Geschäft sein, die wir die Krönung der Schöpfung sind. Mir scheint, daß diejenigen, die unter der Asche von Hiroshima schlafen, weinend nach Frieden schreien. Ich hoffe, daß Menschen Hand in Hand zusammen eine bessere Welt aufbauen können!“

Eatherly floh zweimal. Obwohl er nach der Berichten der Juristen und Ärzte freiwillig in der Heilanstalt lebt, wird ihm jede Bewegungsfreiheit versagt. Die Armee fordert seine Isolierung, die Ärzte können nichts gegen sie ausrichten. Alle Angaben vor Anders und Linus Pauling bleiben ohne Echo. Eatherly ist „verschwunden“. Aber seine Stimme wird gehört. In jedem Land lebt wenigstens ein Eatherly, sagt Anders, und ein Zweiter im Gefolge. Wer ist der Nächste.

 

Frieden schaffen doch mit Waffen? Friedensdenkschrift 2007

Besonders angesichts der Auslandseinsätze der Bundeswehr bestand friedensethischer Klärungsbedarf. Drei Jahre arbeitete die Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an einer Friedensdenkschrift. Im Oktober 2007 ist sie erschienen. Es ist die erste EKD-Denkschrift zu diesem Thema seit über 25 Jahren. Bringt sie Orientierung?

 

Eindeutig: Keine „gerechten Kriege“

Eine klare Aussage ist enthalten: Es darf keinen „gerechten Krieg“, also die Legitimierung des Krieges als politisches Mittel mehr geben. Vielmehr sollte ein „gerechter Friede“ angestrebt werden. „Das ist ein Paradigmenwechsel, der eine Wiederbelebung des gerechten Krieges unmöglich macht“, sagt der christliche Friedensforscher Joachim Garstecki. Und der Friedensbeauftragte der mitteldeutschen Kirchen, Wolfgang Geffe, findet: „Das ist eine Abkehr vom jahrhundertealten kriegskulturellen Denken.“

Gleichwohl bedeutet das keine neue Hinwendung zum Pazifismus. Vielmehr wird von Möglichkeiten der „rechtserhaltenden Gewalt“ gesprochen. Damit werden letztlich die Kriterien des „gerechten Krieges“ gerettet. Auslandseinsätze der Bundeswehr werden zwar problematisiert, aber nicht grundsätzlich infrage gestellt. Sie gelten als abgesegnet, wenn sie von den Vereinten Nationen legitimiert sind. Kurzerhand werden sie in der EKD-Schrift „bewaffnete Friedensmissionen“ genannt. Ein problematischer Begriff, wie der Heidelberger Theologe Ulrich Duchrow findet: „Die grundgesetzwidrige Wende von der Verteidigungsarmee zur imperialen Schutzmacht für Wirtschaftsinteressen hat die deutsche Bevölkerung und die Kirche verschlafen.“

Dagegen sagt der Leipziger Militärseelsorger Gotthard Weidel: „Bei Auslandseinsätzen geht es um die Beruhigung eines Konfliktes, damit die Nichtregierungsorganisationen arbeiten können.“ Aus seiner Sicht vertrage sich die EKD-Friedensdenkschrift wunderbar mit dem „Verteidigungsweißbuch der Bundeswehr“, in dem die neue Rolle der deutschen Streitkräfte beschrieben wird. Doch Joachim Garstecki warnt vor einer naiven Sicht auf die neuen Kriegseinsätze: „Gerade die Entwicklungen in Afghanistan zeigen, dass man mit militärischen Einsätzen keinen Frieden schaffen kann.“

Politiker der Parteien CDU/CSU, SPD, Die Grünen und Die Linke haben die EKD-Friedens­denkschrift gelobt. Doch während Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, die „allzu kritische“ Sicht auf die „Transformation der. bundesdeutschen Streitkräfte in eine Armee im Einsatz“ bemängelt, findet der religionspolitische Sprecher der Linksfraktion, Bodo Ramelow, die Schrift zu undeutlich: „Die Aufforderung zur sofortigen Beendigung aller Teilnahmen an völkerrechtswidrigen Kriegen hätte konsequenterweise ergänzt werden müssen.“

 

Glaube aus DDR-Zeit nicht mehr gefragt?

Vertreter der kirchlichen Friedensarbeit in der DDR kritisieren, dass kein einziges Mal auf friedensethische Erkenntnisse der DDR-Kirche Bezug genommen wird. „Das bedauere ich sehr“, sagt Joachim Garstecki, „da wäre viel mehr möglich gewesen“ Stattdessen „konnte ohne Aufsehen ein Glaubensgut der evangelischen Kirche in der DDR zu Grabe getragen werden“, bemerkt Wolfgang Thielmann im Rheinischen Merkur. Er meint die Aussage, dass die Kriegsdienstverweigerung gegenüber dem Wehrdienst das deutlichere Zeichen für das Friedensgebot Jesu sei.

Militärdienst und Zivildienst seien nun gleichwertige Friedenszeugnisse, Totalverweigerung wird ausgeschlossen. „Das, ist ein großer Mangel der Schrift“, meint Wolfgang Geffe. Es könnte vielleicht daran liegen, dass unter den Autoren zwar ein Bundeswehrgeneral, aber kein Vertreter der Friedensbewegung war.

Obwohl die Schrift mit 128 Seiten sehr umfangreich ist, fehlen nach Ansicht von Kritikern wichtige Aussagen. Die im Gange befindliche EU-Militarisierung würde ebenso wenig kritisiert wie die Verantwortung der Weltbank, der Welthandelsorganisation und des Währungsfonds für globale Ungerechtigkeiten, sagt Ulrich Duchrow. Aber auch das Totalverbot der Streubombenmunition, das hauptsächlich durch Deutschland blockiert wird, wird nicht gefordert.

Alles in allem bezeugt die EKD- Friedensdenkschrift die gewohnte Ausgewogenheit. Vielleicht wird sie aber doch ein Beitrag dafür, künftig das Thema Frieden nicht den Waffenträgern zu überlassen.

 

Kernsätze der Denkschrift

Im Folgenden einige wichtige Aussagen der EKD-Denkschrift „Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen“, entsprechend deren innerem Aufbau:

1. Friedensgefährdungen

(10) In vielen Regionen greifen Verteilungsungerechtigkeit, Armut, Überschuldung, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung ineinander.

(16) Erfahrungen in Bosnien, im Kosovo, in Afghanistan und insbesondere zur Zeit im Irak zeigen, dass ... westliche Demokratie nicht einfach „übergestülpt“ werden kann.

(35) Mit Sorge sind die Handlungen zu beobachten, die das multilaterale Regelwerk der UN-Charta schwächen.

2. Der Friedensbeitrag der Christen und der Kirche

(36) Wer aus Gottes Frieden lebt, tritt für den Frieden in der Welt ein.

(41) Damit verbindet sich die Einsicht, dass Gewalt nicht durch Gewalt zu überwinden ist.

(45) Im Namen des christlichen Glaubens dürfen weder Heilige Kriege noch der Bellizismus (die Befürwortung von Kriegen) propagiert werden.

(60) Beide Wege, nicht nur der Waffenverzicht, sondern ebenso der Militärdienst setzen im Gewissen und voreinander verantwortete Entscheidungen voraus.

3. Gerechter Friede durch Recht

(91) Eine legitime Weltfriedensordnung ist nicht denkbar ohne die Garantie eines Mindestmaßes sozialer, d.h. verteilender Gerechtigkeit.

(98) In der Perspektive einer auf Recht gegründeten Friedensordnung sind Grenzsituationen nicht auszuschließen, in denen sich die Frage nach einem erlaubten Gewaltgebrauch stellt.

(112) Erlaubnisgrund für Militärinterventionen aus humanitären Gründen können nur aktuelle, schwerste Unrechtshandlungen sein, die ... der Selbstbestimmung der Bevölkerung die Grundlage entziehen, indem ganze Gruppen einer Bevölkerung an Leib und Leben bedroht und der Vernichtung preisgegeben werden.

(116) Der Einsatz militärischer Gewalt ... darf nur als äußerstes Mittel erwogen werden.

4. Politische Friedensaufgaben

(151) Einsätze der bundesdeutschen Streitkräfte, die über die Landesverteidigung hinausgehen, sind ... nur im Falle eines durch den UN-Sicherheitsrat mandatierten Einsatzes legitimiert.

(196) Auch neue Herausforderungen wie der internationale Terrorismus rechtfertigen keine Wiederbelebung der Lehre vom „gerechten Krieg“.

 

 

Was bleibt vom Pazifismus

Der pazifistische Flügel der Grünen hat eine deutliche Niederlage erlitten: Die Mehrheit der Partei hält eine militärische Beteiligung Deutschlands im Kampf gegen den Terror für notwendig. Denn ein Pazifismus, der als politische Kraft ernst genommen werden will, darf nicht die Realitäten verdrängen, sagt der Staatsminister im Auswärtigen Amt Ludger Volmer (Grüne). Wir dokumentieren seine Überlegungen zu einer neuen Weltinnenpolitik im Wortlaut.

 

Pazifismus und Gewissen- sie sind letzte Berufungsinstanz für alle, die eine deutsche Beteiligung an den militärischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus ablehnen. Ein solcher Pazifismus setzt sich als universelle Ethik, an deren Ansprüchen der Pragmatismus jeder Regierung scheitert. Aber: Kann die pazifistische Gesinnung diesen Absolutheitsanspruch mit Recht erheben? Oder drücken sich nicht viele, die sich Pazifisten nennen, vor der Verpflichtung, die politische Bedingtheit ihrer Grundeinstellung zu bedenken und zur Debatte zu stellen?

Das biblische Tötungsverbot muß gewiß die ethische Grundlage allen politischen Handelns bilden. Religionsgemeinschaften legen es zugrunde, wenn sie ethische Leitlinien für den Waffengebrauch aufstellen. Doch sie wissen, dass Ethik nicht in eine einzige Handlungsmoral zu übersetzen ist. Das tun nur religiöse Fundamentalisten.

Wer keinen Gottesstaat will, läßt der Politik die Freiheit der Entscheidung, mahnt jedoch zu einem abgewogenen Urteil. Gerade indem die Kirchen sich als außer-politische Instanz begreifen, erfüllen sie ihre normative Aufgabe. Innerhalb des Politischen ist ein abstrakt-gesinnungsethischer Pazifismus handlungsunfähig.

Anders der politische Pazifismus. Er ist normengeleitet, aber er ist sich gleichermaßen seiner historischen Bedingtheit bewußt. Jede Zeit hat ihre eigenen Bedrohungen und Feindbilder. Der politische Pazifismus wendet sich nicht nur gegen falsche Feindbilder, sondern bean­sprucht auch, Antworten auf die Bedrohung selbst zu bieten. Die pazifistische Konsequenz der einen Zeit gibt nicht unbedingt plausible Antworten auf die Bedrohungen einer anderen.

Der politische Pazifismus der frühen Sozialisten, der sich gegen das Tschingderassabum eines nationalstaatlichen Imponiergehabes wehrte, hatte sein Recht. Die armen Schlucker der Arbeiterklasse mochten das Gefühl gehabt haben, für die Expansionsinteressen hoher Herren verheizt zu werden. Aber sind solche Motive heute noch triftig? Im Proletkult der DDR und der

Neuen Linken Westdeutschlands kam diese Stimmung auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder hoch. Aber sie verschwand, wie auch der heroische Auftrag der Arbeiterklasse zur Bildung einer neuen Gesellschaft an Überzeugungskraft verlor. In den Zeiten moderner Demokratien hat der klassenkämpferische Pazifismus ausgedient.

„Nie wieder Auschwitz, Nie wieder Krieg“" So lautete die pazifistische Konsequenz aus den Erfahrungen mit Nationalsozialismus, Antisemitismus und Militarismus. Diese Haltung der Nachkriegszeit, die Protestbewegungen bis in die späten sechziger Jahre hinein prägte, war ein epochaler Fortschritt. Selbst wenn dieser strenge „Ohne mich“-Pazifismus in der Minderheit blieb, so wurde er doch in gemäßigter Form zur Grundhaltung der Nachkriegsgenerationen. Aber im Laufe der Zeit verschwand die aus der jüngsten Geschichte herrührende Angst vor den Deutschen. Das deutsche Ansehen in der Welt wuchs, gerade auch wegen der militärischen Zurückhaltung und des Selbstverständnisses als zivile Macht.

Auch dieser Nachkriegspazifismus der fünfziger und sechziger Jahre gibt keine Antwort mehr auf heutige Fragen. Mehr noch, der Kosovo-Krieg hat gezeigt, dass die pazifistischen Postulate „Nie wieder Krieg, Nie wieder Auschwitz“ nur noch schwer zu vermitteln waren: Wer den

Antimilitarismus retten wollte, mußte das faschistische und völkermörderische Treiben gegen die Kosovo-Albaner hinnehmen. Wer ethnische Säuberungen als Konsequenz aus der faschistischen Vergangenheit verhindern wollte, mußte Ja sagen zu einem bedingten Militäreinsatz.

In den siebziger Jahren speiste

sich der Pazifismus als Folge des Vietnamkrieges aus antiimperialistischen Motiven. Für eine Politik der Industriestaaten gegen die Entwicklungsländer, für den Kampf gegen Befreiungsbewegungen wollten viele Menschen nicht zu den Waffen greifen. Auch dieser Pazifismus hatte gute Gründe, gibt aber keine Antwort auf heutige Fragen.

Das militärische Eingreifen der Allianz gegen den Terror in Afghanistan dient nicht der Unter­drückung des afghanischen Volkes, sondern seiner Befreiung. Nicht Knechtung ist das Ziel, sondern Emanzipation. Nicht Rohstoffinteressen sind bestimmend, sondern Verteidigung gegen neue terroristische Angriffe. Gegen ein Sendungsbewußtsein, das sich zum massen-

 mörderischen Wahn gesteigert hat, helfen meist keine Verhandlungen. Notfalls muß es niedergerungen werden.

Dafür gibt es Beispiele in der Dritten Welt selbst: Erst der Einmarsch der Vietnamesen in Kambodscha legte den Roten Khmer das blutige Handwerk, und erst die Intervention Tansanias stoppte den Massenmörder Idi Amin in Uganda.

Überlebt hat sich auch der in den achtziger Jahren entwickelte Nuklear-Pazifismus. Die Konfrontation zweier hoch gerüsteter Militärblöcke, die nukleare Abschreckungsstrategie, die Gefahr, dass mutwillig oder fahrlässig der atomare Holocaust ausgelöst werden könnte, trieb Hunderttausende auf die Straßen. Auch dieser Pazifismus, die „neue Friedensbewegung“, war legitim, gibt aber keine Antwort auf heutige Fragen.

Die Kontrolle und Abrüstung von Massenvernichtungswaffen bleibt als wichtige Aufgabe bestehen, auch wenn die Zuspitzung der achtziger Jahre durch die Auflösung des Warschauer Paktes, die Start-Verträge und die Annäherung von Nato und Rußland beseitigt wurde.

Massenvernichtungswaffen in den Händen von Terroristen - das ist die neue Gefahr, eine reale, nicht nur ein falsches Feindbild. Die Parole „Kampf dem Atomtod“ wird Al Qaida wenig beeindruckt haben.

Die aufgelöste Blockstruktur hinterließ ein Vakuum. Die Großorganisationen beeilten sich, sich als Ordnungsmacht auf dem politischen Markt anzubieten und als Garanten einer neuen Friedensordnung darzustellen. Der Pazifismus der neunziger Jahre versuchte nunmehr, OSZE und EU gegenüber der Militärorganisation Nato stärker zur Geltung zu bringen. Er wollte die Nato in eine - stärker nichtmilitärische - Sicherheitsstruktur auflösen, die die ehemaligen Feindmächte von Vancouver bis Wladiwostok umfaßte. Auch dieser Pazifismus hatte politische Perspektiven, die keine Antwort auf die neue Bedrohung geben.

Inzwischen nähern sich bei der Bekämpfung des Terrorismus die ehemaligen Blockvormächte USA und Rußland, ebenso ihre ehemaligen Verbündeten und Satelliten, in einer Art und Weise an, wie die Vertreter einer gesamteuropäischen Sicherheitsgemeinschaft es sich immer gewünscht hatten.

Das neue Jahrhundert begann mit einer neuen Bedrohung, einem neuen Feind. Für Pazifisten waren Feinde oft nur Projektionen, Vorwände derer, die aus Eigeninteresse (Macht, Geld) Krieg führen wollten. Das Eintreten gegen Feindbilder war deshalb eine der vornehmsten Aufgaben des Pazifismus.

Doch heute gilt: Es gibt nicht nur eingebildete Feindbilder, es gibt auch wirkliche Feinde, Feinde, die nicht in den Kategorien zwischenstaatlicher Konflikte zu fassen sind. Nicht mehr Staaten und Völker kämpfen gegeneinander, nicht mehr Blöcke rüsten auf. Mit extremer verbrecherischer Energie kämpft eine international vernetzte Nichtregierungsorganisation gegen die moderne globalisierte Welt. Eine verbrecherische Schattengesellschaft will die Grundlagen der Moderne unterminieren. Diese „privatisierte Gewalt“ (Eppler) ist nicht als falsches Feindbild abzutun.

Doch es ist verblüffend, welche Verdrängungsleistung manche Pazifisten aufbringen, um das bisherige Weltbild gegen neue Erkenntnisse abzuschotten. Erst wollen sie die Anschläge in New York und Washington nicht als bewaffneten Angriff begreifen. Dann wird - das Verblassen der schockierenden Bilder und die allgemeine Verdrängung nutzend - der kritische Blick auf die gerichtet, die den aktiven Kampf gegen den Terror aufnehmen. Man lehnt sich zurück und kritisiert die Strategie, prangert die an, die beim Kampf gegen den Terror auch Unschuldige treffen. Unversehens werden antiimperialistische Muster neu aufgelegt - Opfer zu Tätern erklärt. So erübrigt sich auch die Antwort auf die Frage nach der besseren Strategie.

Ein Pazifismus, der als politische Kraft ernst genommen werden will, darf nicht die Realitäten verdrängen, um ein Weltbild zu retten. Er darf nicht nur die anderen kritisieren, er muß selbst Antworten geben.

Frühere Pazifisten haben dies versucht. Die Nuklearpazifisten forderten Abrüstung und Auflösung der Militärblöcke - eine Kritik an der geltenden Sicherheitspolitik, aber zugleich die - umstrittene - Antwort auf die zugrundeliegende Bedrohung.

Dir Pazifismus der neunziger Jahre kritisierte nicht nur das Revival der Nato, er entwickelte die Idee einer gesamteuropäîschen Sicherheitsgemeinschaft. Heute wird eine Antwort auf

die „privatisierte Gewalt“ verlangt. Wer redlich argumentiert, wird zugeben, dass militärische Mittel allein die Terroristen nicht in die Knie zwingen werden. Umgekehrt können nichtmilitärische Mittel allein dieses Ziel ebensowenig erreichen. Zudem erwartet die internationale Gemeinschaft längst einen deutschen Beitrag, auch militärischer Art, zur Lösung regionaler und globaler Konflikte.

Aber weiterhin gilt: Deutschland darf nicht dominant auftreten, das große Land im Zentrum Europas muß eingebunden bleiben in internationale Strukturen. Selbsteinbindung und Selbstbeschränkung, dies sind zwei Leitlinien einer deutschen Außenpolitik, die Nachbarn die Sorge nimmt - vor deutscher Aggressivität und vor deutscher Verweigerung.

Militärische Machtprojektion um politischer Ziele willen - solche Drohgebärden konservativer Nationalstaatlichkeit wollen unsere Nachbarn nicht mehr erleben. Aber Verunsicherung und Befremden verursachen die Deutschen auch, wenn sie sich zwar einbinden in internationale Organisationen, die dort getroffenen Entscheidungen aber selber nicht umsetzen

wollen, mit Rücksicht auf die verbrecherische Geschichte.

So entsteht der Verdacht, sie wollten sich hinter der Geschichte verstecken und anderen die Lasten aufbürden. Ein Pazifismus, der bewaffnete Gewalt minimieren will, hat eine wichtige Aufgabe: die Rolle des Militärischen zurückzudrängen und dafür zu sorgen, dass nicht unter dem Vorwand der terroristischen Gefahr militärische Mittel für ganz andere Ziele eingesetzt werden.

Politischer Pazifismus heute heißt: Einsatz für das Primat der Politik und die Unterordnung militärischer Schritte unter politische Strategien, für die zentrale Rolle der Vereinten Nationen, die Geltung des humanitären Kriegsvölkerrechts und die Verhältnismäßigkeit der Mittel, für humanitäre Hilfe und Menschenrechte, für Auswärtige Kulturpolitik und den Dialog der Kulturen, für Entwicklungshilfe und Institutionenbildung, für global goveniance und eine internationale Strukturpolitik, die auf globale Gerechtigkeit zielt.

Pazifismus heute kann militärische Gewalt als Ultima Ratio, als letztes Mittel, nicht leugnen, kämpft aber für die Prima Ratio, die zivilen Mittel der Krisenprävention. Der Ort eines so verstandenen politischen Pazifismus ist nicht das politische Niemandsland. Auch nicht der des folgenlosen Protestes. Es gilt, Verantwortung und Risiken mitzutragen.

Beim Kampf gegen den Terror hat die internationale Staatengemeinschaft, legitimiert durch die Vereinten Nationen, zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ansatzweise im Sinne einer Weltinnenpolitik gehandelt.

Der 11. September hat diese neue Epoche eingeleitet. Noch ist der Wandel nicht perfekt. Noch ist das Völkerrecht um die Gestalt des zwischenstaatlichen Konfliktes konstruiert, muß „privatisierte Gewalt“ territorialstaatlich zuordnen. Erst in Ansätzen ist auch in der Sicherheitspolitik Globalisierung zu erkennen, die in Wirtschaft und Umweltfragen längst unser Bewußtsein bestimmt. Doch war es nicht Welt-Innenpolitik, was Pazifisten wollten?

Wer realistischerweise nicht erwartete, dass Gewaltkonflikte plötzlich verschwinden, konnte nur hoffen, dass sie in rechtlichen Bahnen bewältigt würden, die zunehmend stärker den Maximen der Innenpolitik demokratischer Staaten folgten.

Die USA - verdächtigt, die Vereinten Nationen zu schneiden, eigene Interessen unilateral zu verfolgen und sich zu wenig um globale Fragen zu scheren - entdecken inzwischen, dass sie Freunde brauchen und liebäugeln wieder mit dem Multilateralismus. In der Tat, vielleicht nur aus der Not geboren. Rußland und China orientieren sich neu in der Sicherheitspolitik. Sicherlich nicht uneigennützig. Doch gerade jetzt wäre es doch Aufgabe der Pazifisten, statt dies ideologiekritisch zu denunzieren, die Chance zu nutzen.

Gerade jetzt muß eine multilaterale Weltordnungspolitik gegenüber unilateraler Supermachtpolitik gestärkt werden. Gerade jetzt verlangt die schwierige Beziehung der islamisch-ara­bischen Welt mit dem Westen den von Pazifisten seit langem geforderten interkulturellen Dialog. Noch nie waren die Aussichten so groß, dass sich die internationale Staatengemeinschaft auf Methoden zur Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung verständigt.

 

Die Bundesregierung hat Ihre eigenen Mittel dafür energisch ausgebaut. Die Perspektive einer Weltinnenpolitik, so undeutlich sie noch sein mag, bietet auch die Chance zur Versöhnung verschiedener außenpolitischer Denkschulen. Der klassische Realismus, der nur eine anarchische Konkurrenz von Nationalstaaten kannte, die mit allen Mitteln zu ihrem jeweiligen Vorteil arbeiten, hat rapide an Boden verloren.

Langsam haben sich sogenannte institutionelle Ideen als Leitmotive internationaler Politik

durchgesetzt: Es nützt dem eigenen Staat, wenn er sich in regionale Bündnisse einbindet. Es dient dem eigenen Sicherheitsinteresse und dem Schutzbedürfnis der Partner. Die Terroranschläge waren Anlaß, dieses Denken auf die globale Ebene zu übertragen. In der Welt-Innenpolitik treffen sich die Gedanken der etablierten Außenpolitik und eines neuen politischen Pazifismus. Sollen die alten Pazifisten ausgerechnet jetzt aus der Politik aussteigen, nur weil militärische Mittel nicht ganz verzichtbar sind?

 

 

Bio-Kampstoffe

Planet Erde, im Jahr 2002: Ausgelöst durch die Milzbrand-Attacken in den USA und den Konflikt um den Irak hat ein Alptraum wieder Aktualität gewonnen - der militärische Einsatz moderner biologischer Waffen. Viele Staaten werden verdächtigt, B-Kampfstoffe zu entwickeln, viele rüsten ihre Abwehrprogramme massiv auf. Denn nicht nur klassische Erreger wie die von Pest oder Botulismus sollen in so manchen Fermentern „köcheln“, sondern auch gentechnisch konstruierte Killer-Keime mit noch weitaus tödlicherer Potenz.

 

11. September 2001, Minuten nach dem Einschlag der Flugzeuge im World Trade Center: Eine Spezialeinheit von 22 Soldaten rückt aus, um mit Detektoren zu prüfen, ob die Terroristen Viren oder Bakterien freigesetzt haben - die Inspekteure geben Entwarnung. Doch noch im selben Monat nimmt die Angstvision Gestalt an; irgendjemand verschickt per Post Erreger einer Krankheit, die bislang nur theoretisch, in den Geheimszenarien der Militärs, in Filmen und in Büchern gegen Menschen eingesetzt wurde: Anthrax. Robert Stevens, Fotoredakteur aus Florida, öffnet ahnungslos einen der Briefe - und geht am 4. Oktober 2001 in die Geschichte der USA ein. Als erstes Todesopfer einer Bioterror-Attacke.

Die Brief-Attentate haben eindringlich klar gemacht: Ein größerer Anschlag, so unwahrscheinlich er auch sein mag, würde Behörden und Ärzte gegenwärtig überfordern. Die Weltgesundheits-Organisation forderte deshalb ihre Mitgliedsstaaten im Mai 2002 „dringend“ auf, sich gegen mögliche Angriffe mit Massenvernichtungsmitteln besser zu wappnen; Ärzte müßten mit den einschlägigen Erregern vertraut gemacht werden, um schnell reagieren zu können.

Gleichfalls im Frühjahr beschloß die US-Regierung, ihr Budget für Biowaffen-Abwehr­programme im Jahr 2003 auf 5,9 Milliarden Dollar zu verdreifachen. In Berlin bauen rund 30 Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts ein „Zentrum für biologische Sicherheit“ auf. Dort soll an den „gängigsten“ Bakterien und Viren geforscht werden, um vor allem schnellere Diagnose-Methoden zu entwickeln. Die neuen Arbeitsplätze mit Experten zu besetzen, ist nicht leicht: Vielen Fachleuten schien dieses Thema bislang zu weit entfernt von der deutschen Wirklichkeit zu sein.

Aber gut ein Jahr nach dem Terror- Anschlag in New York hat die Wirklichkeit der Welt sich dramatisch verändert: Insbesondere die USA konzentrieren sich nun auf die Gefahr kriegerischer Biowaffen-Schläge. Das amerikanische Verteidigungsministerium zitiert Informationen, nach denen der Irak von der UN zerstörte Gift-Produktionsstätten wieder aufbaut; darunter ist auch die einstige Produktionsstätte für biologische Kampfstoffe Daurah südöstlich von Bagdad, wie die britische Regierung aufgrund von neuen Satellitenaufnahmen und Geheimdienstinformationen urteilt. US-Institute verweisen zudem auf die B- und C-Waffenanlage Fallujah nördlich der irakischen Hauptstadt. Für die amerikanische Führung steht fest: Der Irak produziert Massenvernichtungswaffen - auch biologische Kampfstoffe -, und Präsident George W. Bush sieht sein Land massiv gefährdet durch die „schlimmsten Waffen der Welt“ [Allerdings hat man nachher keine Massenvernichtungswaffen gefunden].

Allerdings wird nicht nur der Irak verdächtigt, an Biowaffen zu forschen oder sie gar zu produzieren: Auch der Iran, Israel, China, Rußland oder Nordkorea werden beschuldigt [Aber nicht Syrien, das diese Waffen 2013 erstmals wieder eingesetzt hat].

 Doch eine Risikoabschätzung ist schwierig, so Alexander Kelle, Experte für Biowaffen am Center for International Security and Cooperation der Stanford University in Kalifornien, denn es „kursieren viele Verdächtigungen über die Herstellung und den Einsatz von Biowaffen, die eindeutig propagandistischen Zwecken dienen“. Die USA und andere westliche Länder erforschen und entwickeln ebenfalls B-Waffen-Strategien, doch diese Aktivitäten laufen unter der Bezeichnung Defensiv- oder Schutzforschung.

Nachgewiesen, beziehungsweise eingestanden, wurden seit Abschluß des Biowaffen-Über­einkommens (BWÜ) von 1972 nur zwei offensive Programme, nämlich im Irak und in der ehemaligen Sowjetunion. Das BWÜ ist 1975 in Kraft getreten und verzeichnet heute 144 Mitgliedsstaaten. Es verbietet die Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Biowaffen. Die Schwachstelle des Abkommens ist der völlige Mangel an Überprüfungsmechanismen.

Ein 2001 vorgelegtes Zusatzprotokoll, das dieses Manko überwinden und mehr Transparenz gewährleisten sollte, ist an der US-Regierung gescheitert. Aus deren Sicht mindert das Zusatzprotokoll sowohl die Sicherheit der amerikanischen Biowaffen-Schutzforschung als auch biotechnischer und pharmazeutischer Unternehmen.

Neben diesen politischen Problemen macht der „dual-use-Charakter“ die internationale Kontrolle so überaus schwierig: Denn die zur Herstellung von Biowaffen benötigten Technologien sowie die Krankheitserreger werden nicht nur zur Produktion von Waffen, sondern etwa auch bei der Impfstoffherstellung oder in anderen zivilen Bereichen gebraucht. Die Grenzen zwischen militärischen und zivilen Aktivitäten sind demnach fließend.

So hatte der Irak den Grundstock für sein Biowaffen-Arsenal ironischerweise einst aus der American Type Culture Collection erhalten, dem größten Mikroben-Archiv der Welt: Bestellungen mit dem Briefkopf der Universität Bagdad wurden bis in die späten achtziger Jahre anstandslos bearbeitet - der Irak galt zu jener Zeit noch eher als Verbündeter der USA denn als Feind. Ein Paket im Mai 1986 etwa enthielt neben fünf Varianten des Botulismus-Erregers auch drei Stämme von Anthrax-Bakterien - der zur Zeit wohl gefragtesten Basisorganismen zur B-Waffenproduktion.

Um ein Haar hätte die ATCC im Frühjahr 1995 auch einen amerikanischen Rechtsradikalen namens Larry Wayne Harris beliefert. Der hatte die Laborlizenznummer des Forschungslabors benutzt, bei dem er angestellt war, und drei Ampullen Pest-Erreger bestellt. Er flog nur

deshalb auf, weil er sich verdächtig ungeduldig nach der Lieferung erkundigt hatte.

Der Weg vom pathogenen Keim zur Biowaffe ist allerdings lang, wie Experten immer wieder hervorheben. Der Krankheitserreger muß „umgearbeitet“, etwa gefriergetrocknet oder fein gemahlen werden. Dies ist technisch anspruchsvoll und nicht im Keller oder in der Waschküche zu bewerkstelligen. Zudem erfordert die militärische Nutzung auch entsprechende Waffensysteme. Nach einem Dossier der britischen Regierung vom September 2002 soll der Irak über bis zu 20 Raketen vom Typ alHussein verfügen, die mit biologischen Sprengköpfen ausgestattet werden können. Angeblich sollen diese Raketen innerhalb von 45 Minuten einsatzbereit sein und mit einer Reichweite von 650 Kilometern Nato-Mitgliedsstaaten wie die Türkei erreichen können.

Diese Informationen beruhen auf nicht näher bezeichneten Geheimdienst• quellen, denn unabhängige Überprüfung ist seit einigen Jahren nicht mehr möglich. Nachdem der Irak die Arbeit der UN- Kontrolleure mehrmals behindert hatte, reagierten die USA und Großbritannien im Jahre 1998 mit einem viertägigen Bombardement. Danach versperrte Bagdad der UN-Kommission den Zutritt zu allen Forschungsanlagen. Die Inspekteure zogen ab mit dem Verdacht, dass ihnen der größte Teil des Biowaffen-Arsenals verborgen geblieben war.

Details über die Maßnahmen der letzten Jahre schildert ein ehemaliger ranghoher Beamter aus Bagdad, der im Jahr 2000 in die USA übergelaufen ist und die dortigen Behörden mit Informationen versorgt. In einem anonymen Interview berichtete er kürzlich von mindestens sieben Standorten, an denen biologische und chemische Waffen entwickelt und getestet würden: zudem besitze der Irak mobile Biowaffen-Labors in umgebauten Lastwagen: „Von außen sehen sie aus wie Kühltransporter für Fleisch oder Joghurt, im Inneren befindet sich aber jeweils ein Bakterien-Labor mit Brutschränken, Mikroskopen und einer Klimaanlage.“

Charles Duelfer, ehemaliger stellvertretender Leiter der UN-Inspektoren- Kommission, beurteilt die Schilderungen als glaubwürdig: „Was der Mann beschreibt, paßt zu dem, was wir bereits wissen. Es deutet darauf hin, dass der Irak sein Massenvernichtungs-Programm beschleunigt hat, seit die UN- Kommission vertrieben wurde.“

 

Anthrax - ein tödliches Dreiergespann

Bacillus anthracis, der Milzbrand-Erreger, steht ganz oben auf der von der amerikanischen Seuchenbehörde CDC (Centers for Disease Control) herausgegebenen Liste möglicher Kampfstoffe.

Das Bakterium hat eine Eigenschaft, die Waffen-Entwicklern und Terroristen besonders willkommen ist: Es kann auch widrigsten Bedingungen sehr lange trotzen. Findet es in seiner Umgebung zu wenig Nährstoffe, verdichtet es sein Erbgut auf kleinstem Raum und hüllt sich in zwei Schutzschichten. Der Rest der Zelle zerstört sich selbst; übrig bleibt eine Anthrax-Spore, die sich nicht mehr vermehren, dafür aber Jahrzehnte ohne Nahrung überstehen kann und im Boden, in alten Lumpen oder auch in Raketensprengköpfen auf einen neuen Wirt lauert. Selbst gegen die Temperaturen einer Explosion, gegen UV-Strahlung und Säuren ist die Spore gewappnet - und gegen die Abwehr des menschlichen Immunsystems.

Ziel von potentiellen Angreifern mit Anthrax muß es sein, den Erreger in die menschliche Lunge zu bringen. Dafür müssen die Sporen so präpariert werden, dass sie nicht zusammenkleben und verklumpen. Haben die Partikel die richtige Größe, um bis in die Lungenbläschen vorzudringen, nämlich einen bis fünf tausendstel Millimeter, dann können weniger als 10.000 Sporen genügen, um eine tödliche Infektion auszulösen - eine Menge, kleiner als der Punkt am Ende dieses Satzes. 50 Kilogramm davon, so schätzt die Weltgesundheits-Organisation, könnten - bei „günstigem Wind“ über einer 500.000Einwohner-Stadt freigelassen - 95.000 Menschen töten und 125.000 weitere krank machen. Dem amerikanischen Verteidigungsministerium zufolge soll der Irak über 6.000 Liter Anthrax-Sporen verfügen.

Die Sporen dringen durch die dünnen Wände der Lungenbläschen ins Blut. Sofort setzt sich die Immun-Abwehr in Gang: Freßzellen, Makrophagen genannt, stürzen sich auf die Eindringlinge, um sie zu umschließen und zu den nächstgelegenen Lymphknoten zu transportieren. Doch geschützt von ihrer Hülle, erwacht die Spore im Inneren der Freßzelle zum Leben. Sie schwillt an, bis die Hülle zerreißt, und allmählich setzt der Stoffwechsel von Bacillus anthracis wieder ein. Die Bakterien beginnen sich zu vermehren, brechen aus der Freßzelle aus, verbreiten sich im Blutkreislauf und setzen weitere Makrophagen matt. Dabei schütten sie drei verschiedene Eiweiße aus: Allein ist jedes Einzelne harmlos, im Gespann aber wirken sie als verheerendes Gift.

Eiweiß Nummer eins, das Protekrive Antigen, dient als Schleuser: Sieben seiner Moleküle schließen sich an der Zellwand zu einem Ring zusammen, um eine Öffnung hineinzubohren - durch die schlüpfen die Eiweiße Nummer zwei und drei ins Innere der Wirtszelle. Eiweiß Nummer zwei, der Letale Faktor, legt das Immunsystem lahm, indem es die Signal-Übertra­gung im Inneren der Freßzellen unterbricht; so können sich die Bakterien schon im frühen Krankheitsstadium ungehemmt vermehren. Eiweiß Nummer drei, der Ödem-Faktor, bringt den Energie- und Wasserhaushalt der Zellen durcheinander, bis sie schließlich sterben; Flüs­sigkeit tritt aus und verursacht Schwellungen im Gewebe.

Rechtzeitig eingenommen, kann schlichtes Penicillin die Vermehrung von Bacillus anthracis stoppen und den Ausbruch der Krankheit verhindern. Haben sich aber die Gifte erst im Körper verbreitet und Symptome wie Fieber, Übelkeit und Muskelschmerzen geweckt, kommt jedes Antibiotikum zu spät. Deshalb ist es bei einem Verdachtsfall wichtig, den Erreger schnell zu identifizieren - womit viele Labors überfordert waren, als im Herbst 2001 auch in Deutschland vermeintliche Milzbrand-Briefe auftauchten.

„Gefährliche Fehler wurden da gemacht“, sagt Wolfgang Beyer, Milzbrand-Experte der Universität Hohenheim bei Stuttgart. So hätten viele der Kollegen, unerfahren in der Anthrax-Diagnostik aus Umweltproben, voreilig Entwarnung gegeben. „Erst muß man versuchen“, so Beyer, „mögliche Analysefehler auszuschließen“ Dazu mischt man Erreger aus dem Laborbestand unter einen Teil des verdächtigen Materials und macht die Gegenprobe: Lassen sich die Bakterien überhaupt nachweisen? Bodenproben etwa enthalten oft Hemmstoffe, die den Erreger bei seiner Vermehrung in der Laborkultur bremsen - das Ergebnis kann dann fälschlich lauten: kein Anthrax.

Noch sind Ärzte bei Milzbrand-Fällen auf Früherkennung und Antibiotika angewiesen. An neuen Wegen, das Gift von Bacillus anthracis unschädlich zu machen, forscht der Molekularbiologe John Collier von der Harvard Medical School in Boston. Sein Team verfolgt in den USA zwei vielversprechende Ansätze. Erstens: Man sabotiert die „Schleuse“ - jenen Ring aus Molekülen der ersten Eiweiß- Komponente. Dazu haben die Forscher mit einer genetisch veränderten Version jenes schützenden Antigens experimentiert und festgestellt, dass schon ein einziges solches Molekül im Siebener-Ring genügt, um die Schleuse lahm zu legen. Zweitens: Ein Eiweiß-Baustein, den Collier und seine Kollegen „Polyvalenten Inhibitor“ nennen, hindert den letalen Faktor und Ödem-Faktor daran, sich an das schützende Antigen zu binden.

An Tieren getestet, erwiesen sich beide Stoffe als wirksam; Ratten, denen die Forscher den „Polyvalenten Inhibitor“ spritzten, überlebten das Zehnfache der sonst tödlichen Gift-Dosis.

Sollte aus den Toxin-Blockern eines Tages ein zugelassenes Medikament werden, „ließe sich damit die körpereigene Abwehr retten“, so Collier, „der Organismus könnte die Bakterien aus eigener Kraft besiegen“.

Neben den Toxin-Blockern arbeiten Forscher der Rockefeller Universität in New York an Gegenmitteln, die das Bakterium selbst zerstören sollen. Sie bedienen sich bei ihren neuen Strategien so genannter Bakteriophagen - Viren, deren Spezialität es ist, über spezifische Enzyme Bakterien zum Bersten zu bringen. Die Wissenschaftler isolierten vor allem eines dieser Enzyme (Lysin P1yG) und verabreichten es Mäusen, die zuvor mit den gefährlichen Bazillus-Erregern infiziert wurden. 80 Prozent der Tiere überlebten. Das sind hoffnungsvolle erste Ergebnisse, die allerdings noch in langwierigen Experimenten überprüft werden müssen.

 

Pest - der klassische Killer

Auch wenn die Brief-Attentate das öffentliche Augenmerk auf den Milzbranderreger gelenkt haben: „Wir sollten uns nicht zu sehr auf Anthrax fixieren“, sagt Kanatjan Alibekow, „sonst werden wir noch Überraschungen erleben.“ In seinem früheren Leben - bevor er im Jahr 1992 in die USA überlief - war Alibekow stellvertretender Leiter von Biopreparat, jener Firma, die im Auftrag der sowjetischen Regierung Biowaffen entwickelte und produzierte. Mehr als  60.000 Menschen soll die Branche in den späten 198oer Jahren beschäftigt haben. Neben Hunderten Tonnen Anthrax, darunter auch antibiotikaresistenten Stämmen, habe die Sowjetunion Dutzende Tonnen Pest- und Pockenerregerarten auf Lager gehabt, berichtet der Mann, der sich in Amerika Ken Alibek nennt.

Auch heute noch klagen US-Spezialisten über eklatante Verletzungen der Vereinbarungen, die der Kreml mit Washington geschlossen hat - seit 1994 finanzieren die USA mit bisher rund 20 Millionen Dollar die Vernichtung des russischen Biowaffen-Arsenals. Im Gegenzug soll Rußland dafür sorgen, dass seine B-Waffen-Experten nicht in so genannte „Schurkenstaaten“ abwandern und dass alle militärischen Entwicklungsinstitute für Mikroorganismen ihre Aktivitäten aufgeben. Die russische Generalität wird allerdings von US-amerikanischen Fachleuten beschuldigt, den Westen zu täuschen und weiterhin an biologischen Waffenprogrammen zu arbeiten. So sollen mindestens drei Geheimlabors existieren, die für militärische Zwecke Keime erforschen.

Die hoch gefährlichen Rückstände der ehemaligen sowjetischen Biowaffen- Produktion könnten, wie amerikanische Experten befürchten, ebenfalls eine Katastrophe verursachen. Rußland wird des kriminellen Schlendrians mit den Kampfstoffen bezichtigt. So sollen in manchen alten Anlagen wie etwa in einem ehemaligen Institut in der Nähe von Alma-Ata fahrlässigste Lagerbedingungen herrschen; beispielsweise seien dort Phiolen mit Milzbrandsporen in Kaffee-Dosen aufbewahrt und in unzureichend verschlossenen Kühlschränken gehortet worden. Dieses Institut widmete sich zu Sowjetzeiten vor allem der Erforschung des Pesterregers.

 

Das Bakterium Yersinia pestis spielte die Hauptrolle in einem der ersten Biowaffen-Angriffe der Geschichte. Opfer waren, Mitte des 14. Jahrhunderts, die Bewohner der genuesischen Handelsniederlassung Kaffa am Schwarzen Meer. Fast drei Jahre lang hatten Tataren die Stadt belagert und mit zentnerschweren Steinen beschossen. Schließlich tauschten sie die Steine in den Katapulten gegen Pestleichen, und manche Historiker vermuten, dass sie damit eine der größten Epidemien aller Zeiten auslösten: In den Jahren, nachdem kranke Genueser nach Italien zurückgesegelt waren, starb etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung den „Schwarzen Tod“.

Die Pest galt über Jahrhunderte als eine der größten Plagen der Menschheit - und das, obwohl der Erreger offenbar eine sehr junge Schöpfung der Evolution ist. „Vor 2000 Jahren“, sagt der Londoner Genetiker Brendan Wren, „hat das Bakterium vermutlich nur leichte Bauchschmerzen ausgelöst.“ Zunächst sei es wohl ein harmloser Darmkeim bei Ratten gewesen; indem es Bruchstücke des Erbmaterials mit anderen Mikroben austauschte, „lernte“ es, von Ratten auf Flöhe überzuwechseln - und von Flöhen auf Menschen. Zudem begann es, sich nicht länger nur in den Eingeweiden, sondern auch im Blut der Wirte anzusiedeln, und verursachte von da an lebensgefährliche Schwellungen und Blutungen im ganzen Körper.

Die Fähigkeit, sich so schnell zu wandeln, verdankt der Erreger offenbar auch seinem Hang, häufig ganze Gen- Blöcke innerhalb des Erbguts zu verschieben. Wie potentiell gefährlich das ist, zeigte sich, als 1995 in Madagaskar ein Pest-Stamm auftauchte, der gegen acht verschiedene Antibiotika resistent war. Julian Parkhill vom Sanger Center in Cambridge, der das Erbgut des Bakteriums entschlüsselt hat, warnt vor Mutationen, die der Krankheit ein ganz neues Gesicht geben könnten: „Die Pest ist nur eine Kostprobe dessen, wozu Yersinia pestis in der Lage ist.“

Als Biowaffe taugt die Pest allerdings nur mit Einschränkungen: Zwar ist die Krankheit im Gegensatz zum Milzbrand ansteckend. Doch anders als die zähen Anthrax-Sporen ist das Pestbakterium äußerst empfindlich gegenüber Sonnenlicht und Wärme. Als Aerosol versprüht, so das Ergebnis einer WHO-Studie, würde es seine Wirkung nach höchstens einer Stunde verlieren.

 

Botulinum-Toxin - das stärkste aller Gifte

In den frühen 1930er Jahren, japanische Soldaten waren gerade in die Mandschurei einmarschiert, wurden einige der chinesischen Kriegsgefangenen an eine Armee-Einheit mit der Nummer 731 übergeben: zu „Forschungszwecken“. Sie bekamen Speisen serviert, die mit dem Bakterium Clostridiuni botulinum verseucht waren - und starben, wie erwartet, qualvoll. Das Gift der Erreger hatte seine Eignung als Biowaffe erschreckend deutlich bewiesen.

Botulinum-Toxin gilt als das stärkste bekannte Gift überhaupt: Ein einziges Gramm, gleichmäßig in der Luft verteilt, würde theoretisch ausreichen, um eine Million Menschen zu töten. Es blockiert die elektrischen Reize, mit denen Nervenzellen den Muskeln befehlen, sich zusammenzuziehen. Die Krankheit, Botulismus genannt, beginnt meist mit Lähmungen im Gesicht, die sich über Schultern und Arme in den ganzen Körper ausbreiten, bis sie schließlich auch die Atemmuskulatur erfassen. Künstliche Beatmung kann das Opfer am Leben halten; bis die Nervenzellen unterdessen neue Verbindungen zu den Muskelfasern geknüpft haben, können Monate vergehen.

„Im Falle eines Massen-Ausbruchs von Botulismus“, so das Fazit einer amerikanischen Expertengruppe, „wären die Bestände an Beatmungs-Geräten, speziellen Krankenhausbetten und geschultem Personal schnell erschöpft.“ Die Seuchenbehörde hält zwar Gegengifte bereit, doch die wirken meist nur gegen jeweils eine der sieben Toxin-Varianten, wie sie die verschiedenen Bakterienstämme produzieren. „Bis man den Gift-Typ identifiziert hätte“, so die Experten, „wäre es möglicherweise zu spät.“

Die extreme Wirkung des Botulinum-Toxins beflügelte Anfang der sechziger Jahre die Fantasie der amerikanischen Geheimdienste. Weil die Eisenhower-Regierung befürchtete, der gerade unabhängig gewordene Staat Kongo könnte sich mit der Sowjetunion verbünden, plante die CIA, den im Jahr 1960 neu gewählten Präsidenten Patrice Lumumba mit der Substanz zu töten. Agenten hatten das Gift bereits nach Afrika geschafft - doch einheimische Rebellen kamen ihnen zuvor, indem sie Lumumba auf herkömmliche Weise umbrachten und die Macht übernahmen.

Auch der Irak baut wahrscheinlich auf das stärkste aller Gifte. 30.000 Liter Botulinum-Gift soll er, nach amerikanischen Angaben, heute zu seiner Verfügung haben. Die Kommission der Vereinten Nationen, die Saddam Husseins Massenvernichtungs-Programm auf den Grund gehen sollte, stellte anhand von Unterlagen 1995 fest, dass der Irak bis dahin mindestens 19.400 Liter Botulinum-Lösung produziert hatte - eine Menge, mit der man die gesamte Menschheit dreimal hätte auslöschen können. 10.000 Liter davon waren offenbar schon in Raketensprengköpfe, Bomben und Granaten gefüllt.

Nach Angaben der ehemaligen UN- Inspektorin Gabriele Kraatz-Wadsack hat der Irak damals offengelegt, dass zudem Aflatoxin produziert worden sei, ein Pilzgift, das Leberkrebs hervorruft. Dazu Gasbrand-Erreger und wirtschaftliche Schäden verursachende Mikroorganismen, wie zum Beispiel Weizenbrand-Pilze. Außerdem gab es Forschungs- und Entwicklungsarbeit an verschiedenen Viren - eine schreckenerregende Liste, die das irakische Know-how illustriert.

 

Pocken - die totgesagte Gefahr

Ein Kapitel in den Berichten der UN- Inspekteure beunruhigte westliche Wissenschaftler besonders: Irakische Wissenschaftler hatten mit Kamelpocken experimentiert, einem für den Menschen wahrscheinlich ungefährlichen Virus, - das jedoch sehr nah verwandt ist mit dem Variola-Virus, dem Erreger der Pocken. „Es ist verblüffend, wie sehr sich die beiden Viren ähneln“, sagt Geoffrey Smith vom Londoner Imperial College, der die Erbsubstanz eines Kamelpocken- Stamms entschlüsselt hat, ,,möglicherweise würden ein paar kleine genetische Änderungen genügen, um die Kamel-Seuche auf Menschen zu übertragen.“

In den großen Epidemien der Vergangenheit töteten die Pocken bis zu 30 Prozent aller Infizierten; Überlebende trugen tiefe Narben davon, Überbleibsel der eitrigen Pusteln, die nach und nach Haut und Schleimhäute des Opfers überziehen, begleitet von hohem Fieber, Übelkeit und Kopfschmerzen. Der letzte Pocken-Fall weltweit wurde 1977 in Somalia gemeldet, seitdem gilt die Krankheit als ausgerottet.

Offiziell existieren die Erreger nur noch in zwei Hochsicherheits-Labors in den USA und in Rußland; auch diese letzten Vorräte sollten bis Ende 2002 vernichtet werden. Doch angesichts neuer, nicht ganz abwegiger Terror-Szenarien schob die Weltgesundheits-Organisation im Mai 2002 den Plan auf - weitere wissenschaftliche Untersuchungen an den Viren seien unumgänglich.

Welche Folgen ein Anschlag mit Pockenviren haben könnte, spielte der britische Fernsehsender BBC im Februar 2002 in einem imaginären Dokudrama durch: Ein „Selbstmord-Patient“, der durch New York spaziert, um andere mit seiner Krankheit anzustecken, löst eine weltweite Massenepidemie aus - am Ende sterben 60 Millionen Menschen

Einige Wissenschaftler warnen, das Szenario sei übertrieben und schüre unnötig Panik. „Die Pocken sind eine wenig ansteckende Infektion, die sich sehr langsam ausbreitet“, sagt James Koopman von der University of Michigan, der Anfang der 1970er Jahre in Indien war, um dort ein letztes Aufflackern der Seuche zu bekämpfen. Entscheidend ist die Frage, wie viele Menschen jeder einzelne Kranke nach einem Anschlag anstecken würde; die Experten sind sich hier alles andere als einig: Zwischen „zehn“ und „weniger als zwei“ bewegen sich die Antworten.

Aus Furcht vor einem irakischen Biowaffenangriff hat Israel im September 2002 begonnen, an die 15.000 Mitarbeiter des Gesundheitssystems gegen Pocken zu impfen. Die US-Regie­rung plant derzeit, mehrere hunderttausend Ärzte und Rettungshelfer immunologisch zu schützen. Im Falle eines Anschlags sollen „Ring-Impfungen“ im Umkreis der ersten Infizierten die Seuche abriegeln; zu dem Zweck bestellte auch die deutsche Regierung im November 2001 sechs Millionen Impf-Einheiten für 120 Millionen Mark.

Der klassische Impfstoff kann sogar dann noch vor dem Ausbruch der Pocken schützen, wenn das Opfer schon infiziert ist. Doch Wissenschaftler wie James Koopman warnen vor möglichen Nebenwirkungen, vor allem bei Kindern. Während seines Indien- Einsatzes etwa sah er ein einjähriges Mädchen, in dessen Körper das Impfvirus die Immunabwehr überwunden und sich selbständig gemacht hatte: „Es zerfraß ihren ganzen Arm, bis auf den Knochen.“ Immungeschwächten könnte bei Massen-Impfungen Ähnliches drohen.

Wissenschaftler, die nun mildere Impfstoffe und virus-hemmende Medikamente entwickeln, stehen vor einem Problem: Hat sich eine Substanz im Tierversuch bewährt. muß sie als nächstes auf Wirkung und Verträglichkeit am Menschen getestet werden - höchst problematisch bei einer Krankheit, die es nur noch in Terror-Szenarien gibt.

 

Angst vor dem Superkeim

Auf der Biowaffen-Liste der amerikanischen Seuchenbehörde stehen auch jene Viren, die hämon-hagisches Fieber auslösen; Erreger also, die extreme Blutungen verursachen und bis zu 90 Prozent der Infizierten töten können. Die sowjetische Firma Biopreparat machte unter anderem Ebola-, Marburg- und Lassa-Viren zu Kampfstoffen. Doch dass Terroristen damit hantieren könnten, halten Experten für unwahrscheinlich: „Ebola-Viren zu verarbeiten, ist wahnsinnig teuer“, sagt der Virologe Herbert Schmitz vom Hamburger Tropeninstitut, „ein Hochsicherheitslabor braucht man dafür auf jeden Fall.“

„Im Auge behalten“, so Schmitz, müsse man allerdings die Möglichkeiten, die künftig die Gentechnik bietet. Angreifer könnten so genannte „Superbugs“ maßschneidern: Erreger, in denen sich die üblen Eigenschaften verschiedener Keime vereinen. Dass es möglich ist, gentechnisch ein Virus komplett zusammenzusetzen, haben Forscher der State University of New York bewiesen: Mit dem genetischen Bauplan als Vorlage bauten sie den Erreger der Kinderlähmung nach, das Polio-Virus.

Die Angst vor dem „Superbug“, dem perfektionierten Designer-Keim, inspirierte den amerikanischen Autor Richard Preston zu einem Thriller mit dem Titel „The Cobra Event“: Ein wahnsinniger Wissenschaftler kombiniert den Pockenerreger mit einem nervenzerstörenden Insektenvirus. Heraus kommen „Gehirnpocken“, eine höchst ansteckende Seuche, die das Gehirn zerfrißt und sich rasend verbreitet. Die Darstellungen. erläutert Preston im Vorwort, seien „real oder basieren auf dem, was möglich ist“. Am Ende der Geschichte befallen die Gehirnpocken auch ihren Schöpfer - diese Wendung hatte der Genetiker Joshua Lederberg dem Autor empfohlen, um mögliche Nachahmer abzuschrecken.

Immerhin genügte das Szenario, um den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton so zu schockieren, dass er sich erkundigte, ob ein Terrorist mit Designerviren tatsächlich eine derartige Epidemie auslösen könnte. Der stellvertretende Verteidigungsminister, John Hamre, las den Thriller über Nacht und ließ den Präsidenten am Morgen wissen: Ja, das Szenario sei plausibel.

Dass man nicht immer die Gentechnik bemühen muß, um einen Erreger in seiner Wirkung zu verschärfen, bewies im Frühjahr 1988 der sowjetische Biowaffen-Forscher Nikolai Ustinow: Beim Experimentieren mit dem Marburg-Virus verletzte er sich an einer Spritze - sein sicheres Todesurteil. Drei Wochen dauerte es, bis er an der Krankheit starb.

Bevor Ustinows Leichnam beerdigt wurde, machten ihn seine Kollegen auf ihre Weise unsterblich. Sie isolierten das Virus aus seinem Körper - es war inzwischen zu einer noch aggressiveren Variante mutiert. Der Erreger wurde an Affen getestet; mit fatalem Erfolg: Ein bis fünf Partikel genügten, um eine tödliche Infektion auszulösen.

Mit dem Namen für den neuen Kampfstoff, den die Forscher darauf dem Verteidigungsministerium präsentierten, erwiesen sie dem toten Ustinow eine letzte Ehre: Sie nannten ihn „Variante U“.

 

Test für den Ernstfall:

US-Bundesstaat Utah, 2000: Ein Fluggeschoß. beladen mit hochtoxischem biologischen Material, ist in einem Testgebiet gelandet: An solchen „real-life scenarios“ erlernt ein Spezialkommando der nationalen Schutztruppe den Umgang mit biologischen Waffen nach Terroranschlägen

 

Vernichtung auf Befehl:

Irak, 1996: Unter der Kontrolle von UN-Inspektoren werden Tonnen von Nährmedien für die Anzucht von Bakterien und anderen Mikroorganismen zerstört. Die Substanzen sind einerseits zwar die Grundlage für die Produktion großer Mengen an Biowaffen, andererseits aber auch in medizinischen Labors unverzichtbar

 

Freiluft-Labor:

Gruinard Island, Schottland: Fast ein halbes Jahrhundert konnte das Eiland nicht ohne Schutzanzug betreten werden, nachdem die Insel 1943 bei britischen B-Waffen-Versuchen mit Milzbrandsporen kontaminiert worden war. Entseuchungs-Arbeiten waren nötig, wie etwa mit einem Röhrensystem, aus dem eine Desinfektions-Lösung in den Boden sickerte

 

Gruselkommando

Florida, 2001: Einheiten der US- Küstenwache entsorgen womöglich verseuchtes Material im Postamt von West Patin Beach. Große Bereiche des Amtes mußten dekontaminiert werden, nachdem in der Briefverteilungsstelle Milzbrandsporen nachgewiesen worden waren

 

Stadt unter Schock:

New York City, 2001: Fassungslos versammeln sich Menschen vor den NBC Studios, als bekannt wird, dass ein Mitarbeiter des Fernsehsenders Milzbrand-positiv getestet

worden ist. Kurz zuvor hatte der Sender verdächtige Post erhalten

 

Tödliche Fracht:

Washington, D. C., 2001: Hunderte von Postangestellten müssen sich an neue Berufskleidung gewöhnen - wie hier in einem kleinen Büro auf dem Capitol: Gummihandschuhe und Mundschutz sind obligatorisch

Weltweite Angst

Stockholm, 2001: Die Desinfektions-Dusche soll zusätzliche Sicherheit geben. Der Feuerwehrmann hatte einen Brief mit einem verdächtigen weißen Pulver aus einer Bank entsorgt. Obwohl nur ein Anthrax-Brief außerhalb der USA gefunden wurde, in Argentinien, herrschte weltweit Alarmstimmung

 

Impfstoff für Massen:           

Spokane, US-Bundesstaat Washington, 2000: Schon vor dem 11. September haben pharmazeutische Firmen Tausende Portionen von Milzbrand-Vakzin für amerikanische Soldaten hergestellt. Nach dem Anschlag ist die Menge auf zwei Millionen Impf-Einheiten pro Jahr erhöht worden.

 

Sicherheitsstufe 4:

Porton Down, Großbritannien: Institute, die extrem ansteckende Keime wie etwa Ebola-Viren erforschen und Impfstoffe dagegen entwickeln wollen, werden aufgerüstet. Sie arbeiten mit abgedichteten Kabinen, in denen ständig Unterdruck herrscht, so daß kein Erreger nach außen dringen kann.

 

Reißender Absatz:

Satt Lake City, 2001: Pakete mit Testmaterial für die Identifikation von gefährlichen biologischen Substanzen liegen in Lagern bereit für ihre Verschiffung in alle Welt. Größter Abnehmer ist die US-Armee, aber auch Japan hat eine Großbestellung aufgegeben.

 

Kriegsdienst und Pazifismus

 

Im Juni 2014  sprach Bundespräsident Gauck davon, die Bundesrepublik Deutschland müsse eine größere Übernahme der Verantwortung für die Welt übernehmen. Gemeint war damit auch eine militärische Verantwortung. Bei der Münchener Sicherheitskonferenz am 31. Januar hatte er mehr deutsches Engagement in internationalen Konflikten gefordert und dabei militärische Einsätze ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Dagegen spricht aber ganz deutlich: Deutschland  ist nicht der Weltpolizist. Es ist keine Macht in der Welt, sondern Teil eines Ganzen. Höchstens die Europäische Union könnte vielleicht eine Weltverantwortung wahrnehmen.

Die Äußerungen des Bundespräsidenten verraten alles, wofür die Friedensbewegung in der DDR eingetreten ist. Damals hieß es: „Nichts kann militärische Gewalt rechtfertigen. Auch wenn ein anderer mich mit dem Tode bedroht, dann darf ich ihn nicht vorbeugend erschießen, sondern ich bin  als Christ zum Leiden aufgerufen!“

Auch die Kriegsdienstverweigerer in der damaligen Bundesrepublik wurden vor den Prüfungsausschüssen gefragt: „Würden Sie auch nicht schießen, wenn ihr Mutter bedroht wird!“

Natürlich ist das eine Konfliktsituation. Aber die Konzentrierung auf so eine persönliche Situation ist nichts anderes als eine Konfliktsituation im Weltmaßstab. Es bleibt immer die Frage: Werde ich schuldig oder der andere?

Herr Gauck hat zwar gesagt: „Nur im äußersten Notfall kann man auch erwägen, militärische Gewalt anzuwenden“. Aber das wird immer verkürzt wiedergegeben werden und es wird daraus: „Gauck ist für Militäreinsätze!“ Er hätte sich gar nicht zu diesem Thema äußern sollen, gerade weil es von politischer Seite aufgeworfen wurde.

Das erinnert an den früheren Pfarrer Rainer Eppelmann, der als Minister es für selbstverständlich ansah, mit einer Pistole („zur Selbstverteidigung“) herumzulaufen. Wenn einer Waffen trägt, dann nur um anderen im Notfall damit beistehen zu können. Aber an sich sollen Waffen abschrecken und sind nicht für einen wirklichen Einsatz gedacht. Und natürlich haben wir kein Recht zu einem Waffenexport, nur um unsere Waffenindustrie zu stützen.

Auch wenn man ein hohes Amt hat, gilt der christliche Glaube weiter und die früheren Überzeugungen sollte man nicht ablegen, nur weil das politische System sich geändert hat. Auch in der Demokratie gibt es keine Rechtfertigung für den Krieg.

 

Es entspann sich 2014 eine breite Diskussion zu dieser Frage. Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann hat Bundespräsident Joachim Gauck in Schutz genommen. Konflikte und Kriege blieben eine Realität. Für den Schutz von Opfern könne eine Intervention auch nach Überzeugung der großen Kirchen friedensethisch begründet sein - „im äußersten Fall auch mit militärischer Gewalt“. Militärische Gewalt allein schafft jedoch keinen gerechten Frieden. Sie verschafft bestenfalls der Politik die notwendige Zeit, mit zivilen Mitteln einen gerechten Frieden anzustreben.

Der Wiener Theologieprofessor Körtner sieht für die evangelische Friedensethik einen Klärungsbedarf. Die Formel vom gerechten Frieden stehe in der Gefahr, zu einer „ideologischen Parole“ zu verkommen. Friedensbewegte Äußerungen lägen möglicherweise im volkskirchlichen „Mainstream“. Doch moralische Fehlurteile würden durch beständige Wiederholung nicht richtiger. „Wer aber bloß die Rhetorik des gerechten Friedens bemüht, handelt nicht nur politisch unverantwortlich, sondern gerät auch theologisch ins Abseits“, so der Theologieprofessor.

Die  frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Margot Käßmann stelle mit ihren fragwürdigen Äußerungen  die ethische Rechtmäßigkeit des Kriegs gegen Hitler in Frage, meinte der Professor weiter. Käßmann hatte kurz nach dem 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 gesagt: „Einen gerechten Krieg kann es nicht geben. Selbst beim Zweiten Weltkrieg war es so, daß am Ende bei allen die Vernunft aussetzte.“ Als Beispiele nannte sie die Bombardierung von Städten und die Versenkung der „Wilhelm Gustloff“, die deutsche Flüchtlinge an Bord hatte.

Daß eine solche Aussage in der evangelischen Kirche unwidersprochen bleibe, ist nach den Worten des Sozialethikers „einigermaßen erstaunlich“. Käßmann berufe sich immer wieder auf die EKD-Friedensdenkschrift von 2007. Für eine „radikalpazifistische Lesart“ biete dieser Text jedoch keinen Anhaltspunkt. Darin stelle die EKD zwar klar, daß man mit militärischen Mitteln keinen Frieden gewinnen könne, und setze auf zivile und völkerrechtliche Mittel der Konfliktlösung und –vermeidung. „Sie spricht aber ebenso deutlich davon, daß unter Umständen auch der Einsatz militärischer Mittel zur Erhaltung oder zur Wiederherstellung des Rechts, ohne das keine Friedensordnung bestehen kann, notwendig und ethisch gerechtfertigt sein kann.“

 

Auch vor allem ostdeutsche Pfarrer  hatten Gauck kritisiert. Der Leiter des Bundespräsidialamtes, David Gill, schrieb im Namen des Staatsoberhaupts einen Brief, mit dem er auf die Vorwürfe der ostdeutschen Pfarrer reagierte. Gill widersprach der Kritik, der ehemalige Pastor Gauck habe sich von christlichen Idealen und Zielen der friedlichen Revolution verabschiedet.

Die „Berliner Zeitung“ zitierte aus dem Schreiben von Gill. Demnach heißt es darin, Gauck bevorzuge präventive und zivile Konfliktlösungen und werde auch weiterhin von einem christlichen Wertefundament aus agieren. Jedoch gehöre zur Geschichte, „daß ohne Einsatz bewaffneter Kräfte keine Befreiung von der Hitler-Diktatur möglich gewesen wäre“. Außerdem wird in dem Brief auf den Völkermord in Ruanda und die Barmer Theologische Erklärung von 1934 verwiesen, der zufolge „nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens Androhung und Ausübung von Gewalt“ rechtens sein könnten. „Der evangelische Christ Gauck kann somit nicht erkennen, daß der vom Evangelium gewiesene Weg ausschließlich der des Pazifismus sei“, zitiert die Zeitung weiter aus dem Brief. Man könne mit einem Ja u n d mit einem Nein zu militärischer Gewalt schuldig werden.

Dazu kann man nur sagen: Man kann auch als Christ Gewalt anwenden, darf sich aber dafür nicht auf das Evangelium berufen. Und daß man so oder so schuldig werden kann, ist kein Argument für die  Gewalt.

 

Das Bundespräsidialamt Berlin antwortet am 18. August 2014 einem Briefschreiber: „Dem Bundespräsidenten ist sehr wohl bewußt, daß er mit der Frage der Verantwortung Deutschlands in der Welt in seiner Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz ein schwieriges und kontroverses Thema angesprochen hat. Gleichwohl war und ist es ihm ein Anliegen, hierzu Denkanstöße zu geben und seinen Debattenbeitrag zu leisten. Ihre Gedanken dazu sind ein willkommener Beitrag.

Der Bundespräsident sieht die primäre Aufgabe der Staatengemeinschaft - und damit auch der Bundesrepublik Deutschland - darin, präventiv zu handeln und zivile Einsätze zu fördern und weiter zu entwickeln, das heißt, der Bundespräsident räumt stets zivilen und möglichst gewaltfreien Konfliktlösungen einen eindeutigen Vorrang ein. Die Intensität, mit der unsere Bundesregierung in der aktuellen Ukraine-Krise mit diplomatischen Mitteln agiert, entspricht in vollem Umfang den Vorstellungen des Bundespräsidenten, wie er sie in München und auch in Norwegen formuliert hat: Frühzeitiges, intensives Engagement und im Bündnis mit anderen Partnern.

Trotz des klaren Bekenntnisses zu zivilen Konfliktlösungsmechanismen und der Erkenntnis, daß die Entscheidung über den Einsatz militärischer Mittel immer mit der Gefahr verbunden ist, schuldig zu werden, kann es dennoch erforderlich sein, im Rahmen verantwortlichen Handelns auch den Einsatz von Soldaten in Erwägung zu ziehen - als ultima ratio-Element einer Gesamtstrategie, die nicht nur eine rein militärische Lösung umfaßt und unter klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben wie dem Beschluß des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Vor dem Hintergrund etwa des Völkermords in Ruanda ist der Bundespräsident der Überzeugung, daß es in Situationen, in denen das Leben hunderttausender Menschen durch unmittelbare Gewaltanwendung gesetzloser Aggressoren bedroht ist, sehr wohl ethisch geboten sein kann, Leben und Sicherheit dieser Menschen äußerstenfalls auch mit militärischen Mitteln zu schützen. Denn, auch wer nicht handelt, kann sich schuldig machen.

 

Im August 2014 äußerte sich der Papst zu dem Massaker im Nordirak, wo Jesiden und Christen in die Hand dschihadistischer Terrormilizen gerieten. Und während der Vatikan die diplomatischen Aktivitäten noch einmal erhöht, die den geschundenen und verfolgten Menschen helfen sollen, kehrt Franziskus dem absoluten Pazifismus den Rücken. „Es ist legitim, den ungerechten Aggressor zu stoppen“, sagte er in der ihm eigenen Offenheit. Und  er steht bereit, vielleicht schon im Herbst selbst in die Konfliktregion zu reisen.

Der Papst sagte: „Ich sage nicht: bombardieren, ich sage (den ungerechten Aggressor) stoppen“. Er ist aber gegen „echte Kriege“, um Schlächter zu vertreiben und Märtyrern zu helfen.

Die lokalen Bischöfe befürworteten schweren Herzens ein militärisches Eingreifen gegen die Terrormiliz.  „Schon Johannes Paul II. hat richtig erklärt, daß der Pazifismus manchmal den Weg zum Frieden versperrt!“ Franziskus wolle, daß die brutalen Aggressoren nicht weiter vorrücken könnten.

 

Man muß sich schon fragen, ob ein Radikalpazifismus die einzig christliche Haltung ist. Er könnte auch Hochmut sein, daß man sein Gewissen rein halten will und die anderen die Drecksarbeit machen lassen will. Ist es ein Argument, wenn einer sagt: „Als Christ will ich mich lieber totschießen lassen als selber zu töten? Dann habe ich mich wenigstens nicht schuldig gemacht!“ Das mag gelten für den großen Krieg zwischen Völkern, der sowieso nichts bringt, sondern alles nur schlimmer macht. Aber schuldig wird man auch, wenn man nichts tut, um zum Beispiel das Leben eines anderen zu retten

 

Bei Kriegen gibt es schon Unterschiede, die auch eine unterschiedliche Haltung erfordern:

In der Zeit des „Kalten Krieges“ war es unbedingt geboten, in West und Ost Widerstand zu leisten gegen den Kriegsdienst. Ein Weltkrieg hätte zum Ende der Menschheit geführt, es hätte keine Überlebenden gegeben. Damals ging es um die Vorbereitung zu einem eventuellen Krieg. Beide Seiten haben aufgerüstet bis zum Geht-nicht-mehr. Hier war es richtig, den Waffendienst zu verweigern und die Einbeziehung der Zivilbevölkerung in „Verteidigungsmaßnahmen“ zu sabotieren.

Denn wenn erst einmal Waffen da sind, dann ist die Gefahr groß, daß sie auch eingesetzt werden. Das ist so wie bei dem jungen Mann, der sagte: „Wenn ich ausgehe, dann habe ich immer ein Messer an meinem Unterschenkel festgeklebt – nur zur Verteidigung“. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn in einer zunächst wörtlichen Auseinandersetzung plötzlich die Messer mit im Spiel sind.

Etwas anderes ist es, wenn ein Einzelner das Zusammenleben der Menschen stört und ein anderes Land überfällt oder auch die Teile der eigenen Bevölkerung ausrottet. So gibt es Extremfälle, wo wirklich nur eine Waffe helfen kann: Einen Attentäter wird man bekämpfen müssen. Auch so eine verbrecherische Organisation wie der sogenannte „Islamische Staat“.

Sollte die Weltöffentlichkeit zusehen, wie nicht nur Christen und Jesiden, sondern auch die Anhänger jeder anderen Richtung  des Islam von der ISIS abgeschlachtet werden? Sollte man zusehen, wie die Boko Haram in Nigeria Frauen und Kinder entführt und als Sklaven verkauft? Ist es nicht richtig, einen Diktator in die Schranken zu weisen, um noch größeres Leid zu verhindern? In solchen besonderen Fällen kann der Widerstand die ethisch einwandfreiere Haltung sein.

 

Es gibt aber auch ein bedauernswertes Beispiel, wo man nicht eingegriffen hat: Als sich im Balkankrieg bosnische Menschen die „Sicherheitszone“ der Vereinten Nationen geflüchtet hatten, da haben die niederländischen Blauhelmsoldaten sie nicht geschützt. Angeblich war die Übermacht der Serben zu groß. Aber dafür sind sie eben Soldaten, daß sie auch ihr Leben riskieren. Wenn die Serben Widerstand gespürt hätten, dann hätten sie es sich schon überlegt und hätten vielleicht doch aufgegeben.

Es ist schon etwas anderes, wenn ein Volk oder eine Volksgruppe sich verteidigt oder wenn eine Weltmacht oder auch die Staatengemeinschaft in einen Konflikt eingreift. Aber die Freiheit Deutschlands wird nicht am Hindukusch verteidigt. Aber wenn Israel die Raketen der Hamas abfängt, ist das natürlich in Ordnung, aber die Vergeltungsaktionen im Gazastreifen gehen weit über die Selbstverteidigung hinaus.

 

Ganz schwierig ist es mit den zwei Konfliktherden aus der Zeit nach 2010:v

Die Ukraine hätte gegenüber Rußland erklären können: „Wir wissen, daß ihr sowieso stärker seid als wir, nehmt euch nur, was ihr wollt?“ Im Falle der Krim hoffte man, daß dann wenigstens die Annexion der Ostukraine vermeiden würde, wenn man still hielt. Aber stattdessen wurde der Aggressor nur ermutigt. Steht man einem solchen Aggressor hilflos gegenüber? Ist es für die Ukraine nicht besser, wenn sie auf die östlichen Landesteile verzichtet, die (angeblich) sowie nicht bei ihr bleiben wollen?

Sollte man nicht generell den Unabhängigkeitsbestrebungen nachgeben, damit Friede bleibt? Das Beispiel der Tschechoslowakei zeigt, daß die Abtretung des Sudetenlandes den Aggressor nur ermutigte, weiter zu gehen.

Doch der Kosowo konnte sich aus Serbien lösen. Nur ist dort jetzt eine neue Minderheit von Serben in einem mehrheitlich muslimischen Staat entstanden. Nun kann man doch nicht immer weiter atomisieren - und das in einer Zeit, wo Europa zusammenwachsen will. Es bleibt nichts anderes übrig, als daß Menschen mit unterschiedlicher Geschichte, Religion und Sprache friedlich miteinander leben. Dafür gibt es auch erfreuliche positive Beispiele: Belgien, Norditalien, Schweiz, Baltikum usw. Die meisten Staaten sind an sich Vielvölkerstaaten. Selbst im Staat Israel leben Araber als Staatsbürger.

Warum kann man nicht den Kurden einen eigenen Staat geben? Den Staaten Türkei, Syrien und Irak fehlt doch nichts, wenn die Kurden nicht mehr dabei sind. Und selbst bei dem jahre­langen Bürgerkrieg in Syrien muß man sich doch fragen: War es das wert, daß das Land bis in den letzen Winkel zerstört wird? Muß man nicht einen baldigen Sieg des Machthabers Assad wünschen, damit das Leiden der Bevölkerung geringer wird? Er wird sowieso siegen – leider, nicht immer kann man das Recht durchsetzen. Aber einmal wird auch seine Stunde kommen wie die der serbischen (und kroatischen) Kriegsverbrecher.

zu überlegen ist auch eine Lösung, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg getroffen wurde: Alle Griechen wurden aus der Türkei ausgesiedelt und alle Türken aus Griechenland und seine Inseln. Das war hart für die betroffenen Familien, die ihre Heimat verloren und anderswo wieder angesiedelt wurden. Aber es war Ruhe, bis auf Zypern ein neuer Konfliktherd aufgemacht wurde. Auch die Vertreibung der Deutschen aus ihren Ostgebieten und die Umsiedlung der Polen im Osten nach Westen war so ein Beispiel. Das ist nicht wünschenswert und es müßte auch anders gehen, aber der Mensch ist nun nicht einmal so, wie er sein könnte.

 

 

Ukraine-Krieg:

Am 24. Februar marschierten die Truppen des russischen Diktators Putin in der Ukraine ein. Angeblich herrsche dort eine Naziregierung, die die Russen in der Ostukraine umbringt. Er wolle diesen „Völkermord „verhindern und beging doch selber Völkermord, weil er mit seiner „militärischen Spezialoperation“ nicht militärische Ziele, sondern Krankenhäuser, Schulen und Wohnblocks zerstörte, so wie er das schon in Syrien gemacht hatte.

An sich hatte man gedacht, wegen des atomaren Patts könne es keinen Krieg mehr geben. Aber jetzt überfiel eine Großmacht einen Nachbarstaat und sprach diesem die eigene Staatlichkeit ab, weil der alte KGB-Mann der Sowjetunion nachtrauerte und wieder einen Gürtel von Satellitenstaaten um sich haben wollte. Dabei hätte er doch eher Sicherheit gehabt, wenn er friedlich mit seinen friedlichen Nachbarn zusammengeleb´pßt hatte, wie da sin den Jahren 1990 bis 2000 der Fall war. Damals hat man sogar die Frage gestellt, ob man nicht Rußland in die Nato aufnehmen könne.

Aber die Nato griff jetzt nicht ein, weil das einen großen Krieg bedeutet hätte und die Ukraine zwar einen Antrag auf Aufnahme in die Nato gestellt hatte, aber nicht Mitglied war. Man versicherte zwar, man würde den Verpflichtungen gegenüber den anderen früheren sowjetischen Mitgliedern nachkommen werde. Aber einstweilen beschränkte man sich auf Waffenlieferungen (schließlich auch aus Deutschland) und „Sanktionen“, die aber vorerst wenig brachten, weil man bei Gas, Erdöl und Steinkohle von Rußland abhängjg war und deshalb Putins Krieg mitfinanzierte. Auch andere Wirtschaftszweige mußten leiden. Und weil Rußland und die Ukraine viel Getreide lieferten (was man vorher gar nicht so wußte), gab es am 17. März im Lidl und REWE kein Mehl, Zucker und Sonnenblumenöl mehr.

Zu DDR-Zeiten waren wir alle strikt gegen die Aufrüstung. Aber damals ging es um einen möglichen Atomkrieg, gegen den jede Rüstung nichts genützt hätte. Und seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nur Bürgerkriege gegeben (in Asien und Afrika, aber auch auf dem Balkan). Jetzt aber hat eine Großmacht einen kleineren Nachbarn mit fadenscheinigen Gründen überfallen. Rußland hätte es besser gehabt, wenn es die Ukraine hätte gewähren lassen, denn die Nato ist ja nur ein Verteidigungsbündnis, einen Angriffskrieg könnte sie nicht gegenüber der eigenen Bevölkerung durchsetzen.

Aber aus Angst vor einem Dritten Weltkrieg kann die Nato dann letztlich doch nicht schützen.

Deshalb ist es verständlich, daß jeder Staat selber aufrüsten möchte. Insofern muß man doch überlegen, ob die christliche Ethik nicht differenziert werden müßte. Ist es nicht doch besser, durch Rüstung abzuschrecken als nachher nur die Wunden zu verbinden? Natürlich gilt auch weiter „Frieden schaffen ohne Waffen“. Abner dieser Satz muß wohl doch ergänzt werden durch das Recht auf Selbstverteidigung.

Die Ukraine hätte natürlich auch die Russen kampflos ins Land lassen können, dann wäre ihr viel Leid erspart worden. Die Ukrainer hätten wenigstens ihr Leben fristen können. Ich selber habe ja auch 25 Jahre unter den Russen gelebt¸ das geht schon, auch wenn es nicht ideal ist. Aber es ist auch verständlich, wenn ein Volk frei sein will. An sich sollte ja auch die UNO kriegerische Auseinandersetzungen verhindern. Aber was nutzt das, wenn der Aggressor im Sicherheitsrat sitzt?

 

Kirchliche Verlautbarungen waren bisher von pazifistischen Stimmen geprägt. Aber es ist auch ein gewisser Zynismus, der in der angeblichen Friedensbewegung vorherrscht. Da wird gefordert, daß die Ukrainer sich ergeben sollen und damit den Weg Jesu wählen. Der habe in Gethsemane Petrus mit dem Schwert zurückgehalten. Ja, natürlich! Das sollen die Ukrainer jetzt tun, das gebietet das Evangelium. Damit sie für unsere Schuld bezahlen, wie Jesus am Kreuz?

Wer das fordert, hat anscheinend vergessen, daß wir unsere Freiheit, unseren Wohlstand, unsere Sicherheit dem mutigen Eingreifen von zehntausenden alliierten Soldaten im zweiten Weltkrieg verdanken. Ohne sie wäre dieser letzte Weltkrieg nicht mit Deutschlands Niederlage beendet worden. Ohne dieses Eingreifen wären die europäischen Juden allesamt in den Konzentrationslagern umgebracht worden. Ohne diesen blutigen militärischen Kampf wäre Europa nicht von Nazi-Herrschaft, Völkermord und Terror befreit worden.

Eine Friedensethik, dien ur den Gewaltverzicht kennt, ist weder verantwortungsvoll noch christlich, sondern einzig und allein ideologisch. Sie ist nicht bereit, das eigene Leben, nicht einmal die eigenen Privilegien oder das eigene Recht-Behalten-Müssen herzugeben für die Brüder. Dieser Pazifismus ist verantwortungslos und nicht der Inbegriff des Christentums. weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Völkermord und Vergewaltigung, russische Gefängnisse voller Menschen, die es wagten, ihre Meinung zu sagen, vergiftete Dissidenten und erschossene Journalistinnen - ja, aber nicht Krieg. Die Forderung Jesu zum Gewaltverzicht und dem Verzicht auf Privilegien ist eine Forderung an jeden einzelnen Christen. Bitte: Erfüllt sie und zeigt nicht auf andere! Man fragt sich, warum niemand einer Haltung von „Alles, nur nicht Krieg!“ laut widerspricht in der Kirche.

 

 

 

Im Krieg ist alles erlaubt"

NDR Fernsehen

Redaktion Panorama

                                                                                                                      13.08.2022

Sehr geehrte Frau Reschke,

in der letzten Panorama-Sendung haben Sie wieder einmal tüchtig gegen einen vermutlichen Mißstand gewettet. Natürlich haben Sie im Journalistikstudium gelernt, daß Normalitäten keine Meldung sind und daß man tüchtig auf den Putz hauen muß, um Aufmerksamkeit zu erregen. Es ist ja auch gut, daß die Medien so eine Art vierte Gewalt sind, die der Regierung auf die Finger sehen. Aber manchmal wünscht man sich doch mehr Ausgewogenheit.

Ihr Thema war der „völkerrechtswidrige“ Einsatz von Drohnen. Dabei ist das Völkerrecht nirgendwo fixiert so wie das Grundgesetz oder das Strafgesetzbuch. Man kann es höchstens erschließen aus der UN-Charta und vielen internationalen Verträgen. Doch es wird nicht verbindlich, nur weil Herr Trittin den Ausdruck verwendet.

Am 9. September 2001 hat Al-Khaida den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt, nicht mit einem Dokument wie früher, sondern mit einer Handlung. Seitdem gilt zwischen den Beiden nicht mehr das Völkerrecht, sondern das Kriegsrecht. Und im Krieg ist alles erlaubt, auch Giftgas und Atombomben – leider.

Ab er es ist kein Unterschied, ob man durch ein Bajonett erstochen wird oder durch einen Pistolenschuß getötet oder den Splitter einer Granate oder Bombe abkriegt. Am Ende ist immer der Mensch tot. Es gibt keine guten oder schlechten Waffen, keine erlaubten oder unerlaubten - sie sind alle menschenfeindlich.

Man kann auch keinen Unterschied machen zwischen Zivilisten und Soldaten, so als sei das Töten eines Soldaten erlaubt. In den Meldungen der Opfer ist oft von Frauen und Kindern die Rede. Aber auch Soldaten sind Opfer, von anderen für deren Zwecke in den Tod geschickt. Deshalb ist der Krieg an sich verwerflich.

Aber es spielt keine Rolle, mit welchen Mitteln er geführt wird. Auch eine Drohne ist da nichts anderes als eine Kalaschnikow. Sie hat für Angreifer und Angegriffenen den „Vorteil“, daß sie präzise ist und militärische Ziele treffen kann. Menschliche Fehlleistungen in diesem Zusammenhang sind natürlich schrecklich. Aber auch in der konventionellen Kriegsführung werden Zivilisten nicht verschont. Die Russen ballern ihre Geschosse einfach in Richtung Feind und sind zufrieden, wenn sie mit jedem zehnten Schuß ein militärisches Objekt treffen. Wer prangert das einmal an?

Die Amerikaner haben nun einmal die besseren Waffen. Warum sollten sie diese nicht an­wenden, wenn dadurch vielleicht der Krieg verkürzt wird, weil der Aggressor zum Rückzug gezwungen wird? Selbst Elon Musk mischt da jetzt mit seinen Satelliten mit. Und wenn die Amerikaner für ihre Operationen den Stützpunkt Ramstein brauchen, dann verstoßen sie damit nicht gegen deutsches Recht, denn nirgendwo steht geschrieben, daß Drohnen verboten sind. Die Amerikaner haben uns von der Naziherrschaft befreit und schützen auch weiterhin unsre Freiheit. Wir können ihnen nur dankbar sein und sollten nicht immer wieder in einen blinden Anti-Amerikanismus verfallen. Deutschland hat übrigens auch Drohnen, angeblich unbewaffnet, aber für eine Bewaffnung geeignet.

Die gezielte Tötung von Terroristenanführern ist eine Kriegshandlung und kann nur ver­dammt werden, wenn man auch den Krieg an sich verdammt. Den Amerikanern und uns wird das nicht viel nützen, denn es werden gleich wieder neue Anführer bestimmt und die Terrororganisationen werden eher noch Zulauf erhalten. Aber es ist so etwas wie eine Selbstberuhigung – auch gegenüber der eigenen Bevölkerung: „Wir haben etwas gemacht!“ Und vielleicht beeindruckt es doch irgendwie die Terroristen. Sie müssen wissen, daß sie zur Verantwortung gezogen werden können, wenn man ihrer nur habhaft werden kann, notfalls auch mit Drohnen. Jeder Kriegsverbrecher und jeder Diktator soll nicht hoffen dürfen, daß er ungestraft bleibt.

Ihre Sendezeit war natürlich begrenzt. Aber es wäre doch „journalistischer“ gewesen, den einen oder anderen Gesichtspunkt meiner Ausführungen mit zu erwähnen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Heckert

 

 

Fritz Baade: Wettlauf zum Jahr 2000

 

„ Wir sollten alle Kraft dafür einsetzen, daß im Jahr 2000 eine Freude sein wird, in der Welt zu leben. Vielleicht wird es dann auch noch eine „Welt  des Ostens“ und eine „Welt des Westens“ geben: Die eine ist mehr bestimmt vom Volkseigentum, die andere mehr vom Privateigentum, aber im übrigen werden sie sich sehr angeglichen haben.

Wenn aber die Welt des Jahres 2000 lebenswert sein soll, dann darf der Wettlauf zwischen den beiden Formen der politischen und wirtschaftlichen Gestaltung des Lebens nur ein friedlicher sein. Im folgenden sollen die Möglichkeiten und Aussichten eines solchen friedlichen Wettlaufs untersucht werden.

Ziel des Wettlaufs ist der Bau einer völlig neuen Welt, ohne Hunger, ohne Armut, ohne Krieg. Jedes Volk muß dabei versuchen, ein Höchstmaß an Beitrag zur Weiterentwicklung aller zu leisten.

Seit dem Jahre 7000 vCh hat sich die Weltbevölkerung von 10 Millionen achtmal verdoppelt, und zwar in immer kürzeren Abständen. Für die letzte Verdoppelung brauchte sie nur noch 100 Jahre. Es werden nun immer kürzere Abstände der Verdoppelungen kommen. Im Jahre 2000 werden etwa 6 Milliarden Menschen haben.

Man spricht heute von einem Bevölkerungszyklus, der in vier Abschnitte zerfällt und sich an den Industrienationen zeigen läßt:

1. Hohe Geburtenrate, hohe Sterberate, geringer Zuwachs

2. Sterberate geht rapide zurück, Geburtenrate bleibt hoch

3. Sterberate sinkt weiter, aber auch Geburtenrate geht stark zurück

4. Sterberate und Geburtenrate verharren auf ihrem Tiefstand.

Es wird also mit den Verdoppelungen der Menschheit nicht so weitergehen..Durch die Industrialisierung und die Hebung des Lebensstandards und vor allem des Bildungsniveaus nimmt auch die Geburtenzahl ab.

Die farbigen Völker werden in der Zukunft stärker wachsen, weil die weißen Völker bereits im dritten oder vierten Abschnitt des Bevölkerungszyklus  stehen. Während sich die farbigen Völker (außer Japan) im zweiten Zyklus befinden. Bevölkerungszunahme wird

nur dann zum Stillstand kommen, wenn bei allen Völkern Wohlstand und Bildung Allgemeingut geworden ist.

Die sozialistischen Staaten und die Entwicklungsländer werden den größten Zuwachs haben. Der Wettlauf zum Jahr 2 000 wird ein Wettstreit um die Gewinnung der Bevölkerung  der Entwicklungsländer sein

Die Nahrungsproduktion wird sich bis zum Jahre 2000 verdreifachen. Die Erträge von der Flächeneinheit lassen sich noch gewaltig steigern durch maschinelle Bodenbearbeitung, eine Einsparung von tierischen Futtermitteln, verbesserte Pflanzenernährung, Schädlings­bekämpfung, Saatgutverbesserung, Bewässerung, Fischfang mit Tiefgefrierschiffen und kombinierten Fang- und Fabrikschiffen mit Heck­auf­schlepp, synthetischer Herstellung von Nahrungsmitteln (zum Beispiel aus Kohle).

Im Jahre 2000 wird es manche Neuheit auf dem Speisezettel geben: Bakterien-Extrakte, vorverdaute Kräuter, Pflanzenmark, Keimspitzen, Blütenblätter, Blütenstaub, Vogelkalk, Speiseerde;-. Wir müssen also in Zukunft nicht nur von Pillen leben. Es wird durchaus möglich sein, 30 Milliarden Menschen zu ernähren; und höher wird die Weltbevölkerung wahrscheinlich nicht werden. Unser Nahziel, nur 6 Milliarden Menschen ernähren zu müssen, ist eine leicht zu lösende Aufgabe, wenn nicht eine gespaltene, sondern eine einmütig oder gar brüderlich zusammenarbeitende Menschheit sie in Angriff nimmt.

Ost und West haben dabei die gleichen Chancen, ihren Anteil an der Entwicklung beizutragen. In den USA sind riesige Überschüsse an landwirtschaftlichen Produkten, obwohl immer mehr Menschen aus der Landwirtschaft abwandern und in die Industrie gehen und die Farmen immer kleiner und die Anbauflächen immer größer werden.

Die .Fließbandtechniken der Industrie beginnen sich auch in. der Landwirtschaft auszubreiten. Dem Teil der Landwirtschaft, der auf Privateigentum an Grund und Boden beruht, kann nur die allerbeste Diagnose gestellt werden: Ständiger Überfluß an Nahrung, produziert mit einem immer kleineren Teil der nationalen Leistungskraft des Landes.

Aber auch die auf Kollektiveigentum an Grund und Boden beruhende Landwirtschaft hat die gleichen Chancen. Nur hat man zunächst in der Sowjetunion einige Fehler gemacht: zu geringe Aufkaufpreise für landwirtschaftliche Produkte, Überschätzung der Erträge aus .den Neulandgebieten, zu wenig Kunstdünger, Verarbeitung von Getreide zu Kautschuk.

Aber auch hier wurden die unterbeschäftigten Arbeitskräfte in die Industrie abgezogen und die kollektivierte Landwirtschaft wurde so wettbewerbsfähig. Die Reserven sind längst noch nicht ausgeschöpft: Pflanzenernährung, Bewässerung, Motorisierung, Verschiebung der Nordgrenze des Ackerbaus.

Dennoch wird die Landwirtschaft in den USA immer günstigere Bedingungen in Klima- und Bodenbeschaffenheit haben und deshalb mehr leisten. Aber am politisch-ökonomi­schen System liegt das nicht. Sehr große Fortschritte hat China  gemacht, vor allem durch die Bewässerung; selbst die Mißernte des Jahres 1960 führte nicht zu Hungertoten. Die Verminderung der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen wird in China im Jahre 2000 zu einer Arbeitsarmee von über 500 Millionen Menschen in der Industrie führen, die dann auch dort den Lebensstandard heben werden.

Nahrung wird auf der Erde mit ganz grundverschiedenen Systemen produziert (Privat- oder Kollektiveigentum). Aber die Verwirklichung der friedlichen Koexistenz wird gerade auf dem Gebiet möglich sein, auf dem es bisher die stärksten Konflikte gab. Jeder Raum wird mit seiner Methode alle Nahrung produzieren können, die auch bei größtem Wachstum der Bevölkerung in absehbarer Zeit benötigt wird. Keiner braucht dem anderen sein System der Bodenbearbeitung aufzuzwingen. Schon die Übernahme des kollektiven Systems auf Osteuropa war schwierig und ist in Polen und Jugoslawien total gescheitert und mußte zurückgenommen werden.

Auch in den Entwicklungsländern muß der Wettlauf mit dem Hunger gewonnen werden. Es geht nur um die Methode. In den kommunistischen Staaten ist die Verteilung der Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft in die Industrie gelungen. Die Frage wird sein, ob auch nichttotalitäre  Methoden gefunden werden, um auch in anderen Ländern die entscheidende Strukturwandlung herbeizuführen. Vor allem gilt das für die Länder am Rande der kommunistischen Welt (Türkei, Ägypten, Irak, Pakistan, Indien, Ceylon, Thailand, Indonesien, Formosa, Südkorea). Die brachliegende Arbeitskraft in den Dörfern ist zu mobilisieren für die Verbesserung der agrarischen Infrastruktur: Erosionsbekämpfung, Bewässerung, Urwaldrodung, Dränage, Terrassenbildung, usw.

Industrialisierung und Entwicklung der Landwirtschaft sind keine Alternativen, sondern zwei Seiten desselben Vorgangs. Die Entwicklungsländer werden selbst Zementfabriken, Düngerfabriken, Maschinenfabriken und Stahlwerke bauen müssen, um nicht dauernd vom Ausland abhängig zu sein. Zunächst wird eine Industrialisierung der Dörfer notwendig sein. Ohne großen Aufwand kann man in einem Dorf nur ein einziges Fahrradteil herstellen lassen, das aber im Produktionsplan einer großen Fabrik ein wichtiger Faktor ist (Beispiel: Japan).

Vorerst werden immer noch Nahrungsgeschenke an unterentwickelte Länder notwendig sein. Aber während es 80 Dollar kostet, eine Tonne Weizen zu verschenken, kostet der Handelsdünger für die Produktion einer zusätzlichen Tonne nur 20 Dollar, und die Schädlingsbekämpfungsmittel zur Verhinderung der Vernichtung einer Tonne Weizen gar

nur 2 Dollar. Die Nahrungshilfe muß auch so eingesetzt werden, daß der Wille zur Selbsthilfe dadurch nicht gelähmt wird von einem System der Augenblickshilfen muß es zu einem Gesamtplan kommen, der die Gesamtheit der Schenkenden und Beschenkten umfaßt (Beispiel Marshallplan). Ost und West werden sich dabei in den Entwicklungsländern begegnen müssen, denn das Ausmaß der Hilfe muß so groß sein, daß der Westen froh sein kann, wenn der Osten etwas davon auf seine Schultern nimmt. Es ist töricht, die Hilfe unter die Parole des „Kampfes gegen den Kommunismus“ zu stellen, denn es geht doch darum, diesen Ländern die Möglichkeit zu geben, auch ohne Kommunismus zu Erfolgen zu kommen.

Ost und West sollten die Entwicklungshilfe gemeinsam vergeben, weil sie auch gemeinsam an das Problem der Abrüstung gehen müssen. Nur so wird eine erweiterte Hilfe an die Entwicklungsländer möglich sein. Dazu müssen aber beide Seiten von der Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz beider Systeme überzeugt sein.

Im Jahre 2000 werden etwa2,5 Milliarden Arbeitskräfte außerhalb der Landwirtschaft tätig sein , davon etwa 1,5 Milliarden Industriearbeiter. Doch nur 200 Millionen Menschen werden dann in den Ländern westlichen Stils in der Industrie arbeiten. Die Herrschaft des  weißen Mannes gerade auf dem Gebiet, das von ihm entwickelt wurde und das er so lange beherrscht hast, geht unweigerlich zu Ende. Die 400 Millionen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft werden die gesamte Erdbevölkerung ernähren müssen; durchschnittlich wird ein landwirtschaftlicher Arbeiter 15 Menschen ernähren (USA heute: 30).

Es wird zur größten Investitionskonjunktur   der Menschheitsgeschichte kommen. Wirtschaftskrisen braucht es nicht mehr zu geben, weil es praktisch unbegrenzte Absatzmöglichkeiten für Investitionsgüter gibt. Die jungen Industrieländer werden dabei ihre eigene Investitionsgüterindustrie aufbauen müssen. Die westlichen. Länder müssen sich dann die Instrumente einer aktiven Konjunkturpolitik erarbeiten, die ein ständiges Wachstum der Wirtschat sichert.

Der Energieverbrauch wird auf das Zehnfache des Bedarfs im Jahre 1950 steigen. Doch die heute bekannten Kohlenlager werden noch für 1000 Jahre reichen. Aber wahrscheinlich wird man in Zukunft immer weniger Kohle brauchen, denn heute schon decken Erdöl und Erdgas mehr als die Hälfte des Energiebedarfs. Der Energieträger der Zukunft ist aber zunächst einmal die Wasserkraft, deren Vorrat ja nicht aufgezehrt wird, sondern sich ständig erneuert. Die Welt verfügt heute über Energieträger im Überfluß undbraucht bis zum Ende des Jahrhunderts keine Atomenergie in Dienst zu stellen; sie wird erst die entscheidende Energiequelle des nächsten Jahrhunderts.

Vor allem die USA, UdSSR und China  sind mit klassischen Energieträgern gesegnet,  während etwa Westeuropa, Indien und Japan sehr viel knapper darin sind und höhere Kosten dafür aufwenden müssen. In  China verteilen sich die Kohlevorkommen über das ganze Land, so daß nur geringe Transportkosten entstehen. Jeder Großraum ist also ausreichend mit Energie versorgt..Wirtschaftlich lohnt es sich gar nicht, daß etwa die Sowjetunion das Ruhrgebiet in ihren Besitz kriegen will. Die dortigen Kohlevorkommen sind unrentabel im Vergleich zur russischen Untertagevergasung (Kohle wird unter Zufuhr von 'Luft durch ein Bohrloch in der Erde verbrannt und nur das Gas an die Oberfläche geleitet undweiterverarbeitet).

Die Probleme der Koexistenz liegen weder im Nahrungsraum noch im Energieraum, sondern in der :Mentalität der Menschen: Aus Minderwertigkeitskomplexen heraus kann es in den bisherigen Industrieländern zu Kurzschlußhandlungen kommen, wenn sie nämlich vom großen Bruder zum kleinen geworden sind (das gilt auch für die UdSSR gegenüber China!). Mit den dunklen Kräften in unsren Köpfen und Herzen müssen wir erst fertigwerden.

Die Gewinnung fortschrittlicher Energieträger ist wichtig, damit die Rohstoffe ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden. In Indien zum Beispiel werden 75 Prozent der Energie durch Verbrennen von Kuhmist gewonnen. In China dagegen kommt jeder Dünger auf die Felder und die Erträge sind deshalb doppelt so hoch, in Japan sogar viermal so groß, weil dort noch künstlicher Dünger (aus Kohle gewonnen!) dem Acker zugeführt wird. Durch Sonnenenergie aber kann man heute schon Bewässerungspumpen treiben, die wiederum Baumwuchs ermöglichen, so daß Brennmaterial gewonnen wird und der Kuhmist auf den Acker kann.

Man plant auch Kraftwerke in 1.000 Meter Tiefe oder noch tiefer, die den Gegensatz zwischen der Temperatur der Erdoberfläche und der Tiefe ausnutzen. Auch könnten kosmische Strahlen eingefangen und zerlegt werden, wodurch ungeheure Energien frei würden. Vielleicht werden durch die Weltraumforschung einmal ganz neue Energieträger entdeckt werden.

Die Stahlproduktion wird auch beträchtlich zunehmen. Allerdings wird sie sich nicht durch Aufrüstung steigern lassen, sondern im Gegenteil nur durch Abrüstung. Die moderne Rüstung braucht nur wenig Stahl, sondern mehr Aluminium und viel Physik und Chemie. Wenn wir aber zu einer drastischen Rüstungsbeschränkung im Weltmaßstab kommen, können die freiwerdenden Produktionsmittel den wichtigsten Beitrag zu einer langfristigen Hochkonjunktur liefern. Die Vollbeschäftigung bei Rüstungsbeschränkung kann in der wirksamsten Weise aufrechterhalten werden, wenn ein Teil der Ersparnisse in einen internationalen. Fond für die Entwicklungsländer gezahlt wird. Dadurch werden die Absatzmöglichkeiten für Stahl viel stärker ausgeweitet als durch die Rüstung.

Im Bildungswesen liegt die Sowjetunion weit vor den USA oder der Bundesrepublik. Vor allem legt sie viel Wert auf die naturwissenschaftlichen Fächer und auf Fremdsprachen. Es werden pro Kopf der Bevölkerung viermal soviel Diplomingenieure und fünfmal soviel

Ingenieurschüler ausgebildet als in der Bundesrepublik. Es gibt auch mehr und besser bezahlte Lehrkräfte. Neben dem Spezialwissen steht auch ein umfangreiches Grundwissen. In besonders wichtigen Wissenschaftsgebieten werden hohe materielle Mittel und viele

Mitarbeiter eingesetzt (Sputnik). Vor allem hat die Sowjetunion noch den Vorteil, alle Unternehmungen zentral zu steuern, so daß Doppelarbeit vermieden wird. Ihre Riesen­armeen von Industriearbeitern werden einmal genausogut versorgt sein wie die kleineren Arbeiterarmeen in der westlichen Welt.

In den friedlichen Bereichen des wirtschaftlichen und staatlichen Lebens wird die Entwicklung bis zum Jahre 2 000 von einem Wettlauf zwischen der östlichen und der westlichen Welt erfüllt sein. Die westliche. Welt wird sich dabei sehr anstrengen müssen, wenn. sie

in diesem Wettlauf einigermaßen gut abschneiden will. Nur auf einem Gebiet darf kein Wettlauf mehr stattfinden: auf dem Gebiet der Rüstung. Es muß zu einer radikalen Abrüstung der Atombomben und konventionellen Waffen kommen und alle Heere der Welt müssen in Arbeitsarmeen des Friedens umgewandelt werden.

Der Kampf gegen Hunger und Armut kann so geführt werden, daß beides in der Welt abgeschafft wird. Doch das ist nur möglich, wenn die dritte Geißel der Menschheit - der Krieg - abgeschafft wird.

Wenn die Sowjetunion als die größte Militärmacht der Welt die  radikale  Abrüstung vorschlägt, dann entspringt das nüchternem Eigeninteresse. Sie kann nämlich nur die Früchte ihrer wirtschaftlichen Erstarkung ernten, wenn sie nicht durch einen Krieg gefährdet werden. Auch der Verzicht auf eine bewaffnete Raumstation gehört zu. dieser Abrüstung; Raumfahrt muß zu einer weltumspannenden Gemeinschaftsarbeit werden. Die Sowjetunion kann gar kein Interesse haben, ihren Machtbereich weiter nach Westen auszudehnen,  weil der westliche  Nonkonformismus (auch in den kommunistischen Parteien) für die praktisch unverdaubar wäre (? In Deutschland gab es auch Konformismus).

Die Welt des Jahres 2000 kann eine wunderschöne Welt sein. Auch in den heute unterentwickelten Gebieten wird man mindestens den  Lebensstandard der heutigen Indus­trienationen erreicht haben. Jeder wird eine menschenwürdige Wohnung haben, die Arbeitszeit wird verkürzt, die Staatsgrenzen werden fallen, wir werden frei sein von der Bedrohung durch Massenmord.

Doch es droht auch die Möglichkeit der Selbstvernichtung der Menschheit, weil es so furchtbare Waffen gibt, weil sich ein entsetzlicher Haufen von geistigem und seelischem Unrat in den Köpfen der Menschen angesammelt hat und weil die leitenden Politiker unfähig sind, für die einfachsten ihnen gestellten Aufgaben eine vernünftige Lösung zu finden.       .

In den Jahren zwischen 50.000 und 10.000 vCh hat die Menschheit die Menschenfresserei überwunden. Aber es kam dann die Periode des Mordens  auf Staatsbefehl, das wir „Krieg­führen“ nennen. Aber heute hat die Atomwaffe den Unterschied zwischen Siegern und Besiegten aus der Welt geschafft. Vor unsrer und der nächsten Generation steht deshalb die große Aufgabe, den Krieg radikal abzuschaffen, aber auch im Unterbewußtsein all das auszurotten, was dieser Aufgabe im Weg steht. Wir müssen eine Revolution vollbringen, die der Abschaffung der Menschenfresserei ebenbürtig ist. Hätte man nur einen Teil der kriegerischen Energien in die Hebung des Lebensstandards gesteckt, wäre die Wahnvorstellung vom Kampf um den Lebensraum gar nicht aufgekommen. In Wahrheit gehen wir auf eine Zeit des Überflusses zu, wenn sich nur der Todfeind in unsren Köpfen und Herzen ausrotten läßt.

Unsre Aufgabe besteht nicht darin, andere Weltenkörper zu erobern, sondern unsren eigenen  Weltenkörper in Ordnung .zu bringen. Erst dann haben wir das moralische Recht, uns auch anderen Gestirnen zu nähern. Vielleicht ist die Erde nicht der einzige bewohnte Himmelskörper und vielleicht wird sie von Wesen kontrolliert, die uns in der Entwicklung um Jahrtausende voraus sind und die es nicht zulassen, daß wir andere Weltenkörper mit unseren Wasserstoffbomben verseuchen.

 

 

 

Christenverfolgung

 

Verfolgt 2010:

Cbristen leben gefährlich. Das l.-dtrifft zwar glücklicherweise bei uns nicht (mehr) zu, in anderen Regionen der Welt aber zweifellos. Das Geiseldrama in einer syrisch-katholischen Kirche in Bagdad, bei dem Ende Oktober islamische Terroristen gezielt Christen erschossen, hat das einmal mehr vor Augen geführt. Vertreter aller Kirchen reagierten entsprechend bestürzt. Doch es ist keine neue Erkenntnis, daß Christen in vielen Ländern der Erde ihren Glauben nicht ohne Weiteres praktizieren können, sondern deswegen bedroht sind..

Vor allem in islamischen Ländern haben es Christen schwer. Der schleichende Exodus aus dem Irak ist ein beredtes Zeichen dafür. Immer mehr Christen sehen hier keine Lebensgrundlage mehr. Trotzdem erscheint die Verfolgung nicht nur eine Sache von korantreuen Fanatikern. Auch in Nordkorea, China, Laos oder Eritrea müssen Christen um Leib und Leben fürchten. Nach Angaben des Hilfswerkes Open Doors werden heute weltweit etwa 100 Millionen Christen bedroht und verfolgt.

Die Kirchen haben längst erkannt, daß die solcherart bedrängten Glaubensgeschwister Unterstützung brauchen. So hat die EKD erstmals in diesem Jahr zu einem Gebetstag aufgerufen, die Evangelische Allianz folgt jetzt am 14. November mit ihrem traditionellen weltweiten Gebetstag. Solche Gebetszeiten sind beileibe keine Alibiveranstaltungen: Sie beweisen den verfolgten Christen, daß sie mit ihrem schweren Schicksal nicht vergessen sind.

Ferner zeigen sie in einer säkularisierten und wenig informierten Öffentlichkeit, daß die Kirchen und Christen zusammenstehen, weil sie zu einer weltweiten Gemeinschaft gehören. Gleichwohl dürfen solche Gebete nicht dazu benutzt werden, den Konflikt zwischen Christen und Muslimen zu schüren. Das wäre wohl kaum im Sinn einer Problemlösung - und christlich schon gar nicht..

 

Kein Kampf der Kulturen 2010:

Mindestens 200 Millionen Christen leben nach Ansicht von Paul Murdoch, Vorsitzender des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit (Bonn), ihren Glauben in Unfreiheit. „In über 60 Staaten wird den Christen das Recht auf Religionsfreiheit verwehrt“, sagte Murdoch beim Studientag der Württembergischen Arbeitsgemeinschaft für Weltmission in Stuttgart. Unter den 28 Staaten, in denen Christen am stärksten verfolgt werden, befänden sich 22 islamische Staaten. Zu den Ländern mit der schärfsten Verfolgung zählten Saudi-Arabien, Nordkorea, Eritrea, Laos, Afghanistan, Turkmenistan, China, Vietnam, Iran, Pakistan, Jemen und Burma.

EKD begeht Sonntag Reminiszere als „Tag der bedrängten und verfolgten Christen“

Hundert Millionen. Unvorstellbar groß ist diese Zahl. So viele Christen - mindestens - werden weltweit verfolgt. Das christliche Hilfswerk „Open Doors“ dokumentierte zu Beginn des neuen Jahres eine Statistik der Verfolgung. Christen gehören damit zu der Glaubensgemeinschaft, die am meisten verfolgt ist.

Die Statistik weist keine Überraschungen auf: Nordkorea steht an erster Stelle. Neben dem ebenfalls kommunistisch geprägten Laos sind ansonsten acht muslimische Staaten unter den zehn Spitzenreitern der Statistik. Weitere Schreckensmeldungen erreichen uns tagtäglich: In Malaysia häufen sich die Anschläge auf Kirchengebäude. Ägypten, Nigeria, Algerien und Irak reihen sich in die lange Liste der Länder ein, in denen sich Christen schon lange nicht mehr sicher fühlen können. Und so fort!

Wie reagieren wir im behüteten Europa? Viele sagen: Sollen die Muslime erst einmal Religionsfreiheit in ihren Ländern verwirklichen, dann kann man ihnen gegenüber tolerant sein. „Welcher Gott ist stärker?“, titelte „Der Spiegel“ an Weihnachten. Es ging um den „Kampf der Kulturen“ zwischen Islam und Christentum. So prägnant dieser Titel auch ist, so ist er doch in mehrfacher Hinsicht falsch.

Zunächst geht er offenbar von einem Kampf zwischen mehreren Göttern aus. Damit trifft er weder christliches noch islamisches Selbstverständnis. Mehr noch: Im Christentum stellt sich Gott selbst vor mit dem Satz: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Korinther 12,9). Hat sich da das Christentum in der Vergangenheit allzu schnell mit den herrschenden Mächten arrangiert? So geschehen bei der „Konstantinischen Wende“, als das Christentum zur römischen Staatsreligion wurde. Haben nicht Christen selbst schon kurz darauf Andersgläubige verfolgt, gewaltsam getauft oder gar ermordet?

Richtig ist: Europa wurde in den vergangenen Jahrhunderten im Kampf gegen den Islam zusammengeschweißt. Selbst die Reformation überlebte auch deshalb, weil die Türken vor Wien für die Habsburger in den Jahren nach 1520 eine größere Gefahr waren als ein abtrünniger Mönch in Wittenberg.

Heute wirbt der Islam mit schlichteren und daher durchschlagkräftigeren Regeln: Die „fünf Säulen“ mit Glaubensbekenntnis, Fasten, festen Gebetszeiten, Almosen und Pilgerfahrt sind eingängig. Gleichzeitig decken sie alle spirituellen und sozialen Bedürfnisse ab.

Doch auch im Christentum ist die Sache an sich einfach: Das Doppelgebot der Liebe gegenüber den Nächsten und Gott hat Jesus ins Zentrum seiner Botschaft gestellt. Er ergänzt in der Bergpredigt: „An den Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matthäus 7, 16).

Am 28. Februar, dem Sonntag „Reminiszere“ („Gedenke!“) wird nun der verfolgten Christen in aller Welt gedacht. Wie sollen wir darüber hinaus ihrem unvorstellbar großen Vorbild gerecht werden? Da ist wohl unser aller Engagement im Alltag und vor Ort gefragt. Und der Kern der christlichen Botschaft lautet nun einmal nicht „Auge um Auge“, sondern besteht in dem Doppelgebot der Liebe. Wenn die Kraft des Christentums noch nicht erkaltet ist - auch dies behauptet „Der Spiegel“ - dann wird es sich an dieser Frage erweisen. So können wir unseren Glauben bekennen.

 

Türkei 2010:

Istanbul, die Kulturhauptstadt 2010, präsentiert sich als Blaupause für das Zusammenleben der Kulturen und Religionen. Die Metropole sei lebendiges Beispiel für das Verschmelzen der Zivilisationen, hatte der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zur Bewerbung geschrieben. Dabei rühmt sich Istanbul, die größte türkischen Stadt, auch ihrer langen christlichen Geschichte.

Doch Christen in der Türkei müssen auf die von ihnen erhofften Rechte weiter warten. Bartholomäus I., der orthodoxe Patrile arch von Konstantinopel, holte im Dezember in einem Interview mit einem US-amerikanischen Fernsehsender zum Paukenschlag aus. „Wir werden als Bürger zweiter Klasse behandelt“, beklagte er und ließ sich in seinem von Stacheldraht, Kameras und Polizei geschützten Amtssitz filmen.

Er kritisierte, daß das vor mehr als 30 Jahren von der Türkei geschlossene orthodoxe Priesterseminar auf der Heybeli-Insel vor Istanbul trotz langer Verhandlungen noch immer geschlossen ist. Die theologische Hochschule sei für den Nachwuchs und den Fortbestand seiner Kirche lebenswichtig. Ohne Ergebnis habe er immer wieder in Ankara vorgesprochen. „Eine solche Schule geschlossen zu halten ist eine Schande“, sagte er. Er selbst fühle sich in der Türkei „gekreuzigt“.

Bitten und betteln müssen auch die Katholiken, die im südtürkischen Tarsus die Wiederöffnung der 1943 vom Staat konfiszierten Paulus-Kirche erreichen wollen. Das Gotteshaus aus dem 12. Jahrhundert am Geburtsort des Apostels Paulus war über Jahrzehnte von der Armee als Lagerhaus genutzt worden. Vor dem Beginn des Paulusjahres war sie ein Museum. Bis vergangenen Sommer durfte sie zwölf Monate lang für Gebete genutzt werden.

Zunächst war erklärt worden, die Kirche solle bis zu einer endgültigen Entscheidung geöffnet bleiben. Am 28. Juli 2009 sei dann aber Ordensschwestern in Tarsus mitgeteilt worden, daß sie immer drei Tage vor einer geplanten Messe um eine Genehmigung bitten müssten, erklärte die katholische Kirche. Wer einen Gottesdienst feiern wolle, müsse Eintrittskarten kaufen. Sollte der Gottesdienst einen negativen Einfluss für die Besichtigung anderer Besucher haben, werde die Leitung des Museums die Messe auf eine halbe Stunde verkürzen.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner warf der Türkei eine „unwürdige Behandlung“ der Christen vor. Wo die Religionsfreiheit so massiv eingeschränkt werde, müsse man sich auch ernsthaft um andere Menschenrechte sorgen. Er sieht in der fehlenden Religionsfreiheit in der islamischen Welt auch einen Grund dafür, weshalb es in Deutschland eine Abneigung gegen Muslime gebe. Er kämpfe seit zwei Jahren darum, daß die Paulus-Kirche in Tarsus für alle Christen als Gotteshaus ständig zu Verfügung gestellt werde. „Es ist ein vergeblicher Kampf. Und da fragt man sich vom Gefühl her: Da stimmt etwas nicht. Und daher kommt auch so die ganze Aversion gegen unsere muslimischen Mitbürger.“

 

Irak 2010:

Zuhaira Aqarwi und ihre Tochter Rita Toshe sind einfach nur froh und dankbar. Endlich müssen sie sich nicht mehr vor Anschlägen und dem alltäglichen Terror fürchten. „Zum Schluss konnten wir uns als Christen in Mossul kaum noch auf die Straße wagen“, erzählen sie. Seit September vergangenen Jahres leben die beiden Flüchtlinge aus dem Nordirak in Deutschland, erst im Aufnahmelager in Friedland, inzwischen in einer eigenen Wohnung in Magdeburg.

Der Grund für ihre Flucht ist durchaus nachvollziebar: Als Christin musste die alleinerziehende Mutter zuletzt um Leib und Leben fürchten. „Entführungen und Morde sind in Mossul an der Tagesordnung“, erzählt sie. Zuletzt habe die 13-jährige Tochter angesichts der Anschläge nicht mehr zur Schule gehen können. Es seien vor allem die Christen, die unter der Gewalt zu leiden haben, erklärt die 51-Jährige. Niemand wisse, woher der Terror komme, und eine staatliche Gewalt, die für Recht und Ordnung sorge, sei nicht vorhanden. »Das ganze Land ist unsicher geworden.“.

Daß sie mit ihrer Tochter nach Deutschland kommen konnte, verdankt sie auch dem Einsatz der Kirchen. „Ohne die Unterstützung der evangelischen Kirche und von Nele Allen­berg, juristische Referentin beim Bevollmächtigen in Berlin, hätten wir es nicht geschafft“, sagt Zuhaira Aqarwi. Dank ihrer Hilfe konnten die beiden Irakerinnen zunächst nach Jordanien fliehen und von dort aus nach Deutschland einreisen.

Doch dabei soll es nicht bleiben: Erstmals hat die EKD in diesem Jahr bundesweit zu einem „Tag der verfolgten Christen“ aufgerufen. Am 28. Februar 2010soll besonders an die bedrängten Gläubigen im Irak mit einer Fürbitte erinnert werden. Der Grund ist klar: In weiten Teilen des Iraks werden Christen aus ihren Häusern vertrieben und umgebracht, ihre Kirchen und Einrichtungen seien Zielscheiben von Anschlägen.

Vorsichtigen Schätzungen zufolge wurden im Irak seit dem Sturz Saddam Husseins über 700 Christen ermordet. Allein in der vergangenen Woche sind nach Angaben des katholischen Hilfswerkes „Kirche in Not“ vier Christen in Mossul Anschlägen zum Opfer gefallen. Wer dahinter steckt, ist nicht bekannt. Der katholische Erzbischof Amil Shamaaoun Nona vermutet eine politische Gruppierung, „die einen Nutzen vom Verschwinden der Christen hat“..

Von den einst 1,5 Millionen Christen im Irak vor 2003 leben heute noch schätzungsweise 500.000 im Land. Die meisten haben es in Richtung Syrien oder Jordanien verlassen. Etliche Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr über das europäische Programm zur Neuansiedlung irakischer Flüchtlinge in die Bundesrepublik gelangt, so wie Zuhaira Aqwarwi und ihre Tochter.

Die beiden hoffen jetzt, hier eine neue Heimat und Anschluss an eine christliche Gemeinde zu finden. Sie gehören zwar zur orthodoxen Kirche, sind aber offen für andere Gemeinden. Die Mutter absolviert derzeit einen Deutschkurs, und ihre Tochter besucht eine Sekundarschule. Noch sei die Sprache das größte Hindernis. „Aber wenn ich Deutsch kann, will ich wieder arbeiten“, sagt Zuhaira Aqarwi, die bis 1997 als Maschinenbauingenieurin und Betriebsleiterin im Irak tätig war. Die Tochter soll nach Möglichkeit Medizin studieren und Ärztin werden. „Aber das Wichtigste ist“, sagt ihre Mutter, „daß die Angst endlich vorbei ist.“

 

 

Ägypten 2011: Al-Kaida erklärt Christen Krieg:

Kairo. Das neue Jahr war in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria keine halbe Stunde alt, da wurde es für die Gläubigen in der koptischen St. Markus- und Petrikirche schon zum Schreckensjahr. Als Hunderte von ihnen aus dbr Neujahrsmesse strömten, zerriss eine ohrenbetäubende Explosion die besinnliche Stimmung, die sie im Gotteshaus empfangen hatten.

Es war ein Inferno. Leichen lagen in ihrem Blut, Verletzte krümmten sich schreiend am Boden, brennende Fahrzeugtrümmer, Schutt und Scherben überall - Bilder, wie man sie in Ägypten nur aus Fernsehberichten aus Bagdad kennt. 21 Gläubige riss der Selbstmordattentäter mit in den Tod. Unter den überlebenden Kirchgängern mischte sich Wut in die Trauer.

Vor allem jüngere scharten sich um ein paar Jugendliche, die aus Holzlatten schnell überlebensgroße Kreuze zusammengezimmert hatten, und riefen: „Unser Leben, unsere Seele geben wir für unser Kreuz!“ Steine flogen gegen die gegenüber gelegene Schark-al-Medina-Moschee. Ägyptische Sonderpolizei drängte die Menge mit Tränengas ab. Das ganze Wochenende hindurch brodelte es in Alexandria. Immer wieder versammelten sich unzählige Christen vor ihren Kirchen, um dort ihren aufgestauten Zorn herauszuschreien. Tausende kamen zu den Begräbnissen der Opfer, sie waren alle aufgewühlt und aufgebracht.

Ägyptens Kopten haben Grund zur Wut. Der Staat, der den Islam als Amtsreligion in der Verfassung verankert hat, benachteiligt sie in vielen Bereichen. Sie dürfen nur selten Kirchen bauen und werden im Staatsdienst gegenüber Muslimen diskriminiert. Während Christen jederzeit zum Islam konvertieren können - und etliche das wegen der strengen Scheidungsbestimmungen der koptischen Kirche auch tun - ist es für einen Muslim unmöglich, den christlichen Glauben anzunehmen. Aufgeklärtere Kopten kritisieren aber auch die Belagerungsmentalität, den Dogmatismus und die Unduldsamkeit, die sich in ihrer Kirche unter Papst Schenuda III. breitgemacht hätten.

Die Konflikte zwischen muslimischen und christlichen Ägyptern um baulich vergrößerte Gotteshäuser und konvertierte Seelen münden nicht selten in tödliche Gewalt. Doch das Massaker von Alexandria verweist auf eine ganz andere Qualität. Nicht nur deutete das Regime von Präsident Husni Mubarak mit dem Finger auf „ausländische Elemente“, nicht nur nannte der Gouverneur von Alexandria, Adel Labib, die Al-Kaida im Irak beim Namen. Der Anschlag trug auch für Experten deutlich die Handschrift des zur Zeit der US-Besatzung im Irak entstandenen Terrornetzes.

Hinzu kommt, daß die Organisation „Islamischer Staat des Iraks“ bereits vor einer Woche Anschläge gegen Christen im gesamten arabischen Raum angekündigt hatte. Der Al-Kaida-Ableger hatte sich ausdrücklich auf einen der gegenwärtig schwelenden Glaubenskonflikte in Ägypten bezogen. Die Affäre ist ebenso undurchsichtig wie bizarr: Zwei mit Priestern verheiratete Christinnen waren zum Islam konvertiert, um sich von ihren Männern scheiden zu lassen, würden aber seitdem angeblich von der Kirche in „Geiselhaft“ gehalten. Der „Islamische Staat“ verlangt die „Freilassung unserer muslimischen Schwestern“. Auch im vergangenen Oktober, als Terriiristen in einer christlich-assyrischen Kirche in Bagdad fast 60 Gläubige niedermetzelten, hatte die irakische Al-Kaida das Blutbad als „Vergeltung“ für das angebliche Festhalten der beiden ägyptischen Neu-Musliminnen dargestellt.

 

Nigeria 2010:

Bei blutigen Zusammenstößen im Umland der Stadt Jos in Nigeria sind am vergangenen Wochenende mehrere Hundert Menschen getötet worden. Ein Sprecher der Regierung des Bundesstaats Plateau erklärte am Montag, mehr als 500 Bewohner mehrerer Dörfer seien in der Nacht zum Sonntag Angriffen bewaffneter Milizen zum Opfer gefallen. Überlebende in Dogo Nahawa - einem Dorf im Süden von Jos - machten muslimische Hirten vom Volk der Haussa-Fulani für die Angriffe verantwortlich. Diese hätten innerhalb weniger Stunden ein regelrechtes Blutbad unter der einheimischen Bevölkerung, den christlichen Berom, angerichtet.

Es ist das zweite Massaker dieser Art in Jos binnen weniger Wochen. Augenzeugen berichteten, Frauen und Kinder seien mit Macheten in Stücke gehackt oder bei lebendigem Leib in ihren Hütten verbrannt worden. Das Dorf Zot sei dem Erdboden gleichgemacht worden.

Erst Mitte Januar waren in der Stadt im Zentrum Nigerias mehrere Hundert Bewohner bei Unruhen ums Leben gekommen.

Hintergrund der Unruhen sind Konflikte über Land und politischen Einfluss. Einheimische Ethnien - mehrheitlich Christen - kritisieren eine aggressive Expansionspolitik von Haussa-Fulani-Zuwanderern aus dem muslimischen Norden. Haussa-Fulani, von denen viele schon in der zweiten oder dritten Generation in Jos leben, beklagen ihrerseits einen Ausschluss von allen politisch bedeutenden Gremien.

 

Religionsfreiheit: „Ein vollwertiges Menschenrecht“, 2010:.

Die Religionsfreiheit ist ein elementares Menschenrecht. Sie bietet dem Menschen die Möglichkeit, sich in den Sinnfragen des Lebens, also in Fragen der Religion und der Weltanschauung, selbständig zu orientieren. Deswegen gehören die Religionsfreiheit und die Würde des Menschen eng zusammen. Denn Menschenwürde heißt ja, den Menschen in seiner Eigenverantwortung zu achten. Das gilt gerade auch da, wo es um den Sinn des Lebens geht.

Es gibt Länder, in denen Menschen nicht einmal im Privaten ihre Religion praktizieren können. Länder, in denen der Staat die Seele vergewaltigt. Anderswo greifen Staaten in die Manifestationen des religiösen Lebens, also beispielsweise Gottesdienste und Gebete, ein und reglementieren sie. Dahinter steckt dann oft die Furcht, daß das gewünschte Bild einer homogenen Gesellschaft gefährdet wird, wenn Menschen einem anderen Glauben anhängen. Und es gibt oft Probleme mit der Gleichbehandlung der Angehörigen verschiedener Religionen: Als Menschenrecht geht die Religionsfreiheit natürlich von der Gleichbehandlung aller Menschen aus. Die Menschen sollen alle in der Lage sein, ihre Religion zu leben. Tatsächlich werden in einer Reihe von Staaten religiöse Minderheiten aber massiv verfolgt.

Christliche Kirchen und Hilfswerke gehen davon aus, daß die Christen weltweit die am Stärksten verfolgte Religion sind. Rein quantitativ haben die Kirchen natürlich recht: Die Christen sind die weltweit größte Religion, da ist es verständlich, daß es in Ländern, in denen die Religionsfreiheit nicht gewährleistet wird, oft Christen sind, die verfolgt werden. Und man muß ganz klar und deutlich sagen, daß in Ländern wie dem Iran, wie Pakistan, China oder Somalia christliche Gruppen sehr stark von Verfolgung betroffen sind. Allerdings geht es nicht immer nur um die Quantität, sondern auch um die Intensität der Verfolgung: Und da sollten wir nicht vergessen, daß manche kleineren Religionen, etwa die Bahai im Iran, ebenfalls sehr stark betroffen sind, und Opfer eines regelrechten Vernichtungsfeldzugs zu werden drohen.

Der UN-Sonderbevollmächtigter hat eine Reihe von Möglichkeiten, die in der Praxis aber natürlich auch begrenzt sind. Eine Möglichkeit sind die Demarchen, ein diplomatischer Briefwechsel, mit dem ich bei Regierungen Protest gegen Verletzung der Religionsfreiheit einlegen kann. Geschieht dann nichts, kann der Briefwechsel auch veröffentlicht werden, was den Druck auf die Regierung natürlich erhöht.

Daneben kann der Sonderbevollmächtigte mit Länderbesuchen, deren Ergebnisse veröffentlicht werden, Aufmerksamkeit für die Religionsfreiheit wecken. Aber weil sein Amt ein Ehrenamt ist, geht das natürlich auch nur stichprobenartig. Und dann kann er sich in die konzeptionelle Weiterentwicklung der Menschenrechte einbringen: Es ist wichtig, daß die Religionsfreiheit als vollwertiges Menschenrecht zur Geltung kommt, und nicht in Richtung einer bloßen Toleranzsemantik ins Unbestimmte abrutscht.

In den Vereinten Nationen ist die Religionsfreiheit als Menschenrecht verankert, und zwar im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den derzeit 165 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen  ratifiziert haben. Im Rahmen dieses Paktes sind regelmäßige Überprüfungen vereinbart worden, bei denen es darum geht, wie sehr die Staaten die Menschenrechte einhalten. Das ist eine Möglichkeit, um das Thema Religionsfreiheit auf den Tisch zu bringen, für die die öffentliche Aufmerksamkeit in der Regel auch sehr hoch ist.

Man wird sagen können, daß es in Europa um die Menschenrechte und auch um die Religionsfreiheit in der Regel gut bestellt ist. In Westeuropa gibt es keine aktive Verfolgung religiöser Minderheiten von Staats wegen. Gleichwohl bestehen Defizite, wenn es um die Gleichstellung der Angehörigen unterschiedlicher Religionen geht. Da findet sich ein Gefälle zwischen Mehrheits- und Minderheitsreligionen. In einzelnen Ländern, etwa Griechenland, führt das zu Schwierigkeiten: Da ist die griechisch-orthodoxe Kirche von der Verfassung so stark bevorzugt, daß die Missionstätigkeit anderer Gruppen verboten wird. Einige Mitglieder der Zeugen Jehovas etwa sind deswegen sogar schon ins Gefängnis gekommen.

Und dann gibt es da noch eine völlig andere Ebene - etwa, wenn populistische Politiker, oft aus Oppositionsparteien, gegen religiöse Minderheiten hetzen. Dazu zählt etwa die islamfeindliche Partei des Holländers Geert Wilders. Hier hat der Staat die Aufgabe, die Menschenrechte nicht durch Extremisten gefährden zu lassen.

Wenn ein Menschenrecht so umstritten ist, wie die Religionsfreiheit - dient es dann dem Frieden? Die Religionsfreiheit ist auf jeden Fall ein Weg zum Frieden. Wobei der Frieden an dieser Stelle so definiert ist, daß jeder Mensch in Würde und Freiheit leben kann. Das ist der Maßstab des Friedens. Und wer die Menschenrechte - auch die Religionsfreiheit durchsetzt - setzt sich damit für den Frieden ein.

 

Bundestagsdebatte: Nur verfolgte Christen?

Zwei Christen aus dem indischen Bundesstaat Orissa saßen am Donnerstag der vergangenen Woche auf der Besuchertribüne des Berliner Reichstagsgebäudes. Über Kopfhörer verfolgten sie die Debatte des Deutschen Bundestages. Denn kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause diskutierten die Abgeordneten über das Thema Religionsfreiheit. Zwei Anträge von CDU/FDP und von Bündnis 90/Die Grünen standen dazu auf der Tagesordnung, ein weiterer Antrag der SPD soll nach der Sommerpause ins Parlament eingebracht werden. Alle Anträge fordern die Bundesregierung zu einem stärkeren Eintreten für Religionsfreiheit und das Recht auf Religionswechsel auf - unterschiedlich bewerten sie hingegen die Frage, welches Gewicht die deutsche Politik der weltweiten Christenverfolgung geben soll.

„In Orissa werden Christen verfolgt, gedemütigt und die Behörden schauen zu“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder. Die Religionsfreiheit sei eines der zentralen Menschenrechte, das in Indien und anderen Staaten mißachtet würde. In mehr als 60 Staaten würden Christen verfolgt, auch in der Türkei litten sie unter Bedrängnis. „Wir eröffnen in den Beitrittsverhandlungen Kapitel um Kapitel, aber ein Land, das näher zu Europa will, muß den elementaren Menschenrechtsschutz auch erfüllen“, betonte Kauder. „Ich bin dafür, daß Moslems in Deutschland Moscheen bauen dürfen, aber ich erwarte genau das Gleiche von allen anderen Ländern in der Welt: Daß Christen ihre Kirchen, genauso bauen können wie Muslime ihre Moscheen.“ Jeder Mensch müsse „die glückliche Erfahrung“ von Religion und Glauben machen dürfen.

Hingegen warnte der SPD-Abgeordnete Christoph Strässer davor, die Debatte um das Thema Religionsfreiheit auf die Christenverfolgung zu beschränken. So seien im Iran fünf Führer der Religionsgemeinschaft der Bahai mit der Todesstrafe bedroht, und auch tibetische Buddhisten würden religiös verfolgt. Auch der menschenrechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, wandte sich dagegen, etwa die Zahl der weltweit verfolgten Christen mit jener der weltweit verfolgten Bahai zu vergleichen. „Was sagt es aus, daß weniger Bahai als Christen verfolgt werden, wenn es weltweit weniger Bahais als Christen gibt?“, fragte Beck in der Debatte. Es dürfe keinen Wettbewerb zwischen den einzelnen Verfolgten geben.

Der kirchenpolitische Sprecher der Linkspartei, Raju Sharma, bezeichnete in der Debatte seine Partei als „Partei der Freiheit“, die verurteile, daß in vielen Ländern die Religionsfreiheit nicht existiere. In Deutschland brauche es aber eine stärkere Trennung von Kirche und Staat: Es sei falsch, daß die evangelische und die katholische Kirche durch Staatsleistungen und die staatliche Finanzierung des Religionsunterrichts gegenüber anderen Religionen bevorzugt würden.

Für die Bundesregierung wies Außenminister Guido Westerwelle (FDP) darauf hin, daß das Eintreten für Religionsfreiheit bereits heute ein zentrales Anliegen der „wertegeleiteten Außenpolitik“ der Regierung sei. „Es ist die Lehre aus unserer eigenen Geschichte, daß wir für Religionsfreiheit eintreten.“

 

China

Einem Staatsgast aus China, wo Christen verfolgt werden, wurde der rote Teppich in die Wittenberger Schlosskirche ausgerollt. Vikare sind empört. Es passierte am 1. Juni an der Schlosskirche Wittenberg, direkt  vor Luthers legendärer Thesentür: Der Vorplatz und die Kirche werden gesperrt, ein roter Teppich wird zur Kirche hin ausgerollt, chinesische Staatsflaggen aufgestellt: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident empfängt an den „Toren der Freiheit“ den Vizepräsidenten der Volksrepublik China. Und das vor dem Hintergrund, dass laut Hilfswerk „Open Doors“ in China viele Christen verfolgt und unterdrückt werden.

Für fünfzehn Vikare des evangelischen Predigerseminars, das direkt an die Schlosskirche grenzt, ist diese „Vereinnahmung kirchlichen Raums als Kulisse politischer Inszenierung“ zuviel. Sie empören sich in einem Offenen Brief. „Wir wussten einen Tag vorher von dem Empfang“, erzählt Sebastian Kreß, Vikar in Reichenberg und Moritzburg und derzeit zu einem Ausbildungskurs am Predigerseminar Wittenberg. Deshalb hatten die angehenden Pfarrer schon vorher mit Kreide ihren Protest gegen die Christenverfolgung auf Englisch vor Luthers Thesentür geschrieben: „Beenden Sie die Verfolgung unserer Brüder und Schwerstern!“  Doch beim Staatsempfang wird der Schriftzug vom roten Teppich elegant verdeckt. Ein gleichlautendes Banner, das aus der Etage des Predigerseminars hängt, wird von der Polizei entfernt.

Schließlich formulieren die Vikare ein Schreiben an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Darin heißt es: „Staatsflaggen gehören nicht vor die Kirchentür! (...) In einem Gotteshaus ist jede und jeder willkommen. Keinem Menschen gebührt es, dafür extra einen roten Teppich ausgerollt zu bekom men! (...) Wir halten das schweigende Übergehen der Menschenrechtsverletzungen in China durch Repräsentanten von Kirche und Politik für unverantwortlich!“ Kritisch fragen sie auch das Vorgehen der Polizei an.

Auf Nachfrage heißt es von der EKD, dem Eigentümer der Schlosskirche, dass man grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu solchen Schreiben nehme. Der Platz vor der Kirche gehöre der Stadt, nicht der Kirche, erklärt Jörg Bielig, Kustos vom Predigerseminar. Die Ausbildungsstätte habe deshalb das Hausrecht nur in der Kirche, aber keinen Einfluss auf rote Teppiche oder Flaggen davor. Die Meinungsfreiheit der Vikare habe man nicht einschränken wollen, so Bielig. Auch der Offene Brief und die darin enthaltene Kritik sei seiner Meinung nach in Ordnung.

Dass schließlich das kritische Banner vom Fenster durch die Polizei abgenommen wurde, liege „an der fehlenden Absprache der Urheber mit uns“, so Gabriele Metzner, stellvertre- tende Leiterin des Predigerseminars. Sie selbst sei von der Polizei gefragt worden, ob es entfernt werden dürfe. Und sie habe „in der Hektik und ohne zu wissen, von wem und was darauf steht“ zugestimmt.

In der Sache aber stehe sie hinter dem Offenen Brief, betont sie. Dabei hatte Gabriele Metzner selbst den Staatsgast aus China durch die Schlosskirche geführt, ans Grab des Reforma tors. „Ich habe den Gast auf die Reformation als Befreiungsbewegung hinge- wiesen, auch auf die Thesentür als Tor der Freiheit“, sagt sie. „Aber ich kann keine öffentlichen Worte der Kritik an ihn richten“, verteidigt sie, warum auf die Menschenrechtsverletzungen in China nicht hingewiesen wurde. Einen Tag später, ergänzt Metzner, hätten die Vikare in der Schlosskirche eine Fürbitte für verfolgte Christen gehalten (GH 25/19).

 

 Christenverfolgung 2020

Das Hilfswerk Open Doors veröffentlichte im Januar den Weltverfolgungsindex 2020, die Rangliste der 50 Länder, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Angeführt wird sie von Nordkorea, gefolgt von Afghanistan, Somalia, Libyen und Pakistan. Nach Angaben der Organisation habe die Gewalt gegen Christen und ihre Kirchen dramatisch zugenommen. Im Berichtszeitraum vom November 2018 bis Oktober 2019 seien fast 9.500 Kirchen und kirchliche Einrichtungen angegriffen, zerstört oder geschlossen worden; im Vorjahr waren es nur 1.850.

In den 50 Ländern des Index leben rund fünf Milliarden Menschen, darunter nach Angaben der World Christian Database und Schätzungen von Open Doors rund 640 Millionen Christen. Mehr als ein Drittel von ihnen sei starker bis extremer Verfolgung ausgesetzt. Besonders christliche Leiter würden bedroht, verhaftet oder ermordet. Weite Teile der Bevölkerung begegneten Christen mit wachsender Feindseligkeit. Im Alltag, etwa im Bildungsbereich, an der Arbeit oder bei Behörden, erleben sie massive Schikanen.

Neben den 50 aufgeführten Ländern des Index sind Christen In 23 weiteren Staaten mit einem hohen Maß von Verfolgung konfrontiert. Auffällig sind die weltweit zunehmende Kontrolle und Unterdrückung kirchlichen Lebens sowie die Zerstörung und Schließung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen, am stärksten in China (Glaube und Heimat 3/2020).

 

 

Bedrückende Festtage für Christen 2019:

Weihnachten 2019 wurde für Christen in einigen Ländern von Angst und Trauer überschattet, meldete das Hilfswerk Open Doors. Seit Jahren beobachte die Organisation, daß gerade die Feiertage in vielen Ländern zum Anlaß genommen werden, gegen Christen vorzugehen. Beispielsweise wurde auf den Komoren, einer Inselgruppe vor der Küste Ostafrikas, kurz vor Weihnachten in einer Erklärung davor gewarnt, das Fest zu feiern. Derartige Feiern seien - so der Generaldirektor für Islamische Angelegenheiten in dem offiziellen Dokument -  „gleichbedeutend mit Korruption und moralischer Dekadenz“ und „mit den islamischen Werten, Prinzipien und der islamischen Zivilisation unvereinbar.“

In Turkmenistan wurde am zweiten Feiertag ein unerlaubter Weihnachtsgottesdienst von der Polizei gestürmt. Aus Nigeria wurden zwei blutige Vorfälle während der Weihnachtstage gemeldet.

 

Christenverfolgung 2019:

Das Jahr 2019 war eines der blutigsten für Christen. Das sagte der Deutschlandgeschäftsführer des weltweit tätigen katholischen Hilfswerkes „Kirche in Not“, Florian Ripka, gegenüber der Wochenzeitung „Welt am Sonntag“ Auf der ganzen Welt sähen Extremisten in Angriffen auf Christen eine „legitime Alternative für direkte Schläge gegen den Westen“. Ripka verwies auf Morde in Syrien sowie auf Anschläge auf den Philippinen, in Sri Lanka und in Burkina Faso.

In dem westafrikanischen Land wurden am ersten Advent bei einem Anschlag auf eine Kirche 14 Menschen getötet. Seit Februar seien bei Angriffen auf christliche Einrichtungen 20 Menschen ums Leben gekommen.

Der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, erklärte: „Angesichts der Intoleranz, die weltweit aktuell von Regimen ausgeht, die den Islam politisch mißbrauchen, ist der Islam hier derzeit sicherlich am stärksten herausgefordert. „Die Bekämpfung und Verdrängung anderer Bekenntnisse dürfe „in keiner Religion einen Platz haben“. Der Ratsvorsitzende forderte, Deutschland dürfe grundsätzlich keine Christen in die islamischen Länder Afghanistan und Iran abschieben, in denen „insbesondere konvertierte Christen ihre Religion nicht gefahrlos leben können“.

Der frühere Vorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kau der, sagte der Zeitung, die Situation von Christen sei in vielen Regionen der Welt besorgniserregend. Neben dem Nahen Osten nannte er die Sahel-Region in Afrika und Asien. Nach den Worten des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), haben Christen „von Pakistan bis Nigeria“ Probleme: „Der fruchtbare Halbmond ist zu einem furchtbaren Halbmond geworden.“

In Algerien verschärfe sich die Lage der Christen, berichtete die Zeitung weiter. Obwohl in dem nordafrikanischen Land der Islam Staatsreligion sei, habe es lange als „liberaler Ort für Andersgläubige“ gegolten. Seit diesem Jahr aber würden die rund 125.000 Christen in dem Land massiv verfolgt Die Behörden hätten mittlerweile 16 der insgesamt 42 Kirchen geschlossen. Mehrere Christen stünden wegen Missionierung oder der Vermietung von Gebetsplätzen vor Gericht. Ihnen drohten Geld- und Gefängnisstrafen. Als Vorwand für die Kirchenschließungen würden fehlende Registrierungen und Genehmigungen angeführt. In Wirklichkeit seien die Maßnahmen wohl ein Ablenkungsmanöver der korrupten Regierung, die sich seit Monaten mit Massenprotesten der Bevölkerung konfrontiert sehe. Bisher habe sich das Vorgehen der Behörden noch nicht auf die Stimmung der Bevölkerung übertragen, erklärte der für die Weltweite Evangelische Allianz tätige libanesische Menschenrechtsexperte Wissam al-Saliby gegenüber der Zeitung. (idea).

 

 

Ukraine-Krieg:

Am 24. Februar marschierten die Truppen des russischen Diktators Putin in der Ukraine ein. Angeblich herrsche dort eine Naziregierung, die die Russen in der Ostukraine umbringt. Er wolle diesen „Völkermord „verhindern und beging doch selber Völkermord, weil er mit seiner „militärischen Spezialoperation“ nicht militärische Ziele, sondern Krankenhäuser, Schulen und Wohnblocks zerstörte, so wie er das schon in Syrien gemacht hatte.

An sich hatte man gedacht, wegen des atomaren Patts könne es keinen Krieg mehr geben. Aber jetzt überfiel eine Großmacht einen Nachbarstaat und sprach diesem die eigene Staatlichkeit ab, weil der alte KGB-Mann der Sowjetunion nachtrauerte und wieder einen Gürtel von Satellitenstaaten um sich haben wollte. Dabei hätte er doch eher Sicherheit gehabt, wenn er friedlich mit seinen friedlichen Nachbarn zusammengeleb´pßt hatte, wie da sin den Jahren 1990 bis 2000 der Fall war. Damals hat man sogar die Frage gestellt, ob man nicht Rußland in die Nato aufnehmen könne.

Aber die Nato griff jetzt nicht ein, weil das einen großen Krieg bedeutet hätte und die Ukraine zwar einen Antrag auf Aufnahme in die Nato gestellt hatte, aber nicht Mitglied war. Man versicherte zwar, man würde den Verpflichtungen gegenüber den anderen früheren sowjetischen Mitgliedern nachkommen werde. Aber einstweilen beschränkte man sich auf Waffenlieferungen (schließlich auch aus Deutschland) und „Sanktionen“, die aber vorerst wenig brachten, weil man bei Gas, Erdöl und Steinkohle von Rußland abhängjg war und deshalb Putins Krieg mitfinanzierte. Auch andere Wirtschaftszweige mußten leiden. Und weil Rußland und die Ukraine viel Getreide lieferten (was man vorher gar nicht so wußte), gab es am 17. März im Lidl und REWE kein Mehl, Zucker und Sonnenblumenöl mehr.

Zu DDR-Zeiten waren wir alle strikt gegen die Aufrüstung. Aber damals ging es um einen möglichen Atomkrieg, gegen den jede Rüstung nichts genützt hätte. Und seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nur Bürgerkriege gegeben (in Asien und Afrika, aber auch auf dem Balkan). Jetzt aber hat eine Großmacht einen kleineren Nachbarn mit fadenscheinigen Gründen überfallen. Rußland hätte es besser gehabt, wenn es die Ukraine hätte gewähren lassen, denn die Nato ist ja nur ein Verteidigungsbündnis, einen Angriffskrieg könnte sie nicht gegenüber der eigenen Bevölkerung durchsetzen.

Aber aus Angst vor einem Dritten Weltkrieg kann die Nato dann letztlich doch nicht schützen.

Deshalb ist es verständlich, daß jeder Staat selber aufrüsten möchte. Insofern muß man doch überlegen, ob die christliche Ethik nicht differenziert werden müßte. Ist es nicht doch besser, durch Rüstung abzuschrecken als nachher nur die Wunden zu verbinden? Natürlich gilt auch weiter „Frieden schaffen ohne Waffen“. Abner dieser Satz muß wohl doch ergänzt werden durch das Recht auf Selbstverteidigung.

Die Ukraine hätte natürlich auch die Russen kampflos ins Land lassen können, dann wäre ihr viel Leid erspart worden. Die Ukrainer hätten wenigstens ihr Leben fristen können. Ich selber habe ja auch 25 Jahre unter den Russen gelebt¸ das geht schon, auch wenn es nicht ideal ist. Aber es ist auch verständlich, wenn ein Volk frei sein will. An sich sollte ja auch die UNO kriegerische Auseinandersetzungen verhindern. Aber was nutzt das, wenn der Aggressor im Sicherheitsrat sitzt?

 

Kirchliche Verlautbarungen waren bisher von pazifistischen Stimmen geprägt. Aber es ist auch ein gewisser Zynismus, der in der angeblichen Friedensbewegung vorherrscht. Da wird gefordert, daß die Ukrainer sich ergeben sollen und damit den Weg Jesu wählen. Der habe in Gethsemane Petrus mit dem Schwert zurückgehalten. Ja, natürlich! Das sollen die Ukrainer jetzt tun, das gebietet das Evangelium. Damit sie für unsere Schuld bezahlen, wie Jesus am Kreuz?

Wer das fordert, hat anscheinend vergessen, daß wir unsere Freiheit, unseren Wohlstand, unsere Sicherheit dem mutigen Eingreifen von zehntausenden alliierten Soldaten im zweiten Weltkrieg verdanken. Ohne sie wäre dieser letzte Weltkrieg nicht mit Deutschlands Niederlage beendet worden. Ohne dieses Eingreifen wären die europäischen Juden allesamt in den Konzentrationslagern umgebracht worden. Ohne diesen blutigen militärischen Kampf wäre Europa nicht von Nazi-Herrschaft, Völkermord und Terror befreit worden.

Eine Friedensethik, dien ur den Gewaltverzicht kennt, ist weder verantwortungsvoll noch christlich, sondern einzig und allein ideologisch. Sie ist nicht bereit, das eigene Leben, nicht einmal die eigenen Privilegien oder das eigene Recht-Behalten-Müssen herzugeben für die Brüder. Dieser Pazifismus ist verantwortungslos und nicht der Inbegriff des Christentums. weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Völkermord und Vergewaltigung, russische Gefängnisse voller Menschen, die es wagten, ihre Meinung zu sagen, vergiftete Dissidenten und erschossene Journalistinnen - ja, aber nicht Krieg. Die Forderung Jesu zum Gewaltverzicht und dem Verzicht auf Privilegien ist eine Forderung an jeden einzelnen Christen. Bitte: Erfüllt sie und zeigt nicht auf andere! Man fragt sich, warum niemand einer Haltung von „Alles, nur nicht Krieg!“ laut widerspricht in der Kirche.

 

 

„Im Krieg ist alles erlaubt“

NDR Fernsehen, Redaktion Panorama

                                                                                                                      13.08.2022

Sehr geehrte Frau Reschke,

in der letzten Panorama-Sendung haben Sie wieder einmal tüchtig gegen einen vermutlichen Mißstand gewettet. Natürlich haben Sie im Journalistikstudium gelernt, daß Normalitäten keine Meldung sind und daß man tüchtig auf den Putz hauen muß, um Aufmerksamkeit zu erregen. Es ist ja auch gut, daß die Medien so eine Art vierte Gewalt sind, die der Regierung auf die Finger sehen. Aber manchmal wünscht man sich doch mehr Ausgewogenheit.

Ihr Thema war der „völkerrechtswidrige“ Einsatz von Drohnen. Dabei ist das Völkerrecht nirgendwo fixiert so wie das Grundgesetz oder das Strafgesetzbuch. Man kann es höchstens erschließen aus der UN-Charta und vielen internationalen Verträgen. Doch es wird nicht verbindlich, nur weil Herr Trittin den Ausdruck verwendet.

Am 9. September 2001 hat Al-Khaida den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt, nicht mit einem Dokument wie früher, sondern mit einer Handlung. Seitdem gilt zwischen den Beiden nicht mehr das Völkerrecht, sondern das Kriegsrecht. Und im Krieg ist alles erlaubt, auch Giftgas und Atombomben – leider.

Ab er es ist kein Unterschied, ob man durch ein Bajonett erstochen wird oder durch einen Pistolenschuß getötet oder den Splitter einer Granate oder Bombe abkriegt. Am Ende ist immer der Mensch tot. Es gibt keine guten oder schlechten Waffen, keine erlaubten oder unerlaubten - sie sind alle menschenfeindlich.

Man kann auch keinen Unterschied machen zwischen Zivilisten und Soldaten, so als sei das Töten eines Soldaten erlaubt. In den Meldungen der Opfer ist oft von Frauen und Kindern die Rede. Aber auch Soldaten sind Opfer, von anderen für deren Zwecke in den Tod geschickt. Deshalb ist der Krieg an sich verwerflich.

Aber es spielt keine Rolle, mit welchen Mitteln er geführt wird. Auch eine Drohne ist da nichts anderes als eine Kalaschnikow. Sie hat für Angreifer und Angegriffenen den „Vorteil“, daß sie präzise ist und militärische Ziele treffen kann. Menschliche Fehlleistungen in diesem Zusammenhang sind natürlich schrecklich. Aber auch in der konventionellen Kriegsführung werden Zivilisten nicht verschont. Die Russen ballern ihre Geschosse einfach in Richtung Feind und sind zufrieden, wenn sie mit jedem zehnten Schuß ein militärisches Objekt treffen. Wer prangert das einmal an?

Die Amerikaner haben nun einmal die besseren Waffen. Warum sollten sie diese nicht an­wenden, wenn dadurch vielleicht der Krieg verkürzt wird, weil der Aggressor zum Rückzug gezwungen wird? Selbst Elon Musk mischt da jetzt mit seinen Satelliten mit. Und wenn die Amerikaner für ihre Operationen den Stützpunkt Ramstein brauchen, dann verstoßen sie damit nicht gegen deutsches Recht, denn nirgendwo steht geschrieben, daß Drohnen verboten sind. Die Amerikaner haben uns von der Naziherrschaft befreit und schützen auch weiterhin unsre Freiheit. Wir können ihnen nur dankbar sein und sollten nicht immer wieder in einen blinden Anti-Amerikanismus verfallen. Deutschland hat übrigens auch Drohnen, angeblich unbewaffnet, aber für eine Bewaffnung geeignet.

Die gezielte Tötung von Terroristenanführern ist eine Kriegshandlung und kann nur ver­dammt werden, wenn man auch den Krieg an sich verdammt. Den Amerikanern und uns wird das nicht viel nützen, denn es werden gleich wieder neue Anführer bestimmt und die Terrororganisationen werden eher noch Zulauf erhalten. Aber es ist so etwas wie eine Selbstberuhigung – auch gegenüber der eigenen Bevölkerung: „Wir haben etwas gemacht!“ Und vielleicht beeindruckt es doch irgendwie die Terroristen. Sie müssen wissen, daß sie zur Verantwortung gezogen werden können, wenn man ihrer nur habhaft werden kann, notfalls auch mit Drohnen. Jeder Kriegsverbrecher und jeder Diktator soll nicht hoffen dürfen, daß er ungestraft bleibt.

Ihre Sendezeit war natürlich begrenzt. Aber es wäre doch „journalistischer“ gewesen, den einen oder anderen Gesichtspunkt meiner Ausführungen mit zu erwähnen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Heckert

 

Brief an Landesbischof Kramer:

Peter Heckert

Maulbeerweg 21

63477 Maintal

                                                                                                                                  14.11.2022

Lieber Herr Kramer,

in Ihrem Streitgespräch mit Herrn Stäblein in „Glaube und Heimat“ hat mich besonders gestört ihr Vorschlag, in der Ukraine einen entmilitarisierten Korridor zu schaffen, der von Blauhelmen bewacht wird. Sehen Sie allen Ernstes die Teilung der Ukraine in zwei Staaten als Lösung an? So mit einem Reisepaß, um ins Nachbardorf zu kommen, mit Geschenkpaketen und Partnergemeinden! Da wäre es einfacher gewesen, die Ukraine hätte ich gleich als Ganzes ergeben.

Ich habe das zunächst auch angesichts der russischen Übermacht als einzige Möglichkeit gesehen. Abe dann haben die Ukrainer begonnen, ihre Freiheit und Unabhängigkeit tapfer zu verteidigen. Damit verteidigen sie auch unsere Freiheit und Unabhängigkeit, denn wenn man Zar Putin dem Schrecklichen das hätte durchgehen lassen, dann hätten wir bald wieder eine DDR oder ganz Europa stünde unter Putins Herrschaft und er hätte endlich den Weltmacht-status, den er anstrebt (daß er ihn jetzt verspielt hat, ist ihm noch nicht klar). Im Grunde lassen wir die Ukraine allein, aus Angst vor einem wirklich großen Krieg. Waffen sind nur ein Alibi, damit wir weiter unsere Ruhe haben können.

In den Zeiten der „Nachrüstung“ und der Mittelstreckenraketen habe ich auch einen absoluten Friedensweg vertreten. Aber damals ging es tatsächlich um den ganz großen Krieg. Damals konnte man sich nicht vorstellen, daß es unter dem Atomwaffenschirm einen „kleinen“ konventionellen Krieg geben könnte. Und es war bei der Gründung der Vereinten Nationen auch nicht im Blick, daß ausgerechnet ein Mitglied des Sicherheitsrats einen Angriffskrieg beginnt. Aber solange die Uno keine Macht hat, ist halt so etwas wie die Nato notwendig, um einen Aggressor abzuschrecken. Nur hat es in diesem Fall nicht geholfen, weil die Ukraine noch nicht Mitglied der Nato war.

Es ist ein Unterschied, ob ich meine Mutter gegen einen Angreifer verteidige (beliebte Frage bei den Kriegsdienstverweigererausschüssen) oder ob ich nur mit einem Messer am Unterschenkel ausgehe - „nur zur Verteidigung“, aber bei einem zunächst nur verbalen Streit wird dann doch das Messer gezogen. Jede Form von Gewalt ist abzulehnen (bald hätte ich gesagt, „zu bekämpfen“). Es ist kein Unterschied, ob ein Soldat - also ein Mensch - durch einen Bajonettstich umkommt oder durch eine Atombombe. Und die Russen sind genauso unschuldige Opfer wie die Ukrainer.

Man kann natürlich sagen: Waffenlieferungen verlängern den Krieg! Aber der Hitlerkrieg wurde durch Waffenlieferungen verkürzt und viele Menschenleben noch dadurch gerettet. Es gibt auch keinen Unterschied zwischen Verteidigungswaffen und Angriffswaffen, alle sind sie von Übel, aber das ist leider nun einmal nicht zu ändern. Herr Stäblein hat recht: „Du sollst nicht töten, aber auch beim Töten nicht zuschauen!“

Die christliche Friedensethik hätte längst erweitert werden müssen, denn Kriege gab es längst auch vor dem Überfall auf die Ukraine. Aber Gottes Gebot gilt immer dem Angreifer. Wenn er sich nicht daran hält, müssen die anderen ihm in den Arm fallen, wenn sie nicht gegen das Gebot verstoßen wollen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Heckert

 

 

Wenn der Krieg länger dauert, sterben viele Menschen, Opfer und nicht Täter (daß diese sterben, ist auch schlimm). Wenn es in der Nachbarwohnung brennt, wird man auch helfen und nicht sagen: „Je schneller der Nachbar stirbt, desto besser für ihn!“ Nichts zu tun ist unterlassene Hilfeleistung.

Es ist ein Unterschied, ob man im Frieden einen Krieg vorbereitet oder ob man im Falle eines Angriffs sich wehrt. Aber anstatt daß sich beide Seiten auf diesen Tag vorbereiten, ist es besser, daß sie miteinander sprechen und friedlich miteinander auskommen.

 

Brief an Rainer Eppelmann:                                                                           27.02.2023     

Laut epd sagen Sie von sich, daß Sie immer noch Pazifist sind. Was könnte man auch anders sein, als Mensch und als Christ?! Aber die Zeiten haben sich geändert seit dem kalten Krieg. Damals ging es gegen die Spirale der Aufrüstung, die die Gefahr eines Weltkriegs heraufbeschwor. Die Hoffnung war, daß wegen der Atomwaffen ein konventioneller Krieg nicht mehr möglich wäre. Doch Putin der Schreckliche hat es möglich gemacht: ein Mitglied des Weltsicherheitsrats hat seinen kleinen Nachbarn überfallen und droht mit Atomwaffen, sollte er in die Defensive geraten. Da kann man der Ukraine nicht raten, sich doch einfach zu ergeben, damit nicht mehr so viel Menschen umkommen und so viel zerstört wird. Auch Friedensverhandlungen würden nur dazu führen, daß die Ukraine geteilt wird - so wie Deutschland geteilt war und ständig eine Quelle für Spannungen war. Nach der Annexion der Krim gab es ja auch keinen Frieden, auch bei der Anerkennung des Status quo gäbe es weiterhin Beschuß an der Trennungslinie. Seit einem Jahr verteidigt die Ukraine unsre Freiheit und die Demokratie. Wir aber lassen sie allein und machen uns ein gutes Gewissen mit zögernden Waffenlieferungen. Nicht zu helfen wäre aber unterlassene Hilfeleistung. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ gilt nur für den Angreifer, nicht aber für das Opfer. Man darf oder muß auch Vorbereitungen zur Verteidigung treffen. Insofern billige ich, daß Sie 1990 für den Verbleib Deutschlands in der Nato eingetreten sind, denn das verhindert, daß die „DDR“ oder auch gleich ganz Deutschland zum historischen“ Staatsgebiet Rußlands gemacht wird.

Aber leider ist es auch eine Illusion, daß Polizisten nur Tränengas oder Knüppel haben sollten. Als „Abrüstungsminister“ haben Sie sogar selber eine Pistole bi sich getragen- zur „Selbstverteidigung“. Wenn die Personenschützer mit einer solchen Waffe ausgestattet sind, ist das noch einigermaßen in Ordnung. Aber für Sie persönlich war es übertrieben. Wenn Sie Angst um Ihr Leben gehabt haben, dann hätten Sie das Amt nicht annehmen sollen. Ein Kollege türkischer Herkunft hat auch gesagt, er gehe nur mit einem Messer am Unterschenkel aus – zur Selbstverteidigung. Da muß man sich nicht wundern, daß es dann doch zu Messerstechereien kommt. Wenn man schon meint, Waffen habe zu müssen, dann muß man auch sehr verantwortungsvoll und zurückhaltend damit umgehen. Ich wünsche uns allen, daß Waffen überflüssig werden, die kleinen und die ganz großen.

Mit freundlichen Grüßen   Peter Heckert

 

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© Homepage von Peter Heckert