Übersicht Inhalt: Ausflugsziele, Bonifstiudroute, Elisabethweg, Lutherweg in Hessen,Route der Industirekultur, Radwege, Menhire, Römer in Hessen

 

 

Ausflugsziele

 

Die hier vorgestellten Ausflugsziele für Fahrten mit dem Auto, dem Rad und zu Fuß sind vor allem ausgewählt aus kulturgeschichtlichen und zum Teil auch naturgeschichtlichen Interesse. Ähnlich wie bei den Regionalparkrouten geht es darum, daß der Weg gegliedert ist durch sehenswerte Einzelheiten am Rand. Aber während bei den Regionalparkrouten oft durch künstliche Objekte die Erinnerung geprägt werden soll, werden hier nur die vorgegebenen Sehenswürdigkeiten besprochen. Die vorgeschlagenen Touren sind nicht so gemeint, daß man sie an einem Tag bewältigt, sondern sich so einteilt, wie man es sich wünscht.

Die Angaben sind zusammengestellt aus ganz unterschiedlichen Materialien:

Zeitungsartikel, Infoblätter, Informationstafeln, Fernsehsendungen, Internet und Bücher. Vor allem ging, es darum, das schnellebige Material aus den Zeitungen zu erhalten. Da ich seit 20 Jahren sammle und diese Sammlung damals nur für mich bestimmt war (es gab ja noch kein Internet für jedermann), habe ich die Quellenangaben nicht festgehalten. Ich wollte auch den Text nicht aufblähen durch ständige Anmerkungen, die die Lesbarkeit erschweren.

Ich habe keinen wissenschaftlichen Anspruch, für die Angaben kann ich keine Gewähr übernehmen. Wie jeder andere habe ich auf den Erkenntnissen anderer aufgebaut, das geht gar nicht anders. Das Material wurde jedoch von mir aus eigener Erfahrung bearbeitet bis auf einige Abschnitte, die noch Materialsammlung sind. Mir kam es darauf an, die Beschreibung so zu gestalten, daß jeder den Weg nachvollziehen kann und sich ohne große Mühe vorher informieren kann.

Mein Vorschlag ist dabei: Wenn man ein Ziel hat, dann kann man den Text zu Hause ausdrucken und vor Ort dann Schritt für Schritt nachvollziehen. Informationstafeln am Eingang einer Altstadt nützen nichts, weil man sie ja nicht mitnehmen kann. Man kann natürlich auch eine Stadt ganz unvorbereitet erkunden. Aber nachher bedauert man vieleicht, die eine oder andere Sehenswürdigkeit übersehen zu haben. Meine Vorschläge sollen da eine Hilfe sein.

 

 

Frankfurt : Allgemein, Rundgang, Geschichte, Goethe, Innenstadt.

Rundfahrten Bockenheim - Rödelheim, Eschersheim - Niederursel, Heddernheim- Praunheim und nördlichste Dörfer; Höchst, Süden, Osten, Gewässer.

 

Hanau: Geschichte, Rundgang, Stadtteile, Wilhelmsbad.

 

Wetterau: Allgemeines (Limes, Bonifatiusroute), Bad Vilbel (Massenheim, Dortelweil, Dottenfelderhof, Gronau), Karben und Kloppenheim, Friedberg (Ockstadt, Rodheim, Rosbach, Petterweil, Bruchen­brücken, Bauernheim), Bad Nauheim (Obermörlen, Rödgen, Steinfurth), Butzbach, archäologischer Wanderweg, Grüningen, Pohlheim, Lich, Arnsburg, Trais, Grünberg, Laubach, Hungen, Niddatal (Ilbenstadt, Assenheim, Wickstadt, Bönstadt, Kaichen, Altenstadt, Kloster Engelthal, Lindheim, Leustadt, Konradsdorf, Glauberg, Keltenstätte, Ortenberg, Lißberg, Stockheim, Nidda, Bad Salzhausen, Ranstadt, Dauernheim, Münzenberg, Rockenberg, Wohnbach, Wölfersheim, Echzell, Bingenheim, Florstadt, Mockstadt, Reichelsheim, Büdingen, Wanderungen, Herrnhaag, Marienborn, Rommelhausen.

 

Vogelsberg:

Allgemein, Rundfahrten, Hirzenhain, Gedern, Sichenhausen, Völzberg, Wüstwillenroth, Böswinkel, Birstein, Eichselsdorf, Schotten, Breungeshain, Hoherodskopf, Ilbeshausen, Ulrichstein, Herbstein, Hopfmannsfeld, Brachttal, Hellstein, Udenhain, Untersotzbach, Reichenbach, Radmühl, Salz, Ober-Moos, Nieder-Moos, Freiensteinau, Wächtersbach, Wittgenborn, Waldensberg, Leisenwald, Streitberg, Spielberg, Romrod, Kirtof, Lauterbach, Schlitz, Großenlüder, Stockhausen, Flieden.

 

Rhön: Allgemein, Radwege, Hessische Rhön ( Fulda, Petersberg, SchloßFasanerie, Eichenzell, Kalbach, ersfeld, Poppenhausen, Wasserkuppe, Hofbieber, Milseburg, Hilders, Tann, Hünfeld, Sargenzell, Rasdorf, Eiterfeld), Bayerische Rhön: (Wildflecken, Bischofsheim, Kreuzberg, Fladungen, Nordheim, Ostheim, Bad Neustadt, Mellrichstadt, Bad Kissingen), Thüringische Rhön (Kelten, Henneberg, Kaltennordheim, Meiningen, Dolmar, Geba, Spahl, Frankenheim, Geisa, Feldatal, Dermbach, Vacha, Bad Salzungen, Gerstungen).

 

Spessart:

I  Allgemeines und Rundfahrten

 

II Norden (Sinntal, Kinzigtal, Nordspessart, Nordwestspessart):

1.) Sinntal: Herolz, Vollmerz, Sannerz, Weiperz, Sterbfritz, Breunings, Willingsee, Neuengronau, Altengronau, Zeitlofs, Schwarzenfels, Züntersbach, Bad Brückenau, Mottgers, Wei­chersbach, Oberzell.

2.) Bergwinkel (Elm, Hutten, Gund­helm, Steckelberg, Ramholz, Vollmerz, Brandenstein)

3.) Nordspessart: Obersinn, Mittelsinn, Burgsinn, Rieneck, Gemünden, Schönau, Langenprozelten, Sindersbachtal, Ruppertshütten, Bayerische Schanz, Rengers­brunn, Aura.

4.) Nordwestspessart: Biebergemünd (Wirtheim, Kassel, Bieber, Wiesbüttsee, Flörsbach, Kempfenbrunn, Mosborn, Frammersbach, Lohrhaupten,

 Pfaffenhausen, Lettgenbrunn, Villbach, Forsthaus Horst , Bad Orb, Jossgrund (Jossa, Marjoß, Mernes, Burgjoss,Oberndorf).

 

III Kinzigtal:

1.) Schlüchtern, Nordwestlich von Schlüchtern, Südlich von Schlüchtern,

2.) Von Schlüchtern nach Steinau (Nordseite), Steinau

3.) Von Steinau nach Bad-Soden-Salmünster, Östlich von Salmünster

4.) Bad-Soden-Salmünster,

5.) Wächtersbach (Schlierbach), Von Wächtersbach nach Gelnhausen

6.) Gelnhausen, Gründau, Meerholz

7.) Linsengericht: Großenhausen, Geislitz, Eidengesäß, Altenhaßlau, Lützel

8.) Freigericht und Hasselroth: Neuenhaßlau, Niedermittlau, Bernbach, Altenmittlau, Horbach, Neuses, Somborn, Gondsroth.

 

IV Kahlgrund:

1.) Großwelzheim, Dettingen, Kahl, Kalhlgrundbahn, Kapellenweg

2.) Alzenau, Wasserlos, Hörstein, Hahnenkamm, Rückersbach, Gunzenbach)

3.) Kälberau, Michelbach, Albstadt, Niedersteinbach.

4.) Nördlicher Kahlgrund: Dörnsteinbach, Omersbach, Geiselbach, Parkplatz Hoheberg, Huckelheim, Hofstätten, Schneppenbach über Schönberg, Krombach, Hauenstein

5.) Mömbris, Feldkahl, Großkahl, Schöllkrippen Sommerkahl (evtl. Wiesen).

 

V Main West und Zentral:

1.) Aschaffenburg

2.) Umgebung Aschaffenburgs: Oberafferbach, Johannesberg, Glattbach, Damm, Goldbach, Schmerlenbach, Haibach, Grünmorsbach, Dörrmosbach, Gailbach, Schweinheim, Obernau, Mainaschaff, Leider, Schönbusch, Nilkheim (Großostheim siehe Darmstadt-Dieburg).

 

3.) Wenighösbach, Hösbach, Sailauf, Rottenberg, Eichenberg, Jakobsthal, Heinrichsthal, Wiesthal, Habichs­thal, Partenstein, Neuhütten, Heigenbrücken, Laufach, Frohn­hofen.

4.) Waldaschaff; Rothenbuch, oberes Hafenlohrtal, (Rohrbrunn).

5.) Rohrbrunn, Dammbach, Krausenbach, Wintersbach, Neuhammer, Heimbuchenthal, Mespelbrunn, Hessenthal, Heimbuchenthal, Oberbessenbach, Keilberg, Unterbessenbach, Autobahn Waldschaff-Bessenbach

6.) Eschau: Erlenbach, Mechenhard, Schmachtenberg , Röllbach, Mönchberg, - Unteraulenbach, Hobbach (siehe Zentral), Volkersbrunn, Leidersbach (Sulzbach).

7.) Großheubach (Kloster Engelthal), Klingenberg, Erlenbach, Elsenfeld, Kleinwallstadt, Sulzbach Soden, Sulzbach (mit Buchenmühle), Soden, Ebersbach, Leidersbach, Hausen, Elsenfeld, Kleinwallstadt, Dornau.

 

VI Osten:

1.) Bürgstadt, Freudenberg, Reistenhausen, Fechenbach, Stadtprozelten, Faulbach, Altenbuch

2.) (Rohrbrunn) Schollbrunn, Breitenbrunn, Hasloch, Wertheim (mit Kreuzwertheim),

Homburg, Leng­furt.

3.) Weibersbrunn, unteres Hafenlohrtal, Rothenfels, Marktheidenfeld, Kredenbach, Bischbrunn.

4.) Lichtenau, Bischborner Hof, Rechtenbach, Lohr, Steinbach, Mariabuchen, Sendelbach, Pflochsbach, Neustadt.

5.) Bad Neustadt, Bad Bocklet, Bad Kissingen, Hammelburg, Karlstadt, Himmelstadt, mehrere Orte in Franken.

 

 

Rhein- Main

Rhein:

Koblenz, Brau­bach, Boppard, St. Goar, Loreley, St. Goarshausen, Oberwesel, Kaub, Bacharach, Trechtings­hausen, Binger Wald, Bingen, Mäuseturm, Rettbergsaue, Nierstein, Ingelheim, Heides­heim, Gau-Alges­heim, Budenheim, Stadecken,  Mainz, Nonnenaue, Oppenheim, Gwernsheim,  Worms, Speyer, Lampertheim, Lorsch, Kühkopf, Goddelau, Leheim, Worfel­den.

 

Main Westen:

Mainmündung,  Hochheim, Mechthildhausen, Wicker,  Bad Weilbach,  Flörsheim,  Regionalparkroute, Okriftel, Nauheim, Trebur, Bischofsheim,  Groß-Gerau, Rüsselsheim,  Walldorf, Raunheim.

 

Offenbach:

Neu-Isenburg, Dreieich (Buchschlag, Sprendlingen),  Langen, Egelsbach, Offenbach, Rumpenheim, Mühlheim, südlich von Steinheim, Obertshausen,Heusenstamm, Dietzenbach, Rödermark (Oberroden) , Rodgau  (Jügesheim), Mainhausen,  Seligenstadt, Hainburg (Hainstadt

 

Darmstadt  - Dieburg:

Wixhausen, Erzhausen, Weiterstadt, Darmstadt (Bessungen, Roßdorf),  südlich von Darmstadt, Kranichstein, Messel, Dieburg, Groß-Umstadt, Otzberg, Schaafheim, Babenhausen.

 

Odenwald:

Bergstraße: Pfungstadt ,Bickenbach, Frankenstein, Seeheim-Jugenheim, Alsbach-Hähnlein, Zwingenberg (Melibokus, Auerbacher Schloß), Fürstenlager, Bensheim, Heppenheim, Hemsbach, Weinheim, Großensachsen, Leutershausen, Schriesheim, Dossenheim, Handschuhsheim, Heiligenberg, Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen.

West: Reinheim, Groß-Biberau, Modautal, Lichtenberg, Billings, Lautertal, Felsenmeer, Knoden, Lindenfels, Fürth, Rimbach, Mörlenbach, Birkenau, Siedelsbrunn, Heilig­kreuzsteinach, Schönau.

Mitte: Brensbach, Fräkisch-Crumbach, Rodenstein, Schnellerts, Reichelsheim, Ober-Ostern, Weschnitz, Hammelbach, Grasellenbach, Wahlen, Tromm, Affolterbach, Waldmichelbach, Heddesbach, Schönmattenwag, Raubach, Mossautal, Rehbach, Brombachtal, Hummetroth.

Ost: Mümling-Crumbach, Bad König, Michelstadt, Erbach, Beerfelden,Gammelsbach, Rothenberg, Katzenbuckel, Hesseneck (Hesselbach, Schloß Waldleiningen, Kailbach, Schöllenbach), Vielbrunn, Lützelbach-Rimhorn, Breuberg, Höchst, Schloß Nauses, Otzberg.

Neckar: Heidelberg, Ziegelhausen, Dilsberg, Neckarsteinach, Neckarhausen, Hirschhorn, Eberbach, Neckargemünd, Neckarelz, Bad Wimpfen.

Südosten: Mosbach, Mudau, Buchen, Walldürn, Amorbach.

Main: Stockstadt. Groß­­­ostheim (und Umgebung), Niedernberg, Obernburg,  Wörth,   Laudenbach, Kleinheubach, Miltenberg.

 

 

 

 

Taunus: Rheingau, Vordertaunus, Hochtaunus, Hintertaunus, Lahn

Rheingau:

Wiesbaden, Römer, Mainz-Kastell, Umgebung von Wiesbaden, Martinsthal, Rheingauer Gebück, Walluf, Eltville, Rauenthal, Kiedrich, Kloster Eberbach, Hattenheim, Hallgarten mit Hallgarter Zange und Mapper Schanze, Oestrich, Mittelheim, Winkel, Schloß Vollrads, Schloß Johannisberg, Marienthal, Geisenheim,), Rüdesheim mit Abtei St. Hildegard, Kloster Nothgottes und Niederwalddenkmal,

Assmannshausen, Lorch, Wispertal.

 

Vordertaunus:

Friedrichsdorf, Bad Homburg, Oberursel, Falkenstein, Krinberg,Bad Soden, Königstein, Schloßborn, Schneidhain, Fischbach, Rettershof, Eppstein, Kelkheim, Hofheim

 

Hochtaunus:

Altkönig, Sandplacken, Großer Feldberg, Feldbergskastell, Oberreifenberg, Schmitten, Neu-Anspach, Hessenpark, Saalburg, Lochmühle, Wehrheim, Pfaffenwiesbach, Kapersburg, Winterstein.

 

Hintertaunus:

Ziegenberg, Gaulskopf, Weiltalweg, Weilmünster, Idstein, Bad Camberg, Aartal,

Bad Schwalbach, Wehen, Heidekringen, Zugmantel, Schlangenbad, Holzhausen, Nastätten, Miehlen, Katzenelnbogen, Jammertal, Dachsenhausen, Wispertal.

 

Lahn:

Allgemein, Gießen, Biebertal, Krofdort-Gleiberg; Ehringshausen, Edingen, Dünsberg, Greifenstein, Dillenburg, Herborn, Haiger, Kloster Altenberg, Waldgirmes, Wetzlar, Oberbiel, Braunfels, Weilburg, Vilmar, Runkel, Dehrn, Dietkirchen, Limburg, Diez, Hadamar, Westerburg, Birlenbach, Balduinstein, Habenscheid, Geilnau, Laurnburg, Arnstein , Obernhof, Bergnassau, Nassau, Dausenau, Bad Ems, Ehrenbreitstein, Lahnstein.

 

 

Wanderrouten und Pilgerwege

In Hessen sind in den vergangenen Jahren entlang historischer Routen mehrere Pilgerpfade entstanden, getragen von Kirchengemeinden beider Konfessionen und von Vereinen. Für dieses Jahr lädt ein Arbeitskreis von sechs Pilgerpfaden zum „Ökumenischen Pilgersommer Hessen“. Auftakt ist am 20. Mai in Hochheim am Main. Dort wird das zehnjährige Bestehen der Bonifatius - Route von Mainz nach Fulda gefeiert. Ein Pilgerfest zu Ehren der Hl. Elisabeth in Marburg am 28. September setzt den Schlußpunkt.

Der Unterschied zwischen Wandern und Pilgern ist von außen betrachtet kaum zu erkennen.

Und doch ist Pilgern anders als Wandern. Beim Gehen mit Beten, Schweigen. Singen oder Meditieren geht es darum, seinen Glauben zu finden, zu sich selbst zu finden. Auch die Wege von Wandern und Pilgern  sind nicht unbedingt identisch.

Pilgern ist also so etwas wie die spirituelle Schwester der Wanderlust. Wie viele Pilger auf hessischen Wegen unterwegs sind, ist schwer zu schätzen. Die Pilgerführer für die Elisabethpfade von Frankfurt, Köln und Eisenach nach Marburg haben sich seit 2006 etwa 10.000-mal verkauft. Wer nicht in einer Gruppe unter Führung eines Geistlichen unterwegs ist, erhält aus dem Pilgerbuch Anregungen für Gebete oder Meditationen.

Das Pilgern braucht nur wenig Infrastruktur, viel Arbeit wird ehrenamtlich geleistet. Die Beschilderung der Wege gehört dazu. Die Kirchen an der Strecke sollten zugänglich sein. Zwei Bänke sollte es geben - „eine in der Sonne, eine unterm Dach“. Günstige Unterkünfte werden gebraucht in Gemeindehäusern, Privatquartieren oder Pensionen. Die Pilger wollen ja im Normalfall nicht viel Geld ausgeben. Und die Bevölkerung sollte nicht zu überrascht sein, wenn einmal ein Pilger um Trinken, Essen oder auch ein Nachtlager bittet. Doch wenn all dies gegeben ist, kann das Pilgern vielen helfen. Es dient dem Seelenheil des Einzelnen, dem sozialen Zusammenhalt und dem Tourismus.

 

Bonifatius-Route

 

Der Rhein-Main Verkehrsverbund hat in seiner Reihe „Rhein-Main Vergnügen“, „Hessen zu Fuß entdecken“ (www.rmv.de, auch gedruckt) eine sehr gute Karte herausgebracht. Die aufgezählten Sehenswürdigkeiten haben zwar nicht alle etwas mit Bonifatius zu tun, sollte aber auch zur Notiz genommen werden, wenn man schon einmal da ist. Deshalb sind sie auch in die folgende Ausführungen mit aufgenommen worden. Nähere Einzelheiten zu den einzelnen Stätten finde sich bei den jeweiligen Orten der „Ausflugsziele Hessen“. Aktuelle Informationen zur Bonifatius-Route www.bonifatius-route.de. Teilweise parallel zur Bonifatiusroute verläuft der Jakobsweg durch das Kinzigtal (siehe dort).

 

 

Der 1250. Todestag des heiligen Bonifatius jährt sich am 5. Juni 2004. Zwar ist der Todestag des Mis­sionars am 5. Juni 754, da der Leichnam aber erst Wochen spä­ter in Mainz ankam, käme der 10. Juli gemäß Historikern dem Start des Leichenzuges am nächsten. Dann soll die rund 180 Kilo­meter lange Strecke endlich eröffnet wer­den, den der Leichenzug des heiligen Mannes im Hoch­sommer des Jahres 754 in ei­ner siebentägigen Prozession von Mainz nach Fulda genommen ha­ben könnte. Initiatoren der Route sind Vera Rupp (die stellvertretende Landesarchäologin) und Pfarrer Kurt Ra­cky aus Ortenberg, der zweite Vorsitzenden des Bonifatius-Ver­eins. Spätestens zur Eröffnung, am 10. Juli 2004, soll eine Art Wanderbuch erschei­nen, mit Kartenmaterial, Infos zu Sehenswürdigkeiten und tou­ristischer Infrastruktur entlang der Bonifatius-Route.

 

 

Daß die aktuelle Route mit dem Weg des historischen Leichenzuges anno 754 identisch sein könnte, ist nach Einschätzung des Main-Taunus-Kreis-Historikers Bert Worbs offen: Zu spärlich seien die historischen Quellen. Lediglich zur Überführung des Leichnams mit einem Boot von Mainz nach Hochheim gebe es schriftliche Zeugnisse; als Nächstes werde die Crutzenkirche in Frankfurt-Kalbach erwähnt, wo der Leichenzug eine Nacht lang pausiert haben soll. „Dazwischen ist alles auf mündliche Tradition zurückzuführen“, sagt Worbs. Auf dieser Grundlage und den alten Verbindungen des Frühmittelalters wurde die gesamte Route in einen Korridor gelegt, der dem historischen Weg nahe kommen könnte.
 

 

Die Bonifatius-Route als Pilgererlebnis

 

Vera Rupp und der Ortenberger Pfarrer Kurt Racky waren zu Fuß auf einigen bisher noch nicht abgegangenen Abschnitten unterwegs. Auf 30-Kilometer­-Tagesmärschen notierten sie Stellen, die besonderer Markierung bedürfen oder Wegabschnitte, die noch genauer unter die Lupe genommen werden müssen. Der Anblick von Wanderern mit schweren Rucksäcken, die in kleinen Orten an der Tür klingeln, um nach Wasser für ihre Trinkflaschen zu fragen, ist selten geworden. „Am ersten Tag ist man voller Euphorie, man freut sich an der Stille und an der Natur. Am zweiten Tag ist die Pause das Ziel. Am dritten Tag merkt man, daß man mögli­cherweise zu schnell gegangen ist und an den Grenzen seiner Kräfte angelangt ist. Am vierten Tag findet man seinen Rhyth­mus und ist bei sich selbst angekommen.“ Eine Erfahrung, die Racky als die spiri­tuelle Facette bezeichnet, die ihn am Pil­gern fasziniert. Sie wird nicht nur von gläubigen Menschen beschrieben. Racky ist noch von einer anderen Erfahrung be­geistert: „Ich habe gesehen, daß man auch langsam ans Ziel kommt.“

 

Im Vordergrund jeder Form des Wan­derns stehen sicherlich das Erlebnis und die Erholung in einer intakten Natur und Um­welt, denn nur hier liegt der Facettenreich­tum des Wanderns begründet.

 

Die landschaftsbezoge­nen Natursportarten erfahren gerade im Zeitalter unserer modernen Informationsgesell­schaft, wo Alltagsstreß und Reizüberflu­tung den Tagesablauf bestimmen, einen nie geahnten Zulauf in allen Schichten der Bevölkerung. Unter den Urlaubs- und Freizeitaktivitäten nimmt das Wandern daher einen Spitzenplatz ein.

 

Laut einer Studie behaupten 15 Millio­nen Deutsche, Wander- und Out­door-Anhänger zu sein. Sieben Mil­lionen hiervon behaupten, gern und häufig zu wandern, und jeder Zweite in Deutschland gibt an, mehr oder weniger regelmäßig zu wandern. Wichtiges Hauptmotiv für diese Freizeitbeschäftigung ist bei den meisten Deutschen das Naturerlebnis, denn bei kaum einer Freizeitaktivität läßt sich die Natur in­tensiver und unmittelbarer erleben als beim Wandern, bedingt nicht zuletzt durch die Erfahrung der langsamen Fort­bewegungsart, die den Blick auf das We­sentliche ermöglicht und die Wahrneh­mung für die Schönheiten der Natur ver­stärkt.

 

Der Wanderer ist also nicht zuletzt ein Naturgenießer, der sich langsam an die Natur herantastet, ihre Einzigartigkeit er­kennt und somit auch ein gewisses „Um­weltbewußtsein“ entwickelt. Das führt im Umkehrschluß dazu, daß Wandern eine umweltverträgliche und naturschonende Freizeitbeschäftigung ist, und der Wander­tourismus auch als eine Form von nachhal­tigem beziehungsweise Öko-Tourismus angesehen werden kann.

 

Neben dem Wandern als Naturerlebnis bedeutet es als Sportform natürlich auch Fitneß, da Wanderer durchaus zu Höchst­leistungen mit hohen Wandergeschwindig­keiten und Streckenlängen fähig sind. Es bedeutet aber ebenso Gesundheitsförde­rung und trifft nicht zuletzt den aus den USA stammenden Begriff von „Wellness“, da der Wohlfühleffekt beim Wandern ein sehr ausgeprägter ist.

 

Wandern ist eine der vielfältigsten Frei­zeitbeschäftigungen in Vergangenheit und Gegenwart. Natur, Kultur, Gesundheit, Wellness und Sport, aber auch der Effekt der Begegnung und des Miteinanders fü­gen sich zu einem Ganzen. Insbesondere die Begegnung mit anderen ist sicherlich ein Schlüsselaspekt des Pilgerns - viel­leicht auf der Bonifatius-Route von Mainz nach Fulda. Wandern - eine Art des Nachdenkens.

 

Gerade in der heutigen hekti­schen Zeit gewinnt das Erleben des langsamen Tempos des Gehens und Wanderns eine be­sondere Bedeutung für die Wahrnehmungsfähigkeit des Ein­zelnen, der jetzt wieder die Selbstverständ­lichkeiten der Natur als etwas außerge­wöhnlich Schönes ansieht, dessen Exis­tenz er fast schon vergessen geglaubt hat. In das gleichmäßige Geräusch des Wander­schrittes mischt sich der Windhauch in den Bäumen, das Plätschern einer Quelle oder eines Baches, das Gezwitscher der Vögel, der Ruf eines Wildtieres.

 

So ist jede Wanderung auch ein Zurückbesinnen auf die Wurzeln des Menschen in der Natur und damit auch ein Stück Erkenntnis sei­ner selbst. in besonderem Maße ist dies na­türlich bei Touren auf zahlreichen Pilger­wegen der Fall, wo das Naturerleben meist mit dem geistig-spirituellen Aspekt des Weges verbunden wird, der sich oft­mals aus den kulturhistorischen Gütern entlang der Strecke herleiten läßt.

 

 

Pilgerwege gehören zur Geschichte der Menschheit. Immer wie­der verließen Menschen ihre engere Hei­mat, ihren Alltag, um nach langen Fuß­wegen an einem berühmten Heiligtum ein Fest der Vergewisserung und der Le­bensdeutung zu feiern. In jedem Pilger­weg geht es um wichtige Kategorien menschlichen Lebens wie Sehnsucht, Aufbruch, Unterwegssein, Ziel und Heim­reise. Das Wort Pilger entstand aus der lateinischen Bezeichnung „peregrinus“: Fremder, Ausländer. Peregrinus kommt von „ager“ und meint eine Reise oder ei­nen Aufenthalt auf dem Land, auf dem Acker. So zeichnet dieses Wort eine Span­nung: Pilgern erdet, aber es bezeichnet eine geistliche Reise, deren Ziel letztlich der Himmel ist.

 

In der Reformationszeit brach für die protestantischen Christen der Zugang zum Pilgern ab. Die Reformatoren sagten, das Wallfahren werde zu sehr mißbraucht. Damit meinten sie den Ablaßhandel. Doch heute entdecken auch evan­gelische Menschen in ihrer Suche nach per­sönlicher Gotteserfahrung das „Beten mit den Füßen“ - eine ganzheitliche Übung, den eigenen Lebensweg während des Ge­hens zu bedenken. Für viele eine hilfrei­che Einübung in Genügsamkeit, Dankbar­keit, Gelassenheit und Verlangsamung. Das verändert und heilt an Leib und See­le, wirkt in den Alltag hinein und stärkt den Lebensmut, klärt, was wirklich zählt im Leben.

 

Die evangelischen Kirchen in Hessen la­den seit fast zehn Jahren zu Ökumeni­schen Pilgerwegen ein, an denen jeweils bis zu 50 Personen teilnehmen. Die Routen wechseln, aber es entstehen nun auch markierte Wege, die man ohne Grup­pe in einer meditativen besinnlichen Fuß­reise begehen kann, wie der 150 Kilometer lange Elisabethpfad von Frankfurt zur Grabeskirche der Heiligen Elisabeth in Marburg oder ab 2004 die Bonifatius-.Route von Mainz nach Fulda.

 

Pfarrer Kurt-Wal­ter Racky sagt: „Unser Grundgedanke war, den Leichenzug als Pilgerweg auszuweisen.“ Auf dem Pilgerweg begebe sich der Mensch zurück zu den historischen und geistigen Wurzeln des Christentums im frühen Mittelalter.

 

 

Lebenslauf des Bonifatius:

 

Im südenglischen Ort Crediton (Wessex) soll Bonifatius 673 geboren sein (andere Angabe: geboren 672, spätes­tens aber 675). Sein angelsächsischer Name ist „Wynfrith“ (spä­ter auch „Winfried“ geschrieben). Er hat in verschiedenen Klöstern des selbst erst seit wenigen Generationen christianisierten England seine Ausbil­dung erhalten. Irland und das von ihm kul­turell geprägte England galten damals als Zentren christlicher Gelehrsamkeit und Kunstfertigkeit. Mit asketischer Frömmig­keit suchte man dem Ideal der irdischen Heimatlosigkeit (der „peregrinatio“) durch Mission in der Fremde gerecht zu werden.

 

Winfried, der körperlich ein Riese von 1,90 Metern Größe war, ist erst mit 30 Jahren zum Priester geweiht wor­den und war bereits über 40, als er einen ersten Missionsversuch in Friesland unter­nahm. Der Angelsachse Wynfrith wandte sich zum Festland, wo eine Verständigung auf Grund der sprachlichen Verwandtschaft möglich war. Sein erster Bekehrungsversuch bei den Friesen 716 scheiterte.

 

Im Jahre 718 macht ihn Papst Gregor II. zum Heidenapostel für Hessen und Thüringen. Bonifatius war nicht nur Missionar. „Apostel“ nach dem Vorbild des Apostels Paulus nannte ihn schon zu Lebzeiten Papst Zacharias. Der Titel „Apostel der Deutschen“ ist seit dem 12. Jahrhundert in Fulda und seit dem Spätmittelalter in ganz Deutschland in Gebrauch.

 

Im Jahre  722 weiht der Papst ihn zum Bischof und gibt ihm erst den Namen „Bonifatius“ nach dem Namenstag eines Hei­ligen. (lateinisch bonum = das Gute; fatum = das Schicksal)(?), also ein Mensch, der Gu­tes tut, ein Wohltäter. Im Jahre 732 wird er Erzbischof.

 

Im Jahre 721 zog er nach Hessen, das zum Frankenreich gehörte und von den Sachsen bedroht war. Die fränkische Kirche bestand schon länger als die engli­sche, kümmerte sich aber kaum um die Missionierung. Und die Völker der Hessen und Thüringer waren nicht interessiert, den Glauben der Besatzer näher kennen zu lernen. Die Kirche war überzeugt, daß allein der christliche Glaube dem Men­schen ewiges Heil vermitteln könne. Die Kunst eines Missionars bestand darin, ganze Stammesverbände zu überzeugen, daß sie den christlichen Gott nicht als ei­nen unter anderen begriffen.

 

Legendär ist im Zuge seiner Missionie­rung bei den noch heidnischen Hessen die Fällung der Donar-Eiche bei Geismar, des germanischen Baumheiligtums. Aus ih­rem Holz soll er die Peterskirche auf der Büraburg gebaut haben.

 

Was Bonifatius hier, in den heuti­gen Regionen Hessen, Thüringen und Franken antraf, die seit fast 200 Jahren zum katholischen Frankenreich gehörten, erfüllte ihn mit heiligem Zorn: „Unter den sogenannten Diakonen finde ich Leute, die  vier oder fünf oder noch mehr Bei­schläferinnen im Bett haben und dennoch  sich nicht schämen oder fürchten, das Evangelium zu verlesen und sich Diakone zu nennen. Auch findet man unter ihnen einige Bischöfe, die zwar sagen, sie seien keine Hurer und Ehebrecher, die aber trunk- und streitsüchtig sind und eifrige Jäger und die bewaffnet im Heere kämpfen und eigenhändig Menschenblut vergossen haben von Heiden und Christen.“

 

Hier wird schon deutlich, daß er nicht Heiden bekehrte, sondern schon eine Kirche vorfand. Nur waren diese Christen „Arianer“, das heißt sie leugneten die Gottheit Jesu. Und sie unterstanden nicht dem Papst in Rom. Unerbittlich und streng verfolgte der Bene­diktinermönch seinen päpstlichen Auf­trag, nicht immer zur Freude der fränki­schen Großen, denen sein missionarischer Eifer und seine romtreuen Vorstellungen wenig paßten.

 

Amöneburg war die erste Gründung ei­nes Klosters durch Bonifatius im Jahr 721. Weitere Klostergründungen wurden zum Rückgrat für die christliche Überzeu­gungsarbeit. In Fulda errichtete der Benediktiner seit 744 ein Musterkloster. In Fulda wollte er auch begraben sein.

 

Im Jahre 746 übernahm er das Bis­tum Mainz. Für das weitere Geschick des fränkischen Reiches folgenreich war 751 sein Eintreten beim Papst für die Übernah­me der Königswürde durch Pippin III., wo­durch die Herrschaft an die Karolinger überging.

 

Seit 738 organi­sierte Bonifatius als päpstlicher Legat die bayerische und mitteldeutsche Kirche, mit der Einrichtung der Bistümer Salzburg, Regensburg, Freising, Passau, Eichstätt, Würzburg, Büraburg, Erfurt sowie der Klöster Fulda, Amöneburg Ohrdruf, Fritz­lar, Tauberbischofsheim, Kitzingen, Och­senfurt. Auf diese riesige kirchliche Organisation konnte Karl der Große die staatliche erst aufbau­en. Später wurde Bonifatius noch päpstlicher Legat für das Frankenreich und Erzbi­schof von Mainz.

 

Nicht gut bekommen ist dem heiligen Bonifatius, daß er als fast 80-Jähriger sei­nem erfolgreichen Leben noch ein i-Tüpfel­chen aufsetzen wollte. Zermürbt von den Auseinandersetzun­gen mit dem fränkischen Adel und Epis­kopat, zog 754 Bonifatius achtzigjährig nochmals als Missionar nach Friesland. Er ist noch einmal in die heutigen Niederlande zurückge­kehrt, wo er in Utrecht seine missionari­sche Laufbahn begonnen hatte. Als er nun im dritten Anlauf auch dem Friesland den Glauben verkünden wollte, haben ihn und seine 52 Begleiter zu Pfingsten 754, am 5. Juni, nahe Dokkum die hartnäckig an ihrem heidnischen Glauben festhaltenden Stäm­me überfallen und samt seiner Begleiter erschlagen.

 

Doch die jenseits des fränkischen Macht­bereichs lebenden Küstenbewohner, die ihn als Vorboten der Imperiums betrachte­ten, widersetzten sich: „Eine gewaltige Anzahl Feinde drang mit blitzenden Waf­fen, mit Speeren und Schilden ins Lager des Bonifatius ( ... ). Der Mann Gottes je­doch sammelte die Reliquien und sprach zu seinen Gefährten: Lasset ab, Mannen, vom Kampf, tut Krieg und Schlacht ab, ver­geltet Böses mit Gutem!“ Da stürzte der wütende Haufe der Heiden ( ... ) über sie her und „machte die Leiber der Heiligen nieder in heilbringendem Morde“, heißt es in Bonifatius Lebensbeschreibung.

 

Andere Stimmen vermuten ei­nen Mord aus politischen oder schlicht räu­berischen Motiven. Auch hier muß man wieder sagen, daß er nicht so sehr wegen seines Glaubens und seiner Predigt umgekommen ist, sondern schlicht und einfache einer Räuberbande zum Opfer fiel. Dennoch hat man Bonifatius gleich als Märtyrer verehrt.

 

Von der heutigen niederländischen Stadt aus ist seine Leiche zunächst per Schiff nach Mainz ge­bracht worden. Einen Monat später traf der Leich­nam in Mainz ein, in der heutigen evange­lischen St. Johannes Kirche. Dort wurden die Innereien aus der Leiche entfernt, ver­brannt und begraben. Am 9. Juli wurden die sterblichen Überreste des 1,90 Meter großen Hünen per Schiff nach Hochheim gebracht und von dort auf dem Landweg nach Fulda, wo Bonifatius begraben zu werden wünschte. Es muß der Überlieferung nach eine gewaltige Pro­zession gewesen sein, eine Art Triumph­zug in sieben Etappen.

 

Schließlich wurde er entsprechend seinem Wunsch in Fulda bestattet. Das Kloster entwickelte sich darauf zum berühmten Wallfahrtsort. Das alljährliche Kirchenfest findet hier am 5. Juni statt, seinem Todestag, der sich 2004 zum 1250. Male jährt. Noch heu­te ist im Dommuseum Fulda der von Hie­ben beschädigte Kodex zu bewundern, den Bonifatius schützend über seinen Kopf ge­halten haben soll.

 

Doch der christliche ­Glaube begann auf dem Europäischen Kontinent seinen Siegeszug. Er verband die verschiedenen Landstriche und Völkerschaften und gab ihnen eine große Vision. Die Vision eines geeinten Europa unter der Führung eines einheitlichen christlichen Glaubens. Dieser Geschichte mit ihren Höhe- und Tiefpunkten können sich auch evangelische Christen nicht entziehen.

 

 

Verlauf der Route:

 

Schon der Geschichtsforscher Georg Wolff ver­suchte kurz vor dem ersten Welt­krieg den Landweg zu rekonstruieren. Mehrfach haben sich weitere Forscher mit dem Leichenzug des Heiligen Bonifati­us beschäftigt. Die zunächst letzte Arbeit stammt von dem Niddataler Christian Vo­gel, der ein Büchlein mit 100 Seiten im Selbstverlag herausbrachte. Der 61-Jährige wartet nur noch das Ergebnis von Ausgrabungen an der Schafskirche in Ortenberg-Lißberg am 12. August ab. Es könnten sich dort ja noch Hinweise auf die Bonifatius-Rast finden, die unbedingt noch in das Buch hineingehören. Die Schafskirche hat für Vogel eine be­sondere Bedeutung. Sie lag hinter seinem Elternhaus und es war sein Nenn-Onkel Er­hard Weitzel, der in dem Jungen ein le­bens­langes Interesse an dem Bonifatius­-Weg weckte. Vogel hat sich 40 Jahre lang intensiv mit dem Weg beschäftigt. Er hat die 150 Kilometer mehrfach mit dem Rad oder zu Fuß abgesucht.  Die Wege, die damals gegangen wurden, waren nach Vogels Auffassung nicht di­rekt die Höhenwege, sondern Wege am Südhang. Diese waren windgeschützt und besonnt (Im Juli sucht man wohl eher Schatten, außerdem sind die Südhänge eher windig). Vogels Leitsatz ist: „Alte Wege ge­ben nicht ganz unter“.

 

Für ellen­lange Aus­einandersetzungen über den wis­senschaftlich korrekten Verlauf des Pilgerpfades ist keine Zeit. Aus­nahms­weise stellt Vera Rupp im Sinne der Bonifatius­-Route den wissenschaftlichen Anspruch in den Hintergrund und bezeichnet den Weg deshalb bewußt als „Route“, weil er sich in einem Korridor aus alten Wegen bewegt. „Wir wollten etwas zum Todestag des Bonifatius auf die Beine stellen und gleichzeitig habe ich mich gefragt, wie man die Leute an die Kultur­denkmäler in unserer Region führen kann.“ Die Idee für die Bonifatius-Route, die an zahlreichen Kulturdenkmälern vorbeiführt, erschien ihr ideal. Die Route muß praktikabel sein, Sehenswürdigkeiten enthalten, wie markante Naturdenkmäler und Gebäude.

 

Daß die aktuelle Route mit dem Weg des historischen Leichenzuges anno 754 identisch sein könnte, ist nach Ein­schätzung des Main-Taunus-Kreis-Histori­kers Bert Worbs offen: Zu spärlich seien die historischen Quellen. Lediglich zur Überführung des Leichnams mit einem Boot von Mainz nach Hochheim gebe es schriftliche Zeugnisse; als Nächstes werde die Crutzenkirche in Frankfurt-Kalbach erwähnt, wo der Leichenzug eine Nacht lang pausiert haben soll. Dazwischen ist alles auf mündliche Tradition zurückzu­führen, sagt Worbs. Auf dieser Grundlage und der, alten Verbindungen des Frühmit­telalters wurde die gesamte Route in ei­nen Korridor gelegt, der dem historischen Weg nahe kommen könnte.

 

Zwischen Hochheim und Fulda gibt es mindestens acht Punkte, die die Sta­tionen der feierlichen Prozession markie­ren. Es ist überliefert, daß an den Stellen der Mittagsrast und der Übernachtungen Kreuze oder sogar Kirchen errichtet wur­den. In Kriftel und Kalbach gibt es Bonifatius­kirchen.

 

 

Einzelne Stationen

 

 Mainz:

 

Bereits um 38 vor Christus gründeten die Römer am Zusammenfluß von Rhein und Main ein Militärlager. 25 Jahre später wurde „Moguntiacum“ erstmals urkundlich erwähnt. Strategisch wichtig, da am Schnittpunkt alter Völkerstraßen. Mainz gehörte zu den wichtigsten Außenposten des römischen Reiches im Norden, war zeitweise Frontstadt des römischen Reiches, zentraler Verwaltungssitz für die Provinz Germania superior, die sich von Koblenz bis zum Genfer See erstreckte. In Mainz prallten die Kulturen der Römer und der Germanen aufeinander. Das römische Mainz war Drehscheibe zwischen der römischen Kultur und dem „Babaricum“, dem Land der Barbaren.

 

Im Jahre 346 ist erstmals ein Bischof in Mainz beurkundet. Im 8. Jahrhundert machte der Hl. Bonifatius Mainz zum Sitz seines Erzbistums und legte damit den Grundstock für den weiteren Aufstieg der Stadt und hat so  die über tausendjährige Epoche des „Goldenen Mainz“ einleitet. Bonifatius legte den Grundstein zum Großbistum Mainz, das sich um Teile Mittel­hessens und Thüringens erweiterte. .

 

Fortan residierten Erzbischöfe und ab dem 10. Jahrhundert auch Erzkanzler im „Goldenen Mainz“. Repräsentative Bauten entstanden, darunter im 11. Jahrhundert der Dom. Und auch die reichste und wichtigste jüdische Gemeinde Europas siedelte sich in Mainz an. Als zwischen 1452 und 1455 Johannes Gensfleisch zum Gutenberg die nach ihm benannte Gutenberg-Bibel zum ersten Mal in lateinischer Sprache druckte, waren die Erzbischöfe schon längst zu weltlichen Kurfürsten aufgestiegen. Das 17. und 18. Jahrhundert bescherte Mainz unter den Erzbischöfen von Schönborn eine weitere Blüte sowie zahllose, bis heute erhaltene barocke Gebäude. Mittlerweile leben in der Landeshauptstadt fast 200.000 Einwohner, die sich in der Altstadt mit ihren pittoresken Gassen und Winkeln, faszinierenden Fachwerkhäusern, sakralen Bauten und den vielen Weinstuben genauso wohl fühlen wie die zahlreichen Besucher.

 

Der malerische Leichhof zwischen Dom und St. Johanniskirche ist Ausgangspunkt bzw. Endpunkt der Bonifatiusroute. Irgendwo zwi­schen Johanneskirche und dem später er­richteten Dom wird der historische „Start“ der Bonifatius-Route sein. Immerhin 400 Meter auf rheinland-pfälzischem Gebiet. Vom Westturm des Mainzer Domes  fällt der Blick direkt auf die benach­barte Johannis-Kirche, eine von drei evangelischen Innen-Stadtkirchen. Evangeli­sche Kirchen sind dünn gesät im Kern des katholischen Mainz, in dem sich weltliche und geistliche Macht im Mittelalter zur „Metropolis Germaniae“ vereinten. Die Jo­hanniskirche gilt als Dom-Vorläufer, mögli­cherweise war an ihrer Stelle der Mainzer Ur-Dom. Hier fand die Kaiserkrönung Heinrich II. vor tausend Jahren statt und hier wurde  (sagt der evangelische Stadtkirchen­pfarrer Rainer Beier) vermutlich Bonifati­us vor 1249 Jahren aufgebahrt.

 

Als die Leiche aus dem friesischen Dok­kum nach Mainz zurück an den Bischofs­sitz kam, da hatte sie schon eine mehrwö­chige Reise hinter sich. Kirchenhistoriker vermuten deshalb, daß der erschlagene Bischof schon in Friesland „abgekocht“ wurde, ehe seine gebleichten Gebeine den Weg nach Mainz nahmen.

 

In Mainz er­innert wenig an den Winfrid aus dem englischen Exeter, der lieber Erzbi­schof in Köln geworden wäre. Bonifatius hat sich im Bewußtsein der Stadt nicht so stark als Bischof der Mainzer verankert. Auf den Domplätzen allerdings ist Boni­fatius für Vorüberlaufende noch gegen­wärtig: Eine Barockstatue zeigt ihn, eine Nach­bildung der Statue im Dommuseum in Ful­da. Im Dom ein Grab-Denkmal des Bonifa­tius aus dem 14. Jahrhundert, es stammt aus der Johanniskirche. An Bonifatius erinnert eine eigene Kir­che (St. Bonifaz) und eine eigene Gemein­de im Schatten der Doppel-Hochhaus­türme am Bahnhof. Der Kirchturm ist neu wie die Hochhäuser: architektonische Mas­senware der sechziger Jahre.

 

Der Leichenzug führte aber ver­mutlich nicht über den heutigen Leichhof, sondern durch das Fischtor an den Rhein. Nur wenige hundert Meter lang ist der Beginn der Bonifatius-Route in Mainz bis zum Rheinufer. Die heutige Route geht vorbei am Kurfürstlichen Schloß von 1752 und  über eine Brücke, wo heute die Theodor-Heuss-Brücke über den Rhein führt. Gegenüber ist heute die Reduit-Kaserne von 1832 mit dem Museum Castellum und dem Flößermuseum. Neben der katholischen St. Georgs-Kirche in Kastel ist ein monumentales Fundament eines römischen Ehrenbogens. Über das Naherholungsgebiet Maaraue geht es nach Kostheim, dessen St. Kilians-Kirche im Jahre 789 von Karl dem Großen eingeweiht wurde; in der Nachbarschaft steht ein Museum

 

 

Hochheim

 

Das nächst Ziel ist Hochheim am Main. Dort legte das Schiff von Mainz kommend mit dem Leichnam des Bonifatius im Jahr 754 an. Von hier wurde er über Land nach Fulda gebracht.

 

Stolz ragt die Kirche Pe­ter und Paul aus den Weinbergen. Sie ist das Wahrzeichen der Wein- und Sektstadt Hochheim und Ausgangspunkt der Bonifa­tius-Route auf hessischem Gebiet. Die Barockkirche Peter und Paul gehört zu den Glanzpunkten der Route im Main-­Taunus. Die 1731 geweihte Kirche beeindruckt durch ihre leuchten­den Deckengemälde des Malers Johann Baptist Enderle. Die seit 1996 freigelegten - und zum Teil bereits mustergültig restau­rierten Fresken - gelten als Kostbarkeiten der Rokokomalerei in Hessen. Die neuromanische evangelische Pfarrkirche findet man im Stadtkern.

 

Durch die „Hochheimer Hölle“ - eine der begehrten Weinlagen im Rheingau - geht der Weg in Richtung „Königin-Victoria-Denkmal“, das zur Erinnerung an einen Besuch der Monarchin  zu Ehren der englischen Kö­nigin im Jahre 1854 errichtet wurde. Der Vorliebe der Queen für Hochheimer Weine ver­dankt die Stadt nicht nur das neugotische Denkmal, sondern auch ihre Bekanntheit in der angelsächsischen Welt.

 

St. Anna Kapelle:

 

Durch die hügelige Landschaft  der Flörs­heimer Schweiz geht es  auf die Wiesenmühle zu. Kurz vor der Mühle biegt der Weg auf die Regionalparkroute ein und quert über einen 100 Meter langen Bohlen­weg die Niederwiesen des Wicker­bachs, wo sich Am­phibien und Was­ser liebende Pflan­zen entfalten.

Es folgt ein kleiner Anstieg zur St. Anna-Kapelle. Der 1715 als Hauskapel­le der Mühle errichtete Bau zeigt die „An­na Selbdritt“, ein Dreierbildnis der Mari­enmutter Anna mit Maria und dem Jesus­kind.

Nur ein paar Schritte entfernt am Regionalparkroute wartet moderne Kunst: Die Installation der Hofheimer Künstlerin Ingrid Hornef besteht aus sieben Fernroh­ren, die alle auf die Mülldeponie Wicker ge­richtet sind. Als Kontrast bettete sie in den Ausblick berühmte Bauwerke wie die Akropolis ein und schuf damit spannungs­reiche „Tele-Visionen“ zwischen Schein und Realität, Edlem und den Zeugnissen der Wegwerfgesellschaft.

 

Wicker:

 

Weiter geht es  zur Flörsheimer Warte. Der Turm wachte seit dem späten 15. Jahrhundert über die nördliche Grenze der Mainzer Kurfürsten. Nachdem die Warte ihre Bedeutung verloren hatte, wurde sie als Steinbruch ausgebeutet und 1996 in unmittelbarer Nä­he wieder errichtet. Am Wochenende dient der Turm als Ausflugslokal und bietet ei­nen herrlicher Blick über die Mainebene.

 

Von der Warte sind es nur noch wenige Minuten bis in die östlichste Weinbauge­meinde des Rheingaus: Wicker trägt mit besonderem Stolz den Beinamen „Tor zum Rheingau“. Die Katholische St. Katharina-Kirche mit Chorturm aus dem 15. Jahrhundert hatte einen Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert. Wenn man von der Warte kommt, steht links das älteste erhaltene Wegkreuz im Kreis aus dem Jahr 1690 und in der  Nähe die Kaiser-Wilhelm-Säule, die an den unblutigen Übergang der Herrschaft vom Herzogtum Hessen-Nassau an Preußen Mitte des 19. Jahrhunderts erinnert.

 

Weilbach:

Zum Ort gehört das ehemalige Kurbad Bad Weilbach mit einem klassizistischem Kurhaus, ein seltenes Beispiel einer weitgehend geschlossenen Anlage vom Beginn des 19. Jahrhundert.

Im eigentlichen Ort ist das Schloßgut der Familie Wolff-Metternich, der einzige in der Ebene erhaltener Adelssitz im Main-Taunus-Kreis. Es steht auf den Grundmauern einer Burg aus dem 13./14. Jahrhundert.

Vorbei am Naturschutzgebiet „Kiesgrubenlandschaft Weilbach“ mit Aussichtsplatformen geht es zur Bonifatius-Kapelle kurz vor Kriftel. Der Legende nach soll hier der Leichenzug des Bonifatius eine Rast  eingelegt haben. In Kriftel selbst steht die Katholische Kirche St. Vitus, ein neugotischer Bau mit Doppelturmfassade, die ab 1865 errichtet wurde.

 

Frankfurt:

Fachleute sind sich sicher, daß der von Papst Gregor II. als „Apostel der Deut­schen“ beauftragte Glaubens-Botschafter hin und wieder in Frankfurt die Messe las: in jener win­zigen Steinkirche nämlich, die neben ei­nem fränkischen Wirtschaftshof auf einer Erhebung stand, dicht an jenem Flußübergang, der als „Furt der Franken“ zur Legenden umwobenen Keimzelle der heu­tigen Mainmetropole geriet. Rund um den heutigen Dom legten Archäologen Reste des historischen Umfeldes frei, in dem sich der Bischof bewegte.  Fundamente des Steinkirchleins aus der Bonifatius-Zeit wurden 1992 ausge­graben, bei der großen Dom-Restaurie­rung. Rund 40 Quadratmeter umfaßte es und bedeckte Spuren einer Vergangen­heit, die von den Christen mit dem Schlei­er des Vergessens verhüllt wurde.

 

Die Ka­pelle entstand just da, wo um das Jahr 680 die etwa dreijährige Tochter eines fränkischen Adligen beigesetzt wurde. Ein kleines, drei- bis vierjähriges Mäd­chen war gegen Ende des 7. Jahrhunderts mit üppigem Goldschmuck, Riechdose, Trinkglas und anderem in einem kleinen gemauerten Memorialbau im Bereich des heutigen Doms beigesetzt worden. Es war sicherlich die Tochter des adeligen Verwal­ters des Königsgehöfts Franconofurd, von dem jedoch keine Mauerreste festgestellt werden konnten. Nur die Fundamente ei­ner kleinen steinernen Saalkirche, die wohl bald nach 700 über dem „Prinzessin­nen-Grab“ errichtet worden war, konnten ergraben werden. In dieser Eigenkirche wird Bonifatius bei seinen Frankfurter Aufenthalten vermutlich bisweilen die Messe gelesen haben.

 

Wie sich bei Grabungen in vier Meter Tie­fe unterm Fußboden des Doms heraus­stellte, feierte am Main zur Merowinger­zeit das Heidentum noch fröhliche Ur­ständ. Die reich geschmückte kleine „Prin­zessin“ hatte zwar ein Kreuz als Grabbei­gabe erhalten, aber nach naturreligiösem Brauch auch Wegzehrung und - was schwe­rer wiegt - Wegbegleiter durchs Jenseits: Ein Aschenhäufchen wurde analysiert als Reste eines jungen Schweins und eines Bären. Die Eltern hatten ihrer Tochter -  so die Vermu­tung der Archäologen - ihren Spielgefähr­ten mitgegeben.

 

Schmuck und andere Grabbeigaben sind heute im Dommuseum ausgestellt. Im Dom selbst markiert eine beschriftete Bodenplatte den Fundort des „Prinzessin­nengrabes“. Mehrere Sakralbauten folg­ten Schicht auf Schicht auf die Kapelle, in der Bonifatius mit großer Wahrscheinlich­keit die Messe gelesen hat. Nach seiner Zeit machte die fränkische Siedlung Kar­riere. Auf dem heutigen Domhügel ent­stand eine Königspfalz. Im „archäologi­schen Garten“ neben dem Dom sprechen noch heute Mauerreste von der karolin­gisch-ottonischen Zeit.

 

Die

Einkehr des Bonifatius nach seinem  Tode  im Jahr 754 in den heutigen Stadtgrenzen Frankfurts ist dagegen verbrieft. Die Bonifatiusroute führt deshalb aber nur durch die westlichen und nördlichen Stadtteile Frankfurts. In Zeilsheim steht die Katholische St. Bartholomäuskirche von 1816/1817 mit einer Pestmadonna aus dem Jahre 1668, ein Geschenk von Überlebenden der Epidemie. Im Osten war ein Teil der Farbwerke Höchst  angesiedelt, es gibt noch eine denkmalgeschützte Werkssiedlung der 1863 errichteten Anilinfarben-Fabrik (später Höchst AG) aus dem Jahre 1900.  In Liederbach steht die Evangelische Kirche, ein klassizistischer Saalbau. Auf der von Friedrich Voigt aus lgstadt gebauten Orgel spielte der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy.

Mittelpunkt des 1035 erstmals erwähnten Ortes Sulzbach ist die evangelische Pfarrkirche mit Fronhof, altem Kirchhof  und Teil des ehemaligen Friedhofs. Kurz vor Eschborn findet man an der Bonifatiusroute noch Reste des ehemaligen „Arboretum“ mit Bäumen aus allen Erdteilen der Welt

Die Evangelische Pfarrkirche von Eschborn ist eine vom 17. bis zum 19. Jahrhundert zu einer Saalkirche umgestaltete, ursprünglich dreischiffige Basilika. Im Stadtmuseum wird ein Boni­fatius­kreuz gezeigt; sein ursprünglicher Standort wird mit dem Leichenzug in Verbindung gebracht.

In Niederursel sind sehenswert die beiden ehemaligen Rathäuser von Frankfurt und der Grafen von Solms mit ihrem schönen Fachwerk aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Evangelische Kirche wurde 1928 errichtet nach Plänen des Architekten Martin Elsaesser. Elsaesser prägte die Frankfurter Architektur der zwanziger Jahre vor allem durch den beeindruckenden Bau der denkmalgeschützten Frankfurter Großmarkthalle, Standort der Europäischen Zentralbank.

 

Kalbach und Bonames:

Der Leichenzug des Bonifatius machte auf dem Weg von Mainz nach Fulda als dritte Station in der Siedlung „Crucen“ auf dem späteren Kal­bacher Feld Station. Die Krutzenkirche mit der zugehörigen Siedlung ist aus dem 12. Jahrhundert. Heute verweisen der restaurierte Bonifatius­brunnen und der im Boden durch Pflasterung sichtbare Grundriß der Krutzenkirche auf die Stätte, die mit dem Leichenzug des Hl. Bonifatius eng verknüpft ist. An dieser Stelle soll der Zug genächtigt haben. Zum Zeichen dafür sprudelte eine Quelle hervor. Vom Benediktinerkloster Fulda aus wurde hier noch in karolingischer Zeit eine kleine Kirche, zunächst in Holz, später in Stein errichtet. Zusammen mit wenigen Wohn- und Nutzbauten bildete sie vermutlich eine „Cella“, ein kleines Tochterkloster mit wenigen Mönchen.

 

 

Nicht mehr nachvollziehbar ist, warum die Siedlung „Crucen“ im Frankfurter Nor­den nicht zum Wallfahrtsort wurde. Rankt sich doch um den Zwischenhalt des Lei­chenkondukts eine hübsche Legende: Am Tag nach der Abreise des Zuges soll, wo er gelagert hat, eine Quelle entsprungen sein. Sie erhielt den Namen „Bonifatiusbrunnen“. An der Quelle entstand später eine kleine Kapelle. Sie verfiel, die Quelle blieb. Nichts mehr ist indes von der mittelalterlichen Siedlung und Kirche samt Brunnenkapelle erhalten, die um 1985 in Kalbach ausgegraben wurden.

 

Ungläubige moderne Geologen hatten die Entstehung des Brünnleins ganz profan damit erklärt, daß es durch Regenwasser gespeist werde - bei länge­rer Trockenheit sei Ebbe im Trog. Was die Planer des neuen Stadtteils Riedberg er­munterte, die Quelle mit einer Glasplatte verdecken zu wollen. Doch ganz im Geiste des Bonifatius stieß im Ortsbeirat diese Idee auf erbitter­ten Widerstand. Mit dem Erfolg, daß das Brünnlein weiter fließen darf. Mehr noch - der Brunnen wird im neuen Stadt­teil Riedberg mit seinen Reihenhäusern und dem Gebrumm von der Autobahn Teil eines Parks, dem der „Apostel der Deut­schen“ als Namenspate dient. Der Grund­stein für die 7,5 Hektar große Grünfläche wurde erst am 17. Juli gelegt. Nun findet man auch im Bereich des „Bonifatiusparks“ Bo­denmarkierungen und Informationstafeln zu diesem denkwürdigen Ort.

 

Etwa nördlich liegt der alte Ort Kalbach.  Hier steht die Katholische St. Laurentius-Kirche aus dem Barock mit einem Deckengemälde mit Bonifatius-Motiv. In Bonames steht im Oberen Kalbacher Weg 9 die Katholische St. Bonifatius-Kirche, eine Kapelle des Architekten Martin Weber von 1932. Außerdem gibt es in der Homburger Landstraße 618 die Evangelische Kirche von 1561, eine der ältesten protestantischen Kirchenbauten Hessens. In Harheim gibt es an der kleinen Marienkapelle in der Eschbachaue südlich des Ortes einen Grenzsteingarten. In Nieder-Erlenbach gibt es ein „Schloß“ von 1746  (heute Schule) und daneben evangelische Kirche  mit prunkvoller Ausstattung.

 

Dortelweil:

Im Mittelpunkt von Dortelweil steht die evangelische Pfarrkirche, die im Dreißigjährigen Krieg zerstört und neu errichtet wurde. In der Obergasse ist das ehemalige von Holzhausensches Hofgut. Das in Frankfurt ansässige Adelsgeschlecht soll bereits im 15. Jahrhundert. das Gut vom Kloster Arnsburg erworben haben. Der Neubau mit Wappen ist vom Ende des 18. Jahrhunderts.

 

Karben:

Die Evangelische Kirche har eine Krypta aus dem 12. Jahrhundert. Am „Rosenhang“ in Klein-Karben gibt es 750 historische Rosensorten, die zur Blüte ein prächtiges Farbenmeer mit betörendem Duft bilde; einige der Sorten reichen bis ins Mittelalter zurück.

 

Büdesheim:

Der Ort wird erstmals 817 urkundlich erwähnt. Die Nidder umfließt hier einen Sporn mit einem ehemaligen Hofgut, das bis ins 15. Jahrhundert. Zurückreicht und zum Schloß ausgebaut wurde.

Die Evangelische Kirche wird 1233 erstmals erwähnt. Daneben steht das Mausoleum der Adelsfamilie

 

 

Heldenbergen und Windecken:

In Heldenbergen steht die Katholische Kirche auf dem „heyligen Berg“. In Windecken ist der historische Marktplatz mit dem Rathaus aus dem 16. Jahrhundert. Alte Flurnamen in der Umgebung werden mit Bonifatius in Verbindung gebracht.

 

Bisher nahm man an, daß Bonifatius bei seinen Reisen nach dem von ihm gegründeten Kloster Fulda die „Hohe Straße“ benutzt habe, die im Gebiet Maintal auf der Höhe der Großen Lohe verläuft. Auf dieser Straße sei auch 754 – über den Heiligenstock bei Vilbel- sein Leichnam von Mainz nach Fulda gebracht. Dabei strömt viel christliches Volk herbei, wie es in zeitgenössischen Berichten heißt, ein Hinweis darauf, daß es damals schon viele Christen in der Gegend gab.

 

Inzwischen erhebt aber der Wetteraukreis Anspruch darauf, daß der „Bonifatiusweg“ durch sein Gebiet geführt habe. Die künftige „Bonifatiusroute“ sei be­reits als Patent angemeldet, sagte die Ar­chäologin des Wetteraukreises, Dr. Vera Rupp. Der Weg lasse sich zwar nicht in al­len Einzelheiten rekonstruieren, einige Stellen seien jedoch eindeutig nachgewie­sen. Über die Etappen des Leichenzugs bis zum heuti­gen Frankfurter Stadtteil Kalbach liegen Aufzeichnungen vor. Sie setzen erst wie­der kurz vor Fulda ein. Der Raum dazwi­schen bleibt ein weites Feld für Forscher, Detektive und Lokalpatrioten.

 

Vera Rupp sagt, für die Historiker stehe außer Zwei­fel, daß der Leichenzug am Nachmittag des 11. Juli in Heldenbergen eingetroffen sei. Vermutet wird des Weiteren, daß die Gruppe zuvor die Mittagsrast auf dem Schäferkoppel westlich von Karben ver­bracht habe. Ein Bonifatiuskreuz von 1909 an der heutigen Kreisstraße 245 (Römerstraße) erinnere an den seinerzeit zurückgelegten Weg zwischen den beiden Orten.

 

Im Main-Kinzig-Kreis werde die Route voraussichtlich von Büdesheim kommend nach Heldenbergen zum Bonifatiuskreuz führen. Anschließend geht sie nach Windecken zur mittelalterlichen Kirche so­wie zum Rathaus und den Hexenturm. In nordöstlicher Richtung durchquert sie dann noch Eichen, bevor sie wieder in den Wetteraukreis mündet, nämlich in Richtung Kloster Engelthal.

 

Kritik an der Linienführung hat der Windecker Heinrich Quill­mann angemeldet, gebürtiger Berliner, aber Mit­glied der Windecker Heimatfreunde und ehrenamtlicher Stadtführer. Dem interessierten Laien geht es nach eigenem Bekunden um das Finden der Wahrheit, egal wo sie liegt. Der Weg der Mainzer Bonifati­usverehrer mit dem Wochen alten Leichnam führte in jenen Sommertagen laut Quillmann durch Windecken und von dort über den Ohlenberg nach Altenstadt.

 

In einer Zusammenkunft der Routenpla­ner herrschte eine an­dere These vor. Die Leiche des Heiligen sei am Nachmittag des 11. Juli 754, einem Donnerstag, in Heldenbergen eingetrof­fen. In jenem heute wie auch Windecken zu Nidderau zählenden Dorf hat man die­se Überzeugung vor 92 Jahren in Stein ge­schlagen. Auf einem Acker an der K 246 („Römerstraße“) erinnert seit 1909 ein Steinkreuz im irischen Stil an die dort ver­mutete Rast der Leichenträger.

 

Quillmann dagegen meint, „Bemerkenswertes gefunden“ zu haben. Für die herrschende Lehre werden Flurbezeichnungen angeführt, die nach dem Heiligen benannt sind, so ein „Bonifati­us­acker“ in Heldenbergen. Das dort errichtete Hochkreuz bezeichnet eine so genannte „Bonifatius­ruhe“, die von Historikern aber schon in den zwanziger Jahren als nicht erheblich angesehen wurde: Sie sei in al­ten Flurkarten nicht verzeichnet. Zwar gab es Jahrzehnte zuvor noch die mündliche Überlieferung von einer angeblich dort entsprungenen und im Lauf der Jahr­hunderte versiegten „Bonifatiusquelle“.

 

Aber Quillmann zweifelt. Sein Hauptargument ist die Erwähnung eins „Bonifa­icienburnen“ in einer Windecker Urkunde von 1349: Die Herren von Carben veräußern in dem Pestjahr einem Frankfurter Ehepaar „zwei huben landes... zu Wonne­kin“. In dem Doku­ment (zu finden bei Reimer, Hessisches Urkundenbuch) sind drei, mittels Flurna­men definierte Felder aufgeführt. Quillmann interessierte das dritte. Nota­riell genau sind dessen Bestandteile (in Morgen) aufgelistet: „Item an dem nyd­irn felde vonff morgen, item uff dem obirn felde das Steynenhus drittehalp morgen, item by Bonifacienburnen sehs morgen, item an dem Holtzwege vonff morgen, item gein Aleyburnen andirhalp morgen“.

 

Im Niederfeld, Im Steinhausen, Am Holzweg sind heute noch in Windecken bekannt. „Es widerspricht jeglicher Logik“, folgert Heinrich Quillmann, „ausgerechnet das dazwischen erwähnte Grundstück Bonifatiusbrunnen weitab in der Heldenberger Gemarkung zu suchen“. Er vermutet ihn vielmehr in der Nähe des Holzweges.

 

Aus der Flurnamen-Forschung des Nidderauers Bernd Vielsmeier zieht Quill­mann weitere Argumente: Er findet in der von ihm vermuteten Richtung alle Indi­zien, wie man sie andernorts zum Beleg für die Durchreise des wichtigen Leich­nams anführt: Einen „Bonifaziusacker“ in einer Windecker Flurkarte von 1862, die Flur „An der Ruhhecke“ (möglicher Hin­weis auf eine Rast der Prozession), „Am Heiligenstock“ und „Am Kreuzweg“ - alles in wenigen hundert Metern Umkreis.

 

Was fehlt, ist der Brunnen: Doch dessen frühere Existenz erscheint Quillmann plausibel. Es finden sich im Umfeld des Holzwegs zahlreiche Quellen und Brun­nen, einige namenlos, einige im Lauf der Zeit versiegt. Quillmanns Mut versiegt nicht: „Leider nicht überliefert ist der Na­me der Quelle, die im Bereich des Bonifati­us-Ackers bzw. im Bereich der Ruhhecke oder auf dem Acker über der Klinge (1454) gesprungen ist, und den darunter liegenden „Wasserfall“ (1588) gespeist hat. Es ist denkbar, daß es sich hier um die gesuchte Bonifatius-Quelle gehandelt hat.“

Wenn der Weg aber über Windecken geführt hat, dann mußte er von Kalbbach über Bad Vilbel und die Hohe Straße nördlich von Maintal geführt haben. Diese war damals ein Hauptverkehrsweg und es ist naheliegend, daß man diesen benutzte.

 

 

 

 

 

Wieder eine andere Theorie vertritt Peter De­cker vom fürstlichen Archiv Ysenburg-Bü­dingen: Anno 754 sei der Leichnam des Bo­nifatius von Mainz nach Fulda überführt worden, in frommer Prozession via „Schwarze Platte“. Das Hochplateau „Schwarze Platte“ liegt bei Ober Mockstadt (Luftlinie zum Limes fünf, sechs Kilometer) und wird so genannt wegen der einstigen Köhlereien. Ob der Weg des Leichnams über den Höhenweg respektive Her­renweg oder die Alte Frankfurter Straße oder Rechte Nidder Straße, ist ungewiß: Wo genau die Route verlief, darüber strei­ten noch die Gelehrten.

 

Daß das Planungsteam der Bonifatius-Route die Erkenntnisse des interessier­ten Laien noch berücksichtigt, ist nicht si­cher. Laut der Wetterauer Kreisarchäologin Vera Rupp, die den Weg mit anregte, erhebt der Weg keinen detailgenauen Anspruch. Vielmehr gehe es darum, eine zum Wandern gut nutzbare Strecke auszuweisen. Berühren sollte diese gute Einkehrmöglichkeiten und Bahnhöfe beziehungsweise Parkplätze. Sie soll auch Sehenswürdigkei­ten in einem fünf Kilometer breiten Korri­dor ansteuern. Dabei werde man unabhängig von der vermuteten historischen Route auch Windecken berücksichtigen.

 

Auch Landrat Karl Eyerkaufer legte Wert darauf, daß der Lei­chenzug des heiligen Bonifatius

 

auch den Main-Kinzig-­Kreis durchquerte. Anläßlich des 1250. Jahrestags im Som­mer 2004 soll der historische Weg für Wan­derer und Pilger erschlossen und vermark­tet werden. Entsprechend der Route seien mehrere Landkreise und Städte aus der Region an den Vorbereitungen beteiligt. Für den Kreis koordiniert das Zentrum für Regionalgeschichte die Wegführung. Neben historischen und kulturellen Be­sonderheiten sollen auf der Bonifatiusrou­te auch landschaftliche, kulinarische und touristische Attraktionen in den Vorder­grund gerückt werden. Die Organisatoren wollen mit einer Karte, einem Logo und ei­nem Internet-Auftritt für das Projekt werben, kündigte Eyerkaufer an.       

 

Im Jahre 1993 fanden Archäologen bei einer Ausgrabung in der Oberburg in Nidderau-Helden­bergen eine Keramik-Wasserflasche. Dieses Fund­stück aus dem ehemaligen Wirtschaftsgarten der Burg datiert aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, berichtet Gretel Callesen. Zwei Henkel zierten die gefundene Flasche, die wie ein kleines Faß aussieht. Die Henkel dienten zum Festschnallen am Gürtel, darum wurde diese Flasche auch Pilgerflasche ge­nannt.

 

Dieser Fund ist zwar um 500 Jahre zu jung, könnte aber ein Hinweis sein, daß der Leichnam des heiligen Bonifatius nach seinem Märtyrertod an der Nordsee im Jahre 754 auf dem Weg von Mainz nach Fulda tatsächlich durch Nidderau kam. Zu Fuß in fünf Tagen ist diese rund 180 Kilometer lange Strecke damals zu­rückgelegt worden - das ist überliefert.  „Dabei durch das heutige Nidderauer Gebiet zu laufen, ist der einzige vernünftige Weg, um in dieser Zeit diese Strecke zu schaffen“ so Gretel Callesen.

 

Sie bezweifelt, ob der  Bonifatius-Acker ein ernst zu nehmender Hinweis auf die Route aus dem Jahre 754 ist, denn: „Flurnamen sind nicht so alt.“ Für sie ist interessanter, daß Hel­denbergen eine der wenigen Stationen auf der Bonifatius-Route ist, wo es archäologi­sche Siedlungsfunde aus der betreffenden Zeit gibt. Heldenbergen ist zwar erst 839 erstmals erwähnt, Funde um die Oberburg und im alten Ortskern belegen aber ältere Ansiedlungen aus der Zeit des Bonifatius. Und Siedlungen markierten schon immer den Verlauf von Straßen und Wegen.

 

Die ka­tholische Kirche in Heldenbergen stammt vermutlich aus dem 13. Jahrhundert und steht auf einem echten Hügel. Vielleicht war sie früher sogar eine Wehrkirche, so Gretel Callesen. In der 1753 auf den Grundmauern eines gotischen Got­teshauses erbaute Kirche 1954 anläßlich einer Bonifatius-Wallfahrt von Fulda nach Mainz einige Reliquien des Apostels der Deutschen.

 

Der Bonifatiusweg habe sich in erstaunlichem Umfang bis heute erhalten, bis Heldenbergen sogar auf den alten römischen Straßen. Für die Wetterau bedeutsam sind der dritte Tag, als die Prozession am 11. Juli von Kalbach über Heldenbergen und Windecken führ­te, und der vierte Tag, als die Prozession in der Mitte des Sieben-Tage-Marsches in Glauberg Station machte.

 

Der Zug, der von dem Mainzer Bischof Lullus und dem Fuldaer Abt Sturmius angeführt wurde, hatte am Bonifatiusbrunnen in Kalbach die Nacht verbracht. Über die heutige Bonameser Hainstraße und die Steinerne Straße von Nieder-Eschbach ging es die neun Kilometer bis zum Schäferköppel bei Kloppenheim, wo eine Mittagsrast gehal­ten wurde. Hier lag das Petterweiler Hoch­gericht in der Nähe. Der Zug war von weit her zu sehen und sicher ein Magnet für Schaulustige.

 

Weiter ging es über Kloppenheim ent­lang der heutigen B 3 bis zum Süden von Okarben. Am Lachenweg wurde die Nidda überquert. Die Kreisstraße nach Helden­bergen ist fast identisch mit der alten Rö­merstraße. Dort macht der Weg einen Knick bis zur Bonifatiusruhe vor Helden­bergen. Dort gibt es zwei Bonifatiusäcker (nicht Heldenbergen, sondern Windecken). Vogel hält die zwangsläufige wissenschaft­liche Kontroverse für inzwischen geklärt und nennt den Acker oberhalb von Wind­ecken, den Ohlenberg, auf dem heute ein Hochbehälter steht, als Rastplatz vom 11. auf den 12. Juli.

 

Vogel ist sich sicher, daß sich der Zug dann nicht durch das Nidder­tal bewegt hat, sondern über die Hohe- ­oder Reffenstraße bis nach Glauberg führ­te. Das war ein großer Verwaltungsmittel­punkt. Der Sattel zwischen Glauberg und dem Enzheimer Kopf bot sich wie schon in keltischen Zeiten (Vogel) für einen fei­erlichen Zug und den Höhepunkt der gan­zen Veranstaltung förmlich an. Als Rast­platz kommt für Vogel die Stelle der Kir­che von Glauberg, die Mutterkirche des ge­samten späteren Landgerichts Ortenberg, in Betracht. Für diese Stelle als Rastplatz spreche, daß die Kirche nicht auf dem Berg, sondern an einen Abhang gebaut wurde.

 

Die Bonifatiusroute führt von Windecken zum einsam gelegenen Hof Buchwald. Auf dem rund einstündigen Fußmarsch entlohnt der Gang durch historische Obstwiesen für ansteigendes Gelände. Weitere Belohnungen warten am Hof Buchwald, wo Roland Vogel mit seiner Frau einen Biohof-Laden betreibt. Von diesem Aussichtspunkt schweift der Blick vom Taunus, über Vogelsberg, Spessart bis hin zum Odenwald. Von hier aus ist auch die Glauburg zu sehen.  Weiter geht es auf den gut 90-minütigen Marsch Richtung Eichen. Wieder geht es durch Nidder-Auen, bis gegen 15 Uhr das Ziel erreicht ist - die evangelische Kirche in Eichen.

 

 

Engelthal:

Über Eichen mit dem klassizistisches Schulhaus von 1846 und der Kirche geht es zum Kloster Engelthal.

In einem kleinen Waldtal nahe hei Höchst an der Nidder stifteten im Jahr 1268 die Ritter von Buches und Karben ein Zisterzienserinnenkloster. Dieses  „Kloster der Heiligen Maria im Thal der Engel“ blühte rasch auf. Im dreißigjährigen Krieg geplündert und gebrandschatzt, wurde es von 1666 bis 1750 barock wieder aufgebaut. Bereits 1803 wurde das Kloster durch die Säkularisation aufgehoben, die Nonnen mußten das Haus verlassen. Aus der Anlage entstand ein Hofgut. Die Kirche blieb als katholische Pfarrkirche erhalten.

 

Nachdem in Altenstadt eine neue katholische Kirche erbaut worden war, erwarb das Bistum Mainz den Klausurbezirk des alten Klosters vom letzten Besitzer zurück. Am 1. Mai 1962 begannen 20 Benediktinerinnen aus der Abtei vorn Heiligen Kreuz zu Herstelle (Weser) hier neu mit dem klösterlichen Leben.  Im Jahr 2004 zählt der Konvent 30 Frauen im Alter zwischen 29 und 95 Jahren. Als Gemeinschaft von Schwestern teilen sie ihren Glauben und ihren Alltag miteinander. In Gottesdienst und Gebet, Arbeit und Lesung, in Zeiten des Allein- und Gemeinsam-Seins und in der Aufnahme von Gästen verwirklicht sich ihre Suche nach Gott.  Zum Erwerb ihres Lebensunterhaltes führen sie ein Gästehaus, eine Buch- und Kunsthandlung und eine Restaurierungswerkstatt für Gemälde und Skulpturen.

 

Wie vor Jahrhunderten der Benediktinermönch Bonifatius, seine Mitarbeiterin Lioba und später die Zisterzienserinnen gestalten die Benediktinerinnen der Abtei Kloster Engelthal ihr gemeinsames Leben nach der Regel des Heiligen Benedikt. Dieses „Leitbild“ übersetzt das Evangelium in eine konkrete Lebensform. damit in unserer Welt Gott verherrlicht werde. Benedikt ist der Begründer ihres Ordens, der nahe Rom das berühmte Kloster Monte Cassino errichtete. Eine große Statue dieses heili­gen Mannes aus Nursia ziert den Altar der Klosterkirche. Der Tag und das Leben im Klos­ter sind vom gemeinschaftlichen Gebet ge­prägt. Fünfmal täglich beten die Schwes­tern gemeinsam. Der erste Gottesdienst ist um 6 Uhr morgens, der letzte um 20.20 Uhr, dann fließen ihre Eindrücke der Tagesschau in ihre Gebete mit ein. „Ora et labora“ - bete und arbeite - heißt es bei Benedikt. Und noch heute halten sich die 33 Schwestern des Klosters Engel­thal daran.

 

Benedikts Mönchsregel für das Zusammenleben innerhalb des Ordens seien von Boni­fatius gefördert und verbreitet worden, sagen die Nonnen Aber  das Kloster hat eigentlich nichts mit Bonifatius zu tun, aber es ist das einzige bewirtschaftete Kloster an der Route.

 

Altenstadt:

Der Ortsmittelpunkt ist geprägt von Fachwerkhäusern und der evangelischen Kirche mit Turm aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert. Das ehemaliges Römerkastell ist heute überbaut. Vor fast 2000 Jahren waren an diesem Militärplatz 500 Soldaten stationiert, die einen Abschnitt des römischen Limes überwachten

 

Bogen nach Süden:

Die Bonifatiusroute macht jetzt einen großen Bogen nach Süden. Zunächst führt sie nach Oberau mit Wetterauer Hofreiten aus dem 18. und 19. Jahrhundert um die evangelische Kirche. In Rommelhausen gibt es einen Römerbrunnen, der auch Barbarossa-Brunnen genannt wird. Der Sage nach soll König Barbarossa während einer Jagd aus diesem Brunnen getrunken haben. In der Hauptstraße steht die kleine evangelische Kirche, ein Saalbau des späten 18. Jahrhunderts. Etwas entfernt an der Straße nach Ostheim ist ein naturkundlicher und archäologischer Rundwanderweg mit Limesrekonstruktion und Erläuterungen zur römischen Grenze. In Himbach sind historisches Rathaus und Schule in einem historischen Fachwerkhaus. In Düdelsheim führt die Bonifatius-Route durch mehrfach geknickte Gassen, die einst die Düdelsheimer Weinberge erschlossen (im guten Weinjahr 1606 produzierte man 40.000 Liter  Wein).

 

Glauberg:

Der Ort hat ein geschlossenes Ortsbild mit Wetterauer Hofreiten und evangelischer Kirche mit einem Portal aus dem 12. Jahrhundert. Bekannt ist er aber durch die „Keltenwelt am Glauberg“ mit ehemaligen keltischen Fürstensitz, fränkischem Adelssitz und mittelalterlicher Reichsburg. Es gibt ein Keltenmuseum und ein kulturhistorischer Rundweg erschließt die Anlage.

 

Konradsdorf:

Die Klosterruine Konradsdorf ist ein malerischer Ort mit noch erhaltener Kirche und sogenanntem „Nonnenhaus“, ein romanischer Wohnbau des ausgehenden 12. Jahrhundert. Das ehemalige Prämonstratenserkloster wurde vermutlich um 1150 von Gerlach von Büdingen gegründet, ab 1279 war es nur noch Nonnenkloster. Ausgrabungen brachten noch ältere Grundmauern zutage.

Hier war auch der Sommersitz des Großherzogs von Hessen mit repräsentativem Wohnhaus der Biedermeierzeit um 1830 und zwei quadratischen Kavaliershäusern aus dem 18. Jahrhundert.

 

 

Lißberg:

In sanften Windungen führt der Weg  dann über die freie Kuppe inmit­ten der Wiesen und Felder. Oben ange­langt ist der Blick über weite Täler, Nadel­wälder und goldene Getreidefelder fast atemberaubend. Der Weg wird bald zu einem Hohlweg wird. In der Gruppe aus alten Bäumen taucht unerwartet die Überraschung auf: die Ruine der Schafskirche aus dem frühen 16. Jahrhundert. Nur eine Mauer der kleinen Kirche stand sichtbar inmitten des Wäldchens - völlig unvermittelt. Ob Bonifatius tatsächlich einmal an der Stelle rastete, an der später, um das Jahr 1500, die Schafskirche entstand, ist zweitrangig.

 

Die erstmalige Erwähnung der Kirche findet sich in Urkunden des 16. Jahrhunderts. Die kleine Kapelle wurde als einfacher Rechteckbau wohl im 15./16. Jahrhundert errichtet und weist keine Vorgängerbauten auf. Auch spätere Umbauten sind nicht zu erkennen. Es gibt Reste ei­nes Altars, aber es habe sich gezeigt, daß die Ruinen der Schafskirche nicht direkt mit dem Leichenzug des Bonifatius in Ver­bindung zu setzen sind. Mitte des 18. Jahrhunderts wird sie schon als Ruine beschrieben. Im Jahr 2002 wurde mit einer archäologi­schen Untersuchung begonnen. Indes wird die Ruine restauriert. Sie soll neben vielen anderen ausgewiesenen Orten als Andachtsplatz für Wanderer und Pilger dienen.

Die sehenswerte gut erhaltene Burg aus den 13. Jahrhundert, eine Kirche von 1618 und das

nahegelegene

Musikinstrumenten-Museum mit der größten Drehleier- und Dudelsacksammlung der Welt und  vielen historischen Instrumenten sind die Sehenswürdigkeiten des Ortes.

 

 

Hirzenhain und Umgebung:

Die  Evangelische Kirche in Hirzenhain geht auf eine Wallfahrtskapelle aus dem Ende 14. Jahrhunderts zurück. Sie gehörte zu einem Augustinerkloster, das hier zwischen 1439 und 1534 bestand. Nordöstlich des Ortes ist die Gießhütte Buderus mit angeschlossenem Kunstgußmuseum. Schon im 14. Jahrhundert existierte  war hier eine Waldschmiede, im 15. Jahrhundert kamen unter den Grafen von Stolberg ein Bergwerk  und eine Eisenhütte hinzu.

Von Hirzenhain geht es weiter nach Merkenfritz und dann links ab nach Steinberg, ein idyllisch gelegener Ort an der Nidder. Dort steht die Weidenkirche, eine Kirche im Freien, von Weidenbögen überdacht, angepflanzt 2003. Ein Stück weiter östlich liegt Gedern mit seinem Schloß, das in seinem Ursprung aus dem Mittelalter stammt und heute spätgotische und barocke Bauelemente aufweist. Heute sind dort die Stadtverwaltung und ein Hotel untergebracht

Die offizielle Route geht aber von Hirzenhain über Glashütten, dessen Name auf ehemalige Glasproduktion zurückgeht, und den Weiler Streithain mit einer alten Basaltbrücke über den Hillers­bach

 

Marcellinus-Kapelle:

An der Straße von Gedern nach Schotten steht ein Wegweiser „Stumpe Kirche“ (Kirchenstumpf) Doch eigentlich heißt sie „Marcellinus-Kapelle“. Sie liegt versteckt in einer Baumgruppe. Ausgrabungen der dreißiger Jahre belegen eine kleine Saalkirche des 13./14. Jahrhunderts.  Teile der alten Mauern sind wieder hergerichtet. Die Legende berichtet, daß der Leichenzug des Hl. Bonifatius an der Stelle der späteren Kirche übernachtete. Aus der „Stumpen Kirche“ stammt der „Helgenstein“ in Kaulstoß.

 

Burkhards und Kaulstoß:

Die Bonifatiusroute verläuft hier etwas weiter nördlich. Aber man geht besser über Burkhards und Kaulstoß. In die Evangelische Kirche von Burkhards Kirche aus dem Jahre 1756 ist außen auf der Rückseite der „Helgenstein“ („der Helg“) aus der Stumpen Kirche eingemauert. Von dort ist er aber immer wieder nachts verschwunden, weil er an seinen ursprünglichen Ort zurück wollte. Der Friedhof hat eine alte Trockenmauer und historische Grabsteine.

 

Kaulstoß ist das Dorf der malerischen Brücken aus dem frühen 18. Jahrhundert. Lasten wurden damals per Esel über die „Eselsbrücken“ transportiert. Etwa 100 Meter oberhalb verläuft die rechte Nidderstraße als Teil der Bonifatiusroute.

 

 

Taufstein:

Ein  Abstecher zum Taufstein im Hohen Vogelsberg gehört an sich zum Thema „Bonifatius“, aber der Weg ist weit, hinter Sichenhausen geht links ein Weg ab.

Der Bonifatiusbrunnen oder Boni­fatiusborn inmitten eines der älte­sten Naturschutzgebiete Hessens steht als Taufstätte an der Stelle, an der der heilige Bonifatius im 8. Jahr­hundert gepredigt und die ersten Christen getauft haben soll. Er soll Heiden getauft und sie zu Christen bekehrt haben. In der Steinumrandung des Brunnen sprudelt heutzutage keine Quelle mehr. Ob es je so war, darüber ist wenig in der Literatur zu finden. Manche vermuten, daß der Born eine Überlaufquelle war, durch die Wasser nach außen sickerte, vom Basaltuntergrund gestaut. Als man den Turm erbaute, war es damit vorbei, die Quelle versiegte. Belegt ist davon allerdings nichts. Im Gegenteil, eine zweite Mär erzählt, daß es die alten Chatten aus Breungeshain waren, die diesen Basalthügel Taufstein nannten. Der Anlaß soll ein Friedensschluß zwischen verfeindeten Familiengruppen gewesen sein, die unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehörten - Heiden und Christen. Letztendlich überzeugt, oder besser gesagt: gesiegt, haben die Christen, obwohl man zu Beginn der Christianisierung sie angeblich ein paar Kilometer weiter vom Bilstein gestürzt haben soll.

 

Auf der Karte des Rhein-Main Verkehrsverbundes sind noch weitere Sehenswürdigkeiten angegeben, die aber meist nichts mit Bonifatius zu tun haben und auch eine ziemlichen Umweg bedeuten:

  • Naturschutzgebiet östlich von Sichenhausen am Ernstberg mit Magerrasen-Vegetation
  • Meyerbruchquelle, ein romantisch gelegener Rastplatz mit Wassertretbecken
  • Naturdenkmal „Bonifatius-Kanzel“ auf der Herchenhainer Höhe
  • Naturdenkmal „Burg“, südöstlich von Hochwaldhausen, ein Vulkan-Schlot-Massiv.

Wenn man allerdings vom Taufstein kommt, dann geht man auf dem Weg nach Ilbeshausen auch vorbei am Naturdenkmal „Uhu-Klippen“.

 

Ilbeshausen und östlich davon:

Die Teufelsmühle in Ilbeshausen hat ihren Namen nach dem Pächter Hans Teufel. Sie zeigt oberhessisches Fachwerk in seiner schönsten Form. Zu weit für einen Abstecher ist das Naturdenkmal „Totenhof“ (ein alter Friedhof)  und die Dissel-Brücke über den Haselbach an der alten Weinstraße, beide nördlich von Ilbeshausen.

Nördlich von Nösberts-Weidmoos gibt es noch einen Rhododendren- und Baumgarten. In Steinfurt gibt es eine Zwergschule von 1775 mit ehemaligem Betsaal. In Blankenau ist ein ehemaliges Zisterzienserinnen-Kloster von 1268 mit Propsteigebäude und das Hospital St. Elisabeth, das ehemalige Hospiz des Zisterziensinnerinen-Ordens. In Hainzell gibt es eine neubarocke katholische Kirche mit bedeutendem modernen Mosaik.

 

Kleinheiligkreuz:

 

Zur Wallfahrtskir­che Kleinheiligkreuz kommt man auch, wenn man am östlichen Ausgang von Klein-Lüder auf eine geteerte Straße nach der Wallfahrtskirche abbiegt. Vor der Hessenmühle geht es links ab zu der Kirche. Nach der Überlieferung hat der Zug mit den Gebeinen des Heiligen Bonifatius im Jahr 754 hier die letzte Rast vor Fulda eingelegt. An den Rastplätzen hatte man jeweils Kreuze, welche die Buchstaben H-B-Q (hic bonifatius quivit = Hier ruhte Bonifatius) trugen, aufgestellt. So könnte der Ort, der am  Schnittpunkt der vorgeschichtlichen Antsan­via mit dem Ortesweg liegt, an jenes Kreuz erinnern.

Im Jahr 1348 gründete Herrmann von Hammelburg, Mönch des Klosters Fulda, hier im stillen Tal der Kalten Lüder eine Einsiedelei, die bis zur Säkularisation 1803 bestand. Ein Eremiten-Friedhof liegt etwas weiter östlich.

Der Neuenberger Probst und Stiftsdechant Adalbert von Schleifras ließ 1692 die jetzige Kapelle mit Einsiedlerwohnung errichten, die er dem Heiligen Kreuz weihte. Nachdem die Kapelle 1805 profaniert und zur privaten Nutzung verkauft worden war, erwarb es 1913 der bischöfliche Stuhl zu Fulda. Er stellte sie wieder her und weihte sie zu Ehren des Heiligen Kreuzes und des Heilig Rhabanus Maurus. Heute gehört Kleinheiligkreuz politischen Gemeinde Großenlüder und zur Pfarrei Kleinlüder.

 

Die Kirche hat einen Hochaltar, eine Schnitzplastik von Bonifatius und Nepomuk und mit Bildern gestaltete Kreuzwegstationen. Bei der Kirche ist der Jagdhof, eine Gaststätte. Hinter der Kirche sind ein Spielplatz und ein kleiner Friedhof. Unterhalb der Kirche ist ein Gatter mit Haustieren.

 

Auf dem Weg nach Fulda:

Nach einem ganzen Stück Weg kommt man kurz vor dem Schnepfenhof zur Schnepfenkapelle mit Darstellung der Hl. Walburga, der Nichte des Bonifatius. In Malkes ist eine alte Dorfkirche mit St. Jakobus und dem Hl. Sturmius, der im Auftrag des Bonifatius 744 das Kloster Fulda gründete. Östlich von Rodges liegt der  Schulzenberg mit Kapelle, in der Nähe steht eine barocke Pièta.

 

 

Fulda:

Wo gegenwärtig Fulda liegt, war ehemals eine Stätte vorgeschichtlicher Niederlassungen, für welche die aufgefundenen Pfahlbauten und Gebrauchs­gegenstände vollgültige Zeugen sind. In der Nähe gründete am 12. März 744 Sturmius auf Geheiß des Heiligen Bonifatius eine Abtei, um die herum sich der Ort Fulda entwickelte. An der  Fuldabrücke kurz vor Fulda benutzte der Leichenzug eine ehemalige Furt.

Für die weitere Entwicklung des Klosters war es von großer Bedeutung, daß Bonifatius 751 bei Papst Zacharias das Privileg der Exemtion bewirken konnte, das das Kloster der Gerichtsbarkeit der örtlichen Bischöfe entzog. Die direkte Unterstellung unter Rom und Landschenkungen - die im besonderen Maße nach denn Tode von Bonifatius und seiner Beisetzung in der Klosterkirche erfolgten - sind die Wurzeln der politischen und geistlichen Unabhängigkeit des späteren Hochstiftes Fulda. Die Äbte des Klosters kamen zu immer höherem Ansehen.

Im Bereich der einstigen frühmittelalterlichen Klosteranlage steht heute der barocke Dom und die Michaels-Kirche. Östlich ist die weitläufige Schloßanlage mit Barockviertel, im Norden ist das Franziskanerkloster mit Aussicht auf die Stadt.

 

Bonifatius steht für die Grün­dung des Klosters und damit auch der Stadt Fulda  sowie für die Verwurzelung des christlichen Glaubens in dieser Re­gion. Das lernen schon die Grundschüler in Heimatkunde in sämtlichen Schulen des Landkreises. Die Stadt trägt bisweilen den Beinamen „Bonifatiusstadt“ .Keine kommunalpolitische Rede zu fest­lichen Anlässen oder Oberbürgermeister­einführungen, in der nicht der benedikti­nische Bistums-Heilige vorkommt. Aller­dings berufen sich vorzugsweise Christde­mokraten und Katholiken auf den „bonifa­tianischen Geist“.

 

Beim Besuch von Papst Johannes Paul II. in Fulda 1980, der in der Gruft des Do­mes am „Bonifatius-Grab“ gebetet hat, wa­ren zwar auch Protestanten vom charisma­tischen Aufruf zur christlichen „Neumissio­nierung ....durch Euer im Geist des Heili­gen Bonifatius geformtes Zeugnis“ beein­druckt. Doch im Alltag haben die Evange­lischen  mit dem „Apostel der Deutschen“ deutlich weniger am Hut.

 

Namensgeber ist der Märtyrer in der Re­gion nicht nur für Schulen, Bildungshäu­ser und Verkehrswege. Am Fuldaer „Boni­fatiusplatz“ steht sein Denkmal in Bronze gegossen seit 1842. Frisch restauriert, hält das Standbild in der Linken die offene Bibel und in der Rechten ein Kreuz, mah­nend in Richtung Stadtschloß und Sitz der Stadtverwaltung gerichtet. Hier ziehen auch die Prozessionen an katholischen Feiertagen vorbei, das „Bonifatuslied“ singend, dessen Text irgendwie in al­le Jahrhunderte paßt: „Oh heil’ger Bonifa­tius, führ’ uns aus diesem Jammertal, in dem wir uns befinden ...!“

 

Fern religiöser Nutzung gibt es nur zaghafte Triebe eines „Boni-Kultes“: Touristen können in allen Buchhandlungen und im Dommuseum Bü­cher über den Heiligen kaufen. Doch der „Boni­fatiusbecher“ eines italienischen Eis­salons stand nur kurz auf der Karte. Und die „Bonifatius­praline“ - feinherber Trüf­fel mit Champagner, 100 Gramm zu 4 Euro 30 - als Mitbringsel kennen auch nur Ein­geweihte. Der frühere Oberbürgermeister Wolfgang Hamberger beschrieb im Buch über seine 30 Amtsjahre, daß er häufig am Heiligen-Grab „Bonifatius, was meinst du?“ gefragt habe. Solch persönliches Zwie­gespräch war und ist die Ausnahme.

 

 

 

Weitere Bonifatiusstätten findet man unter der Datei  „Bonifatius“. Zu erwähnen ist auch noch der „Bonifatiusweg“ in

 Thüringen. Der „Apostels der Deutschen ist zugleich Bistumsheiliger von Erfurt. Für viele nicht bekannt, spielte Thüringen als Ausgangspunkt für sein Wirken eine wichtige Rolle.

 

Im thüringischen Ohr­druf ist der erste gesicherte Ort, in dem um das Jahr 725 der heilige Boni­fatius sein erstes Kloster im heutigen Mitteldeutschland gründete. In der um 760 durch den Priester Willibald geschriebenen Lebensbeschreibung des Missionars sieht im 6. Kapitel: „Als nun die Menge der Gläubigen all­mählich zunahm und zur gleichen Zeit auch die Zahl der Prediger sich vervielfältigte, wurden auch Kirchen hergerichtet und in einem Orte na­mens Orthorp (Ohrdruf) ein Kloster errichtet.“

 

Nach der „Vita Bonifatii“ des Pries­ters Willibald wählte er Thüringen als Ausgangspunkt seiner Mission, um „... die wilden Völker Germaniens zu be­suchen und zu erforschen, ob die un­bebauten Gefilde ihrer Herzen von der Pflugschar des Evangeliums be­ackert seien und den Samen der Pre­digt aufnehmen wollten ...!“

 

In Thüringen gab es zu dieser Zeit schon Christen. Einige davon waren als fränkische Beamte nach Thürin­gen gekommen. Andere wurden durch Bischof Willibrord und seine Priester zum christlichen Glauben be­kehrt, der im Jahre 704 Güter in Arn­stadt, Mühlberg und dem schwer lo­kalisierbaren „Monhore“ von dem Würzburger Herzog Heden bekam. Vielleicht hat auch schon ein kleines Peterskloster in Erfurt bestanden. Lei­der ist diese Nachricht von 706 unsi­cher, da sie mit Sicherheit um 1200 ge­fälscht wurde.

 

Wieder andere haben ihren Glauben durch iro-schottische Mönche erhalten, die im 7. Jahrhun­dert in Würzburg und Umgebung nachweisbar sind. Womöglich waren auch noch wenige Reste eines ariani­schen Christentums der Königin Amalaberga (um 500 bis 531), der ost­gotischen Ehefrau des Thüringer Kö­nigs Herminafried, vorhanden.

 

Es gab also ein vielgestaltiges christli­ches Leben. Die meisten Bewohner Thüringens aber hielten sich zu den alten germanischen Göttern und suchten auf dem Donnershaugk, den Ziegenbergen, heiligen Hainen und Quellen ihre Götter Donar, Wodan, Thor und ihr Gefolge anzubeten. Bo­nifatius suchte nun dieses nordöstlichste Grenzland zu den heidnischen Sachsen und Slawen als Ausgangs­punkt seiner Mission aus.

 

 

„Der heilige Mann redete also in Thüringen nach dem ihm gewordenen Befehl des apostolischen Pries­ters die Stammeshäupter und die Fürsten des ganzen Volkes mit geist­lichen Worten an und rief sie zurück auf den Weg der wahren Erkenntnis und zum Lichte der Einsicht, das sie schon lange, und zum größten Teil, von schlechten Lehrern verführt, ver­loren hatten ... !“ berichtet Willibald.

 

Kaum in Thüringen, erfuhr er, daß der Friesenherzog Radbod gestorben war. Hier sah er nun eine Chance für die Mission Frieslands. Er fuhr über Franken den Rhein entlang bis nach Utrecht und wirkte drei Jahre unter Bi­schof Willibrord. Schließlich sollte er dessen Nachfolger werden. Doch Bo­nifatius lehnte ab und zog wieder nach Rom. Dort wurde er 722 zum Missionsbischof ohne festen Sitz ge­weiht und verließ Rom mit einem Empfehlungsschreiben an Karl Mar­tell und an thüringische Große.

 

Er begab sich zum Hausmeier Karl Martell (Vorsteher der königlichen Verwaltung) und bekam auch von ihm einen Schutzbrief. Nun begann seine Wirksamkeit im thüringisch-hessi­schen Missionsgebiet. Er fällte bei Geismar in der Nähe Fritzlars in Hes­sen die Donareiche, gründete die hes­sischen Klöster Amöneburg und Fritz­lar und das Kloster Ohrdruf in Thürin­gen. Ob er zu dieser Zeit auch schon in Erfurt wirkte, ist noch unklar, aber wahrscheinlich, wenn wir der Vita des Bonifatiusschülers Gregor von Utrecht glauben dürfen.

 

So begann nun zu Beginn des achten Jahrhunderts der christliche Glaube in Thüringen sich zu festigen und zu verbreiten. Diesen Glauben zu bekennen, war nicht ganz ungefährlich. Das erfährt man  aus dem im Dezember 722 geschriebenen Brief Papst Gregor II. an Thüringer Fürsten: „Den erlauchten Männern, seinen Söhnen Asolfus, Godolaus, Wilareus, Gundhareus, Alvoldus und allen gottgeliebten Christgläubigen Thüringern Papst Gregorius. Als wir die uns mitgeteilte Standhaftigkeit Eures herrlichen Glaubens in Christus erfuhren, daß Ihr den Euch zum Götzendienst drängenden Heiden glaubensfest die Antwort gegeben habt, Ihr wolltet lieber glückselig sterben als die einmal gewonnene Christgläubigkeit irgendwie verletzen, hat uns das mit großer Freude erfüllt ...!“

 

 

In Thüringen gibt es 31 evan­gelische Kirchen, die den Namen des Bonifatius tragen. Mit Bonifatius wird vor allem das Fällen der Donareiche bei Geis­mar verbunden, die den Heiden die Macht des Christengottes beweisen sollte. Das Bild des „Eichenfällers“ ist in der Kirche zu Alten­beichlingen ganz oben in der Kirche in einem Schluß­stein zu sehen.

 

Bonifatius war auch „Schulmeister“, als sich das Christentum unter den Ger­manen ausbreitete, Klöster mit Schu­len gegründet wie in Ohrdruf. Er hat Wert darauf gelegt, daß Kinder christ­lich erzogen werden.

 

Befremd­lich ist, daß für den Mis­sionar der Papst in Rom als „Zentrum der Christenheit“ galt. Überhaupt war Bonifatius eher obrigkeitsorientiert. Heute würde man sagen, er leitete ein Großunternehmen und verhandelte auf der Leitungsebene.  Der Schutz des Staates ist ihm wichtig gewesen. Er wurde nicht in der Verteidigung seines Glau­bens ermordet, sondern von Räubern, die sich reiche Beute erhofft hatten.

 

In der Kirche am Marktplatz von Sömmerda befindet sich ein Gemälde, das 1491 in einer Erfurter Werkstatt  gemalt wurde. Es zeigt, wie der Bischof angeblich eine geistliche Rechtsschrift vor sich ge­halten haben soll und die durchbohrt wurde.  Sie ist aber wohl von den Räubern im Nachhinein aus Wut zerstört worden, weil keine Beute zu machen war.

 

Seit 1811 der Kandelaber bei Alten­bergen errichtet wurde, wird zum Pfingstmontag dort um 14 Uhr ein Gottesdienst gefeiert, der an die Er­bauung der ersten Kirche Thüringens erinnert. Wenn dies auch wissen­schaftlich umstritten ist, so zeugt der Kandelaber doch von der Erneuerung des Bonifatiusgedenkens seit der Zeit der Romantik. Er spielt seitdem für das Bonifatiusgedenken in Thüringen eine wichtige Rolle.

 

In Ohrdruf ist ab etwa 760 die Gründung des Klosters durch den Biografen Willibald bezeugt (der nicht zu ver­wechseln ist mit dem Bischof Willi­bald). Ohrdruf war mit seiner frühen Klostergründung das geistliche Zen­trum Thüringens mit einer Schule für einheimische Kinder und werdende Priester, wie es der Brief 103 bezeugt. Dort steht: „... seitdem ich ... um zu lesen und zu forschen ... nach Thüringen gekommen  bin...“.

 

 

In Sülzenbrücken bei Neudieten­dorf hatte Bonifatius den Priester Wunnibald über sieben Kirchen einge­setzt, deren Orte man aber nicht ken­nt. Außerdem hatte Bonifatius dort seinen Vertrauten Willibald als Mis­sionsbischof geweiht. Es ist unklar, ob er für den Bischofssitz in Erfurt vorge­sehen war. Im Jahre 742 schreibt Boni­fatius an Papst Zacharias, daß er drei Bischöfe bestellt und die Provinz in drei Sprengel eingeteilt habe: „Ein Bischofssitz, so haben wir bestimmt, soll in der Burg sein, die Würzburg heißt; und der zweite in der Stadt, die Büraburg heißt; der dritte an der Stelle, die Erfurt heißt, diese war ehe­dem eine Stadt ackerbauernder Hei­den“.

 

So gibt es mit drei gesicherten Orten und Altenbergen, mit einer spä­teren Überlieferung, wich­tige nach­weisbare Wirkstätten des Bonifatius in Thüringen. Sie spiegeln auch wichtige Schwerpunkte der Arbeit des Bonifatius in Thüringen wider. Altenbergen zeugt von der Verbin­dung des Missionsbischofs Bonifatius mit dem einheimischen und fränki­schen Großen  „Asolf, Godolaus, Wila­reus, Gundhareus, Alvoldus und allen gottgeliebten Gläubigen“, die später zu Adelsgeschlechtern wurden. Ihre Hilfe brauchte er eben, um in Thüringen Fuß zu fassen.

 

 

Man darf sich das Wirken in die­sem achten Jahrhundert nicht zu pri­mitiv vorstellen. Zwar waren die Wege über den Thüringer Wald noch nicht gepflastert, aber die tiefen Fahrspuren der Alt­wege lassen auch heute noch auf eine alte Befahrung schließen. Bonifatius hatte auf seinen Reisen ständig briefliche Verbindung nach Rom, mit Angelsachsen, Baiern, Fries­land, Hessen und Thüringen. Das er­forderte einen sehr hohen organisatori­schen Aufwand mit einem Archiv, einer kleinen Bücherei und der Aufbe­wahrung und Weiterreichung von Re­liquien.

 

Er selbst war dreimal in Rom und schickte Boten mit den Briefen dort­hin, die ihn später wieder auf seinen Reisen und Aufenthaltsorten im Mis­sionsgebiet erreichen mußten. Im er­sten Jahrzehnt seines Wirkens auf dem Festland als Missionsbischof dienten ihm die drei Klöster Amöneburg, Fritzlar in Hessen und Ohrdruf in Thüringen als solche geistliche und organisatorische Zentren, in denen er auch selbst, wenn er anwesend war, lehrte.

 

Mit dem Wirken des Bonifatius ver­bindet sich auch die schriftliche Er­wähnung vieler Orte Thüringens, die nach dem Tod des Bonifatius als Güter der Klöster Hersfeld und Fulda aufge­schrieben wurden.

 

Weitere Bonifatiusstätten

Amöneburg bei Marburg:

Wie das berühmte Felsenkloster Mont Saint-Michel vor der bretonischen Küste erhebt sich das Städtchen Amöneburg, markiert von der Silhouette der Stiftskirche. Die Burg liegt 363 Meter ü. NN. und damit 168 Meter über der am Berg vorbeifließenden Ohm. Ein Steinbruch mit Basaltsäulen nördlich des Ortes läßt die Entstehung aus vulkanischem Basalt erkennen (auch an der Straße „Am Brücker Tor“). Einst war der 365 Meter hohe Basaltkegels ein Kultberg und Flucht- und Verteidigungsort gegen Feinde, die den Basaltkegel immer berannten.

Gäbe es keine Bäume an den Flanken, stünden noch alle mittelalterlichen Türme und Tore, wie es Wenzel Hollar 1630 auf einer Zeichnung festgehalten hat, ähnelte Amöneburg der biblischen „Stadt auf dem Berge“, zu der alle Mühseligen und Beladenen im irdischen Jammertal die Verheißung erwartend aufschauten. Von dem früher breit verästelten Flüßchen Ohm stammt der Name Amöneburg - Amanaburch - Ohmeneburg. Die Stadt ist heute „Staatlich anerkannter Erholungsort”.

Die heutige Form des Namens Amöneburg dürfte von (lat.) amoenus = reizend gelegen, lieblich abgeleitet worden sein. Dieser Name ist allerdings noch sehr jung. Während des Mittelalters hieß die Stadt Amanaburg, Amenaburg oder auch Ameneburg. Die unten am Berg vorbeifließende Ohm hieß zu dieser Zeit meist Amana oder Amena. Eine noch ältere Form ist Amanaha. Das Wort „aman“ bedeutet (kelt.) Fluß, „aha“ ist (kelt.) Wasser. „Amanaha“ wäre demnach „fließendes Wasser“.

Überall erblickt man historischen Boden. im Brücker Wald östlich des Ortes, wurden steinzeitliche Geräte und Scherben, Schmuckstücke und eine Urne aus der Bronzezeit ausgegraben. Etwa 70 Hügelgräber finden sich dort. Auch von Kelten und Römern gibt es Hinterlassenschaften sowie aus der Zeit der fränkisch-sächsischen Kriegszüge, von denen das Skelett eines Kriegers als Museumsstück dient.

Die Geschichtsschreibung auf der Amöneburg setzt 721 ein und mit ihr im großen Stil die Christianisierung des Landes, das jetzt Hessen heißt. Der heilige Bonifatius erklomm den Berg, gründete zuerst darauf eine Zelle, später ein kleines Kloster und nahm Massentaufen vor. Sankt Bonifatius, der als Benediktiner die Anhöhen liebte, gründete hier oben ein Kloster, ließ eine Kirche bauen und richtete eine Schule ein. Amöneburg war die erste Klostergründung des Bonifatius. Sie erfolgte im Jahre 721 oder 722. Die heutige Kirche „St. Johannes der Täufer“ wie auch die Stiftsschule sind Nachfolgebauten. Die Originale gingen im Mittelalter während der vielen Katastrophen (Kriege, Feuersbrünste) verloren.

Amöneburg gehörte ursprünglich zum Bistum Büraburg. Dieses Bistum wurde 765 mit dem Bistum Mainz vereinigt. Heute gehört Amöneburg zum Bistum Fulda. Über Bonifatius und Amöneburg wird berichtet: Im Sommer 719 zog der Apostel der Deutschen nach Thüringen, um sich zunächst im Missionsgebiet umzusehen.

Im Herbst desselben Jahres zog er durch den Hessen- und Oberlahngau an den Rhein nach Mainz, lernte also schon jetzt unsere Gegend kennen. Er beabsichtigte, Karl Martells Einwilligung für seine Missionstätigkeit einzuholen, vollendete aber die Reise nicht, sondern ging auf die Kunde von dem Tode Radbods den Rhein herab nach Friesland und unterstützte dort einige Jahre lang den Erzbischof Willibrord.

Im Jahre 721 erschien Bonifatius wieder in Hessen. Er brach sofort auf und gelangte an einen Ort, der Amanaburch genannt wird, dessen Vorsteher zwei Zwillingsbrüder, nämlich Dettic und Deorulf, waren [Vom Marktplatz zweigen ab: der Detticweg und parallel dazu die Deorulfgasse. Aber auch der Chronist Amöneburgs wurde nicht vergessen: die Verbindung zwischen Brücker Tor und Lindauer Tor heißt Dr.-Max-Ehrenpfordt-Straße]. Bonifatius bekehrte die Brüder von ihrem verruchten Götzendienst, den sie unter dem Namen von einer Art Christentum in schändlicher Weise mißbrauchten, und befreite eine sehr große Menge Volkes durch seine Predigt von ihrem heidnischen Aberglauben. Darauf sammelte er eine Schar von Mönchen und baute eine Klosterzelle.

So etwa sagt Willibald in seiner Biographie des Bonifatius. Die Einwohner waren aber schon vorher arianische Christen, deren Glaube hier als schändlicher Aberglaube“ bezeichnet wird. Lange bevor Bonifatius kam, war das Christentum in Germanien bekannt. So war es vom Mittelrhein her in das rechtsrheinische Vorland bis zum Spessart und in die Wetterau (Büraburg, Amöneburg), in den Kraichgau und das Neckarland (Amorbach) vorgedrungen. Dieses Christentum war eine Ausprägung des Arianismus und damit eine Konkurrenz zum römisch-katholischen Christentum. Außerdem dürfte bei den frühen Christen der germanische Götterglaube ihrer Vorfahren noch etwas in den Köpfen gespukt haben.

Die Überlieferung berichtet, daß Bonifatius jene ersten Christen, die er in Hessen bekehrte, in der Wäschbach getauft habe, dem Bache, der am Nordfuß der Amöneburg an der Lindaukapelle vorbeifließt. Es steht demnach geschichtlich fest, daß Bonifatius hier in Amöneburg die beiden ersten hessischen Christen bekehrt hat. Sie sind in obigem Text „Vorsteher“ des Ortes genannt und waren Zwillingsbrüder. Der Ort war der Mittelpunkt des Oberlahngaues und als königliche Pfalz und vor allem wegen seiner günstigen Lage sicherlich schon damals eine starke Feste zum Schutze des von den Sachsen oft gefährdeten Grenzlandes.

Bonifatius erhielt nun von den beiden Brüdern einen Teil des Ortes oder auch den ganzen Ort zum Geschenk und erwarb damit Grundeigentum. Die beiden Brüder Dettic und Deorulf können wir am ungezwungensten als die ursprünglichen Eigentümer von Amöneburg und Gaugrafen des Oberlahngaues ansehen.

Der Chronist schreibt dann weiter: „Das von Bonifatius im Jahre 721 gestiftete und 732 erweiterte Kloster zu Amöneburg blühte noch im Jahre 1062, denn Othlo, der zu jener Zeit lebte und schrieb, berichtet vom Kloster. Das Kloster ist aber wohl nur wenig dotiert gewesen, seine Bedeutung war demzufolge gering, und seine Schule trat gegenüber denen von Fritzlar und Fulda weit in den Hintergrund. Wir finden dasselbe infolgedessen nirgends erwähnt, und schon unter dem Erzbischof Adalbert I. von Mainz (1111 - 1137) war es eingegangen.

Es erscheint plausibel, daß St. Bonifatius „in der Wäschbach“ getauft haben soll. Innerhalb der Stadtmauern Amöneburgs gab es keine Quellen mit nennenswertem Auswurf, was zeitweilig durchaus sehr problematisch war. Bei den häufigen, oft auch längeren Belagerungen und bei Bränden, gab es überwiegend nur Wasser aus Kavernen. Gleichwohl - in manchen Kellern in Amöneburg gibt es Felsquellen. Es „tröpfelt“ aufsteigendes Quellwasser aus den Spalten des anstehenden Basalts heraus.

Die Ohm unten am Berg kommt aus dem Vogelsberg und hat, wenn sie Amöneburg erreicht, schon einen längeren Lauf hinter sich und war somit auch damals kaum zuverlässig sauber. „Die Wäschbach“ - heute sagt man meist „die Waschbach“ - die am Fuße Amöneburgs entspringt, war besonders geeignet. Hier konnte mit sauberem Quellwasser getauft werden. Auch heute noch könnte man hier Trinkwasser holen. 

Wenn man an der Quellfassung steht wundert man sich, wo das Wasser denn nun verbleibt. Leider ist die Wäschbach fast von der Quellfassung an bis an der Lindaukapelle vorbei verrohrt. Erst dann tritt sie wieder zutage, fließt an ein paar Wiesen vorbei, speist einen Fischteich, und schon mündet sie in die Ohm.

Die verrohrte Ableitung des Baches ist wohl bedingt durch den Platzbedarf wegen der Prozessionen zur Lindaukapelle. Auch diese Kapelle, Maria Magdalena geweiht, wurde im 30jährigen Krieg zerstört und wurde 1868 im Stil der Zeit wiedererrichtet.

 

Ohne diesen unter fränkischem Schutz stehenden Vorposten des Christentums hätte es der angelsächsische Mönch kaum wagen können, zwei Jahre später in symbolträchtiger Tat die Axt an die Donareiche bei Fritzlar zu legen. Seitdem fühlen sich die Amöneburger ein Stück näher am Himmel. Sie bekennen sich immer noch zum Glauben dieses „Apostel der Deutschen”.

Sankt Bonifatius, der als Benediktiner die Anhöhen liebte, gründete hier oben ein Kloster, ließ eine Kirche bauen und richtete eine Schule ein. Amöneburg war die erste Klostergründung des Bonifatius. Sie erfolgte im Jahre 721 oder 722. Die heutige Kirche „St. Johannes der Täufer“ wie auch die Stiftsschule sind Nachfolgebauten. Die Originale gingen im Mittelalter während der vielen Katastrophen (Kriege, Feuersbrünste) verloren.

Amöneburg gehörte ursprünglich zum Bistum Büraburg. Dieses Bistum wurde 765 mit dem Bistum Mainz vereinigt. Heute gehört Amöneburg zum Bistum Fulda. Über Bonifatius und Amöneburg wird berichtet: Im Sommer 719 zog der Apostel der Deutschen nach Thüringen, um sich zunächst im Missionsgebiet umzusehen.

 

Maden (Nordhessen): Wotanstein:_

Der Wotanstein (auch „Wodanstein"), gilt als eines der imposantesten Megalithdenkmäler Deutschlands. Als Megalithen (von altgriechisch „megas“ = groß und  lithos“ = Stein) bezeichnet man große, oft unbehauene Steinblöcke, die als Bausteine für Grab- und Kultanlagen benutzt wurden oder als Monolithe aufgerichtet und in Steinsetzungen positioniert wurden. Die west- und nordeuropäischen Megalithbauten wurden alle in der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit errichtet. Der Brauch, derartige Menhire (Bretonisch: men = Stein, hir = lang) aufzustellen, wurde aus dem heutigen Frankreich übernommen. 

Die Besonderheit des Wotansteins besteht darin, daß er aus ortsfremdem Quarzit besteht. Dieser ist  erst wieder im Gebiet von Borken zu finden. Man vermutet, daß er im 3. Jahrtausend vor Christus hierher gebracht und auch aufgestellt wurde.

Eine frühe rituelle oder religiöse Nutzung ist aufgrund der auffälligen Häufung von ähnlichen Menhiren im Raum zwischen Fritzlar und Kassel sehr wahrscheinlich. Der Stein wurde dann später (ab dem 1. Jahrtausend) wohl von den Chatten in der Sakrallandschaft Mattium als Verehrungsort des Wodan (auch „Wotan“, Hauptgott in der nordisch-germanischen Mythologie) genutzt.

Der Stein wurde schon 1407 als „der lange steyn von Maden“ urkundlich erwähnt. Laut mündlicher Überlieferung soll der Stein im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) ausgegraben worden sein, weil man Schätze unter ihm vermutete. Man fand aber nur Überreste menschlicher Knochen und stellte fest, daß er genauso tief in der Erde steckt, wie er über der Erde steht.

Der Sage nach wollte der Teufel vom Lamsberg aus die erste christliche Kirche des Bonifatius in Fritzlar, die aus dem Holz der Donareiche errichtet worden war, mit dem Stein zerschmettern. Er sei jedoch am vorgehaltenen Schild des Erzengels Michael abgeprallt und an die  Stelle, wo er heute steht, in die Erde gefahren. Die Eindrücke und Löcher am Stein deutete man als Hinterabdrücke des Teufels (Teufelskralle).

 

Fritzlar - Büraberg :

(Ein Übersichtsplan ist am Eingang aufgestellt): Im Dorf Ungedanken fährt man nach rechts in die Bürabergstraße und dort immer weiter hin­auf auf den Berg. Am jüdischen Friedhof geht es links weiter, bis man zur Brigidenkirche kommt. Es war ein geheimnisvoller Ort, der Büraberg bei Fritzlar. In jahrelangen Grabungen haben Archäologen seine Rätsel allerdings gelöst - und dabei die Geburtsstätte der Kirche in Hessen gefunden (Bilder 20-21)

Von 200 bis 500 vCh  war auf dem Büraberg die Gauburg des chattischen Kerngebiets im Umfang der späteren fränkischen  Burg, Die Burg wurde von den Franken erobert und geschleift. Um 680 erfolgte die Errichtung der fränkischen Reichsburg mit acht Hektar Innenraum: Periode eins mit mindestens 1,50 Meter breiter Mörtelmauer, mehreren Türmen und drei Toren. An den gefährdeten Stellen gibt es mehrere Spitzgräben. Es erfolgte eine Innenbesiedlung. Auf dem östlichen Teil des Bergsporns war eine Vorburg.

Um 700 kam es zur Verstärkung der Befestigung durch neue, breitere Mauer II a (1,80 Meter) und Ausbau der Tore in Periode 2 a. Die Innenbesiedlung (Pfostenbauten, Ständerhäuser auf steinernen Unterzügen, Kellern, Grubenhäuser) wurde dichter, sie war vermutlich planmäßig angelegte. Auf dem zentralen Gipfelplateau wird das Brigidenkloster erbaut, der Friedhof darunter nach Süden zu. In der Vorburg entstehen bäuerliche Gehöfte und Handwerker. Die Fes­tung selbst diente 774 der Be­völkerung nach einmal als Zu­flucht bei einem schweren Sachsenangriff hinter die Mauern der Büraburg (Bericht der Reichsannalen).

Als der angel­sächsische Mönch und Missionar Bonifatius im Jahre 722 hierher kam, empfing ihn und seine Helfer eine gewaltige Festungsanlage, geschützt van einem Mauerring mit Gräben und Wällen, dahinter eine Siedlung. Um 700 hatten die Franken dieses Bollwerk errichtet, um die Grenzen ihres ausgedehnten Reiches gegen die Sachsen zu schützen. Aber sie waren nicht nur militärisch präsent, sie hatten auch Mönche mitgebracht, die ein Missionskloster gründeten. Drei Doppelzellen sind archäologisch nachgewiesen. Die Kirche weihten die Benediktiner der Patronin Irlands, der Heiligen Brigida. Bonifatius errichtete hier im Jahr 742 den Sitz seines Hessenbistums Büraberg, das jedoch schon 747 nach dem Tod des ersten Bischofs Witta im Bistum Mainz aufging.

 

Die ersten Christen vom Volk der Chatten waren also bereits durch fränkische Mönche bekehrt worden, bevor Bonifatius kam. Aber die meisten Menschen waren dem alten Glauben treu geblieben. Bonifatius und seine Schüler verkündigten nun in Geis­mar, einer großen Siedlung jenseits der Eder, den neuen Glauben. Aber sie teilten auch Not und Armut der Bevölkerung im Grenzland. Einige der bekehrten Familien sollen Bonifatius bewogen haben, die von ihren Stammesgenossen noch immer verehrte Donar-Eiche zu fällen. Und so fiel der Götter­baum im Herbst 723 unter dem Schutz fränkischer Krieger. Das war der Durchbruch: Nun zweifelte die heidnische Bevölkerung an der Autorität ihrer alten Götter und ließ sich in Scharen taufen.

Im Hessischen Landesmuseum in Kassel ist neben zahlreichen anderen Ausgrabungs­stücken vom Büraberg der erste christliche Fund zu besichtigen: Ein winziges Kreuz aus Silberblech, das auf das Totenhemd eines kleinen Mädchens genäht war. Wahrschein­lich ein Amulett, das es im Jenseits als Christin ausweisen sollte.

Es ging Bonifatius nicht nur darum, Heiden zu bekehren. Eine Absicht war auch, die der arianischen Konfession anhängenden Franken dem Papst in Rom zu unterstellen und sie damit römisch-katholisch zu machen. Mit Hilfe weltlicher Macht schuf er eine dem Papst in Rom unterstellte kirchliche Organisation. Er gründete 742 ein Hessenbistum mit der Brigidenkirche als Kathedrale und seinem Lands­mann Witta als Bischof.

Von 741/742 bis 746/747 war das „oppidum Büraburg“ Bischofssitz des von Bonifatius errichteten Hessenbistums. Um 750 erfolgte wegen der Sachsengefahr eine erneute Verstärkung der Tore und Mauern bis auf 2,70 Meter Breite (Periode 2 b). Nach dem Ende der Sachsengefahr verfiel zwischen 800 und 850 die Befestigung, die Bevölkerung begann abzuwandern. Bald darauf wurde die Burg ganzauf­gegeben. Der neue kirchliche und politische Mittelpunkt entstand jenseits der Eder: in Fritzlar.

Die Weihe der Kirche zu Ehren der irischen landesheiligen Brigida (gestorben 525) geht vermutlich auf die frühe Missionstätigkeit der iroschottischen Mönche im 6./7. Jahrhundert zurück. An einem seither bestehenden festen Kirchenbau könnte sich eine Klosterzeile angeschlossen haben. St. Brigida auf dem Büraberg blieb bis 1527 Mutter- und Wallfahrtskircher eines größeren Kirchspiels mit Filialkirchen in Ungedanken, Rothhelmshausen (Wüstung), Holzheim, Mandern, Wega, Braunau und Wenzigerode.

Seit der Reformationszeit jedoch ist die Kirche St. Bonifatius in Ungedanken die Pfarrkirche der katholischen Pfarrgemeinde von Ungedanken und Rothhelmshausen, zu der heute noch die Bürabergkirche St. Brigida mit dem umliegenden Friedhof gehört. In den Wirren des 30järigen Krieges wurde die Brigidakirche teilweise zerstört, bis zum Jahre 1692 aber wieder aufgebaut.

Der Büraberg hat seine ungewöhnliche Stille bewahrt: Auf dem  höchsten  Punkt zwischen alten Linden steht - umgeben von einem Friedhof - die schlichte Brigidenkapelle, die im Laufe ihrer langen Geschichte elf Erneuerungsphasen erlebt hat. Die Wandmalereien in der Brigidenkapelle zeigen, daß der Wiederaufbau nach dem 30jährigen Krieg lange auf sich warten ließ. Der Reliquienschrein mit Darstellungen von Bonifatius und seinen Zeitgenossen ist Teil des Domschatzes in Fritzlar. Der Altar in der Brigidenkapelle stammt aus dem abgerissenen Schiff der Bonifatiuskirche in Ungedanken (oder Fritzlar?).

Hinter der Kirche ist ein Brunnen zu sehen und dann genießt man über einen steilen Abhang  hinweg einen wunderbaren Blick auf Fritzlar mit dem monu­mentalen Dom und Türmen der Stadtbefestigung. Es sieht aus, als würden sie einander als Nachbarn an den Ufern der Eder grüßen, der gewaltige Dom und die kleine Kapelle.

Der Büraberg blieb bis 1340 weiter besiedelt, allerdings erfolgte eine Konzentration der Bebauung im Wesentlichen auf das Gipfelplateau um die Brigidenkirche. Seit dem 14. Jahrhundert war der Berg nur noch eine Wüstung und der ehemalige Burgbereich wurde bäuerlich genutzt.

Im Jahre 1717 erschien Johann Hermann Schminckes „Dissertatio Historica de Episcopatu Buraburgensi in Hassia”.  In den Jahren 1926 bis 1931 erfolgten Ausgrabungen durch Joseph Vonderau, von 1967 bis 1973 und 1996 erfolgten Ausgrabungen durch Norbert Wand, der auch die Ausgrabungen dokumentierte.

Im Zuge der jüngsten Restaurierungsmaßnahmen bis 2007 wurde der gewachsene bauliche Zustand erhalten. Die Wandmalereien von 1692 wurden freigelegt. Vom ältesten steinernen Kirchenbau aus fränkischer Zeit (6./7. Jahrhundert) ist heute noch die Chorbogenwand als Ganzes erhalten. Den Westteil der Kirche nimmt ein ehemals mehrgeschossiger Turm aus mächtigem Mauerwerk ein, der im 11. Jahrhundert über älteren Fundamenten errichtet worden war. Der Chor im Osten und wesentliche Teile der Sakristei dürften im 13. Jahrhundert in ihrer heutigen Form entstanden sein. Die Nord- und Südwand des Kirchenschiffes stammen aus dem Wiederaufbau bis 1692: Das Mauerwerk der Westwand stammt aus verschiedenen Reparatur- und Veränderungsphasen, das Portal und die Südwestecke aus dem 17. Jahrhundert.

Bei früheren archäologischen Grabungen waren in und außerhalb der Kirche verschiedene Fundamente und Mauerreste aufgedeckt worden, darunter der Keller und die Zisterne östlich des Chors, die sich hinsichtlich ihres Alters, ihrer Funktion und Zugehörigkeit bis heute jedoch einer sicheren Deutung entziehen.

 

 

Christenberg bei Münchhausen (nördlich von Marburg):

Der Kellerwald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Hessen. Dort gibt es ein Hochmoor mit Wollgras und Kalla. Oberrosphe ist ein schönes Fachwerkdorf. In Mellnau steht eine Burg, die später von Raubrittern genutzt wurde, sehr zum Ärger der Mainzer und Frankenberger

Das Naturschutzgebiet Franzosenwiese war früher ein Bruch, der nicht mehr genutzt wurde. Die Hugenotten haben ihn aber wieder kultiviert und dadurch entstand der Name. Es gibt im Burgwald Bartflechten an den Bäumen, ein  Zeichen für die gute Luft.

Die von 400 bis 200 vCh bestehende Keltensiedlung wurde später „castrum“ genannt, woraus „Christenberg“ entstand.

In der Nähe sind ein Berggasthaus und die von einer Mauer eingefaßte Bonifatiustrappe. Hier soll der Missionar aufgestampft haben, um die Macht seines Gottes zu demonstrieren. Es gibt aber auch die Lesart, hier habe der Teufel aufgestampft, als die Menschen Christen geworden waren. Am Fuß des Christenbergs ist der Spiegelteich.

In Münchhausen gibt es einen Teich, in dem Kohlendioxyd aufsprudelt, das erst aus dem Wasser entfernt werden muß, ehe es für die Forellenteiche genutzt werden kann.

Näheres siehe: Führungsheft zu der frühkeltischen Burg, Archäologische Denkmäler in Hessen 7.

 

Milseburg:

Unmittelbar unterhalb des Gipfels steht die dem Heiligen. Gangolf geweihte Wallfahrtskapelle, die uns heute zwar als Bauwerk der dreißiger Jahre entgegen tritt, die aber auf eine ins Mittelalter reichende Tradition zurückblickt. Nachdem ein Blitzschlag 1929 den aus dem 17. Jahrhundert stammenden Vorgängerbau weitgehend zerstört hatte, wurde der jetzige Neubau in stark veränderter Baukonzeption errichtet. Vom Ende des 15. Jahrhunderts stammt die älteste Überlieferung einer Gangolfskapelle, deren Wallfahrern der Würzburger Bischof den Ablaß gewährte. Wie weit indes die Verehrung des Heiligen Gangolf - eines fränkischen Adligen am Hofe Pippins und Zeitgenossen des Bonifatius - als Schutzpatron heilkräftiger und Kindersegen bringender Quellen und Bergkapellen zurückreicht, kann kaum abgeschätzt werden. Bemerkenswert ist immerhin die Verbindung von Quellen- und Kapellenkult im Volksglauben, denn unterhalb der Kapelle am Plateau tritt der „Gangolfsborn“ aus. Diese Verknüpfung verweist vielleicht in die Frühzeit der Christianisierung, als die Mission heidnische Kultplätze umzuwidmen und so den neuen Glauben in der Bevölkerung zu verankern trachtete.

 

Bad Hersfeld:

Es begann so, wie es siebenhundert Jahre später auch endete: mit einem vernichtenden Feuer. Anfang des 11. Jahrhunderts brannte die Basilika der Abtei von Hersfeld bis auf die Grundmauern nieder. Sie stammte noch aus karolingischer Zeit, ging zurück auf die Kapelle einer Einsiedelei, die der Missionar Sturmius 736 gegründet hatte. Einige Jahre später erhob Lullus, ein in England geborener Weggefährte des heiligen Bonifatius und dessen Nachfolger als Erzbischof von Mainz, die Einsiedelei zu einem Benediktinerkloster und stellte es unter den Schutz Karls des Großen. Der stattete das Kloster mit allerhand Sonderrechten aus und nutzte es als Vorposten in seinen Feldzügen gegen die Sachsen. Schenkungen aus allen Teilen des Reiches mehrten die Macht und den Einfluß der Hersfelder Abtei. Die schnell wachsende Bedeutung des neuen Klosters machte es erforderlich, die alte Kapelle zu einer Basilika zu erweitern. 850 wurde sie vom Mainzer Erzbischof Rabanus Maurus eingeweiht.

 

Edersee -Kellerwald:

Die Menschen lebten noch mit dem Wald und waren seinen natürlichen Gesetzen unterworfen. Sie sahen sich dabei mit vielerlei Mächten konfrontiert, die sie als übermenschliche Wesen und Gottheiten erlebten. Gefühlsmäßig verankert ist ein düsteres, mystisches Weltbild aus unseren Sagen und Märchen mit Einhorn und Drachen sowie Wichteln, Elfen und manch anderen unheimlichen Gestalten. In den alten Religionen wurde die Natur verehrt: Ein Gewitter- und Fruchtbarkeitsbaum war die von Bonifatius gefällte Eiche des Gottes Donar.

Bereits im 7. Jahrhundert brachten iroschottische Mönche das Christentum in den Kellerwald. Aus dieser Zeit stammt auch die ehemalige Wallfahrtskirche auf der Quernsthöhe, deren Grundmauern noch zum Teil zu sehen sind. Auch Bonifatius soll als Missionar in dieser Kirche gewesen sein. Missionare begleiteten zudem die Heere von Karl dem Großen gegen die Sachsen, die schließlich unterworfen wurden.

Eine wesentliche Rolle bei der Besiedlung der letzten Wildnis übernahmen die Klöster - Kloster Haina wurde 1215 von Zisterziensermönchen gegründet. Sie machten Sümpfe urbar und rodeten großflächig Wald zur Gewinnung von Ackerland. Die Rodungsflächen lieferten allerdings nur geringe Erträge, so daß man bald nur noch Weidevieh auftrieb. Auf diese Weise entstanden die sogenannten Triescher.

 

Creuzburg an der Werra:

Der geschichtsträchtige Ort liegt nun wieder in der Mitte Deutschlands. Wer von Eisenach kommend auf der Bundesstraße 7 in Richtung Kassel fährt, wird unweigerlich von der Creuzburg, der alten thüringischen Landgrafenburg, beeindruckt. Gleichsam am Eingangsportal Thüringens erhebt sich die Schwesternburg der Wartburg im Werratal.

Einst soll bei der Christianisierung durch Bonifatius auf diesem 40 Meter hochragenden Felsen ein Kreuz errichtet worden sein. Später hat wohl ein Kloster dort gestanden, bevor an diesem strategisch wichtigen Ort eine stolze Burg, die Creuzburg (1165 bis 1168), errichtet wurde. Jedenfalls soll 1170 Kaiser Friedrich Barbarossa durch eine Urkunde mit Siegel und Unterschrift den Bau der Creuzburg bestätigt haben.

 

Reinhardsbrunn:

Wo Scheitern und Aufbruch nahe beieinanderliegen. An der höchsten Stelle des Landschaftsparks Reinhardsbrunn befindet sich ein Baumring, der seit Jahrhunderten als „Die zwölf Apostel“ bezeichnet wird. Gesichert ist, dass sich hier in vorchristlicher Zeit ein germanisches Heiligtum befand, das vermutlich durch Bonifatius seinen heutigen Namen bekam. Wenn von diesem für Thüringen so wichtigen kulturhistorischen Ort die Rede ist, dann sind es über 400 Jahre Schutt und Asche: Die Wiege Thüringens muss dringend vor dem Verfall gerettet werden.

 

Ohrdruf:

Daß in Ohrdruf Thüringer Kirchengeschichte begann, ist bekannt. Wenn aber archäologische Erkenntnisse historische Quellen bestätigen und erweitern, kann das zu einer Sensation werden.

Funde, die ihresgleichen in Thüringen suchen, gibt es noch bis zum „Tag des offenen Denk-

Mals“ im Hof von Schloß Ehrenstein in Ohrdruf zu bestaunen. Dazu gehört vor allem die ins frühe 11. Jahrhundert datierte Krypta der ehemaligen Peter- und Paulskirche. Den Fund der Krypta bewertet Sven Ostritz, Präsident des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie, als sensationell und einmalig, ist sie doch die älteste im Freistaat. Die freigelegte Krypta spricht für die Bedeutung des Ohrdrufer Gotteshauses, schließlich konnte der Bau von Krypten in Thüringen bislang nur an wenigen Orten belegt werden.

Ostritz geriet als oberster Archäologe des Freistaats richtig ins Schwärmen, als er die Ausgrabungen kürzlich der Öffentlichkeit vorstellte und dabei am Standort des ältesten nachweislich von Bonifatius gegründeten Klosters bekundete: „Bonifatius war nicht alles“.

Tatsächlich zählt die einstige St. Peter-und-Pauls-Kirche zu den ältesten Thüringer Kirchen. Die nun ergrabene dreischiffige und dreijochige Krypta als Unterkirche, die es, so Ostritz, „in Thüringen nur dieses eine Mal gibt“, unterstreicht die Bedeutung des Gotteshauses. Die Existenz des Bauwerks war kein Geheimnis, schließlich berichtete das Reliquienverzeichnis des Propstes Wolfram von Ichtershausen aus dem Jahr 1190 von der Restaurierung einer ziemlich zerfallenen Kirche, in die im Jahr 980 Kanoniker eingesetzt und kostbare Reliquien verbracht worden seien. Das Verzeichnis erwähnt auch den großen Brand von 1184

Doch Berichte sind das eine, archäologische Reste das andere. So fanden die Archäologen um Grabungsleiter Udo Hopf neben den Mauerstrukturen auch Hinweise auf starke Brandspuren in der Krypta und Belege für den anschließenden Wiederaufbau des Gotteshauses - nach dem Brand - ein Glücksfall, bei dem historische Quellen und archäologische Erkenntnisse zusammenfinden.

Die Maße der Kirche wirken auch heute noch beeindruckend, erst recht für die Menschen des Mittelalters. Nach 1184 entstand eine rund 40 Meter lange, 17 Meter breite Pfeilerbasilika mit einem 23 Meter breiten Querhaus. Zu den besonderen Funden, die Hopf und seine Kollegen bargen, gehören Teile eines um 1200 datierten Gips-Estrichfußbodens mit mehrfarbigen ornamentalen Einlegearbeiten.

Bereits seit Juli 2008 laufen die Ausgrabungen im Schloßhof. Erforderlich wurden sie durch dessen geplante Neugestaltung. Dabei fanden die Archäologen südwestlich des Kirchenstandortes auch Reste eines 18 Meter langen Holzbaues aus dem 10. Jahrhundert. Dieser als „Halle“ bezeichnete Bau könnte möglicherweise dem späteren König Otto I. als Aufenthaltsort bei seinem Zug nach Italien gedient haben. Tatsächlich wurde in Ohrdruf Reichsgeschichte geschrieben, denn König Otto I. urkundete auf seiner Italienreise 961 in Ohrdruf. Ob der Bau damit in Zusammenhang steht, bleibt allerdings Spekulation. Wenige Jahre später entstand an Stelle des Holzbaues ein repräsentativer Steinbau. Dieser und die Einrichtung eines Kanonikerstiftes am Standort der Peterskirche 980 unter Abt Gozbert von Hersfeld stehen wohl in engem Zusammenhang. Zur zeitlichen Einordnung trägt der Fund eines silbernen Denars (um 1000) aus der Regierungszeit Kaiser Ottos III. bei.

Zu den interessanten Grabungsergebnissen gehören ferner 34 Gräber bzw. Grabgruben, von denen 16 vollständig freigelegt werden konnten. 25 der Gräber werden ins 10. bis 12. Jahrhundert datiert und drei stammen aus der Zeit zwischen 777 und 930. Sie verweisen in die frühe Zeit des Klosters, für das es sonst keine archäologischen Befunde gibt. Im Nachfolgebau lebten bis 1344 Augustiner-Chorherren und von 1463 bis zur Reformation 1525 Karmelitermönche. Anstelle des Klosters ließen die Grafen von Gleichen zwischen 1550 und 1570 Schloß Ehrenstein errichten. Im Nordflügel integriert überdauerte der Turmstumpf der Kirche die Jahrhunderte. Nach Fertigstellung des Schloßhofes im Herbst 2010 soll der Grundriß des mittelalterlichen Gotteshauses im Pflaster sichtbar gemacht werden.

 

Schmalkalden:

Die Bewohner des Schmalkalder Gebiets wurden wohl von iroschottischen Mönchen zum Christentum bekehrt, vor allem ab 725 von Bonifatius und seinen Mitarbeitern. In Schmalkalden gab es zunächst kein Kloster, denn sonst hätte Kunihild ihre Güter in Schmalkalden nicht dem Kloster Fulda vermacht.

 

Erfurt:

Haus „Zur Steinecke“: Nach Süden kommt man in die Horngasse. Von der Brücke aus öffnet sich der Blick auf die Krämerbrücke, zu deren Schutz auch das um 1200 erbaute Haus „Zur Steinecke“ (Horngasse 4) diente. Es ist eines der ältesten Häuser der Stadt. Seit Ende des 15. Jahrhunderts war es Universitätshospital, dann öffentliches Badehaus, danach wieder Wohnhaus, und heute beherbergt es die Restaurierungswerkstätten der Denkmalpflege.

 Von der kleinen Grünanlage am Wasser blickt man auf die seichte Flußdurchfahrt, die der Stadt den Namen gegeben hat: die Furt durch die „Erphe“, wie die Gera in frühmittelalterlicher Zeit genannt wurde. Unweit dieser „Erphesfurt“ hatte der Missionsbischof Bonifatius 742 ein Bistum gegründet und dies in einem Brief mit der Bitte um Bestätigung dem Papst mitgeteilt. Damit taucht der Name „Erfurt“ erstmals aus dem Dunkel der Geschichte auf und gleichzeitig die Nachricht, daß hier eine befestigte Burg heidnischer Bauern zu finden war. Seit alters her kreuzten sich im Schutze dieser Siedlung wichtige Handels- und Heerstraßen: die in West-Ost-Richtung verlaufende Via regia (von Paris nach Nowgorod) und die Nürnberger Geleitstraße, die in Nord-Süd-Richtung Norddeutschland mit Italien verband. Die Bundesstraßen 4 und 7 folgen zum Teil diesen uralten Wegen.

 

Greußen :

Nach Hesse verdankt Greußen seinen Namen dem Demutszeichen Christi, dem Kreuz. In einer Lebensbeschreibung des Bonifatius wird ein solches Kreuz erwähnt als Endpunkt einer Grenze, die vom Thüringer Wald kam und über Erfurt und Straßfurt nach Schilfa geht und „vor ein Kreuz, das stehet in dem weiten Felde und über das Thal von Greußen“.

Der Name käme dann von der durch Bonifatius gebauten „Heilig-Kreuz-Kirche“. Auch

in der Nähe von Kalbach bei Frankfurt am Main gab es in der Nähe einer Bonifatius­gedenkstätte eine „Krutzenkirche“. Aus dem „K“ konnte im örtlichen Dialekt dann leicht ein „G“ werden.

Lürmann leitet den Namen „Greußen“ von „Grus“ ab, weil die Siedlungen auf einer Kiesanschwemmung entstanden sei. Er hält aber auch die Ableitung von „Kreuz“ möglich, bezieht sie aber auf den Herbstmarkt am Tag der Kreuzerhöhung.

Die Stadt Clingen: Im Westen lag die Funkenburg, eine bedeutende Wohnstätte der Germanen. Im Osten stand die Heiligkreuzkirche, die von Bonifatius errichtet wurde. Dazwischen

liegt zwischen sächsischer Helbe und Steingraben bis heute die Stadt Clingen. Sie hatte ein Schloß und zwei Kirchen und war Sitz eines Amtes.

 

Bonifatiusweg:

In Thüringen  gibt es einen „Bonifatiusweg“. Der „Apostels der Deutschen ist zugleich Bistumsheiliger von Erfurt. Für viele nicht bekannt, spielte Thüringen als Ausgangspunkt für sein Wirken eine wichtige Rolle.

Im thüringischen Ohr­druf ist der erste gesicherte Ort, in dem um das Jahr 725 der heilige Boni­fatius sein erstes Kloster im heutigen Mitteldeutschland gründete. In der um 760 durch den Priester Willibald geschriebenen Lebensbeschreibung des Missionars sieht im 6. Kapitel: „Als nun die Menge der Gläubigen all­mählich zunahm und zur gleichen Zeit auch die Zahl der Prediger sich vervielfältigte, wurden auch Kirchen hergerichtet und in einem Orte na­mens Orthorp (Ohrdruf) ein Kloster errichtet.“

Nach der „Vita Bonifatii“ des Pries­ters Willibald wählte er Thüringen als Ausgangspunkt seiner Mission, um „... die wilden Völker Germaniens zu be­suchen und zu erforschen, ob die un­bebauten Gefilde ihrer Herzen von der Pflugschar des Evangeliums be­ackert seien und den Samen der Pre­digt aufnehmen wollten ...!“

In Thüringen gab es zu dieser Zeit schon Christen. Einige davon waren als fränkische Beamte nach Thürin­gen gekommen. Andere wurden durch Bischof Willibrord und seine Priester zum christlichen Glauben be­kehrt, der im Jahre 704 Güter in Arn­stadt, Mühlberg und dem schwer lo­kalisierbaren „Monhore“ von dem Würzburger Herzog Heden bekam. Vielleicht hat auch schon ein kleines Peterskloster in Erfurt bestanden. Lei­der ist diese Nachricht von 706 unsi­cher, da sie mit Sicherheit um 1200 ge­fälscht wurde.

Wieder andere haben ihren Glauben durch iro-schottische Mönche erhalten, die im 7. Jahrhun­dert in Würzburg und Umgebung nachweisbar sind. Womöglich waren auch noch wenige Reste eines ariani­schen Christentums der Königin Amalaberga (um 500 bis 531), der ost­gotischen Ehefrau des Thüringer Kö­nigs Herminafried, vorhanden.

Es gab also ein vielgestaltiges christli­ches Leben. Die meisten Bewohner Thüringens aber hielten sich zu den alten germanischen Göttern und suchten auf dem Donnershaugk, den Ziegenbergen, heiligen Hainen und Quellen ihre Götter Donar, Wodan, Thor und ihr Gefolge anzubeten. Bo­nifatius suchte nun dieses nordöstlichste Grenzland zu den heidnischen Sachsen und Slawen als Ausgangs­punkt seiner Mission aus.

 

„Der heilige Mann redete also in Thüringen nach dem ihm gewordenen Befehl des apostolischen Pries­ters die Stammeshäupter und die Fürsten des ganzen Volkes mit geist­lichen Worten an und rief sie zurück auf den Weg der wahren Erkenntnis und zum Lichte der Einsicht, das sie schon lange, und zum größten Teil, von schlechten Lehrern verführt, ver­loren hatten ... !“ berichtet Willibald.

Kaum in Thüringen, erfuhr er, daß der Friesenherzog Radbod gestorben war. Hier sah er nun eine Chance für die Mission Frieslands. Er fuhr über Franken den Rhein entlang bis nach Utrecht und wirkte drei Jahre unter Bi­schof Willibrord. Schließlich sollte er dessen Nachfolger werden. Doch Bo­nifatius lehnte ab und zog wieder nach Rom. Dort wurde er 722 zum Missionsbischof ohne festen Sitz ge­weiht und verließ Rom mit einem Empfehlungsschreiben an Karl Mar­tell und an thüringische Große.

Er begab sich zum Hausmeier Karl Martell (Vorsteher der königlichen Verwaltung) und bekam auch von ihm einen Schutzbrief. Nun begann seine Wirksamkeit im thüringisch-hessi­schen Missionsgebiet. Er fällte bei Geismar in der Nähe Fritzlars in Hes­sen die Donareiche, gründete die hes­sischen Klöster Amöneburg und Fritz­lar und das Kloster Ohrdruf in Thürin­gen. Ob er zu dieser Zeit auch schon in Erfurt wirkte, ist noch unklar, aber wahrscheinlich, wenn wir der Vita des Bonifatiusschülers Gregor von Utrecht glauben dürfen.

So begann nun zu Beginn des achten Jahrhunderts der christliche Glaube in Thüringen sich zu festigen und zu verbreiten. Diesen Glauben zu bekennen, war nicht ganz ungefährlich. Das erfährt man  aus dem im Dezember 722 geschriebenen Brief Papst Gregor II. an Thüringer Fürsten: „Den erlauchten Männern, seinen Söhnen Asolfus, Godolaus, Wilareus, Gundhareus, Alvoldus und allen gottgeliebten Christgläubigen Thüringern Papst Gregorius. Als wir die uns mitgeteilte Standhaftigkeit Eures herrlichen Glaubens in Christus erfuhren, das Ihr den Euch zum Götzendienst drängenden Heiden glaubensfest die Antwort gegeben habt, Ihr wolltet lieber glückselig sterben als die einmal gewonnene Christgläubigkeit irgendwie verletzen, hat uns das mit großer Freude erfüllt ...!“

 

In Thüringen gibt es 31 evan­gelische Kirchen, die den Namen des Bonifatius tragen. Mit Bonifatius wird vor allem das Fällen der Donareiche bei Geis­mar verbunden, die den Heiden die Macht des Christengottes beweisen sollte. Das Bild des „Eichenfällers“ ist in der Kirche zu Alten­beichlingen ganz oben in der Kirche in einem Schluß­stein zu sehen.

Bonifatius war auch „Schulmeister“, als sich das Christentum unter den Ger­manen ausbreitete, Klöster mit Schu­len gegründet wie in Ohrdruf. Er hat Wert darauf gelegt, daß Kinder christ­lich erzogen werden.

Befremd­lich ist, daß für den Mis­sionar der Papst in Rom als „Zentrum der Christenheit“ galt. Überhaupt war Bonifatius eher obrigkeitsorientiert. Heute würde man sagen, er leitete ein Großunternehmen und verhandelte auf der Leitungsebene.  Der Schutz des Staates ist ihm wichtig gewesen. Er wurde nicht in der Verteidigung seines Glau­bens ermordet, sondern von Räubern, die sich reiche Beute erhofft hatten.

In der Kirche am Marktplatz von Sömmerda befindet sich ein Gemälde, das 1491 in einer Erfurter Werkstatt  gemalt wurde. Es zeigt, wie der Bischof angeblich eine geistliche Rechtsschrift vor sich ge­halten haben soll und die durchbohrt wurde.  Sie ist aber wohl von den Räubern im Nachhinein aus Wut zerstört worden, weil keine Beute zu machen war.

Seit 1811 der Kandelaber bei Alten­bergen errichtet wurde, wird zum Pfingstmontag dort um 14 Uhr ein Gottesdienst gefeiert, der an die Er­bauung der ersten Kirche Thüringens erinnert. Wenn dies auch wissen­schaftlich umstritten ist, so zeugt der Kandelaber doch von der Erneuerung des Bonifatiusgedenkens seit der Zeit der Romantik. Er spielt seitdem für das Bonifatiusgedenken in Thüringen eine wichtige Rolle.

In Ohrdruf ist ab etwa 760 die Gründung des Klosters durch den Biografen Willibald bezeugt (der nicht zu ver­wechseln ist mit dem Bischof Willi­bald). Ohrdruf war mit seiner frühen Klostergründung das geistliche Zen­trum Thüringens mit einer Schule für einheimische Kinder und werdende Priester, wie es der Brief 103 bezeugt. Dort steht: „... seitdem ich ... um zu lesen und zu forschen ... nach Thüringen gekommen  bin...“.

 

In Sülzenbrücken bei Neudieten­dorf hatte Bonifatius den Priester Wunnibald über sieben Kirchen einge­setzt, deren Orte man aber nicht ken­nt. Außerdem hatte Bonifatius dort seinen Vertrauten Willibald als Mis­sionsbischof geweiht. Es ist unklar, ob er für den Bischofssitz in Erfurt vorge­sehen war. Im Jahre 742 schreibt Boni­fatius an Papst Zacharias, daß er drei Bischöfe bestellt und die Provinz in drei Sprengel eingeteilt habe: „Ein Bischofssitz, so haben wir bestimmt, soll in der Burg sein, die Würzburg heißt; und der zweite in der Stadt, die Büraburg heißt; der dritte an der Stelle, die Erfurt heißt, diese war ehe­dem eine Stadt ackerbauernder Hei­den“.

So gibt es mit drei gesicherten Orten und Altenbergen, mit einer spä­teren Überlieferung, wich­tige nach­weisbare Wirkstätten des Bonifatius in Thüringen. Sie spiegeln auch wichtige Schwerpunkte der Arbeit des Bonifatius in Thüringen wider. Altenbergen zeugt von der Verbin­dung des Missionsbischofs Bonifatius mit dem einheimischen und fränki­schen Großen  „Asolf, Godolaus, Wila­reus, Gundhareus, Alvoldus und allen gottgeliebten Gläubigen“, die später zu Adelsgeschlechtern wurden. Ihre Hilfe brauchte er eben, um in Thüringen Fuß zu fassen.

 

Man darf sich das Wirken in die­sem achten Jahrhundert nicht zu pri­mitiv vorstellen. Zwar waren die Wege über den Thüringer Wald noch nicht gepflastert, aber die tiefen Fahrspuren der Altwege lassen auch heute noch auf eine alte Befahrung schließen. Bonifatius hatte auf seinen Reisen ständig briefliche Verbindung nach Rom, mit Angelsachsen, Baiern, Fries­land, Hessen und Thüringen. Das er­forderte einen sehr hohen organisatori­schen Aufwand mit einem Archiv, einer kleinen Bücherei und der Aufbe­wahrung und Weiterreichung von Re­liquien.

Er selbst war dreimal in Rom und schickte Boten mit den Briefen dort­hin, die ihn später wieder auf seinen Reisen und Aufenthaltsorten im Mis­sionsgebiet erreichen mußten. Im er­sten Jahrzehnt seines Wirkens auf dem Festland als Missionsbischof dienten ihm die drei Klöster Amöneburg, Fritzlar in Hessen und Ohrdruf in Thüringen als solche geistliche und organisatorische Zentren, in denen er auch selbst, wenn er anwesend war, lehrte.

Mit dem Wirken des Bonifatius ver­bindet sich auch die schriftliche Er­wähnung vieler Orte Thüringens, die nach dem Tod des Bonifatius als Güter der Klöster Hersfeld und Fulda aufge­schrieben wurden.

 

Die vorchristliche Zeit  (Chromik Heckert):

Das Gebiet zwischen Werra, Schmalkalde und Schwarza wurde schon früh vereinzelt besiedelt. Bei Schwarza gibt es ein großes Hügelgräberfeld aus der Zeit um 1500 vCh. Seit 400 vCh wurde das Werratal von Kelten bewohnt. Auf germanische Besiedlung verweisen viele Namen von Gewässern an den Verkehrswege über das Gebirge. Das engere Gebiet um Steinbach-Hallenberg war aber vor dem 12. Jahrhundert nicht besiedelt. Die Menschen damals waren natürlich Heiden. Ihre Götter verehrten sie in heiligen Hainen (Pleß bei Breitungen, Hainberg bei Auwallenburg.

Auf dem Donnershaugk vermutet man eine germanische Fest-und Kultstätte. Der Name bedeutet „Berg des Donar“ (Donar war ein germanischer Gott). Auch die Namen der umliegenden Berge lassen sich auf germanische Namen zurückführen. Man hat vermutet, daß auf dem Gipfel ein Steinmal errichtet war: In einen sogenannten „Opferstein“ sollen Pfähle eingerammt gewesen sein, an die die Opfertiere gebunden wurden. Doch nach neueren Erkenntnissen handelt es sich dabei nur um einen Mühlsteinrohling, der nicht fertig bearbeitet wurde. Er ist etwas unterhalb des Rennsteigs an einen Baum gelehnt.

Eine späte Nachwirkung der germanischen Religion war der mittelalterliche Hexenglaube. Danach machten sich in der Walpurgisnacht vom 30. April zum 1. Mai die Hexen auf die Reise (nach einigen: vom Donnershaugk). In Steinbach gab es gleich zwei angebliche Hexentanzplätze: den Lindenhügel am Hohen Berg („Hexenlinde“ an einem Kreuzweg am Köpfchen) und die Blochwiese am Kleinen Hermannsberg (wo heute noch viele Ebereschen stehen, die den Germanen heilig waren).

Die erste Christianisierung erfolgte durch Mönche aus Irland und Schottland. Der Grabfeldgau (zu dem Südthüringen gehörte) wurde vor allem von Kilian bekehrt, der 687 nach Ostfranken gekommen war. Doch vollendet wurde das Werk durch Winfried, der später „Bonifatius“ genannt wurde. Er schuf eine feste kirchliche Organisation, die er dem Papst in Rom unterstellte. Dadurch wollte er nicht nur die Reste des Heidentums beseitigen, sondern auch die nach seiner Meinung ketzerische Lehre der iro-schottischen Mönche, den sogenanntern „Arianismus“. Durch den Frankenkönig Karl Martell ließ er die Bischöfe und Äbte vertreiben, die verheirateten Volksprediger verjagen und überall den römischen Gottesdienst einführen.

Nachdem er 723 die Donar-Eiche bei Fritzlar in Hessen gefällt hatte, kam er 725 nach Thüringen. In der Nähe von Altenbergen baute er die Johanneskirche (dort steht heute ein Kandelaber). Weitere Kirchen ließ er beim Schloß Altenstein (bei Bad Liebenstein) und in Ohrdruf errichten. Ob er auch nach Schmalkalden gekommen ist, läßt sich nicht erweisen. Er krönte sein Werk durch die Errichtung der Bistümer Erfurt (nördlich des Thüringer Waldes) und Würzburg (südlich des Thüringer Waldes).

Als der Steinbacher Grund besiedelt wurde, waren die Bewohner natürlich Christen. Sie gehörten – wie alle Bewohner südlich des Thüringer Rennsteigs - zum Bistum Würzburg. Die Pfarrei Springstille war die „Urpfarrei“, gehörte aber zur Großpfarrei Schmalkalden. Die Kenntnisse der untergeordneten Geistlichkeit waren allerdings höchst dürftig. Noch im 10. Jahrhundert war man schon mit einem Priester zufrieden, wenn er nur die lateinischen Episteln und Evangelien lesen, den wörtlichen Sinn verstehen und einen Psalm auswendig hersagen konnte.

 

Germanenmission:

Große Bedeutung für die Christianisierung der Germanen hatten auch die iro-schottischen Mönche, die als Wanderprediger nach Germanien kamen. Die Namen Pirmin, Gallus, Kilian, Emmeran, Korbinian und Kolumban sind uns bekannt. Die bedeutendste Persönlichkeit aber ist der Mönch Winfrith, der später Bonifatius genannt wurde. Er wurde 672 als Sohn eines westsächsischen Grundbesitzers in Wessex in England geboren. Gegen den Willen der Eltern trat er ins Kloster ein. Er hätte eine glänzende Laufbahn haben können. Aber ein Traumgesicht brachte ihn dazu, Wanderprediger zu werden. Er begann seine Tätigkeit unter den Friesen, wo der Angelsachse Willibrod in schwerer Arbeit stand.

Dann schickte ihn der Papst zu den Hessen und Thüringern, wo christliche Gemeinden inmitten heidnischer Umgebung lebten. Sie sollte er zusammenfassen, ihren Glauben reinigen und festigen und neue Glieder den Gemeinden zuführen. Auf die Unterstützung der politischen Macht verzichtete er. Arm und bedürfnislos zog er von Ort zu Ort.

1n Amöneburg stiftete er ein erstes Kloster, in dem Pfarrer für die neugewonnen Gemeinden herangebildet werden sollten. Bei Geismar in der Nähe von Fritzlar predigte er vor einer großen Menschenmenge, die sich unter der Donareiche eingefunden hatte, ein Baum, der dem Donnergott der Germanen heilig war. Winfrith aber sagte, daß der Christengott aller Göttermächten überlegen sei. Die Leute murrten, weil er das unter der geweihten Eiche zu sagen wagte. Da entschloß er sich, mit einigen Gefährten der Baum zu fällen. Die Leute hielten den Atem an und erwarteten die Rache des Donnergottes. Der Baum stürzte (nach der Legende „vor einem göttlichen Wehen bewegt“ schon nach dem ersten Schlag) und nichts geschah. Da erkannten die Leute die Ohnmacht ihrer Götter und ließen sich taufen. Winfrith aber baut aus dem Holz eine christliche Kapelle.

Dann führte ihn sein Weg wieder ins Thüringische. In Ohrdruf gründete er ein Kloster, das er mit seinen Gefährten besetzte. Von dort aus verbreiteten sie das Evangelium in die Wälder. An vielen Orten entstanden Kapellen und Glockentürme. Auch das Kloster Fulda geht auf Winfrith zurück und das Kloster Hersfeld auf seinen Nachfolger Lullus.

Kirchengeschichtlich hat er eine große Bedeutung, weil er die deutschen Lande der Herrschaft Roms unterstellte. Der Papst hat ihn zum Erzbischof gemacht und ihm der Namen „Bonifatius“ gegeben. Schon 722 hatte er bei seiner Weihe zum Missionsbischof dem Papst den gleicher Gehorsamseid geschworen wie die Bischöfe der römischen Kirchenprovinz. Zeitlebens sah er in der Gemeinschaft mit Tom die Einheit des Leibes Christi gesichert. Auch die fränkische Kirche links und rechts des Rheins reinigte er und ordnete sie neu, nachdem sie zu sehr verweltlicht waren und das geistliche Leben zum Erliegen gekommen war. So geht die ganze kirchliche Organisation im fränkischen Reich auf Bonifatius zurück.

 

 

 

Jakobsweg

Der Rhein-Main Verkehrsverbund hat in seiner Reihe Rhein-Main Vergnügen (www.rmv.de, aber auch gedruckt) eine sehr gute Karte des Jakobswegs im Kinzigtal herausgebracht. Insgesamt sind vier Abschnitte dargestellt, allerdings aus Platzgründen nur mit wenigen Erläuterungen zu den Sehenswürdigkeiten, aber allerhand Bildern.

Am südlichen Mainufer in Frankfurt geht es los, dann über den Eisernen Steg auf das nördliche Mainufer. Durch den Ostpark geht es westlich der Autobahn 661 und dann über diese hinweg nach Seckbach und Bergen. Von dort folgt der Weg ein Stück der Hohen Straße bis etwa zur Mitte des Kilianstädter Waldes. Dort geht es nach Süden nach Wachenbuchen, Mittelbuchen und Bruchköbel. Das Kinzigtal wird erreicht in Erlensee, Langenselbold, Rothenbergen, Lieblos bis nach Gelnhausen. Von dort geht es näher an der Kinzig entlang über Wirtheim, Wächtersbach, Bad Soden-Salmünster und Steinau bis Schlüchtern.  Dann geht es über den Distelrasen nach Flieden und Neuhof nach Fulda. Überall ist der Weg mit der gelben Jakobsmuschel auf blauem Grund gekennzeichnet.

 

Der Jakobsweg liegt im Main-Kinzig-Kreis:

Mehr als 130 Pilger begaben sich im September 2008 bei den ersten beiden Etappen auf den Jakobsweg, der von Fulda an den Main führen soll und pilgerten bereits 50 Kilometer. Zu ihnen gehörte auch Hansfried Corell, der bereits mehrere Male auf dem Jakobsweg in Frankreich und Spanien pilgerte. Welche Erfahrung der 71-jährige Bruchköbler gemeinsam mit seiner Frau Doris auf der zweiten Etappe des „Jakobswegs vor der Haustür“ von Flieden über den Distelrasen nach Steinau an der Straße machte, schildert er in einer Pressemitteilung des Sprengels Hanau der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Über 50 Pilger starteten am Bahnhof Flieden, um gemeinsam die Strecke von 25 Kilometer zu bewältigen. Angesichts des Dauerregens bis in die Morgenstunden hinein eine stattliche Teilnahmezahl. Und das Wetter hielt sich, es wurde für die Wanderer immer angenehmer: Der Nord-Ost-Wind schob und vertrieb die Wolken. Die Regenkleidung blieb unbenutzt.

Nach ökumenischer Andacht in der katholischen Kirche Mariae Himmelfahrt zu Rückers mit Pfarrer Klaus Peter Jung (katholisch) und Pfarrer Holger Biehn (evangelisch) führte die Strecke zunächst durch Kinzigtaler Wiesen, Felder und Waldstücke. Auf einem längeren Abschnitt wurden die Pilger zum Schweigen ermutigt - beim Gruppenwandern für manche eine ungewohnte Erfahrung.

Zur Mittagsrast begrüßte Pfarrer Guido Jäckel die Gruppe im „Haus im Bergwinkel“, einer Pflegeeinrichtung des Diakonischen Werks am Stadtrand von Schlüchtern. Direkt im Anschluß ging es zur Stadtkirche St. Michel und zum ehemaligen Benediktinerkloster mit einer Krypta aus dem achten Jahrhundert.

In Niederzell öffnete die evangelische Petrus-Lotichius-Kirche ihre Pforten. Dieses Kleinod ermöglichte vertiefend Einblicke in die künstlerische Gestaltung und theologische Interpretation zum Alten und zum Neuen Testament mit Farbe und Glas. Im Sonnenschein und unter Glockengeläut zogen die Pilger in Steinau an der Straße in die Katharinenkirche mit 1000-jährigen Elementen ein. Hier bereiteten Pfarrer Joachim Meier und Pfarrer Fredy Henning die Schlußandacht. Der Irische Pilgersegen, dargeboten durch einen Projektchor aus Steinau, war für viele der Höhepunkt dieser besinnlichen Stunde, die mit gemeinsam angestimmtem Abschluß-Kanon im wahrsten Wortsinn aus klang.

Der dritte Abschnitt des Pilgerwegs wird am Samstag, 18. Oktober 2008 um 8.30 Uhr am Bahnhof Steinau zur Wanderung durch das Kinzigtal nach Wirtheim gestartet.

 

 

Elisabethweg

Elisabeth von Thüringen, gerühmt für ihre Mildtätigkeit, war eine katholische Heilige, doch Pfarrer Dietrich sieht sie als Vorbild auch für evangelische Christen.  „Einige Gemeinden im osthessischen Raum sind richtig aufgelebt“, berichtet er über den Effekt der Elisabethpfade.                                                   

Lutherweg in Hessen

 Der heilige Bonifatius hat in Hessen schon einen Pilgerweg, ebenso wie die heilige Elisabeth. Nun soll auch Martin Luther eine eigene Route bekommen. Die Planungen für den Abschnitt im Rhein - Main - Gebiet sollen bald konkret werden. Der ganze Weg soll bis zum Jahre 2016 fertig sein, ein Jahr vor dem großen Jubiläum, mit dem des Beginns der Reformation vor 500 Jahren gedacht werden wird. Auch die evangelischen Kirchen in Hessen bereiten sich darauf vor.

Im Jahr 1517 hatte Luther in Wittenberg Thesen zum Ablaßwesen der Kirche veröffentlicht. Sie sorgten für heftigen Streit, der später in der Kirchenspaltung mündete. Wittenberg liegt im heutigen Sachsen - Anhalt. Dort sind mehrere Lutherstätten bereits durch einen Weg miteinander verbunden. In Thüringen ist eine erste Wegstrecke fertig, auch in Sachsen gibt es eine solche Route.

In Hessen ist die Initiative für den Lutherweg 2011 ins Leben gerufen worden, im September 2012 wurde der Verein „Lutherweg in Hessen“ gegründet. In Nordhessen sind die Vorbereitungen schon recht weit gediehen. Spätestens 2014 soll der erste Teilabschnitt eröffnet werden. Das Jubiläum im Jahr 2017 ist ein kultureller Höhepunkt  von internationalem Rang, und Pilgern ist „in“.

Für den 31. Januar lädt der Verein Vertreter von Kommunen, Kirchen, Tourismusorganisationen, des Regionalparks Rhein - Main und von Wandervereinen nach Flörsheim ein, um das Projekt vorzustellen und die vorgesehene Strecke durch das Rhein - Main - Gebiet zu erläutern. Wie der Vorsitzende Gerold Beckmann sagt, soll für die genaue Planung ein regionaler Arbeitskreis gegründet werden. Die Veranstaltung im Besucherzentrum des Regionalparks in Flörsheim (Frankfurter Straße 76) dauert von 15 bis 17 Uhr und ist öffentlich.

Die Strecke soll jenen Weg nachzeichnen, auf dem Luther 1521 von Wittenberg zum Reichs­tag nach Worms und zurück nach Eisenach unterwegs war. Er führt von Berka an der hessen -  thüringischen Grenze zunächst durch den Landkreis Hersfeld - Rotenburg, den Vogelsberg­kreis (Alsfeld, Romrod), die Region östlich von Gießen (Grünberg) und die Wetterau über Wölfers­heim, Friedberg und Bad Vilbel. Es schließen sich Frankfurt, Mörfelden, Groß - Gerau und Trebur an. In Rheinland - Pfalz geht es dann bei Oppenheim per Fähre über den Rhein und weiter nach Worms.

In Worms mußte sich Luther im Jahr 1521 vor dem Reichstag verantworten. Weil er seine Auffassungen nicht widerrief, wurde über ihn die Reichsacht verhängt. Auf dem Rückweg brachte ihn Kurfürst Friedrich der Weise zum Schutz in die Wartburg bei Eisenach. Dort übersetzte Luther die Bibel ins Deutsche.

Worms liegt im rheinland - pfälzischen Teil der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

und ist deren einzige Lutherstätte von Rang. Für die Evangelische Kirche von Kurhessen -Waldeck trifft das auf Marburg und Schmalkalden zu. In Marburg fand 1529 auf Einladung des Landgrafen Philipp ein wichtiger theologischer Disput zwischen Luther und anderen Reformatoren statt. In Schmalkalden, gelegen im thüringischen Teil der Landeskirche, verfaßte Luther 1537 die „Schmalkaldischen Artikel“, eine zentrale Bekenntnisschrift des Protestantismus.       

Auf dem Gebiet der kurhessischen Kirche liegen auch die für die Reformation bedeutsamen Orte Homberg (Efze) und Ziegenhain. Nach Homberg hatte Landgraf Philipp 1526 zu einer Synode zur Einführung der Reformation eingeladen. In Ziegenhain  (das heute zu Schwalm­stadt gehört) entstand 1539 die „Ziegenhainer Zuchtordnung“, auf der die Konfirmation fußt - ebenfalls auf Bestreben Philipps.                         

Es liegt nahe, daß gerade die kurhessische Kirche, deren Zentrale in Kassel liegt und deren Gebiet in der Rhein - Main - Region bis nach Hanau und Frankfurt reicht, ein „Jahr der Konfirmation“ veranstalten will. Im Jahre 2014 soll es stattfinden, zur 475-Jahr-Feier der „Ziegen­hainer Zuchtordnung“. Geplant ist unter anderem ein Konfirmandentag, an dem rund 2000 Jugendliche teilnehmen sollen.                 

Während das Konfirmationsjahr eine Initiative der Kirche von Kurhessen - Waldeck ist, gibt es in der „Lutherdekade“ auch eine Reihe von Themenjahren, die von der Evangelischen Kirche in Deutschland initiiert werden: das Jahr 2012 war das „Jahr der Kirchenmusik“, das die hessen - nassauische Kirche mit besonders viel Engagement durchführte.

Das Jahr 2013 soll das „Jahr der Toleranz“ werden, ausgerufen wurde es am vergangenen Reformationstag in Worms.  Die Kirche plant für April gemeinsam mit der Stadt Worms „Religionsgespräche“, bei denen es um das Verhältnis von Religion und Politik und den interreligiösen Dialog gehen soll. Ein Projekt, das die kurhessische Kirche 2013 verfolgen will, ist beispielsweise ein „Tisch der Religionen“ in Hanau.        

Für das Jubiläumsjahr selbst sind die Planungen noch nicht konkret - es wird jedoch etliche Feiern geben. Beide hessische Kirchen möchten Schwermann zufolge, daß der Reformationstag 2017 ein Feiertag wird. Wichtig sind ihr neben großen Projekten aber auch die Beschäftigung mit der Reformation in örtlichen historischen Projekten.                                              

Das Reformationsjubiläum soll vor allem die Rechtfertigungslehre Luthers über die Schuld des Menschen und die Gnade Gottes neu verständlich machen und die gesellschaftliche Bedeutung des Glaubens herausstellen - ohne antiökumenisch zu wirken. Es geht auch um eine „kritische Luther-Rezeption“, zum Beispiel in Bezug auf dessen Ablehnung des Judentums.

Luther soll nicht zu einem Heiligen stilisiert werden. Man erwartet sich von dem Jubiläum außerdem neue Impulse für die Kirche. Es solle mehr werden als ein reiner Rückblick. Ein Beispiel ist für sie der Umgang mit Ehrenamtlichen - schließlich betone die evangelische Kirche das „allgemeine Priestertum“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.12.2012).                

                                  

Hugenotten- und Waldenserpfad

Der Rhein-Main Verkehrsverbund hat in der Reihe „Hessen zu Fuß entdecken“ (www.rmv.de, auch gedruckt) eine sehr gute Karte herausgebracht, die eine Reihe von Städten verbindet, deren Geschichte besonders von Hugenotten, Waldensern und Wallonen geprägt wurde.

Ausgangspunkt im Norden ist Friedrichsdorf.

 

Friedrichsdorf:

Auf Einladung des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Homburg gründeten 1687 rund 30 Familien noch eine weitere „colonie frangaise“, nämlich Friedrichdorf. Auch hier war neben dem Mitleid mit den Religionsflüchtlingen das wirtschaftliche Interesse ein wichtiger Grund für die Ansiedlung. Die Hugenotten brachten Handwerkskünste im Bereich der Textilherstellung, die in der überwiegend landwirtschaftlich geprägten Landgrafschaft noch unbekannt waren. mm. Zunächst lebten sie von der Leineweberei und Strumpfwirkerei, später - Ende des 18. Jahrhunderts - kam die Fabrikation von Flanell hinzu. Damit eng verbunden war die Färberei. Schnell entwickelte sich Friedrichsdorf zu einem prosperierenden wirtschaftlichen Zentrum und erlangte so 1771 Stadtrechte. Die Anlage als planmäßig entstandenes Straßendorf ist noch heute in der Hugenottenstraße gut zu erkennen. An die damalige Zeit erinnern zudem die  Landgrafensäule, die evangelische Kirche in Friedrichsdorf, die Färb­häuschen entlang der Hugenottenstraße sowie einige Hugenottenkreuze auf dem Friedhof. Im Stadtmuseum (dem Philipp-Reis-Haus), werden mehrere Exponate zur Hugenottengeschichte gezeigt.

 

Dornholzhausen:

Dornholzhausen wurde am 28. Juli.1699 von 40 Waldenserfamilien gegründet. Die Glaubensflüchtlinge genossen eine Vielzahl an Privilegien. So war es ihnen möglich, ihre waldensische Kultur in der neuen Heimat weiterzuleben: der Gebrauch der französischen Sprache, die Ausübung ihrer Religion sowie das Recht zur eigenständigen Verwaltung wurden ihnen gewährt. Auch für die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde waren die Neuankömmlinge von

großer Bedeutung. Diese waren zunächst in der Landwirtschaft tätig, dann übernahmen die Siedler von den Friedrichsdorfer Hugenotten handwerkliche Gewerbe wie Strumpfweberei und Tuchweberei. Auch wenn das Gewerbe zügig und gut wuchs, verlor es an Rentabililät und der Gemeinde drohte das Ende der Selbständigkeit. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Dornholzhausen in die Stadt Bad Homburg eingemeindet. An das waldensische Erbe erinnert noch die kleine Kirche aus dem. Jahr 1726. Neue Ortstafeln  zur Ortsgeschichte wurden 2012 eingeweiht.

 

Bad Homburg:

Wirtschaftliche Aspekte bewogen Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg, ab 1685 die Louisenstraße in der Stadt Homburg anzulegen. Die neue Straße wurde mit zweigeschossigen Häusern, die direkt ohne Vorgarten an der Straße stehen, bebaut. Friedrich II. erließ drei Werbeschriften, die die Vorzüge einer Ansiedlung in Homburg schilderten. Diese richteten sich insbesondere an die Hugenotten. Daraufhin stieg der Zustrom der Hugenotten seit 1686 stetig an, die Häuser in der Louisenstraße fanden rasch Käufer. Neben der Herstellung von Strümpfen brachten die Hugenotten auch einen völlig neuen Gewerbezweig mit nach Homburg: die Hutmacherei. Die Louisenstraße ist allerdings nicht an dem westlich von Homburg vorbeiziehenden Wanderweg, sondern geht in der Stadtmitte vom Marktplatz östlich des Schlosses nach Südosten.

 

Frankfurt:

Weiter geht es über Frankfurt-Bonames (Rast am Alten Flugplatz im Tower-Cafe mit frischen, gesunden Produkten aus der Region) und Frankfurter Berg in die Innenstadt.

 

 

Seit 1554 wanderten Reformierte aus den spanischen Niederlanden in großer Zahl in Frankfurt ein und gründeten zwei selbständige Gemeinden, die Französisch-Reformierte Gemeinde und die Niederländisch-Reformierte Gemeinde. Der Reformator Johannes Calvin hat 1556 in Frankfurt gepredigt. Die steigenden Flüchtlingszahlen nach 1685 führten dazu, daß Frankfurt zur „Drehscheibe des Refuge“ wurde. Die Glaubensflüchtlinge durften nicht mehr in der Stadt bleiben, viele Calvinisten wichen daher „ins Ausland“, nach Offenbach, Hanau und Neu-Isenburg aus. Aus diesem Grunde haben die Calvinisten kaum Spuren in Frankfurt hinterlassen. Über den Eisernen Steg kommt man nach Sachsenhausen. Von Alt-Sachsenhausen verläuft der Hugenotten- und Waldenserpfad parallel zum Goetheweg zum Goetheturm (abgebrannt 2017).

 

Neu-Isenburg:

In einem Rechtsbogen geht es nach Neu-Isenburg. Den Grafen bewogen wirtschaftliche Aspekte zur Aufnahme der Flüchtlinge, setzte er doch auf das Manufakturwesen, um seinem Land zu wirtschaftlichem Aufschwung zu verhelfen. Gerade die Hugenotten waren die wichtigsten französischen Vertreter dieser Wirtschaftsform und verfügten über fortschrittliche Handwerksmethoden. Der Grundriß des Ortes Neu-Isenburg war nach dem barocken Ideal streng geometrisch ausgerichtet und stellt ein Andreaskreuz dar. Im Jahre 1702 bauten die Hugenotten ihre erste Kirche. Die Evangelisch-Reformierte Gemeinde am Marktplatz folgt auch heute noch der kirchlichen Tradition der ersten Siedler. Die alte Schule und die Bansamühle sind weitere Zeugnisse aus der Zeit der hugenottischen Siedlungsgründung. Mittlerweile hat sich Neu-Isenburg vom Standort für produzierendes Handwerk in einen Dienstleistungsstandort im Rhein-Main-Gebiet gewandelt.

 

 

Mörfelden-Walldorf:

Über Zeppelinheim kommt man nach Walldorf. Dort ist in alter Handschrift auf das Straßenpflaster gesprayt „Le Grand chemin“ So nannten die Waldenser die Langstraße, als sie hier ihre ersten 14 Häuser bauten. Heute ist Walldorf die größte Waldensersiedlung Deutschlands. Das Walldorfer Museum ist in einer rekonstruierten alten Hofanlage untergebracht. In Mörfelden-Walldorf wird mit zahlreichen Tafeln an die Geschichte der 1699 gegründeten Waldensersiedlung erinnert. Innerhalb des Ortes werden Aspekte des Alltagsiebens im 18. Jahrhundert thematisiert.

Mörfelden-Walldorf ist heute eine weltoffene Kleinstadt im Rhein-Main-Gebiet. Immer wieder ein waches Bewußtsein davon zu entwickeln, was es heißt, die eigene Heimat zu verlassen und sich in eine neue Kultur einleben zu müssen, ist wichtig für diese Stadt. Daher stehen neben den Tafeln zur Geschichte der Waldenser solche, die sich mit Biographien von Migranten des 20. Jahrhunderts beschäftigen.

Nach Süden geht es weiter westlich des Oberwaldsees. Hier liegt der Schwerpunkt auf allgemeinen Fragen des waldensischen Glaubens: Was charakterisiert diese mittelalterliche Religionsbewegung? Durfte in dieser Laien- und Armutsbewegung wirklich jede(r) predigen? Warum schlossen sie sich 1532 der Schweizer Reformation an? Wie organisierten sie ihre Flucht aus den Cottischen Alpen nach Hessen?

 

Ober-Ramstadt, Rohrbach, Wembach und Hahn:

Der Weg führt dann weiter Richtung Südosten nach Erzhausen und dann östlich von Kranichstein vorbei zum Oberwaldhaus und von dort westlich nach Darmstadt hinein. Entlang des Darmbaches geht es dann nach Südosten  bis Ober-Ramstadt. Hahn und Wembach liegen etwas weiter südöstlich und Rohrbach von dort wieder südwestlich.

 

Im Jahre1699 gründeten 48 Waldenserfamilien aus den Cottischen Alpen auf den landgräflichen Höfen in Rohrbach, Wembach und Hahn eine Kolonie fern ihrer Heimatgemeinde Pragela (heute: Pragelato). Alljährlich wird am Wochenende nach dem Johannistag (24. Juni) in Rohrbach mit einem Festgottesdienst und einem historischen Festumzug an die Gründung der Kolonie erinnert. Sehenswert sind die Waldenserkirchen in Rohrbach und Wembach sowie das Denkmal auf dem Rohrbacher Marktplatz. Das Waldensermuseum in Rohrbach dokumentiert die Geschichte der Waldenser, ihre Ansiedlung in den Kolonien und die Entwicklung von Handwerk und Landwirtschaft. In Rohrbach und Wembach bezeugen außerdem die historischen Grabsteine die Geschichte der waldensischen Familien und in allen drei Orten finden sich Informationsstelen mit historischen Ortsplänen.

 

 

 

 

Regionalpark  Rhein - Main

 

Gründung und Zweck:

Der Regionalpark Rhein - Main wurde schon vor dem Jahr 2000 Jahren konzipiert, um Freiflächen zwischen den Siedlungen im Ballungsgebiet um Frankfurt zu sichern und für die Erholung zu erschließen. Bisher sind rund 350 Kilometer Regionalpark - Routen mit.180 Ausflugszielen entstanden. Das geplante Streckennetz soll einmal mehr als 1250 Kilometer umfassen und vom Frankfurter Grüngürtel im Herzen des Regionalparks bis nach Rüdesheim im Westen führen, nördlich bis in die Wetterau, vom Hessischen Ried im Süden bis weit in das Kinzigtal nach Osten. Im Jahre 2005 wurde die Regionalpark - Dachgesellschaft gegründet, die Regionalpark Ballungsraum - Rhein - Main gemeinnützige GmbH. Sie übernimmt übergeordnete und koordinierende Aufgaben. Der Regionalpark wird nach Angaben der Gesellschaft, aus Fördermitteln und Beiträgen finanziert. Kommunen, auf deren Gebiet ein Projekt des Parks liegt, sind für Finanzierung und Pflege zuständig. Neben dem Land Hessen gibt vor allem die Flughafenbetreiberin Fraport dem Regionalpark Geld.

 

Sitzkiesel:

Im Rahmen der Regionalpark - Rundroute gibt es nun auch in Maintal zwei Standorte für Sitzkiesel. In Dörnigheim am Mainufer, unweit des „Pappelwäldchens“, sowie in Wachenbuchen in der Nähe der „Burg von Buchen“ wurden im Jahr 2011 diese Rastmöglichkeiten in den kommenden Tagen aufgebaut.

Stück für Stück soll im Ballungsraum Rhein - Main ein Netz aus attraktiven Wegen entstehen, die zu Regionalpark - Routen gehören werden. Diese erschließen die verbliebenen und manch­mal auch vergessenen vielfältigen Landschaften der Region und machen sie erlebbar. Die Regionalpark-Routen verbinden landwirtschaftliche Kulturlandschaft, Wälder, idyllische Landschaftsinseln, Monumente der Industriekultur, Gärten und Parks sowie historisch bedeutende Orte miteinander. Neben der heimatlichen „Geschichte zum Anfassen“ wird für die Umwelt und Natur sensibilisiert.

Um den Regionalpark - Gedanken insbesondere im zentralen Ballungsraum rund um Frankfurt stärker herauszustellen, wurde nun die neue Regionalpark-Rundroute geschaffen, die wichtige Kulturlandschaften, zahlreiche Attraktionen und landschaftliche Höhepunkte der Rhein - Main - Region miteinander verbindet. Maintal ist Teil dieser neuen übergeordneten Freizeitroute. An jedem schönen Wochenende kann man zahlreiche Menschen beobachten, welche die Regionalpark-Routen für einen Spaziergang oder eine Radtour nutzen. Durch die neue Rundroute können der Regionalpark und damit auch Maintal in ihrer gesamten Fläche und Ausdehnung zukünftig viel intensiver und besser von der Bevölkerung wahrgenommen und genutzt werden.

Als erstes Erkennungszeichen erhält die 190 Kilometer lange Route nun eine besondere Rast­möglichkeit, die ausschließlich im Regionalpark RheinMain und im Grün - Gürtel Frankfurt aufgebaut wird - die Regionalpark-„Sitzkiesel“.

Die aus Beton gefertigten Sitzkiesel in drei unterschiedlichen Größen wiegen zusammen mehrere Tonnen. Einmal abgesetzt, lassen sie sich bedingt durch ihr hohes Gewicht von Hand weder bewegen noch verschieben. Eine Anti - Graffiti - Beschichtung schützt sie vor Witterungseinflüssen und Verschmutzungen.

Im Gegensatz zu einer klassischen Bank sind die Sitzkiesel nicht nur eine anders geformte Sitzgelegenheit, sondern eine „besitzbare Skulptur“. Ihre organische Form - die an Kieselsteine erinnert - in Kombination mit der fast weißen Farbgebung hebt sie von der Umgebung ab und erzeugt Aufmerksamkeit. Kinder können auf den Sitzkieseln klettern, spielen oder sich in die Sitzkuhlen hineinlegen. Erwachsenen bieten sie eine Sitzgelegenheit oder bei einer Verschnaufpause vom Spazierengehen oder Radfahren die Möglichkeit, sich anzulehnen.

 

Fahrrad-Rundstrecke:

Am 13. September 2011 wurde die Fahrrad - Rundroute Regionalpark Rhein – Main im Park von Wilhelmsbad eröffnet. Wilhelmsbad ist ein Juwel des Regionalparks, diesem wichtigen Standort wollte man daher durch die Auftaktveranstaltung die nötige Ehre erweisen. Ziel ist es,  zu versuchen, die Landschaft im Kern des Rhein - Main - Gebiets zu erschließen und deren Qualitäten über einzelne Routen zu verknüpfen. Es soll gezeigt werden, daß das Rhein - Main - Gebiet mehr zu bieten hat, als einen bloßen Wirtschaftsstandort - nämlich auch Natur, Landschaft, Grünflächen, Sport, Kultur und Geschichte.

Auch an den Standorten Gustavsburg, Weilbach, Oberursel, Hanau, Offenbach und Egelsbach wurde die Route eröffnet. Sie  umfaßt eine Gesamtstrecke von 190 Kilometern. Der Rundkurs verläuft von der Mainspitze im Westen über Friedrichsdorf im Norden (Kilometer 62,8), Hanau im Osten (Kilometer 97,3) und Egelsbach im Süden (Kilometer 150,5) zurück zur Mainspitze.

Zur Eröffnung hat man sechs große Themen - Stationen auf dem Kurs eingerichtet - Wilhelmsbad ist eine davon und steht unter dem Motto: ‚Rundum geschichtlich‘. Die Leute sollen hier Geschichte zum Anfassen erleben und ein Gefühl dafür bekommen, wie die höfische Gesellschaft vor 200 Jahren gelebt hat. Die Eröffnungsrede der Feier hielten daher keine Gerin­geren als die Brüder Grimm. Es traten auch die Soldaten des Hessen - Hanau - Corps an und marschierten im Gleichschritt über die Parkpromenade. Mit einigem Sicherheitsabstand folgte die Rokokotanzgruppe den gestrengen Infanteristen und gab dem interessierten Publikum eine Kostprobe ihres Könnens.

Während über den Tag verteilt immer mehr Besucher nach Wilhelmsbad strömten und sich beispielsweise Führungen durch die Burgruine oder die Gartenanlage anschlossen. begaben sich 30 Radsportbegeistert auf ein fünfstündiges Etappenstück der neuen Rundroute. Unter der Leitung eines vom Regionalpark engagierten Führers radelte die Gruppe die rund 25 Kilometer nach Karben und später wieder zurück.

Für die gesamte Route rund um Frankfurt benötigt ein nicht trainierter Radfahrer drei bis vier Tage.  Ziel ist es jedoch nicht, den Rundkurs in Bestzeit abzufahren, sondern die Natur zu genießen und verborgene Schätze am Wegesrand zu entdecken. Niemand muß Bedenken haben, daß er mit der Strecke überfordert sein könnte. Sie ist so angelegt, daß jederzeit die Möglichkeit besteht, auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen. Man kann einzelne Teilstücke somit auch getrost mit der Bahn zurücklegen und erst später wieder einsteigen. Man muß sich jedoch bewußt sein, daß der Rundkurs keine ausgewiesene Radstrecke sei. Mitunter gilt es auch unbefestigtes Terrain wie Wälder oder Felder zu bewältigen. Grundsätzlich sind die Etappen jedoch nicht nur Radlern vorenthalten. Sie sind auch für Skater und Rollstuhlfahrer geeignet.

 

Regionalparkroute

Von  Eddersheim bis Okriftel zieht sich ein Grünzug, der für die Regionalparkroute genutzt wird. Diesen Teil kann man sich an sich nur mit dem Fahrrad vornehmen, wie ja auch die ganze Route für die Radfahrer gedacht ist. Ein Vorschlag für Autofahrer findet sich am Schluß. Beschrieben wird aber  jetzt der Grünzug in Richtung Ost nach West:

Die Regionalparkroute beginnt am Mainufer in Okriftel. Wenn man mit der Bahn kommt, steigt man an der S-Bahn-Station Hattersheim aus und fährt über die Voltastraße nach Osten zum Hessendamm, auf diesem und auf der Mainstraße nach Süden und weiter über die Gartenstraße zur Jahn - Allee. Dort links bis zum Schwarzbach und dann nach links nach Norden über den Bornemühlweg zum Wehr am Schwarzbach. Über die Betthoven- und Händelstraße kommt man zur Mainstraße in Höhe des Friedhofs. An diesem geht man nördlich vorbei und dann weiter nach Norden zum Rosarium (nicht zu verwechseln mit dem Rosengarten in Hattersheim am Ende der Mainzer Landstraße).

 

Rosarium:

Die Anlage knüpft  an die dortige Tradition des Schnittrosen-Anbaus an. Inmitten der Anlage wird eine von Kletterrosen bewachsene Pyramide während der Rosenblüte wie ein Leuchtfeuer die Aufmerksamkeit der Regionalparkbesucher auf sich lenken. Die Zahlen lassen schon vorm ersten leibhaftigen Eindruck staunen: gut 6500 Rosenstöcke, mehr als 100 Sorten, und das alles auf 16.000 Quadratmetern. Doch selbst die blühendste Fantasie bleibt hinter der Wirklichkeit zurück, die sich im Hattersheimer Rosarium eröffnet. Richtungsweisend und zur Einstimmung auf die königliche Blüten-Oase führt vom Friedhof im Stadtteil Okriftel eine Rosenbaumallee auf den prachtvollen Rosengarten zu. Ein standesgemäßes Entree für die Anlage, die als Pilotprojekt Hattersheim-Flörsheim-Hochheim 1997 eröffnet wurde.

Rosenbäumchen, Kletterrosen, Bodendecker, Buschrosen, Rosenstauden, Kartoffelrosen, Apfelrosen, Teerosen, Windrosen, Zuchtrosen, Wildrosen. Schneeweißchen und Rosenrot haben hier zahllose Schwestern in zahllosen Farben bekommen, die Bänke umsäumen, Holzpyramiden überziehen, Rundbögen umranken, zu dichten Hecken wuchern, Tümpel und Seen umstehen, sich meterhoch gen Himmel recken oder mit Hunderten von Blüten den Boden bedecken.                       

Beim Spaziergang durch die Farben- oder Blütenpracht erleben selbst Kenner noch ihr Rosenwunder, denn im Rosarium wachsen längst auch Neuzüchtungen der Gunst eines großen Publikums entgegen. Mit dem Namen „Rosarium Hattersheim“ ist eine neue Apfelrosensorte gar zum Markenbegriff der Anlage geworden.

Die Idee mit dem Rosengarten entlang der Regionalparkroute von Hattersheim nach Flörs­heim haben die Sulzbacher Landschaftsarchitekten Hanke, Kappes und Heide gefunden als Andenken an den einst blühenden Rosenanbau der Hattersheimer.

 

Nach Westen geht es dann über die Wasserwerk - Allee (Jugendstil - Wasserwerk), dort links und unter Bahn durch, nach links in den Hahnenpfad und dann  nach rechts in den Jörn­pfad. Vom Obstbaumrondell geht die Speierlingsallee zum Nußbaumquartier, ein von einer niedrigen Trockenmauer gefaßter Platz. Ihn ziert die große Skulptur eines Rabenvogels ziert und er wird von 28 Walnußbäumen beschirmt. Von hier hat man einen schönen Ausblick über die neue Wiesenlandschaft und das Naturschutzgebiet bis nach Bad Weil­bach.

 

Rabe

Der Rabe ist sein Markenzeichen, Leitmotiv seines Kunstschaffens. Einen Raben schuf der Flörsheimer Künstler Thomas Reinelt denn auch, um ihn als erstes Kunstwerk im Regionalpark Rhein-Main aufzustellen. Genauer, inmitten eines Nußbaumquartiers, am Ende einer frisch gepflanzten Speierlingsallee im Regionalpark-Projektgebiet bei Hattersheim. Am 7. Mai 1998 war das, seither prangt der drei Meter hohe silberglänzende Aluminium-Rabe auf einem Natursteinsockel, als würde er darauf lauern, wann ihn die jungen Bäumchen um ihn herum endlich überragen.

Das Kunstwerk vereinigt zwei eng verschmolzene Symbole in sich: Zum einen steht der realistisch dargestellte Rabe für den Wert und die Kraft der Natur, zum anderen für das menschliche Wirken, für das Auf- und Abbauen, Zusammenfügen und Verbinden. Um dies zu verdeutlichen, hat Reinelt eines der Rabenbeine als kristallartig angeordnete, geometrische Form geschaffen. Die Figur verkörpert nun mit einem Bein die Kraft und Unzerstörbarkeit der Natur, mit dem anderen die Schaffens - und Einflußkraft des Menschen.

Daß der Rabe steht, wo er steht, ist mehreren Unternehmen aus den umliegenden Städten zu danken, die den Kauf des Kunstwerks gesponsert haben.

 

Weilbacher Kiesgruben:

Es geht dann immer weiter auf Nebenwegen nach Westen bis nach Bad Weilbach. Südlich liegen die ehemaligen Weilbacher Kiesgruben, heute ein Naturschutzgebiet. Hier hat sich die reiselustige Kreuzkröte („bufo calamaita“) niedergelassen und lockt Artgenossen, um sie mit ihren grünen Augen zu bezirzen. Die Kreuzkröte steht auf der Roten Liste gefährdeter Tiere, weil ihre Lebensräume schwinden. Überraschenderweise sind einige von den jungen Hüpfern in den Weilbacher Kiesgruben entdeckt worden. Diese gehören zur Deponie im Flörsheimer Stadtteil Wicker.

 

Am Kastengrund:

Auf der etwa 120.000 Quadratmeter großen Fläche ist eine Landschaft entstanden, die von Feldgehölzen und Baumgruppen gegliedert wird - in ihrem Charakter einem englischen Landschaftspark ähnlich. Die Wiesen werden von Landwirten zum Heumachen genutzt. Dieses Gelände bildet in seiner extensiven Nutzung einen Puffer zwischen dem bestehenden Naturschutzgebiet „Weilbacher Kiesgruben“ und den ackerbaulich genutzten Flächen. Weiter geht es über den Hain, den nach rechts gebogenen Weg um Weil­bach und über die Bundesstraße 519 und ein Stück nach Norden und dann  über die Autobahn nach Bad Weilbach.  

 

 

 

Autofahrt entlang der Regionalparkroute

Die Regionalparkroute mit ihren drei oder vier Enden im Westen ist mit dem Fahrrad nur zu bewältigen, indem man von Delkenheim zum Silbersee fährt und von dort nach Hochheim; dann läßt man nur das Stück zwischen Kriegergedächtnisstätte und Wiesenmühle aus. Deshalb wird hier noch einmal eine Auto- und Spaziergängerroute beschrieben, die die wichtigsten Stationen berührt. Diese sind auf der Fahrradtour beschrieben.

Wer das Rosarium besuchten möchte, fährt von Frankfurt kommend über das Krifteler Dreieck hinaus bis zur Anschlußstelle Hattersheim. Auf der Hattenheimer Straße dann nach Süden, auf der Mainzer Landstraße nach Osten und am Hessendamm nach Süde,  über die Bahn bis an den Ortsrand von Okriftel, wo rechts der Parkplatz des Friedhofs ist und von wo es zum Rosarium geht.

Wer aber das Rosarium auslassen will, beginnt in Bad Weilbach. Man verläßt die A 66 an der Anschlußstelle Hofheim nach Süden. Im Ort Weilbach macht die Straße einen Rechtsknick. Bald danach geht es rechts in die Schloßstraße und zum Weilbacher Schloß. Fast am Ortsende teilt sich die Durchgangsstraße. Man fährt nach links auf die Rüsselsheimer Straße Richtung Flörsheim. Von dieser geht es rechts ab in eine Platanenallee nach Bad Weilbach. Links ist das ehemalige Kurhaus, nach rechts geht es in den Faulbrunnen­weg. Die Natronquelle liegt in dem Park links, die Lithionquelle rechts kurz vor der Autobahn (siehe Datei „Bad Weilbach“). Man muß dann wieder zurück nach Weilbach und fährt nach links ab nach Wicker. Dort macht man einen Rundgang durch den Ort und läuft zur Flörsheimer Warte  (siehe Datei „Wicker“). Wieder zurück in Wicker fährt  man jetzt Richtung Hochheim. Links liegt die Straßenmühle. An der Deponie fährt man zunächst geradeaus, am Ende der Deponie auf der linken Seite steht die Installation „Nahtstelle Müll“. Von dort fährt man wieder ein Stück zurück und dann nach rechts Richtung Hochheim; am Biomassekraftwerk rechts ist die Kletterwand.

In Hochheim geht es dann links weiter und an der Frankfurter Straße wieder links. Im Stadtteil Keramag geht es am Schild „Chamäleon“ links ab zu den Kalkbrennöfen. Dort kann man parken oder noch ein Stück weiter oben an der Obermühle. Jetzt geht es zu Fuß weiter vorbei an dem Hexenkreuz auf der linken Seite und dem Naturschutzgebiet Steinbruch Falkenberg.

An der Gabelung geht man links zur St. Anna-Kapelle und zur Wiesenmühle. Auf dem Rückweg nimmt man die linke Route zum Eisenbaum. Dann geht es wieder zurück zum Auto. Jetzt fährt man nach Flörsheim hinein und biegt am Ende der Hauptstraße nach rechts ab in die Obermainstraße, um am Mainufer zu parken. Von hier aus macht man einen Rundgang durch Flörsheim.

Über Eddersheim kommt man nach Okriftel, fährt aber jetzt weiter  nach Sindlingen und dort nach links in die Westenberger Straße und wieder links in die Hoechster-Farben-Straße auf die B 40 a und entweder zum Krifteler Dreieck oder zum Schwanheimer Knoten und zur A 3.

 

 

Route der Industriekultur

 

Eine Herausforderung für die Denkmalpflege:

Denkmalpfleger hatten schon seit langem auf die Bedeutung der Industrie damit natürlich auch auf ihre Bauten und Einrichtungen als Bestandteil der menschlichen Kultur hingewiesen. Türme aus Stahl und Eisen, nach den Gesetzen des Ingenieurs errichtet, reinste Zweckbauten, formen sich zu überwältigenden Kunstwerken der Architektur. Unsere Augen fangen langsam an, die großartige Schönheit dieser Schöpfungen zu sehen, Empfindungen für sie zu bekommen. Wenn Kunst Zeitausdruck sein kann, sind unsere Industriebauten die stärksten Zeugen heutiger Kunst.

Bis in die neunziger Jahre gehörten die meist aus dem 19. Jahrhundert stammenden Denkmale der Industrie und Technik - beispielsweise Aquädukte, Kalköfen, Wasserkünste, Wind- und Wassermühlen ‑ nicht zum anerkannten kulturellen Erbe.

Begründungen für den geringen Stellenwert der Zeitzeugen des Industriezeitalters lassen sich einige finden. An erster Stelle rangiert wohl das aus Entwöhnung von körperlichen Tätigkeiten resultierende Unverständnis für manuelle und maschinelle Arbeit einer sich zur Dienstleistung hin orientierenden Gesellschaft, das sich oft in rigoroser Ablehnung von Arbeit und Leistung ausdrückt.

Umso erfreulicher stellt sich die heutige Situation für die Denkmalpflege dar. Wenn es einer guten Sache dient, kann das industrielle Erbe unserer Kultur auch „Industriekultur“ heißen. Begonnen hatte die Bewegung hin zur Industriekultur in den achtziger Jahren, als die für das Überleben von Denkmalen der Industrie und Technik kämpfenden, aber mit dem Rücken an der Wand stehenden Denkmalpfleger plötzlich Unterstützung durch private Initiativen erhielten, die den Wert des industriellen Erbes für die Zukunft der gesellschaftlichen Entwicklung erkannten, denn jeglicher Fortschritt bedarf der Geschichte.

Mit Aktionen wie dem 1984 propagierten „Industriekulturpfad“ in Nürnberg oder der etwa zur gleichen Zeit eingerichteten „Bayerischen Eisenstraße“                                                und dem „Bergbaulehrpfad“ in Witten gab es bereits ein Jahrzehnt früher, mußte die Denkmalpflege beginnen umzudenken und erkennen, daß nicht die akademische Forderung, sondern die Vermarktung für eine eher auf Spaß denn auf körperliche Arbeit ausgerichtete Gesellschaft eine Möglichkeit bietet, Zeugen der industriellen Vergangenheit in die Zukunft mitnehmen zu können.

Als einem der ersten Länder der Bundesrepublik nutzte das Saarland die sich neu bietende Chance, Zeugnisse nicht mehr produzierender Industrie aus der Arbeitswelt auf ein anderes, heute verständlicheres Niveau zu heben. in Zusammenarbeit mit Luxemburg und Frankreich erschien 1989 ein erster Wegweiser zur länderübergreifenden Industriestraße Saar ‑ Lor ‑ Lux, der sich als neues, aber durchaus positiv zu bewertendes Vehikel zum Erhalt von technischen Kulturdenkmalen herausstellte.

Sichtbar wurden die Erfolge auf der nach gleichem Gedankenansatz konzipierten Internationalen Bauausstellung (IBA) im Ruhrgebiet, bei der viele Problemobjekte der Denkmalpflege durch die werbende Vermarktung plötzlich kein Problem der Erhaltung mehr darstellten, dafür jedoch eines für das Selbstverständnis der betroffenen Denkmalpfleger, hatte sich doch die neue Nutzung sehr weit von ihrer ursprünglichen entfernt, verhalf der Industriekultur zum Durchbruch. Es geht nun nicht mehr darum, ob, sondern wie ein Denkmal der Industrie und Technik überlebt, und dafür kann nur jedes Mittel recht sein.

Spät, aber nicht zu spät, hat sich der Planungsverband Frankfurt Region Rhein - Main in diesen Prozeß, industrielle Vergangenheit in die Gegenwart zurückzuholen und damit Zukunft zu ermöglichen eingeschaltet, und durch die Architekten ABS + Partner ein Konzept für eine Route der Industriekultur in der Region Frankfurt Rhein ‑ Main ausarbeiten lassen. Es ist dies ein erster Ansatz, dem auf Grund fehlender Rohstoffe weder im 19. noch im 20. Jahrhundert von den Wirtschaftshistorikern als wichtigen industriellen Standort gewürdigten Gebiet erneut für die Öffentlichkeit die Bedeutung zu geben, die es seiner Wirtschaftskraft nach immer besaß.

Die Idee einer Route der Industriekultur Rhein ‑ Main zwingt die Kommunalpolitiker nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zur aktiven Unterstützung in Richtung einer Imageaufwertung der Region und stellt für die Denkmalpflege eine Herausforderung dar, die vor allem pragmatisches Handeln verlangt um wirklich wenn vielleicht auch manchmal nur in Ansätzen, Relikte einer vergangenen Arbeitswelt erhalten zu können.

 

Standortmerkmal:

Wenn man heute von einem sich abzeichnenden „Wettbewerb“ der europäischen Regionen spricht, stellt sich auch die Frage, was denn die Standortvorteile ausmacht, die jeweils für arbeitsplatzschaffende Unternehmen maßgebend sein können. Dabei spielen zunehmend nicht nur die „harten“ Faktoren eine Rolle, sondern auch die kennzeichnende Identität eines die Region ausmachenden landschaftlichen und baukulturellen Umfeldes. Unverwechselbarkeit gilt als Teil der Lebensqualität. Und die ist nicht nur, aber eben auch für Führungskräfte von Firmen interessant.

Regionale Identität muß gemeinhin visuell erfahrbar und erlebbar sein. Überwiegend speist sie sich aus historischen Quellen. Eine Region ohne Geschichte ist eine Region ohne Gesicht. Von daher gilt es, die noch vorhandenen Spuren der Geschichte sichtbar zu halten. Dies darf sich nicht nur beschränken auf renommierte Sakralbauten, auf Adelspaläste oder auf alte Ortskerne mit malerischem Fachwerk. Auch die vielfältigen Zeugnisse des industriellen Bauens erfordern besondere Fürsorge. Von diesen Zeugnissen besitzt das Rhein                                                ‑ Main ‑ Gebiet glücklicherweise noch eine Menge, wenngleich die imposanten Werke der Schwerindustrie wie im Ruhrgebiet oder im Saarland fehlen.

Bauten der Technikgeschichte, überwiegend entstanden im 19. Jahrhundert, teilweise aber auch noch mit bemerkenswerten Beispielen aus dem 20. Jahrhundert vertreten, dokumentieren eine Baugesinnung, die heute vielfach verlorengegangen ist. Seinerzeit war man stolz auf den technischen Fortschritt und wollte dies in den Baulichkeiten auch dokumentieren. Man griff jenseits aller zweckrationalen Überlegungen auf das zeittypische Formenrepertoire zurück und wandelte es geschickt ab, um den spezifischen Erfordernissen und Dimensionen des Industriebaus gerecht zu werden. Aber auch die Zweckbauten zeigen noch eine Individualität, die sie heute als Bereicherung der gebauten Umwelt erscheinen lassen.

Die Zeugnisse der Technikgeschichte sind meist Unikate, während heute nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen sowie im Interesse des Betriebsablaufs lediglich „Klimahüllen“ aufgestellt werden, Verbrauchsware in Leichtbauweise mit einer Lebensdauer von zehn bis höchstens 20 Jahren. Der moderne Gewerbebau gründet sich leider nur noch selten auf einen architektonischen Gestaltungswillen. Das macht das Industriedenkmal baukulturell so bedeutsam und unverzichtbar für die Herausbildung einer regionalen Identität. Von daher darf bei den Denkmälern der Technik‑ und Industriegeschichte die Kahlschlagmentalität der frühen Nachkriegsjahre nicht Handlungsmaßstab sein. Die großen Industriebetriebe des 19. Jahrhunderts stehen für den Anfang vielfältiger Pendlerbeziehungen, die die hergebrachten Gemeindegrenzen für die Betroffenen zu einem fast irrelevanten Faktor werden ließen. Insoweit tragen Industriedenkmäler zum regionalen Zusammenhalt bei.

Industriedenkmäler zwingen zum Nachdenken darüber, welche neue Nutzung sich in diesen Gebäuden unterbringen läßt oder, soweit es sich um nicht nutzbare Bauwerke der Technikgeschichte handelt, inwieweit deren Erhalt in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrem architektur‑ und sozialgeschichtlichen Wert steht.

Prägender Landschaftsbestandteil im Rhein‑Main‑ Raum sind natürlich die Flußufer, an denen sich viele industriekulturelle Zeugnisse finden lassen. Andererseits stellen die Flußufer aber auch zunehmend ein interessantes Potential sowohl für die Naherholung als auch für attraktives Wohnen dar. Eine interkommunale Zusammenarbeit ist hier unverzichtbar. Es böte sich daher an, in einen regen Erfahrungsaustausch der betroffenen Kommunen einzutreten und auf dieser Basis einen Zielkatalog zu entwickeln.

Die Route der Industriekultur zwischen Bingen und Aschaffenburg soll ein Wegweiser in Geschichte und Gegenwart der Produktion in der Metropolregion Frankfurt                                                / Rhein‑Main werden soll ‑ keine museale Route wie im Ruhrgebiet, sondern ein Erlebnispfad, der deutlich machen soll, daß die Region nicht nur ein Dienstleistungsstandort ist. Seit 2000 liegt ein zweiteiliges Konzept für die Route vor, ein inhaltlich                                                ‑ didaktisches Papier von Peter Schirmbeck und ein räumlich ‑ strategisches vom Frankfurter Architekturbüro ABS mit DW Dreysse, Peter Lieser und Wolf Dietrich, das in den Jahren nach 2002 umgesetzt werden soll. Obgleich das Projekt bislang noch nicht in der Planung ist, wächst das Interesse an den faszinierenden Objekten, weshalb Schirmbeck mit Fug und Recht von breitester Zustimmung sprechen kann.

Vermutlich hat das wachsende Interesse am Zeitalter der Produktion aber weit tiefere Wurzeln: Dienstleistung bringt keine materiellen Güter hervor und löst angesichts hoher Mobilität zunächst die Bindungen an den Ort auf. Damit wächst aber umgekehrt das Bedürfnis nach lokaler und regionaler Verankerung, die Sehnsucht nach Geschichte als Erzählung, die Orte unterscheidbar macht. Erinnerung ist ohne Ort nicht vorstellbar, weshalb das Projekt einer Route der Industriekultur die Metropolregion als Ganzes erfahrbar und unterscheidbar macht.

Das Rhein ‑ Main ‑ Gebiet gibt es ja eigentlich nicht, Frankfurt ist eben nur Frankfurt, und Mainz, Wiesbaden und der Rheingau sind Standorte, bei denen niemand auf die Idee kommt, daß sie mit Frankfurt Teil dieser Region sind. Die Route der Industriekultur, mit der eine Gemeinsamkeit der Region dargestellt werden könnte, ist noch kein Standortvorteil, aber ein Pluspunkt. Viele kleine Entwicklungen dieser Art machen dann einen Standortvorteil aus.“

 

1   Bingen: Ehemaliges Elektrizitätswerk

Das ehemalige Elektrizitätswerk der Stadt Bingen ist ein Haus für den zweiten Blick. Ein Gebäude aus grauem Naturstein, 1898 mit einem Verwaltungs‑ und einem Produktionstrakt errichtet. Nichts Spektakuläres weckt das Interesse des Betrachters im ersten Augenblick der Begegnung. Ein typisches Werk der Jahrhundertwende. Und darin liegt der Reiz dieses Hauses, weil es beispielhaft für einen bestimmten Typus von Funktionsbauten an der Wende zum 20. Jahrhundert ist.

Im Stil des Historismus errichtet, hat der Architekt romanische und barocke Stilelemente verwendet. Große Fenster mit neogotischen Bögen, aus rotem Sandstein gebaut, lassen das Licht in den Innenraum fluten. Die Friese sind im romanischen Stil gehalten. Eine kleine Kathedrale des Fortschritts in quasi sakraler Architektur aus einer Zeit, in der Fortschritt die Verheißung des Guten war. Insofern ein typisches Bauwerk der Zeit, errichtet, um den wachsenden Strombedarf der Haushalte zu decken.

Der Reiz dieses Hauses ist aber auch das Resultat einer gelungenen Umnutzung: Bis 1929 war das Elektrizitätswerk in Betrieb, später wurde das Gebäude ‑ zuletzt vom Stromriesen RWE ‑ als Verwaltungs‑ und Lagerhaus genutzt. 1998 hat die Stadt das Gebäude gekauft und dann ein Museum eingerichtet, das vor allem Geschichte und Bedeutung der Hildegard von Bingen vermitteln will. Die Dampfmaschine ist vermutlich bald nach der Stillegung des Kraftwerkes verschrottet, der Schornstein später abgerissen worden. Erhalten sind die Fliesen des ehemaligen Maschinenraum, wo heute die Hildegard-Ausstellung untergebracht ist, und der Kran, der auf Schienen gelagert ist, die an den Seitenwänden verlaufen.

Im hinteren Teil des Gebäudes, dem alten Verwaltungstrakt, in dem früher auch der Betriebsleiter des Werkes gewohnt hat, sind weitere Ausstellungsräume eingerichtet worden. Derzeit sind Bilderschauen zur Rheinromantik und Werke des Fotografen Jacob Hilsdorf zu sehen.

Historisches Museum am Strom, Museumsstraße 3, 55411 Bingen; Rufnummer 067211990654, geöffnet dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, Informationen über die Stadt Bingen und ihre Sehenswürdigkeiten im Internet unter www.bingen.de oder beim Amt für Touristik, Telefon

067211184‑205 und –206, Telefax: 06721116275, E‑Mail: tourist‑information@bingen.de

 

 

2   Wiesbaden: Die Wärmetauscher der Firma Dyckerhoff                                               

Wer auf der A671 nach Wiesbaden fährt und zwischen den Anschlußstellen Kastel und Amöneburg nach links schaut, sieht auf dem Gelände der Firma Dyckerhoff zwei zementgraue, 84 Meter hohe Türme. Ernst Neufert (1900‑1986), einer der einflußreichsten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts, hat die Wärmetauscher entworfen, mit denen das Unternehmen jeweils 2500 Tonnen Klinker am Tag produziert. Aus diesem Stoff gewinnt Dyckerhoff, 1864 gegründet und damit das älteste deutsche Zementwerk, jenen feinen grauen Stoff, der im Bau allenthalben verwendet wird.

Die Türme, 1967 und 1970 in Betrieb genommen, sind zusammen mit einer Anlage auf Mainzer Seite nicht nur einmalig in der Region, sie symbolisieren auch eine technische Revolution: Mit dem um 1900 entwickelten Verfahren konnten die Zementhersteller auf das Einmauern und Brennen der Ziegel in Öfen verzichten. 18 Millionen Jahre alter Kalkstein wird seither über ein Förderband ins Werk transportiert, vorgemahlen und von oben in den vierstufigen Wärmetauscher eingeführt. Die Zyklone, in denen der Prozeß abläuft, kann der Beobachter als birnenförmige Aggregate auch aus der Entfernung gut erkennen. Das Material wird dann an der Basis des Turms in einen Zementdrehrohrofen eingeleitet, eine schräge Metallröhre mit 5,60 Meter Durchmesser und einer Länge von 82 Metern. Am Ende der Prozedur ist aus dem Kalkstein daumengroßer Klinker geworden, der gemahlen das ist, was als Grauzement bezeichnet wird. Der Reiz der Anlage liegt in der Synthese aus Form und Funktion, sagt der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck. Dyckerhoff Zement GmbH, Biebricher Straße 74, 65203 Wiesbaden.

 

3  Wiesbaden:  Das Kalle ‑ Haus

Das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Hoechst ‑ Tochter Kalle am Rheinufer im Stadtteil Biebrich beeindruckt den Laien zunächst durch Wuchtigkeit: Schwer und massiv wirkt das fünfgeschossige Gebäude mit dem langgestreckten Mittelbau, von dem zwei Seitentrakte zum Rhein hin abzweigen. Sie geben dem Haus die bekannte Hufeisenform. Die Darmstädter Architekten Markwort und Seibert haben den Klinkersteinbau im Jahr 1938 als Bürozentrale für die Denker und Lenker des damals auf  Zellophan ‑ Herstellung spezialisierten Chemieunternehmens entworfen. Dennoch ist das Kalle-Haus kein reines 30er‑Jahre‑Konstrukt.

„Das Besondere dieses Gebäudes ist die Symbiose aus der Architektur der Bauhausepoche und der Architektur der 30er Jahre“, sagt der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck. Auf die Bauhauszeit verweisen etwa die beiden halbrunden Treppenhausvorbauten. Die ragen gen Rheingaustraße aus dem Gebäude heraus und gestatten dem Betrachter dank der vielen kleinen Fenster gute Sicht auf die Stufen im Inneren.

An die Architektur der Neuen Sachlichkeit erinnert zudem die funktionell gerasterte Fassade mit den langgestreckten, durchgängigen Fensterbändern. Stilelemente der 30er Jahre erschweren jedoch die Architektur. Die symmetrisch gegliederten Fensterrechtecke wurden mit Beton umfaßt und mit Granitsteinen vertikal voneinander getrennt.

Der dunkelrote Klinkerstein ist sowohl Merkmal der Bauhaus ‑ Architektur als auch des Dreißiger - Jahre ‑ Stils. Typisch für letzteren ist wiederum die imposante, granitumrahmte Eingangspforte des Gebäudes, über der in großen Lettern noch immer der Schriftzug „Kalle“ zu lesen ist ‑ auch wenn im Inneren des Verwaltungssitzes der einstigen Hoechst ‑ Tochter andere Zeiten angebrochen sind. 1997 übernahm die Betreibergesellschaft Infraserv den 96 Hektar großen Industriepark in Biebrich mitsamt den Immobilien. Die 10.000 Quadratmeter Bürofläche im Kalle ‑ Haus nutzen seitdem neben Mitarbeitern der heute selbständigen Firma Kalle (zweite und dritte Etage) auch Infraserv und andere Unternehmen, die auf dem Industrieparkgelände ansässig sind oder andere gewerblichen Mieter.

Kalle ‑ Haus, Wiesbaden, Rheingaustraße 190‑196. Das Haus ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Wer die Fassade ansehen möchte, fährt von der Anschlußstelle Biebrich (A 66) die Biebricher Straße nach Süden bis zum Rhein und biegt in die Rheingaustraße ein.

 

4   Wiesbaden: Sektkellerei von Henkell

Halb Schloß, halb Fabrikationsgebäude: Die Sektkellerei Henkell, die 1909 in Biebrich in Betrieb gegangen ist, gilt als gelungene Symbiose aus repräsentativem Prachtbau und funktionaler Produktionsstätte, und ihre glanzvolle Erscheinung erhob Wiesbaden Anfang des vergangenen Jahrhunderts zur „Weltstadt des Sektes“: Ein breites einstöckiges Gebäude mit vorgelagerten halbkreisförmigen Kolonnaden, die einen Ehrenhof umfassen, und mit einem weit vorspringenden Mittelteil, dessen Giebel zwei kelternde Putten schmücken.

Die Sektkellerei Henkell, die zuvor in Mainz ansässig war, profitierte um die Jahrhundertwende vom allgemeinen Sektboom und expandierte so stark, daß Otto Henkell, Enkel des Firmengründers Adam Henkell, am Rand des Biebricher Villenviertels ein großes Terrain erwarb und einen Architektenwettbewerb ausschreiben ließ. Der Entwurf des damals noch unbekannten Baumeisters Paul Bonatz begeisterte ihn so sehr; daß der Firmenchef ihm über die Kopfe der Jury hinweg den Auftrag erteilte. Der Stuttgarter Baurat schuf zwischen 1907 und 1909 eine industrielle Anlage im klassizistischen Stil, in der sich eine für Fabrikationsstätten der damaligen Zeit ungewohnt verschwenderische Pracht entfaltete: Die aufwendigen Baumaterialien, Kupferdach und Marmorsäulen, entsprachen dem luxuriösen Erzeugnis, das hier bis heute in Fässern gelagert, in Flaschen gefüllt und handgerüttelt entsteht.

Der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck sieht in der pompösen Anlage die Forderung eines der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts erfüllt: Walter Gropius hatte verlangt, daß der Arbeit Paläste errichtet werden. „Für mich ist das Gebäude der Firma Henkell ein solcher Palast.“ Repräsentatives Herzstück dieses Sekt ‑ Palais ist der große Empfangssaal, der ursprünglich schlicht gehalten war und erst nachträglich mit üppigen Stuckarbeiten zu einem prunkvollen Entree gestaltet worden ist. Eine breite Treppe mit 50 Stufen führt in die sieben Steckwerke tiefen Keller hinab, wo 200.000 Liter Weine in Fässern lagern und ein kleines Museum dem Besucher Einblick in die frühere Arbeitswelt gewährt.

Nach wie vor ist der klassizistische Bau, hinter dem sich riesige moderne Produktions‑ und Lagerhallen verbergen, Sitz der weltweit bekannten Sektkellerei Henkell & Co, die pro Jahr mehr als 20 Millionen Flaschen Schaumwein verkauft.

Die Sektkellerei Henkell an der Biebricher Allee 142 in Wiesbaden kann montags bis donnerstags (außer an Feiertagen) um 10 und 14 Uhr und freitags um 10 Uhr besichtigt werden. Anmeldungen unter der Telefonnummer 0611/63209.

 

5    Wiesbaden: Wuthsche Brauerei

Am Stadtrand von Wiesbaden, in unmittelbarer Nähe zur A 71, erhebt sich ein Backsteingebäude mit neoromanischen Zinnen, Tonnendach und reichverzierter Fassade: die Wuthsche Brauerei. Bis vor drei Jahren war sie so verwahrlost und marode, daß die Stadtpolitiker bereits den Abriß des heruntergekommenen Gebäudes geplant hatten. Erst in allerletzter Minute erkannte ein Investor den ursprünglichen Charme des skurrilen Brauhauses, kaufte das alte Gemäuer, ließ es sorgfältig restaurieren und etablierte dort eine Akademie für angehende Werbefachleute.

Nur knapp 30 Jahre lang war in dem 1905 erbauten Backsteinhaus Bier gebraut worden. Der Geschäftsschließung folgte wiederholter Wechsel der Besitzer, die das Gebäude wenig pfleglich behandelten. Während des Krieges wurden dort Schnaps schwarz gebrannt und vorübergehend Champignons in den feuchten Kellern gezüchtet. Es war als Bordell im Gespräch und diente zuletzt politischen Flüchtlingen als Unterkunft und Bewohnern der Region als wilde Müllkippe. So verwüstet und verfallen war die alte Brauerei, daß ihr Abbruch unausweichlich schien. Norbert Eckes erwarb 1999 das Haus und sanierte es stilsicher und mit großem Geschick zu einem Schmuckstück der Industriearchitektur und richtete dort eine weitere Dependance seines international operierenden Instituts für Marketing und Kommunikation (IMK) ein,

Viele der rot ‑ gelben Backsteine waren nicht mehr zu retten, so daß in einer niedersächsischen Ziegelei 40.000 Klinker originalgetreu nachproduziert wurden. Die Fassade ist nach historischem Vorbild neu verfugt‑, die häßliche Wellblechbedeckung durch ein Tonnendach aus Metall ersetzt und das eiserne Tor zum Hof, durch das einstmals die Bierkutschen rollten, im Jugendstil wiederhergestellt worden.

Innen ließ der neue Hausherr das Gebäude vollständig entkernen und es unter Verwendung von Metall, Glas und Holz für seine Zwecke umbauen. Dabei sind die Baumaterialien und die innenarchitektonische Gestaltung auf die Ursprünge des Hauses abgestimmt in allen Details, von den Tür‑ und Fensterrahmen über die Treppen bis zu den Leuchten wird der Industriecharakter betont. Heute haben hier zehn IMK‑Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz, studieren pro Semester bis zu 160 junge Leute, lehren 80 Dozenten in lichtdurchfluteten und komfortabel eingerichteten Seminar‑ und Präsentationsräumen. Die Wuthsche Brauerei im Erbenheimer Weg in Wiesbaden ist einmal im Jahr zum „Tag des Denkmals“ geöffnet.

 

6    Mainz: Der neue Block 3 des Kraftwerkes

Das jüngste Kind der Route ist gerade mal ein gutes Jahr alt. Es trägt grüne und rosa Streifen, ist kastenförmig und wenig ansehnlich, doch sein Inneres ist so hochkarätig, daß es zur Weltspitze zählt: das Gas‑ und Dampfturbinenkraftwerk 3 der Kraftwerke Mainz ‑ Wiesbaden (KMW) in der Gaßnerallee 33 in Mainz. Die Türme der Energie erzeugenden KMW‑ Kraftprotze ragen auf der Ingelheimer Aue empor, einer Halbinsel im Rhein. Architektonisch sind alle drei Hallen keine Meisterleistung, doch für die Route der Industriekultur hat sich Kraftwerk 3 sozusagen als würdiger Vertreter eines historischen Turbinen ‑ Ensembles qualifiziert: Seit 1899, also seit mehr als 100 Jahren, wird an diesem Standort Strom produziert.

Diese Kontinuität konnte nur dadurch entstehen, daß die Mainzer Stadtverordneten damals mit Weitblick ein Areal etwa fünf Kilometer außerhalb des Zentrums befürworteten. Dort war Platz zum Anbauen: Zu den drei Kohleblöcken von 1899 kamen Mitte der 70er Jahre das Kombikraftwerk 2 mit seinem 154 Meter hohen Schlot und im März 2001 das neue mit 400 Megawatt Leistung, schlüsselfertig von Siemens hingestellt. Für die Farbfassade sorgte der vielfach ausgezeichnete Farbgestalter Friedrich Ernst von Garnier, der auch die riesige Halle der Volkswerft in Stralsund verziert hat.

Den Kunsthistoriker Peter Schirmbeck können die bunten Streifen des Kraftwerks trotzdem nicht mit dessen „Kastenbauweise“ versöhnen. Er wünscht sich mehr kreative Bauformen auch in diesem Bereich. Der Kunsthistoriker hat das inhaltliche Konzept der Route der Industriekultur im Auftrag des Planungsverbandes Ballungsraum Frankfurt / Rhein ‑ Main erarbeitet, das Architekturbüro ABS das räumlich didaktische Konzept entwickelt.

Tatsächlich ist dem Block nicht anzusehen, was für technische Wunderwerke darin stecken. Klaus ‑ Dieter Müller, der regelmäßig Besuchergruppen über das Gelände führt, kann dazu mit erstaunlichen Zahlen und technischen Daten aufwarten. Er macht klar, warum das kompakte Gebäude ein gutes Stück kleiner ist als das ältere nebendran: Die Technik ist so weit vorangeschritten, daß die Turbinen viel kleiner und der Schornstein viel niedriger sein können. Die drei bereits stillgelegten Kohleblöcke des ursprünglichen Kraftwerks werden bis Ende des Jahres abgerissen sein. An die Gründungsjahre erinnert dann nur noch ein altes, weiß angestrichenes Backsteinhaus mit der Jahreszahl 1899 am Giebel. Mehr als 100 Jahre Industriegeschichte sind auf dem Gelände versammelt. Und zwei Lebewesen haben dort sogar ein Zuhause gefunden: das Turmfalkenpaar, das seit zehn Jahren in einem eigens am höchsten Turm angebrachten Kasten nistet und schon acht Junge darin aufgezogen hat.

 

7   Mainz - Mombach: Waggonfabrik

Ein gelungenes Beispiel typischer Industriearchitektur aus der Jahrhundertwende: Das stellen die Klinkerbauten der alten Waggonfabrik in Mainz ‑ Mombach dar, die zwischen 1896 und 1910 entstanden sind. Torhaus und Werkhalle mit ihren imposanten gelb‑roten Fassaden stehen unter Denkmalschutz: Sie weisen auf die Bedeutung der Industrie für Mombach vor dem Ersten Weltkrieg hin und legen Zeugnis ab von dem damaligen Bemühen der Fabrikantenfamilie Gastell, den Erfolg ihres aufstrebenden Unternehmens mit anspruchsvollen Bauten auch architektonisch zu untermauern.

Der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck kennt viele Belege dafür, daß Firmenchefs bei der Erweiterung ihrer Fabrik einen Wechsel zum jeweils aktuellen Baustil vollzogen haben. Dies wird auch an der Mombacher Waggonfabrik deutlich, deren langgestreckte Werkhalle zur einen Hälfte im Stil des Historismus und zur anderen im Jugendstil errichtet wurde. Bauform und rot ‑ gelbe Zierelemente seiner Klinkerfassade rücken das Torhaus in die stilistische Nähe eines bürgerlichen Wohnhauses.

In der Waggonfabrik wurden Eisenbahn‑ und Straßenbahn ‑ Waggons hergestellt, ab 1927 auch Karosserien für Omnibusse und vereinzelt sogar Personenwagen. Um 1900 zählte das Unternehmen 1200 Mitarbeiter. Im Zweiten Weltkrieg wurden 22 Werkshallen der Fabrik durch Bomben zerstört. Nach Kriegsende nahm die Firma die Fabrikation von Güterwagen wieder auf und ab 1949 setzte sie für die Stadt Mainz Straßenbahnwagen instand. Später wurden hier nur noch Omnibusse hergestellt.

Das Unternehmen wechselte mehrfach den Besitzer und stellte 1982 den Produktionsbetrieb vollständig ein. Die Bundesrepublik erwarb die Industrie ‑ Immobilie                                                und stellte sie den amerikanischen Streitkräften zur Verfügung, die hier Panzer und Armeewagen reparierten und Amphibienfahrzeuge bauten. Elf Jahre später gab die US ‑ Army das Gelände an die deutschen Behörden zurück, die es der Trierer Wohnungsbaugesellschaft; überließ. Die nutzt das Gelände zwischen Schützenweg und Turmstraße als Gewerbepark, in dem sich inzwischen unter anderem ein Fitness ‑ Studio und eine Tanzschule angesiedelt haben. Künstler richteten im Obergeschoß der alten Werkhalle Ateliers ein. Die Waggonfabrik in Mainz ‑ Mombach befindet sich zwischen Turmstraße und Am Schützenhof.

 

8   Mainz: Moguntia ‑ Gewürzmühle

Von Denkmalschützern wird sie als „aussagekräftiges Zeugnis für den Wiederaufbau und den wirtschaftlichen Aufschwung im Mainz der frühen 50er Jahre“ gepriesen. Kunsthistoriker bewundern sie wegen ihres Grundrisses, der dem eines Barockschlosses entspricht. Trotzdem ist sie vom Abriß bedroht: die imposante Gewürzmühle Moguntia im Mainzer Zählbachtal. Denn seit die Gewürz ‑ Produktion dort vor zwei Jahren eingestellt und nach Österreich verlagert wurde, stehen die Gebäude leer. Sie sollen nach den Vorstellungen der Eigentümer einem neuen Wohnquartier weichen.

Im Jahre 1924 hatte eine Spezialfabrik für Kinderschuhe das Areal von der Mainzer Aktienbrauerei gekauft und dort eine Fabrikhalle mit Verwaltungsbau errichtet ‑ so entstand einer der beiden Seitenflügel. In den 30er Jahren erwarb die Firma Moguntia das Gelände und erweiterte die bestehenden Bauten. Schon damals sollte der zentrale Mühlenturm errichtet werden ‑ die Pläne scheiterten jedoch daran, daß das benötigte Grundstück einem Gärtner gehörte, der es nicht verkaufen wollte.

Erst 1953 konnte das Ensemble in der U‑Form vervollständigt werden: der markante, 21 Meter hohe Mahlturm in der Mitte, dem sich flache Bauten anschließen, die dann im rechten Winkel abknicken. Den Abschluß der Seitenflügel bilden zweigeschossige Kopfbauten mit Walmdach ‑ ein dreiflügeliges Schloß.

“Nur herrschte hier statt Luxus und feudalem Müßiggang Arbeit und Leistung“, sagt der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck. So gering werde das Denkmal des bürgerlich ‑ industriellen Zeitalters geschätzt, daß sein Erhalt gefährdet scheint. „Wir fordern, daß man sich nützlich mache, aber wir verachten den nützlichen Menschen“, kommentiert Peter Schirmbeck das ambivalente Verhältnis der Gesellschaft zu Industriearbeit und Produktion.

Der einst 360 Mitarbeiter zählende Familienbetrieb, der jahrzehntelang Gewürzmischungen für Fleischerhandwerk und Industrie produzierte, knüpfte an eine alte Tradition der Mainzer an. Schon seit dem elften Jahrhundert galt die Stadt als bedeutender Stapelplatz für Gewürze, und hier wurden auch die ersten Kräuterbücher gedruckt.

Noch ist das Schicksal der Moguntia ‑ Anlage völlig offen: Die Stadt untersagte den beantragten Abbruch, und die Firmeneigentümer widersprachen dem Beschluß, das Fabrikschloß unter Denkmalschutz zu stellen. Nun müssen die Gerichte entscheiden. Das „Moguntia ‑ Schloß“ befindet sich an der Unteren Zahlbacher Straße 54 - 58 gegenüber dem Friedhof. Es kann nur von außen besichtigt werden.

 

10   Wiesbaden: Kostheimer Schleuse

Früher zogen Pferde die Schleppkähne und plumpen Frachtsegler den Main hinauf, die trotz ihres geringen Tiefgangs nicht selten auf einer Sandbank strandeten. Später schipperten schwer beladene Frachtschiffe auf dem Main, die so tief im Wasser lagen, daß sie permanent in Gefahr waren, aufzulaufen. Deshalb entschloß man sich an vielen Flüssen, die Flußbetten künstlich zu vertiefen: Stauwehre wurden errichtet, die den Wasserspiegel bis zu zwei Metern anheben konnten ‑ so auch am Main, der zwischen 1883 und 1886 mit Hilfe von fünf Schleusen von der Mündung bis Frankfurt problemlos schiffbar gemacht wurde.

Die erste Staustufe in Kostheim hatte eine Schleusenkammer: Ein Nadelwehr staute den Main auf zunehmender Schiffsverkehr führte zur Erweiterung der Schleusenkapazität: 1913 bis 1926 wurde eine zweite Kammer hinzugebaut, die ebenfalls nicht lange reichte. So mußten zwei neue große Schleusenkammern ausgehoben werden: Hunderte von Arbeitern waren zwischen 1930 und 1934 damit beschäftigt, die heutige Staustufe mit ihren drei Walzenwehren und den beiden riesigen Kammern zu errichten. Eine ist 339 Meter lang und 20 Meter breit, die zweite 342 Meter lang, 15 Meter breit und unterteilbar.

Das imposante Bauwerk über dem Main zwischen Kostheim und Gustavsburg gilt inzwischen als verkehrsreichste Binnenschleuse Deutschlands und hat nach wie vor eine große Bedeutung für den Güterverkehr. Im vergangenen Jahr wurde sie pro Tag von 74 Schiffen passiert, die alles in allem 23,5 Tonnen Steine, Erde, Baustoffe und Mineralöl zwischen den Industriezentren und Küstenhäfen der Rheinregion und dem Main‑ und Donaugebiet transportierten. Diese Fracht entspricht rund 785.000 Lastwagen ‑ Ladungen. Zunehmend zwängen sich auch Passagierschiffe durch die engen Schleusenkammern ‑ im vergangenen Jahr wurden 800 Passagen von Fahrgastschiffen gezählt.

Das schmucklos ‑ nüchterne Schleusenhaus, die riesigen Wasserkammern, die sich innerhalb von 45 Minuten füllen und leeren, und der Steg aus Stahlrost bilden ein interessantes Ensemble, das zu der nahe gelegenen Eisenbahnbrücke einen spannenden Kontrast bildet. Das Besondere der Kostheimer Schleuse liegt für mich in der Überschneidung von zwei industriellen Verkehrsformen und zwei Stilrichtungen, sagt Kunsthistoriker Peter Schirmbeck. „Für den Wasserweg steht die im sachlichen Bauhausstil errichtete Doppelschleusenanlage. Für die Eisenbahn steht                                                die 1904 mit vier mächtigen Stahlbögen sowie Türmen und Ornamenten im Jugendstil konstruierte Brücke zwischen Bischofsheim und Hochheim“.

Die Kostheimer Schleuse ist vom Gustavsburger und vom Kostheimer Mainufer aus für Spaziergänger und für Radfahrer bequem zu erreichen.

 

11   Sonne und Gärten für die Gesundheit der Brückenbauer

Die MAN ‑ Werkssiedlung in Gustavsburg wurde bewußt abwechslungsreich geplant

Um die Jahrhundertwende kam es selten vor, daß große Firmen Architekten beauftragten, eine Arbeitersiedlung zu entwerfen. In der Regel übernahmen das die firmeneigenen Bauabteilungen. Die Werksleitung der Maschinenfabrik Augsburg ‑ Nürnberg – heute MAN ‑ verließ die üblichen Pfade, als sie den Auftrag erhielt, die Mainzer Südbrücke zu bauen und für die Arbeiter Unterkünfte vor Ort brauchte. Sie ließ einen Architekten ans Reißbrett, um „ein hübsches anheimelndes Gesamtbild zu schaffen“, wie es in einer Denkschrift von 1900 formuliert worden ist. So wuchs Stück für Stück die Arbeitersiedlung am Cramer ‑ Klett ‑ Platz in Gustavsburg vor den Toren von Mainz empor, zu der schließlich 40 Häuser mit 100 Wohnungen gehörten,

Entworfen hat sie der Geheime Oberbaurat Karl Hoffmann aus Darmstadt. Um Eintönigkeit zu meiden, bekam jede Familie einen eigenen Hauseingang und individuell gestalteten Garten. Auch unterschieden sich die Häusertypen der Eck‑, Doppel‑ und Vier ‑ Familienhäuser, um für eine Abwechslung in der Siedlung zu sorgen, die bis heute währt.

Ihr Grundriß gleicht einem Rechteckraster. Die Straßen verlaufen parallel zueinander. Während der Planungs-Phase rückten die am Entwurf Beteiligten jedoch von der strengen Symmetrie ab, um sich weiterhin am Vorbild eines organisch gewachsenen Dorfes aus der vorindustriellen „heilen“ Zeit zu orientieren. Die ursprünglich als gerade geplante Straße, die mitten durch die Siedlung führte, verwandelten sie in eine leicht geschwungene Straße, und der Cramer ‑ Klett ‑ Platz lag auch nicht mehr haargenau in der Mitte der Kolonie. Kunsthistoriker Peter Schirmbeck lobt die Siedlung als sowohl soziale als auch künstlerische Leistung. Die Firma habe einerseits für ihre Mitarbeiter Wohnraum in der Nähe des Arbeitsplatzes geschaffen. Andererseits „ließ sie eine Siedlung in Form einer architektonisch abwechslungsreichen Gesamtanlage mit Grün und Nutzgärten errichten“, so Schirmbeck. Besonders die Gärten spielten eine bedeutsame Rolle, weil Licht, Sonne und ein grüner Garten Gesundheit und Zufriedenheit der Brückenbauer fördern sollten ‑ immerhin konnten die Arbeiterfamilien jeweils auf bis zu 150 Quadratmeter ihre eigenen Anbaupläne entfalten. Die MAN ‑ Siedlung liegt direkt an der Darmstädter Landstraße, der Hauptstraße Gustavsburgs.

 

12  Die Mainbrücke in Gustavsburg

Ein kleines Rätsel gibt die Mainbrücke in Gustavsburg nach wie vor auf. Es dreht sich um das Brückengeländer, das von beiden Seiten parallel zu den Gleisen von einem zuckenden Jugendstil ‑ Ornament durchzogen ist. Die Verzierungen ähneln zackigen Blitzen, die gerade auf die Erde herniederzugehen scheinen und sich alle paar Meter als Motive wiederholen. „Es erinnert so ein bißchen an das blitzartige Symbol für Strom und Elektrizität“, sagt der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck. Und die Arabesken paßten gut zum elektrischen Zugverkehr. Merkwürdig sei jedoch, daß die Elektrifizierung der Strecke erst ein halbes Jahrhundert später einsetzte. „Visionär und rätselhaft nahm die künstlerische Gestaltung der Brücke die Zukunft vorweg“, würdigt Peter Schirmbeck die Arbeit des Architekten.

Im Jahre 1904 wurde die Eisenbahnbrücke zwischen Bischofsheimund Hochheim erbaut, als die Eisenbahn noch mit Kohle durch die Lande dampfte. Die Überführung ist 292 Meter lang und hat vier große Bogen. Das kommt dem Kunsthistoriker zufolge bundesweit inzwischen nur noch sehr selten vor, wurden doch solche mächtigen Stahlkonstruktionen am Ende des Zweiten Weltkriegs meist gesprengt.

An beiden Enden der Brücke stehen jeweils zwei Türme aus Sandstein, die den Auftakt zur Überführung bilden. Sie stellen vier gekoppelte Säulen dar, auf denen eine Kugel thront. Ob sie der Erde nachgeformt ist, steht nicht sicher fest, sagt Peter Schirmbeck. Sicher ist jedenfalls, die Säulen sind von Sandsteinblöcken unterbaut und im Jugendstil gehalten.

Die Mainbrücke ist am besten vom Maindamm aus zu sehen, der sich in der Straße „An der Schleuse“ in Gustavsburg befindet.

 

13  Wasserturm in Bischofsheim

Ohne den Bürgerprotest wäre Bischofsheim im Kreis Groß ‑ Gerau wohl um sein heutiges Wahrzeichen ärmer. Pläne in den 70ern sahen vor, den 1912 erbauten Wasserturm am Bahnhof abzureißen. Seine Zeit war gekommen, als die Elektrifizierung die Ära der Dampflokomotiven abzulösen begann. Bislang hatten die Türme bis zu 70 Loks tagein, tagaus mit Wasser versorgt. Einige Bischofsheimer sträubten sich jedoch gegen den Abriß des Wasserturms ‑ und 1980 stellte man ihn unter Denkmalschutz.

Damals wie heute fängt das 19 Meter hohe Gebäude die Blicke der Bahnreisenden. Unverkennbar verkörpert es die einstige Eisenbahner ‑ Gemeinde Bischofsheim, die sich zum größten Verschiebe‑ und Rangierbahnhof Süddeutschlands entwickelt hatte. Mitte des letzten Jahrhunderts lagen hier 44 Gleispaare nebeneinander und mehr als 1000 Leute waren beschäftigt.

Der Turm bekam das Wasser über Pumpen aus dem Hafenbecken in Gustavsburg. Um die Korrosion in den Dampflokomotiven zu verhindern, haben die Arbeiter verschiedene Chemikalien zugemischt, erklärt Bernd Schiffler vom ortsansässigen Heimat‑ und Geschichtsverein. Die Loks kamen damit gut 100 Kilometer weit ‑ eben bis zum nächsten Wasserturm.

Schiffler zufolge ist der Bischofsheimer Wasserturm in seiner Architektur bundesweit ein Unikat. Der Rundbau zeigt Merkmale des Jugendstils, auf dem ein achteckiges, grünliches und mit Fenstern versehenes Schieferdach thront. Darunter verbirgt sich der Hochbehälter, von einem robusten Stahlskelett geschultert. Der Wasserbehälter ähnelt einem offenen Kelch. Er mißt im Durchschnitt acht Meter, hat eine Wassertiefe von fünf Meter und konnte gut 200.000 Liter Wasser fassen. Die Menge sorgte für den entsprechenden Druck zu den so genannten schwenkbaren Wassergalgen auf dem Bahnhofsgelände, um die Loks mit Wasser zu versorgen.

Auch Kunsthistoriker Peter Schirmbeck sieht den Turm als einzigartig an: „Der obere Teil des Turms besitzt ein Dach in Form zweier übereinander liegender Schirme, und am unteren Schirmrand liegen augenförmige Fenster, die den Betrachter anzublicken scheinen.“ Unter dem Wasserbehälter sind noch drei Stockwerke, die den Heimat‑ und Geschichtsvereins mit seinem Archiv beherbergen. Während der Mittelteil des Wasserturms aus hellem Beton mit eingelassenen Fenstern besteht, ist das Erdgeschoß außen mit rötlichem Buntstein verkleidet. Für Schirmbeck ist der Turm ein augenfälliges Erkennungszeichen der Industriekultur in der Region. Sein Vorgänger, der im angrenzenden Betriebswerk stand, fand weniger Zuspruch ‑ er wurde 1972 gesprengt. Der Wasserturm ist von innen nicht zu besichtigen. Er steht am Güterbahnhof nahe der Frankfurter Straße.

 

14   Arbeiterkolonie in Bischofsheim

Jahrzehntelang hat die Siedlung ihren Dornröschenschlaf gehalten. Nur einen Steinwurf vom Bahnhof und seinem augenfälligen Wasserturm entfernt, schlummerte die Arbeiterkolonie in deren Schatten ‑ von Kunstkennern lange unbemerkt. Erst im Laufe der Route der Industriekultur haben wir sie wieder entdeckt und quasi wachgeküsst sagt der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck und bewertet die Siedlung als ein wahres architektonisches Juwel das im Rhein ‑ Main-Gebiet selten vorkomme.

Die Siedlung geht eng mit der Eisenbahnergeschichte in Bischofsheim im Kreis Groß ‑ Gerau einher, als sich Mitte des vergangenen Jahrhunderts in der Gemeinde der größte Verschiebe‑ und Rangierbahnhof Süddeutschlands entwickelt hatte. In den Jahren 1926/27 wurde die Siedlung am Gerauer Weg gebaut, um Eisenbahnern eine Heimstätte mit Garten zu geben. Entworfen hatte sie der Architekt Hans Kleinschmid, der Reichsbahnoberrat und Hochbaudezernent der Reichsbahn im benachbarten Mainz war.

Obwohl die Route der Industriekultur über viele Werks‑ und Arbeitersiedlungen verfügt, nimmt sich Schirmbeck zufolge die Bischofsheimer Siedlung besonders einnehmend aus. Sie ist im reinsten Bauhaus ‑ Stil gehalten, der Technik und Kunst versöhnen will und handwerkliche Grundlagen der bildenden Künste in den Vordergrund rückt. Die Siedlung in Bischofsheim weist Schirmbeck zufolge unverkennbare Merkmale des Bauhaus ‑ Stils auf. Die Häuser haben Flachdächer, Klinker wurde als Baumaterial benutzt. Fensterbänder und gerundete Ecken sind ebenso vorhanden. Manches Haus wurde gewissermaßenüber Eck gebaut. Die Bauform ist möglicherweise nicht sonderlich nützlich, aber dafür sehr kreativ“ sagt Kunsthistoriker Peter Schirmeck. Im saftigen Grün stehen die drei Höfe in der Siedlung, und einer davon gleicht in seiner Form einem U. Den Bürgern war das alles so fremd, daß sie dem steingewordenen Eisenbahner ‑ Fleck schlechtweg den Namen „Jerusalem“ verpaßten. Der haftet der Siedlung bei den Bischofsheimern heute an. Die Siedlung liegt am Alten Gerauer Weg in Bischofsheim.

 

16   Moderner Kubus auf der Schokoladenseite der Stadt: Opel ‑ Villen in Rüsselsheim

Im Volksmund heißen die beiden durch einen Wintergarten verbundenen Prachtgebäude am Mainufer bis heute die Opel ‑ Villen. Doch ist dies keineswegs das angestammte Heim des legendären Gründers der Automobilfabrik, Adam Opel. Diese Opels residierten in heute nicht mehr erhaltenen Gebäuden am Werksgelände.

Die erste der heutigen Opel ‑ Villen in Rüsselsheim (Kreis Groß ‑ Gerau) ließ im Ersten Weltkrieg 1915/16 der im Autowerk beschäftigte Direktor und Ingenieur Wilhelm Wenske bauen. Der war am Ort so verhaßt, daß er in der Umbruchzeit nach dem Krieg Rüsselsheim und Werk den Rücken kehren mußte. 1920 kaufte ihm Fritz Opel, vierter Sohn des Firmengründers, diese Villa auf der Schokoladenseite der sonst an baulichen Schönheiten nicht gesegneten Stadt ab. Dies gilt als eigentlicher Beginn der Opel ‑ Villen.

Wenskes zuerst erbaute, westlich gelegene Villa wurde zur Stadtseite hin in typischem Historismus erbaut. Zur Garten- und Mainseite findet sich eine Terrasse im Jugendstil mit Figuren wie auf der Darmstädter Mathildenhöhe.

Der eigentliche architektonische Leckerbissen ist die zweite Villa, im Osten gelegen und 1931/32 durch den vom Bau des Opelwerkes her bekannten Professor Paul Meißner errichtet. Den Auftrag dazu erteilte ‑ unter der Bezeichnung „Herrenhaus ‑ Fritz Opel“ kurz nachdem die Familie das Automobilwerk an General Motors für über 30 Millionen Dollar verkauft hatte. Zu diesem Gebäude sagt der Rüsselsheimer Kunsthistoriker Peter Schirmbeck: „Die Architektur der zweiten Villa ist eine gelungene Symbiose von Tradition und Moderne“, In ihrer Symmetrie, ihren klassischen Pfeilern und Gesimsen beruhe sie auf Vorbildern, die bis in die Renaissance zurückreichten. Und: Als Bau der Moderne erweist sie sich in ihrer Auffassung als Kubus, einer idealtypischen Bauform der Moderne. Vom Main her erinnere das Ganze etwas an die Silhouette der Krupp’schen Villa Hügel.

Nach dem Krieg, als die Villen in den Besitz der Stadt übergingen, folgte eine wechselvolle Geschichte: Zeitweilig war hier ein Behelfskrankenhaus untergebracht, später das Amtsgericht, Katasteramt und Steueramt. Eine turbulente Phase erlebte der Untergrund der Fritz ‑ Opel ‑ Villa Ende der unruhigen sechziger und beginnenden siebziger Jahren: Damals war hier der Juso ‑ Keller untergebracht, mit beziehungsreich rot gestrichener Decke. Und an solchem Traditionsort wurde ‑ zum Entsetzen des lokalen Establishments ‑ seinerzeit mindestens einmal in der Woche die Revolution ausgerufen. Ihre ersten politischen Gehversuche machte auf diesem Parkett heutige linke Politische Prominenz wie die spätere Juso ‑ Bundesvorsitzende und heutige deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek ‑ Zeul, damals „rote Heidi“ genannt.

Heute versucht die Stadt durch eine mit der Firma Adam Opel gemeinsam unterhaltene Stiftung Opel ‑ Villen, die als Erb-Pächterin auftritt, in den Gebäuden ein Kulturzentrum mit überregionaler Bedeutung aufzubauen. Derzeit wird denkmalgerecht renoviert, im Spätsommer 2003 soll alles fertig sein für Ausstellungen, Lesungen und Musikveranstaltungen.

Die beiden Opel Villen legen zwischen Mainufer und Hauptmann ‑ Scheuermann ‑ Weg beim Stadtmuseum in der Festung. Derzeit sind beide Villen wegen Umbaus geschlossen. Die kleinere Wenske ‑ Villa und der Zwischenbau sollen im Frühjahr 2003, die größere Fritz ‑ Opel ‑ Villa im Spätsommer fertig sein.

 

18   Die Arbeiter ‑ Kolonie in Zeilsheim ist ein Beispiel industrieller Sozialpolitik

Der unverputzte Backstein läßt die Häuser warm und gemütlich erscheinen, die Vorgärten sind liebevoll gepflegt, die Gärten hinter den Häusern kleine Idyllen. Die Arbeiter ‑ Kolonie Zeilsheim im Westen Frankfurts, erbaut zwischen 1900 und 1925 von der damaligen Firma Hoechst, hat immer noch Charme. Bis heute hat sich ihr geschlossener, harmonischer Charakter erhalten, weshalb sie sich zur Aufnahme in die Route der Industriekultur bestens eignet.

Die Siedlung ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern ein wichtiges Beispiel industrieller Sozialpolitik um die Jahrhundertwende. Mit der zunehmenden Industrialisierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen zahlreiche stark expandierende Firmen in Deutschland mit dem Bau von Werkssiedlungen. Denn bald fehlte es an lokalen Arbeitskräften und Wohnraum in der Nähe. So konnte man Leuten, die man von weiter her anwarb, attraktive Unterkünfte bieten und gleichzeitig die Lebensbedingungen der Beschäftigten verbessern.

Der soziale Aspekt spielte dabei eine große Rolle: Die Arbeiter sollten nicht in Massenquartieren wohnen. So legte man au in Zeilsheim zwischen Pfaffenwiese und Klosterhofstraße, nach einem Entwurf des Werksarchitekten Heinrich Kutt, eine Siedlung mit individuellen Quartieren an: 456 Wohnungen in der „Alten Colonie“ zwischen 1900 und 1914 und dann noch einmal 154 in der „Neuen Colonie“ im Jahre 1925. „Im Stil einer Gartenstadt wurden Doppelhäuser inmitten von viel Grün mit Gärten plaziert, von schmalen Wegen eingeschlossen“, erläutert der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck. Die meist zweistöckigen Doppelhäuser und wenigen Einzelhäuser besaßen Küche und Bad (damals ein großer Luxus), hatten einen angrenzenden Kleintierstall und pro Wohneinheit einen 200 bis 250 Quadratmeter großen Nutzgarten.

Größe und Zimmerzahl variierten pro Haus. So konnten sich die Arbeiter je nach Einkommen und Kinderzahl das Passende aussuchen. Es waren nicht die ersten Werkswohnungen von Hoechst, aber das größte Bauobjekt der Firma vor dem Ersten Weltkrieg. Das Unternehmen hat 1899 extra eine „Aktiengesellschaft zur gemeinnützigen Beschaffung von Wohnungen“ ins Leben gerufen. Und um die Rundumversorgung zu komplettieren, baute Firma Hoechst in der Siedlung noch Schulhaus (1901), eine evangelische Kirche (1912) und sogar eine Kaufhausfiliale der Farbwerke (1904).

Die Arbeitersiedlung Zeilsheim liegt südlich der Straße Pfaffenwiese, die von den Buslinien 50, 51 und 54 durchfahren wird.

 

19   Die Villa Meister in Sindlingen repräsentiert den Aufstieg einer Familie

Wie ein Märchenschloß in einem verwunschenen Park versteckt sie sich hinter einer mächtigen Allee. Zwei steinerne Löwen bewachen die Orangerie. Die „Villa Meister“ in Sindlingen ist ein architektonisches Prachtstück ihrer Zeit. Und wie so viele Gebäude und Siedlungen im Frankfurter Westen ist auch sie mit den Farbwerken Hoechst verbunden: Herbert von Meister, Sohn eines der drei Gründer der Firma, erwarb das Grundstück 1902.

Ursprünglich gehörte es der Kaufmannsfamilie Allesina. Als Wilhelm von Meister das Areal kaufte, ließ er das alte Herrenhaus der Allesinas niederlegen und beauftragte den Architekten Franz von Hoven mit dem Bau einer repräsentativen Villa mitsamt Orangerie, Reitstall, Kutscherhaus und Gärtnerhaus. Von Hoven war bereits berühmt in Frankfurt: Er entwarf die Erweiterung des Römers, die Senckenbergische Bibliothek, das neue Bürgerhospital und auch die Villa Andreae in Königstein, wo später Pleitier Jürgen Schneider residieren sollte.

Von Hoven bevorzugte einen historisierenden Stil, und so kam es, daß das Zuhause von Herbert von Meister ‑ als Chef der Farbwerke Hoechst ganz dem technischen Fortschritt verschrieben ‑ von historischen Stilelementen geprägt ist. In erhabener Position oberhalb des Mains gelegen, bildet das Anwesen im Stil des Neobarock ein typisches Beispiel einer „Industriellen ‑ Villa“, sagt der Kunsthistoriker Peter Schirmbeck.

Die „Villa Lindenbaum“, wie die Familie sie taufte, enthält 36 prachtvolle Zimmer. Innen viel Stuck, seidene Tapeten, funkelnde Kristalleuchter. Zum Mainufer hin erhielt sie eine Schauseite mit Säulen ‑ eine Fürstenlage für den Fabrikanten. Heute ist eine Erbengemeinschaft im Besitz der Villa. In den 50er Jahren residierte dort das Institut für angewandte Geodäsie des Bundesinnenministeriums, seit Anfang der 80er Jahre ein Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige, die „Therapieeinrichtung unter den Linden“. In der einstigen Orangerie ziehen die jungen Bewohner ihre Tomaten und andere Nutzpflanzen für den großen Gemüsegarten. Der Park steht weiterhin allen Bürgern offen ‑ so wie es die letzte der von Meisters, Elisabeth mit Vornamen, in ihrem Testament verfügt hatte. Der Eingang zum Park liegt in der Weinbergstraße 9. Der Park ist frei zugänglich.

 

20   Das Technische Verwaltungsgebäude der früheren Farbwerke Hoechst

Es ist der vielleicht schönste Bau an der Route der Industriekultur, in höchstem Maße eindrucksvoll für jeden, der jemals in der Halle stand und zu den Glaskuppeln emporblickte. Peter Behrens, Technisches Verwaltungsgebäude der ehemaligen Farbwerke Hoechst ist sie eine „Kathedrale des Industriezeitalters“, wie Kunsthistoriker Peter Schirmbeck es formuliert. Der Aufstieg einer kleinen Farbenfabrik zu einem Weltunternehmen: Hier ist er zutiefst expressionistisch in Stein verfestigt worden.

Architekt Peter Behrens hatte 1920, als er mit dem Bau begann, bereits als Maler in der Künstlerkolonie Mathildenhöhe und von 1907 an als Industriedesigner für AEG in Berlin gearbeitet. Die Turbinenhalle, die er dort 1909 konstruierte, gilt als erster moderner Industriebau. In seinem Atelier arbeiteten so berühmte Architekten wie Mies van der Rohe, Le Corbusier oder Walter Gropius. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich Behrens noch einer eher klassizistischen Formensprache verschrieben. Das Verwaltungsgebäude von Hoechst, 1920 bis 1924 erbaut, markierte den Höhepunkt seiner expressionistischen Neuorientierung.

Außen wurde es aus zweifarbigem Klinker erbaut (roter Backstein und violetter Eisenklinker), in der Mitte des 168 Meter langen Gebäudes entstanden ein Turm und eine Brücke, die die seitlich verlaufende Straße überspannte. Das Ensemble wurde zum Wahrzeichen der Firma und gerade für 500.000 Euro saniert. Am eindrucksvollsten jedoch ist die Eingangshalle: Vier Stockwerke hoch, von abgestuften Pfeilern begrenzt, die wie Stalaktiten empor wachsen und oben an Volumen zunehmen. Drei achteckige Lichtkuppeln krönen die Halle, die wie eine Mischung aus Tropfsteinhöhle und Kirchenraum erscheint. Die sakrale Feierlichkeit wird unterstützt von der Farbgebung: Sind die Ziegel der Pfeiler unten noch in tiefblau und grün gehalten,

wechseln sie weiter oben zu violett bis rot und schließlich gelb. Die Teerfarben, denen Hoechst seinen Aufstieg verdankt, hier sind sie festgehalten in Gestein.                  

Das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Hoechst AG ‑ heute Infraserv ‑ liegt auf dem

Werksgelände  im Stadtteil Höchst. Besichtigt werden darf es nur von Gruppen.

 

Industriekultur:

Uferweg am Industriepark hat vorerst keine Chance

Der Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft Infraserv; Dieter Kreuziger, sagte bei der jüngsten Veranstaltung der Naturalia (ein Gesprächskreis, an dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Verbänden, Wissenschaft und Kunst teilnehmen) zum Thema „Industriestandorte am Main“, daß ein durchgängiger Weg an der Uferzone attraktiv sein könnte. Trotzdem müssen wir berücksichtigen, daß der Industriepark Höchst ein Konglomerat mit eigenen Gesetzmäßigkeiten ist. Wegen des Schutzes der Menschen und aus Gründen der Sicherheit kann das Produktionsgelände des ehemaligen Hoechst ‑  Konzerns laut Kreuziger nicht im stärkeren Maß geöffnet werden. Für einen Radweg werde es in den nächsten zehn Jahren nicht reichen.

Dierk Hausmann, Leiter des Frankfurter Stadtplanungsamtes, und Eckhart Engert als Initiator des Gesprächskreises Naturalia, sprachen sich für eine stärkere Öffnung des Industrieparkes aus. Frankfurt habe diesen Wunsch schon zu Zeiten vorgebracht, als es Hoechst noch gegeben habe, sagte Hausmann. Engert sprach von einem Mißverhältnis in der Wahrnehmung. Einerseits seien die Medien voll mit Berichten über den Abriß des Zürich ‑ Hauses, andererseits werde von dem, was im Industriepark Höchst geschehe, zu wenig gesprochen. Engert regte an, den nordöstlichen Teil des Geländes (Tor Ost und Peter - Behrens ‑ Bau) stärker zu öffnen.

Eine Teilöffnung des Parks lehnte Kreuziger ab. Zugleich betonte der Infraserv-Geschäftsführer, daß sich das Unternehmen nicht einigeln wolle. Das war vor 20 Jahren so. „Heute brauchen wir die Akzeptanz unserer Umgebung für das, was wir tun.“ Darüber hinaus sei der Industriepark nicht so geschlossen, wie es scheine. Täglich kämen 50 bis 100 Besucher, um etwa den Behrens ‑ Bau anzuschauen. Schließlich werde von 15. März an ein Internetportal (www.ihr‑nachbar.de) über den Industriepark informieren und einen virtuellen Rundgang ermöglichen.

Auf dem etwa vier Quadratkilometer großen Gelände des Industrieparks arbeiten etwa 22.000 Männer und Frauen in Unternehmen der Chemie‑, Pharma‑ und Biotechnologie ‑ Branche. In den vergangenen zehn Jahren sind etwa 80 neuen Firmen im Park angesiedelt worden, der als modernster in Europa bezeichnet wird. Im Zuge der Umstrukturierung sind seit 1994 mehr als 130 Gebäude abgerissen worden. Anfang nächsten Jahres soll mit dem Bau des Ensembles neue Mitte begonnen werden. Das markanteste Zeichen der neuen Mitte wird ein 120 Meter hoher Turm mit Aussichtsplattform sein. Für die Entwicklung des Industrieparks liegt ein städtebauliches Gesamtkonzept vor.

 

21   Die Eisenbahnersiedlung in Nied

Wer in der Mitte der Eisenbahnersiedlung in Frankfurt-Nied auf dem Neumarkt steht, sieht erst mal bunt. Ockerfarbene Häuser gucken sich an, nach Westen zieht sich’s dunkelgrün, gen Osten prangt kräftiges Rot. Seit dem Ende der sechsjährigen Renovierung der Siedlung 1996 schmücken die alten Farben wieder die Häuser ‑ und steht das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz.

„Die Siedlung besticht durch ihre bauliche Symmetrie mit Torbau und Hof im Zentrum“ urteilt Kunsthistoriker Peter Schirmbeck. Erbaut wurde sie zwischen 1919 und 1933, entworfen von den Architekten Schelling & Zweifel. In ihr wohnten die Arbeiter der 1918 gegründeten „Königlich ‑ Preußischen Lokomotivhauptwerkstätte“. Eine letzte Halle des Ausbesserungswerks verfallt noch auf dem Areal auf der anderen Seite der Oeser Straße vor sich hin, umgeben von immer näher rückenden Neubaublocks.

Die Siedlung zwischen Oeser Straße und Nidda jedoch hat immer noch geschlossenen Charakter. Hufeisenförmig angelegt, besteht sie aus einfachen anderthalb bis zweistöckigen Reihenhäusern, in denen je vier Familien wohnten. Die ersten Straßennamen „Grüner Winkel“ und „Roter Hof“ (heute Faulbrunnenweg) nahmen die Farbgebung der Häuser auf. Wie viele Arbeiterwohnhäuser ihrer Zeit gehörten auch hier Ställe, Waschküchen und kleine Gärten dazu. Die etwa 2.000 Siedlungsbewohner lebten unter sich, hatten eine eigene Feuerwehr, eigene Vereine, sogar eine eigene Schule und zwei Kirchen. Sie wurden von den alten Niedern argwöhnisch beäugt, mit denen es immer wieder zu Spannungen kam.

Ihren täglichen Bedarf deckten die Familien in kleinen Läden am Neumarkt, der 1920/21 errichtet wurde. Bauherr war der Eisenbahner ‑ Siedlungsverein, der die Wohnungen auch heute noch vermietet. Werk und Siedlung überstanden den Krieg ohne größere Schäden. 1968 stellte das Ausbesserungswerk der Bahn seinen Betrieb ein und der Niedergang der Siedlung begann. Die Häuser verkamen, bis in den 80er Jahren der Wert des Ensembles erkannt wurde. Jetzt ist alles hübsch renoviert ‑ und langsam ziehen auch wieder junge Familien hierher, die die Nähe zum Nieder Wald und die Ruhe zu schätzen wissen. Die Eisenbahnersiedlung Nied liegt an der Oeser Straße westlich des Niedwaldes.

 

22   Kraftwerk und Staustufe Griesheim

Es ist effektiv, es liefert zertifizierten Ökostrom ‑ und es steht unter Denkmalschutz: das Wasserkraftwerk Griesheim mitsamt Staustufe, 1932 im Stil moderner Sachlichkeit errichtet. Wer vom Griesheimer Ufer aus mainabwärts schaut, hat den besten Blick auf den schmucklosen Kubus in der Mitte des Flusses. 55 Meter lang und 14 Meter hoch ist die Maschinenhalle in Stahlskelettkonstruktion. Funktion, Gestaltung, Material: Alles paßt zusammen. Durch die kleinteiligen Glasfenster in der Mitte fällt Licht auf die drei mächtigen Kaplan ‑ Turbinen aus dem Jahre 1931, die mittels vier Schaufeln und 24 Leitschaufeln etwa 30 Millionen Kilowattstunden pro Jahr produzieren. „Die haben einen Wirkungsgrad von 90 Prozent, im Vergleich zu 30 Prozent bei Kohle‑ oder Atomkraftwerken“, erklärt Betriebsleiter Erich Przewalla. Zusammen mit dem Wasserkraftwerk Eddersheim, das von hier aus mitgesteuert wird, können so 15.000 Frankfurter Haushalte mit Ökostrom versorgt werden.

Przewalla hat in der Halle alte Fotos aufgehängt, die in der Bauzeit des Kraftwerks und der Schleuse aufgenommen wurden. Ende der 20er Jahre gab es fünf Schleusen auf dem Main, dazu Nadelwehre, die das Wasser stauten. Doch der Güterverkehr hatte stark zugenommen, weshalb man die fünf durch nur noch drei neue Schleusen ersetzte. Auf Griesheim fiel die Wahl, weil der Main dort eine langgezogene Linkskurve macht und das insgesamt 1,4 Kilometer lange Schleusenareal (zwei Kammern von je 344 Metern Länge plus Vorhäfen auf jeder Seite) gut überblickt werden konnte.

Wie damals häufig, wurde die Schleuse mit einer Staustufe inklusive Kraftwerk verbunden. Für Kunsthistoriker Peter Schirmbeck, Planer der Route der Industriekultur, symbolisiert das Ensemble den zweifachen Sieg der Industriellen Revolution über die Natur, wie er im 19. Jahrhundert proklamiert wurde: „Die Schiffbarmachung von Flußläufen durch Kanalisierung und Staustufen auf der einen Seite und die Überwindung der Dunkelheit und Ersatz von Muskelkraft durch elektrische Energie andererseits.“

Wer über den blauen Eisensteg läuft, der die Ufer verbindet, kann zwischen den beeindruckenden Wehrpfeilern auf die Walzen hinunterblicken, die das Flußwasser stauen. Jede der drei Ungetüme ist 40 Meter lang und 200 Tonnen schwer, 4,80 Meter messen sie im Durchmesser. Sie können abgesenkt oder ganz aus dem Wasser gehoben werden. Sie sind ‑ wie der Steg oder die Ummantelung der Turbinen ‑ vernietet und nicht geschweißt.

Im Jahre 1929 war mit den Bauarbeiten begonnen worden, 1932 gingen Kraftwerk und Schleuse in Betrieb. Nur einmal mußten die Turbinen überholt werden: 1986. Damals zeigte sich, warum die Halle so hoch sein muß: Ein Laufkran hob die Turbinenachsen in voller Länge aus dem Boden. Seit der Erneuerung verrichten sie wieder unermüdlich brummend ihren Dienst. Das Kraftwerk in der Flußmittel zwischen Schwanheim und Griesheim ist über eine Fußgängerbrücke zu erreichen.

 

23   Das alte Klärwerk in Niederrad

Es war die erste mechanische Großkläranlage auf dem europäischen Kontinent: Das Klärwerk Niederrad mit seinen gemauerten Gewölben und einem Verwaltungsgebäude, das eher an eine Jugendstilvilla als an ein Zweckbauwerk erinnert. Die Kläranlage, die 1887 in Betrieb ging, kostete die damals horrende Summe von 700.000 Mark. Die Stadt Frankfurt ließ sich auf das Wagnis ein, so viel Geld in eine unerprobte Technologie zu investieren, weil mit dem fortschreitenden Bau des Kanalnetzes und immer mehr angeschlossenen Wasserklosetts so viel Dreck in den Main geleitet wurde, daß sich die flußabwärts liegenden Anrainer bitter beschwerten.

Stadtbaurat William H. Lindley entwarf die Anlage, die der mechanischen Klärung der Abwässer diente. Lindley plante einen streng symmetrischen Bau, dessen Hauptteil aus zwei gleich großen Klärbecken bestand, die in jeweils sechs Galerien eingeteilt waren. 1902 bis 1904 mußte die Anlage erweitert werden und erhielt drei neue Längsbecken. Die alten Becken wurden geteilt; fortan gab es 14 Kammern.

Verwendet wurde scharf gebrannter Backstein von ausgezeichneter Qualität. Jedes der großen Becken wurde von zwölf Kugelgewölbekappen überdeckt, in deren Scheitel ein Luft‑ und Lichtschacht eingebaut wurde. Diese Schächte sind noch heute auf der Rasenfläche vor dem Verwaltungsgebäude sichtbar

Im Zuge der Erweiterung ab 1902 wurde von Adolf Göller und Hans Dasen das auffällige, schloßähnliche Verwaltungsgebäude mit seinem Wasserturm errichtet, das Formen aus Historismus und Jugendstil verbindet. Neugierige Passanten, die von der Goldsteinstraße aus durch die Fenster hineinspähen, können den lichtdurchfluteten Eingangsbereich mit dem verglasten Prismenaufsatz oben in der Decke bewundern. Gegenüber dem Eingang prangt an der Backsteinwand ein buntes Majolika-Relief. Majolika ist ein anderes Wort für Fayence: poröse Keramikscherben, die mit weißgetrübter oder farbiger Glasur bedeckt waren.

Das Mosaik, entworfen von dem Karlsruher Künstler Helmut Eichrodt, zeigt ein Jungbrunnen‑ Motiv: Aus den gebückten Greisinnen, die von links ins Bild wandern, werden jugendliche Schönheiten. Der ungewöhnliche Wandschmuck versinnbildlicht die technische Meisterleistung der Kläranlage: Das vom Menschen verschmutzte Wasser zu reinigen und es wieder an die Natur zurückzugeben. Kunsthistoriker Peter Schirmbeck vergleicht den Reiz des Bauwerks mit dem Wasserschloß in Istanbul ‑ einer Zisterne der Römerzeit ‑ oder dem unterirdischen Kanal St. Martin in Paris. Auch wenn die Kläranlage Anfang der 80er Jahre durch eine neue, viel leistungsfähigere ersetzt wurde, bleibt die Magie ihrer Gewölbe ungebrochen.

Das alte Klärwerk ist nur selten zugänglich. Nächste Gelegenheit ist beim Tag der offenen Tür am Samstag, 31. August, 11 bis 17 Uhr, Goldsteinstraße 60. Anmeldung ist

nicht nötig, Führungen sind halbstündlich.

 

Frankfurt: Adlerwerke                                                                                 

Einst waren sie Produktionsstätte für Fahrräder, Autos und Schreibmaschinen, doch von außen ähnelten sie eher einer mittelalterlichen Burg, die ehemaligen Adlerwerke im Gallusviertel. Heinrich Kleyer studierter Unternehmensgründer aus Darmstadt, führte seine Firma mit Spaß an technischen Innovationen zum Erfolg.

1879 hatte Kleyer auf einer USA ‑ Reise zum ersten Mal Fahrräder gesehen ‑ und begann als erster Deutscher mit Import und später auch Bau der Drahtesel. Zunächst gab es 1880 die „Maschinen‑ und Velociped ‑ Handlung“ in der Bethmannstraße. Ein Jahr später konstruierte Kleyer ein vielfach ausgezeichnetes Hochrad und gründete dann 1887 die Fahrradfabrik auf dem 18000‑ Quadratmeter ‑ Areal an der Höchster (heute Kleyer‑) Straße. Seine Velomarken Herold und Adler waren berühmt, 600 Leuten gab er Lohn und Brot.

Ab 1897 entstand dort der siebengeschossige Fabrikhochbau, in dem fortan auch Schreibmaschinen produziert wurden. Später wurden sogar Autos gebaut ‑ bis zum Ersten Weltkrieg sorgte Adler für ein Fünftel der deutschen Automobilproduktion. Vor allem die Neubauten, die zwischen 1899 und 1912 entstanden, prägten das äußere Bild. Langgezogene Backsteinfassaden, überragt von Treppenhaus‑ und Aufzugstürmen, die von Zinnen und Friesen gekrönt wurden, ließen die Fabrik wie eine Burg wirken. Die Architekten orientierten sich wohl an der nahen Gutleutkaserne. Derartige historische Anleihen waren damals eigentlich schon aus der Mode.

Im Krieg existierte für acht Monate ein KZ ‑ Außenlager im 3. und 4. Stock der Fabrik – für 1600 Häftlinge die Hölle auf Erden. Die Kriegszeit überstand Adler recht gut, 1949 arbeiteten dort wieder 10.000 Menschen

Die Konzentration auf Schreibmaschinen bedeutete im Zeitalter der Computertechnik 1998 das Aus. Heute steht das gesamte Areal unter Denkmalschutz und beherbergt ein Dienstleistungszentrum samt (Gallus ‑ Theater). Ein Gewinn für den Stadtteil, wie Kunsthistoriker Peter Schirmbeck meint ‑ hatte doch ein Abriß eine tiefe Lücke auch in die Identität des Gallus gerissen. Die früheren Adlerwerke liegen zwischen Kleyer- und Weilburger Straße. Gallustheater. Kleyerstraße 15,

 

Frankfurt: Hauptbahnhof

Das Chaos war komplett: Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Frankfurt fünf Kopfbahnhofe, die alle verschiedenen Transportgesellschaften gehörten. 1871 wurde die Deutsche Reichsbahn gegründet ‑ und die Freie Reichsstadt entschloß sich zum Bau eines repräsentativen „Centralbahnhofs“, der zum größten seiner Art in Europa wurde.

Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben, den der Preußische Baurat Hermann Eggert für sich entschied. Er bescherte den Frankfurtern nach fünfjähriger Bauzeit (1883‑1888) das monumentale Empfangsgebäude aus Sandstein im Stil der Neurenaissance, samt Fürstensuite und Wartesälen, geschmückt mit Skulpturen und Reliefs ‑ darunter der Adler, Symbol des neuen Kaiserreichs und der Reichsstadt. Dahinter schloß sich eine gewaltige dreischiffige Halle an, deren Stahl‑ und Eisenkonstruktion der Berliner Geheime Baurat Johann Wilhelm Schwedler entwarf.

In den so genannten Perronhallen fanden 18 Gleise Platz, überwölbt von drei Bogendächern. Jede der drei Hallen überspannt also sechs Bahnsteige. Insgesamt überdecken sie ein Rechteck von 168 Metern Breite und 186,4 Metern Länge. In die seitlichen Umfassungsmauern waren Fenster eingebaut, die mitsamt der drei sattelförmigen Oberlichter die Bahnhofshalle erhellten. Dieses Seitenlicht fiel weg, als der Hauptbahnhof 1924 um sechs Gleise erweitert wurde.

Auch in den eher technisch als repräsentativ ausgelegten Perronhallen gab es einige kunstvolle Verzierungen, etwa an den Gußteilen der Bögen ‑ Fußgelenke. Solche Details nahmen dem riesigen Bauwerk einiges von seiner Bedrohlichkeit. Der Bau des Bahnhofs kostete die gewaltige Summe von genau 6.813.714 Mark. In der Nacht zum 18. August 1888 legten 1200 Arbeiter Hand an, um bei Fackelschein die letzten Verbindungsgleise zu legen. Morgens um 4.47 Uhr fuhr unter großem Hallo der erste Zug ein.

Der Hauptbahnhof hatte enorme Bedeutung für die Ausdehnung der Stadt. Heute hat die Stahlkonstruktion Rost angesetzt, das lecke Dach muß saniert werden. Baubeginn des auf 80 Millionen Euro kalkulierten Vorhabens soll im Herbst 2002 sein.

 

Frankfurt: Mousonfabrik

Einst wurde hier „Creme Mouson mit der Tiefenwirkung“ hergestellt, traten Seifen und Parfüms ihre Reise in alle Welt an. Geblieben ist das „erste Hochhaus Frankfurts“, das heute ein Künstlerhaus ist. Die Mousonfabrik in der Waldschmidtstraße im Ostend war einer der ältesten Fabrikbetriebe der Stadt und beschleunigte maßgeblich die Entwicklung des neuen Stadtteils.

Im Jahre 1798 erhielt der aus Berlin stammende Friedrich August Mouson die Genehmigung, eine Seifen‑ und Lichterfabrik in der Breiten Gasse zu betreiben. Es war der Beginn eines Familienbetriebs, der sechs Generationen umfassen sollte. Im Jahre 1851 lagerte Johann Georg Mouson die Sodasiederei auf Brachland zwischen Frankfurt und Bornheim aus, 30 Jahre später zog die gesamte Fabrik in den Neubau am Bergweg (später Gwinnerstraße, dann Mousonstraße). Es gab dort luftige und helle Säle, eine dampfbetriebene Zentralheizung und Speise- und Aufenthaltsräume, die den Mitarbeitern „das Arbeiten in unserem Etablissement zu einer freudigen und behaglichen Thätigkeit“ machen sollten.

Zur Jahrhundertwende wurden bei Mouson mehr als 600 Artikel produziert, Cremes, Seifen und Parfüms, die auf Weltausstellungen Medaillen errangen. Ihr charakteristisches Aussehen erhielt die Fabrik 1921, als die Architekten Gärtner und Wollmann einen siebengeschossigen Produktionsbau im expressionistischen Stil entwarfen, der von einem Eckturm überragt wurde. Dieser markante neunstöckige Turm wurde überschwenglich als erstes Hochhaus Frankfurts bezeichnet.

Im Jahre 1965 hatte Mouson seinen höchsten Marktanteil erreicht. 1100 Beschäftigte, Export in 80 Länder Doch Streit in der Geschäftsführung und innerhalb der Familie führte in den 70er Jahren zum Niedergang. 1972 wurde die Fabrik verkauft und siedelte wenig später um, bevor sie ganz einging. Die Gebäude an der Waldschmidtstraße verfielen, die nahe Herderschule nutzte jahrelang einen Teil als Unterrichtsräume. Schließlich wurde alles bis auf den Eckturm abgerissen. Im Jahre 1988 kaufte die Stadt den Turm, baute ihn um, und das Künstlerhaus Mousonturm öffnete seine Pforten. Für Peter Schirmbeck ein Beispiel einer „gelungenen Umnutzung eines Industriedenkmals“. Auf dem Rest des Areals entstand eine Seniorenwohnanlage. Das Künstlerhaus Mousonturm, Waldschmidtstraße 4, ist regelmäßig für Veranstaltungen geöffnet.

 

Frankfurt: Die Großmarkthalle

Im Jahr 1928 hat Martin Elsässer, der damals unter Stadtbaurat Ernst May Baudirektor im Hochbauamt war, die Frankfurter Großmarkthalle gebaut. Dem berühmten Entwerfer gelang damit in den Augen von Professor Jochein Jourdan, der für die künftige Nutzung der „Gemieskirch“ als das „urban foyer“ der Europäischen Zentralbank (EZB) Konzepte entworfen hat, „eine richtige Raumschöpfung“.

Die Konstruktion der riesigen, stützenfreien Halle aus Beton ‑ Schalen nach dem so genannten Zeiss ‑  Dywidag Verfahren: Das war, als man den Markthandel aus der Innenstadt an den Rand verlegte, eine umwälzende Erfindung. Bis heute bieten dort im Ostend, in Hochlage über dem Main, 200 Großhändler früh morgens ab 3 Uhr Einzelhändlern und Gastronomen Obst und Gemüse an,

Die 220 Meter lange und 23 Meter hohe denkmalgeschützte Großmarkthalle zählt zu den wichtigsten Zeugnissen der Moderne in Europa. Doch bei der feierlichen Eröffnung des nüchtern ‑ zweckmäßigen Wunderwerks der Technik im Jahr 1928 schwankte die Stimmung der Gäste zwischen Bewunderung und Kritik‑ wie Evelyn Brockhoff, stellvertretende Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte, aus den Annalen gelesen hat. Für die Historikerin hat der Industriebau auch eine städtebauliche Komponente: Er setzte den Schlußpunkt der Innenstadt. Auch die nationalsozialistische Stadtregierung zog Nutzen aus der Randlage: 10.231 jüdische Frankfurter wurden im Zweiten Weltkrieg in den unterirdischen Gängen zum Abtransport zusammengetrieben.

Zum 1. Januar 2004 müssen die Markthändler, deren Geschäfte erneut an den Rand der gewachsenen Stadt verlegt werden, das Bauwerk besenrein übergeben ‑ wie es bei der Stadt heißt, die das Grundstück an die EZB verkauft hat. Dann steht eine aufwendige Beton ‑ Sanierung an. Die künftige Nutzung der Halle als Foyer, Bibliothek und für Veranstaltungen wird nach einem Architekten ‑ Wettbewerb entschieden.     

Die Großmarkthalle, Rückertstraße 6, kann man bei Führungen besichtigen. Anmeldungen laufen über die Marktbetriebe, Rudolf Lehmann, Telefon 06912123‑3691.

 

Frankfurt: Die neue Messehalle 3

Fünf gigantische Wellen aus Aluminium ziehen sich über den Rücken der Halle. Silbern glänzen sie im Sonnenlicht wie ein organisches Ufo mit Buckeln, das in der Innenstadt gelandet ist. Die neue Halle 3 der Frankfurter Messe, im August 2001 eröffnet, ist das jüngste Kind der Route der Industriekultur, erst ein Jahr alt und schon ein Denkmal ihrer Zeit.

In gerade mal 17 Monaten Bauzeit wurde das 137‑Miflionen‑Euro‑Prachtstück aus dem Boden gestampft. Möglich war das nur, weil Dach und Halle aus wenigen Teilen bestehen, die größtenteils vorgefertigt wurden. Zur Messe Tendence wurde die Neue erstmals dem Publikum präsentiert. Und im September war bereits die Internationale Automobil Ausstellung (IAA) zu Gast. Das war auch der eigentliche Grund des hektischen Hallenbaus: Die IAA forderte mehr Raum und drohte mit Abwanderung Jetzt bleibt das, Zugpferd unter den Messen bis mindestens 2005 in Frankfurt.

Entworfen hat den futuristischen Bau, der Ästhetik und Funktionalität vereint, der britische Stararchitekt Nicholas Grimshaw. Das Dach mit 40.000 Quadratmetern Fläche überspannt stützenfrei in Ost ‑ West  - Richtung 165 Meter. Der Kräfteverlauf wurde mit den Stahlprofilen auffällig nachvollzogen. Die Halle ist zweistöckig ‑ ein Frankfurter Spezifikum, das sie einzigartig in Europa macht. Die stützenlose Konstruktion über dem oberen Stockwerk erlaubt den Ausstellern größtmögliche Flexibilität beim Aufbau ihrer Stande. Im Untergeschoß ist sie eher konventionell mit Pfeilern gebaut. Sie bietet zweimal 19.000 Quadratmeter Platz, ist ausgelegt für maximal 22.000 Besucher, für die gläserne Internet ‑  Inseln und „Chill ‑ out ‑ Zonen“ in blauen, organisch geformten Ledersitzen zur Verfügung stehen.

Die Nordseite der Halle ist voll verglast und bietet Ausblick auf den von der Messe „Agora“ genannten Platz, der nun vollständig umbaut ist. Mit der neuen Halle 3 und dem neuen Forum dehnte sich die Frankfurter Messe erstmals auf das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs aus. Mit Forum und Halle 4 ist die Neue per Via Mobile verbunden.                

 

Frankfurt: Naxoshalle an der Wittelsbacher - Allee

Von der griechischen Insel Naxos stammte das Granulat, aus dem Julius Wungst, Gründer der Naxos ‑ Union, „ächten Schmirgel“ herstellen ließ ‑ den begehrtesten natürlichen Schleifmittel - Rohstoff seiner Zeit. Diese Produktion machte den Handelsmann in Häuten und Rauchwaren ab 1870 zum Großunternehmer in Frankfurt.

Noch fast unversehrt, allerdings stark sanierungsbedürftig blieb von seiner riesigen Fabrik in Bornheim die langgestreckte Werkstatthalle an der Wittelsbacher-Allee (Baujahr 1907) ‑ laut Frankfurts Denkmalamtsleiter Volker Rödel „der einzig erhaltene Beleg für den fortschrittlichen Industriebau am Anfang des 20. Jahrhunderts“. Die dreischiffige Halle unter einem Glas ‑ Spitzdach ist ein lichter, fast feierlicher Bau mit Empore, unter der noch der alte gelbliche Laufkran der „Friedr. Krupp AG“ Zeugnis von der 1990 stillgelegten Produktion gibt. Auch das neobarocke Verwaltungsgebäude gegenüber steht unter Schutz. Die Stadt hat alles gemietet und an Eigentümer Josef Buchmann viele Millionen Euro Miete überwiesen.

Trotzdem verkommt der Bau unter dem kaputten Dach; laut Denkmalamt ist aber für den Bestand keine Gefahr im Verzug. Immerhin habe, im Rahmen eines EU ‑ Projektes sozialer und kultureller Förderung, eine Gruppe schwer vermittelbarer Jugendlicher seit Februar die kaputten Glasscheiben ersetzt und neu verkittet. Das Liegenschaftsamt läßt derzeit das Kabarett „Die Käs“ am Kopf der Halle eine Wand einziehen, die den Eindruck des großartigen Raums verändern könnte.

Dieser Raum steht auch beim Theater Spiel der Truppe „Theater Willy Praml“ im Mittelpunkt, das diesen Sommer auf dem Naxos ‑ Gelände die „Nibelungen“ auffährt. Die Akteure versuchen seit Jahren, aus der „urbanen Leerstelle Naxos“ wieder eine Adresse zu machen. Derweil steht dem Verwaltungsgebäude eine denkmalgerechte Sanierung bevor, wie das Denkmalamt verspricht. Dafür habe eine Werbeagentur Bauantrag eingereicht.

Das Naxos ‑ Gelände liegt an der Wittelsbacherallee 27 / Ecke Waldschmidtstraße. Zugänglich ist die Halle zu den Theater – Aufführungen  ‑ bis einschließlich 15. September (Telefon und Fax 0 69143 05 4 7 34).

 

Frankfurt: IG  - Farben ‑ Haus

Vor 20 Jahren hätte in dieses Haus kein Student einen Fuß gesetzt, zeigte sich kürzlich ein Besucher des ehemaligen IG ‑ Farben ‑ Gebäudes überzeugt. Die Vergangenheit des von Architekt Haus Poelzig bis 1930 errichteten Monumentalbaus am Grüneburgplatz ist belastet, denn als Zentrale des Chemiekonzerns war der heutige Westend ‑ Sitz der Universität in die Nazi‑Verbrechen verstrickt. Die Auseinandersetzung mit dieser Zeit an diesem Ort war 50 Jahre lang ausgeblieben, weil der komplett mit Travertinplatten verkleidete, siebenstöckige expressionistische Prachtbau bis 1995 von den Amerikanern als Hauptquartier der US ‑ Army besetzt war.

„Wunderbare Nutzung, gute Architekten“, lobt Frankfurts Denkmalamtsleiter Volker Rödel, wie das 250 Meter lange, konvex gebogene Hochhaus mit seinen sechs Risalittürmen ins Heute gebracht wurde. Baumeister Reinhard Tölke hatte ein Gebäude vorgefunden, an dem die Besatzungszeit fast keine unaufhebbaren Schäden angerichtet hatte. Vier Jahre ‑ doppelt so viele wie Erbauer Poelzig benötigte, um den Stahlskelettbau auszuführen – setzte Reinhard Tölke ein, um nach Vorlage von Poelzigs über 600 überlieferte Zeichnungen und Foto ‑ Serien im Inneren annähernd das authentische Bild zu erreichen.

Das Äußere hat sich beim Umbau kaum verändert: Die Travertinplatten hatten die Zeiten unerwartet gut überstanden, die Forderungen nach Brandschutz und mehr Fluchttreppen wurden „klug umgesetzt“, wie Denkmalschützer konstatieren. Zur Vorsicht mit der hochwertigen Architektur hat beigetragen, daß die Aneignung des IG ‑ Farben ‑ Gebäudes von breitem öffentlichen Interesse getragen war. Dazu gehörte auch, sich der Vergangenheit bewußt zu bleiben: Ein Versuch, den Namen IG Farben zu tilgen und „Poelzig-Bau“ daraus zu machen, ist ‑ letztlich im Senat der Universität ‑ gescheitert.

Die Architekturkritik zollt dem auf einem grünen Hügel gelegenen Bauwerk mit dem Attribut „Stadtkrone“ Respekt. Trotz aller Massigkeit: Die Vorbehalte schwinden, je näher man kommt.

IG ‑ Farben ‑ Gebäude, Grüneburgplatz 1, in den Ferien täglich von 6 bis 20 Uhr, in der Vorlesungszeit bis 22 Uhr geöffnet.

 

 

Hanau: Hafen

Heute sieht man sie nur noch aus dem Augenwinkel, wenn man in Zug oder Auto den Hafenplatz passiert. Die zwei Monumentalfiguren des aus Hanau stammenden Frankfurter Bildhauers August Bischoff (1876 ‑ 1965) beherrschten einst die Einfahrt zum Hanauer Hafen. Inzwischen ist der Platz davor vom Verkehr abgeschnitten, und große Bäume verdecken den Blick zur Fassade des mächtigen Häuserblocks mit den 3,50 Meter hohen, leicht bemoosten Nackten.

Der Bau bildete bis in die 60er Jahre hinein die wichtigste Hafenzufahrt. Winzig wirkende Lastwagen und Arbeiter passier ten einst das Tor, über dem Skulpturen thronten. Diese erinnern in ihrer Monumentalität an Werke aus dem, Dritten Reich. Dabei entstanden sie bereits in den späten 20er Jahre als Krönung des unter SPD ‑                                                Oberbürgermeister Kurt Blaum erbauten Mainhafens.

Hanau kam spät zu seinem Hafen, der heute der wichtigste zwischen Frankfurt und Regensburg ist: Bei der Mainregulierung klaffte zwischen Aschaffenburg und Frankfurt lange Zeit eine Lücke. Richard Schaffer ‑ Hartmann von den Museen der Stadt erklärt, daß das Hafentor mit seiner teilweise vollplastischen Kolossalstützen ‑ Ordnung bewußt das enorme Arbeitsbeschaffungswerk überhöhe ‑ beim Ausheben des Hafenbeckens fanden in der Depression nach dem Ersten Weltkrieg bis zu 600 Menschen Arbeit.

In den Plänen für die künftige Route der Industriekultur Rhein ‑ Main firmieren die Figuren als „Arbeiter der Stirn und der Faust“. Auch viele seit Jahrzehnten in diesem städtischen Wohnblock lebenden Menschen nennen sie so. In der NS ‑ Ideologie von Volks‑ und Betriebsgemeinschaft war es ein gängiges Begriffspaar und wurde öfter künstlerisch umgesetzt. Im Hanauer Stadtarchiv aufbewahrte Zeitungsartikel aus der Nazi‑ wie auch der Nachkriegszeit bieten hingegen, zum Umfeld passend, die Deutung „Arbeit und Handel“ an. Kurt Blaum hatte ein „Denkmal der Arbeit“ errichten wollen. Dargestellt sind beide Allegorien beinahe kniend. Trotz des grauen Betons, aus dem sie bestehen, scheinen sie irgendwie blond. Gußnähte hat der Künstler offenbar bewußt gelassen, ein modernes Element. Die linke Figur: vom Typ etwas jünger, dynamischer, ein Doppelzahnrad vorwärts treibend (Volksmund „Käserolle“). Die rechte: wie ein Rodinscher Denker, den man von seinem undefinierbaren Sitzgestell halb in die Knie gezwungen hat, im Gegensatz zu seinem unbekleideten Widerpart mit einem Tüchlein überm Schoß.

Der Rüsselsheimer Kunsthistoriker Peter Schirmbeck verwies 1984 in seiner Dissertation darauf, daß die Idee vom Arbeiter der Stirn und der Faust in bürgerlichen Kreisen und bestimmten Richtungen der Arbeiterbewegung bereits vor dem Ersten Weltkrieg bestand. Sie gründet auf der in der arbeitsteiligen Industrieepoche verstärkten Aufspaltung in Planen und Ausführen, in Angestellten‑ und Arbeiterberufe. Sie läßt sich auch auf Handel und Produktion anwenden. Selbst um den Klassengegensatz zu übertünchen, eignet sie sich. Eine Parallele findet Schirmbeck in Fritz Langs Film „Metropolis“ (1927), wo sich in einer pathetischen Massenszene Vorarbeiter und Unternehmer die Hand reichen. Die Deutsche Arbeitsfront des Dritten Reichs verkörperte diese Ideologie. Und die nationalsozialistische Lokalzeitung „Kinzigwacht“ sah in den beiden Plastiken „gesunde Schönheit“, deutete sie als Darstellung eines „völkischen Symbols“ und „gutes Vorzeichen unserer Zeit“.

Schaffer ‑ Hartmann spricht denn auch von präfaschistischem Ausdruck. Schirmbeck nimmt die zwei Großfiguren hingegen etwas in Schutz: Die Heroik des Arbeiterpaars weise zwar voraus auf die Kunst im Nationalsozialismus. Doch sei es nicht diesen Figuren und ihrem Urheber anzulasten, daß die Nazis später die Arbeiter so stark darstellen ließen, deren Gewerkschaften sie doch zerschlagen, deren Mitbestimmung sie abgeschafft hatten.

Die zwei Arbeiterfiguren stehen über dem früheren Einfahrtstor zum Hanauer Hafen am Hafenplatz.

 

August Bischoff: Ein fast vergessener Künstler

August Bischoff schuf feine Medaillen, klassizistische Reliefs und Skulpturen. Seinen 2,20‑ Meter ‑ Siegfried wählte Joseph Goebbels zum Schmuck der Chemnitzer Großkampfbahn aus.                                                Den Auftrag zu den noch momumentaleren Figuren für die Fassade des Hanauer Hafenblocks erteilte SPD-Oberbürgermeister Kurt Blaum. Einer unserer heutigen Beiträge zur Route der Industriekultur Rhein ‑ Main handelt von diesen so genannten Arbeitern der Stirn und der Faust.

Es war so etwas wie eine typisch Hanauer Karriere: In der Goldschmiedestadt kam August Bischoff 1876 als Sohn eines offenbar angesehenen Stahlgraveurs zur Welt. Bischoff junior trat in die väterlichen Fußstapfen, studierte an der damals noch königlich preußischen Zeichenakademie, die sein Talent mit zwei Staatsstipendien und bei seinem Wechsel zum Frankfurter Städel 1896 auch schon mit ihrer höchsten Auszeichnung würdigte, der großen silbernen Medaille. Im Städel wandte er sich auch der Großskulptur zu.

Der Hanauer blieb trotz ausgedehnter Studienreisen nach Paris, Berlin, München und Dresden der alten Schule treu. Noch in einem Artikel zu Bischoffs 85. Geburtstag am 24. April 1961 lobte der Hanauer Anzeiger dessen Ausbildung, an die die gewaltigen Strömungen der Zeit vergeblich brandeten.

Vielleicht war es dieser stilistische Konservatismus, der August Bischoff häufig eine bestimmte Auftraggeberklientel und entsprechende Aufgaben zuführte, bei denen er sich immer wieder auch in Wettbewerben durchsetzte. So gestaltete er nach dem Ersten Weltkrieg offenbar eine ganze Reihe Kriegerdenkmäler, und in Hanau zeichnete er 1921 für die Gesamtgestaltung des Ehrenfriedhofs verantwortlich, ein heute kaum noch besuchtes Feld nahe am Haupteingang Flache Reliefs von Kriegern mit Schwert und Lanze trauern zu beiden Seiten des Tors, in sich gekehrt, von fast antiker Grazie ‑ hätten sie nicht ihren Stahlhelm auf. Die Schilde sind mit Adler und Löwe geziert, die jeweils eine Schlange greifen ‑ eine Anspielung im Sinne der Dolchstoßlegende? August Bischoffs Muschelkalk Platten sind heute in schlechtem Erhaltungszustand; niemanden scheint es zu kümmern.

Wenn der mittlerweile längst in Frankfurt Lebende sieben Jahre später die beiden Großplastiken am damaligen Hanauer Hafeneingang schuf, so steigerte er die Aufgabe einer Torgestaltung mittels eines männlichen Figurenpaars ins Monumentale. Mit seinem Werk traf der Bildhauer den nationalsozialistischen Kunstgeschmack. So konnte der damals 68‑Jährige nicht nur im Sommer 1942 sein Lebenswerk bei einer Ausstellung im noch unzerstörten Hanauer Stadtschloß Revue passieren lassen.

August Bischoff war nach Einschätzung seiner Urenkelin Beate Tiranno ‑ Rötzel ein                                                „unpolitischer Eigenbrötler“. Ihn als Parteigänger zu bezeichnen, wäre wohl unfair, Tiranno ‑ Rötzel sagt, ihres Wissens sei er nicht in der NSDAP gewesen. Aus heutiger Sicht mag es den Künstler ehren, daß die Würdigung seiner runden Geburtstage am Beginn der NS ‑ Zeit zunächst noch knapp ausfielen. Ganze neun Zeilen widmet ihm der Hanauer Anzeiger 1936 zum 60., in einer Zeit, zu der das Lokalblatt auch schon den Sonntagsdienst der „arischen Aerzte“ vermeldete.

Das echte Altersjubiläum von 75 Jahren schlug sich in dem nach achtjähriger Pause wieder auf den Markt zurückgekehrten Hanauer Anzeiger 1951 mit ganzen zehn Zeilen nieder. Deutet dies auf Zurückhaltung hin gegenüber einem Künstler, der sich vielleicht doch zu gut arrangiert hatte? 1956 zum 80. Geburtstag kam der sozialdemokratische Ministerpräsident Georg August Zinn persönlich zu den Bischoffs nach Hause.

In den Folgejahren werden auch die Zeitungsart&e1 wieder länger. 1961 schafft Bischoff im Auftrag der Stadt Hanau den kleinen bronzenen Pinguinbrunnen vor der Pedro ‑ Jung ‑ Schule, nahe bei seinem Elternhaus. Der Oberbürgermeister Heinrich Fischer (SPD) tauft diesen „August                                                ‑ Bischoff ‑ Brunnen“ und sagt zu dem 85-Jährigen. „Ihre Werke haben Sie unsterblich gemacht.“ Bischoff starb 1965.

Heute muß man die kreative Hinterlassenschaft Bischoffs zumindest in Hanau eher suchen. Das Hafentor ist vom Verkehr abgeschnitten, der Bischoffbrunnen verwahrlost und ausgetrocknet, einige Porträtköpfe finden sich nur noch im Museumsdepot. Und von einem Bogenschützen sind im Schloßpark Philippsruhe einzig noch Bodenplatte und Fuße erhalten. Auf welche Weise das bis in die 60er Jahre erhaltene Kunstwerk verschwunden ist, weiß man nicht.

 

Hanau: Heraeus

Keimzelle, Eckpfeiler des Unternehmens ‑ all diese symbolischen Bedeutungen treffen für den Eckbau des Hanauer Edelmetallkonzerns W.C. Heraeus zu. Das 150 Jahre alte Familienunternehmen wurde gegründet von dem erfinderischen Pharmazeuten und Chemiker Wilhelm Carl Heraeus, der die Einhorn ‑ Apotheke mitten in Hanau besaß. Er entwickelte in seinem Labor 1856 eine Methode zum Schmelzen von Platin und gründete die „Erste Deutsche Platinschmelze“. Die Pillendreherei rückte zunehmend in den Hintergrund.

Im Jahr 1894 errichteten die Söhne des Firmengründers, Wilhelm und Heinrich, an der Stelle des heutigen Eckgebäudes vor den Toren der Stadt eine Fabrik für keramische Goldfarben. Von dieser Anlage ist allein der Schlot des einstigen Maschinenhauses übriggeblieben. Das heutige Firmengebäude ist vermutlich in den 20er Jahren entstanden. Den markant herausragendenden Turm bezeichnet Peter Schirmeck, Leiter des Stadt‑ und Industriemusems Rüsselsheim und Planer der Route, ist ein „Wahrzeichen der Industriearchitektur der Stadt Hanau“.

Diese Bedeutung wurde 1976/77 mit der Sanierung und Aufstockung des Gebäudes verstärkt. Der Turm erhielt damals von dem Frankfurter Architekten Klaus Peter Heinrici eine ungewöhnliche Haube aufgesetzt, die durch eine inzwischen grün angelaufenen, kantige Kupferhaut und ein vertikales Oberlichtband besticht.

Das Gebäude ist ein Beleg für architektonische Avantgarde, die sich von der historischen Substanz absetzt und keinen Versuch unternimmt, sich in den Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts einzuschmeicheln. Die Erweiterung ist deshalb deutlich an einem dunkleren Klinker zu erkennen. Ebenso verzichtete man bei der Fensterform und der Fassadengliederung auf eine baugeschichtliche Anknüpfung. Damit ist ungeachtet der baulichen Veränderung, die meist wirtschaftlichen Zwängen unterliegt ‑ etwa den Platz auf dem Werksgelände auszunutzen ‑ kein Verlust des Ursprünglichen einher gegangen.

In dem fünfgeschossigen Haus befindet sich immer noch in der unteren Etage ein Teil der Produktion von keramischen Farben. Die darüber liegenden Etagen enthalten die Büros der Heraeus                                      ‑    Holding, die fünf Unternehmen zusammenfaßt. Heute arbeiten für den Konzern weltweit mehr als 9000 Menschen. Die Edelmetalle sind jedoch das Kerngeschäft, geblieben.

Der Bau in der Heraeusstraße 12 ‑ 14 in Hanau kann nur von außen betrachtet werden.

 

Hanau: Ehemalige Maschinenfabrik Weinig

Manchmal bedarf es eines m Blickes, um zu erkennen, welches architektonische Erbe vor einem steht. Ein solcher Fall ist das ehemalige Gebäude der Maschinenfabrik Weinig, das die Brüder gleichen Namens 1874 an der Hanauer Nordstraße hochziehen ließen. Im Hinblick auf die Energieversorgung war dies damals ein guter Standort. Hinter dem Haus fließt die Kinzig, die in der benachbarten Herrenmühle Mahlsteine und zwei Elektrodynamos in Bewegung hielt. Produziert wurden in der Fabrik einige Jahre lang Maschinen für die Möbelindustrie, ab 1892 ließen dort die Brüder Weckmann eine Zeitlang Zigarren rollen. Obgleich die Fabrik bei ihrer Erbauung in einer Art Gewerbegebiet stand, ließ sich der heute unbekannte Architekt von höfischer Architektur inspirieren. Das nahe Hanauer Schloß, von dem heute nur noch der Garten erhalten ist, motivierte ihn offenbar zu einem repräsentativen Flügelbau. Allerdings stellt die seinerzeit für Industriebauten typische Klinkerfassade ein Stilbruch proletarischer Natur dar.

Prägnant ist die dreigliedrige Struktur ‑ Mittelbau und zwei Seitenflügel ‑, die unmißverständlich Hierarchien vermittelt. Die zwei Seitentrakte werden von dem Mittelbau, dem Sitz der Verwaltung, um eine Etage überragt. Die Fabrikation war in den Seitenbauten untergebracht. Orangerie ‑ ähnliche Bogenfenster von rund drei Metern Höhe ließen ausreichend Licht in die Werkshalle. Die Fassade ist farblich und baulich gegliedert. Rötlicher Ziegel umfaßt die Fenster und bildet vertikale Gliederungsbänder, die die Wände zwischen den Bogenfenstern der Seitentrakte weniger massiv erscheinen lassen. Überdies hebt der rote Ziegel die angedeuteten Architrave (Querbalken, die auf Säulen, Pfeilern oder Bögen liegen) hervor.

Einen einzelnen Nutzer des Gebäudes gibt es längst nicht mehr. Die einstige Maschinenfabrik beherbergt Kleinbetriebe: einen Antiquitätenladen, eine Schusterei und eine Polsterei. Einfache Wohnungen gibt es dort auch. In den rechten Trakt zog kürzlich die Frühförderung des Behinderten ‑ Werkes Main ‑ Kinzig für Kinder im Grundschulalter ein. Der Gebäudeflügel wurde zuvor entkernt, man zog eine Zwischendecke ein und schuf somit eine neue Binnenarchitektur.

Die Weinigsche Fabrik ist nicht nur ein Muster eines feudal anmutenden Industriebaus, sondern trägt auch Spuren der baulichen Verhunzung durch die nachfolgenden Nutzer. Außenrolladenkästen an den Fenstern des Mittelbaus zeugten lange Zeit von nachlässigem Denkmalschutz genau wie die zu zwei Drittel zugemauerten Bogenfenster des linken Flügels, in dessen Mauerwerk noch moderne Einfachfenster Marke Baumarkt ruhen.

In den vergangenen Jahren fehlte es an jeglichem ästhetischen Fingerspitzengefühl bei Gesamtbild der Fassade. Ein denkmalschützerischer Lichtblick tut sich mit dem neuen Mieter im rechten Trakt auf. Die neuen Fenster mit dem dunklen Sprossenwerk, das eine Vielzahl von kleinen Scheiben enthält, vermittelt Authentizität

Die frühere Maschinenfabrik Weinig steht in der Nordstraße 86 in Hanau nahe dem Schloßgarten. Durch die dortigen Kleinbetriebe kann sie nur bedingt von innen besichtigt werden.

 

Industriegeschichte von Hanau:

Aus der Burganlage der Herren von Dorfelden - Hagenowe entstand im Mittelalter die Altstadt Hanau mit dem späteren Sitz der Grafschaft Hanau-Münzenberg und Hanau-Lichtenberg. Im Jahre 1597 gründeten Wallonen und Niederländer daneben die Hanauer Neustadt und bauten zahlreiche Manufakturen auf. Begünstigt durch die Lage an Main und Kinzig sowie an den Landstraßen von Frankfurt nach Leipzig und Nürnberg und durch den frühen Bau einer Eisenbahnlinie 1848 wuchs Hanau rasch zu einer lebhaften Industriestadt. Neben der Textilindustrie, der Tabak- und Holzindustrie entwickelte sich vor all das Edelmetallgewerbe, durch das Hanau mit dem Bei­namen .Stadt des edlen Schmucks verbunden wurde. Die notwendige Infrastruktur wurde ab etwa 1890 mit einer zentralen Wasser- und Elektrizitätsversorgung geschaffen. Mit dem Ausbau des Hanauer Mainhafens 1924 entstanden neue Siedlungsanlagen.

Der verheerende Bombenangriff vom 19. März 1945 zerstörte sowohl die Innenstadt als auch weite Teile der Industrieanlagen. Beim Wiederaufbau konnte punktuell die frühere Bausubstanz erhalten oder rekonstruiert werden. Heute sind in Hanau eine Vielzahl von mittelständischen Unternehmen sowie einige Großbetriebe ansässig, die sich insbesondere mit der Herstellung und Verarbeitung von Spezialmaterialen für die Elektronik-, Medizin- und Automobilindustrie beschäftigen.

Die Industriedenkmäler in Hanau werden in zwei getrennten Routen vorgestellt. Das Faltblatt Hanau / Nordroute führt Sie vom Hauptbahnhof über den Mainhafen nach Kesselstadt und Wilhelmsbad. Die zweite Route zu den umliegenden Stadtteilen finden Sie im Faltblatt Hanau II / Südroute: Industriekultur zwischen Steinheim, Großauheim und Wolfgang.

 

Nordroute in Hanau:

Die Hanauer Nordroute der Industriekultur kann sowohl mit dem Rad als auch mit Bus und Bahn erschlossen werden. Ausgangspunkt ist der Hanauer Hauptbahnhof mit Parkplätzen vor dem Haupteingang sowie in der Umgebung. Wer alle Objekte in der empfohlenen Reihenfolge besichtigen möchte, sollte mit einer Radfahrzeit von etwa zwei Stunden rechnen. Wer öffentliche Verkehrsmittel bevorzugt, findet im Faltblatt jeweils beim Objekt eine passende Bahn/Bus-Verbindung angegeben.

 

1    Hafentorbau: Hafenplatz 1 - 6   / Westerburgstraße

Der monumentale Wohnungsbau mit Säulentor bildete 1928 den Eingang zum neuen Hanauer Mainhafen. Die beiden flankierenden Betonpilaster von August Bischoff symbolisieren die Arbeit des Kopfes und der Hand. Südlich des Torbaus entstanden zwischen 1924 und 1955 die Gebäudeanlagen an der Hafenstraße, darunter das Hafenamt mit zentralem Uhrenturm und einer Gedenktafel für den Oberbürgermeister Kurt Blaum. Die Hafenstraße bildete eine direkte Verbindungsachse von der Hanauer Innenstadt in das Hafengebiet, die durch die Schließung in der achtziger Jahren aufgegeben wurde.

 

2    Mainhafen: Hafenstraße / Saarstraße

Mit dem zunehmenden Verkehr der großen Rheinschiffe auf dem Main entstanden 1891 erste Planungen zu einem Mainhafen Hanau. Die Genehmigung von 1912 konnte aufgrund

des Ersten Weltkriegs nicht realisiert werden. Der umfangreiche Ausbau der 1924 fertiggestellten Hanauer Hafenanlage mit einem Gleisanschluß zum Hauptbahnhof gab zugleich vielen Arbeitssuchenden eine Beschäftigung. Heute ist der Hanauer Mainhafen - gemessen an der Warenmenge - der zweitgrößte deutsche Hafen am Schiffahrtsweg Main/Donau. Besonderes Kennzeichen des Hafens sind die Portalkrane entlang des Ufers, die den Umschlag von Wasser auf Schiene und Straße bewerkstelligen.

 

3    Maschinenhalle Bracker: Fischerstraße 3

Der Ziegelbau mit seiner strengen Fassadengliederung in langen vertikalen Fensterbahnen und zeittypisch gedrungenem Staffelgiebel wurde um 1925 für die Hanauer Maschinenfabrik „Bracker“ errichtet. Die Fabrik, die vorwiegend hydraulische Anlagen und Aufzüge fertigte, ging aus der seit 1815 bestehenden Schmiede und Schlosserei von Georg David Bracker hervor. Das frühere Fabrikationsgebäude mit Anbau mußte im rückseitigen Teil aufgrund moderner Hallen -  Erweiterungen einige bauliche Veränderungen hinnehmen.

 

4   Betriebshafen mit historischem Kran: Am Mainkanal 20/ Werftstraße

Der Betriebshafen weist auf den 1617 fertiggestellten ehemaligen Stichkanal mit einem langgestreckten Hafenbecken vom Main bis zur Hanauer Neustadt hin. Erhalten ist ein gußeiserner Verladekran aus dem Jahr 1889 (am Mainufer) sowie das einstige Salzhaus am ehemaligen Kanalverlauf (Mainkanal 4). Hinter dem Kran, dessen offenliegende Mechanik auch heute noch durch Kurbeln betätigt werden kann, verläuft der einstige Treidelpfad, auf dem in vorindustrieller Zeit von Leinreitern Schiffe gezogen wurden. Von 1600 bis 1848 verkehrte hier regelmäßig ein Marktschiff mit Personen- und Warenverkehr zwischen Hanau und Frankfurt. Beim Wiederaufbau nach 1945 wunde der Mainkanal mit Trümmerschutt der zerstörten Innenstadt zugeschüttet.

 

5    Wasserturm und Pumpstation: Philippsruher Allee 34/An der Pumpstation 9

Errichtet wurde den älteste Wasserturm Hanaus 1878 (Jahreszahl m Ziegelmauerwerk) mit dem Umbau des Schloßparks, um allein Schloß Philippsruhe mit seinen Fontänen und zahlreichen Brunnen mit Wasser zu versorgen. Eine Kolbenpumpe beförderte das Wasser in zwei übereinander liegende Stahlbehälter von jeweils drei Metern Höhe. Aufgrund der Befürchtung, die Wasserrohre vom Schloß Philippsruhe könnten dem höheren Druck der städtischen Wasserwerke nicht standhalten, wurde den Turm noch bis 1945 genutzt. Mit seiner Höhe von 42 Metern ist er als Landmarke an der Philippsruher Allee weithin sichtbar, vor allem für den Schiffsverkehr auf dem Main. Das hallenartige Gebäude der Hanauer Pumpstation mit Satteldach aus dem Jahr 1910 liegt hinter dem. Wasserturm auf einer kleinen Anhöhe umringt von Sport- und Freizeitanlagen. Die Pumpen im Maschinenraum, die das Abwasser nach der Bearbeitung mit dem Rechenbauwerk in den Man leiteten, wurden erst kürzlich entfernt.

 

6    Schleuse und Wasserkraftwerk: Kesselstädter Straße

Mit dem Ausbau der Elektrizitätsversorgung nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine Staustufe und ein im Main liegendes Wasserkraftwerk, das aufgrund seiner Architektur später

„Kirche im Main“ genannt wurde. Ab 1965 sollte die Anzahl der Schleusenanlagen zwischen Aschaffenburg und Frankfurt verringert werden. Im Jahre 1980 konnte eine neue Schiffsschleusenanlage mit einer Kammerlänge von 300 Metern, einer Breite von 12 Metern und einer Fallhöhe von fast vier Metern in Betrieb genommen und 1988 mit einer Wehr- und Bootsschleuse ergänzt werden. Das alte Wasserkraftwerk wurde 1989 abgerissen und durch eine moderne Anlage ersetzt.

 

7   Wasserturm, Pumpwerk und Klärwerk: Kesselstädter Straße 60

Der 1889 überwiegend aus gelbem Klinker gebaute Rundturm enthält einen Wasserbehälter von über 500 Kubikmetern Inhalt. Der Turm war Teil des ersten Wasserwerks im Westen der Stadt und wurde so ausgelegt, daß der Wasserdruck im Stadtgebiet für eine Säule von 35 Metern Höhe ausreichte. Seit 1910 befindet sich auf dem Gelände ein Klärwerk, das zunächst aus dem erhaltenen            „Alten Pumpwerk“ und fünf großen Absetzbecken bestand. Der Klärschlamm wurde auf den umliegenden Rieselfeldern verteilt. Ab 1958 wurde das Abwasserverfahren mit mehreren Umbauten zunehmend verfeinert. Heute ist die 2005 umfangreich erweiterte Hanauer Anlage mit einer biologischen Wasseraufbereitung und mit nachgeschalteter Denitrifikation eine der modernsten Gruppenkläranlagen ihrer Art. Im sanierten „Alten Pumpwerk“ wurde 2005 die Geschichte der Abwasserentsorgung in Form einer Dauerausstellung eingerichtet.

 

8    Umspannwerk: Kesselstädter Straße 51-63/Auf der Burg 1-5

Vom Umspannwerk an der Kesselstädter Straße wird seit 1928 Elektrizität das Hanauer Stromnetz eingespeist. Mit dem Anschluß an einen überregionalen Stromerzeuger wurde die  Energie­versorgung anstelle des ursprünglichen Betriebs eines städtischen Elektrizitätswerks von vernetzten Großkraftwerken übernommen. Auf der nördlichen Seite der Kesselstädter Straße befinden sich Wohn- und Verwaltungsgebäude des Umspannwerks, deren Außenwände mit roten Sandsteinquadern verkleidet sind.

 

9    Wasserwerk: Burgallee 119

Der Anstieg des Wasserverbrauchs führte 1911 zum Bau eines weiteren Wasserwerks an der heutigen Burgallee. Das Ensemble besteht aus einem langgestreckten Hauptgebäude, zwei Wohnhäusern sowie zwei „Wachhäuschen“, die sich um einen Hof gruppieren. Für ein ausreichendes Wasserreservoir sorgten zwei Tiefbehälter aus Stahlbeton von je 2.000 Kubikmeter Fassungsvermögen. Dazu kamen 13 schmiedeeiserne Behälter der Filterbrunnen von sechs Meter Tiefe und eine Anlage mit mehreren Sauggasmotoren und Transmissionen, die den hohen Eisengehalt des Wassers reduzierter. Heute kann mit der original erhaltenen Anlage und einer Dokumentation im Inneren des Wasserwerks beispielhaft die Geschichte der Wassergewinnung und Aufbereitung verfolgt werden.

 

10   Bahnhof Wilhelmsbad: Burgallee 127

Der symmetrisch gegliederte Fürstenbahnhof, erbaut für Prinz Friedrich Wilhelm I. als Empfangsgebäude für Gäste der Wilhelmsbader Kuranlage ist heute ein Dokument aus der Pionierzeit der Eisenbahn. Das Gebäude entstand nach Plänen des Kasseler Hofbaudirektors Julius Eugen Ruhl im Rundbogenstil der Romantik und sollte ursprünglich mit Zinnen und Gußeisenstützen versehen werden. Zeitgleich mit der Fertigstellung des Bahnhofs Wilhelmsbad 1848 nahm die erste Bahnlinie zwischen Hanau - West und Frankfurt - Ost mit sieben Fahrten in jede Richtung ihren Betrieb auf.

 

11   Wohnsiedlung Beethovenplatz: Beethovenplatz  /  Kastanienallee/  Gustav-Hoch-Straße:

Die kreisplatzförmig angelegten mehrgeschossigen Wohnbauten mit umgreifenden Balkonen und Fenstern in Eckstellung wurden 1930 nach Entwürfen des Hanauer Architekturbüros Deines & Clormann als Verbindung von Wohnraum, Verkehrsachse und Erholungsraum erbaut. Das Tor nach Westen bildete die Wendeschleife der bis 1945 in Hanau existierenden Straßenbahn und zugleich ein städtebauliches Pendant zum Kreisel an der Ehrensäule im Osten der Stadt. Die ursprüngliche Gartengestaltung mit zentralem Rasenrund und umlaufender Hecke sowie der in Alleen gesetzte Baumbestand entlang der strahlenförmig abzweigenden Straßen ist erhalten. Ein historischer Brunnen mit Tierplastik wurde 1970 hinzugefügt. Der Platzkonzeption angeschlossen sind vier umliegende Wohnbauten in der Kastanienallee und der Gustav-Hoch-Straße. Die Anlage wurde 2002 in originaler Farbgebung restauriert.

 

12  Arbeitersiedlung Josefstraße: Josefstraße 1 – 18 / Elsa-Brandström-Straße 39 - 49

Die vollständig erhaltene Siedlung entstand 1899 nach Entwürfen des Hanauer Architekten Josef Bernges. Sie befand sich zum Zeitpunkt ihrer Entstehung am äußersten Rand der Stadt und wurde als Wohnsiedlung für katholische Arbeiterfamilien Die zwei- und dreigeschossigen Ziegelbauten in einer rhythmisierten Reihengestaltung beinhalten überwiegend 3-Zimmer  - Wohnungen, die nach strengen Vorgaben über zwei größere und ein kleineres Zimmer sowie einer Küche mit Speisekammer verfügen. An der Ecke des Wohnhauses Elsa-Brandström-Straße 43 findet sich die Figur des Hl. Josef als Schutzpatron der Arbeiter.

 

13  Deutsche Klebstoffwerke Dekalin: Bruchköbeler Landstraße 75 - 89

Das denkmalgeschützte Verwaltungsgebäude der „Dekalin Klebstoffwerke Rödiger & Sohn“, erbaut 1956 nach Entwurf von Jupp Lücke, zählt sowohl materialtechnisch als auch konzeptionell zu den anschaulichsten Belegen des modernen Wiederaufbaus in Hanau. Mit seiner sichtbaren Stahlskelettbauweise, der offenen Fassadengestaltung, filigranen Fensterrahmungen, Glasbausteinen und dem halbrunden Anbau der Pförtnerloge reflektiert er beispielhaft die Basisströmungen die fünfziger Jahre. Gegründet wurde das Werk 1907 auf dem über 50.000 Quadratmeter großen Grundstück von Georg Heinrich Rödiger und erlebte in der zweiten Generation einen großen Aufschwung auf dem Klebstoffsektor. Nach einer starken Explosion auf dem Gelände stellte das Unternehmen in den achtziger Jahren die Produktion ein. Nachdem das Areal lange Zeit verwilderte, soll in den kommenden Jahren eine Wohnanlage mit 250 Wohneinheiten und Mehrgenerationenhäusern entstehen.

 

14   Bijouteriefabrik und Villa Kreuter: Corniceliusstraße 6 - 10

Das 1905 errichtete ehemalige Fabrikgebäude der Bijouterriefabrik Fr. Kreuter & Co. befindet sich etwas abgerückt von der Corniceliusstraße auf dem hinteren Teil des Geländes. Die 1842 von den Brüdern Karl und Friedrich Kreuter gegründete Firma zählte zwischen 1898 und 1918 zu den führenden, Herstellern von Kronjuwelen in Deutschland. Zum Ensemble gehören weiterhin die 1928 baulich veränderte Unternehmervilla Haus Nr. 10 sowie ein Wohnhaus für Angestellte der Firma (Haus Nr. 6.

 

15    Maschinenfabrik Wenig. Nordstraße 86

Als Montagehalle und Werkstattgebäude wurde um 1894 der symmetrische Ziegelbau mit dreigeschossigem Hauptbau und flacheren Seitenflügeln mit hohen Hallenfenstern in gelbem und rotem Backstein errichtet. Die Maschinenfabrik Weinig bestand von 1867 bis 1910 und produzierte vorwiegend Brauereiausstattungen. Nach dem Ersten Weltkrieg fertigten die Gebrüder Weckmann von 1920 bis 1942 Zigarren und Zigaretten. Von 1942 bis 1955 war das Gebäude an die Degussa vermietet. Nördlich des Fabrikgebäudes befindet sich die Fabrikantenvilla Weinig mit Teilen des ehemaligen Parkgeländes. Auf der gegenüberliegenden Seite der Maschinenfabrik ist der 25 Meter hohe quadratische Schornstein sowie eine Gebäudemauer der früheren Teppichfabrik Leisler erhalten.

 

16    Mühlenensemble Herrenmühle: Nordstraße 86/ Sandeldamm 30 / Otto-Wels-Straße

Hinter der Maschinenfabrik Weinig an der Nordseite des Hofgeländes liegt die 1730 mit behauenen Steinquadern errichtete Herrenmühle, die auf eine bereits 1402 als Burgmühle bekannte Mehlmühle zurückgeht. Der nördliche Abschnitt der Erdgeschoßfassade mit einem der drei Korbbogentore sowie die rückseitige Hauswand zum Mühlenbecken sind erhalten. Mit den Turbinenrädern, die bis heute in der Anlage vorhanden sind, wurde bis 1942 Strom erzeugt. Westlich des Mühlenbeckens auf dem Grundstück Sandeldamm 30 befindet sich eine ÖL-, Holz- und Gewürzmühle (Sandelmühle) mit Grundmauern aus dem 16. Jahrhundert. Das eiserne Wasserrad mit hölzernen Schaufeln ist vom Innenhof der Maschinenfabrik aus gut zu erkennen. Auf dem Gelände stehen zudem zwei Kollergänge (Mühlsteine; aus dem 19. Jahrhundert).

 

17   Arbeitersiedlung der Firma W.C. Heraeus: Hasenpfad 3  - 5

Die von Emil Deines 1908 konzipierte Arbeitersiedlung ist innerhalb Hanaus das einzige bauliche Zeugnis einer von der Gartenstadtidee getragenen Konzeption. Das um einen heute begrünten Innenhof gruppierte Ensemble besteht aus zwei L-förmigen Trakten mit einer Durchgangsarkade. Der Großteil der Zugangstüren und Sprossenfenster mit hölzernen Schlagläden ist erhalten. Die kleinen und wenigen größeren Wohnungen haben eine grundsätzlich gleiche Unterteilung. Dazu gehört eine gartenseitige Wohnküche mit Kammer, ein großes Zimmer im Dachgeschoß, ein Kellerraum mit Waschkessel, ein Zugang zu einem laubenartigen Freisitz zur Hofseite sowie ein kleiner Garten zur Selbstversorgung.

 

18   W.C. Heraeuswerke – Turmhaus und Platinschmelze: Heraeusstraße 12 - 14

Die Firma W.C. Heraeus bezog ab 1895 die vor den Toren der Stadt gelegenen neuen Fabrikbauten an der Heraeusstraße, nachdem die Familie seit 1660 die gräfliche Hofapotheke „Zum weißen Einhorn“ am Marktplatz, Ecke Nürnberger Straße, geführt hatte. Wilhelm Carl Heraeus betrieb durch bahnbrechende Erfindungen, wie 1856 die erstmalige Platin-schmelze in großen Mengen, die Umwandlung der Apotheke in ein Industrieunternehmen. Um 1900 machte der wachsende Markt für Edelmetalle eine Ausweitung der Produktionsanlagen erforderlich. Der von Verblendmauerwerk aus gelblichen und roten Klinkern geprägte Turmbau an der Kreuzung zum Grünen Weg entstand 1904 mit Labors und Werkstätten für die Goldproduktion und die keramische Abteilung. Im Jahre 1977 wurde das Gebäude-Ensemble restauriert, um ein Geschoß erhöht und eine bis heute die Straßenansicht prägende Turmhaube aufgesetzt. Die ehemalige Platinschmelze befand sich n einer 1908 erbauten überwölbten Halle mit Schaugiebel, die dreiseitig von Büro- und Labortrakten umgeben war und heute als Konferenz- und Besucherzentrum (Richard                                                - Küch - Forum) dient.

 

19   Siedlungsensemble Freigerichtstraße:

Freigerichtstraße / Dunlopstraße / Buchbergstraße / Ronneburgstraße

Die Arbeitersiedlung Freigerichtstraße geht auf die Gründung der Dunlop-Reifenwerke zurück. Das Ensemble zeigt beispielhaft Wohnarchitektur für Arbeiterfamilien aus sechs Jahrzehnten. Die ältesten Wohngebäude, errichtet um 1900, liegen in der Freigerichtstraße 78 - 82, gefolgt von Siedlungsbauten um 1910 in der Freigerichtstraße 58 - 76 (Architekten: Deines & Clormann, Buchbergstraße 7  - 11 sowie den Einfamilien - Reihenhäusern Buchbergstraße 14 - 32. Die beiden Blöcke westlich und östlich der Milseburgstraße im Stil der Neuen Sachlichkeit stammen aus den Jahren 1929/30, die Gebäude Ronneburgstraße 1 - 11 sind Beispiele des nationalsozialistischen Volkswohnungsbaus, und die Zeile Dunlopstraße 1 - 13 schließlich ist charakteristisch für den Wiederaufbau der Fünfziger Jahre. Die Gärten der Buchbergstraße beherbergen Nebengebäude zur Kleintierhaltung. Im Jahre 2005 wurden Teile der Gesamtanlage saniert und mit originaler Farbgebung versehen.

 

20   Dunlop-Reifenwerke, Wasserhochbehälter: Dunlopstraße

Vier Jahre nach der Erfindung des Luftreifens durch den irischen Tierarzt John Boyd Dunlop baute 1893 die „Dunlop Pneumatic and Tyre Gompany“ mit 28 Arbeiterinnen ihre erste Auslandsniederlassung im Norden Hanaus auf. Nach einem Großbrand wechselte der schnell wachsende Betrieb zur Produktion von Fahrradschläuchen 1903 auf das heutige Werksgelände im. Osten der Stadt. Mit der Massenproduktion des Automobils in den zwanziger Jahren erlebte die Firma einen enormen Aufschwung und nahm weitere Artikel auf Kautschukbasis in ihr Programm auf. Bereits in den fünfziger Jahren beschäftigte der führende Reifenhersteller um 4000 Mitarbeiter. Das etwa 30 Hektar große Areal mit der Fabrikanlage wurde bei der Bombardierung Hanaus 11945 fast vollständig zerstört. Als einziges Gebäude erhalten ist der 1913 erbaute markante Wasserhochbehälter mit Firmenschriftzug und Emblem. Er bildet zusammen mit einem etwa 70 Meter hohen Schlot einen weithin sichtbaren Orientierungspunkt.

 

Südroute in Hanau:

Die Route der Industriekultur Rhein-Main führt zu den wichtigen industriekulturellen Orten zwischen Miltenberg am: Main und Bingen am Rhein. Sie befaßt sich mit Themen wirtschaftlicher, sozialer, technischer, architektonischer und städtebaulicher Entwicklung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Der ehemals selbständige Südosten Hanaus mit Steinheim, Großauheim und Klein - Auheim war jahrhundertelang geprägt von Landwirtschaft und Fischerei. Mit der dampfbetriebenen Mainschifffahrt ab 1842, dem Bau der Eisenbahnlinien nach Aschaffenburg 1854, nach Bebra 1873 und nach Babenhausen 1882 entwickelte sich ein regionaler Verkehrsknoten. Südlich des Mains in Steinheim und Klein - Auheim entstanden Fabriken der Zigarrenherstellung, der Holz- und Gummiverarbeitung sowie das Druckgewerbe als Zulieferer für Banderolen und Etiketten. Auf der nördlichen Mainseite wuchs Großauheim mit metallverarbeitenden Betrieben zu einem viel‑

fältigen Industriestandort. Hinzu kamen im zwanzigsten Jahrhundert bedeutende Elektroindustrien und das Kraftwerk Staudinger bei Großkrotzenburg. Im Osten Hanaus, im Waldgebiet des ehemaligen Klosters St. Wolfgang, errichtete ab 1875 das preußische Militär eine Anlage zur industriellen Herstellung von Schießpulver, auf deren. Gelände sich nun der Industriepark Wolfgang befindet. Nördlich des Areals sollte in den 1980er Jahren das Herzstück der deutschen Atomindustrie, ein Mox - Brennelemente - Werk entstehen, dessen Inbetriebnahme 1995 aufgegeben wurde. Heute ist Hanau und sein Umland ein nachhaltig von der Industriekultur geprägter Standort mit weitreichender Tradition innerhalb des „Materials Valley“. Rhein-Main.

Zwei: Hanauer Routenführer beschreiben insgesamt 38 Stationen. Die Nordroute Hanau I führt Sie  vom Hauptbahnhof über den Mainhafen nach Kesselstadt und Wilhelmsbad. Die Südroute Hanau II leitet ebenso ausgehend vom Hauptbahnhof auf die südliche Mainseite nach Steinheim und Klein - Auheim sowie auf die nördliche Seite nach Großauheim und Wolfgang.

 

1    Eisenbahnbrücke Steinheim: Westerburgstraße (Verlängerung)

Mit Fertigstellung einer Doppelbrücke über den Main bei Steinheim wurde Hanau 1873 auf der Strecke Bebra–Frankfurt mit Offenbach verbunden. Neben der Bahnbrücke wurde mit einer

zweiten Brücke für Fuhrwerke und Fußgänger die erste feste Verbindung zur anderen Mainseite seit der Römerzeit geschaffen. Die 1927 erneuerte Doppelbrücke zählt zu den ersten genieteten Stahlbrücken auf Sandsteinpfeilern im Rhein-Main Gebiet. Um den Einmarsch der US-Truppen zu erschweren, wurde sie im März 1945 von der Wehrmacht gesprengt. Beim Wiederaufbau 1947 verbreiterte man die Fahrbahn durch seitliche Ausleger für den Fußgängerverkehr. Westlich wurde die Bahnbrücke mit einer Brücke für den S-Bahn-Verkehr ergänzt.

 

2    Druckerei Horst:  Offenbacher Landstraße 8 – 12 und Alicestraße 15

Die 1874 von dem Lithografen Andreas Herzing in der der Alicestraße gegründete „Chromolithografische Kunstanstalt“ zählte mit der Fertigung von Banderolen und Etiketten zu den Zulieferern der Zigarrenfabrikation. 1904 wurde der Neubau an der Offenbacher Landstraße bezogen. 1936 wurde das Familienuntennehmen in „Horst KG“ umbenannt und die Produktion verlagerte sich auf Wein- und Spirituosen-Etiketten. Nach Erweiterung des Geländes stellte die „Horst Pritowell“ in den 1970er Jahren Verpackungen und Displays aus hochveredelter Wellpappe her. Nach dem Umzug der Firma Horst, die heute im Norden Hanaus unter dem. Namen                                                „Famulus Verpackungen Horst“ firmiert, wurden die Fabrikgebäude von dem schwedischer. Verpackungsherstellen „Svenska Cellulosa Aktiebolaget“ (SCA) übernommen.

 

3    Wasserturm: Darmstädter Straße 88

Erst 1936 erhielt Steinheim ein Leitungsnetz für die Wasserversorgung. Der monumentale, 49 Meter hohe Wasserturm wurde 1938 fertiggestellt. Er birgt auf halber Höhe einen 800 Kubikmeter umfassenden Betonbehälter als Nutz- und Löschwasserreservoir. Der aus Bruchsteinbasalt errichtete Wasserturm mit aufgestockten vermauerten Rundbogennischen in Ziegelbauweise bildet ein seltenes Zeugnis nationalsozialistischer Propagandaarchitektur in Hanau. Die zweiseitig geöffnete Torhalle mit Spitzbögen, Kreuzgewölbe und schmiedeeisernen Gittern. sollte ursprünglich als Gefallenen-Ehrenhalle ausgestaltet werden und war mit politischen Inschriften und Bildern versehen, die heute überstrichen sind. Bis 1978 war der an mittelalterliche Wehrtürme erinnernde Wasserturm vor einem schmiedeeisernen Adler bekrönt. Er ist von einer Basaltsteinmauer umzogen, die einen mit Platanen bepflanzten Vorhof abgrenzt.

 

4     Zigarrenfabrik Hosse: Steinheimer Vorstadt 70

Die 185C gegründete Zigarrenfabrik entwickelte sich bis 1880 zu einer der größten Fabrikationen in Steinheim. 1885 entstanden zwei viergeschossige Backsteingebäude nach Entwurf von Jean Pierre Thyriot. Die Fabrikbauten wurden dem dahinterliegenden ehemaligen Gartenhaus der Familie von Reiss und später des Barons von Stockum derart angefügt, daß sich ein u-förmiges Ensemble mit Innenhof ergab. Die großen Arbeitssäle, gestützt von gußeisernen Säulen, wurden nach der Schließung der Firma in Wohneinheiten unterteilt und vermietet. Heute sind beide ehemalige Fabrikgebäude wie auch das historische Gartenhaus Teile der Hotelanlage „Villa Stokkum“.

 

5    Graphischer Betrieb Illert und Villen: Illertstraße 18 und 2 und Geleitstraße 66

Die 1856 vom Drucker Heinrich Konrad Illert in Mühlheim gegründete „Lithografische Kunst- und Prägeanstalt Illert & Ewald“ ließ sich 1865 in Steinheim nieder. Neben Zigarrenpackungen wurden Wein- und Spirituosenetiketten hergestellt. Mit einem zweiten Standort in Klein-Auheim entwickelte sich, das Familienunternehmen bis 1950 zu einem führenden Hersteller von Druckerzeugnissen für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Erst 1999 stellte der Firmenteil Klein-Auheim seinen Betrieb ein. Die Fabrikgebäude östlich der Hellentalbrücke wurden in den letzten. Jahren teilweise abgerissen, baulich verändert und als Bürogebäude umgenutzt. An den Steinheimer Mainauen erhalten ist das Torhaus mit Torbogen und Sturzstein in Form eines weiblichen Porträtkopfes.

Der Wohnsitz der Familie Illert, eine um 1860 in Ziegelbauweise errichtete Villa, befindet sich unmittelbar neben den ursprünglichen Fabrikgebäuden an der Illertstraße. Eine zweite, um 1890 im französischen Barockstil erbaute Villa mit einem steil zum Main abfallenden Hanggarten steht in der Ludwigstraße 25. Die Tradition des Etikettendruckes wird heute von der Firma „Illert Etiketten“ in der Siemensstraße fortgeführt.

 

6    Fahrradwerke Bauer: Brüder-Bauer-Straße 17

Ludwig Bauer verlagerte 1914 seine kurz zuvor in Frankfurt-Heddernheim gegründete Metalldrückerei in die Hintergasse nach Klein-Auheim. Mit dem Neubau folgte um 1920 die Entwicklung der ersten Fahrrad-Lichtanlagen mit torpedoförmigen Karbidleuchten, bevor sich das von Ludwig und Josef Bauer 1922 entworfene Bauer-Fahrrad zum Verkaufsschlager entwickelte. Zeitweise wurden auch. Leichtkraft- und Leichtmotorräder mit eigens entwickeltem Motor produziert. 1968 ging der Herstellung weltbekannter Zweiräder, die auch von Tour de France-Teilnehmern gefahren wurden, trotz guter Auftragstage Konkurs. Das Firmengelände wurde für einige Jahre von dem Offenbacher Elektrogerätehersteller „Rowenta“ zur Fertigung von Trockenhauben und Toastern .übernommen. Nach Teilabbrüchen sind die Fertigungshallen einem Wohnpark gewichen. Den erhaltenen zweigeschossigen Kopfbau und einen angeschlossenen, langgestreckten Flügel verbindet eine Tordurchfahrt mit den Initialen des Firmengründers. Die Qualitätsmarke Bauer wurde in jüngster Zeit von einem westfälischen Fahrradhersteller wieder aufgegriffen.

 

7   Eisenbahnbrücke Auheim: Brückenstraße (Verlängerung)

Die 1882 in Stahlgitterkonstruktion erbaute Brücke zwischen Großanheim und Klein-Auheim. wurde mit breiten Pfeilern  für einen zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke Hanau-Babenhausen konzipiert. Erst 1925 hat man stattdessen für der Bau einer Fahrbahn das Gleis zur Seite verlegt Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Bahnbrücke von der Wehrmacht zerstört und die erst 1941 fertiggestellte Straßenbrücke schwer beschädigt. Vom Wiederaufbau bis 1952 war der Verkehr derart angewachsen, daß eine Ampel installiert werden mußte. Seit 1982 ist die Auheimer Brücke aus Sicherheitsgründen nur noch für Fahrräder und Fußgänger passierbar. Mit einer Durchfahrtshöhe von 4,38 Meter handelte es sich bei der Straßenbrücke um die niedrigste Brücke im Verlauf der Rhein-Main-Donau-Wasserstraße. Die beiden mittleren Brückensegmente über dem Schiffahrtsweg wurden daher im Jahr 2005 um einen halben Meter auf das Niveau benachbarten Brücken angehoben.

 

8    Landmaschinenfabrik Bautz: Josef - Bautz - Straße 6

Die ersten Werkshallen auf dem Gelände entstanden zwischen 1906 und 1912 für die Hanauer Kunstseidefaserfabrik, die bis 1913 produzierte. Das Hauptgebäude mit symmetrisch                                                gestalteter Fassade und Dreieckgiebel barg unter anderem. Waschraum und Kantine. Ab 1922 firmierte die „Röhrenimprägnieranstalt Gebrüder Adt“ in den Fabrikhallen, die sich entlang der Mainuferstraße anschließen. 1936 nach dem Erwerb des fast zehn Hektar großen Areals durch die 1890 in Württemberg gegründete Erntemaschinenfabrik Josef Bautz entstanden der Großteil der weiteren Hallen sowie die mit großformatigen und runden Fenstern neugestaltete Schaufassade zum Main. Bis 1954 wurden in Großauheim 5.000 Traktoren gebaut. Set Einstellung der Produktion 1963 werden die ehemaligen Fabrikgebäude als Lagerhallen vermietet. Die „Halle 2“ wird derzeit vom Verein Kulturzentrum. Pumpstation als Disko betrieben.

 

9   Bahnhof Großauheim: Bahnhofstraße 7

Die Bahnlinie als Teil der zwischen Frankfurt und Hanau verlegten Maintalbahn wurde 1854 von Hanau nach Kahl und Aschaffenburg verlängert. in Großauheim bildete sie eine Schnittstelle

zwischen dem dörflichen, von Fachwerkhäusern geprägten. Ortskern und den neuen, durch die Industrialisierung entstandenen Ortsteilen. Dem im gleichen Jahr aus rotem, Sandstein erbauten Empfangsgebäude wurde 1880 seitlich ein Langgestreckter Fachwerkbau mit Unterfahrt für das Beladen. des Güterverkehrs angeschlossen.

 

10   Museum Großauheim – Elektrizitätswerk: Pfortenwingert 4

Das 1908 fertiggestellte Gebäudeensemble diente einer öffentlichen Badeanstalt sowie dem Elektrizitätswerk und der Feuerwehr von Großauheim. Der villenartige Bau mit Fachwerkaufsatz

und Rundbogenfenstern beherbergte Dampf- und Wannenbäder. In den 1960er Jahren wurde die Badeanstalt als Polizeistation genutzt und vor allem an der Fassade stark verändert. In zwei anschließenden Hallen befand sich das Elektrizitätswerk, in dem bis 1922 Strom erzeugt wurde. Die Wandverkleidung mit grün glasierten Ziegeln, der Bodenbelag und die Dachkonstruktion mit überspannenden Stahlträgern sind erhalten. Nach dem Abriß des Schlots 1980 wurde das gesamte Gebäudeensemble frei. 1983 wurde das Museum Großauheim eröffnet. In der Maschinenhalle des ehemaligen Elektrizitätswerks konnte 1986 mit dem Einbau einer großen liegenden MAN-Dampfmaschine mit Generator der ursprüngliche Zustand teilweise wieder hergestellt werden. Das Museum präsentiert Volkskunde und Industriekultur sowie Kunst des 20. Jahrhunderts, darunter eine bedeutende Sammlung an Tierplastiken von August Gaul.

 

11   Marienhütte und Villa von Arnim: Sandgasse 32

Die 1899 als Zweigstelle des Eisenhüttenwerks Tangerhütte bei Magdeburg in Betrieb gegangene Eisengießerei „Marienhütte“ hatte der Unternehmer Curt von Arnim nach seiner Ehefrau benannt. Mit angeschlossener Schreinerei, Schlosserei und Schmiede wurden aus drei Kupolöfen jährlich bis zu 8.000 Tonnen Eisen u.a. zu großformatigen Motor- und Maschinenteilen verarbeitet. 1948 wurde die Marienhütte mit der Offenbacher Armaturenfabrik „Schneider & Helmecke“ zu den „von Armim'schen Eisenwerken“ vereinigt. Nach Einstellung der Produktion 1980 wurden die Werkshallen abgerissen und in ein Wohngebiet umgewandelt.

Die 1900 neben dem Werksgelände errichtete Villa ist von einem Park mit Gartenkunst des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts  wie Laubengängen und Pergolen, kanelierten Säulen und Sphingen aus Betonguß umgeben. Zwei im Werk Tangerhütte hergestellte Kandelabersockel nach Entwurf des Bildhauers Franz Krüger von 1891 mit den Attributen Generatorspule und Licht als allegorische Darstellung der Elektrizität gehörten ursprünglich zu einem vor dem Frankfurter Hauptbahnhof aufgestellten Kandelaberpaar, das nach 1945 an den Eingang der Marienhütte versetzt wurde.

 

12   Asea Brown Boveri (ABB) AG: Brown - Boveri - Straße 30

Das Fabrikgelände in Großauheim war 1905 von der „Frankfurter Maschinenfabrik“ (Framag) für die Herstellung von Holzverarbeitungsmaschinen errichtet und ab 1917 von der „Fahrzeugfabrik Eisenach“ für die Produktion von Rüstungsgütern genutzt worden. 1921 erwarb das Schweizer Unternehmen Brown Boveri & Cie (BBC) das Werk, um Hoch- und Niederspannungsschaltgeräte zu produzieren. 1929 verlegte BBC auch die Fertigung von Hausgeräten nach Großauheim, wo bis zur Einstellung des Produktionszweiges 1972 über 4,5 Millionen Elektrowärmegeräte und Kühlanlagen hergestellt wurden. Seit der Fusion von BBC und der schwedischen Firma Asea 1988 firmiert das Werk als Geschäftsbereich der ABB AG und fertigt gasisolierte Schaltanlagen, Antriebe für Leistungsschalter, Hochstromsysteme und Schnellumschalteinrichtungen, die vorwiegend in Kraftwerken und Industrieanlagen zum Einsatz kommen. Das Werksgelände besteht aus drei zwischen 1912 und 1938 errichteten Hallen in Stahlkonstruktion mit Ziegelverblendung und einem Komplex in Stahlbetonbauweise aus den 1960er Jahren.

 

13    Kraftwerk Staudinger: Hanauer Landstraße 150, Großkrotzenburg

Das Kraftwerk Staudinger, benannt nach dem ersten Aufsichtsratsvorsitzenden der Preußen-Elektra Hans Staudinger, besteht aus fünf einzelnen Kraftwerksblöcken mit einer Gesamtleistung

von 2.000 Megawatt. Mit etwa 430 Beschäftigten kann das größte konventionelle Kraftwerk in Hessen jährlich den Strombedarf von fünf Millionen Menschen decken. Die mit Steinkohle befeuerten Blöcke 1 bis 3 wurden zwischen 1965 und 1972 in Betrieb genommen und werden entsprechend dem wechselnden Tagesbedarf eingesetzt. Für das Jahr 2012 ist eine altersbedingte Stillegung der drei Blöcke vorgesehen. Der ebenfalls mit Kohle betriebene, erst 1992 in Betrieb gegangene Block 5 arbeitet als Grundlastkraftwerk und versorgt mit dem Block 1 über Fernwärme 16.000 Haushalte mit Heizenergie. Für Spitzenlasten kann kurzfristig der erdgasbefeuerte Block 4 hinzugeschaltet werden. Täglich werden durchschnittlich 5.000 Tonnen weltweit importierter Steinkohle mit Hilfe moderner Rauchgasreinigung nahezu schadstofffrei verarbeitet. Die Höhen von Kühlturm (180 Meter) und Schlot (250 Meter) machen das Ensemble am Ufer des Mains zu einer weithin sichtbaren Landmarke.

 

14     Staatsdarre Wolfgang: Rodenbacher Chaussee 10 a

Das Ensemble besteht aus älteren und jüngeren Betriebs- und Wohngebäuden mit Forst- und Darrmeisterhaus und liegt unweit der Klosterruine St. Wolfgang im Wald. In der Samendarre werden die Zapfen und Früchte verschiedener Baumarten gesammelt. Die hier gewonnenen Samen werden für die Nachzucht von Bäumen bereit gehalten. Der Verarbeitungsprozeß beginnt mit der schonende-, Trocknung in Zapfen-Lagern und Darre und endet mit der Einlagerung der Samen in den Kühlhäusern. Bereits 1826 entstand hier die erste Großdarre, die zunächst alle Hessischen Waldungen und ab 1866 Teile von Preußen mit Kiefernsamen versorgte. 1924 wurde die dreigeschossige, gemauerte Darre, derer technische Ausstattung fast vollständig erhalten ist, modernisiert und zwei hölzerne Zapfenspeicher wurden auf dem Gelände hinzugefügt. 1994 wurde an zentraler Stelle eine moderne Darranlage zur Behandlung der Samen von Laub- und Nadelholzarten errichtet. Die alte Darre ist seitdem nicht mehr in Betrieb.

 

15    Industriepark Wolfgang: Rodenbacher Chaussee 4

Auf einer Fläche von 114 Hektar wurde ab 1875 die „.Königlich-Preußische Pulverfabrik“ errichtet, die sich bis 1918 mit bis zu 5.000 überwiegend weiblichen Arbeitskräften zu einer der modernsten Munitionsfabriken Europas entwickelte. In der erst 2006 niedergelegten „Zeppelinhalle“ wurde hochexplosive Schießbaumwolle hergestellt. Mit dem Verbot der Rüstungsindustrie nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Produktion auf die Herstellung von Kunstleder durch die „Deutschen Kunstlederwerke“ umgestellt und entging somit dem Abriß.

Nach der Übernahme des Geländes 1933 durch die 1873 in Frankfurt gegründete „Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt“ (Degussa) sind hier bis heute wichtige Forschungs- und Entwicklungsbereiche angesiedelt. Neben den Aktivitäten von Degussa befinden sich unter anderem der belgische Materialtechnik-Spezialist „Unicore“ und das amerikanische Dentalunternehmen „DeguDent“ auf dem Areal.

Schwerpunkte im Industriepark bilden beispielsweise die Herstellung innovativer Materialien für den Automobilbau, Nano- und Mikrotechnologie, Spezialchemie und Biotechnologie. Von den ursprünglich 65 vorwiegend einstöckigen Backsteingebäuden blieben etwa zwanzig teilweise stark veränderte Gebäude, darunter ein Walzwerk (18991 und ein Heizkraftwerk (1915) erhalten. Ein Wasserturm mit zinkverkleideten Galerien und Bautendekor aus dem Jahr 1890 ist baugleich mit einem zweiten in der Aschaffenburger Straße. Beim Neubau des Kommunikationszentrums „Esscom“ (2001) durch die Architekten Pielok & Marquardt und dem Umbau der Ofenbauhalle nach Entwurf von Christoph Mäckler (2001) wurde besonderer Wert auf Kontinuität zur historischen Backsteinarchitektur gelegt.

 

16      Königliche Pulverfabrik Wolfgang: Vor der Pulvermühte la, 10, 11

Von den zentralen Gebäuden der Pulverfabrik sind u.a. das Bahnhaus von 1878 (la) an der Bahnlinie Hanau-Bebra, das Direktionsgebäude (10) sowie die Kantine (11) in Ziegelbauweise erhalten. Das Bahnhaus lag ursprünglich neben dem Zugang zur Wohnsiedlung der Fabrik. Nachdem Explosionen immer wieder zu verheerenden Unglücken geführt hatten, wurde die werkseigene Feuerwehr darin untergebracht. Als Replik erhalten ist der Windrichtungsanzeiger in Form einer Kanone auf dem Dach. Der symmetrische Klinkerbau mit hervorgehobenem Zugangsportal (10) beherbergte die Verwaltung der Pulverfabrik und wird seit 1937 von der Gemeinde genutzt. Die 1890 errichtete Kantine (11) besteht aus zwei parallelen Bauten und einem Verbindungstrakt mit Terrassen. Das südliche Traufenhaus diente als Speisehaus, das flachere Gebäude als Offizierskasino. Ab 1930 wurde das Ensemble als Gasthaus genutzt. Seit dem Jahr 2000 ist ein Veranstaltungsort mit Gastronomie und Kleinkunstbühne entstanden („Culture Club Hanau“).

 

17   Eisenbahnbetriebswerk Hanau: Heideäcker 1

Das ehemalige Betriebswerk der Deutschen Bahn besteht aus einem acht- und einem sechsständigen Rundschuppen mit Drehscheibe sowie einem Rechteckschuppen mit Verwaltungsanbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und befindet sich östlich zwischen dem Hauptbahnhof und Großauheim, umschlossen von den Bahnstrecken Hanau-Fulda (Bebra), Hanau-Aschaffenburg und Hanau-Friedberg. Im Betriebswerk wurden die Dampfloks mit Kohle und Wasser für die Fahrt vorbereitet sowie Wartung und Reparaturen durchgeführt. In Hanau waren die schweren Güterzugdampfloks beheimatet, welche über die steigungsreichen Mittelgebirge nach Fulda und Würzburg fuhren. Das Gelände ist seit 1988 Standort des Vereins „Museumseisenbahn Hanau e.V.“, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Ensemble zu erhalten und durch regelmäßig stattfindende Veranstaltungen und Sonderfahrten auf Strecken im Rhein-Main-Gebiet die traditionelle Bedeutung der Stadt Hanau als Schienenverkehrsknotenpunkt zu verdeutlichen. Zur Sammlung zählen zehn Lokomotiven, darunter eine Dampfspeicherlok und zwei Dampflokomotiven. Für Sonderfahrten werden historische Reisezugwagen eingesetzt.

 

18   Rütgers Chemicals  AG: Heideäcker 3

Im Jahre 1886 ließen sich die Rütgers ‑ Werke in Großauheim mit einer Kesseldruckanlage zur Imprägnierung von Holz durch Teeröl nieder. Das Essener Unternehmen wurde von Julius Rütgers in der Frühzeit der Industrialisierung 1849 mit dem Ziel gegründet, die Haltbarkeit von Eisenbahnschwellen zu verbessern. Nachdem zunächst englisches Imprägnieröl verwendet wurde, gelang 1860 die eigene Öldestillation aus Teer, das als Abfallprodukt bei der Leuchtgasherstellung anfiel. Bis 1900 entstanden europaweit 77 Imprägnierwerke und mehrere Teerdestillationen. Zudem nutzte Rütgers die Teerverwertung zur Herstellung von künstlichen Farbstoffen und der ersten Kunstharze. In Großauheim werden bis heute Eisenbahnschwellen aus Buchen- und Eichenholz mit Teeröl imprägniert. Daneben bietet das Werk auch behandelte Hölzer für Lärmschutzwände und Carports an. Das Verwaltungsgebäude, die Imprägnierhalle von 1886, ein Kesselhaus, eine Vorhalle mit zwei Kesseln zur Öl- und Teerimprägnierung und Teile des Maschinenparks sind erhalten.

 

 

Zweiter Band der „Route der Industriekultur“ liegt vor             27.07.2009

Als eine Region von großer industrieller Potenz galt das Rhein – Main - Gebiet noch in den Wirschaftswunderjahren des vergangenen Jahrhunderts. Doch in den sechziger Jahren setzt ein immer schneller ablaufender Wandel vom Industriestandort zur Finanz- und Dienstleistungsregion ein. Die Spuren der Industriekultur, die teilweise bis in das frühe 19. Jahrhundert zurückreichen, versucht die „Route der Industriekultur“ zu sichern und zu erschließen. Jetzt ist der zweite Band der entsprechenden Dokumentation erschienen.

Als geistiger Vater der „Route der Industriekultur“, die 2003 formell ins Leben gerufen wurde, gilt Peter Schirmbeck, der langjährige Leiter des Stadt- und Industriemuseums Rüsselsheim. Gerade an diesem Standort wird bis hinein in die jüngsten politischen Debatten um die Zukunft von Opel der Strukturwandel einer ganzen Region offenbar. Aber auch Städte wie Offenbach oder Hanau, einst industrielle Schwergewichte, haben in den vergangenen Jahrzehnten einen großen Teil ihrer traditionellen Industriearbeitsplätze verloren.

Gerade Hanau hat sich indes schon sehr früh um seine Industriegeschichte gekümmert. Im Museum Großauheim wurde ihr in der Dauerausstellung breiter Raum gegeben und mit der Fotoausstellung „Hanaus Industriedenkmäler“ im Jahr 1987 waren die Museen der Stadt Hanau Vorreiter in der fotografischen Dokumentation lokaler Industriegeschichte.

Dieses Segment unser Geschichte zu dokumentieren und zu erforschen war Mitte der 80iger Jahre aber auch politischer Wille, Vorbilder gab es in England und Italien. Die damalige hessische Landesregierung unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Holger Börner initiierte 1986 eine weithin beachtete Wanderausstellung über Hessens Industriekultur, die vielerorts als Intitialzündung wirkte. Im Katalog formulierte Peter Schirmbeck: „Die Industrie-Epoche beginnt, ihr eigenes Erbe zu achten, das sie bisher weitgehend achtlos untergehen ließ.“

Doch es war in jenen Jahren noch schwer, selbst signifikante Anlagen, zu bewahren. Das wohl letzte Flußkraftwerk aus der Frühzeit der Mainkanalisierung bei Kesselstadt etwa wurde 1989 gesprengt. Daß es dagegen heute nicht mehr so einfach ist, Zeugen der Industriekultur untergehen zu lassen, hat erst jüngst die engagierte öffentliche Diskussion um den von der Verschrottung bedrohten letzten Kettenschlepper auf dem Main gezeigt. Mit beigetragen zu diesem Bewußtseinswandel haben nicht nur engagierte Mitkämpfer Peter Schirmbecks in den Museen der Region, sondern auch das Engagement der Kultur - Region Frankfurt Rhein Main GmbH, die dem länderübergreifenden Projekt „Route der Industriekultur“ zwischen Miltenberg und Bingen das institutionelle Rückgrat gibt.

Mit dem nun vorliegenden Band unter dem Titel „Identität und Wandel“ stellen drei Dutzend Autoren fast ebensoviele Industriedenkmäler vor, die für ihren jeweiligen Standort durchaus identitätsstiftend waren. Es wird deren Geschichte dargestellt, der Wandel beschrieben, die heutige Nutzung (oder der vollzogene Untergang) dokumentiert. Vielfach kann aber auch der Bogen in die Gegenwart als Fortsetzung industrieller Tradition mit Produkten des 21. Jahrhunderts geschlagen werden.

Geographisch bewegen sich die Beiträge zwischen Obernburg am Main und Ginsheim - Gustavsburg. zwischen Darmstadt und Oberursel, Eppstein und Aschaffenburg. Richard Schaffer-Hartmann von den Museen der Stadt Hanau, ausgewiesener Kenner der lokalen Industriegeschichte, hat einen erhellenden Beitrag über den Hanauer Hafen beigesteuert:„Vom Mainkanal zum Hafen Hanau"

Das Buch mit dem Titel „Identität und Wandel - Route der Industriekultur Rhein-Main Band 2“(ISBN 978-3-93774-70-1) hat 240 Seiten und ist hochkarätig bebildert.

 

 

Radwege

 

Bahnradweg Hessen (1.Etappe. Hanau - Glauburg)

Er führt über 245 Kilometer ab Hanau zum Vulkanradweg und weiter durch die Rhön nach Bad Hersfeld. „Landschaftlich allererste Sahne“, so fällt das Votum derer aus, die schon auf der Strecke waren. Dank der Routenführung über den Vulkanradweg, den Milseburgradweg, durchs Ulstertal und entlang des Solztalradweges ist die Strecke auch für den ungeübten Radler ein Genuß. Auch die alternative Streckenführung durch das Kinzigtal und entlang des Vogelsberger Südbahnradweges verspricht Fahrradvergnügen pur.

Ein großer Teil führt auf ehemaligen Bahntrassen, die abseits des normalen Verkehrs einen hervorragenden Belag und nur moderate Anstiege von maximal drei Prozent aufweisen. Und bergab rollen die Räder dann ganz von alleine. Garantiert entspannt kann der Radfahrer so die Landschaft der Naturparke „Hoher Vogelsberg“ und „Hessische Rhön“ genießen. Fernsichten, Buchenwälder, die Flußauen von Nidder, Schlitz, Fulda und Ulster, der Milseburgtunnel sowie die imposante Kuppenrhön versprechen ein besonderes Erlebnis gespickt mit kulturellen Höhepunkten wie die Keltenwelt am Glauberg, Fachwerk in Lauterbach, die Burgenstadt Schlitz, das barocke Fulda oder die Kur- und Festspielstadt Bad Hersfeld.

 

Die erste Etappe des BahnRadweges führt aus dem Ballungsgebiet am Main hinaus und hinein in die weiche Landschaft der Wetterau. Die Ebene zwischen Taunus im Westen und Vogelsberg im Nordosten ist dank ihres Lößbodens eine der fruchtbarsten Landschaften Deutschlands. Römische und keltische Zeugnisse gibt es hier zu entdecken. Herausragend: Die Ketten waren am Glauberg und hinterließen reich bestückte Fürstengräber. Interessant: Die Römer sicherten die Wetterau mit dem Obergermanischen Limes. Viele Zeugnisse und Teile von Ortsbefestigungen weisen zurück in die spätmittelalter- und neuzeitliche Vergangenheit. Die „Flucht“ vom Alltag in die Ruhe eines reichen Kulturraumes erfolgt zunächst parallel zu aktiven Bahntrassen, dann ansteigend hinauf zur Hohen Straße am Wartbaum. Die Hohe Straße war einst wichtige Handelsverbindung zwischen den Messestädten Frankfurt und Leipzig. Die folgende Abfahrt führt hinein in das Tal der Nidder. Ab Höchst heißt es Radeln auf dem Vulkanradweg, zunächst parallel zur Trasse der noch aktiven Niddertalbahn.

 

Wegbeschreibung: Nach dem Start am Hanauer Schloß (1) geht es zur Burgallee und auf abgeteiltem Radweg auf der Straße zum Staatsbad Wilhelmsbad. Der Park wird umrundet. Nach Mittelbuchen folgt eine leichte Abfahrt auf einem von der Straße durch eine Baumreihe getrennten Radweg. Mit mehreren Richtungswechseln durch den Ort und nach leichten Anstiegen und Abfahrten auf Wirtschaftswegen durch die Felder zur B 45.

Nach deren Querung geht es auf straßenbegleitendem Radweg hinauf zum Wartbaum (2) an der Hohen Straße (heute Regionalparkradroute Hohe Straße, beginnend in Bergen - Enkheim und aktuell bis Hammersbach). Kaufleute, Handwerker, Söldner, Pilger - viele zogen auf dieser wichtigen Verbindung zwischen West und Ost. Nach dem Wartbaum, einer nun schon etwa 400 Jahre alte Linde, folgt erst die Abfahrt nach Windecken (Tip: Einkehr) im Tal der Nidder, dann geht es bergan aus dem Ort zur Bonifatius-Route.

Mit Vergnügen rollt man danach erst zur Kreisstraße und weiter, nach der Querung des Hessenjakobsgraben (Vogelschutzgebiet), auf dem Radweg im Wald parallel zur Straße. In Eichen durch das Untertor, Teil der ehemaligen Befestigung, in den Ort. Man radelt nun in der Nidderaue. Ab Höchst folgt man der parallelen Markierung des Vulkanradweges. In regelmäßigen Abständen laden nun verschiedene Kunstobjekte zum Verweilen ein.

Kurz vor Altenstadt gibt es einen schönen Rastplatz (3) und einen Naturbeobachtungspunkt an einem Flachwasserteich. Der Radweg führt am Bahnhof Altenstadt vorbei (Einkehr Cafe-Bistro „Kastell“). Der Ortskern mit weiteren Gaststätten ist nur  ein kleiner Abstecher. Weiter geht es auf dem Vulkanradweg parallel zur Trasse der Niddertalbahn.

Nach der Unterführung unter der A45 und ein Stück parallel zur B 521 kommt man zum NSG „Im Rußland und in der Kuhweide“. Hier gibt es wenige Meter abseits vom Weg einen Naturbeobachtungspunkt (4) (Tip: Rast). Ein weiterer Rastplatz mit Unterstellmöglichkeit befindet sich am Ortseingang von Enzheim (Tip: Einkehr). An der kleinen Kirche gibt es einen Friedhof mit alten Grabsteinen. In Glauburg ist ein Abstecher zum Archäologischen Park „Keltenwelt am Glauberg“ lohnenswert (Vorschlag: Abstecher nach Büdingen auf der Keltenroute etwa acht Kilometer).

 

Vulkanradweg  (2. Etappe: Glauburg - Schlitz)

Die ideale Streckenführung auf der ehemaligen Eisenbahntrasse Stockheim - Lauterbach macht den Vulkanradweg zum Höhepunkt in der Region Vogelsberg. Auf dem Vulkanradweg ist das Radeln am Fuße des Vogelsberges auch für untrainierte Radfahrer und für Familien kein Problem mehr. Denn mit maximal drei Prozent Steigung/Gefälle macht Radfahren auch im Mittelgebirge unglaublich Spaß. Der glatte Feinasphalt begeistert natürlich auch alle Inliner-Fans und Handbiker.

Die Etappe erscheint auf den ersten Blick lang. Aber keine Bange! Fröhliches Dahingleiten ist versprochen. Zunächst kaum spürbar, steigt der Weg später ab Gedern bis Hartmannshain merklich (maximal drei Prozent) an. Als die 1906 von Stockheim bis Lauterbach eingeweihte Bahnstrecke noch existierte, lag hier Hessens höchstgelegener Bahnhof. Den Genußradler freut es. Aus der einstigen Bahntrasse wurde ein Radweg - und was für einer! Linkerhand der Naturpark Hoher Vogelsberg, rechterhand ein schöner Hügelteppich. Vorbei an Fachwerkstädtchen. Später im Tal des Eisenbaches und der Lauter nach Lauterbach. Durch die Täler von Lauter und Schlitz erreicht man schließlich Schlitz. Ein (Luxus-)Problem angesichts der Länge der Strecke ist die große Auswahl von Abstechern und Verlockungen. Das förmlich am Berghang klebende Ortenberg, Gedern mit seinem Schloß, Herbstein auf dem Vulkankegel, das romantische Lauterbach, Bad Salzschlirf - es gibt so vieles anzusehen und zu entdecken. Zu guter Letzt empfängt die Burgenstadt Schlitz mit dem Slogan: „Romantik trifft Lebensfreude“.

 

Wegbeschreibung: Ab Stockheim radelt man auf der Trasse der früheren Oberwaldbahn, vorbei am ehemaligen Bahnhof Selters unterhalb von Ortenberg. Auf der anderen Seite der Nidder heben sich die in viel Grün eingebetteten Häuser von Eckartsborn markant ab. Von Fern grüßt das „Krautfaß“, der sehenswerte Bergfried der Wehranlage Lißberg. Der Radweg verläuft am Rand einer Sportanlage entlang. Am Abzweig Lißberg lädt der „Ort der Frische“ zur Pause, empfehlenswert ist kurz danach auch ein überdachter Rastplatz mit Infotafel. Das Tal wird enger. Die Nidder rauscht im Wiesengrund. Der Weg führt am schattigen Waldrand entlang kaum merklich bergauf.

Kurz vor Hirzenhain verhilft ein gestauter Teich dem Städtchen zu einem idyllischen Gesamteindruck. In Hirzenhain steht das Eisenkunstguss-Museum (Besichtigung sonntags). Aus dem Tal geht es durch Hochwald nach Gedern (1). In langen Serpentinen „schraubt“ sich der Weg, sanft ansteigend, durch die Wiesen mit schönen Aussichten hinauf nach Ober-Seemen. Nach Hartmannshain (2), dem Scheitelpunkt, geht es sanft bergab. Genußradeln an Bermuthshain und Crainfeld vorbei (Einkehr) und in einem Bogen um Ilbeshausen herum. Auf einem hohen Bahndamm an Herbstein vorbei (lohnender Abstecher, etwa zwei Kilometer). Weiter, im Wesentlichen bergab, taucht linkerhand Schloß Eisenbach auf. Der Park ist zugänglich, das Schloß in Privatbesitz (Tip: Biergarten in der Burgpost-Gaststätte).

Einfahrt in Lauterbach am Steinigsgrund. Hier trifft man auf die Markierung des R 7. Dieser führt in das historische Zentrum (3). Aus der Stadt heraus verläuft der Bahnradweg auf der Trasse des R2/ R7a. Bis Wartenberg geht es leicht bergab entlang der Bundesstraße. Dann schönes Radeln zwischen Wiesen und Weiden im lieblichen Tal der Lauter. Vorbei an der Ruine Wartenberg (schöne Aussicht) zunächst bergan zum Südhang des Gackenberges. Interessant: historische Grenzsteine und kurz danach oben am Waldrand ein Platz zum Rasten mit herrlicher Sicht. Es folgt gemütliches Radeln nach Bad Salzschlirf (4). Der Bahnradweg (auch R7a) führt links flußabwärts in das Tal der Schlitz und verläuft wieder auf einer ehemaligen Bahnstrecke. In Höhe Bernshausen gibt es einen Radler-Rastplatz mit Toiletten. Im großen Bogen nähert sich der Radweg, vorbei am Freibad, Campingplatz und Schloß Hallenburg, dem Etappenort Schlitz.

           

                       

Fulda-Milseburg-Radweg (3. Etappe: Schlitz - Hilders)

Besondere Erlebnisse erwarten Sie. Bei der Passage bis Fulda handelt es sich um einen Flußradweg ohne Bahnhistorie. Das Fuldatal ist hier besonders reizvoll. Man radelt sehr angenehm in der flachen Talmulde, der Bischofsstadt Fulda entgegen. Ein Spaziergang durch die Barockstadt mit Dom, Schloß und verschiedenen Museen ist absolut empfehlenswert. Ab Fulda folgt der BahnRadweg einer ehemaligen Bahnstrecke, diesmal ist es die einstige Verbindung von Fulda-Götzenhof nach Hilders. Die Strecke wurde 1889/90 gebaut und diente als Transportverbindung für ein Braunkohlebergwerk in Melpers sowie einen Basaltsteinbruch in Seiferts. Außerdem sollte der Tourismus in der Rhön gefördert werden.

Im Jahr 1986 wurde die Strecke eingestellt, 1995 begann der Abbau, 2003 der Bau des heutigen hervorragenden Radweges, auch bekannt als Milseburgradweg. Die Bergkuppen der Rhön am Horizont, dominiert bald der Anblick der charakteristischen Silhouette der berühmten Milseburg. Höhepunkt auf der Strecke ist der vom 1.4. bis 31.10. geöffnete, 1173 Meter lange Milseburgtunnel. Im Winter gibt es eine Umfahrung. Dann gehört er ganz den Fledermäusen.

 

Wegbeschreibung: Von Schlitz sind es nur noch etwa zwei Kilometer bis zum Fuldaradweg R 1 - eigentlich kein Bahnradweg - egal, es bleibt wunderschön. Man fährt flußaufwärts, was wohl niemand dank der geringen Strömung des Flusses bemerken wird. Es ist ein lieblich anmutendes Tal mit Wiesen und Auenwald. Nach etwa 1600 Meter ist der Abzweig nach Fraurombach (1) erreicht (lohnenswert ist der Abstecher zur Kirche). Die Orte an der Fulda werden gestreift oder direkt umfahren. Nach etwa 15 Kilometer tauchen hinter einem kleinen Anstieg erstmals die Türme des Fuldaer Domes auf. An der Sportanlage Maberzell gibt es eine kleine Schutzhütte. Bis zur Bundesstraße hat der Weg einen etwas holprigen Schotterbelag. Zunächst am Stadtrand durch den Gartenring (Gartenkulturpfad), dann (auch als R 3 markiert) geht es in das Zentrum der Bischofsstadt (2) und am Dom und der Orangerie vorbei. Durch ein bewaldetes Bachtal fährt man aus der Stadt heraus nach Lehnerz.

Nach der Unterquerung der A7 (Parkplatz mit Schutzhütte und Toilette) ist der Ziel- oder Startpunkt des Milseburgradweges (3) erreicht. Eine Infotafel gibt Auskunft über Verlauf, Sehenswürdigkeiten und Einkehrmöglichkeiten. Anstrengungsfreies Radeln ist angesagt. Die ehemaligen Haltepunkte an der Strecke sind mit Schutzhütten ausgestattet. Die Erhebungen der Berge der Rhön bilden eine imposante Kulisse. Bald ist die charakteristische Silhouette der Milseburg zu erkennen. Schon seit geraumer Fahrzeit grüßt von weitem das Schloß Bieberstein. Die ursprüngliche Burg war im 12. Jahrhundert eine der ersten befestigten Anlagen des Klosters Fulda und wurde im 18. Jahrhundert durch ein Barockschloß ersetzt (heute eine Internatsschule).

In großzügigen Schleifen windend, gewinnt der Radweg an Höhe. In weiten Bögen führt der Weg durch herrliche Natur mit Ausblicken auf die Kuppen der Rhön. Besonders markant sind der Stellberg und die Milseburg. Allmählich wird die Strecke etwas steiler und verschwindet im Wald. Ein wirklicher Höhepunkt steht bevor: der Milseburgtunnel (4), nichts für Klaustrophobiker, aber ein riesiger Spaß. Nun erreicht man den ehemaligen Bahnhof Milseburg. Danach geht es bis Hilders fast nur noch bergab. Ein schöner Spielplatz in Ruppertsrot bietet Kindern Abwechslung. Kurz vor Aura trifft man auf die Markierung des Ulstertalradweges (5). Ihm nach, rechts ab, den BahnRadweg verlassen, nach Hilders.

 

Ulstertalradweg: (4. Etappe: Hilders - Philippsthal)

Viel Spannung, viel Abwechslung bietet diese Etappe. Sie folgt größtenteils der Trasse der ehemaligen Ulstertalbahn, die einst die Orte Wüstensachsen und Vacha verband. Sie wurde gebaut, um das Ulstertal wirtschaftlich zu beleben. Zu beiden Seiten des Tales zeugen die kegelförmigen Bergkuppen von der vulkanischen Vergangenheit der eindrucksvollen Landschaft. Auf dem ersten Teilstück, zwischen Hilders und Tann (Rhön), rollten ab 1891 die ersten Züge. Der Stillegung 1952 folgte bis 1976 der schrittweise Abbau. Da die Bahnstrecke mehrmals die Grenze zwischen Hessen und Thüringen und somit lange Zeit die zwischen der DDR und der BRD überschritt, war in der Zeit des Kalten Krieges jeglicher Verkehr unterbrochen. Ein Kuriosum stellte die Umfahrung des thüringischen Ortes Unterbreizbach dar. Sie war notwendig geworden, weil nach der Sperrung der Werratalbahn durch die DDR-Behörden die Durchfahrt durch Philippsthal durch die BRD geschlossen wurde. Einerlei, den Radler freut es: Kulturgeschichte, Deutsche Geschichte, Eisenbahngeschichte und herrliche Natur.

 

Wegbeschreibung: Die Etappe beginnt mit einem kleinen Anstieg auf dem Ulstertal-Radweg. Im Weiler Aura (1) erreichen wir wieder den BahnRadweg (auch R3). Auf schmalen, ruhigen Straßen gelangt man nach Neustädtges. Hier beginnt ein neu gebauter Radweg, erst am linken Fahrbahnrand, ab Mollartshof auf Wirtschaftswegen. Sehr gemütlich radelt man durch das Ulstertal. Eine liebliche Landschaft, mit Gehölzen, Wiesen und Feldern. Vom Städtchen Tann (2) aus könnte der markante Kegel des Rockenstuhl als Landmarke dienen.

Doch es geht präziser! Auf dem kurzen Abschnitt durch Thüringen geben der Ulstertal- und der Rhönradweg - grünes Piktogramm auf weißem Grund - die Richtung vor. Ab Ortsausgang Tann (Rhön) (sehenswerte Altstadt) führt der Weg erst links, dann rechts neben der B 278 (ausgebauter Radweg) nach Motzlar. Hier endet (oder beginnt) der R 3. Am Parkplatz (3) unmittelbar an der Landesgrenze mit einigen Infotafeln steht eine Schutzhütte. Es geht links der Bundesstraße, zwischen dieser und der Ulster, auf Wirtschaftswegen Richtung Schleid. Die Richtung beibehaltend geht es auf einer schmalen Straße weiter.

Links erheben sich Bocks- und Abendberg, nach rechts reicht der Blick über Tal, Wiesen, Felder und Baumgruppen. Alleen markieren den Straßenverlauf. Mit mehreren Richtungswechseln geht es, den Wegweisern folgend, durch Geisa (4). Zuletzt durch die Straße „Am Bahndamm“ (beim Abradeln fehlte ein Hinweis) zur Bundesstraße. Es folgt eine angenehme Fahrt auf dem ehemaligen Bahndamm. Er ist von der Straße durch einen Gehölzstreifen getrennt. Rechts fällt der Blick auf die typischen Rhönkuppen.

Weit voraus leuchtet grau und weiß der „Kalimandscharo“ vom Ziel der Etappe in Philipps­thal. Am Ortseingang Buttlar bitte aufpassen. Die Ulster-Brücke wird überquert, dann 200 Meter nach dem Gasthof Schwarzer Adler nach links die Bundesstraße wieder verlassen (ohne Hinweis). Hier verlief die Strecke der Oechsenbahn (Hinweistafel am ehemaligen Bahnhof Wenigentaft) (5). Es folgt ein unbefestigter Abschnitt im sogenannten Ulstersack (Infotafeln zu den geologischen und politisch-geschichtlichen Besonderheiten). An den ehemaligen Bahnhöfen Pferdsdorf und Räsa vorbei, radelt man sehr angenehm in unmittelbarer Nähe der Ulster. Die weißen Abraumberge der Kalischächte im Revier Philippsthal kommen immer größer ins Bild und künden vom baldigen Ende dieser Etappe.

 

 

Solztalradweg (5. Etappe Philippsthal - Bad Hersfeld)

Die Etappe führt  aus dem Werratal am Nordrand der Rhön in das Tal der Fulda und ist angelehnt an die Strecke der ehemaligen Hersfelder Kreisbahn. Diese verband seit Beginn des 20. Jahrhunderts (1910 bis 1912 erbaut) zwischen Bad Hersfeld und Heimboldshausen beide Täler. Bis 1993 rollten die Züge. Eigentlich für den Personenverkehr angelegt, war die Strecke seit den 1950er Jahren bis 1990 die einzige Möglichkeit, Kalitransporte von Philippsthal nur auf westdeutschem Gebiet zu bewegen. 1993 wurde der Bahnbetrieb eingestellt und 1999 begann der Abbau. Inzwischen gibt es eine Interessengemeinschaft, die auf den noch vorhandenen Anlagen zwischen Heimboldshausen und Schenklengsfeld den Betrieb einer Museumsbahn aufrechterhalten will, bei regelmäßigem Verkehr ganz sicher eine interessante Kombination zwischen der heutigen Nutzung der Trassen als Radweg und ihrer ursprünglichen Bestimmung. Das Tagesziel, die Kur- und Festspielstadt Bad Hersfeld, bietet neben vielen Sehenswürdigkeiten und interessanter Geschichte auch Theater in der größten romanischen Kirchenruine nördlich der Alpen sowie körperliche Entspannung in der im Park der Jahreszeiten gelegenen Kurbad-Therme.

 

Wegbeschreibung: Vor dem Start in Philippsthal lohnt sich ein Abstecher zur berühmten Steinbogenbrücke über die Werra in Vacha oder zur dortigen Burg Wendelstein. Hin und zurück braucht man etwa. 60 Minuten. Vermutlich haben Sie sich in Philippsthal bereits das Schloß, die Orangerie und das Grenzlandmuseum im Torburgenhaus angeschaut?

Nun aber zur heutigen Etappe: An der Brückenstraße trifft man auf die Ausschilderung des BahnRadweges (Infotafel mit Gesamtübersicht). Vorbei am Freibad radelt man rechts der Werra bis zur Werrabrücke in Heimboldshausen. Durch den Ort beschreibt der Weg einen Linksbogen, entlang der B 62. Gegenüber der AGIP- Tankstelle zeigt der Wegweiser des BahnRadweges gemeinsam mit dem R 15 nach rechts auf die Straße Richtung Mansbach. Es gibt keine Probleme mit der Orientierung.

Man fährt auf einer wenig befahrenen Straße durch ein sanft geschwungenes Bachtal mit Wiesen und Baumgruppen und hat viel Muße, die Umgebung zu genießen. Aus Ausbach (1) geht es ein wenig bergan, dann über eine Hochfläche mit viel freier Sicht nach allen Seiten. Das Gebiet im nördlichen Ulstertal /  Werratal ist auf hessischer und thüringischer Seite durch den Kalibergbau geprägt. Schneeweiße Salzberge liegen in der Landschaft.

Von der Ausbacher Höhe geht es auf Wirtschaftswegen hinunter in das Tal des Zellersbaches. Nach dem Ortsausgang Ransbach trennt sich der R 15 vom BahnRadweg und führt nach links. Der BahnRadweg folgt der Straße Richtung Oberlengsfeld/ Schenklengsfeld. Es folgt der Anstieg zum Südhang des Landeckers. Hier ist der Scheitelpunkt der Etappe erreicht. Durch den Ort (2) und am Ortsausgang dann auf einen separaten Radweg, der alten Bahntrasse der Hersfelder Kreisbahn. Sie führt im Tal der Solz, den Windungen des kleinen Flusses folgend, bis zu seiner Mündung in die Fulda nördlich von Bad Hersfeld.

Am ehemaligen Bahnhof Schenksolz (3) gibt es eine Schutzhütte. Beim Hermannshof die historische Wassermühle „Rothe Mühle“. Am Ortseingang Sorga trifft man auf den R 7 (Tip: von Donnerstag bis Sonntag lädt nachmittags ein Biergarten am Hofgut Oberode zur Rast ein). Im Fuldatal wird die Trasse des Radweges R 1 erreicht. Zwischen dem Fluß auf der einen und den Bahnanlagen auf der anderen Seite führt der BahnRadweg direkt zum Bahnhof Bad Hersfeld. Hier am Kilometer Null des BahnRadweges gibt es eine Infotafel.

 

 

Fuldaradweg: 6.Etape: Bad Hersfeld - Lauterbach

Sie dürfen sich wiederfreuen. Diese Etappe kombiniert Flüsseradeln mit Bahnradeln. Da wären die schlingenreiche Fulda im breiten Tal und der neue BahnRadweg Hessen. Die lückenlose Markierung des R 1 (auch R 7, dann R 7A) nutzend, genießt man, immerzu gemütlich dahinradelnd, die Schönheiten der abwechslungsreichen Landschaft. Die Fulda ist eine stiller Fluß mit kaum merklicher Strömung. Kolonien an Wasserpflanzen, u.a. Seerosen, bedecken die Wasserfläche, die zuweilen eher einem langen schmalen See denn einem bedeutenden Fluß ähnelt.

Die Streckenführung von Bad Hersfeld über Niederjossa und Schlitz nach Bad Salzschlirf folgt der alten Trasse der Knüllgebirgsbahn. 1898 fiel der Startschuß zum Bau. Dieser zog sich fast 30 Jahre hin. 1964 begann die schrittweise Stillegung der Strecken. Parallel dazu begann auch der teilweise Abbau der Gleisanlagen. Heute, die Radler freut es, nutzt man zum Teil die Originaltrassen als Radwege. Bei etwas Aufmerksamkeit sind die Bahndämme mit ihren Geraden, Langgezogenen Kurvenradien und sanften Höhenunterschieden noch gut auszumachen.

 

Wegbeschreibung: Raus aus dem sehenswerten Bad Hersfeld und rein in das Tal der Fulda. So macht Abschiednehmen wirklich Spaß. Bevor man die B 62 unterquert, noch ein Blick zurück zum historischen Zentrum mit der Stiftsruine und dann immerzu geradeaus. Man rollt recht gemütlich dahin. Bald nach dem Stadtrand erreicht man die Felder des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen Schloß Eichhof (Tip: Im Schloßinnenhof in den Sommermonaten Theateraufführungen)(1). Neben der Strecke wachsen auf den Äckern verschiedene Kulturen zur Gewinnung erneuerbarer Energien. Wir Radler sind ebenfalls nachhaltig unterwegs. Anhand von Infotafeln kann man sich über die Zusammenhänge informieren.

Danach geht die unmittelbare Bindung mit dem Fluß etwas verloren. Wir radeln mehr an der Straße, vorbei an Asbach durch Kerspenhausen nach Mengshausen. Nach Querung der A 7 (2) trennen sich die Radwege R 1 und R 7. Auf dem Weg nach Lauterbach folgt man dem Verlauf der ehemaligen Bahnstrecke Richtung Schlitz, (weiter R 1, auch R 7A).

Man muß links der Beschilderung R 1 folgen, der Weg führt zwischen Landesstraße und der Fulda, an dem Weiler Unter-Wegfurth vorbei. In der Nähe des ehemaligen Haltepunktes Ober-Wegfurth geht es zur Abwechslung mal rechts der Fulda weiter. Nach Unter-Schwarz fährt man auf einem Wirtschaftsweg, dann vorbei „Am Walpersgraben“, bevor in der Zufahrt auf Queck, vor dem Sportplatz, erneut die Flußseite gewechselt wird. Abwechslung ist des Radlers Freude!

Nun wieder auf der linken Fuldaseite, zurück auf die alte Bahntrasse. Kurz vor dem Ortsteil Hutzdorf gabelt sich der Radweg (3). Der Fuldaradweg R 1 führt links weiter Richtung Fulda, rechts wieder die Markierung des BahnRadweges (auch Vulkanradweg und R 7A) Richtung Schlitz und weiter nach Lauterbach. Der Rest der Etappe verläuft nun - freilich in Gegenrichtung - auf einem Teilstück aus der zweiten Etappe. Neue Blickrichtung, neues Erleben. Man folgt jetzt also ganz entspannt der Markierung des BahnRadweges. Auch bei einer bekannten Strecke ist es spannend, die veränderten Sichten und Perspektiven wahrzunehmen. Schlitz, der Etappenort der zweiten Etappe, wird gestreift. Im Tal der Schlitz wird wenig später der Rastplatz Bernshausen (4) erreicht. Hinter Bad Salzschlirf erinnert man sich vielleicht noch an die genußvolle Abfahrt der zweiten Etappe, nun geht es bergan. An der Ruine Wartenberg vorbei, dann zur B 25, und Lauterbach, heute Etappenort, ist bald erreicht.

 

Südbahnradweg: 7. Etappe Lauterbach - Birstein

Entlang der ehemaligen Bahntrasse der Vogelsberger Südbahn verläuft die 35 Kilometer lange Radstrecke mit einer durchgehend bituminösen Befestigung. Sie bietet somit hervorragende Bedingungen für alle Radfans aber auch für alle Läufer und Nordic-Walker.

Der Vogelsberger Südbahnradweg von Wächtersbach über Brachttal nach Birstein verbindet die Radwege im schönen Kinzigtal mit dem Naturpark Hoher Vogelsberg. So ist im Süden ab Wächtersbach der direkte Einstieg vom R 3 aus möglich und bei Hartmannshain im Norden schließt der Vulkanradweg an.

 

Im Herzen Deutschlands, in einzigartiger Landschaft am Fuße des größten Vulkangebietes Europas entdecken Sie ursprüngliche Flora und Fauna. Der Vogelsberger Südbahnradweg bietet Ausblicke auf sanfte Wiesentäler, zauberhafte Wälder und kristallklare Bäche. Genießen Sie den Charme der Natur in frischer Luft und herrlicher Umgebung. Zum Verweilen laden zahlreiche Picknickplätze am Wegesrand ein.

Freuen Sie sich auf ein wirklich prickelndes Radwandervergnügen. Den Drahtesel kann man getrost „laufen“ lassen. Bis Hartmannshain geht es auf dem wunderbar ausgebauten Vulkanradweg. Diesmal erhebt sich rechts der Hohe Vogelsberg. Im Lee des Bergkammes ist das Wetter immer einen Tick beständiger. Jeder Kilometer ist pures Radlerglück. Der Vulkanradweg gehört dank seiner geringen Steigung, der ihn umgebenden Landschaft und der tollausgebauten Infrastruktur zu den schönsten Radwegen Hessens. Nachdem der Scheitelpunkt des Vulkanradweges ohne jede Mühen erklommen ist, folgt als weiterer Höhepunkt die Abfahrt auf dem Südbahnradweg. Sie werden staunen. Man fährt durch einen Hügelteppich mit prächtigen Fernsichten. Möglich macht diese Streckenführung die ehemalige Süd­bahn. Sie gehörte nicht zur Bundes-, sondern zur Gelnhäuser Kreisbahn und war die Verbindung in das belebte Kinzigtal. Der Radweg steht an Erlebniswert dem Vulkanradweg in Nichts nach. Diese knapp 51 Kilometer Radstrecke packt wirklich jeder.

 

Wegbeschreibung: Aus dem historischen Zentrum Lauterbachs (man beachte die herrlichen Trittsteine durch den Bach Lauter, die wunderschönen Fachwerkhäuser und den Lauterbacher Strolch) führt der Weg (auch R 7) am Naherholungszentrum Steinigsgrund vorbei zum Bahndamm. Nächstes Ziel ist das hoch über dem Tal des Radweges thronende Schloß Eisenbach (1). Seit Jahrhunderten gehört es der Familie Riedesel. Der Schloßpark ist zwar zugänglich, das Schloß selbst in Privatbesitz. (Tip: schöner Biergarten in der Burgpost).

Weiter führt der Weg auf dem alten Bahndamm nach Herbstein (2), Hessens höchstgelegenes Thermalbad. Ein Abstecher in das Städtchen mit seinem Fastnachts-/Stattmuseum umfaßt etwa zwei Kilometer. Um die alles überragende Jakobuskirche legt sich ein Ring aus Fachwerkhäusern.

Dann der Abschnitt Ilbeshausen - Grebenhain. (Tip: Teufelsmühle in Ilbeshausen). Es geht weiter leicht bergauf, die Bahn vollführte hier große Bögen, um mit geringer Steigung Höhe zu gewinnen. In Hartmannshain (3) ist der höchste Punkt des Vulkanradweges erreicht. Adieu Vulkanradweg. Jetzt geht es links ab auf den Südbahnradweg, dem Spessart entgegen. Eine Infotafel informiert über den Südbahnradweg. Es ist der pure Genuß, das Rad rollt, man richtet sich auf dem Sattel gemütlich ein und genießt die Umgebung. Weit geht der Blick hinunter in das Tal.

Anfangs noch in sichtbarer Entfernung zur 276 folgt der Weg im oberen Teil dem Wasser der Salz. Dunkler Fichtenwald wechselt mit Feldern und Weiden, über die sich tolle Fernsichten ergeben. Am Ortsrand von Völzberg gibt es eine Grillhütte. Der Weg ist wie der Vulkanradweg mit Infotafeln zum Weg, zu den Sehenswürdigkeiten und Gaststätten ausgestattet. In Höhe Sang-Mühle ändert sich die Landschaft, ein Bach und Teiche bestimmen das Bild.

Nach einem moderaten Anstieg folgen ein schöner Ausblick, ein Rastplatz mit Infotafeln. In der Nähe von Wettges verfolgt der Radweg nun die ehemalige Bahntrasse. Vor dem alten Bahnhof von Fischborn (4) biegt der Weg nach links. Es folgt unvermittelt eine kurze Steigung von acht Prozent (rechtzeitig schalten). Nach einem kurzen Zwischenstück bleibt man nun bis Birstein auf der alten Bahntrasse. Vorbei am Freibad erreicht man im Tal des Reichenbaches Birstein. Hoch über der Stadt thront das Schloß derer von Isenburg auf einem der für den Hohen Vogelsberg typischen Vulkanschlote. Ein würdiger Schlußpunkt.

 

 

Kinzigtalradweg: 8. Etappe Birstein - Hanau

Finale! Landschaftswechsel ist angesagt. Vom Vogelsberg zum Spessartrand im Kinzigtal und von dort zum Main. Noch ein Stück auf dem wunderbaren Südbahnradweg hinunter ins Kin­zig­tal nach Wächtersbach. Dieser Abschnitt der Bahn war von 1897 bis 1967 in Betrieb. Landschaftlich bestimmend ist erst das ruhige Brachttal, bevor es dann im Kinzigtal wesentlich belebter wird. Linkerhand drängen die Ausläufer des Spessarts heran. Hier verläuft der BahnRadweg entlang einer aktiven Strecke. Außerdem wird mehrfach die Autobahn gekreuzt. Das Kinzigtal hat viel landschaftlichen Reiz. Hinter dem Horizont der Ebene bauen sich rechterhand die südlichen Ausläufer des Vogelsberges auf und linkerhand grüßt der Spessart. Je näher man Hanau kommt, desto flacher wird das Relief und man trifft schon unterwegs auf Zeugnisse der Geschichte. In der Barbarossastadt Gelnhausen gibt es unter anderem eine Kaiserpfalz und historische Kirchen, in Langenselbold ein Schloß aus dem 18. Jahrhundert, in Erlensee trifft man auf die Spuren der Römer. Eine traumhafte Strecke. Viele Rastplätze, weite Ausblicke, perfekte Markierung und die Gewißheit, eine wunderbare Radreise vollführt zu haben.

 

Wegbeschreibung: Ausgeschlafen? Die heutige Etappe ist mit knapp 80 Kilometer für alle die, die über Hanau hinaus nach Frankfurt radeln möchten, ziemlich ambitioniert. Wer in Hanau die Radreise auf den Spuren historischer und aktueller Bahnen beendet, hat (etwa 56 Kilometer) mehr Muße für Besichtigungen. Der Radweg begleitet ein kurzes Stück die Bundesstraße. Dann wird es sprichwörtlich sagenhaft. Aus dem Milchborn sollen nämlich die Birsteiner Kinder kommen, im Hintergrund die Felsengruppe Wildes Weib (1). Lassen Sie sich überraschen! Weiter geht es auf dem alten Bahndamm durch herrlichen Laubwald. Unten schimmern Teiche und der Bach. Genußradeln pur - rollen lassen. Die kleinen Steigungen bemerkt man kaum.

Die Orte im Brachttal sind landwirtschaftlich geprägt und strahlen Ruhe aus. Bald ist Neudorf erreicht. Der Weidenhof-Laden lädt ein zu geschmackvollem Einkauf. Am Ortsrand Wäch­tersbach wird der R 3 (2) erreicht, der sich ab hier mit dem BahnRadweg vereint. Am Jona-Haus (ehemaliges Bahnwärterhaus - jetzt als Ferienhaus zu mieten), fällt eine schöne alte Sonnenuhr aus Sandstein auf. Zur Abwechslung bietet der Rastplatz Bibertreff Kanufahrten an.

Zwischen Bahnlinie rechts und Autobahn links immer dem Lauf der Kinzig folgen. Nicht ohne Reiz ist der Kontrast der Geschwindigkeiten - praktizierte Entschleunigung. Dann das gemütliche Gelnhausen (3) mit vielen Zeugnissen der Vergangenheit. Das Tal ist jetzt breiter und wird landwirtschaftlich genutzt. Noch ein kleines Stück direkt an der Autobahn, dann ein Wäldchen, und der Kinzigsee bei Langenselbold ist erreicht. Gegenüber vom Strandbad ein Hinweis zum Romantischen Garten. Ein Kontrapunkt direkt an der A66 ist dieses Fleckchen Erde. Vielleicht ein verlorener Traum, mit einer Tafel zur Erläuterung.

Wenn man die Nähe der A 45 verläßt, strahlt die Landschaft sofort eine paradiesische Ruhe aus. Durch Erlensee geht es mit einigen Richtungswechseln. Am Ortsausgang Rückingen ein Spielplatz am Römerkastell (4). Gleich danach wird der Rätische Limes gequert. Durch einen lichten Buchenwald, dann über Hochwasserschutzdeiche zum Stadtrand von Hanau. Mit vielen Richtungswechseln radelt man durch die Stadt, vorbei am Kongreßpark und Heinrich-Fischer-Bad, zur Mündung der Kinzig in den Main. Gepflegte Flußparklandschaft, Wiesen, Kinderspielplätze. Am Schloß Philippsruhe ist die Reise zu Ende.

 

 

Hohe Straße: Von der Wetterau bis zum Main: Weitere Anbindung zum „Vulkanradweg" fertig                                                                                                             12.11.2009

„Regionalpark Hohe Straße“, „Vulkanradweg“, Begriffe, die in letzter Zeit in aller Munde sind, vor allen Dingen für all diejenigen, die es auf Gesundheit durch Bewegung anlegen. So bemühten sich auch die umliegenden Kommunen in Kooperation mit dem Main-Kinzig-Kreis und der Landesregierung diesem Ansinnen gerecht zu werden.

Kürzlich hatten Jogger kein Glück mehr, bei der Anfahrt zum Parkplatz „Hirscheck“ zwischen Ostheim und Eichen noch einen Platz zu erwischen. Viele scherten auf benachbarte Wald- oder Feldwege aus oder stellten ihr Auto einfach auf der Straße ab, natürlich ohne den fließenden Verkehr zu behindern.

Diese Platzenge hatte jedoch ihren Grund. Was im Jahre 2002 mit ersten Überlegungen und einer Voruntersuchung für die Planung einer durchgehend bituminös befestigten Radwegeverbindung zwischen Altenstadt (Wetteraukreis) und dem Main begann, wurde im Jahr 2003 als Auftrag zur Planung der Maßnahme an ein Ingenieurbüro vergeben. Nach Absprache mit dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wurde die Route von Höchst (Kreisgrenze) über Nidderau, Bruchköbel und Hanau direkt an den Main festgelegt.

Die gesamte Maßnahme hat eine Länge von 22 Kilometern und wurde in den Bereichen, in denen die Trassenführung auf Erd- beziehungsweise Schotterwegen verläuft, in einer Breite von drei Metern neu angelegt und durchgehend bituminös befestigt. Aufgrund der Länge und des damit verbundenen finanziellen Aufwandes wurde in Absprache mit dem hessischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr die Gesamtmaßnahme in zwei Bauabschnitte - aufgeteilt.

Der erste Bauabschnitt im Bereich der Stadt Hanau und der Stadt Bruchköbel hat eine Länge von rund zwölf Kilometern und führt vom Main in Richtung Kesselstadt nach Mittelbuchen an Bruchköbel und Bruchköbel-Roßdorf vorbei in Richtung Windecken bis zur Gemarkungsgrenze Bruchköbel. Dieser Abschnitt wurde Ende vergangenen Jahres mit einer Feier am Wartbaum in Windecken seiner Bestimmung übergeben. Die Kosten für diesen Abschnitt beliefen sich auf rund 700 000 Euro.

Es ist jedoch nur von einer „Verlängerung des Vulkanradweges“ die Rede. Wie bekannt sein dürfte, gibt es im Vogelsbergkreis einen „Zweckverband Vulkanradweg“, der sich den Namen und das entsprechende Logo hat schützen lassen. Für die Benutzung des Namens und des Logos für diese Erweiterung wäre somit eine Genehmigung erforderlich. Diese wurde jedoch vom Zweckverband nicht erteilt, mit der Begründung, daß durch das Befahren des Radweges mit Fahrzeugen der Landwirtschaft die Qualität der Marke Vulkanradweg aufgeweicht würde.

 

Da folglich eine Beschilderung für Benutzer bis zur Namensklärung nicht vorgenommen werden konnte, hat sich das Land Hessen, das in Zusammenarbeit mit dem ADFC Hessen eine überregionale Beschilderung des Bahnradweges vorgenommen hat, bereit erklärt, in diesem Zuge nicht nur diesen Radweg unter der Bezeichnung „Bahnradweg“ zu beschildern, sondern auch die Kosten hierfür zu tragen.

Den Zuschlag für den zweiten Bauabschnitt bekam aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung eine Firma aus Langenselbold, die dieses Teilstück innerhalb von gut drei Monaten aus dem Boden stemmte. Wenn man bedenkt, daß es sich hier um eine acht Teilabschnitte umfassende Baumaßnahme handelte, kann man erahnen, daß das Unternehmen gute Arbeit geleistet hat.

Nun haben also Wanderer und Fahrradfahrer die Möglichkeit, durch die Gemarkung Nidderaus bis zum „Vulkanradweg“ im Wetteraukreis lückenlos ihrem Bewegungsdrang nachzugehen. Im Anschluß an das Durchschneiden des weiß-roten Bandes hatten sich die Verantwortlichen etwas ganz Besonderes einfallen lassen, es gab nämlich eine deftige Portion Spanferkel.    

 

 

 

Menhire

 

Wenige Denkmäler der Vorzeit haben die Vorstellungskraft und Phantasie der Menschen seit Jahrtausenden und ganz besonders heute wieder gleichermaßen angeregt wie die Menhire. Diese monolithischen Steinmale sind von Frankreich über das Oberrheingebiet und Hessen bis nach Mitteldeutschland verbreitet und wurden zu ihrem größeren Teil vermutlich im Zuge steinzeitlicher (megalithischer) Kulturerscheinungen in einem jüngeren Abschnitt der Jungsteinzeit im 4. /8 3.  Jahrtausend vCh errichtet.

Welche Glaubensvorstellungen dahinter standen, wissen wir nicht. Nachdem Deutungen nur als topographische Bezugspunkte oder – unbeweisbar - als astronomischen Zwecken dienend auf keinen Fall befriedigen können, ist ihre Bedeutung jedenfalls im religiösen Bereich zu suchen.  Das geschieht vor allem im Zusammenhang mit dem Grab- oder Totenkult, als Ort religiöser Feiern oder auch als Erinnerungsmal. Später spielten die Menhire im Volksglauben eine Rolle und waren häufig mit magischen Praktiken  - oft einem Fruchtbarkeitszauber - verbunden.

Der Name „Menhir“ ist bretonisch, auf das Keltische zurückgehend, und bedeutet einfach „Langer Stein“” (men - Stein, hir - lang). Das schönste Beispiel dieser Bezeichnung auch im Deutschen finden wir in dem Ort Langenstein (Gemeinde Kirchhain, Kreis Marburg - Bieden­kopf). Der Ort hat seinen Namen von dem „Langen Stein”, dem an die Kirchhofsmauer angebundenen, mit über fünf Meter Höhe größten Menhir Hessens. Im Standort der Kirche neben dem Menhir wird eine Tradierung von heidnischer zu christlicher religiöser Stätte gesehen. Er stand früher frei an der Kirchhofsmauer. Heute ist er in eine Zaun - Mauer - Komposition einbezogen

Der volkstümliche Name „Hinkelstein“ für diese Denkmäler findet sich schon im Mittelalter. Ungeachtet komplizierter Deutungsversuche ist dies die unverstandene sprachliche Ableitung von „Riesen“ gleich „Hünen“, also „Hünenstein“ über „Hühnerstein” zu „Hinkelstein“, an die sich weitere Formen wie Gickel-, Gluck- und Kluck-, Glucken- oder Glockenstein anschließen. Die an manchen dieser Steine haftenden Hühnersagen sind in jüngeren Zeiten erst nachträglich auf sie übertragen worden

Wie man die genaue Zeit der Errichtung dieser Steinmale in der Vorgeschichte nicht kennt, ist für eine weitere Zahl von ihnen gar kein vorgeschichtliches Alter anzunehmen, sondern sie wurden als Grenzsteine aufgestellt. Hier fällt die Entscheidung schwer oder ist unmöglich, ob ein Menhir als Grenzmarke benutzt wurde - zum Beispiel der „Kräppelstein bei Münzenberg im Wetteraukreis 1448: „…..bis an den nächsten Kruppelstein und fort…“, oder ob ein ursprünglicher Grenzstein später als Menhir mißdeutet wurde - wie es für den „Gluckenstein“ bei Bad Homburg vdH. im Hochtaunuskreis angenommen wird. Dieser auf der Gemarkungsgrenze zwischen Bad Homburg und dem eingemeindeten Kirdorf sitzende Stein wird 1818 erstmals als „Glockenstein” erwähnt; ältere Urkunden seit 1536 nennen an diesem Abschnitt der Gemarkungsgrenze zwei Grenzsteine mit den Namen „der scheider” und „der scherer”, wobei es sich beim „Scherer” um den Gluckenstein handeln könnte.

Gleich wie, sind alle diese Steinmale archäologische Kulturdenkmäler von hohem Rang, und ihre heute nur noch geringe Anzahl stellt sie unserem besonderen Schutze anheim. Die Zahl der Denkmäler hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten sogar um das eine oder andere Beispiel vermehrt: Eine ganze Reihe von Steinen - aus religiösen Gründen oder weil sie die Feldbestellung störten – wurden in alter Zeit verlocht, also bis unter die Oberfläche eingegraben. Jetzt werden sie beim Tiefpflügen -  erneut störend - wieder zutage gefördert.

Sprengung der Steine, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten geübt wurde und der in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts auch noch ein Stein der einmaligen Menhir - Anlage auf den „Hirtenwiesen” bei Darmstadt – Bessungen  (Kreis Darmstadt-Dieburg) zum Opfer fiel, gehört glücklicherweise zu den Ausnahmen.

Im Gegenteil sind Gemeinden und Ortsverwaltungen bereit und bemüht, die Denkmäler zu erhalten und ihnen, so wirtschaftliche Gründe eine Wiederaufrichtung an Ort und Stelle zu verbieten scheinen, einen würdigen und sinnvollen Aufstellungsort zu verschaffen. Falsch verstandene Pietät sollte jedoch nicht so weit führen, daß ein Menhir - wie in Hünfelden - Kirberg  (Kreis Limburg - Weilburg) geschehen - zum Kriegerdenkmal umgearbeitet im Friedhof seine Aufstellung findet, oder er - wie in Ober – Mörlen  (Wetteraukreis) anfänglich geplant - eine Grünanlage im Ortsbereich schmückt. Die Denkmäler gehören in die Landschaft, wo sie ihren Bezug haben, und sind nicht beliebig verpflanz­bar.

Die Schwierigkeiten, die sich bei dieser wissenschaftlich begründeten denkmalpflegerischen Forderung erheben, sind allerdings nicht zu unterschätzen. Neben den Fällen, in denen ein neu aufgefundener Menhir beim Verbleiben am Ort mitten in einem Acker - gerade in bereinigter Flur heute noch leider undenkbar - oder in einer Wiese stände, gibt es die anderen in denen bislang freistehende Steine von der Siedlungsausweitung überrollt werden.

So unabdingbar wichtig der originale Standort ist, kann es ebenso keinen Zweifel geben, daß die Menhire wie kaum eine andere Denkmälergruppe in ihrer Wirkung von ihrem Umfeld abhängig sind. Das frei stehende, weithin sichtbare, mächtige Steinmal ist, eingebaut in Beton oder Bepflanzung und von allerlei zivilisatorischem Beiwerk umgeben, nicht mehr begreifbar und wirkt entweder völlig fehl am Platze, als lästige Pflichtübung gegenüber dem Erbe unserer Geschichte, oder ist bestenfalls zum Bestandteil eines romantischen Eckchens in der Flur verkümmert.

Grundsätzlich positives Bemühen um die Erhaltung und Präsentation der Denkmäler führt zu eher abschreckenden Ergebnissen, die gewiß auch nicht dazu beitragen, das Verständnis für diese Zeugen der Vergangenheit in der Bevölkerung zu wecken oder wachzuhalten. Es sollte doch möglich sein, den Denkmälern, die durch Siedlungsausdehnung in bebautes Gelände zu stehen kommen, wenigstens den Freiraum zu gewähren, der sie nicht völlig untergehen läßt. Durch andere Straßenführung, ja teilweise nur Verlegung des Bürgersteiges, ist dies relativ leicht zu erreichen.

Dann wäre ausgeschlossen, daß ein Denkmal wie der „Gluckenstein” in Bad Homburg vdH. dankenswerterweise an alter Stelle, aber teilvergraben mitten auf dem Bürgersteig des nach ihm benannten Gluckensteinweges steht und dieser Hinkelstein nach Meinung eines empörten Bürgers zum (Hunde-) Pinkelstein geworden ist. Eine andere, auch von der Stadt vertretene Lösung scheiterte am Widerstand der „gemeinnützigen” Baugenossenschaft, die nicht bereit war, auch nur wenige Quadratmeter an die Stadt abzugeben. So steht er, wie sich der damals zuständige Denkmalpfleger des Saalburgmuseums ausdrückte, „heute dort als Denkmal für Engstirnigkeit und Egoismus”. Unnötig scheint uns allerdings, daß er zusätzlich flankiert wird durch eine „Wertstoff-Station” = Abfall-Container der Stadt Bad Homburg, obwohl nur wenige Meter weiter eine große Bus - Wendeschleife genügend unauffälligen Platz für mehrere dieser Stationen böte.

Es würde vermieden, daß dem Menhir „Kindstein” in Unter – Widdersheim  (Gemeinde Nidda)  -  eingerahmt von Hecke und Straßenbeleuchtung - viel zu wenig Raum gegeben ist, um zur Geltung zu kommen, wobei die liebevolle Bepflanzung rund um seinen Fuß den Eindruck weiter mindert. Die zu nahe angebrachte Erläuterungstafel gibt zudem inhaltlich und zeitlich falsche Informationen („Zeuge aus der keltischen Siedlungszeit um 1000 vCh“).

Es  sollte doch möglich sein, den Denkmälern, die neu aufgefunden oder an nicht störendem Platz wieder aufgerichtet werden, eine Umgebung zu schaffen und zu erhalten, die ihnen angemessen ist. So wurde der 1975 gefundene Menhir von Ober – Mörlen (Wetteraukreis) in der Nähe seiner Fundstelle beherrschend frei in der Flur aufgestellt. Gutgemeinte Umpflanzung hat ihn als Denkmal verschwinden lassen, und die Baumgruppe in der Ackerfläche unterscheidet sich in nichts von zahllosen anderen so beliebten Feldholzinseln.

Der 1978 unweit seines ehemaligen Standortes bei Münzenberg - Trais im Wetteraukreis wieder errichtete Kräppelstein ist derart von Straße und betonierten Wegen, Verkehrsschildern, Ruhebank und Abfallkorb umrahmt, daß es fast einer Schändung des Denkmals gleichkommt. Ein solches Ergebnis ihrer Bemühungen um eine sinnvolle Aufstellung hat wohl keinem der beteiligten Flurbereiniger, Straßenbauer und Denkmalpfleger vorgeschwebt.

Eine Zukunft für unsere Vergangenheit - das sollte auch für diese Denkmäler gelten, die zu den eindrucksvollsten sichtbaren Zeugnissen der Geschichte gehören, und als einzigartige historische, kulturelle und religiöse Monumente den Platz einnehmen und die Behandlung erfahren müssen, die sie verdienen.

Einzelne Orte:

Langenstein (nordöstlich von Kirchhain):

Der Ort hat seinen Namen von dem „Langen Stein”, einem Menhir bei der Kirche in der Straße „Am langen Stein“. Er war der größte Menhir Hessens. Ursprünglich war er 1,5 Meter höher, nämlich mit über fünf Meter Höhe. Er wurde durch Blitzschlag verkürzt. Früher stand er frei an der Kirchhofsmauer. Heute ist er in eine Zaun  - Mauer-Komposition einbezogen. Im Standort der Kirche neben dem Menhir wird eine Tradierung von heidnischer zu christlicher religiöser Stätte gesehen.

 

Trais - Münzenberg:

„Kreppelstein“ oder „Kräppelstein“ steht am westlichen Ausgang des Ortes, er wurde aber beim Autobahnbau hierher versetzt. Heute bedarf es schon fast einer Trickaufnahme, um sich den neben der Straße von Münzenberg nach Trais aufgestellten „Kräppelstein” als eindrucksvolles Denkmal in freier Landschaft vorstellen zu können. Hier fällt die Entscheidung schwer oder ist unmöglich, ob ein Menhir als Grenzmarke benutzt wurde - zum Beispiel der „Kräp­pel­stein bei Münzenberg im Wetteraukreis 1448: „…..bis an den nächsten Kruppelstein und fort…“.

 

Unterwiddersheim:

Der „Kindstein” in Nidda - Unter-Widdersheim stand ursprünglich außerhalb des Ortes im Wald bzw. auf einer obstbaumbestandenen Wiese, wie es die älteren Ansichten zeigen. Der Sage nach hausen in ihm die ungeborenen Kinder. Heute im neuen Siedlungsbereich des Ortes in der Straße „Zum Kindstein” (im Süden des Ortes) gegenüber Haus Nr. 9 gelegen, steht das Denkmal zwar in einer gepflegten Anlage, hat aber durch zu enges Umfeld und üppige Bepflanzung seine Monumentalität verloren.         .

 

Breungeshain (Vogelsberg):

In der Kirche hinter dem Altar steht ein Menhir.

 

Hünfelden-Kirberg (zwischen Limburg und Bad Camberg):

Aus falsch verstandener Pietät wurde ein Menhir zum Kriegerdenkmal umgearbeitet und fand im Friedhof seine Aufstellung (Der Friedhof ist östlich der Durchgangsstraße in der Hainbuchenstraße). Auch südlich von Dauborn ist ein Menhir eingezeichnet, südlich der Kalascher Mühle und des Leidenbergs.

 

Ober-Mörlen (Wetteraukreis):

Man findet den Menhir, wenn man am östlichen Ortseingang nach Norden in den Kehlweg fährt. Nach über 1,5 Kilometern geht es rechts ab zum Menhir. Oder man fährt  gegenüber der Gartenstraße in den Weg und am dritten Weg links ab. Der Menhir wurde 1975 gefunden.  Anfänglich war geplant, daß er  eine Grünanlage im Ortsbereich schmücken  sollte. Doch dann wurde er in der Nähe der Fundstelle in angemessener Form beherrschend in der Landschaft aufgestellt. Unangemessene Bepflanzung hat heute das Monument verschwinden lassen: Die Baumgruppe in der Ackerfläche unterscheidet sich in nichts von zahllosen anderen so beliebten Feldholzinseln.

 

Bad Homburg v. d. H.:

Der „Gluckenstein” stand - vermutlich als Grenzstein - in der Feldflur auf der Gemarkungsgrenze zwischen Bad Homburg und Kirdorf. Der Stein wird 1818 erstmals als „Glockenstein” erwähnt; ältere Urkunden seit 1536 nennen an diesem Abschnitt der Gemarkungsgrenze zwei Grenzsteine mit den Namen „der scheider” und „der scherer”, wobei es sich beim „Scherer” um den Gluckenstein handeln könnte. Heute noch am alten Ort, schmückt er den Bürgersteig. Er wirkt in seiner neugestalteten Umgebung im nach ihm benannten „Gluckensteinweg” verloren. Die „Wertstoff-Station” ist allerdings inzwischen auf die Buswendeschleife verlegt.

Der Hinkelstein ist nach Meinung eines empörten Bürgers zum (Hunde-) Pinkelstein geworden ist. Eine andere, auch von der Stadt vertretene Lösung scheiterte am Widerstand der „gemeinnützigen” Baugenossenschaft, die nicht bereit war, auch nur wenige Quadratmeter an die Stadt abzugeben.

 

Darmstadt - Roßdorf:

Nordwestlich von Roßdorf, nördlich des Bessunger Forsthauses, nördlich der Bundesstraße, stehen14 Menhire an einem Bach, wurden aber von einem Bauern durch eine Sprengung teilweise zerstört. Sprengung der Steine, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten geübt wurde und der in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts auch noch ein Stein der einmaligen Menhir - Anlage auf den „Hirtenwiesen” bei Darmstadt - Bessungen zum Opfer fiel, gehört glücklicherweise zu den Ausnahmen.

 

Lampertheim:

In Lampertheim - Hofheim (westlich von Bürstadt) die Bahnhofstraße Richtung Bobstadt fahren, vor der Eisenbahn rechts in die Bensheimer Straße bis zum Mühlgraben. So kommt man zum „Sackstein“.

 

Brensbach  (südlich von Groß-Bieberau):

Nordwestlich von Wersau, nördlich des Gräbenäckerbachs und südlich der Straße „Alter Weg“ steht ein Menhir.

 

 

Wotanstein bei Maden:

Der Wotanstein (auch „Wodanstein"), gilt als eines der imposantesten Megalithdenkmäler Deutschlands. Als Megalithen (von altgriechisch „megas“ = groß und  lithos“ = Stein) bezeichnet man große, oft unbehauene Steinblöcke, die als Bausteine für Grab- und Kultanlagen benutzt wurden oder als Monolithe aufgerichtet und in Steinsetzungen positioniert wurden. Die west- und nordeuropäischen Megalithbauten wurden alle in der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit errichtet. Der Brauch, derartige Menhire (Bretonisch: men = Stein, hir = lang) aufzustellen, wurde aus dem heutigen Frankreich übernommen.   

Die Besonderheit des Wotansteins besteht darin, daß er aus ortsfremdem Quarzit besteht. Dieser ist  erst wieder im Gebiet von Borken zu finden. Man vermutet, daß er im 3. Jahrtausend vor Christus hierher gebracht und auch aufgestellt wurde.

Eine frühe rituelle oder religiöse Nutzung ist aufgrund der auffälligen Häufung von ähnlichen Menhiren im Raum zwischen Fritzlar und Kassel sehr wahrscheinlich. Der Stein wurde dann später (ab dem 1. Jahrtausend) wohl von den Chatten in der Sakrallandschaft Mattium als Verehrungsort des Wodan (auch „Wotan“, Hauptgott in der nordisch-germanischen Mythologie) genutzt.

Der Stein wurde schon 1407 als „der lange steyn von Maden“ urkundlich erwähnt. Laut mündlicher Überlieferung soll der Stein im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) ausgegraben worden sein, weil man Schätze unter ihm vermutete. Man fand aber nur Überreste menschlicher Knochen und stellte fest, daß er genauso tief in der Erde steckt, wie er über der Erde steht.

Der Sage nach wollte der Teufel vom Lamsberg aus die erste christliche Kirche des Bonifatius in Fritzlar, die aus dem Holz der Donareiche errichtet worden war, mit dem Stein zerschmettern. Er sei jedoch am vorgehaltenen Schild des Erzengels Michael abgeprallt und an die  Stelle, wo er heute steht, in die Erde gefahren. Die Eindrücke und Löcher am Stein deutete man als Hinterabdrücke des Teufels (Teufelskralle).

 

 

 

Jupitergigantensäulen

 

Eine Besonderheit der Provinz Obergermanien stellen die „Jupitergigantensäulen“ dar. Es handelt dabei um mehrteilige, vier bis fünf Meter hohe Steindenkmäler, die in der Regel die wichtigsten römischen Götter abbilden. Charakteristisch für die sogenannten „Viergöttersteine“ ist, daß er bekrönt ist von dem Hauptgott Jupiter,   der einen Giganten nieder reitet. In dieser Art der Darstellung werden sowohl römische, als auch ein­heimische religiöse Vorstellungen plastisch abgebildet und verknüpft. Sie stellen in ihrer Art eine Spezia­lität für unser Gebiet dar.

Jupitersäulen bestanden aus verschiedenen Teilen. Als Basis diente ein Viergötterstein. Dessen Bildprogramm war nicht festgelegt, aber besonders beliebte Götter wie Juno (Schützerin der Stadt), Minerva (Beschützerin der Handwerker und Gewerbetreibenden), Herkules (Beschützer des Verkehrs, des Gewinns und des Hauses) und Merkur (Gott des Handels und Verkehrs) wurden bevorzugt.

Darüber folgte in der Regel ein Zwischensockel meist mit Darstellungen der Wochengötter Luna (Montag), Mars (Dienstag), Merkur (Mittwoch), Jupiter (Donnerstag), Venus (Freitag), Saturn (Samstag) und Sol (Sonntag).

Auf dem Zwischensockel stand eine Säule mit Schuppenmuster und auf dieser als Bekrönung eine Jupiterdarstellung. Vorkommen konnte zum Beispiel ein siegreicher, reitender Jupiter über einem schlangenbeinigen Giganten, ein thronender Jupiter oder eine Figurengruppe - Jupiter sitzend neben der Göttin Juno.

Die gesamte Komposition war, wie alle anderen römischen Weihesteine, mit einem feinen hellen Putz überzogen und farbig bemalt. Die Säulen standen im Freien innerhalb von Städten und Siedlungen, in und bei römischen Gutshöfen oder in Heiligtümern. Der Stifterkreis der Säulen erschließt sich aus den Weiheinschriften. Es waren Privatleute, Ratsherren oder öffentliche Institutionen wie Gemeinden.

Der römische Gott Jupiter trat nicht nur in Funktion des Lichtbringers, des Blitzgottes, des Gewitters- und Regengottes auf, sondern wurde als alles schauender Himmelsgott und Beschützer von Recht und Treue auch in feierlichen Schwüren angerufen. Der Schwur beim „Iuppiter lapis“ (ursprünglich wohl ein Stein - Fetisch) galt als der heiligste und bindendste seiner Zeit.

Meist befanden sich seine Kultstätten auf Hügeln und Bergen, im Besonderen das Heiligtum des besten und größten Jupiters, des „Iuppiter optimus maximus“, das auf dem Kapitol in Rom stand. Als politischer Schirmherr des römischen Staates wurde Jupiter zusammen mit Juno (deren Name eine weibliche Form von Jupiter ist) und Minerva in der gesamten römischen Welt verehrt.

Als idealisierte Gestalt tritt Jupiter meist unbekleidet mit langem Haar und Vollbart auf. Er thront oder steht in Herrscherpose da und ist als Ausdruck seiner Würde zumeist mit einem Langzepter versehen und zum Zeichen seiner Macht mit dem Blitzbündel bewappnet. Denn seine Waffe ist der Blitz. Zudem begleitet ihn ein Adler.

„Die antike Glaubensvorstellung, Jupiter sei der Garant der göttlichen Weltordnung, gründete sich auf die mythologische Sage, er habe im Kampfverband mit den übrigen Göttern und mit Unterstützung des sterblichen Herkules die Giganten besiegt. Die Giganten - der Erde verhaftete Mischwesen, bestehend aus menschlichen Körpern mit Schlangenbeinen, bewaffnet mit Felsbrocken, Baumstämmen und Keulen - hatten vergeblich versucht den Himmel zu stürmen.

Die erfolgreiche Niederwerfung der Giganten war in der Antike das Symbol für den Sieg von Ordnung und Kultur über das Chaos und die ungebändigten Mächte der Finsternis (G. Seitz)

 

Das typische Monument der Jupiterverehrung waren die auch in den germanischen Provinzen verbreiteten Jupitersäulen. Eine Menge von Fundstellen beweisen noch heute, daß diese Gattung der Weihedenkmäler erstaunlich häufig aufgestellt wurde. Gerade die Aufstellungsorte der Kultsäulen und die Inschriften auf diesen Weihedenkmälern geben oftmals klare Auskunft über die Stifter, über den Anlaß der Errichtung und der Weihung - und über deren Datierung. Die Einzelstifter oder Personengruppen (wie Gemeinden, Familien oder Ehepaare) lösten zumeist ein Gelübde an den höchsten Staats- und Himmelsgott ein, indem sie auf eigenem Grund und Boden eine weithin sichtbare Jupitersäule errichteten.

Viele dieser Monumente wurden in den gewerblich genutzten „Vorstadtsiedlungen“ der germanischen Provinzhauptstädte Köln und Mainz errichtet, wie etwa die große Mainzer Jupitersäule am Rheinhafen oder die Säulen in Wiesbaden-Schierstein und in Frankfurt am Main-Heddernheim, dem Verwaltungsort der „Civitas Taunensium“. Auf dem Gebiet der Römerstadt „Nida“ sind allein 30 dieser Jupitersäulen entdeckt worden. Die Weihedenkmale finden wir aber auch nahe den   römischen Einzelgehöften, den „Villae rusticae“. Die große Anzahl heiliger Säulen zeigt, wie prägend sie für das Stadt- und Landschaftsbild gewesen sein müssen.

In Hessen haben die Weihedenkmäler für Jupiter fast einen einheitlichen Aufbau: Auf einer Fundamentierung und einem stufenförmigen Unterbau steht ein Steinquader, der auf jeder Seite mit einer stehenden Götterfigur in Flachrelief verziert ist. Dieser so genannte „Viergötterstein“ ist meist mit Juno, Minerva, Herkules und Merkur geschmückt. Darüber sitzt der Zwischensockel oder „Wochengötterstein“, der seinen Namen der Abbildung der Planetengötter verdankt, die je einen Wochentag benennen: Sol für Sonntag, Saturn für Sonnabend, Luna für Montag, Mars für Dienstag, Merkur für Mittwoch, Jupiter für Donnerstag und Venus für Freitag.

Erst jetzt erhebt sich über einem Gesims die eigentliche, mit Schuppenmustern versehene Säule, deren Kapitell durch ein plastisches Kultbild gekrönt wird: entweder durch den Blitze schleudernden Jupiter auf einem Pferd, der über einen am Boden liegenden Giganten hinwegsetzt, oder auch Jupiter stehend, thronend oder als wagenlenkender Triumphator. Für den Untergang dieser Säulenmonumente werden die in die römischen Provinzgebiete eindringenden Germanen verantwortlich gemacht, bisweilen wird aber auch fanatischen Christen die Zerstörung angelastet.

Sehr aufschlußreich sind die Fundumstände der Denkmalrelikte, die oft aus Verlochungen stammen, eingemauert oder sogar umgearbeitet wurden. Gerade die dekorativen Viergöttersteine wurden vielfach in Kirchen entdeckt. Es wird daher zu Recht vermutet, daß die Stifter oft selbst die Weihedenkmäler vergruben, um sie vor Schändungen oder auch vor profaner Weiterverwendung zu schützen.

 

Bad Schwalbach:

Von der Adolfstraße   in östlicher Richtung biegt nach links in die Martin - Luther- Straße ein und kommt zum Waldfriedhof (Zugang auch von der Limesstadt, Ostring). Dort steht an der Nordwestecke die Kopie des Fußes einer im Wiesbadener Museum befindlichen Jupiter­giganten­säule. Der Stein wurde 1839 unweit von hier auf dem einstigen Areal eines reichen römischen Gutshofes ausgegraben. Der Gutshof war bereits 1906 bei  seiner Untersuchung stark zerstört. Die Fundangaben berichten von Mörtel, Mauersteinen, Dachziegeln und Schieferstücken. Heute ist von diesem Gutshof nicht   mehr zu erkennen, er lag etwas weiter südöstlich. Nur der Viergötterstein ist noch zu sehen. Eine Schautafel unterrichtet über die römische Landwirtschaft. Abgebildet sind die Göttermutter Juno, Minerva, die Beschützerin der Künste. Herkules sowie der Götterbote Merkur, Schutzgott der Kaufleute und Diebe.

Merkur: Götterbote und Schutzgott der Kaufleute, mit Flügelkappe und Mantel, in der Rechten ein Geldbeutel, in der Linken den Botenstab mit Schlangensymbol.

Herkules, Sohn des Jupiter und der Athene, Sinnbild der Kraft und des Heldentums, mit Löwenfell und Keule.

Minerva: Schutzgöttin der   Städte und des Handwerks, mit Helm und langem Gewand, darüber ein Panzer mit Gürtel und Medusenhaupt, in der Rechten eine Lanze, in der Linken ein Schild

Juno: Gattin des Jupiter, römische Hauptgöttin und Beschützerin Roms, mit langem Gewand, mit Altärchen, Opferschale und Weihrauchkästchen.

 

Wiesbaden - Schierstein:

Besonders interessant ist der Fund der Säule in Wiesbaden-Schierstein. Sie wurde im Oktober 1889 auf dem ehemaligen Gelände eines römischen Gutshofes in einem sieben Meter tiefen trichterförmigen Schacht aufgedeckt. Die Schachtöffnung war mit fünf aufeinander geschichteten Quarzitblöcken gesichert, der Schacht selbst abwechselnd mit Erd- und Kalksteinschichten verfüllt. In fünf Metern Tiefe kam der Götterstein zutage, er war auf den Kopf gestellt und sorgsam mit Steinen und Schieferplatten in der Grube befestigt, so daß er nicht wegkippen konnte. Unter dem Steinquader fanden sich die übrigen Säulenbestandteile.

Das Weihedenkmal wurde unter dem Konsulat des Gratus und des Seleucus gesetzt, am Tag vor den Kalenden des März, das heißt am 28. Februar 221 nach Christus. Auf der Vorderseite des Viergöttersteins sieht man eine siebenzeilige Inschrift, die in Übersetzung folgendermaßen lautet: „Jupiter dein Besten und Größten hat Vic(cius) Seneca, Reiter der 22. Legion mit dem Beinamen Primigenia Antoniniana Pia Fidelius, seinem Gelübde entsprechend auf seinem Grund und Boden dieses Weihedenkmal gesetzt.“

Der Säulenschaft zeigt das typische Schuppenmuster, dem im übrigen eine keltische Formensprache zugesprochen wird, da die heilige Eiche als baumförmiges Götterbild auch den mächtigsten Gott, und damit Jupiter symbolisierte. Die Schuppen stilisieren die Baumrinde. Das Kapitell besteht aus einem doppelten Blattkranz, der einen bäuchlings liegenden, schlangenleibigen Giganten trägt, über den das Pferd des Gottes mit Schwung hinweg springt. Der relativ schlechte Erhaltungszustand der Säulenbekrönung machte unvermeidliche Ergänzungen notwendig.

Diesen in Gruben, Schächten und Brunnen versenkten, oft fast vollkommen erhaltenen Denk­mälern verdankt man wichtige historisch - archäologische Quellen zur Geschichte. Denn die Jupitersäulen sind unter anderem beste Beispiele für die Verquickung römischer und ein­hei­misch - keltischer Religiosität und damit Teil des „Romanisierungsprozesses“, der alle kulturellen Bereiche erfaßte. Mit dem „Jupiter Optimo Maximo“, dem Besten und Größten, konnte im Sinne der „interpretatio romana“ durchaus auch eine hohe keltische Gottheit gemeint sein, beispielsweise der Radgott. Auch die Darstellung eines Giganten bezwingenden, reitenden Gottes war in der keltischen Welt gleichermaßen verwurzelt.

Nach der Mitte des 3. Jahrhunderts nach Christus wurde die gesamte Region von ihren Bewohnern systematisch aufgegeben. Vieles spricht dafür, daß die nachrückenden Germanen daraufhin die ursprünglich farbig bemalten Sakraldenkmäler beseitigten oder zerstörten. Womöglich ging aber auch von der römischen Provinzverwaltung in Mainz vor dem Abzug eine geplante Entweihung und Räumaktion aus.

Die Schiersteiner „Jupitergigantensäule“ ist eine Nachbildung. Das Original wird im Landesmuseum in Wiesbaden aufbewahrt.

 

Saalburg:

Etwas unterhalb der Gaststätte geht nach Westen ein Weg ab, der nach 200 Metern zu der Jupitergigantensäule führt. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als weitere Attraktion für das gerade rekonstruierte Römerkastell Saalburg aufgestellt. Bei der Steinsäule handelt es sich um eine ergänzte Kopie eines Denkmals aus Mainz,   die von einem Bildhauer in Kalkstein nachgearbeitet wurde.

Das Original war dort im Bereich der ehemaligen römischen Siedlung in völlig zerstörtem Zustand ausgegraben worden. In mühevoller Kleinarbeit konnten die nahezu 2000 Bruchstücke aus Kalkstein wieder zu einer Säule zusammengesetzt werden. Die originalen Teile befinden sich heute im Landesmuseum   Mainz

Von der Statue des Jupiter aus vergoldeter Bronze, die das Denkmal bekrönte, wurden nur wenige Stücke gefunden. Sie wurde  nach besser erhaltenen Vorbildern rekonstruiert. Nicht alle abgebildeten Gottheiten ließen sich eindeutig bestimmen. Das ganze Denkmal einschließlich Statue mißt 12, 50 Meter. Die Säule war ursprünglich bemalt. Der Opferaltar zeigt eine ähnliche Inschrift wie die Säule in verkürzter Form. Darüber hinaus sind Geräte dargestellt, die bei Opferzeremonien gebraucht wurden.

 

Wölfersheim - Melbach:

Ein Bauer entdeckte beim Pflügen ein Stück Sandstein   mit den Resten einer lateinischen Inschrift: „Lucius Quintionius Servianus“. Das Fragment gehört zu einer fast zwei Jahrtausende alten römischen Jupitersäule. Durch Luftbilder waren die Archäologen auf ein Feld in der Nähe des Wöl­fersheimer Ortsteils Melbach aufmerksam geworden. Sie vermuteten dort mehrere römische Gutshöfe. In einer solchen „villa rustica“ lebte wohl besagter Lucius Quintio­nius Servianus.

Aus der Inschrift geht hervor, daß er Soldat unter Kaiser Caracalla (Anfang 3. Jahrhundert nCh) war. Er lebte wahrscheinlich als Veteran einer Reitereinheit in dem Gut, in dessen Hof er die Säule errichtet hatte. Eine nahezu unversehrt erhaltene Inschrift von Militärveteranen ist äußerst selten. Die Jupitersäule stand wohl in einem abgetrennten Bezirk des Hofes - wie einen „Herrgottswinkel“ - muß man sich das aus heutiger Sicht vorstellen. Der Ruhesitz des Veteranen war riesig ‑ allein die Vorderfront des Wohnhauses maß 42 Meter.

Monumente zu Ehren des höchsten römischen Gottes Jupiter waren in der Römerprovinz Obergermanien nicht unbedingt ungewöhnlich. Doch nach dem Abzug der Römer 260 nCh sind sie häufig abgetragen oder zerschlagen worden. Manche Steine wurden im Mittelalter zum Kirchenbau verwendet. Jupiter, der in antiken Darstellungen häufig ein Blitzbündel trägt, wurde als Herrscher über das Himmelslicht und das Wetter verehrt. Da er als Urheber aller Naturgewalten galt, war er spezieller Schutzherr der Bauern.

Die Säule war keine Billigsäule, denn sie besitzt ungewöhnlich gut ausgearbeitete Reliefs. Beim „Zusammenpuzzeln“ der Einzelteile wurden die Kriegsgöttin Minerva, Herkules und Venus und verschiedene Wochengötter erkannt. Farbreste sind Indizien dafür, daß die Er­richter der Säulen es auch schon gerne bunt hatten. Es ist geplant, eine Rekonstruktion des Weihesteins in Originalgröße im Hof zu präsentieren.

Aus dem unteren Säulenteil mit einer Inschrift läßt sich rekonstruieren, daß die Säule einem römischen Soldaten gehörte, der auf einem kleinen Bauernhof, einer „villa rustica“, an der Trasse zwischen den Kastellen Echzell und Friedberg wohnte. Die Inschrift gibt auch die militärische Einheit und den Kaiser preis, für den der Soldat gekämpft hat. Dadurch ergibt sich daß die Säule etwa aus den Jahren 211 bis 222 nach Christus stammt.

Der untere Teil beschreibt auch, wem die Säule gewidmet ist: dem Gott Jupiter, dem Schutzgott der Bauern. Über der Schrift sind andere Götter wie Minerva, Herkules, Merkur, Venus und Saturn in den Stein eingemeißelt.

Der längste Teil der Säule hat ein Schuppenmuster. Dies deutet darauf hin, daß der Besitzer ursprünglich aus Gallien kam, ein Gallo ‑ Römer also, denn die Schuppen sind ein typisch keltisches Muster (so lautet wenigstens eine Theorie).

Knapp sechs Meter über dem Boden thront das Götterpaar Jupiter und Juno. Darin liegt die besondere Bedeutung der Säule: Säulen hatte fast jeder römische Bauernhof   (wenn auch nicht immer so große), aber die meisten zeigten an der Spitze nur Jupiter und nicht auch seine Frau Juno.

Genau 3736 Fragmente haben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus dem Boden gelesen und dem Darmstädter Diplom ‑ Ingenieur Klaus ‑ Jürgen Rau zum Restaurieren gebracht. Nur 86 Teile hat er davon allerdings gebrauchen können. „Der Rest ist meine Schöpfung“, erklärte er stolz. Dabei hat der Restaurateur aber nichts dem Zufall überlassen, alles ist genauestens rekonstruiert.

Vor dem Museum Echzell steht seit August 2002 die Jupitersäule, die am Melbacher Kreuz gefunden wurde und ein Gewicht von 1,5 Tonnen hat.

 

Frankfurt:

Der Hauptort der   römischen Provinz   (Nida) liegt heute im Stadtgebiet von Frankfurt am Main in den Gemarkungen Heddernheim und Praunheim. Seit Jahren fin­den hier Ausgrabungen im Rahmen der archäo­logischen Denkmalpflege statt. Im Dezember 2003 konnte das Frank­furter Denkmalamt in einem Brun­nen   gleich   zwei   vollständige Jupiter - Giganten­säulen bergen. Die­ser Befund kann als Sensation bezeichnet werden, da nicht nur die einzelnen Elemente der Säulen voll­ständig vorhanden sind, sondern auch die Qualität der Stein­metz­­ar­beiten herausragend ist. Gleichzeitig wirft der Fund ein bezeichnendes Licht auf die Vorgänge in der römi­schen Stadt im 3. Jahrhundert nach Christus.

Als öffentlicher religiöser und auch durchaus kostspieliger Ausdruck einer in der Regel privaten Stiftung belegen die Inschriften neben dem Namen des Stifters häu­fig auch seine soziale Stellung und das Datum der Auf­stellung, was diesen Steindenkmälern besonderen   Wert verleiht. Während auf einer der Säulen lediglich die Weiheformeln für Jupiter und seine Frau Juno eingemeißelt wur­den, kann aufgrund der umfangreicheren   Inschrift   der anderen Säule hier das Aufstellungsjahr 228 nach Christus genannt   werden. Die   Restaurierung und   die   wissen­schaftliche Aufarbeitung der Neufunde stehen jetzt an erster Stelle

Auf dem Gebiet der Römerstadt „Nida“ sind allein 30 dieser Jupitersäulen entdeckt worden. Die Weihedenkmale finden wir aber auch nahe den   römischen Einzelgehöften, den „Villae rusticae“. Die große Anzahl heiliger Säulen zeigt, wie prägend sie für das Stadt- und Landschaftsbild gewesen sein müssen.

 

Bruchköbel - Butterstadt:

Ein Gutshof mit Jupitergiganten ‑ Säule lag 250 Meter nord­westlich des Ortes.

 

Maintal - Wachenbuchen:

Beim Umbau der Kirche im Jahre 1903 wird ein Viergötterstein gefunden, der im alten Mauerwerk verbaut war. Der Stein war wohl der Fuß einer Gigantensäule, die vor einem Gehöft am Weg aufgestellt war. Es handelt sich um einen roten Sandstein 66 mal 44   mal 43 Zentimeter groß. In den Nischen sind dargestellt Juno, Mercur, Hercules und Minerva. Heute befindet er sich im Museum Hanau- Mittelbuchen.

Man muß sich natürlich fragen, wie dieser Stein in die Kirche kam. Es kann sein, er wurde einfach achtlos als Baumaterial benutzt und stammt aus den Ansiedlungen in Kesselstadt oder Mittelbuchen. Es kann aber auch sein, daß er bewußt schon in einen Vorgängerbau der Kirche eingebaut wurde (der allerdings nicht nachgewiesen ist). Dann könnte es wiederum sein, daß die Kirche ihn dort haben wollte, um den Sieg über das Heidentum zu dokumentieren: Ihr dürft jetzt nicht mehr eure alten Götter anbeten, jetzt ist die Kirche der Ort der Anbetung!

Es könnte aber auch sein, daß ein Maurer den Stein heimlich in die Kirche einbaute; er wäre dann ein Verehrer der alten Götter gewesen und hätte den Gegenstand seiner Verehrung gewissermaßen in dem neuen Bauwerk gesichert und beim Besuch der Kirche in Wirklichkeit die alten Götter verehrt.

Es gibt aber viele solcher Steine, die in Kirchen eingebaut wurden. Es gilt wohl nur darum, daß   man die großen Steine als Baumaterial nutzen wollte, denn immerhin waren sie schon   behauen und erforderten keine Arbeit mehr.

 

 

Dieburg:

Im Jahre 1924 fand man am südlichen Ortsausgang von Dieburg das 1,50 Meter hohe Unterteil einer qualitätvollen Jupitergigantensäule aus gelbgrauem Sandstein. Auf dem Viergötterstein, der Säulenbasis, sind Juno, Herkules, Vulkan und Ceres abgebildet, während der siebeneckige Zwischensockel die Wochengötter zeigt, von denen Sol, Luna, Mars und Merkur noch gut erhalten sind. Die beiden unteren Ränder des Wochengöttersteins tragen die Inschrift „(Den dargestellten Göttern geweiht) von Licinius Ob ..., Ratsherr der Civitas Auderiensium, und Messoria Tetrica, seiner Gattin, die für erwiesene Wohltat (ihr Gelübde) gern und freudig (erfüllt haben)“ Mit diesem Fund ließ sich Dieburg als Hauptort der Civitas Auderiensium zuweisen.

 

Breuberg:

Im Museum Breuberg befindet sich ein Viergötterstein.

 

Obernburg:

Im Römermuseum befinden sich Teile einer Jupitergigantensäule. Den Museumsparkplatz überragt die Rekonstruktion einer Jupiter - Gigantensäule. Dargestellt ist auf dieser Säule unter anderem das Sonnenrad, aus dem sich später das Mainzer Wappenrad entwickelt haben soll. Es kann auch als Hinweis auf die spätere Geschichte Obernburgs verstanden werden.

 

Hummetroth:

In der sogenannten „ Haselburg“ steht   die Kopie einer Säulentrommel der Jupitergiganten­säule aus dem Heiligtum.   Sie stand etwa in der Hofmitte, etwa 50 Meter westlich vom Haupt­gebäude entfernt. Wenn man durch das Nordwesttor in den Gutsbezirk kam, gelangte man an dem Jupiterheiligtum vorbei zum Hauptgebäude. Es kann als Glücksfall gelten, daß hier einmal der genaue Standort einer Säule festgestellt worden ist. Meist finden sich nur die Bruchstücke der als heidnische Götzenwerke zerschlagenen und vergrabenen Säulen. Dieses Schicksal hat allerdings auch die Säule von der Haselburg erlitten.

Die Säule bestand aus zwei mehrseitigen Sockeln mit Götterdarstellungen und einem hohen Schaft, darauf eine Gruppe, bestehend aus Jupiter zu Pferd und einem Giganten. Die - übliche - Jupitergigantensäule des Gutshofes war ungewöhnlich groß. Sie stand in einem rund 17 mal 10 Meter großen rechteckigen, durch eine Innenmauer geteilten Mauergeviert.

Im   Jupiterheiligtum war der Standplatz - bisher nur durch Steine markiert - einer Jupiter­gigantensäule. Diese gehört zu einem keltisch - römischen Kult, der nicht in Italien, sondern in den römischen Nordprovinzen verbreitet war. Im Raum hinten steht das Fundament und eine Säulentrommel der Jupitergigantensäule. Die Säule bestand zwei mehrseitigen Sockeln, dem Schaft und einer Figurengruppe (Jupiter zu Pferd und Gigant). Ihre Höhe wird auf annähernd zehn Meter geschätzt.

 

Erbach - Eulbach:

Der Viergötterstein ist das archäologische Sahnestück der Sammlung im Park Eulbach. An den Seiten lassen sich noch schemenhaft die Götter Juno, Merkur, Herkules und Minerva erkennen. Auch dieser Stein stammt vermutlich aus dem Würzberger Kastell und war in der Stadtkirche von Michelstadt eingemauert.

 

 

 

 

Die Römer in Hessen

(Informationstafeln an der römischen Siedlung in Breuberg)

 

Das römische Grenzheer:

 Das römische Heer der Kaiserzeit bestand aus Legionen, Hilfstruppen (Auxiliareinheiten) und Flotten. Die Hilfstruppen waren wiederum in kleinere Einheiten unterteilt, die in den verschiedensten Regionen des Reiches ausgehoben wurden. Hiervon berichten zum Teil auch ihrer Namen, über die wir durch verschiedene Funde unterrichtet sind. Historische Quellen existieren zumeist nicht.

Ein Beispiel für die zum Teil beträchtlichen Entfernungen, die Soldaten und ihre Einheiten zurücklegten, ist die cohors I. Flavia damascernorum militaria equitata sagittariorum (I. flavische Damaszenerkohorte), die in Friedberg stationiert war und ursprünglich aus Damaskus stammte.

 

Römische Zivilarchitektur:

Landgüter und Gutshöfe wurden nach Vorbildern aus dem Mittelmeerraum angelegt. Das Wohnhaus war umgeben von einem Garten und war getrennt von Ställen, Scheunen und Schuppen. Jeder Hof besaß eine Badeanlage. Außerhalb der Gutshöfe finden sich regelmäßig kleine Friedhöfe, in denen die Mitglieder der Hausgemeinschaft beerdigt wurden.

Römische Güter arbeiteten weitgehend autark. Es wurde Getreide, Gemüse und Früchte angebaut und Tiere gehalten. Sie bildeten damit das wirtschaftliche Rückgrat der Besiedlung und des Heeres.

 

Feldzüge:

Augustus:

Gaius Octavius erhielt nach dem Tod des Vaters und der Adoption durch den Stiefvater Gaius Julius Cäsar den Namen „Gaius Octavianus“. Er selbst nannte sich unter Weglassung von Gaius Julius nur „Cäsar“. Im Jahre 27vCh wurde ihm der Ehrenname „Augustus“ (= der Erhabene) verliehen, der dann von der Öffentlichkeit und der Geschichtsschreibung übernommen wurde. Während seines Aufenthaltes zwischen 18 und 13 vCh in Gallien legte er den Grundstein für die militärischen Offensiven der Jahre nach 13 vCh.

 

Drusus:

Seit der Eroberung Gallien durch Cäsar (56-49 vCh) bildete der Rhein die Grenze des römischen Imperiums. Es kamen jedoch immer wieder germanische Vorstöße in das Reichsgebiet vor, so daß sich Augustus im Jahre 19 vCh. (?), entschloß, eine Gegenoffensive zu beginnen, die von dem Feldherrn Drusus geleitet wurde. Die Operationen begannen an den niederrheinischen Basen und galten zunächst den Usgern (?) und Bugambrern (?). Nachdem auch die Chatten, ein Stamm dessen Kerngebiet im nördlichen Hessen lag, sich dem Bündnis der germanischen Stämme gegen Rom anschlossen, begannen auch gegen sie Feldzüge in den Jahren 15 (?) und 9 vCh.

 

Tiberius:

Nach dem tödlichen Unfall des Drusus während eines Feldzugs wurde sein Bruder Tiberius sein Nachfolger. Tiberius war Sohn des Octavian, Stiefsohn des Augustus. Er leitete verschiedene Feldzüge der Römer gegen die Germanen. Es gelang ihm, den germanischen Widerstand zu brechen. Die besiegten Stämme wurden zum Teil umgesiedelt, zum Teil durch Verträge an Rom gebunden. Im Jahre 14 nCh wurde er Nachfolger des Augustus in Rom, das er bis 37 nCh regierte.

 

Germanicus:

Unter Führung des Tiberius führte Germanicus zwischen 14 nCh und 18 nCh mehrere Feldzüge rechts des Rheins durch. Aus den Jahren nach dem Sieg des Tiberius über die Germanen ist kaum historische Überlieferung bekannt. Aus unbekannten Gründen brach danach jedoch erneut ein Aufstand aus, der die meisten germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe erfaßte und in dessen Verlauf es zur sogenannten „Varusschlacht“ oder „Schlacht im Teutoburger Wald“ kam, bei der etwa 20.000 Soldaten den Tod fanden. Diese größte Niederlage in der römischen Geschichte bedeutete einen großen Schock für das Imperium und es fanden bis 18 nCh keine Feldzüge mehr statt. Erst dann setzten sie unter der Leitung des Germanicus erneut an. Auch ihm gelang ist nicht, die Germanen zu besiegen. Tiberius brach darauf die Feldzüge ab.

 

Neue Grenzen unter Vespasian und Domitian

Nachdem es in den Jahren 69 und 70 wieder zu Aufständen der Germanen gekommen war, begann Kaiser Vespasian, die Verhältnisse an der Rheingrenze neu zu ordnen. Die Truppen stärken wurden deutlich erhöht, das rechtsrheinische Gebiet zwischen Mainmündung und Neckar besetzt und mit Kastellen gesichert (Groß - Gerau, Ladenburg und Heidelberg). Mit der Gründung neuer Militärposten in Frankfurt - Domhügel, Frankfurt - Heddernheim, Okarben und Friedberg) schoben sich die römischen Truppenerneut bis in die Wetterau vor. Unter dem Kaiser Domitian (Regierungszeit 83 - 96), Sohn des Kaisers Vespasian, begannen 83 bis 89 erneut Feldzüge gegen die Chatten, die jedoch zu keinem für die Römer befriedigenden Ergebnis führten. Hierbei wurde jedoch die spätere Grenzziehung des Limes festgelegt, mit dessen Ausbau etwa im Jahre 89 nCh begonnen wurde.

Kaiser Domitian war Nachfolger seines Bruders Titus und Sohn des Kaisers Vespasian. Er führte 93 nCh mit mehr als 30.000 Soldaten einen Feldzug in das mittel- und nordhessische Gebiet durch.

 

Im 3. Jahrhundert - der Limes wird überrannt

Die Phase des Untergangs des rechtsrheinischen Gebiets begann 213 nCh, nachdem ein neuer germanischer Stammesverband, die Alamannen, den Limes immer wieder angriffen. Die Bevölkerung trafen diese erneuten Angriffe germanischer Stämme wie ein Schock. Man flüchtete in aller Eile, und es wurden häufig wertvolle Gegenstände versteckt, wie archäologische Funde belegen. Im Jahre 236 (?) trat eine kurze Friedenszeit ein, die jedoch bereits 268 / 269 (?) wieder endete, bis erneute Alamanneneinfälle stattfanden. Sie führten zur endgültigen Aufgabe des Limes und zum Rückzug der Römer.

 

 

 

Kastelle und andere Spuren der Römer  in Hessen

(Nur die Namen in  alphabetischer Reihenfolge, Einzelheiten bei den einzelnen Orten):

 

Altenstadt, Arnsburg, Aschaffenburg - Nilkheim, Bad Homburg - Saalburg, Bad Nauheim - Rödgen, Bad Vilbel, Bad König  (Gutshof. „Wamboltsches Schlößchen“),  Bickenbach  (nur Brücke), Butzbach, Dieburg, Dreieichenhain (nur römischer Grabstein), Dreieich-Götzenhain (römischer Gutshof mit Kalkbrennofen), Echzell, Erbach - Eulbach, Erbach - Hainhaus, Felsberg - Felsenmeer (Steinbruch),  Florstadt - Ober-Florstadt, Frankfurt am Main, Frankfurt - Höchst (zwei Verteidigungsgräben, Ziegelei), Friedberg,  Friedberg -  Ockstadt, Gernsheim,  Großkrotzenburg, Groß - Umstadt (römischer Gutshof unter der Stadtkirche),  Hainburg, Hanau - Kesselstadt,  Heppenheim (Gutshof und Straßenstück), Hesseneck,  Heidekringen, Hofheim  (zwei Siedlungen), Holzhausen an der Haide,  Hummetroth, Hungen, Kapersburg, Mainz - Kastel (siehe Wiesbaden), Kemel,  Lorsch (Relief eines römischen Schuhs),  Lützelbach (bei

Wiebelsbach-Heubach),  Mainz, Marköbel,  Michelstadt (Merkurrelief), Miltenberg,  Münzenberg (Turm,  Gutshöfe),  Niddatal -  Assenheim (Altäre), Niddatal - Bönstadt, Niddatal - Kaichen (Gutshof), Nidderau-Heldenbergen,  Niedernberg, Obermörlen- Langenhain, Obern­burg, Riedstadt – Goddelau (Brücke), Rückingen, Rüsselsheim (Straßenturm), Seckmauern (Gemeinde Lützelbach), Seligenstadt, Stockstadt am Main, Trebur (Weiheinschrift), Trennfurt (bei Klingenberg), Weiterstadt ( Grabstein),  Wiesbaden, Wölfersheim - Wohnbach (Straßenturm,  Gutshof), Wörth,  Würzberg,  Zugmantel,  Zullestein.

 

 

 

Der Limes ‑ ein römischer Grenzwall

 

Zeittafel

2. Jahrh. vCh

In der Gegend leben keltische Stämme

erste Hälfte 1. Jahrhundert

Die ersten Germanen lassen sich hier nieder, doch bleibt die Grundbevölkerung keltisch

58-51

Caesar erobert Gallien; dadurch wird der Rhein zur Grenze des Römerreichs

12 vCh

Beginn der Germanenfeldzüge unter Kaiser Augustus mit dem Ziel, statt des Rheins die Elbe als römische Grenze zu gewinnen

9  nCh 

Niederlage des Varus, Verlust von 3 Legionen

16 nCh

Tiberius bricht die Germanenfeldzüge ab.  Der Rhein bleibt Grenze.

73

Bau einer Straße durch den Statthalter Cn. Pinarius Clemens von Straßburg zur Donau: Besetzung rechtsrheinischer Gebiete einschließlich der Wetterau.

83 - 85

Kaiser Domitian führt Krieg gegen die Chatten. Endgültige Eroberung des rechtsrheinischen Limesgebiets. Erste römische Spuren und Baureste am Limes, auch bei der Saalburg.

88 - 89

Rebellion des obergermanischen Statthalters L. Antonius Saturninus; sie wird vom römischen Heer der Nachbarprovinz Niedergermanien niedergeschlagen. Zerstörungen am Limes durch die Chatten; danach Neuaufbau und Neuorganisation des Limes. Das kleine Holzkastell der Saalburg wird errichtet.

um 135

Die 2. Räterkohorte wird auf die Saalburg verlegt; sie baut ein größeres Kastell

Erste Hälfte bis Mitte d. 2. Jahrhundert

Eine Zeit der friedlichen Entwicklung. Hinter dem Limes entstehen kleine städtische Mittelpunkte, Straßen sowie zahlreiche Landgüter und Bauernhöfe mit Steinbauten

Zweite. Hälfte des 2. Jahrhunderts

Mehrfache Bedrohung des Grenzgebietes durch Germanenstämme. Vorboten der beginnenden Völkerwanderung. Die Saalburg wurde - wohl in den achtziger Jahren des Jahrhunderts - zerstört, aber so­gleich wieder aufgebaut

233

Zerstörung der Saalburg durch die Alamannen. Danach Wiederaufbau, jedoch dann weitere Germaneneinfälle und zeitweise schwächere Besetzung durch die Römer

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Der Limes und damit auch die Saalburg werden von den Alamannen endgültig erobert. Der Rhein wird von nun an bis zum Ende des Römerreichs wieder Reichsgrenze. Die Saalburg zerfällt und gerät in Vergessenheit

seit 1853

Ausgrabungen in der Saalburg

1898 - 1907

Teilweise Rekonstruktion der Saalburg über den alten römischen Fundamenten

                              

Das Wort „Limes“ kommt ursprünglich aus dem landwirtschaftlichen Bereich und bezeichnete den Feldrain oder die Ackergrenze. Das Wort entstammt damit der Fachsprache der römischen Landvermesser und bedeutete ursprünglich „Weg, Pfad, Schneise durch Feld und Wald, Besitzgrenze“ (Frontinus, Strategemata I 3,10).

In militärischen Zusammenhängen bezeichnete „limes“ eine offene Bahn oder auch eine freigeschlagene Waldschneise, die Truppenbewegungen gestattete. In dieser Bedeutung verwen­dete auch Caesar diesen Fachausdruck (51 vCh.). Auch in der Zeit der Germanenkriege (12 vCh - 16 nCh ) unter den Kaisern Augustus und Tiberius wurde das Wort in diesem Sinne gebraucht und noch später während der Chattenkriege des Kaisers Domitian (83 - 85 nCh).

Gleichbedeutend mit militärischer Rollbahn - in Form von Militärstraßen mit daran postierten Truppen - erscheint der Begriff „limes“ auchbei dem Schriftsteller Tacitus (98 nCh). Vom ihm wurde der lateinische Begriff „limes“ als Bezeichnung der Grenze des Römischen Reiches erstmals verwendet. Aber der erweiterte Bedeutungsinhalt im heutigen Gebrauch wurde erst im Laufe der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts nCh. auf den Militärbereich übertragen und umfaßte alle Organisationsstrukturen wie Verbindungswege, Wachttürme und Truppenlager.

 

Der römische Limes ist mit rund 550 Kilometern Länge das größte archäologische Kulturdenkmal Europas. Bis heute sind Teile der Grenzbefestigung im Gelände zu erkennen. Über 60 Militärlager (andere Angabe: mehr als hundert) und mindestens 900 Wachtürme säumten seinen Verlauf. An vielen Stellen wurden Reste der Anlagen ausgegraben und konserviert. Teilrekonstruktionen vermitteln ein lebendiges Bild ihres ehemaligen Aussehens.

Der Limes verläuft durch die unterschiedlichsten Landschaften, lange Strecken befinden sich in den Waldgebieten von Taunus und Odenwald, er überwindet große Höhenunterschiede ohne Rücksicht auf vorhandene Geländeformationen.

In Bayern liegen 158 Kilometer, in Baden ‑ Württemberg 164 Kilometer (hier verläuft er auf einer Strecke von 80 Kilometer schnurgerade durch die Landschaft). Während in Obergermanien die Grenze durch Palisade, Wall und Graben markiert wurde, errichtete man im rätischen Abschnitt eine durchgehende Mauer aus Stein. Diese Meisterleistung römischer Ingenieurskunst beeindruckt noch heute. Im hessischen Abschnitt von etwa 150 Kilometern ist sein ehemaliger Verlauf stellenweise noch sehr gut im Gelände auszumachen. Rheinland ‑ Pfalz ist nur mit 75 Kilometern von dem römischen Grenzwall aus den ersten beiden Jahrhundert nach Christus berührt.

Weltweiter Limes

Der neue Kandidat für die UNESCO-Liste bedeutet zugleich die Erweiterung des bereits

1987 eingetragenen Hadrianswalls in Großbritannien. Unter der Bezeichnung „Grenzen des Römischen Reiches (Frontiers of the Roman Empire) bilden beide Denkmale die ersten Teilabschnitte eines „trans- nationalen Weltkulturerbes“, das einmal mehr als 20 moderne Staaten umfassen soll - dies ist allerdings noch Theorie.

Tatsache ist, daß sich Spuren der Außengrenzen des Imperium Romani, das seine größte  Ausdehnung im 2. Jahrhundert erreicht hatte, zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer, bis in den Nahen Osten und nach Nordafrika verfolgen lassen. Aber eben nur Spuren. Das Problem bleibt die Kulisse, die es nicht gibt. Der Limes ist ein leises Denkmal, das mit Muße entdeckt werden will, weil seine Schätze zu einem großen Teil unter der Erde liegen. Das erhabene Monument, das auch den Laien sofort vor Bewunderung erschauern läßt, sucht man vergeblich.

Auf dem europäischen Kontinent folgten die Grenzen des Römischen Reiches auf weiten Strecken dem Verlauf von Rhein und Donau.  Wo dies nicht möglich war, wurden spezielle Sicherungsanlagen zur Grenzkontrolle installiert. Grenzen mit besonderen Sicherungsanlagen:

  • Antoniuswall (England)
  • Hadrianswall (England)
  • Obergermanisch - Rätischer Limes
  • Dakischer Limes (Rumänien)
  • Arabischer Limes
  • Afrikanischer Limes

Es braucht schon einiges an Vorwissen, damit man erkennt, daß der Obergermanisch-Rä­tische Limes, der heute die Bundesländer Rheinland - Pfalz, Hessen, Baden - Württemberg und ­
Bayern umfaßt, weit mehr als eine Grenze, nämlich eine Kulturleistung ersten Ranges war. Umfaßt er doch keineswegs nur Befestigungen und Militäranlagen: Im Hinterland entstand eine hochentwickelte Infrastruktur aus Städten, Dörfern und Landgütern mit entsprechender Verwaltung, die in vielen Bereichen wie Schrift, Recht oder Münzwesen bis in unsere Zeit nachwirkt.

 

 

Geschichte des Limes

Der römische Feldherr Gaius Julius Caesar hatte in der Mitte des 1. Jahrhunderts vCh Gallien erobert und damit den Rhein zur römischen       Grenze gemacht: Die Völker Galliens bewohnten damals das heutigen Frankreich. Belgien, die Westschweiz und den größten Teil des linksrheinischen Deutschland.

Den Römern wäre es beinahe gelungen, Germanien damals schon zur Provinz zu machen. Archäologische Entdeckungen in den letzten Jahren zeigen, daß man mit der Urbanisierung des Gebietes bereits begonnen hatte. Eine römische Stadtgründung dieser Zeit wurde in Lahnau - Waldgirmes bei Wetzlar ausgegraben. Unter Kaiser Augustus (27 vCh ‑ 14 nCh) existierten noch Pläne zur Eroberung des gesamten germanischen Gebietes bis zur Elbe. Nach der Niederlage im Jahr 9 nCh im Teutoburger Wald wurden diese Pläne jedoch wieder aufgegeben.

Die Römer mußten sich hinter den Rhein und die Donau zurückziehen. Unter Kaiser Augustus festigten die Römer ihre Herrschaft in Mitteleuropa. Im Jahre 15 vCh unterwarfen Tiberius und Drusus, die beiden Stiefsöhne des Kaisers, die Alpenvölker und dehnten den römischen Machtbereich über das Alpenvorland bis an die Donau aus.

Jetzt konnte der Kaiser den Plan fassen, die Grenze des Römerreichs vorn Rhein an die Elbe vorzuverlegen. Nach langen Kämpfen scheiterte der Plan an dem zähen Widerstand der Germanen und an den schwierigen Bedingungen, die das Heer in dem für die Römer fremdartigen Lande    vorfand.

Als im Jahr 16 vCh die Sugambrer in römisches Gebiet eindrangen, nahm dies Kaiser Augustus zum Anlaß für einen Krieg gegen die Germanen jenseits des Rheins, mit dem Ziel, die römische Herrschaft bis zur Elbe auszudehnen. Bereits ein Jahr später wurden die Alpen erobert, um den direkten Zugang von Italien nach Norden zu sichern. Drei Jahre darauf fand die großangelegte Offensive gegen das rechtsrheinische Germanien statt. Von besonderer strategischer Bedeutung war dabei die Wetterau, die im Jahre 10 vCh als Aufmarschgebiet gegen die Chatten diente. Im Zuge dieser Operation wurden in der Wetterau mehrere Militäranlagen errichtet.

Im sogenannten Vierkaiserjahr 69 nCh hatte sich gezeigt, daß die schlechte Verbindung zwischen der Rhein- und der Donaugrenze eine Bedrohung für die eroberten Gebiete darstellte. Die linksrheinischen Stämme erhoben sich gegen die römische Herrschaft. Stämme aus dem freien Germanien nutzten die Gelegenheit zu Überfällen auf römisches Territorium. Wie ein Keil ragte der Landstrich zwischen Odenwald, Schwarzwald und Schwäbischer Alb in das eroberte Gebiet hinein, schnelle Truppenverlegungen waren deshalb nicht möglich. Hier sollte der Limes Abhilfe schaffen.

Im Jahre 69 nCh gelangte der römische Heereskommandeur Vespasian an die Macht. Aus seiner Zeit als Statthalter in Germanien wußte er um die Unzulänglichkeiten der Grenzregelung in der Region. Während seiner Regierungszeit wurden daher Maßnahmen zur dauerhaften Sicherung der Gebiete rechts des Rheins und links der Donau eingeleitet. Die Wetterau wurde wieder in das römische Reichsgebiet einbezogen. Neue Militärlager für Hilfstruppen entstanden.

 

Erst unter Kaiser Vespasian erfolgte in den siebziger Jahren des ersten  Jahrhunderts nCh eine erneute Besetzung rechtsrheinischer Gebiete. Nach der endgültigen Aufgabe der Eroberungspläne siedelte man rechts des Rheins germanische Stammesgruppen an, die den Römern Milizdienste leisteten, so unter anderem im Main - Mündungsdreieck und im Hessischen Ried bei Groß - Gerau. Am Oberrhein sicherte unter Kaiser Claudius eine Reihe von Kastellen beiderseits des Flusses eine breite, nicht fest abgegrenzte Pufferzone.

Nach Gründung der Provinz „Germania Superior“ um 85 nCh begannen die Römer zu Beginn des 2. Jahrhunderts nCh ihre rechtsrheinischen Gebiete durch derartige Einrichtungen zu sichern. Unter Kaiser Vespasian (69 ‑ 81 nCh) kam es zur Anlage erster Kastelle am oberen Neckar.

Seit sein Nachfolger Kaiser Tiberius 16 nCh die Germanenfeldzüge abbrechen ließ, blieben daher der Rhein und die obere Donau vorerst Grenze. Kaiser Vespasian (69 - 79 nCh) entschloß sich, das Land zwischen Rhein und Donau besetzen zu lassen. Damals nahmen die Römer auch das Untermaingebiet und die Wetterau in Besitz. Kaiser Domitian (81 - 96 nCh) führte die Eroberung zu einem vorläufigen Abschluß.

Im heutigen West- und Süddeutschland errichteten die Römer neue Provinzen: Das Alpenvorland wurde unter Claudius (41 - 54) der Provinz Rätien mit der Hauptstadt Augsburg zugeschlagen; unter Domitian (81 - 96) entstanden im Jahr 85 nCh im Gebiet um Rhein, Main und Neckar die Provinzen Germania inferior und superior (Nieder- und Obergermanien) mit den Hauptstädten Köln und Mainz.

Vespasians Sohn Domitian unternahm in den Jahren 83 - 85 nCh einen Feldzug gegen die nördlich des Taunus und der Wetterau siedelnden Chatten, die mit ihren Übergriffen eine ständige Bedrohung darstellten. In kleinen Kampftrupps fielen sie in römisches Gebiet ein und zogen sich danach in die schwer zugänglichen Wälder zurück. Zur besseren Kontrolle ließ Domitian daher Schneisen (limites) schlagen und legte damit den Grundstein für die erste Bauphase des Limes.

Über den Verbleib der einheimischen germanischen Bevölkerung im Limesgebiet gibt es bisher keine sicheren Erkenntnisse. Man nimmt an, daß sie wohl unter römischen Einfluß gelangte. Außerdem zog nach neuen Erkenntnissen römische Bevölkerung aus dem linksrheinischen Gebiet nach.

Trajan (98 - 117 nCh)  war es, der um 100 nCh zum Schutz vor möglichen Einfällen der Germanen erste Patrouillenwege entlang der Grenze anlegen ließ - der Beginn des Limes. Zum Schutz des er­oberten Gebiets zogen die Römer eine befestigte  militärisch gesicherte Grenze, den Limes. Truppen aus dem Hinterland wurden an die Grenzlinie verlegt. Etwa um 100 nCh unterteilte man die Provinz Obergermanien in zivile Verwaltungseinheiten (civitates), vergleichbar mit den heutigen Land kreisen.

Die danach einsetzende lange Friedensperiode am Limes bildete die Grundlage für die wirtschaftliche Blüte der Region. Die Bevölkerung wuchs, Siedlungen und Straßen wurden angelegt, Landwirtschafts- und Handwerksbetriebe entstanden und erwirtschafteten Überschüsse, was wiederum einen regen Handel zur Folge hatte.

 

Bis um die Mitte des 2. Jahrhunderts nCh verlief die Grenze Obergermaniens vom Rhein bei Neuwied über die Taunushöhen, den nördlichen und östlichen Wetteraurand, am Main entlang und durch den Odenwald, am Neckar und über die Schwäbische Alb bis nach Rätien. Unter Kaiser Antoninus Pius (138 ‑ 161 nCh) nahmen die Römer noch einmal eine Grenzkorrektur vor, indem sie die Odenwald ‑ Neckarlinie bis zu 25 km weiter nach Osten vorverlegten. Zwar waren nur wenige Jahre zuvor (145 / 146 nCh) die bis dahin aus Holz errichteten Wachtürme am Limes durch Steinbauten ersetzt worden, doch hatte diese Tatsache das römische Oberkommando nicht davon abgehalten, den neuen Limesabschnitt kurz danach einzurichten. An diesem Vorderen Limes entstanden die Wachtürme sofort in Stein. Daneben richtete man wieder einen Patrouillenweg sowie die Palisade ein. Auch die an der älteren Linie liegenden Kastelle wurden geräumt, die Truppen in neuen Garnisonen an ähnlichen topographischen Plätzen am vorderen Grenzabschnitt stationiert.

Mit dem durch die Limesverschiebung erzielten Gebietsgewinn waren mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Zum einen waren Landschaften, deren natürliche land‑ und forst­wirtschaftliche Ressourcen nun für die Provinz zugänglich waren, erschlossen, des weiteren konnte der Besiedlungsdruck, der auf dem bisherigen Limeshinterland gelegen hatte, entschärft werden. Zum anderen kam nun der Neckar als wichtiger und kostengünstiger Verkehrsweg des Binnenhandels im gesicherten Hinterland zu liegen, was sicherlich im Hinblick auf einen von äußeren Einflüssen freien Warenverkehr zu begrüßen war. In dem neu hinzu gewonnenen Gebiet entstanden weitere zivile Verwaltungseinheiten, etwa die civitas Alisi­nen­sium mit dem heutigen Bad Wimpfen als Hauptort oder die civitas Aurelia G(ermaniae) S(uperioris) (?) im Raum zwischen Kocher und Jagst.

Mit der Errichtung des Limes hatte sich Rom von seiner ursprünglichen Expansionspolitik in Germanien verabschiedet. Die Sicherung der eroberten Gebiete stand nun im Vordergrund. Die Vorverlegung des Limes in einigen Abschnitten, zum Beispiel im Odenwald unter Antoninus Pius, diente nur der Abrundung des eigenen Territoriums.

Diese Demarkationslinie zog sich schließlich vom Mittelrhein bei Bad Hönningen über den Westerwald, den Taunus, die Wetterau, den Odenwald, die Schwäbische Alb und das Altmühltal bis nach Eining an der Donau - nordwestlich und südöstlich setzte sie sich auf den leichter zu kontrollierenden Flüssen fort. In ihrem Verlauf errichteten die römischen Truppen rund 900 Wachttürme und 60 Militärlager. Dennoch war der Limes auch in den späteren Ausbauphasen des 2. Jahrhunderts, als er erstmals den Eindruck einer geschlossenen Grenze vermittelte, nur ein gut organisierter, kontrollierter Abschnitt, der den Austausch von Personen und Gütern zuließ.

 

 

Zweck des Limes

Wer die taktische Aufgabe des Limes verstehen will, muß sich zunächst klarmachen, wie schwach die Besatzung der römischen Grenze war. In Obergermanien kamen auf den Kilometer im Durchschnitt nur rund 50 Mann. Der eigentliche Wachtdienst lag in den Händen von noch weniger Soldaten: die Abstände der Wachttürme betrugen zwischen 300 und 1000 Meter. Auf dieser Strecke waren nur die Mannschaften der Turmbesatzungen unmittelbar verfügbar; in den Türmen hielten aber lediglich vier bis fünf Mann Wache. Die übrigen Soldaten waren in den Limeskastellen stationiert, die mehrere Kilometer voneinander entfernt lagen.

Mit diesem dünnen Schleier von Hilfstruppen ließen sich größere Angriffe der Germanen nicht aufhalten. Das kann den römischen Offizieren, die nach jahrzehntelangen Erfahrungen den Limes geplant hatten und ihn lange Zeit aufrechterhielten, kein Geheimnis gewesen sein. So darf man davon ausgehen, daß es nie der Zweck des Limes war, in der Art einer Befestigungslinie germanische Völker aufzuhalten.

Die militärisch überwachte Grenze war nur gegen kleine, räuberische Überfälle gerichtet, zu denen das wirtschaftlich aufblühende Grenzland die Germanen verlockte. Eine römische Inschrift aus Ungarn spricht von Limeskastellen, die „den heimlichen Übergangsstellen des Raubgesindels entgegengestellt wurden“. Damit sind kleine, bewegliche Kampfgruppen der Germanen gemeint, die zu Raub und Plünderung einfallen wollten.

Die Anlage des Limes trug diesen Verhältnissen Rechnung. Die Grenzlinie war bis auf wenige Übergänge im Bereich von Kastellplätzen und alten Handelswegen hermetisch geschlossen, kleinere Übergriffe und Grenzverletzungen konnten effektiv unterbunden werden. Für etwa 150 Jahre bot die so geschaffene Grenze ausreichenden Schutz.

Der Limes markierte außerdem eindeutig die Reichsgrenze nach außen. Der obergermanisch-rätische Limes war niemals eine echte Verteidigungsanlage, sondern trennte lediglich eindeutig das Gebiet des Imperium Romanum vom Siedlungsgebiet der Germanen, der Germania magna. Er riegelte das Reich nicht hermetisch von dem davor liegenden freien Germanien ab, sondern durfte an festgelegten Punkten überschritten werden. So war den im Vorfeld siedelnden Einheimischen der Grenzübertritt zu den Markttagen gestattet.

Er ermöglichte ferner eine sichere Kontrolle über den Personen- und Warenverkehr an den Übergangsstellen. Bei großen Angriffen auf die Provinz, die stets als Bewegungskriege abliefen, griffen die beiden Legionen ein. In diesen Heeresverband wurden auch die Hilfstruppen vom Limes eingegliedert. Im Notfall konnten Truppenkörper aus anderen Provinzen zur Hilfe gerufen werden.

So war der Limes keine Verteidigungslinie, sondern nur eine überwachte Grenze. Das wird bei der Betrachtung der Bauzustände 1, 2 und 3 deutlich, die ja zusammen über ein Jahrhundert lang bestanden haben, aber nie in der Art antiker Wehrmauern verteidigungsfähig waren, denn die Palisade besaß keinen Wehrgang. Das Gleiche gilt für Wall und Graben im Bauzustand 4, die nur als Annäherungshindernisse dienten. Diese Annäherungshindernisse sollten das Überschreiten der Grenze erschweren und verlangsamen, damit die Wachtposten in den Türmen die Angreifer leichter erkennen konnten.

Die Türme sind stets so angelegt worden, daß von ihnen aus die anschließende Limesstrecke und möglichst beide Nachbartürme zu sehen waren. Aus diesem Grund findet man Turmruinen fast immer auf den Höhen, die der Limes überschreitet, ferner an den ein- oder aussprin­genden Winkeln der Grenzlinie. Die Entfernung der Türme voneinander überstieg selten einen Kilometer. Da es damals noch keine Ferngläser gab, wäre bei noch größeren Turmabständen eine zuverlässige Überwachung der Grenzlinie nicht mehr möglich gewesen. Aus diesem Grund war auch die Aussicht in das Vorgelände des Limes zweitrangig: man findet immer wieder Türme, bei denen das Vorland durch unmittelbar vor der Linie aufsteigende Höhen verdeckt wird.

 

Die Errichtung des Limes bedurfte einer exakten Vermessung, insbesondere an den Abschnitten, die ohne Rücksicht auf die Geländeformation schnurgerade durch die Landschaft gezogen wurden, wie in der nördlichen Wetterau zwischen Wachtposten 4 / 45 und Wachtposten  4  / 49. Entlang der Strecke wurden die Türme so verteilt, daß eine unmittelbare Sichtverbindung von Turm zu Turm ge­währ­­leistet war. Von höher gelegenen Türmen, wie Wachtposten 4 /  45, konnten bei guter Witterung mehrere Turmstellen eingesehen werden.

Oft kann man beobachten, daß die Knickpunkte, an denen zwei gerade Strecken zusammenstoßen, auf markanten, weit sichtbaren Höhen liegen. Von ihnen ging offensichtlich die Vermessung der geraden Teilstrecken aus. Bei Angriffen forderten sie mit Hörnern und Fackeln Verstärkung von benachbarten Kastellen an.

Übrigens hätte der Wachtposten selbst bei guter Aussicht in die Gegend vor dem Limes kaum die Möglichkeit gehabt, feindliche Bewegungen zu entdecken, denn vor den meisten Limesstrecken war das Gelände bewaldet. Hatte ein Turmposten eine feindliche Gruppe auf der Grenzschneise entdeckt, so gab er ein vereinbartes Signal an die Nachbartürme weiter. Nachts konnte eine herausgehaltene Fackel diesen Zweck erfüllen, wie es auf der Trajanssäule dargestellt ist. Tagsüber waren andere Signale üblich, beispielsweise Zeichen mit einer roten Flagge. Zu den optischen Zeichen traten Hornsignale, denn diese boten bei Nebel und starkem Regen die einzige Möglichkeit der Verständigung. Tatsächlich ist in einem Wachtturm des Taunuslimes das Mundstück eines Blasinstruments gefunden worden.

Auf der Trajansäule ist schließlich noch eine andere Art der Signalgebung abgebildet. Man sieht große Holz- und Strohhaufen neben einem Turm. Damit konnten Feuer- oder Rauchsignale über größere Entfernungen gegeben werden, um Hilfe herbeizurufen oder um die Bevölkerung im Hinterland des Limes zu warnen. Die Signale liefen von Turm zu Turm weiter bis zu den benachbarten Limeskastellen. Zusätzlich kann ein Meldeläufer abgesandt worden sein. Von den Kastellen rückten dann Mannschaften aus, um die Eindringlinge abzufangen.

Die geschilderte Wirkungsweise des Limes erforderte verteidigungsfähige Wachttürme. Es mußte sichergestellt sein, daß eine feindliche Gruppe nicht etwa einen Turm im Handstreich nehmen und damit den Alarm verhindern konnte. Aus diesem Grund waren die Turmeingänge erhöht und nur durch eine Leiter erreichbar, und daher sind auch massive Erdgeschosse bei den Holztürmen gebaut worden.

 

 

Der Aufbau des römischen Heeres

Das Heer bestand aus Legionen, Hilfstruppen (Auxiliartruppen) und Flotten. Den Kern bildeten die Legionen, von denen es ungefähr 30 gab. Jede hatte eine Stärke von etwa 5.500 Mann. Den Limes bewachten aber nicht Legionssoldaten, sondern Hilfstruppen. Sie waren in Einheiten von 500 oder 1.000 Mann Stärke gegliedert, es gab Kavallerie und Infanterie unter ihnen (Alen und Kohorten).

Eine solche Truppe lag in der Saalburg, die 2. Räterkohorte. Ihre Soldaten hatten als besondere Auszeichnung das römische Bürgerrecht erhalten (lateinischer Name: Cohors II Raetorum civium Romanorum).

Die bedeutendste und renommierteste Truppe am gesamten Limes aber war im heutigen Aalen stationiert: 1.000 Reitersoldaten ermöglichten schnelles Eingreifen und somit die Kontrolle weiter Bereiche. Die Reste des großen Reiterkastells sind heute eindrucksvoll in das Limesmuseum Aalen einbezogen.

Die Standorte der Legionen befanden sich in Obergermanien eine Strecke vom Limes entfernt. Zwei Legionen schützten die Provinz: Die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis war in einem großen Lager in Mainz stationiert, während die Legio VIII Augusta in Straßburg lag. Die Provinz Rätien erhielt erst nachträglich unter Kaiser Marc Aurel (161 - 180 nCh) eine Legion, die Legio III Italica. Sie hat sich ein festes Lager im Gebiet der Innenstadt von Regensburg gebaut, von dem heute noch Mauern erhalten sind.

Seit dem Anfang des 2. Jahrhunderts wurden zusätzlich noch kleinere Hilfstruppen aufgestellt, die Numeri. Unter Kaiser Hadrian (117 - 138 nCh) erhielten sie eine feste Organisation. Ein Numerus war beispielsweise in dem nächsten nordöstlich von der Saalburg gelegenen kleinen Kastell Kapersburg stationiert (,Numerus Nidensium). Die Hilfstruppen - Alen, Kohorten und Numeri - bildeten also die Besatzungen der Limeskastelle.

 

Das römische Heer war ein Berufsheer. Während in die Legionen nur römische Bürger eingestellt werden konnten, stammten die Soldaten der Hilfstruppen größtenteils aus Bevölkerungsschichten der Provinzen, die das römische Bürgerrecht noch nicht besaßen. Allerdings konnten sie es während des Dienstes durch besonderen Einsatz gewinnen, wie es bei der Besatzung der Saalburg geschehen war. Jedenfalls aber erhielten es die Angehörigen der Hilfstruppen bei ehrenvoller Entlassung nach Ablauf der üblichen 25 Dienstjahre. Auf diese Weise erwarben weitere Teile der Provinzbevölkerung das begehrte römische Bürgerrecht, das Steuer- und Rechtsvorteile mit sich brachte.

Die lange Dienstzeit erlaubte eine intensive Ausbildung. Viele Soldaten lernten bestimmte, für das damalige Heer notwendige Handwerke. Die zahlreichen Funde von Handwerksgerät im Saalburgmuseum sind ein beredtes Zeugnis dafür. Auf der sorgfältigen und langen Ausbildung beruhte unter anderem die technische und taktische Überlegenheit des römischen Heeres über die Streitkräfte fast aller Nachbarvölker.

Während die Legionen als Kerntruppen zentrale Standorte wie Mainz, Straßburg und Regensburg belegten, waren am Limes selbst ausschließlich Hilfstruppen (auxilia) stationiert. Legionär durfte nur werden, wer das römische Bürgerrecht besaß - die Hilfstruppen bestanden dagegen in der Regel aus Nicht - Römern, die aus allen Provinzen des Reiches kamen. Sogar unter den Germanen wurden Soldaten rekrutiert.

So funktionierte das römische Prinzip der Truppenrekrutierung: Die Römer eroberten ein Gebiet und warben die jungen Männer vor Ort für neue Truppen, die sie weit entfernt vom Heimatland einsetzten. Den Soldaten dieser Hilfstruppen blieb gar nichts anderes übrig, als Rom gegenüber loyal zu sein und sich möglichst schnell zu romanisieren. Der Wille dazu bestand bei vielen, wenn auch nicht bei jedem: Es gibt immer die Truppe, die germanisch treu in ihren Hütten bleibt, und die anderen suchen die Nähe zu Rom.

Im Alter von 14 bis 20 Jahren traten die Rekruten in das römische Heer ein. Die eroberten Stämme verloren ihre wehrhaftesten Mitglieder und waren dadurch kaum noch in der Lage, gegen die Römer zu rebellieren. Es war ja oft so: Ein Volk wird unterworfen, dann halten sie zehn, 15 Jahre Ruhe, und dann versuchen sie, aus der Knechtschaft auszubrechen. Das haben die Römer erkannt. Sie haben die jungen Leute einfach einkassiert. Die  Rekruten wurden bezahlt und bekamen das begehrte Bürgerrecht, wenn sie nach 25 Jahren ehrenvoll aus dem Dienst entlassen wurden. Eine kleine Karriere, denn so konnten sie an der höheren römischen Zivilisationsstufe teilnehmen.

 

 

Der Limes und die Germanen

Die Reichsgrenze als undurchdringliches Bollwerk, römische Soldaten bewaffnet bis an die Zähne und stets bereit, Barbaren niederzumetzeln - diese Vorstellung vom Limes ist längst

als Mythos entlarvt. In Wirklichkeit gab es vielfältigen Austausch zwischen den Soldaten und den Bewohnern auf der anderen Seite. Phasenweise lebte man durchaus friedlich nebeneinander. Auch ist die Bezeichnung „Limes“, die in den Quellen erst später auftaucht, im eigentlichen Sinn nicht als Grenze, sondern als Schneise zu verstehen.

Um das Überwachen der langen Grenzstrecke zu erleichtern, haben die Römer den Limes nach Möglichkeit durch unbewohnte oder nur wenig bewohnte Gegenden geführt, soweit sie nicht Flüsse als Grenze benutzten. Der obergermanisch - rätische Limes berührt infolgedessen nur an wenigen Stellen germanische Wohngebiete; kein Kernland eines Germanenstammes lag in seiner unmittelbaren Nähe. Vor dem Limes befand sie bei der Saalburg im Altertum genauso wie heute Wald, und wir kennen bis jetzt kein einziges Fundstück germanischer Herkunft aus dem Usinger Becken, das sich hier nördlich an den Limes anschließt.

Das Kerngebiet des nächsten größeren Germanenstammes, der Chatten, lag bei Kassel und Fritzlar. Die Angriffe, welche im 3. Jahrhundert zur Aufgabe und Zerstörung des Limes führten, kamen aus noch größerer Entfernung von den Alamannen, die damals am Mittellauf der Elbe wohnten. Durch Handelsverkehr war der Limes aber auch weiter entfernt wohnenden Stämmen zweifellos bekannt, ebenso werden Gesandtschaften gelegentlich die Grenze überschritten haben, weil die Römer nicht selten auf diplomatischem Weg Gefahren für die Provinzen beseitigten und in die Streitigkeiten der germanischen Stämme eingriffen. Damals, als die Pfähle der Palisade noch standen, muß bei den Germanen die Bezeichnung „Pfahlgraben“ für den Limes entstanden sein, die sich auf' weiten Strecken der ehemaligen Grenze bis heute erhalten hat.

Obgleich also die militärische Bedeutung des Limes im Kriege verhältnismäßig gering war, und größere Germanenstämme nicht in seiner Nähe wohnten, muß der Eindruck der fast zwei Jahrhunderte bestehenden straff organisierten Militärgrenze auf die Nachbarn doch bedeutend gewesen sein. Organisationskunst, Bau- und Waffentechnik der antiken Welt worden ihnen dauernd demonstriert. Sie werden manche Anregung davon empfangen haben. Nach einer gewissen Entwicklungszeit konnten die Germanen dem römischen Reich daher in der Völkerwanderung erfolgreich entgegentreten.

Nun gab es auch Germanen innerhalb der römischen Provinz, beispielsweise jene, die bei der Eroberung des Limesgebiets unter römische Herrschaft gekommen waren. Außerdem lebten dort noch Reste der alten keltischen Bevölkerung. Diese erhielt nach der römischen Eroberung frischen Zuzug aus Gallien. So entstand im Grenzland ein Bevölkerungsgemisch, das rasch romanisiert wurde. Der germanische Anteil ging bald darin unter, er spielte später keine Rolle mehr. Doch besitzt das Saalburgmuseum interessante germanische Fundstücke, die von dieser Bevölkerungsgruppe stammen.

Das römische Limessystem diente als künstliche Kontrolleinrichtung Roms gegen Germanien. Nur wenige Stämme siedelten zur Zeit Caesars auflinksrheinischem Territorium. Die meisten Germanen lebten in dem Raum zwischen Rhein und Weichsel, in Böhmen und in Jütland. Dabei handelte es sich oft um kleine Stammesverbände. In den letzten Jahren hat man germanische Siedlungsstellen in unmittelbarer Nähe des Grenzwalls entdeckt. Dies lege die Vermutung nahe, daß der Limes zeitweise eher eine Zollgrenze gewesen sei, an der Römer und Germanen Handel getrieben hätten.

Zollabwicklung und Handelsverkehr wurden von den Beneficiariern überwacht. Damit es bei dem genehmigten Grenzverkehr auch immer mit rechten Dingen zuging, wurden die Soldaten der Grenztruppen von speziellen Legionären aus der Provinzhauptstadt überwacht, den sogenannten Beneficiariern. Loyale, langgediente Soldaten, die vom Statthalter persönlich ausgewählt wurden. Ein nicht ganz ungefährlicher Job, denn sie sollten natürlich unlautere Machenschaften vor Ort aufdecken. Interessant ist, daß die Beneficiarier nur für ein halbes Jahr abkommandiert wurden. Sie sollten sich also nicht in die Seilschaften vor Ort integrieren können. An den Dienstsitzen unterhielten sie eigene Weihebezirke, wo sie nach Ablauf ihrer Dienstzeit Altäre aufstellen ließen. Ein fast vollständig erhaltener Weihebezirk wurde in den achtziger Jahren in Osterburken am vorderen Limes entdeckt.

Das hervorragend ausgebaute Verkehrsnetz ermöglichte einen regen Fernhandel. So gelangte Fischsoße aus Nordafrika an den Neckar,  Beschriftungen von Amphoren überliefern uns sogar die Namen der Großhändler. Wie zahlreiche Befunde belegen, machten sich auch unter den Germanen plötzlich mediterrane Eß- und Trinkgewohnheiten bemerkbar. Umgekehrt schätzten die Römer blondes Barbarenhaar für ihre Frauenperücken.

 

 

Limesabschnitte

Der Obergermanisch - Rätische Limes:

Vorn Ende des 1. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts nCh trennte eine vom Rhein bis an die Donau verlaufende künstliche Grenze das Herrschaftsgebiet des Römischen Reiches von den germanischen Stämmen. Entlang den Außengrenzen der beiden Provinzen Obergermanien und Rätien bildete der Obergermanisch - Rätische Limes von Rheinbrohl am Rhein bis Eining an der Donau eine rund 550 Kilometer lange durchgehende Grenzmarkierung. Rund 900 Wachtposten und etwa 120 größere und kleinere Kastellplätze dienten zur Sicherung des Limes, dessen Verlauf vielfach keine Rücksicht auf die natürlichen Gegebenheiten nahm. Weite Teile des antiken Grenzsystems sind noch heute erhalten und für Besucher erfahrbar.

 

Der Limes im Odenwald:

Der Odenwaldlimes wurde zu Beginn der Regierungszeit des Kaisers Traian etwa um das Jahr 100 nCh errichtet, um die Lücke im Osten zwischen Main und Neckar zu schließen. Eine Besonderheit sind die hier stationierten „Numeri Brittonum“, kleine, selbständige Einheiten von 100 bis 150 Mann Besatzung unter einem eigenen Befehlshaber, dem praepositus. Die Truppen waren Ende des 1. Jahrhunderts in Britannien aufgestellt und zum Schutz des Limes nach Germanien verlegt worden.

Zur Sicherung baute man kleine Numeruskastelle und Wachttürme aus Holz. In den Jahren 145 / 146 nCh wurden sowohl die Kastelle als auch die Türme in Steinbauweise ersetzt. Ein Bespiel für die Numeruskastelle am Odenwaldlimes bietet das 0,6 Hektar große Kastell Hesselbach. Es wurde um das Jahr 100 nCh zunächst in Holzbauweise errichtet. Unter Hadrian erhielt es eine einfache Steinumwehrung und etwa um 145 / 146 nCh eine stabilere Mörtelmauer. Auch dieses Kastell wurde im Zuge der Vorverlegung des Limes bereits 10 Jahre später wieder aufgegeben.

Auf einer Länge von rund 153 Kilometern verläuft der Limes über hessisches Territorium, von Wachtposten 2 / 35 bei Grebenroth bis zum Kastell Seligenstadt am Main. Bewacht wurde diese Strecke von 18 großen und 31 kleinen Kastellen sowie mehr als 200 Wachttürmen. In den Waldgebieten ist der Limes meist noch gut erhalten. In landwirtschaftlich intensiv ge­nutz­ten Ackergebieten sind die Überreste dagegen oft  kaum mehr zu erkennen.

Bereits in der Regierungszeit des Kaisers Antoninus Pius (148 -161 nCh) wurde der Limes durch den Odenwald und entlang des Neckars wieder aufgegeben und 20 - 30 Kilometer nach Osten verschoben. Neben einer besseren Überwachung konnte auf diese Weise ein weiteres, wohl schon unter römischer Kontrolle stehendes Gebiet dem Römischen Reich eingegliedert werden.

Die meisten Truppen folgten dieser Vorverlegung in neue Garnisonen. Die Grenze verlief nun zwischen Trennfurt und Mittenberg am Main im Norden und Lorch an der Rems im Süden. So wurde - bei gleichzeitiger Verlagerung des Rätischen Limes nach Norden - erreicht, daß zwischen Rhein und Donau eine vollständig geschlossene Grenzlinie entstand.

Bei der Eintragung des Obergermanisch - Rätischen Limes in die Liste des Welterbes im Jahr 2005 wurde nur die jüngere, sogenannte Vordere Limeslinie aufgenommen. Gleichwohl gelten für die ältere Grenze ähnliche Bedingungen zum Schutz des römischen Erbes.

 

Der Limesin der Wetterau:

Cäsar eroberte um 50 vCh Gallien und drang in Gebiete westlich des Rheins ein. Pläne. das römische Reich bis an die Elbe auszudehnen. konnten nicht verwirklicht werden. Die Niederlagen, die germanische Stämme den Römern im Teutoburger Wald zufügten, verhinderten ein dauerhaftes Vorrücken nach Osten. Umso wichtiger war die Sicherung der bestehenden Grenzen.

Von besonderer Bedeutung war die fruchtbare Wetterau. Hier wichen die römischen Strategen von der geraden Linie ab, um die fruchtbare Wetterau und den quellenreichen Vordertaunus in das Weltreich mit einzubeziehen. Die nördliche Streckenführung des obergermanischen Limes folgt ungefähr dem Nordrand der fruchtbaren Wetterauebene und riegelt sie gegen die Hessische Senke ab - eine geographisch vorgegebene Einfallschneise der Rom feindlich gesonnenen Chatten.

Damit die Römer die guten Wetterauer Böden nutzen konnten, beschrieb der sonst geradlinig verlaufende Limes eigens einen Bogen um die Wetterau. Bisher entdeckten die Archäologen 138 Höfe in dieser Region, die meist von Veteranen und Zivilisten im Familienbetrieb bewirtschaftet wurden. Diese Bauern wären eher als romanisierte Kelten zu bezeichnen, denn was gefunden wurde, weicht zum Teil doch sehr von den typischen reinen römischen Lebensformen ab.

Daß die Römer beim Limesbau buchstäblich einen weiten Bogen um die Wetterau schlugen, konnte nicht nur strategische Gründe haben. Um die unruhigen Chatten in Schach zu halten, hätte kaum von der geraden Linie abgewichen werden müssen, wie sie sonst über weite Strecken den 550 Kilometer langen Grenzwall im römischen Germanien kennzeichnet. Der Reichtum an Salz- und Heilquellen in der fruchtbaren Wetterau dürfte die Römer veranlaßt haben, das Sperrwerk ohne Rücksicht auf die Geländetopographie um das auch schon damals waldarme Gebiet zu legen.

An dem nach Norden ausgreifenden Bogen des Wetteraulimes lagen zwei je 500 Auxiliar­soldaten fassende Standlager (Butzbach und Arnsburg), kleinere Kastelle und zahlreiche Wachtürme. Es galt, den Personen- und Warenverkehr auf den alten Fernverbindungen vom Mittelrhein nach der Germania Magna zu überwachen und mittels des aufgebotenen Machtpotentials beutegierige Germanenhorden von Überfällen auf die fruchtbare Wetterau abzuhalten.

Da es dort keine natürlichen Grenzen wie an Main oder Rhein gab, wurde der Limes erbaut, der dafür sorgte, daß etwa 160 Jahre lang (kurz vor dem Jahr 100 bis 260) das Gebiet in römischer Hand blieb. Entsprechend gut wurde das offene Gelände gegen die unruhigen, nie ganz zu besiegenden Chatten gesichert: Die Abfolge der Kastelle und Türme war dichter, die Versorgungslinie tiefer gestaffelt.

Im Limeshainer Ortsteil Rommelhausen wurden Palisade, Graben und Wall auf einer Länge von 25 Meter nachgebaut. Ein Wachturm wurde aus finanziellen Gründen nicht errichtet. Eine Rekonstruktion in Stein kostet rund 100.000 Mark, und dafür hat die 5000‑Einwohner‑ Gemeinde Limeshain kein Geld.

Ein gedrungener, aus Bruchstein gebauter Wachturm mit quadratischer Grundfläche erinnert unweit von Pohlheim und Grüningen an längst vergangene Schlachten zwischen Römern und Germanen. Davor befinden sich ein Wallgraben und massive Palisaden. Im Jahre 1967 hat die Heimatvereinigung Schiffenberg ein kurzes Stück der römischen Grenzbefestigung rekon­stru­iert. Die Wetterau ist eine archäologische „Referenzlandschaft”. Als Durchgangsregion im Herzen Europas befinden sich hier bedeutende und aufschlußreiche Fundplätze aus nahezu allen Epochen der Menschheitsgeschichte.

Und ganz selten stoßen die Forscher bei ihren unzähligen Grabungen neben zahllosen Scherben, Mauern oder Gräben auch mal auf einen Schatz. Der Fund des letzten „Römerschatzes” liegt jetzt fast zwanzig Jahre zurück. Im Jahre1984 stieß ein Feldbegeher auf einem der Äcker, unter dem das Kastell Florstadt liegt, auf ein Tongefäß, das 1.136 Silbermünzen enthielt. Eine besonders erfreuliche Entdeckung, denn der Schatz bereits angepflügt worden. Der Wert der Münzen des Florstädter Römerschatzes entsprach dem Jahressold von fünf römischen Soldaten. Man vermutet, daß ihn Männer aus der Florstädter Garnison der Römer vor den Germaneneinfällen von 233 dort vergraben hatten und ihn nie wieder heben konnten, weil die römischen Soldaten möglicherweise in den Kämpfen getötet wurde

 

Der Limes im Taunus

Die Limesstrecke im Taunus ist der älteste Abschnitt des Limes in Deutschland. Im Taunus begann Domitian (83 - 96 nCh) mit dem Bau des Limes. Bald entstanden auch im Osten der Wetterau, am Main sowie am Neckar und nördlich der Donau weitere Limesabschnitte. Der Taunus - Lehrpfad überquert den Limes, der als Wall mit Graben noch gut zu erkennen ist.

Auf dem Gaulskopf in Ober ‑ Mörlen (Wetteraukreis) und in Taunusstein an der B 417 (Rheingau – Taunus ‑ Kreis) wurden Wachtürme rekonstruiert.

Der jüngste Ausbauzustand - zwischen Palisade und Waldweg ein Graben ausgehoben und ein Wall angelegt - wurde nördlich unterhalb der Saalburg in einem Teilstück rekonstruiert. Das Saalburgkastell wurde um die Jahrhundertwende ausgegraben und rekonstruiert. Dort wird anhand von Grabungsfunden die Geschichte dieses Grenzwalls sowie das tägliche Leben der Römerzeit veranschaulicht.

 

 

Ausbauphasen: Vom Grenzweg zum Grenzwall

Der Limes entwickelte sich mit der Zeit aus einer Kontrolllinie zu einer festen Grenze. Anhand der Erkenntnisse aus archäologischen Untersuchungen läßt sich sein allmählicher Ausbau in mehrere Phasen unterteilen:

  • Ausbauphase 1: Schneise                                                                                            An den bis zum Ende des 1. Jahrhunderts nCh errichteten Abschnitten bestand die Grenzlinie aus einem Patroullienweg. Anfangs war der Limes nichts weiter als ein überwachter Weg, der in den Mittelgebirgswäldern auf einer breiten Schneise lief. Diese älteste Grenzanlage orientierte sich weitgehend am Geländerelief. Der Weg wurde von Holztürmen aus überwacht, deren Besatzungen aus den benachbarten Limeskastellen kamen. Die Wachttürme standen in Sichtverbindung zueinander, und mit Hilfe optischer und akustischer Signale konnten die Besatzungen der umliegenden Kastelle bei drohender Gefahr verständigt werden.

Bei Ausgrabungen findet man von den Holztürmen stets die Spuren der großen Eckpfosten im Boden. Sie bildeten im Grundriß ein Quadrat von 4,5 bis 5,5 Meter Seitenlänge. Der schon erwähnte Ringgraben zog sich außen um die Turmstelle; er hatte lediglich die Aufgabe, den Baugrund trockenzuhalten, damit das Holzwerk etwas länger hielt.

Im Aufgehenden besaßen die Holztürme ein massives Erdgeschoß. Reste davon hat man im Taunus (zum Beispiel Wachtposten. 3 / 32*) und im Odenwald gefunden. Es bestand aus einer eigentümlichen Mischkonstruktion aus Holz, Steinen und Lehm. Mehrere übereinander angeordnete Balkenroste hielten die Konstruktion zusammen, deren Fronten mit Steinen ausgefüllt und deren Inneres mit Lehm ausgestampft war. Die senkrechten Eckpfosten trugen die höheren Turmgeschosse, in denen sich die Wohn- und Wachträume der Mannschaft befanden.

An einigen Strecken der ersten Bauphase wurde zusätzlich ein hölzerner Zaun (auch Flechtwerkzaun oder Zaungräbchen genannt)nachgewiesen, der allgemein als Vorläufer der späteren Palisade angesehen wird und dessen Spuren sich im Gelände als schmales Gräbchen abzeichnen.

Mit diesen Maßnahmen wurde das Prinzip der linearen Grenzsicherung geschaffen, das für die nächsten zwei Jahrhunderte Bestand haben sollte. Im Jahre 89 nCh nutzten die Chatten den Aufstand des obergermanischen Statthalters Saturninus gegen Domitian (81 ‑ 96 nCh),um die meisten der bereits errichteten Grenzanlagen zu zerstören. Nach der Niederwerfung des Aufstandes und einem weiteren Feldzug gegen die Chatten wurden die Anlagen jedoch wieder aufgebaut,der Grenzverlauf war weiterhinlediglich als Schneise angelegt.

Der Limes wurde nach neuesten Erkenntnissen wohl erst unter Kaiser Traian (98 ‑117 nCh) mit einem Postenweg und zahlreichen Holztürmen versehen. Jetzt wurde der Limesverlauf in überwiegend gerader Linie ausgebaut. Der ursprünglich dem Gelände angepaßte Verlauf wurde im Zuge des beschriebenen Ausbaus streckenweise verlegt und dadurch begradigt. Die Nummern der Holzturmstellen der ersten Limesbauphase aus trajanischer Zeit sind in den Streckenbeschreibungen mit einem Sternchen gekennzeichnet – zum Beispiel. Wachtposten 4/ 40*.Damals wurde mit der Anlage zahlreicher Kastelle und Limesabschnitte die Voraussetzung für den weiteren Ausbau der Grenze gelegt.

 

  • Ausbauphase 2: Palisade                                                                                               Durch die Einrichtung neuer Abschnitte entstand eine durchgehende Grenzlinie vom Rhein bis an die Donau. Zwischen Main und Sc:hwäbischer Alb verlief die Strecke zunächst durch den Odenwald und parallel zum Neckarlauf. In hadrianischer Zeit (um 120 nCh) ergänzte man die vorhandenen Anlagen durch eine durchgehende Palisade aus halbierten Eichenstämmen vor dem Postenweg. Sie diente als Hindernis und schütze so Türme und Weg zusätzlich.

 

  • Ausbauphase 3: Steintürme                                                                                     Nachdem an zahlreichen Wachttürmen Ausbesserungen vorgenommen oder neue Holztürme für mittlerweile baufällig gewordene Konstruktionen errichtet worden waren, wurden um 145 / 146 nCh in der Regierungszeit des Antoninus Pius (138 ‑161 nCh) die Holztürme schließlich systematisch durch Steintürme in Abständen von 300 bis 1.000 Metern ersetzt. Einige Jahre später wurde die Grenzlinie vom Odenwald und Neckar nach Osten vorverlegt. Meistens waren die Türme dreigeschossig. Häufig findet man die Reste von Holz- und Steintürmen nebeneinander. Auch die meisten der Kastelle wurden damals weiter ausgebaut, und zusätzliche Truppen an den Limes verlegt.

 

  • Ausbauphase 4: Wall und Graben

Die letzte Ausbauphase entstand wohl am Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrhunderts unter Kaiser Septimius Severus (193 ‑ 211 nCh).  Als infolge der regen Bautätigkeit und des großen Bedarfs an Heizmaterial in der Provinz das Holz knapp wurde, hob man hinter der Linie der Palisade einen Graben aus und schichtete das Erdmaterial dahinter zu einem Erdwall auf. Wall und Graben erfüllten nun die Funktion eines Annäherungshindernisses.

Dadurch war es Händlern und sonstigen Grenzgängern, die etwa mit ganzen Wagenladungen ankamen, weiterhin nicht möglich, die Grenze an irgendeiner Stelle unbeobachtet zu überqueren, da die Gefahr bestand, daß etwa die Wagenachse beim Überqueren des Hindernisses brach. Möglicherweise war das Ganze noch mit einem künstlich angelegten Gebück oder extra angepflanzten undurchdringlichen Gestrüpp versehen. Der Limes erfüllte also in dieser Ausbauphase eine ähnliche Rolle wie die mittel­alterlichen Landwehren.

Nach neuesten Erkenntnissen ersetzte man in der Provinz Obergermanien damals die Palisade durch ein Wall- und Grabensystem. Entlang des Kontrollweges wurde zusätzlich ein Wall‑ und Grabensystem angelegt. Dafür  wurde auf der römischen Seite der Palisade ein Graben ausgehoben und die Erde für einen Wall hinter der Palisade benutzt. Die Grabungen haben immer wieder gezeigt, daß die Palisade nicht oben auf dem Limeswall stand, sondern außen unmittelbar vor dem Graben entlang zog. Mit der 3. Jahrhundertwende wurde zwischen Palisade und Waldweg ein Graben ausgehoben und ein Wall angelegt. Diese Phase reichte bis zur Aufgabe im Jahr 260 nCh.

Selbstverständlich war durch eine solche Anlage auch ein Hindernis gegen räuberische Einfälle geschaffen, die den Limestruppen die Möglichkeit einräumte, militärisch in flexibler Weise zu reagieren. Die Besatzungen auf den Wachtürmen gaben den Limesübertritt per akustischem oder optischem Signal an das nächstgelegene Kastell weiter, von wo die Truppe schnell ausrücken und den eingedrungenen Feind im Rücken fassen konnte. Allerdings war der Limes als Ganzes nicht dazu geeignet, die großen Germaneneinfälle des 3. Jahrhunderts nCh in das Reichsgebiet zu verhindern. Eine lineare Grenze dieser Länge ließ sich eben nicht an jeder Stelle intensiv verteidigen. Dafür reichten auch die in den Kastellen an der Linie stationierten Truppen am Ende nicht aus.

Erst im letzten Ausbauzustand kamen jene Bauten hinzu, die den Limes heute noch an vielen Strecken für das Auge eindrucksvoll machen. Das Bild vom Aussehen der Phase 4 wurde durch die Ausgrabungen um 1900 geprägt. es kann  zu einer neuen Deutung der Ausgrabungsergebnisse: Die Palisade wurde durch Wall und Graben ersetzt. Grund dafür war vermutlich der zunehmende Mangel an Bauholz. Es ging nicht um eine Verstärkung der militärischen Funktion. Der Limes sollte auch in dieser Phase keine undurchdringliche Verteidigungsanlage sein. Sein Hauptzweck bestand nach wie vor in der Lenkung des Personen- und Warenverkehrs auf die Durchgänge. Sowohl das alte als auch das neue Bild des Limes sind am Limes unterhalb der Saalburg rekonstruiert.

Ein ganz anderes Bild bietet der Limes im Odenwald. Das römische Heer verließ diese Grenzstrecke in der Mitte des 2. Jahrhunderts, um einige Kilometer weiter östlich eine neue Grenzlinie zu bauen. Der Odenwaldlimes hatte gerade den Bauzustand 3 erreicht. Daher gibt es hier keinen Pfahlgraben. Die Palisade ist längst verschwunden, und nur die Ruinen der kleinen Limeskastelle und Wachttürme markieren heute die ehemalige römische Grenze. In der nach Süden angrenzenden Provinz Rätien errichtete man anstelle von Wall und Graben eine etwa drei Meter hohe Mauer.

 

 

 

Bauwerke am Limes

1. Wachtürme:

Wachtürme für eine vier bis fünf Mann starke Besatzung waren die kleinsten Bauwerke an der Grenze. Sie wurden zunächst aus Holz, später aus Stein errichtet. Vier bis fünf Soldaten, wahrscheinlich aus einem der nächstgelegenen Kastelle abgezogen, bildeten die Wachmannschaft. Die Turmstellen am Limes wurden in Sichtweite voneinander angelegt und ermöglichten so eine lückenlose Überwachung des Limesverlaufs. Die Besatzungen konnten sich untereinander durch optische (Feuer und Rauch) oder akustische Zeichen (Signalhorn) verständigen und so bei Gefahr Hilfe anfordern. Eine Sichtverbindung bestand zumindest zum jeweils benachbarten Turm. Auf diese Weise konnten im Falle eines Angriffs schnell Verstärkung herangeführt werden.

Das Erdgeschoß wurde zur Bevorratung von Lebensmitteln genutzt. Im ersten Obergeschoß in dem sich auch der über eine Leiter erreichbare Eingang befand, lag der Aufenthaltsraum. Er diente auch als Wachstube und wies nach allen Seiten Fensteröffnungen auf. Darüber befand sich der Wachtraum. Er war mit großen Aussichtsfenstern versehen, um Überwachung und Signalübermittlung zu gewährleisten. In manchen Fällen verlief eine Holzgalerie rund um den Turm. Am Odenwaldlimes waren die Fenster von eigentümlichen Zwergsäulen unterteilt. An anderen Strecken des Limes können die Steintürme auch höl­zerne Außengalerien besessen haben, wie sie auf der Trajanssäule in Rom dargestellt sind.

Die Steintürme trugen einen weißen Verputz, in den rot ausgemalte Fugen eingeritzt waren. Damit entstand der Eindruck, der Turm sei aus weißen Steinquadern errichtet worden. Das Dach war wohl meistens mit Schindeln gedeckt.

 

2. Kleinkastelle:

Die größenmäßig nächstfolgende Gruppe von Limesbauten sind die Kleinkastelle, die sowohl zur Überwachung wichtiger Punkte (zum Beispiel Limesdurchgang Butzbach - Degerfeld). als auch an Stellen angelegt wurden, an denen „die großen Kastelle zu weit vom Limes entfernt waren oder weil sie eine zu große Entfernung voneinander hatten” (D. Baatz). Sie standen also an stärker gefährdeten Punkten des Limes, auf Paßhöhen (Windlücke im Odenwald) oder sie sperrten Täler (Lochmühle im Taunus).

An einigen Limesstrecken sind Kleinkastelle nachträglich zwischen größere Kastelle eingefügt worden, wenn eine stärkere Bedrohung der Grenze dies erforderlich machte (Altes Jagdhaus und Heidenstock im Taunus). Die unterschiedliche Aufgabe und Zeitstellung der Kleinkastelle bewirkte eine Vielfalt der Größen, Grundrisse und Bauweisen. So waren die Kleinkastelle bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts reine Holzkonstruktionen; erst von dieser Zeit an erhielten sie steinerne Umwehrungen. Nach derzeitigem Forschungsstand sind viele der Kleinkastelle erst zum Teil in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts errichtet worden.

Kleinkastelle haben eine kleinere Grundfläche als die Kastelle der kleinsten Numeri (0,6 Hektar). Die Unterschiede in Form, Funktion und vor allem in der Größe waren beträchtlich. Die kleinsten Anlagen - gelegentlich auch Feldwachen genannt - hatten nur ein Tor. Die größeren Kleinkastelle reichten bereits nahe an die Fläche eines Numeruskastells heran, hatten meist zwei Tore oder auch kleinere Durchgänge und boten einer Centurie von 60 - 80 Mann Platz. Ein schönes Beispiel am Wetteraulimes bietet das im Grundriß rekonstruierte Kleinkastell im Holzheimer Unterwald.

In den Kleinkastellen waren im Allgemeinen kurzfristig abkommandierte Wachttruppen untergebracht, die vom nächsten Limeskastell kamen und von dort abgelöst wurden. Es besteht aber in einigen Fällen auch die Möglichkeit, daß eine ganz kleine Hilfstruppe dauernd die Besatzung eines solchen Kleinkastells bildete. Leider sind in Hessen bisher nur wenige solcher Wehrbauten gründlicher untersucht worden, so daß über die Art der Besatzungen wenig bekannt ist. Immerhin kennen wir die Grundrisse der Innenbauten bei den Kleinkastellen von Kemel, Butzbach - Degerfeld und Neuwirtshaus bei Hanau.

 

3. Numeruskastell:

Das nächst größere der Limeskastelle, das Numeruskastell, war in seinem Grundschema bereits wie die großen Kohorten- und Legionslager angelegt: vier Tore, etwa die gleichen Innenbauten, nur alles entsprechend kleiner, für etwa 150 Mann rund 0,7 Hektar. Oft gab es hölzerne Vorgängerbauten, die bei Ausgrabungen nachgewiesen wurden. Eines der bekanntesten Numeruskastelle am Wetteraulimes ist das Kastell Kapersburg, dessen Mauerzüge zum Teil übermannshoch rekonstruiert sind.Die kleinen Numeri lagen in Kastellen von oft nur 0,6 bis 0,8 Hektar Fläche. In Hessen sind nur wenige Auxiliarkastelle so weit ausgegraben worden, daß auch die Grundrisse der Innenbauten gut bekannt sind; zu nennen sind die Kastelle Hofheim und Hesselbach.

Manche Militärlager besaßen - vor allem in der Frühzeit der römischen Besetzung - lediglich eine hölzerne Umwehrung. Die Kastellumwehrungen blieben in den Abmessungen stets hinter denen gleichzeitig errichteter Stadtmauern zurück. Die Kampfkraft der Besatzung wurde in dieser Zeit höher eingeschätzt als umfangreiche und raffinierte Wehrbauten. So waren die Auxiliarlager am Limes keine Festungen, sondern nur befestigte Kasernen.

In den Auxiliarlagern gab es außerdem einen Speicher (horreum) für die Weizenrationen und andere Lebensmittel,wo man für ein Jahr Vorrat einlagern konnte. Da die Auxiliareinheiten ebenso wie die Legionen Handwerker besaßen - Schmiede, Schuster, Schreiner, Maurer und andere - so gab es auch die entsprechenden Werkstätten in den Lagern. In den größeren Limeskastellen befand sich ein Lazarett, das von einem Truppenarzt betreut wurde.

Größe und Anzahl der Innenbauten der Auxiliarlager richteten sich nach der Art und Stärke der Besatzung. Bei aller Normierung der Gebäude hatten daher selten zwei Limeskastelle genau den gleichen Grundriß: Kavallerie und Infanterie benötigten beispielsweise recht verschiedene Unterkünfte, und auch sonst waren Größe, Organisation und Ausrüstung der Hilfstruppen unterschiedlich.

 

Exkurs: Kastelle

Die Limeskastelle waren ausschließlich von Hilfstruppen besetzt. Sie wurden aus der Bevölkerung der römische Provinzen rekrutiert. Es gab Reiter- (alae) und Infanterietruppen (cohorte)von jeweils 500 oder 1.000 Mann. Dazu kamen die numeri, kleine, zum Teil berittene Einheiten mit 100 - 150 Soldaten.

Die Kastelle waren trotz ihrer Wehranlagen und Gräben keine Festungen, sondern in erster Linie Standquartiere. Die Kastelle wurden nach einem einheitlichen Schema angelegt, das den örtlichen Gegebenheiten angepaßt wurde. In der Regel besaßen sie einen rechteckigen Grundriß mit abgerundeten Ecken und vier Toren.

Beim Eintritt durch das Haupttor gelangte man in gerader Richtung zum Hauptquartier (principia) am Schnittpunkt der beiden Hauptstraßen. Im Mittelstreifen des Lagers befand sich meist das Wohnhaus des Kommandeurs (praetorium). Außerdem gab es einen Getreidespeicher (horreum), Werkstätten (fabricae), Ställe (stabula) Der größte Teil der Innenbebauung wurde von Mannschaftsbaracken eingenommen. Zudem verfügte jedes größere Lager über ein eigenes Lazarett (valetudinarium).

Eine Darstellung an der Trajansäule in Rom zeigt Soldaten in Arbeitskleidung bei Holzarbeiten, denn die Unterkünfte waren ja ein Holzbauweise errichtet. Ein Großteil der Arbeiten für die Errichtung der militärischen Infrastruktur wurde von den Truppen selbst ausgeführt, aber auch zivile öffentliche Baumaßnahmen wurden von ihnen durchgeführt.

In unmittelbarer Nachbarschaft der Lager wurden zivile Dörfer (vici) angelegt, in denen die Familienangehörigen der Soldaten wohnten. Dabei muß man sich klar machen, daß die Gebiete rechts des Rheins bis dahin kaum besiedelt waren. Doch es dauerte nicht lange, bis Handwerker und Krämer von den Truppen angezogen wurden, bis Wirtshäuser, Garküchen und Bordelle entstanden. Durch den Zuzug von Germanen wurden die Grenzregionen zu einem florierenden Wirtschaftsraum.

Verbindungen von Soldaten und Frauen aus dem Vicus blieben nicht aus, auch wurden bei der Dorfbevölkerung weitere Soldaten angeworben. Die Gräberfelder am Ortsrand nutzten Mitglieder der Truppe und Zivilisten gemeinsam. Der weitreichende kulturelle Austausch zeigte sich selbst in der Religion: Manche fremde Gottheit wie Epona, die keltische Beschützerin der Pferde, war problemlos in den römischen Götterhimmel zu integrieren.

Die südliche Lebensart setzte sich in den nördlichen Provinzen nicht nur in der Küche, sondern auch in Sachen Badekultur durch. Ein Badehaus war für jeden Römer, ob in der Stadt oder auf dem Land, unverzichtbar. Für die Soldaten war der Besuch der Therme zudem eine ganz wesentliche Gesundheitsvorsorge. Daher wurden an jedem Kastellstandort am Limes ausgeklügelte Badeanlagen errichtet. Hier traf man sich auch, um Neuigkeiten auszutauschen und Geschäfte abzuwickeln.

 

4. Kohortenkastell:

Als „Limeskastelle” werden hier diejenigen Truppenlager bezeichnet, in denen eine selbständige Einheit dauernd ihre Unterkunft besaß. Die wichtigsten der am Limes errichteten Bauwerke waren die großen Alen- und Kohortenkastelle, in denen Reiter- und Infanterieeinheiten der Hilfstruppen stationiert waren.

Die Hilfstruppen, die am Limes stationiert waren, haben ihre Kastelle nach dem Muster der Legionslager errichtet. Daher waren die Grundrisse dieser Wehrbauten ebenfalls im ganzen Reich ähnlich. Wurde ein Soldat von der Provinz Africa nach Britannia versetzt, so konnte er sich in dem neuen Lager sogleich ohne Schwierigkeiten zurechtfinden. Die Auxiliarlager (castellum oder praesidium) waren allerdings viel kleiner als die Legionslager. Die Alen und die 1.000 Mann starken Kohorten benötigten die größten Kastelle. Ihre Fläche lag zwischen 3 und 6 Hektar. Die 500 Mann starken Kohorten besaßen Lager zwischen 1,4 und 3,2 Hektar Fläche, wobei die größeren für die teilweise berittenen Kohorten bestimmt waren, die zusätzlich Reiter und Pferde unterbringen mußten.

Der Grundriß zeigt die Form eines Rechtecks mit abgerundeten Ecken. Eine etwa 4 bis 5 Meter hohe Wehrmauer, die auf jeder Seite von einem Tor unterbrochen war, konnte bisweilen von Eck- und Zwischentürmen verstärkt sein. Auch die Torbauten waren mit Türmen versehen, in denen die Wachmannschaft untergebracht war. Betrat man das Lager durch das Haupttor (die porta praetoria), gelangte man über die breite Hauptstraße (die via praetoria) direkt zum Stabsgebäude (dem principia).

Der Standort des Stabsgebäudes war stets vorgegeben durch die beiden Hauptstraßen des Lagers, die via praetoria und die via principalis, auf deren Schnittpunkt das Gebäude lag. Auch für dieses wichtigste Bauwerk des Kastells gab es ein festes Bauschema: Um einen offenen Innenhof gruppierten sich Säulengänge mit Räumlichkeiten verschiedener Funktionen. Es gab die große Vorhalle, in der Appelle oder auch Waffenübungen abgehalten wurden. Die gegen­überliegende Querhalle war für feierliche und religiöse Anlässe vorgesehen; auch die Festlichkeiten zur Kaiserverehrung fanden hier statt.

Im Fahnenheiligtum (aedes) hinter der Querhalle - meist mit überhöhtem Dach versehen - wurden das Kaiserbild und die Heeresfahnen aufbewahrt, im Keller stand die Lagerkasse. Die Seitenflügel waren belegt von Schreibstuben (tabularia) und Waffenkammern (armamentaria). Das Wohnhaus des Kommandeurs (praetorium)- in der Nähe des Stabsgebäudes gelegen - beherbergte außer der Familie auch den persönlichen Stab des Kommandeurs.

In den langgestreckten Mannschaftsbaracken, die einen beträchtlichen Teil der Kastellfläche einnahmen, war in zehn Doppelstuben (contubernia) zu je acht Mann die Centurie untergebracht. In einem etwas größeren Kopfteil hatte dann der Hauptmann (centurio) seine Wohnung. Weitere Bauten dienten als Getreidespeicher, Werkstätten und Ställe; die größeren Militärlager hatten auch ein Lazarett (valetudinarium).

In einem abgelegenen Teil des Kastells, wenn möglich etwas abschüssig gelegen, lagen die Toiletten, die eine eigene Wasserspülung besaßen. Außerhalb der durch einen oder mehrere Spitzgräben gesicherten Wehrmauer lagen Gräberfelder und Heiligtümer, die großen Thermen und das Lagerdorf.

 

5. Legionslager:

Einen Begriff von den Bauwerken des römischen Heeres geben die Standlager (castra) der Legionen. Das befestigte Legionslager beanspruchte eine Fläche von 18 bis 25 Hektar. Nur wenige dieser großen Legionslager sind einigermaßen vollständig ausgegraben worden. Von den beiden obergermanischen Lagern in Straßburg und Mainz kennt man nicht viel mehr als den Umriß. Als Beispiel kann aber das besser untersuchte Legionslager Novaesium (Neuß) dienen. Bezeichnend ist der rechteckige Grundriß mit den abgerundeten Ecken. Das Lager wurde von einer steinernen Wehrmauer umschlossen, vor der ein Graben lag.

Im Inneren war das Legionslager mit Mannschaftsbaracken für die Centurien dicht gefüllt, es gab außerdem Wohngebäude für die Offiziere, Magazine, Werkstätten, Verwaltungsgebäude, Thermen und ein Lazarett. Der Plan des Lagers, das von einem Raster rechtwinklig sich kreuzender Straßen durchzogen wurde, spiegelt die präzise und differenzierte Organisation der Truppe.

Alle Legionslager des Reichs hatten einen verwandten Grundriß. Die einzelnen Bauformen hatten sich in langer Erfahrung herausgebildet, sie waren standardisiert und in einer Art „Heeresdienstvorschrift” festgelegt. Die Militärarchitekten hatten einige Gebäudetypen der gleichzeitigen städtischen Architektur entlehnt; das galt beispielsweise für das Mittelgebäude (principia), das dem Forum einer Koloniestadt entsprach. Die Bauform der Mannschaftsbaracken hatte ihre Wurzel indessen in den langen Zeltreihen der römischen Marschlager.

Von vielen anderen kennt man aber wenigstens einige Innenbauten.

Einen guten Eindruck einer Kastellumwehrung vermittelt die Saalburg. Hinter der nur mäßig hohen Steinmauer ist ein Erddamm aufgeschüttet, der zugleich den Wehrgang trägt. Vor der Mauer liegen zwei Gräben, die wie üblich nicht mit Wasser gefüllt waren. Viele Kastelle hatten auch nur einen Verteidigungsgraben.

In der Mitte der Limeskastelle befand sich stets die Kommandantur (principia). Sie ist in der Saalburg rekonstruiert worden. Man sieht dort, wie ein solches Gebäude bei einem Kohorten­kastell eingeteilt war. Stets besaß die Kommandantur einen Innenhof mit gedecktem Umgang. Oft war das Gebäude mit einer Vorhalle versehen, die sich über der Kreuzung der beiden wichtigsten Kastellstraßen erhob. Hier trat die Truppe zum Appell an.

Der wichtigste Raum der Principia war das Fahnenheiligtum (aedes). Der Raum war architektonisch besonders betont, auf ihn führte die Achse des Gebäudes hin. Das Heiligtum enthielt die Fahnen der Truppe und ein Standbild des regierenden Kaisers. Es war den altrömischen Gottheiten und dem Kaiserkult geweiht. Hier zog tagsüber eine Ehrenwache auf, morgens nahm der Kohortenpräfekt die Meldungen der Offiziere entgegen und gab das Kennwort und den Tagesbefehl aus. In der Querhalle vor dem Heiligtum fanden an den vorgeschriebenen Festtagen die Kulthandlungen der Truppe zu Ehren der Götter und des Kaisers statt.

Die Räume neben dem Fahnenheiligtum dienten als Schreibstuben für die Truppenverwaltung und als Versammlungsräume (scholae) der Offiziere und Unteroffiziere. In den seitlichen Räumen der Principia befanden sich Waffenkammern (armentaria).

Für den Chef der Truppe - bei einer Kohorte war es ein praefectus - gab es ein größeres Wohnhaus, das die Bezeichnung „praetorium“ führte. Es lag meist seitlich neben den principia (zum Beispielim Steinkastell Hofheim), manchmal aber auch im vorderen Teil des Lagers (Saalburg).

Die Mannschaftsbaracken, die einen beträchtlichen Teil der Kastellinnenfläche einnahmen, waren bis zu 70 Meter lange, schmale Bauten. Eine Centurienbaracke enthielt zehn Stuben (contubernia) für die zehn Stubengemeinschaften der Centurie. Jede Stube faßte acht Mann. Vor dem langen Trakt der Contubernien lag eine offene Vorhalle, deren Dach auf einer Reihe hölzerner Stützen ruhte. Die Contubernien besaßen einen Vorraum für die Kleidung und Ausrüstung der Soldaten. Dahinter lag der eigentliche Wohn- und Schlafraum der Mannschaften, der stets mit einem einfachen Kamin versehen war. Er diente zur Heizung im Winter, außerdem bereiteten die Soldaten dort ihr Essen. An dem einen Ende der Baracke befand sich ein größerer Anbau („Kopfbau“) mit der Wohnung des Centurio.

Die Reiter waren ähnlich untergebracht. Zwei „Turmen“ lagen mit ihren „Decurionen“ in einer Baracke; eine solche Kavalleriebaracke hatte an jedem Ende einen „Kopfbau“ als Offizierswohnung.

Außerhalb der Kastelle befand sich stets ein Thermenbau (balineum). Selbst die kleinsten Einheiten an einsamen und entlegenen Winkeln der Grenze brauchten darauf nicht zu verzichten. Er war wichtig sowohl für die Hygiene als auch für die Freizeitgestaltung der Soldaten.

Bei größeren Kastellen fand man mitunter ein Unterkunftshaus (mansio) neben den Thermen. Es diente dienstlichen Zwecken des Militärs. Die Ruine einer solchen mansio ist neben der Saalburg zu sehen.

Fast immer bildete sich neben den Kastellen eine kleine, dorfartige Siedlung, ein vicus. Die Häuser waren an der Straße aufgereiht, die das Kastell mit dem Hinterland verband. Die Reste eines solchen vicus sind vor der Saalburg freigelegtworden. Dort lebten einst Händler, Handwerker, Gastwirte, Soldatenfamilien und Veteranen. Die langgestreckten Wohnhäuser wendeten eine Schmalseite der Straße zu. Dort lag ein unterkellerter Raum. Im rückwärtigen Teil des Gebäudes befanden sich Wohn- und Wirtschaftsräume, die das Licht von einem engen Innenhof empfingen. Am Rand des Vicus waren die Heiligtümer einheimischer oder auch orientalischer Gottheiten (Mithras, Jupiter Dolichenus, Kybele, Quadruviae und andere). Die zugehörige Begräbnisstätte lag außerhalb des Wohngebiets an der Straße.

 

 

Spätere Geschichte des Limes

Ab der Mitte des 2. Jahrhunderts nCh stellte der Limes eine durchgehende Grenzbefestigung

dar. Bis zum Ende des Limes um 260 nCh sind dann keine weiteren Änderungen an den Tür­men und den Grenzhindernissen mehr eingetreten.

Erst mit dem Auftreten größerer Stammesverbände wie der Franken und Alamannen entstand eine ernsthafte Bedrohung für die römischen Provinzgrenzen. Ihrem Ansturm war das Grenzverteidigungssystem der Römer nicht gewachsen. Bereits zu Beginn des 3. Jahrhunderts kam es zu den ersten Überfällen der Alamannen, die nach der Überwindung des Limes bis tief ins römische Hinterland vorstoßen konnten. Im Jahr 260 nCh mußten die Römer das Gebiet zwischen Rhein und Donau endgültig räumen.

Seit der Regierungszeit Kaiser Marc Aurels gefährdete der Druck der beginnenden Völkerwanderung zunehmend die Grenzgebiete des Römerreichs. Im 3. Jahrhundert geriet das Reich in eine Krise. Es hatte   nicht nur gegen äußere Feinde, sondern auch gegen innere Uneinigkeit   anzukämpfen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Inflation verschärften            die Lage. Wurden nun die Legionstruppen zur Teilnahme an den Kämpfen aus einer bisher ruhigen Grenzprovinz abgezogen, so fühlten sich in jener Zeit die benachbarten Völker ermutigt, in die schutzlose Provinz einzufallen. Der Limes war mit seiner verhältnismäßig geringen Besatzung von Hilfstruppen zur Abwehr größerer Angriffe nicht eingerichtet und wurde daher leicht durchbrochen.

Wie Funde zeigen, muß es beispielsweise einen schweren Alamannen­einfall im Jahr 233 gegeben haben, als Kaiser Severus Alexander (222 - 235) mit dem römischen Heer weit im Südosten gegen die Parther kämpfte. Ausgedehnte Gebiete der römischen Provinzen wurden geplündert. Zwar gelang es damals, die Eindringlinge wieder zurückzutreiben. Um 260 mußten die Römer aber den Limes endgültig aufgeben. Der Rhein wurde wieder zur Grenze des Römerreichs, bis dessen westliche Hälfte in den Stürmen der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert unterging.

Nach anderer Ansicht hat es den einen großen Sturm brandschatzender Alamannen aber so nie gegeben. Die Römer zogen sich an Rhein und Donau zurück und konnten sich dort immerhin bis um 400 behaupten.

Nach dem Abzug der römischen Truppen verfielen die von ihnen erbauten Anlagen. Die nachfolgenden Germanen konnten oder wollten die zum Teil aufwendigen Bauten in der ihnen fremden Steinbauweise offenbar nicht halten und errichteten ihre Häuser nach alter

Manier in Holz.

Das Ende der römischen Herrschaft dokumentieren auch diverse Schatzfunde: Wohl aus Furcht vor den einfallenden Germanen wurden wertvolle Gegenstände vergraben. Im Jahre 1979 sollen im bayerischen Weißenburg - zwischen 90 und 260 Standort einer 500 Mann starken Reiter­einheit - mit einem Mal sämtliche Spaten ausverkauft gewesen sein. Nachdem ein Lehrer beim Anlegen eines Spargelbeetes in seinem Garten eine sensationelle Entdeckung gemacht hatte, muß in der Stadt mit der römischen Vergangenheit ein wahres Goldgräberfieber ausgebrochen sein.

Wenn es auch bei dem einen Fund blieb, war der umso spektakulärer: Die über 100 Objekte - darunter Bronzestatuetten, Silbervotive und Parademasken von hoher Qualität und Originalität - waren im 3. Jahrhundert im Bereich des Kastelldorfes in einer Grube versenkt worden. Ob es sich um das Inventar eines Tempels handelte, das vor den anrückenden Feinden versteckt worden war, oder ob die Germanen selbst Heiligtümer geplündert hatten und sich so ihre Beute sichern wollten, bevor sie weiter nach Süden zogen, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Der berühmte Schatzfund blieb auf jeden Fall in Weißenburg und bildet den Kern des dortigen Römermuseums.

Noch immer birgt der Boden in Limesnähe unzählige Schätze - auch wenn durch den Bauboom vergangener Jahrzehnte oder durch intensive landwirtschaftliche Nutzung bereits viele römische Hinterlassenschaften - vor allem Zivilsiedlungen - zerstört wurden. Manches konnte wenigstens in allerletzter Stunde durch Rettungsgrabungen dokumentiert werden. Daß diese durch den Welterbe - Status seltener werden, weil Baumaßnahmen innerhalb der ausgewiesenen Schutzzonen am Limes jetzt schwieriger durchzusetzen sind, ist die berechtigte Hoffnung der Archäologen. Dank neuer wissenschaftlicher Verfahren wie zum Beispiel geophysikalischer Messungen, wird man den Spaten in Zukunft wohl nicht mehr so oft brauchen. Ohnehin ist vieles in der Erde noch am sichersten aufgehoben.

 

 

Limesforschung

Mit der Entdeckung der „Germania“ des Tacitus im Jahr 1455 im Kloster Bad Hersfeld wurde das Interesse an der römischen Vergangenheit und damit auch am Limes in Deutschland geweckt. Erste gezielte Ausgrabungen wurden durchgeführt. Die Untersuchungen von Johann-Just Winkelmann, der am Ende des 17. Jahrhunderts den „Pfahlgraben“ begangen und seinen Verlauf publiziert hatte, machten klar, daß diese Grenzbefestigung aus römischer Zeit stamm­te.

Mit den systematischen Forschungen der Reichs - Limeskommission, die 1892 auf Betreiben des Berliner Althistorikers Theodor Mommsen gegründet worden war, konnte „das älteste große historische Bauwerk, welches Deutschland besitzt“, erstmals im Zusammenhang gesehen werden. Die Ergebnisse wurden in dem mehrbändigen Werk „Der Obergermanisch-Räetische Limes des Roemerreiches in Deutschland“ veröffentlicht. Es stellt noch heute die Grundlage für sämtliche Forschungen im Bereich des Limes dar.

Im Kaiserreich hatte man die Grabungen entlang der antiken Befestigungslinie, die sich vom Mittelrhein bis zur Donau zog, schließlich zur nationalen Aufgabe erklärt. Die 1892 gegründete Reichslimeskommission sollte die Hinterlassenschaften aus der Zeit der römischen Besatzung archäologisch auswerten und den Limes so erstmals als ein zusammenhängendes Kulturdenkmal dokumentieren.

Nachfolgeorganisation der Reichs - Limeskommission wurde die Römisch - Germanische Kom­mission, die als Teil des Deutschen Archäologischen Instituts ihren Sitz in Frankfurt am Main hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden an vielen Limesanlagen erneut Ausgrabungen statt. In Hessen wurden unter anderem die Kastelle Altenstadt, Butzbach, Echzell und Marköbel untersucht. Heute ist die im Jahr 2005 gegründete Deutsche Limeskommission für die Belange des neuen Welterbes zuständig. Ihre Geschäftsstelle ist im Römerkastell Saalburg angesiedelt. Forschungen betreiben auch die Archäologischen Institute vieler deutscher Universitäten.

 

Luftbildarchäologie:  

Durch den Einsatz neuer Techniken, wie Luftbildarchäologie und geophysikalische Untersuchungsmethoden, wurden in den letzten Jahrzehnten nicht nur zahlreiche neue Erkenntnisse

an bereits bekannten Fundstellen gewonnen, auch neue Bodendenkmäler wurden entdeckt. So fand man entlang des Limes bis dahin unbekannte Anlagen, Grundrisse und Innenbauten von Kastellen sowie die Siedlungsstrukturen der Kastelldörfer konnten genauer als bisher erfaßt werden.

Die Ergebnisse fanden Eingang in ein neues Kartenwerk, das dazu dienen soll, die erhaltenen Reste des Limes entsprechend dem Welterbe -  Status besser zu schützen. So konnte bei der Planung eines Baugebietes in Neuberg- Ravolzhausen eine Turmstelle vor der Zerstörung bewahrt werden.  Zunächst wurden geophysikalische Messungen durchgeführt und das Umfeld archäologisch untersucht. Danach wurde die eigentliche Turmstelle aus der geplanten Bebauung herausgenommen und durch Beschilderung der Öffentlichkeit kenntlich gemacht.

Von besonderer Bedeutung für die Limesforschung war die Auffindung von Resten der Limespalisade bei Hammersbach - Marköbel. Anhand der  dendrochrono­logischen Untersuchung der Hölzer konnte das Jahr 119 / 120 nCh als Fälldatum der Eichen­stämme ermittelt werden. Hiermit ließ sich die Errichtung der Limespalisade erstmals exakt datieren.

 

Topographische Neuaufnahme

Im Rahmen des UNESCO- .Welterbe - Antrages wurde der gesamte Limesverlauf neu vermessen und so die Grundlage für eine Neubewertung des Gesamtdenkmals Limes gelegt. Gemäß den Vorgaben der UNESCO soll in Zukunft beiderseits des Limesverlaufs eine Schutzzone den Erhalt der Anlagen gewährleisten, in der vor allem Baumaßnahmen vermieden werden sollen. Auch um die Limesbauwerke gibt es eine solche Zone.

 

Maßnahmen mit Weitblick:

Als Grundlage zum Schutz, zur wissenschaftlichen Erforschung, Vermittlung und touristischen Erschließung der römischen Reichsgrenze dient der Limesentwicklungsplan Hessen. Dieser Leitfaden wurde in Kooperation mit Landkreisen, Kommunen, Naturschutzverbänden, Naturparks und Forstbehörden sowie privaten Denkmalbesitzern konzipiert. Er beinhaltet alle geplanten Maßnahmen - wie zum Beispiel die Einrichtung von archäologischen Rundwegen und Infopunkten sowie die Markierung von Grenzverlauf und Limesanlagen - und ermöglicht so die landesweite Koordination sämtlicher Projekte.

Eine wichtige Rolle spielen die Museen auf Landes-, Kreis- und Regionalebene. Sie informieren über den jeweiligen Limesabschnitt und geben Besuchern Einblicke in den historischen Hintergrund und die Ergebnisse der Forschung. Auf Landesebene übernimmt das Römerkastell Saalburg die Aufgaben als Limesinformationszentrum für ganz Hessen, in den Landkreisen soll je ein regionales Limesinformationszentrum entstehen.

Mit der Umsetzung des Landesentwicklungsplans Hessen bietet sich die Chance, nicht nur denkmalpflegerische, sondern auch regional- und strukturpolitische Akzente zu setzen. So trägt der Maßnahmenkatalog zur touristischen Erschließung bei und steht im Einklang mit dem von der UNESCO geforderten Managementplan

 

UNESCO Welterbe: Chance und Verpflichtung

Die fünf Bundesländer Baden - Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland ‑ Pfalz haben sich darauf verständigt, den durch Deutschland verlaufenden Abschnitt der ehemaligen römischen Grenzanlage 2003 bei der UNESCO als Kulturdenkmal anzumelden. Bis dahin müssen die Reste der 550 Kilometer langen Grenzbefestigung in Plänen und Fotografien dokumentiert werden. Zudem ist aucheine Bestandsaufnahme eventueller Schäden und Reparaturen notwendig.

Mit der Eintragung des Obergermanisch - Rätischen Limes, der ehemaligen Grenze des Römischen Reiches zwischen Rhein und Donau, eröffnen sich neue Möglichkeiten, dieses größte Bodendenkmal Mitteleuropas besser zu schützen, zu erforschen und touristisch zu erschließen und seine Bedeutung als historisches Zeugnis im Ganzen der Öffentlichkeit angemessen zu vermitteln. Außerdem trägt die internationale Aufmerksamkeit dazu bei, den Belangen der archäologischen Denkmalpflege mehr Gehör zu verschaffen.

Die UNESCO  - die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation  -, wurde 1945 gegründet. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem der weltweite Schutz des Kultur- und Naturerbes. Diesem Ziel haben sich inzwischen 180 Staaten in einem Abkommen verschrieben. Das Kulturerbe umfaßt archäologische Denkmäler, Bau- und Industriedenkmäler, Städte, Kulturlandschaften und Kunstwerke.

Inzwischen gehören fast 800 Stätten in mehr als 130 Staaten zum Welterbe. In Deutschland wurden bisher 30 Denkmäler in die UNESCO-Welterbe - Liste aufgenommen. Seit Juli 2005 gehört auch der Obergermanisch-Rätische Limes dazu.  Der Obergermanisch - Rätische Limes ist nun Teil des Welterbes „Roman frontiers - Römische Grenzen, wie schon seit 1987 der Hadrianswall im Norden Englands. Derzeit laufen Bestrebungen, auch die Limesabschnitte in Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien in die Welterbe - Liste aufzunehmen. Langfristiges Ziel ist, alle Teile der ehemaligen römischen Reichs­grenze (limites) in einem gemeinsamen Welterbe zu vereinen.

Die Anerkennung durch die UNESCO nimmt alle Beteiligten nun besonders in die Pflicht, nicht nur die Forschungen zu intensivieren, sondern die Ergebnisse auch einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Es bestehen bereits ausgewiesene Limes - Lehrpfade, es gibt lokale Wanderwege, die an rekonstruierten Wachttürmen vorbeiführen, einen von römischen Soldaten aufgehäuften Wall oder ein Stück konservierter Mauer ins Blickfeld rücken. In archäologischen Parks kann man Kastellmauern umrunden und so die Ausmaße dieser Anlagen begreifen. Damit man wirklich über den äußersten Rand hinausschauen und so eine Vorstellung vom Römischen Reich bekommen kann, wird auch eine einheitliche Beschilderung angestrebt. Allerdings sind die nach 1965 entstandenen Rekonstruktionen und Nachbauten vom Welterbe ausgenommen - sie wären heute nicht mehr so einfach zu errichten.

Daher spielen die vielen großen und kleinen Museen eine ganz wichtige Rolle bei der Präsentation, denn sie können die Lebenswirklichkeit am und um den Limes am besten veranschaulichen. Ausbau und Vernetzung haben schon konkrete Züge angenommen: Die Saalburg, die Museen in Aalen, Osterburken und Weißenburg werden als überregionale Zentralmuseen des jeweiligen Bundeslandes fungieren. Für Rheinland - Pfalz ist am Beginn des Limes in Rhein­brohl ein Limes - Erlebnis - Zentrum geplant.

Bei der touristischen Erschließung von Europas größtem archäologischen Denkmal hat der Verein Deutsche Limes - Straße bereits gute Vorarbeit geleistet: Im Jahre 1999 wurde die Route eingeweiht.  Seit 2000 bietet der Deutsche Limes -  Radweg die Möglichkeit, den Römern im Norden auch ganz sportlich nachzuspüren.

 

Deutsche Limesstraße:

Fast alle Wetterauer Orte mit römischer Vergangenheit sind inzwischen Mitglied im Verein der Deutschen Limes ‑ Straße. Entlang der fast 2000 Jahre alten Grenze wurde 1996 die Deutsche Limes ‑ Straße eingerichtet. Die am Limes liegenden Ortschaften haben sich zum Verein Deutsche Limes ‑ Straße zusammen geschlossen, um Besuchern die markantesten Stationen römischer Vergangenheit näher zu bringen. Einer der längsten Limesabschnitte umschließt die fruchtbare Wetterau in einem weiten Bogen.

Einen Teil der deutschen Limes ‑ Straßeist nun auch im Altkreis Hanau zu verfolgen. Kleine braune Schilder an den gelben Ortsnamentafeln und Wegweisern zwischen Erlensee, Großkrotzenburg und Hanau kennzeichnen diesen touristischen Pfad. Immerhin ist das freigelegte Kastell am Salisberg in Kesselstadt mit 14 Hektar vermutlich eines der größtes Römerlager neben Köln. Informationsmaterial über die mehr als 500 Kilometer lange Limes ‑ Straße gibt es im städtischen Verkehrsbüro am Neustädter Rathaus oder beim Verein Deutsche Limes ‑ Straße, Marktplatz 2 in 73430 Aalen, Telefon 0 73 61 / 5223 61.

Im Museum Steinheim sieht man Funde aus der Römerzeit, auf dem Schloßplatz davor konnte man dem Schauspiel der Groß­krotzenburger Cohorte III Vindelicorum zuschauen. Auch wenn der Erdwall nach rund 1800 Jahren nur noch stellenweise erhalten ist, finden sich links und rechts von ihm noch Über­bleibsel aus dem Alltag und von den Bauten der einstigen Belagerer.

Bei dem jüngsten Stolz der Hanauer Archäo­logen handelt es sich an­geblich um die älteste mit Tinte geschrie­bene Quittung. Weil auch damals zum Quittieren das Datum dazugehörte, weiß man genau, daß das am Saliskastell ge­fundene Täfelchen am 5. April 130 nCh ausgestellt wurde. Der sensationelle Fund befindet sich zur Zeit im Römisch ‑ Germanischen Zentralmu­seum Mainz. Im Verkehrsamt trägt man sich aber mit der Hoffnung, daß die antike Quittung wieder den Weg zurück nach Hanau finden wird.

Inzwischen ist es fünf Jahre her, daß der Limesrundwanderweg am Kastell Neuwirtshaus auf Initiative des Naturparks Hessischer Spessart sowie der Stadt Hanau eröffnet wurde. Rund 5,6 Kilometer Limes liegen im Südosten Hanaus, teilweise ragt der alte Schutzwall bis zu 130 Zentimeter aus dem Erdboden heraus. Anlaß des Projekts ist es, die Erkenntnisse der Forschung an die Bevölkerung zu kommunizieren, um den Wanderweg mit Leben zu füllen. Damit gliedern sich die Tafeln dem bundesweit umgesetzten Limesentwicklungsplan an.

Der Main - Kinzig - Kreis ist reich an sichtbaren Spuren der Römer, und langsam schließen sich die Lücken.  Neben Marköbel oder Neuberg, wo alte Palisaden und eine Wachturmstelle freigelegt wurden, gilt vor allem Großkrotzenburg als Anschauungsobjekt für Freunde der Antike. Dort sind im Dorfkern noch Mauerreste des alten Kastells erhalten. Das Gegenstück am Neuwirtshaus dagegen war eine Konstruktion aus Holz und Erde. Deshalb sind dort keine Steine zu sehen. Als die Stadt Hanau gewisse Areale in Abstimmung mit dem Forstamt von Gebüsch und Gehölz befreite, wurden dagegen die Umrisse des Walls allerdings klar erkennbar.

Der Standpunkt in Wolfgang - 20 bis 40 Soldaten waren hier zur Regierungszeit Kaiser Hadrians stationiert - diente der Streitmacht als Verbindungspunkt zwischen Erlensee und Groß­krotzenburg.

 

Limes - Wanderweg:

Die Wandervereine haben über weite Strecken einen Limeswanderweg markiert. Das Markierungszeichen „Limeswanderweg“ ist ein stilisierter römischer Wachtturm. Der für 2004 geplante Limes ‑ Erlebnispfad , der von Glashütten im Taunus nach Ober ‑ Mörlen in der Wetterau führen wird, soll die Bekanntheit des mit 500 Kilometer Länge größten Bodendenkmals Europas erhöhen und Touristen anziehen.

Entlang des 30 Kilometer langen Erlebnispfades von Glashütten nach Ober ‑ Mörlen liegen 17 sichtbare Turmstellen, darunter der rekonstruierte Wachturm am Gaulskopf, vier Kleinkastelle und die größeren Kastelle Kleiner Feldberg, Saalburg und Kapersburg. Vom Kleinen Feldberg über Schmitten und die Saalburg bis zur Kapersburg ist eine informative Ausschilderung beabsichtigt. An der Kapersburg wird als erstes dieses Informationssystem für Fußgänger und Radfahrer eingerichtet und damit der Limeserlebnispfad gestartet.

Die Aufnahme als Weltkulturerbe bringt zwar keine direkten finanziellen Förderungen. Aber es wurde künftig viel leichter, für den Erhalt der bestehenden Wall - Anlagen sowie für die Forschung Drittmittel zu gewinnen. Es ist eine Verpflichtung für die Politik, mehr für den Schutz der antiken Anlagen zu tun.

 

Sogenannte „Streckenkommissare” überprüften den Zustand der Limesüberreste und nahmen Vermessungen vor. Eine komplette und vor allem aktuelle Erfassung des Limes war für das Projekt notwendig geworden. Derart gründlich wurde der Limes nämlich zum letzten Mal zu Kaiser Wilhelms Zeiten untersucht und ausgemessen, als die Reichslimeskommission mit einem enormen Aufwand von 1894 bis 1913 die römischen Grenzbauten untersuchten. Ganz so intensiv wie damals konnten die Streckenkommissare ihre Untersuchungen diesmal nicht durchführen. Damals wurde fast an jedem zweiten Wachturm ein Grabungsschnitt angelegt. Die Zielsetzung zu jener Zeit war noch eine andere, viele Limes - Bauten und Teile der Streckenführung waren noch unbekannt.

Hier und da sindRömerbauten unter der nachkriegszeitlichen Bebauung verschwunden, so etwa das kleine Kastell Degerfeld (ein allerdings schon lange bekannter Fall) sowie ein Wachturm bei Butzbach. Ohnehin durch landwirtschaftliche Nutzung weitgehend verschwunden war die östliche Limesstrecke im Kreis (von Echzell bis Limeshain), wo der Grenzwall fast nur noch im Wald bei Rommelhausen zu verfolgen ist.

Geplant ist nun eine 30 Meter breite Schutzzone um den Limes herum, die die Reste vor weiterer Zerstörung durch die moderne Bebauung bewahren sollen. Stattdessen sollen verstärkt Informationstafeln in den „Limeskommunen” aufgestellt werden, die über die römische Geschichte der Wetterau aufklären. Die sollen auch dort stehen, wo oberirdisch längst nichts mehr zu sehen ist - etwa in dem seit Jahren völlig überbauten Römerlager im westlichen Ortskern von Altenstadt. Ergänzt werden soll dies durch Rundwanderstrecken, etwa am „Schrenzer” westlich von Butzbach.

 

Über den Limesverlauf in der Wetterau siehe dort.

 

Museen:

Kategorie 1. Museen mit überregionaler Bedeutung für den Limes und die Römerzeit: Saalburg.

Kategoerie 2: Museum am Limes mit Fundbeständen aus der Region: Hofgut Georgenthal, Saalburg, Butzbach, Hof Graß, Friedberg, Echzell, Großkrotzenburg, Seligenstadt.

Kategorie 3. Infostationen mit übergreifenden Erläuterungen: Zugmantel, Idstein, Glashütten, Holzheimer Unterwald, Marköbel.

Kategoerie 4: Erläuterungen, Einzelobjekte, Rundwege, Einzelrekonstruktionen: Holzhausen, Rundweg Feldbergkastell, Limes  - Erlebnispfad Hochtaunus, Butzbach - Degerfeld, Sandberg bei Pohlhein, Hainhaus, Lich - Arnsburg, Limeshain - Rommelhausen, Erlensee -Rückingen.

Archäologische Streifzüge für Neugierige: Römerkastell Saalburg und Umgebung. Die wieder aufgebauten Gebäude im Kastellbereich beherbergen Museumsräume mit zahlreichen archäologischen Funden, vor den Toren finden sich Denkmäler und Rekonstruktionen aus der römischen Epoche und der Zeit des Wiederaufbaus.

 

Römisches Flußpatrouillenboot:

Ein  nachgebautes römisches Flußpatrouillenboot war vom 29. August bis zum 9. September 2005 unterwegs von Bürgstadt bis Großkrotzenburg. Die Römerstädte am Mainlimes präsentieren sich in dieser Zeit in einer einmaligen Aktion. Aus Anlaß der Anerkennung des Limes als UNESCO - Welterbe holen die Organisatoren ein Römerschiff an den Main und begleiten dessen Fahrt von Ort zu Ort mit einer Vielzahl von Festlichkeiten und anderen Aktivitäten, um auf das reiche, antike Erbe der Region aufmerksam zu machen.

Dieser Abschnitt des Mainlimes besitzt unter den 550 Kilometern des obergermanisch - räti­schen Limes, landschaftlich und archäologisch eine charakteristische Stellung. Die am Main verlaufende römische Reichsgrenze zu den Germanen war mit ihren insgesamt zehn Kastellen von Bürgstadt bis Großkrotzenburg nicht, wie in anderen Abschnitten, durch Mauern oder Gräben, sondern allein durch den Fluß markiert.

Das Trennende des Flusses, das den Limesverlauf in diesem Abschnitt auch heute sichtbar macht, hatte jedoch auch Verbindendes. Flüsse waren in der Antike bevorzugte Transport- und Verkehrswege. Durch Inschriftensteine in Trennfurt, Obernburg und Stockstadt ist mehrfach belegt, daß Sonderabteilungen der Mainzer Legion am Main in Odenwald und Spessart  Holz einschlugen und an den Rhein verflößten. In Mainz wurden die Stämme dann, wie spektakuläre Funde der jüngsten Jahrzehnte zeigen, unter anderem auf einer Werft zum Bau von Schiffen und Flußpatrouillenbooten verwendet.

Nach den Vorbildern der Mainzer Flußpatrouillenboote, die dort im Museum für antike Schiffahrt ausgestellt sind, entstand durch die Initiative begeisterter Althistoriker an der Universität Regensburg vor einigen Jahren die fahrtüchtige Rekonstruktion einer solchen Navis lusoria. Dieses schnelle, wendige Schiff mit 22 Metern Länge, drei Metern Breite und einem Leergewicht von fünf Tonnen wird von 22 Ruderern in römischer Ausrüstung und Kleidung gefahren.

Das besondere, archäologische Experiment einer römischen Schiffspatrouille hat sich bisher schon auf Rhein und Donau präsentiert. Mit der Fahrt auf dem Main kehrt die Navis lusoria in ihre historisch angestammten Gefilde zurück. Das Römerschiff wird auf seiner Fahrt entlang des Mainlimes von sämtlichen Römerorten der Region mit einer Vielzahl von Aktionen begrüßt. Ins Leben gerufen und koordiniert wurde das Vorhaben  vom Heimat- und Geschichtsverein Großkrotzenburg sowie vom Förderkreis Römermuseum Obernburg.

Das Spektrum der Veranstaltungen mit römischem Flair, getragen von zahlreichen Gemeinden, Vereinen und Freiwilligen in Bürgstadt, Miltenberg, Trennfurt, Wörth, Obernburg, Groß­wallstadt, Niedernberg, Aschaffenburg, Stockstadt, Seligenstadt, Klein - Krotzen­burg sowie Großkrotzenburg umfaßt dabei Römerfeste und -lager in jeglicher Form, begleitet von historischem Spurensuchen, experimenteller Archäologie, Ausstellungen, Theateraufführungen, Wagenrennen, Gastmählern und Gelagen. Mit Brot, Spielen und lebendiger Kultur wird die Maingegend wieder zu einer Regio romana werden.

Ob auch die alten Römer schon wußten, daß man es in Großkrotzenburg versteht, vergnügliche Feste zu feiern, konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden; die im September mit dem Floßboot kommenden jedoch scheinen es gewußt zu haben. Ihr Besuch fällt nämlich genau auf die Krotzebojer Kerb. die in diesem Jahr um den 9. September gefeiert wird. Weitere und umfassende Informationen mit zahlreichen Downloads und Links bietet die eigens für die gesamte Römer-Aktion eingerichtete Website im Internet.

Kontaktadresse: Heimat- und Geschichtsverein Großkrotzenburg, Hannelore Kreß, 1. Vorsitzende, Telefon 0 61 86/71 57, Wilhelmstraße 4, 63538 Großkrotzenburg, E-Mail „info@ museum-grosskrotzenburg.de“ und „www. mainlimes.de“.

 

 

 

 

 

 

 

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