Aberglaube

 

Inhalt: Aberglaube, Heilungen, Exorzismus, Erdstrahlen, Horoskop, Kettenbrief, Hexenwahn, Satanismus, Okkultismus, Psychosekten, Parapsychologie, Hypnose.

 

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Aberglaube

Geschichte:

Schon bei Livius wird beschrieben, welche Folgen die Furcht vor einer Mondfinsternis im Altertum hatte. Zwei Kriegsheere stehen sich feindlich gegenüber, die Schlacht steht bevor. Der römische Kriegstribun aber macht seine Soldaten auf die bevorstehende Mondfinster­nis aufmerksam. Man könne das vorher wissen und vorausbestimmen, weil es nach einem gewissen Naturgesetz in bestimmten festgelegten Zeiträumen geschehe. Der Mond würde dabei nur vom Schatten der Erde überdeckt. aber das sei kein unglücksverheißendes Vorzeichen; sie wunderten sich ja auch nicht, wenn sonst der Mond abnehme und nur noch eine Sichel zu sehen sei. Die römischen Soldaten nahmen dann auch das Ereignis ruhig hin, während man aus dem Lager der Feinde Geschrei und Gejammer hören konnte, weil alle meinten, der verschwindende Mond künde das Verderben des ganzen Volkes an.

Hier wird schon deutlich, daß man solchem Primitivaberglauben zunächst mit wissenschaftlicher Aufklärung begegnen kann. Dennoch wird noch etwas mehr nötig sein, nämlich die Ersetzung durch einen echten Glauben. Im Aberglauben zeigen sich nämlich noch viele Züge der heidnischen Religion, bei uns vor allem der Germanen. Nach der germanischen Mythologie zieht der Gott Wodan in den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag auf seinem weißen Roß mit der wilden Jagd seines Gefolges und den wilden Hunden herum. Wer in diesen Tagen Wäsche draußen hängen läßt, muß damit rechnen, daß Wodans Hunde sie zerreißen. Man muß an besten zu Hause bleiben und die Türen zuhalten, sonst zieht Wodan durch das Haus und seine Hunde verzehren alles, was sie finden. Wenn aber Wodans Pferd ein Hufeisen verliert, bringt das Glück. Wenn Wodans Gattin Frau Holle die Schränke inspiziert, muß dort alles in Ordnung sein.

 

Primitivaberglaube:

1.) Glänzende Geschäfte werden auch mit dem „6. und 7. Buch Mose“ gemacht. Dieses Zauberbuch der „weißen Magie“ gehört zum Handwerkszeug vieler Hexenbanner und Geisterbeschwörer. Die Leute aber sagen: „Wenn nicht Wort für Wort wahr wäre, was in diesen Büchern steht, wären sie ja längst verboten!“ Die Gerichte in der Bundesrepublik befassen sich nicht damit, weil das Buch es nicht verdient, ernst genommen zu werden.

2.) Wie ernst es aber genommen wird, zeigt der Fall einer Mutter, die ihr an Asthma leidendes Kind so lange prügelte, bis es endlich durch den Tod erlöst wurde. Ein Hexenbanner hatte ihr geraten: „Jeder Schlag, der das Kind trifft, wird auch von der Hexe verspürt; je mehr Prügel, umso eher fährt die Hexe aus ihm heraus!“ Die Mutter liebte ihr Kind, und jeder Schlag war ihr ein Stich ins eigene Herz! Und doch nahm sie den Ratschlag ernst.

3.) In einem Dorf im badischen Kreis Sinsheim glaubte man, eine 84 jährige Frau habe einen Pakt mit dem Teufel. Erbarmungslos wandten sich die Dorfbewohner von ihr ab, selbst im Gottesdienst legten sie einen Bannkreis um die Greisin und verließen die Kirche, bis die Frau nicht mehr zum Gottesdienst ging.

4.) In Neuthard bei Bruchsal fand sogar eine Hexenaustreibung statt. Weil ein Schreiner und seine Frau nachts nicht schlafen konnten und seit Monaten an Schmerzen litten, wurde eine 70 Jahre alte Frau verprügelt und blutig geschlagen:

Der 26 jährige Schreiner sein um ein Jahr älterer Bruder standen weder unter Alkoholeinfluß noch sind sie geistesschwach oder Hinter­wäldler, denn sie arbeiten beide in der Großstadt Karlsruhe und sind mit den technischen Wunderwerken ihres Handwerks bestens vertraut.

5.) In Le Mans in Westfrankreich hat im Dezember 1957 eine junge Bäuerin ihren 17jährigen Bruder in einer Schüssel mit Viehsalz erstickt, weil er sich weigerte, das Salz zu essen. Angeblich sollte es zum Schutz gegen böse Geister dienen, nachdem es auf dem Hof häufig zu Unfällen gekommen war und mehrere Stück Vieh ohne erkennbare Ursache eingegangen waren. Ein 75jähriger Hexendoktor hatte die Diagnose gestellt und geweihtes Viehsalz als Ge­gen­mittel empfohlen. Die ganze Familie machte mit bis auf den jungen Mann.

6.) In Orleans wurde ein Kleinbauer verurteilt, der als altbekannter Magier in einer jungen Frau eine verwandte Seele gefunden hatte, die in sein Geschäft mit einstieg. Der Ehemann ließ die Frau zunächst gewähren, warf eines Tages aber den Zauberer aus dem Haus. Dieser überfuhr ihn dann mit seinem Motorroller und machte ihm mit einem Schraubenschlüssel den Garaus. Er sagte, er habe nicht anders gekonnt, weil er unter Einwirkung überirdischer Wesen gehandelt habe.

7.) In Berlin ermordete ein 19jähriger Untermieter seine Wirtin, indem er ihr die Kehle durchschnitt. Er behauptete: „Sie hatte Macht über mich, sie ist ein Vampir. Darum mußte ich sie töten!“ Er hatte vorher im Fernsehen eine Szene gesehen mit einem Vampir. Ein Vampir ist in der Vorstellung Abergläubischer ein Verstorbener, der nachts sein Grab verläßt, um bei Lebenden Blut zu saugen; nur wenn man ihn in seinem Sarg aufspüren kann und ihm mit einem Holzpflock das Herz durchbohrt, kann seine vermeintliche Macht über das Leben anderer gebrochen werden. So hatte es auch dieser Mörder gemacht: Nachdem er die alte Frau umgebracht hatte, war er zunächst aus dem Haus gelaufen, kurze Zeit später jedoch zurückgekehrt, um dem toten Opfer einen Holzspan in die Brust zu bohren.

8.) In Frankfurt hat sich ein Schuhmacher in religiösen Wahn aufgehängt und ist dann anschließend von seinen Anhängern mit der rechten Hand an die Wand genagelt worden, die linke Halsseite zeigte einen klaffenden Schnitt und durch den Körper war unterhalb des rechten Brustkorbs ein 70 Zentimeter langer Metallstab gestoßen worden, der unter der linken Schulter herausragte. Der Schuster hat sich opfern wollen wie Christus, damit das Volk wieder zur Vernunft kommt.

9.) Eine Frau verkaufte sieben Jahre lang ihren eigenen Urin als Heilmittel gegen Krebs, die Flasche zu 30 Mark; zwei Frauen konsumierten dreißig Flaschen davon. Sechs Beeren vom Lorbeer und sieben getrocknete Maiwürmer sollen gegen Ischias helfen, Schafläuse

gegen Gelbsucht. Auch in Millionenstädten ernährt der Aberglaube noch seinen Mann: In Hamburg wollte ein Ehepaar ein einfaches Metallstück unter die Leute bringen, das angeblich Kalkablagerungen aus kosmischer Strahlung im Körper verhinderte; dieser „Stein der Weisen“ sollte gegen alle Krankheiten von A bis Z helfen, von Angstgefühl bis zu Zucker.

10.) Mit der Geburt und Taufe werden viele aber­gläubische Dinge verbunden: Ein Kind unter einer Jahr darf nicht über den Friedhof getragen oder gefahren werden. Wenn zwei Kinder mit einem Wasser getauft werden, muß eins von ihnen sterben. In den Sprechstunden der Volksmission geht es zu 50 Prozent um okkulte Belastungen.

Aber auch das Vertrauen auf Amulette, Fetische, Maskottchen, Glückszahlen - Aber auch die Angst vor der Zahl 13, vor einer Schwarzen Katze, vor einer Schafherde gehören hier her. Eine vorsichtige Aufklärung ist hier notwendig. Ungefährliche entmythologisierte Volksbräuche dagegen können bestehen bleiben, wenn keine seelische Belastung daraus entsteht; das ist immer der entscheidende Punkt in allem.

 

Aberglaube und Glaube:

Seit Jahrtausenden ist das Gesichtsfeld der Menschheit gewachsen. Wenn neue technische Erkenntnisse geboren wurden, ist die Angst der Menschen nur gestiegen. Als die Erde nicht mehr Mittelpunkt des Weltalls war, begann die Zeit der Hexenverbrennungen. Als man zu den Sternen fliegen konnte und die Atombombe hatte, wurde die Urangst vor     dem Dämonischen wieder geweckt. Auf dem Höhepunkt der naturwissenschaftlichen Aufklärung ist eine neue Zeit düsteren Aberglaubens heraufgedämmert.

Es besteht also ein Widerspruch zwischen Vernunft und Wissenschaft auf der einen Seite und dem Versuch, unbekannte Schicksalsmächte in die Hand zu bekommen auf der anderen Seite. Die Natur bleibt unbewältigt,            die Geschichte ist undurchdringlich, Krankheit und

Leid bestehen, die Menschen verlangen nach Glück - alles das sind auch heute Motive zum Aberglauben.

Den Vulgärglauben braucht man wohl nicht zu schwer zu nehmen. Hier hilft meist wissenschaftliche Aufklärung. Nur wenn eine seelische Belastung dazukommt, ist es ein Fall für die Seelsorge. In der Regel ist diese Belastung aber da, wenn es sich um das Besprechen, Horoskop, Wahrsagerei, Zauberei und Spiritismus handelt. Hier wird es immer gefährlich.

Man sollte sich von vornherein dieser Praktiken enthalten. Vielleicht ist zunächst nur Neugier dabei, man hält es für Spaß und Unfug. Aber wenn man dann Ungünstiges von der Wahrsagerin hört, ist doch die Angst da. Und wenn einer dann ein Maskottchen wegtun soll, dann hat er Angst und wird unsicher.

Oftmals kann auch eine psychiatrische Behandlung helfen, wenn nämlich seelische Ursachen zugrunde liegen (Neurose): Ein Kind mit Waschzwang hat einmal ein Tier zu Tode gequält und sich die Hände dabei blutig gemacht. Diese Schuld wurde verdrängt und führte zu der Zwangshandlung.

Über die verstandesmäßige Aufklärung hinaus muß aber solchen Menschen das Evangelium verkündet werden, auch wenn es sehr schwierig ist und eine lange seelsorgerliche Betreuung nötig ist. Oft kann nur die Einzelbeichte und die Absolution helfen, damit das Alte wirklich abgetan ist.

Die Schwierigkeit ist nur, daß ein derart Kranker sich nicht helfen lassen will. Er hat Unsicherheit und Unfrieden im Gewissen. Aber oft gesteht er diese Dinge vor sich selber nicht ein und macht sie nach außen vielleicht noch lächerlich. Aber in Wahrheit ist er schwermütig. Einen bellenden Hund kann man zwar in den Keller sperren, so daß man ihn nicht hört, aber er bellt doch weiter wie vorher. Auch wenn man die Sache durchschaut hat, ist die Angst noch nicht überwunden (zum Beispiel Angst vor Gewitter, vor Erröten, Schwindelgefühl, Agoraphobie).

Man muß hier wissen, daß der Aberglaube einfach verkümmerter Glaube ist: „Glaube, dem die Tür versagt, kommt als Aberglaub durch's Fenster; wenn die Gottheit ihr verjagt, kommen die Gespenster!“ Deshalb kann der Aberglaube auch nur weichen, wenn echter Glaube daraus wird.

Der Aberglaube muß vom ersten und zweiten Gebot her bekämpft werden unter Heranziehung solcher Bibelstellen wie Lev 20,6 und Deut 18,10. Das Thema ist für jedes Gemeindeglied wichtig, denn Aberglaube behindert den Gemeindeaufbau und die Verkündigung schlägt nicht durch. Umgedreht kann eine Lösung vom Aberglauben eine Erweckung in der Gemeinde bewirken.

 

 

Neues Testament:

Nun sind gewiß diese Ängste nicht leicht zu nehmen. Es soll auch nicht bestritten werden, daß alles Dämonische sich mit Vorliebe im Halbdunkel der Grenzgebiete aufhält. Aber die Tendenz, sofort alles Unverständliche entweder zum übernatürlichen Wunder zu erklären oder zu verteufeln, zeugt von einer Verklemmung, die sich nicht mit dem Neuen Testament begründen läßt.

Gewiß ist in den Schriften des Neuen Testaments oft von dämonischen Mächten die Rede, aber nicht mit dem Zweck, vor ihrer Macht zu ängstigen, sondern um zu verkünden, daß sie durch Christus unterworfen sind, der ein Herr ist über alle Gewalten und Mächte und „über alles, was genannt mag werden nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen“ (Eph. 1). Mit seiner Herrschaft ernst machen bedeutet allemal eine herrliche Befreiung: Ich weiß, daß die Wirklichkeit unendlich weiter ist, als wir in dieser Welt sie jemals erforschen werden, aber ich weiß zugleich, daß er jetzt und in Zukunft der Herr ist über alles - auch über diese seltsame Sucht nach dem Geheimnisvollen, die als neue Welle über die Welt zu rollen scheint.


Christliches Maskottchen:

Als Rita den Wagen aufschloß, drückte sie mir eine kleine Puppe in die Hand, eine besenreitende Hexe. „Sei so gut und halte das mal einen Augenblick. Nettes Ding, nicht? Aber ich werde es nicht aufhängen. Kürzlich ist ein Nachbar verunglückt. Und wißt Ihr, warum? Weil ihn ausgerechnet das Gebammel, seines Maskottchens im Rückfenster in einem kritischen Moment irritiert hat. Er übersah einen überholenden Wagen. So ist sein Glücksbringer also zum Unglücksbringer geworden. Außerdem bin ich nicht für einen solchen Aberglauben!“ Sie zog mich ein wenig beiseite und fuhr dann leise fort: „Dir kann ich es ja sagen: ich spreche vor jeder Fahrt ein kurzes Gebet, daß der Himmel mich beschützen möge!“

Ein bißchen verlegen, als habe sie etwas Törichtes eingestanden, wandte sie sich ab, um die Wagentür zu öffnen. Wir nahmen auf den Hintersitzen Platz, und dann fuhr sie los, um uns zu zeigen, „was in dem Wagen drinsteckt“.

Früher dachte ich immer, es sei vornehmlich Männersache, sich an Schnelligkeit zu berauschen. Rita belehrte mich eines anderen. Mit Höchstgeschwindigkeit flog sie über die Autobahn und erläuterte dabei immer neue Vorzüge des Motors und der Karosserie. Dabei nahm sie aber in ihrer temperamentvollen Art nicht nur immer wieder sekundenlang die Hände vom Steuer, um das Gesagte mit unterstreichenden Gesten zu betonen.

O Rita - weißt Du, daß Du damit Dein Gebet vor Fahrtantritt ebenfalls zum Maskottchen stempelst? „Der liebe Gott wird schon auf mich aufpassen“, sagst Du und läßt Dich zu Leichtsinn verleiten. Vertrauen auf die unbedingte Macht des Gebetes ist eine wunderbare Sache - nur, Rita: Es ist kein magischer Zauberspruch, der uns vor Schaden und vor Schuld bewahrt und im übrigen Gott alle Verantwortung überläßt, wo es unsere eigenste Aufgabe wäre, besonders wachsam zu sein.

Verwechselst Du da nicht ein bißchen die Zusammenhänge? Du verläßt Dich auf die „Wirksamkeit“ dieses Gebets, daß Du vor lauter vermeintlicher Höflichkeit uns gegenüber Dich und uns und andere in Gefahr bringst. Das ist aber nicht mehr Glaube, sondern bereits Aberglaube. Ein Gespräch mit Gott vor Fahrtbeginn ist kein juristischer Vertrag mit Sicherheitsgarantie. Es entläßt uns auch nicht aus eigener Verantwortung. Im Gegenteil: Es verpflichtet uns zu doppelter Umsicht und Wachsamkeit.

Wenn Dir damit ernst ist, wirst Du auch selber alles daransetzen, verantwortungsbewußt zu fahren - mit Gottes Hilfe. Schlimm genug, wenn durch unabwendbare Verkettung von Umständen ein Unglück passiert. Du aber laß die Hände am Steuer und sieh auf die Fahrbahn. Ein Auto ist kein Konversationssalon.

 

 

 

Heilungen

Krankenheilungen:

Medizinisch ist noch nicht erforscht, wie weit etwa Sonne und Mond oder kosmische Strahlen auf der Menschen einwirken. An bestimmten Tagen operiert man besser nicht, sondern richtet sich nach dem Wetter. Vielleicht hat auch der abnehmende Mond doch einen gewissen Einfluß.

Seelisch-tiefenpsychologisch ist bedeutsam, daß es bei Mensch und Tier bestimmte Archetypen gibt, die eine warnende Funktion haben: Pferde scheuen und Hunde hellen, wenn auch der Mensch eine unbegründete Angst hat. In unserem Unterbewußten schlummern Kräfte aus der Vorzeit, die wir heute noch nicht recht begreifen können: Da hat zum Beispiel ein

Mensch stechende Schmerze in der Ferse und träumt von Schlangen, die ja das Symbol der Gegenreligion sind; erst die Bejahung religiöser Werte heilt ihn von seinem Leiden.

Hierhin gehört auch die psychosomatische Medizin, die solche Nervenkrankheiten wie Gürtelrose oder Warzen auf suggestivem Weg heilen kann. Was der Psychotherapeut kann, das tun aber denn in der Praxis auch die „Besprecher“ und „Hexenbannmeister“. Vor solchen Laien ist jedoch zu warnen. Nur der Arzt kann eine Hypnose richtig wieder abbauen, und er belastet den Vorgang auch nicht negativ religiös.

Es gibt Menschen, die durch ihre seelische Veranlagung zum Aberglauben hinneigen, und solche, die durch die Beschäftigung mit dem Aberglauben einen seelischen Defekt davontragen. Oft wird sich auch beides wechselseitig beeinflussen.

Die Gabe zu okkulten Dingen kann entweder durch andere Menschen übertragen werden, die sie los haben wollen. Oder man kann durch schwere Schicksalsschläge damit in Berührung kommen. Manchmal kommt einer durch Zufall von selber drauf und vom ersten Erlebnis geht es dann weiter. Oft beginnt es mit einem Gang zur Pendlerin und endet dann beim Spiritismus.

Aber es gibt natürlich auch positive Erscheinungen: Es gibt auch charismatische Krankenheilungen. Allerdings ist dabei in erster Linie das Heil (!) des .Menschen wichtig. Wenn Gott dann die Heilung noch dazu schenkt, ist das eine besondere Gnade.

 

 

Leben nach dem Tod:

Dazu kommt eine zweite Beobachtung: Mehr und mehr wendet sich das Interesse nicht nur den immerhin noch „diesseitigen“ Themen der Parapsychologie wie Gedankenübertragung, Vorahnung, Telekinese und Hypnose, sondern in steigendem Maße den ausgesprochen „jenseitigen“ Gebieten zu. Man bemüht sich darum, mit Hilfe übersinnlicher Erfahrungen etwas über den Tod hinaus zu erfahren. Das geht viel weiter als jene altbekannten Erzählungen, wie Menschen zur Stunde ihres Sterbens ihren weit entfernten Angehörigen leibhaftig erschienen, oder als die in dem Buch „Leben nach dem Tod“ des Amerikaners Raymond Moody und anderen Büchern gesammelten Berichte über das „Sterbeerlebnis“ von Menschen, die bereits im medizinischen Sinn gestorben waren und wiederbelebt wurden.

 

Feuerlaufen:

Hat seinen Ursprung in alten Riten, die in den unterschiedlichsten Religionen heimisch sind. Heute wird es auch, abgelöst von der religiösen Wurzel, als psychotherapeutische Übung durchgeführt. Deswegen muß aber die Beziehung zum Glauben nicht verlorengehen. Der Schweizer Pfarrer Jürgen Schultz berichtet ans eigener Erfahrung im „Kirchenboten für den Kanton Zürich“:

Als ich das erste Mal davon hörte, fiel mir die berühmte Prophetenstelle ein, wo Jesaja Gott sagen läßt: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein ... Wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen“ (Jesaja 43, 1.2). Das ist eine Bildrede, die ausdrücken will, wie stark Gottes Fürsorge sein wird. Durchs Feuer gehen zu können ist also ein Ausdruck dafür, von Gott getragen, beschützt und geborgen zu sein.

Die Herausforderung faszinierte mich so, daß ich vor einiger Zeit die Einladung zu einem „Feuerseminar“ annahm. Eine Frau aus unserer Gemeinde hatte mich auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht. 29 Leute saßen für sieben Stunden zusammen und wurden von einem speziell ausgebildeten Psychotherapeuten zunächst über den Ursprung des Feuerlaufs, seine Motive und seine Hintergründe informiert.

Der Feuerlauf hat das Ziel, die eigenen Ängste und Zweifel, die oft unser tägliches Leben bestimmen, anzuschauen und zu überwinden, d. h. uns nicht mehr von ihnen leiten zu lassen. Denn die Kraft und Energie, die in der Angst stecken, können wir für uns nutzen. So etwa tönte es in den Eingangsbemerkungen des Leiters.

Ich war skeptisch und doch neugierig entschlossen zugleich. Eine Teilnehmerin meinte kurzerhand, das ginge - wenn überhaupt - nur mit Gottes Hilfe, und sie habe im übrigen Angst, Gott damit zu versuchen: Wer sich in die Gefahr begibt, wird darin umkommen. Doch ich spürte auch: Das Vertrauen zu mir selbst, zu anderen Menschen und zu Gott - das sind Dinge, die sich nicht ausschließen, sondern einander ergänzen.

Im weiteren Verlauf des Abends meditierten wir die Fragen: Was willst du heute Abend hinter dir lassen? Für was oder für wen willst du durchs Feuer gehen? Das, was wir heute Abend hinter uns lassen würden: Ängste, Sorgen, alltägliche Probleme, sollten wir auf einen Zettel notieren. Nach etwa zweieinhalb Stunden gingen wir schweigend hinaus auf eine Wiese und bauten gemeinsam aus über 100 Scheiten einen großen Holzstoß auf, der anschließend entzündet wurde.

 

Es war mittlerweile fast 23 Uhr geworden, als wir die vorher geschriebenen Zettel - symbolisch für das, was wir hinter uns lassen wollten - ins lodernde Feuer warfen. Anschließend gingen wir wieder in den Gruppenraum zurück. Dort erzählten wir uns in einer Partnerübung gegenseitig von unseren Ängsten und wie unser Leben aussehen würde, wenn es nicht von der Angst geleitet wäre. Gegen 0.30 Uhr gingen wir wieder zum Feuer hinaus, wo das Holz nun ganz heruntergebrannt war. Der Leiter nahm einen Rechen und legte ein richtiges Glutbett an, das eine Temperatur von etwa 700 Grad Celsius hatte.

Wir bildeten einen Kreis und „schickten“ jedem Teilnehmer in der Runde gute Gedanken und das Bewußtsein: „Du kannst das, du schaffst das, über die glühenden Kohlen zu gehen.“ Und ich kam auch drüber, ein-, zwei-, drei-, vier-, fünfmal - allein und auch zusammen mit anderen. Ein überwältigendes Erlebnis!! Keine Verletzung, keine Brandblase, nichts, was auf diesem „Tanz auf dem Feuer“ hingedeutet hätte. Dafür das Gefühl, große Schritte getan zu haben, die sich auf meinen Alltag auswirken werden. Denn wer einmal über glühende Kohlen gelaufen ist, wird andere schwierige Situationen auch bestehen können.

Ärzte halten durchaus für möglich, daß richtige psychische Vorbereitung des Körpers die physische Reaktion aufzuheben vermag, so daß keine Verbrennungen auftreten. Die Beeinflußbarkeit unseres Körpers und seiner Funktionen ist viel größer als uns bewußt ist. Man muß allerdings bedenken, daß sehr schnell über die Glut gegangen wird und die Strecke nur kurz ist, so daß die Hitze nicht allzulange einwirken kann.

 

 

Teufelsaustreibung (Exorzismus)

Unter Exorzismus versteht man eine Beschwörung im Sinne der Beseitigung böser unbestimmbarer Einflüsse, speziell die Vertreibung dämonischer Mächte. Beim Exorzismus wirkt das Wort unmittelbar, ohne daß eine personhaft erfaßbare Regung oder eine einsehbare Logik vermittelnd wirksam oder erkennbar wird. Der Exorzist bedient sich bestimmter Worte, Geräte und Gesten. Diese können auch aus sich heraus den Exorzismus üben. Wir haben hier eine der Ausdrucksgestalten des ritenhaften Umgangs zwischen Gott, Welt und Mensch vor uns. Der religiös bestimmte Mensch bewältigt so das namenlose Unheil der schrecklichen „Gottheit“.

 

Im Neuen Testament kommt die Wortgruppe nur in Apg 19,13 vor. Ebenso wird in 5.Mose 18,10-11 der Exorzismus zusammen mit aller Zauberei verboten. Im Judentum dagegen wurde er wieder gepflegt und eine ausgebildete Dämonologie kam auf. Dieser zeitgenössische Hintergrund wird auch im Neuen Testament erkennbar: In der Geschichte vom fremder Exorzisten (Mk 9,39-40) und von den Söhnen des Skeuas (Apg19, 13-20) wird der Name Jesu von jüdischen Exorzisten mit oder ohne Erfolg in Anspruch genommen.

Jesu eigene Dämonenaustreibungen sind ohne die üblichen Beschwörungen vor sich gegangen: Die bösen Geister haben schon dem bloßen Befehlswort gehorcht:

Heilung eines Besessenen                               Mk 2,21-28 (besonders 25-26)

Heilung eines besessenen Geraseners          Mk 5,1- 20 (besonders 8 und13)

Heilung eines fallsüchtiger Knaben               Mk 9,14-29 (besonders 25-26)

Macht über böse Geister (Beelzebub)          Mt 12,22-30 (besonders 28)

 

Unter Berufung auf den Auftrag Christi (Mk 16,17; Mt 10,8) übt die römisch-katholische Kirche den Exorzismus auch noch heute. Er gilt als wirksam, wenn auch nicht in jedem Fall. Er ist ein liturgischer Akt, der aus Handlungen wie Kreuzeszeichen und Handauflegung sowie aus Worten besteht (Schriftlesungen, Gebete, Beschwörung, Drohung, Verwünschungen).

Man unterscheidet den „großen Exorzismus“, der bei erwiesener Besessenheit mit Erlaubnis des Bischofs angewendet wird, und den „kleinen Exorzismus“, in dem Dinge wie Wasser, Öl oder Salz, aber auch schädliche Tiere exorzisiert werden. Dafür gibt es genaue liturgische Formulare.

In der lutherischen Kirche kennte man den Exorzismus nur in Verbindung mit der Taufe. Schon Luther hatte ihn in sein Taufbüchlein aufgenommen und er wurde bis ins 18. Jahrhundert geübt. Er wurde aber auch immer kritisiert. In neuerer Zeit hat man ihn wieder zum Teil aufgenommen, um den radikalen Existenzwandel des Getauften deutlich zu machen.

 

Anfang der Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts erregte der Fall einer jungen Frau aus Klingenberg am Main großes Aufsehen. An ihr wurde ein Exorzismus versucht. Sie aber im Laufe der „Behandlung“ gestorben. Annelise Michel stammte aus einem streng katholischen Elternhaus, meinte aber, von bösen Geistern besessen zu sein.

 

Die Tochter eines Sägewerksbesitzers hatte an der Universität Würzburg Pädagogik studiert. Sie soll seit 1969 an Epilepsie gelitten haben. Die Krankheit hat sich von 1973 an zu depressiven Zuständen mit Versündigungsideen gesteigert. Nach einer „seelsorgerischen Betreuung“ durch Pfarrer Ernst Alt wurde sie von der wahnhaften Psychose befallen, vom Teufel besessen zu sein.

Daraufhin hat der Würzburger Bischof Dr. Josef Stangl die Zustimmung zu einem „exorzistis­chen Verfahren nach dem Rituale Romanum“ gegeben, einem Kompendium bestimmter Gebete aus dem Jahre 1614. Diese Teufelsaustreibung wurde dann schließlich von Pater Arnold (mit bürgerlichem Namen Wilhelm Renz) vorgenommen. Neun Monate, 75 Nächte lang, mußte die Studentin eine Zeremonie von Weihrauchwolken, mittelalterlichen Gebeten und Beschwörungsformeln über sich ergehen lassen

Der Pater hat von den „Sitzungen“ Tonbandaufnahmen gemacht. Er ist davon überzeugt, verschiedene Teufel wahrnehmen zu können, die aus der Frau sprachen. Der sogenannte Exorzismus-Prozeß vor dem Landgericht von Aschaffenburg hat sich zu einem handfesten Spektakel ausgewachsen, dessen weltfremde und gespenstische Szenerie kaum zu überbieten ist. Die Angeklagten, darunter zwei katholische Priester, versuchten mit allen Mitteln, eine von ihnen vorgenommene grausame „Teufelsaustreibung“ zu rechtfertigen.

Das Gericht ließ es sogar zu, daß zur „Entlastung der Beschuldigten“ im Verhandlungssaal Tonbänder abgespielt werden konnten, auf denen einem sensationslüsternen Auditorium die „Stimmen von mindestens sechs verschiedenen Teufeln“, deren Toben, Kreischen und Fluchen vorgegaukelt wurden.

Der „Hauptgegner des Teufels“, der Salvatorianer-Pater Renz, der in 67 diabolischen Sitzungen sein junges Opfer bis zur völligen geistigen und körperlichen Zerrüttung peinigte, gab an, in der Geisterwelt ein erfahrener und auch vielgereister Mann zu sein. Anneliese Michel, an deren „Besessenheit“ es für ihn keinen Zweifel gebe, habe er bei den Sitzungen von zwei starken Männern festhalten lassen. An den Füßen seines Opfers will er die „Kreuzigungsmale Jesu“ ausgemacht haben.

Es hat jedoch eher der Anschein, daß diese streng erzogene Frau einmal alles aus sich herausschreien wollte, was sich jahrelang in ihr angestaut hatte (vor allem Schimpfworte). Sie hatte eine Geisteskrankheit (Schizophrenie oder so etwas) und hätte in ärztliche Behandlung gehört. Weil ihr aber die Geister angeblich befohlen hatten, keine Nahrung zu sich zu nehmen, ist sie verhungert. Am 1. Juli 1976 starb sie, verhungert und verdurstet.

 

 

Die medizinischen Gutachter in dem Prozeß wollten neben den Krankheitssymptomen vor allem zu klären versuchen, was die Ursachen dafür waren, daß keiner der mittelbar und unmittelbar am Exorzismus Beteiligten einen Arzt zu Rate zog, als der körperliche Verfall von Anneliese Michel immer offensichtlicher wurde.

Zuvor hatte der Frankfurter Jesuitenpater Rodewyk bereits ein „Gutachten“ anderer Art erstattet. Vor Gericht behauptete er, Anneliese Michel sei nicht nur von „Umsessenheit“, sondern von „echter Besessenheit“ mit Judas als „Hauptteufel“ befallen gewesen. „Nebenteufel“ seien ebenfalls vorhanden gewesen, sagte Rodewyk, der sich als „Exorzismus-Fachmann“ bezeichnete. Als „Merkmale für Besessenheit“ bei der 23jährigen Studentin führte der Ordensgeistliche an, ihre zarten Hände seinen zu „Pratzen“ geworden, sie habe „Fratzen mit vielen Hörnern“ gesehen und „penetranten Gestank verbreitet“.

Ein Stuhl, auf den sie sich setzen wollte, habe sich in die Höhe gehoben. Ein anderer Geistlicher, der Aschaffenburger Pfarrer Herrmann, behauptete im Zeugenstand, daß das Mädchen auch „in der Luft geschwebt“ habe.

Der Staatsanwalt stellte fest, daß durch die exorzistischen Handlungen die psychotischen Störungen von Anneliese Michel „entscheidend verschlimmert“ wurden. Infolge der fortschreitenden geistigen Erkrankung habe die Studentin ab Januar 1976 zunächst zeitweilig, später in zunehmendem Maße die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit verweigert, die der „fahrlässigen Tötung“ Angeklagten - der Pfarrer und der Pater sowie die Eltern des Mädchens - hatten es pflichtwidrig unterlassen, auf ärztliche Hilfe hinzuwirken. Der Todeseintritt, so der Staatsanwalt, hätte „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ bis eine Woche vor dem Ableben durch ärztliche Behandlung abgewendet werden können. Das Opfer, einst ein lebensfrohes, hübsches Mädchen, wog noch ganze 62 Pfund.

 

Professor Herbert Haag, Ordinarius für Altes Testament an der Universität Tübingen, erklärte, daß der aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammende kirchliche Exorzismus nicht mehr in unsere Zeit passe. „Der Exorzismus steht und fällt mit dem Teufelsglauben. Daher kommt Besessenheit, wie die Erfahrung lehrt, immer nur dort vor, wo an den Teufel geglaubt wird. Noch nie war ein Atheist besessen'!“ Um Christ zu sein, so forderte Professor Haag weiter, brauche man heute nicht mehr die „Frohbotscbaft vom Teufel“.

 

 

Erdstrahlen

Manche Leute glauben an geopathische Zonen, die verantwortlich seien für die Entstehung oder das Bestehenbleiben einer Krankheit. Zum Beispiel wird ein Zusammenhang behauptet zwischen Erdstrahlen und der Krebserkrankung. Ein Arzt behauptet: „Außer ganz wenigen Krankheiten wie Grippe, Masern, Schnupfen usw. gibt es keine Krankheit, die nicht durch diesen schmalen Streifen vorbestimmt ist!“

Doch hier muß der Wissenschaftler schon argwöhnisch werden, wenn nämlich die Ursache fast aller Krankheiten in einem einzigen Faktor gesehen wird. Außerdem müßten dann alle Berufe, die dauernd ihren Wohnort wechseln oder ihren Schlafplatz, eine viel geringere Krebsquote aufweisen, da nicht anzunehmen ist, daß sie dauernd einen Schlafplatz über einem Krebsstreifen erhalten.

Kriminell wird die Sache, wenn etwa „Entstrahlungsapparate“ verkauft werden. In Wuppertal haben zwei Ärzte solche Apparate empfohlen und durch einen Rentner aufstellen lassen. Der Preis für so ein Ding beträgt 40 bis 300 Mark. Es enthält aber nicht mehr als acht Meter Klingeldraht, einen einpoligen Schalter und ähnliches, alles zusammen im Wert von etwa drei Mark.

Es gibt allerdings Erdstrahlen und die sind auch physikalisch meßbar, etwa bei der Suche nach Uran. Aber die „Todesstrahlen“, die für die vielen Unfälle auf der Autobahn Frankfurt -Mannheim verantwortlich sein sollen, sind bloße Einbildung.

 

Wünschelrutengänger

ehrliches muß man von den sog. "Wünschelrutengängern" sagen. Schon 1692 ermittelte man den Mörder eines Weinhändler-Ehepaares in Lyon mit Hilfe der Wünschelrute. Unter Folterqualen legte der Verdächtigte ein Teilgeständnis ab. Nach seiner Hinrichtung kamen Zweifel an seiner Schuld auf. Der Rutengänger sollte seine Fähigkeiten nachweisen‚ aber die Experimente in Paris schlugen fehl.

Wünschelruten wurden benutzt, um zu untersuchen, ob Heilige echt waren, wo die feindlichen Truppen standen, wohin sich das Vieh verlaufen hatte, wo die Gräber Luthers und des Bischofs von Meißen sind. Um 1930 sollte das Grab Attilas bei Aurolzmünster gefunden worden sein; aber der ehemalige deutsche -Kaiser Wilhelm II wurde durch den Betrug nur um 400.000 Mark ärmer.

Ein Rutengänger namens Bräuer behauptete, der Tod dreier Fußballspieler durch Blitzschlag sei auf die Kreuzung zweier Wasseradern unter dem Fußballplatz zurückzuführen. Das Geophysikalische Institut der Universität München stellte jedoch fest, Wasseradern zögen den Blitz auf keinen Fall an.

Natürlich schlägt die Rute wirklich aus, und zwar nicht von selbst, sondern infolge einer bewußten oder unbewußten Muskelzuckung des Rutengängers. Es gibt feinste unwillkürliche Bewegungen der Muskeln, die schon durch die Vorstellung einer Bewegung ausgelöst werden können.

Ein Pendel über einem auf dem Fußboden gezogenen Kreidestrich in der Hand ruhig zu halten, ist in der Regel ein vergeblicher Versuch. Das Pendel wird bald in der Strichrichtung schwingen. Die Muskelspannung und die Erwartung irgendeiner Wirkung haben mindestens die gleiche Suggestivwirkung wie der Kreidestrich: Es erfolgt eine unwillkürliche Muskelaktion‚ welche die Rute nur um einen Grad aus dem Gleichgewicht zu bringen braucht, um den Ausschlag unaufhaltsam in Gang zu bringen.

Man hat nun vermutet, durch unterirdisch quellendes Wasser würden feinste elektrische Ströme erzeugt, die ein Magnetfeld entstehen lassen, für das der Rutengänger ein besonderes Empfinden hat. Bei Versuchen waren jedoch nur 14 Prozent der Bohrungen erfolgreich, 23 Prozent brachten Teilerfolge und 63 Prozent waren erfolglos. Die Zahl der Treffer war nie größer als beim Raten. Der Bonner Gerichtsmediziner Elbel folgert daraus: „Die Aussichten eines Wünschelrutengängers, in Mitteleuropa Wasser zu finden‚ sind nicht schlecht. Die Geologen sind der Ansicht, es gebe in Deutschland überall Wasser!“

 

Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack aus München war Beauftragter der bayerischen Landeskirche und galt als bester Kenner der Sekten- und Okkultismusszene im deutschsprachigen Raum. Er ist zu unterscheiden von dem Erlanger Professor Haak

 

 

 

 

 

 

 

 

Astrologie

Aberglaube ist allerdings mehr als ein falsches Denken. Wer etwa vom Horoskop eine Lebenssicherung erwartet, gerät in Abhängigkeit und Bindung an die jeweilige Stellung der Gestirne und ist einem unabwendbaren Schicksalsglauben hilflos ausgeliefert. Astrologie ist deshalb Heidentum und ist vom Glauben her zu verwerfen (Gal 4,9; Jer 10,2). Das Zutrauen gehört Gott und nicht irgendwelchen Geschöpfen. Die Sterne lügen zwar nicht, wohl aber die Menschen, die etwas aus ihnen lesen wollen.

 

 

 

Horoskop

Der Mensch verlangt nach einer Deutung seines Lebens. Er hat das Gefühl, daß seine Taten, Werke und Begegnungen noch etwas anderes bedeuten, als man gemeinhin annimmt - kurzum, daß er ein Schicksal habe. Die Stärke der Astrologie liegt nicht darin, daß sie die Prinzipien der Gegenwart - Technik, Wissenschaft, Organisation - verkörpert, sondern daß sie ihnen widerspricht. Es drücke sich darin die Sehnsucht nach der Transzendenz, nach dem „Hinzutretenden“ aus, das Gefühl dafür, daß „Schicksalszeit“ noch etwas anderes ist als die von den Normaluhren exakt gemessenen Kalendertage.

Wenn das stimmt, dann bedeutet das für einen Christen zweierlei: Erstens wir erkennen, daß durch die Horoskope bis zu einem gewissen Grad ein Ersatz für den verlorenen Zugang zu den hintergründigen Geheimnissen unserer Welt angeboten wird, die eigentlich durch die Verkündigung der Kirche vermittelt werden müßten. Und es wird ihn zweitens die Frage beschäftigen müssen, warum diese zum Teil unsinniger Aussagen der Verkündigung der Kirche vorgezogen werden. Warum? Weil die Horoskope heute nicht nach irgendwelchen Sternkonstellationen gemacht werden, sondern mit Hilfe der Psychologie. Das ist bei einer Analyse der Horoskope ganz deutlich zu bemerken, wie der Frankfurter Soziologe T.W. Adorno festgestellt hat.

Insofern tut man eigentlich den Horoskopen zuviel Ehre an, wenn man sie einen Aberglauben nennt. Die Verfasser der Horoskope bemühen die Sterne nur deshalb, um ihren Suggestionen und „Lebensweisheiten“ eine Art irrationale Autorität zu verleihen. Der Leser sucht auch nur zu einem sehr geringen Teil diese Illusion von kosmischen Zusammenhängen, die früher der Hauptinhalt der Horoskope waren. Vielmehr will er in den Horoskopen Selbstbestätigung, Optimismus, Zuspruch und Lebenshilfe finden. Es ist klar, daß seine Verbundenheit und Dankbarkeit gegenüber der Zeitung, die ihm das bietet, beträchtlich ist und sich in einem regelmäßigen Bezug ausdrückt.

 

Was nun den Inhalt der Horoskope im Einzelnen betrifft, so ist festzustellen:

• Überwiegend strahlen sie alle einen penetranten Optimismus aus. das Interessante daran ist, daß er sich nicht nur auf die tatsächlich zu erwartenden Ereignisse beschränkt, die vorausgesagt werden (die wenigen Warnungen vor Gefahren und Mißerfolgen sind nur deshalb hin und wieder hineingestreut, damit die Mischung nicht zu unwahrscheinlich wird); vielmehr spürt man deutlich die Absicht, das Horoskop als kräftige Stärkung der Selbsteinschätzung des Lesers wirken zu lassen. Damit hapert es bei vielen Menschen gewaltig, sei es, weil sie als völlig durchschnittliches Glied einer Massengesellschaft ihre Individualität kaum entwickelt haben, sei es, weil sie sich nicht im Glauben als Geschöpf Gottes verstehen, das von daher auf alle Fälle seinen unverlierbaren Wert hat. Vielleicht hat gerade die starke Betonung des Sündenbewußtseins im Protestantismus und die Vernachlässigung des Ersten Glaubensartikels, aber auch der Gewißheit des Erlösten diese Unsicherheit, diesen religiösen Minderwertigkeitskomplex mit herbeigeführt.

Da es im Grunde nicht um die tatsächlich eintretenden Ereignisse, sondern um den Seelenhaushalt des Lesers geht, ist gar nicht entscheidend, was von dem Angekündigten eintrifft. Hier läßt sich die Akzenteverschiebung in der Bedeutung der Horoskope feststellen, die zu einer Art Seelenspeise geworden sind.

• Damit hängt zusammen, daß jeder Leser das Horoskop so liest, als sei es nur für ihn geschrieben. Er reflektiert gar nicht darauf, daß es tausend andere auch lesen und deshalb gar kein individueller Brief des Weltregiments an ihn ganz persönlich sein kann.

 

Durch geschickte Formulierung wird (übrigens ähnlich wie im Schlager und in den Illustrierten) die Illusion gefördert, als handele es sich hier ausschließlich um das persönliche, einzelne Schicksal des Betreffenden. Es ist leicht einzusehen, was das für einen Menschen bedeutet, der durch die Normierung aller Konsumartikel, der Freizeitgestaltung und der Wohnkultur nur noch wenige Möglichkeiten hat, eine unverwechselbare Eigenart zu entwickeln. Nicht einmal in den persönlichen Beziehungen von Mensch zu Mensch ist das vielen möglich, weil an die Stelle des individuellen Ausdrucks die Schablone der modernen Kommunikationsmittel treten ist, die weitgehende seelische Sterilität und Passivität zur Folge hat. Deshalb gönnt sich der Leser auf dem Weg des geringsten Widerstandes durch einen Blick in das Horoskop die Illusion einer Bestätigung seines besonderen, von überlegenen Weltmächten garantierten, persönlichen Schicksals.

• Während der Alltag vieler Menschen, mit ziemlicher Sicherheit aber der von regelmäßigen Horoskoplesern, ziemlich eintönig abläuft, setzen die Horoskope dagegen Akzente. Es gibt kleine Spannungen, ein Auf und Ab, Lichtpunkte und Zukunft, um derentwillen sich das Heute lohnt. Wie sehr der das braucht, zeigt in negativer Weise auch das Toto- und Lotto-Spiel, das ganz von dieser kleinen Spannung auf den großen Treffer lebt - weil sonst nichts geschieht. In positiver Weise zeigt das Kirchenjahr und die Heilsgeschichte, in welchem Rahmen und für welche Zukunft der Mensch lebt. Weil es so wenig Christen gibt, die ihren Mitmenschen die Augen für die Zukunft Gottes öffnen können, deshalb müssen sich so viele Menschen ohne Zukunft durch die Horoskope etwas kümmerliche Spannung in ihr Leben bringen lassen.

• Manchmal scheint es, als ob die Horoskope durch gute Ratschläge und „Lebensweisheiten“ eine Art Lebenshilfe bieten wollen. Da kann man zum Beispiel lesen: „Je großzügiger Sie sich bei Ihren Plänen zeigen, desto eindeutiger liegt der Vorteil bei Ihnen. Zeigen Sie, daß Sie Geduld haben können, bis die Dinge spruchreif sind. Die Kunst des Abwartens ist die Kunst des Erfolges!“ Oder: „Sie sind zielbewußt, aber mitunter etwas eigensinnig. Versuchen Sie, auf die Stimmung anderer Rücksicht zu nehmen und damit eine Verstimmung zu vermeiden. Mit Freundlichkeit erreichen Sie mehr als mit Trotz!“ Man hat das Gefühl, als würde dadurch das Zusammenleben der Menschen erleichtert werden, noch mehr, als wollten die Horoskope im Grunde das Gleiche wie die christliche Religion: Rücksichtnahme aufeinander, Toleranz und Bescheidenheit.

Aber das ist Täuschung. Es ist geradezu paradox, wenn man bedenkt, daß das Rezept, das zum Erfolg führen soll („Versuchen Sie, auf die Stimmung anderer Rücksicht zu nehmen“), gerade das Gegenteil bewirkt. Denn durch das ständige Anpassen an andere kommt der Mensch nie dazu, das zu entwickeln, was den Wert seiner Persönlichkeit ausmachen könnte. Auf dem anonymen Weg des Horoskops kann aber nichts anderes angeboten werden, weil der unverbindliche, oberflächliche Weg des Konsums dieser Seelenspeise nur den Weg des

geringsten Widerstandes offen läßt. Der Offenheit für die Wirklichkeit, dies allein persönlichkeitsbildend wirkt, zieht man die verschwommene, ungefährliche, mit geringem Aufwand großes Selbstbewußtsein liefernde Atmosphäre der Horoskope vor.

• Das führt uns auf einen letzten Punkt, nämlich zu der „Ideologie des Vizepräsidenten“. Mit diesem Ausdruck kennzeichnet die Sozialpsychologie die Einstellung des Durchschnittsmenschentyps, der ein Leben lang das Gefühl hat: Eigentlich fehlt ja gar nicht viel, daß er ein ganz Großer sein könne. Das Zeug und die Möglichkeit dazu habe er jedenfalls - vorerst sei er eben noch nicht zum Zuge gekommen.

Aber er ist immer - wie der Totospieler - fast daran. Es hängt im Grunde eigentlich immer nur von unwesentlichen Kleinigkeiten ab, daß es bis jetzt noch nicht geklappt hat. Man könnte bei einigem Wohlwollen sagen, daß die Vermittlung dieses Gefühls fast als Trost wirken könne, der das Leben leichter ertragen läßt, in dem nur wenigen der Erfolg beschieden ist.

Aber die negative Folge dieser „Vizepräsidentenideologie“ ist, daß ihr Träger nie zu einer realen Selbsterkenntnis kommt. Er bringt es nicht fertig, sich selbst, so wie er ist, zu bejahen - letztlich ein religiöses Problem, weil ihn ja Gott so geschaffen hat, wie er ist.

 

Die eigentliche Aufgabe wäre freilich, die richtigen religiösen Antworten geben zu können, für die Horoskope nur der Ersatz sind. Hier können die Horoskope geradezu von diagnostischem Wert sein, weil von ihnen auf die seelsorgerlich gerade aktuellen Fragen zurückgeschlossen werden kann. Man sollte nicht vorschnell sagen, daß sie alle auch in der Bibel zu finden sind. Natürlich sind sie das; aber man wird die Antworten anders geben, wenn man in den Abgrund der Ratlosigkeit gestiegen ist, der durch die Horoskope heute weithin ausgefüllt wird. Einem anderen Menschen die Psychologie der Horoskope bewußt zu machen, ist eine Form von Diakonie, die ein Christ auch einmal inkognito tun kann. Er sollte sich dafür jedenfalls nicht zu schade sein.

 

Die Geschichte ist wahr und in Württemberg passiert. Sie begann ganz harmlos, endete aber schrecklich. Da waren zwei blühende Mädchen im Alter von 19 Jahren. In ihrem Übermut überkam sie einmal die Lust, „interessehalber“ zu einer Wahrsagerin zu gehen. Natürlich sollte es nur ein „Jux“ sein: Die Wahrsagerin erzählte den Mädchen allerhand. Sie erzählte ihnen

Unter anderem, daß beide keine zwanzig Jahre alt werden würden. Nun war es vorbei mit dem „Jux“: Sollte das wirklich wahr sein? In den Herzen der Mädchen setzte sich Angst fest, man rang mit der Hoffnung, daß sich das Wort der Wahrsagerin nur als blauer Dunst erweisen möchte.

Aber da geschah es: Die eine der beiden starb plötzlich eines merkwürdigen Todes. Man wußte nicht so recht, was sie gehabt hatte. Nun kroch das Grauen in die Seele des andern Mädchens. Die eine Hälfte der Prophezeiung hatte sich erfüllt - wie würde es weitergehen? Nun, es war schlimm genug.

Eines Abends fährt ein Zug friedlich durchs Land. Plötzlich, kurz vor einer Station, hält er an. Die Notbremse war gezogen worden. Ein Reisender hatte bemerkt, wie sich ein junges Mädchen aus einem Waggon stürzte - und nach kurzer Zeit zog man die Unglückliche, die zwischen den Rädern hängengeblieben war, hervor. Man brachte sie ins Krankenhaus, wo sie nach kurzer Zeit starb.

Ja, hatte die Wahrsagerin nun nicht recht behalten? Viel mehr, sie hatte mit ihrer unverantwortlichen Prophezeiung die Mädchen unter einen Bann gebracht, so daß das Unheimliche über sie Gewalt bekommen hatte. Sie waren dann wohl zu schwach gewesen, sich aus diesem Bann zu lösen. Ja, der Teufel hat mehr Macht, als mancher meint.

 

 

 

Kettenbrief

Unlängst erhielt aber auch ich ersten „Kettenbrief“, der schon lange in aller Stille umhergeht und hier und da ans Tageslicht gelangt, die Gemüter erhitzt und wieder in Vergessenheit gerät. Der Brief trug weder Anrede noch Unterschrift, einen Absender sowieso nicht. Er begann mit den Behauptungen, ein Christgebet solle mir Glück bringen. Das Original liege in den Niederlanden, es sei 88 mal um die Welt gegangen. Drei Sätze, die gar nichts klarstellten. Aber immerhin war meine Neugier geweckt. Ich wollte mehr über das „Christgebet“ erfahren. Zunächst aber kamen genaue Anweisungen, was ich zu tun habe: 20 Kopien des Briefes anfertigen und diese innerhalb von vier Tagen an Leute verschicken, von denen ich glaube, daß sie Glück brauchen. Ich werde ihnen vielleicht das Gebet schicken - zumal in diesem Falle mir selber nach neun Tagen, das Glück per Post zukommen sollte.

Aber alles Folgende verwirrte mich restlos. Der theatralischen Aufforderung: „Höre, was passierte“ (der Verfasser war plötzlich auf das belehrende „du“ umgeschwenkt) folgten Beispiele, wie Personen auf den Brief reagierten und, je nach Verhalten, neun Tage später 20 Millionen Dollar gewannen, die Arbeitsstelle verloren, starben oder nahe Angehörige verloren bzw. retteten. Zwei der Beispiele waren mit Jahreszahlen versehen: 1953 und 1967. Es folgte eine einzelne großbuchstabige Zeile „VERGESSEN SIE NICHT“. Danach die Hinweise, das „Gebet“ habe ein Missionar geschrieben, und ich werde in ein paar Tagen eine Überraschung erleben. Das sei die Wahrheit, auch wenn ich nicht daran glaube.

Ich las den Brief zwei- und dreimal und wurde trotzdem nicht schlau daraus. Was sollte das für ein „Christgebet“ sein, das dem einen Glück, dem anderen Tod bringt - je nachdem, wie er auf den Brief reagiert? Dieser ganze zweifelhafte Hokuspokus ist doch in keinem Punkt auch nur in Ansätzen mit dem christlichen Glauben vereinbar! Was war überhaupt von den Beispielen zu halten? Da sie im Brief angeführt waren, konnten die Personen ja nicht diesen Brief erhalte haben. Werden die Beispiele hin und wieder aktualisiert? Wer aber sollte das überwachen und den neuen Brief verfassen? Warum war in den letzten 20 Jahren kein neues Beispiel mehr dazugekommen? Diese Widersprüche weisen darauf hin, daß der Brief dem Empfänger lediglich etwas Angst einjagen soll, ein dummer, verantwortungsloser, offenbar aber sehr gelungener Streich. Die an den Haaren herbeigezogene Verbindung mit einem nicht näher erläuterten, höchstwahrscheinlich fiktiven Gebet ist gut geeignet, um dem diffusen, unglaubwürdigen Gefasel einen etwas unheimlichen und mystifizierenden Glanz zu verleihen. Ein dreister Mißbrauch des Namens unseres Herrn also.

Wer sind die Leute, die sich das ausgedacht haben? „Rotznäsige Unruhestifter“, werden die einen sagen, „Handlanger des Teufels“, die anderen. Auf keinen Fall aber Personen, mit denen man gemeinsame Sache machen darf, indem man diesen Wisch weiterverbreitet!

Das ist leicht gesagt, ich weiß. Denn trotz allen besseren Wissens verfehlen vor allem die Beispiele ihre Wirkung keineswegs. Auch ich war zunächst versucht, den Brief vorsichtshalber doch weiterzuschicken, um allen Sorgen aus dem Wege zu gehen, denn es könnte ja doch ... Wer mit den Zweifeln nicht fertig wird und Angst hat, den Brief zu behalten, sollte unbedingt damit einen Seelsorger aufsuchen.

Ich zeigte ihn ein paar Freunden, die mir ebenfalls rieten, ihn nicht ernst zu nehmen, empörte mich noch ein paarmal, legte ihn dann weg und dachte lange Zeit nicht mehr daran. Und siehe da - weder in den nächsten neun Tagen, noch nach zehn oder vierzehn Tagen geschah irgendetwas, was mich an die üblen Drohungen des unverschämten anonymen Briefes erinnert hätte (Stefan Kaufmann).

 

In einem anderen Brief heißt es: „Diese Kette soll neunmal um die Erde gehen und jedem Empfänger Glück und Karriere bringen. Schon innerhalb der nächsten neun Tage wird etwas Wichtiges sich ereignen, Dir zur Freude. Hauptmann Voltaire gewann am neunten Tage 100. 000 Lire in Gold. Pola Negri heiratete einen Fürsten. Dir aber, wenn Du es als Scherz auffassest, nicht weiter gibst und so die Kette zerreißt, wird Unglück über Unglück zustoßen. Das Haus von Mr. Ville wurde am achten Tag zertrümmert, weil er die Kette nicht weiter gab. Dem Sanitätsrat Müller wurde du rechte Bein amputiert ...Hüte Dich, das Schicksal herauszufordern! Die Kette des Glücks.“

 

Was steckt dahinter? Der Mangel wirklichen Glaubens! Wer weiß, daß sein Geschick in Gottes Hand ist, der weiß auch wirklich, daß nicht ein blindes Schicksal oder ein böser Dämon, den man durch Ungehorsam reizen könnte, Macht über sein Leben hat. Es ist unbedingt gültig: Gegen den Aberglauben hilft nur der Glaube! Weder „Bildung“ noch „Aufklärung“ reichen da aus. Oder wie soll man es sonst verstehen, daß kluge und gebildete Leute im Hotel nicht im Zimmer 13 übernachten wollen? (Viele Hotels heben darum diese Zimmernummer ganz weggelassen).

Es handelt sich bei dem allem gar nicht nur um Dummheit, über die man lachen könnte. Es handelt sich vielmehr um eine sehr gefährliche Sache, weil der Mensch, der bewußt oder unbewußt, wenn auch noch so leise, an die Drohungen eines solchen Kettenbriefes oder an die Weissagungen der Astrologen oder Kartenleger glaubt, in seinem Handeln nicht mehr frei ist. Er richtet sich nicht mehr rein nach dem, was Vernunft oder Pflicht oder Gottesgebot ihm gebieten, sondern die Prophezeiung selbst wirkt sich als Antrieb aus, lähmt ihn durch Angstempfindung oder lockt ihn durch unbegründete Hoffnungen, und bringt ihn so in die Abhängigkeit von Antrieben, die nicht dem an Gottes Wort gebundenen Gewissen entstammen.

 

Auch formal läßt sich das Kettenprinzip nicht durchhalten. Bei Weitergabe von jeweils 20 Briefen innerhalb von vier Tagen wäre in knapp einem Monat die Welt mit über 26 Millionen Briefen überschwemmt. Die A-4 -Blätter übereinandergelegt würden eine Säule von 50.000 Kilometer Höhe ergeben. Und vier Tage später wären es schon 1 Million Kilometer!

 

 

Satanismus: Vorsicht wenn Ihr Kind die Wände schwarz streicht

In okkulten Kreisen in Essen hält sich das Gerücht, daß eine Satansjüngerin ein Baby bekam und es bei einer schwarzen Messe opferte. In einer Kleinstadt in Nordbayern hat ein Beamten-Ehepaar seine 16jährige Tochter vor wenigen Wochen buchstäblich an Satan verloren. „Susi war ein kreatives, phantasievolles Kind, gut in der Schule, bei den Mitschülerinnen beliebt“, berichtet Sekten-Pfarrer Haack. „Von einem Tag auf den anderen war sie völlig verstört. Sie sprach kaum noch. Erst wollte sie ihr Zimmer schwarz streichen, der Vater verbot es, dann aber dekorierte sie es mit rotem und silbernem Folienpapier.“

Zur Erklärung für alle Eltern: Jugendliche, die sich schwarz kleiden, schwarze Wände wollen und sich vielleicht sogar aus schwarzem Holz eine Art Sarg basteln, in dem sie von nun an schlafen wollen, brauchen zwar besonders viel Aufmerksamkeit von den Erwachsenen, viele Gespräche und einfach das Gefühl, daß sie sich jemandem anvertrauen können - richtige Satansjünger müssen sie deshalb noch lange nicht sein. Bestenfalls ist in ihrer Clique das „Gruftie-Sein“ ein Modetrend, der kommt und vergeht. Es wäre nicht richtig, hier Verbote auszusprechen.

Harmlos ist diese Mode trotzdem nicht, denn sie kann das Terrain für den gefährlichen Satanskult vorbereiten. „Tauchen aber die Farben Silber, Schwarz und Rot in einer Kombination auf, wie das bei Susi der Fall ist, dann ist höchste Alarmstufe geboten.

Susi spricht nicht mehr mit ihren Eltern. Sie lächelt nur, als wenn sie unter Drogen stände. Ab und zu verbrennt sie etwas in ihrem Zimmer. Irgendwann verschwand die Katze der Familie. Was ist aus ihr geworden? Wurde sie für ein Tierlabor gestohlen, ist sie weggelaufen,

oder hat Susi vielleicht…

Ihre Freundinnen, von der Mutter befragt, zucken nur mit den Schultern. „Die verkehrt jetzt mit anderen Leuten als mit uns, sie hat so komische Freunde.“ Im Mädchenzimmer finden sich Tierknochen, Totenköpfe aus Plastik, wie von medizinischen Skeletten aus dem Bio-Unterricht geklaut, dann umgedreht aufgehängte Kreuze, und Bilder mit fratzenhaften Gesichtern.

Was tun Eltern in dieser Situation? Die Grundregel heißt: Wenn es einmal soweit ist, können Sie ihrem Kind kaum noch allein helfen. Sie brauchen kompetente Ansprechpartner und Helfer. Eltern sollten sich keine Vorwürfe machen. Allenfalls muß die Frage erlaubt sein: Hat das Kind in der Familie die Geborgenheit und den Halt gefunden, den es jetzt beim Satan sucht?

Pfarrer Haack: „Susi war nicht mehr zu helfen. Sie betete mit anderen Jugendlichen eine Art gehörnte Gottheit an. Die Grundthese hieß: Das Böse an sich ziehen und in Kraft umwandeln.“ Susi kam in stationärer psychiatrischer Behandlung. Viele Jugendliche stören sich daran, daß ausgerechnet die Kirche den Kampf gegen Satanskult auf ihre Fahnen geschrieben hat, und daß es Sekten-Pfarrer gibt, die ihnen das Böse ausreden wollen. Typische Antwort eines 17jährigen: „Der Papst ist es doch, der immer sagt, daß es den Teufel gibt. Die Kirche ist doch bloß sauer, weil wir nicht ihren Gott anbeten, sondern ihren Gegenspieler. Das steckt doch hinter der ganzen verlogenen Ablehnung vom Satanskult.“

Der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton hat einmal einen klugen Satz aufgeschrieben. Er heißt: „Wer nicht an Gott glaubt, glaubt nicht an nichts, sondern an alles….“. Pfarrer Haack hält dies für den Schlüssel zum Verständnis des neuen Satanskultes unter Jugendlichen. „Wo Gott nicht im Glauben angenommen wird, da erst ist Platz für Geister, Götter

und Dämonen, für Satan und den brutalsten aller Ersatzgötter: den sich selbst vergötternden Menschen.“ Aber erklären Sie diesen klugen Gedanken mal einem Kind, dessen Seele schon in den Fängen einer Sekte ist.

 

Teufelsmessen auf Friedhöfen

Der Bischof von Göteborg wendet sich gegen die Kulthandlungen von Teufelsanbetern auf Friedhöfen seiner Stadt. Nun ist in einem Artikel der Zeitung „.Aftonbladet“ Magnus Bard, der „Hohepriester“ dieses Teufelskults und ausgebildeter Diabologe, mit Aussagen über seine Satanskirche hervorgetreten.

Einige hundert Mitglieder sollen ihr angehören. Das europäische Hauptquartier ist Amsterdam. Auch in Deutschland gibt es heimliche Zusammenkünfte. Satanismus sei eine Weltanschauung, die vor allem das Christentum als einzige große Lüge ablehnt. Es baue auf einem „falschen Humanismus“ auf und verschließe sich der Tatsache, daß das Böse die herrschende Realität sei. Die Symbole der Satanisten sind ein auf dem Kopf stehendes Kreuz und das auf der Spitze stehende Pentagramma (Drudenfuß). Sie halten schwarze Messen auf den Friedhöfen, um dem einzig sicheren auf dieser Welt, dem Tod, nahe zu sein. Das Böse zu akzeptieren und zu verehren sei die einzige Möglichkeit, diese Welt zu ertragen. Auf die Frage: „Bist du Atheist?“ antwortete Bard: „Nein, ich glaube ja an den Satan. Das ist meine Art, einen Sinn im Leben zu finden, das doch nur aus Bosheit besteht!“

In Deutschland wurde in Sondershausen (Thüringen) sogar ein Jugendlicher von jugendlichen Satanisten ermordet. Er war etwas ein Außenseiter, aber angeblich an irgendetwas schuld und sollte geopfert werden. Das führte dann zu dem Mord.

 

 

Okkultismus

Unter dem Begriff „Okkultismus“ (zu lat. „occultus“ = „verborgen, geheim“ werden alle Lehren und Praktiken zusammengefaßt, welche sich mit verborgenen Kräften und Dingen beschäftigen, die durch die bekannten Naturgesetze nicht erklärbar sind. Es handelt sich hier also um einen Sammelbegriff. Die Wissenschaft, die sich der Erforschung der Gesetzmäßigkeiten und Hintergründe okkulter, übersinnlicher Vorgänge beschäftigt, ist die Parapsychologie.

 

Der Okkultismus läßt sich in folgende Bereiche untergliedern:

• Spiritismus: Beim Spiritismus steht der Glaube an Geister und deren Beschwörung im Vordergrund. Ziel ist es, mit Geistern bzw. Verstorbenen Kontakt aufzunehmen, um Wissen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erhalten. Zentrale Praktik ist die spiritistische Sitzung (Seance). Häufig nimmt daran ein sogenanntes Medium teil, das heißt eine in Trance versetzte Person, die als Sprachrohr für Mitteilungen aus dem Jenseits dienen soll. Zum Spiritismus werden Praktiken wie Gläserrücken. Tischrücken und Pendeln gezählt.

• Magie: Hier geht es darum, materielle und nichtmaterielle Dinge mittels Ritualen und Beschwörungen von Dämonen und Geistern zu beeinflussen. Man unterscheidet nach der Zielrichtung:

• Schwarze Magie: hier steht die Beschwörung böser Geister im Vordergrund.

• Weiße Magie: ihr Ziel soll es sein, positive Kräfte zu erschließen. Hierzu kann auch das Geistheilen gerechnet werden, das vor allem in jüngster Zeit stark im Gespräch ist. Experten warnen eindringlich vor Geist- und Wunderheilern, die es vielfach nur darauf abgesehen haben, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

• Magische Orakelpraktiken: hier geht es in erster Linie um vermeintliches Wissen über Zukünftiges (z. B. durch Horoskope, Kartenlegen oder Kristallsehen).

 

Die Frage nach dem Warum

In unserer von Technologie- Glauben und Materialismus geprägten Welt scheint auf den ersten Blick kein Platz für Übersinnliches und Übernatürliches zu sein. Und dennoch konnte sich der Okkultismus in den letzten Jahren so stark ausbreiten. „Warum?“fragen sich da viele. Häufig genannte Gründe sind:

• Okkultismus wird als Freizeitbeschäftigung angesehen und aus Langeweile betrieben.

• Okkultismus wird aus Nervenkitzel und auf der Suche nach Neuem und Außer-alltäglichem praktiziert.

• Okkultismus wird betrieben. weil dies die anderen der Clique auch tun. Man will dazugehören.

• Okkultismus betreiben kann bedeuten, anders sein zu wollen. Man strebt nicht nach dem Guten, weil das alle tun (oder zumindest zu tun vorgeben), sondern nach dem Gegenteil, dem Bösen.

• Okkultismus kann Provokation und Aufbegehren gegen die Gesellschaft oder auch die Kirchen bedeuten, die in den Augen der Anhänger okkulter Praktiken zu wenig für sie tun.

• Okkultismus wird als Lebenshilfe angesehen. Wer keine Chance auf gesellschaftlich propagierte Werte wie Macht und Erfolg sieht, sucht sich seine Erfolgserlebnisse in der nichtrealen Welt.

• Okkultismus wird als Weg auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und als Ausweg aus Lebenskrisen betrachtet.

 

Gefahrenpotential

Im Alter von 14 bis I5 Jahren ist das Interesse an magisch-okkulten Praktiken besonders groß. Aber auch zahlreiche Erwachsene beschäftigen sich mit Okkultem. Zumeist dienen Neugierde und Sinnsuche als Einstieg.

Die Gefahren lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

• Die Beschäftigung mit okkulten Praktiken kann zu einem Verlust der Realitätswahrnehmung führen. Wer zwischen Alltag und okkulter Scheinwelt nicht trennen kann, läuft Gefahr, durch seine „Flucht ins Übersinnliche“ die wirklichen Zusammenhänge nicht mehr zu erkennen.

• Okkulte Botschaften und Erlebnisse können zu Angstzuständen, Wahnvorstellungen, Depressionen und sonstigen psychischen Störungen führen, in schweren Fällen zu Psychosen.

• Menschen, die ihre okkulte Orientierung nach außen hin mit Frisur und Kleidung zum Ausdruck bringen, werden leicht als „Abweichler“ ausgegrenzt und haben Schwierigkeiten, in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen.

• Wenn der Okkultismus zur wichtigsten Sinn-Instanz wird, also die Funktion einer „Ersatzreligion“ erhält, verlieren die gesellschaftlich relevanten moralischen Werte ihre Bedeutung. Wer auf Pendel, Karten oder kosmische Strahlen vertraut, lehnt Mitbestimmung ebenso ab wie Wahlen oder Gesetze. Eine derart unterhöhlte demokratische Gesellschaft wäre langfristig kaum lebensfähig.

• In einigen Satanisten-Zirkeln herrschen ausgesprochen autoritäre Umgangsformen. Menschen mit wenig gefestigter Persönlichkeit können leicht in Abhängigkeit geraten.

 

Was kann man tun?

Bei der Beschäftigung mit dem Thema sollte auf eine sachliche und differenzierte Auseinandersetzung mit okkulten Praktiken und Erscheinungsformen Wert gelegt werden, wobei auch die konkreten Erfahrungen der Betroffenen mit einbezogen und ernst genommen werden müssen.

Eltern von Jugendlichen, die sich mit derlei Praktiken beschäftigen, sollten sich zunächst informieren, bevor sie etwas unternehmen. Adressen, die weiterhelfen:

- Parapsychologische Beratungsstelle, Dr. Dr. Walter von Lucadou, Hildastr. 64,

79102 Freiburg im Breisgau, Tel. 07 61/7 72 02

 - Aktion für Geistige und Psychische Freiheit, Graurheindorferstr. 15, 53111 Bonn,

Tel. 02 28/63 15 47

- Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NW. e. V., Dipl. Theologe Georg Bienemann, Salzstraße 8, 48143 Münster, Tel. Q251/5 40 27

 - Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, Emmeranstraße 32,

55116 Mainz, Tel. 0 61 31/22 33 60

 - Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Hölderlinplatz 2 A,

70193 Stuttgart, Tel. 07 11/22 62 28 81.

 

Weitere Ratschläge:

• Ruhe bewahren und nichts dramatisieren. Nur eine besonnene Reaktion kann Positives bewirken.

• Das offene Gespräch mit den Jugendlichen suchen, um vorhandene okkulte Erfahrungen aus deren Sicht kennenzulernen und gemeinsam mit ihnen die Ursachen und Bedeutungen ihrer okkulten Praktiken zu hinterfragen.

• Sich gegebenenfalls mit den Lehrern in Verbindung setzen, um sich über die Behandlung dieser Thematik im Unterricht zu informieren.

• Alternativen für die Freizeitgestaltung anbieten bzw. Interesse für andere Freizeitformen wecken.

 

 

Religiöse Psychosekten und Jugendsekten

Der Begriff „Jugendreligion“, im Jahre 1974 zum ersten Mal zur Beschreibung neuer religiöser und quasireligiöser Gemeinschaften verwendet, hat sich eingebürgert. Es waren nicht Lehr-Ähnlichkeiten, die zur Zusammenfassung jener damals fünf Gruppen geführt haben, die zuerst als Jugendreligionen bekannt geworden waren: der Internationalen Gesellschaft für Krisna-Bewußtsein (ISKCON, bekannt als ,,,Hare-Krischna-Sekte“) des Swamis Prabhupada; der Vereinigungskirche (zuerst: Gesellschaft zur Vereinigung des Weltchristentums) des San Myung Mun; der Scientology- „Kirche“ des Lafayette Ronald Hubbard; den „Kindern Gottes“ (später: ,„Familie der Liebe“) des David Berg, alias Mose David, alias Vater Mo; und der „Divine Light Mission“ (später: „Divine United Organizations“) des sogenannten Guru Maharaj Ji.

Eines der Kennzeichen war die Unterordnung unter die totale Autorität der Führer und meistens Gründer-Figur. Mit göttlicher Vollmacht ausgestattet führt der Leiter als lebender Gott, angeblicher Prophet Gottes bzw. Messias oder als „einzig auf dieser Welt wirklich Wissender“ die Gruppe. Diese Gruppe, das ist das zweite Merkmal, ordnet sich dem Führer in absolutem Gehorsam unter und trennt sich letztlich von der Restwelt, die als angeblich unerleuchtet, satanisch, als negatives System oder als Umwelt abgewertet wird. „Niemand kann wirklich frei sein, der sich nicht Vater unterwirft“, sagte ein Mun-Anhänger als sein letztes schlagendes Argument in einer Diskussion.

Der Grund für diese Unterwerfung wird darin gesehen, daß der jeweilige Führer als einziger die Möglichkeit habe, den Weg wisse oder das Wissen vermittle, wie der Mensch und die gesamte Gesellschaft frei oder vor dem ansonsten drohenden Untergang gerettet werden könnten.

Man kann diese drei Kennzeichen unter folgenden Begriffen zusammenfassen: „Heiliger Meister“, „Gerettete Familie“ und „Rettendes Rezept“. Mit diesen drei Bausteinen hat man das sicher funktionierende Rezept zur Gründung einer Jugendreligion. Es ist danach leider öfter als genug angewendet worden. Mit dem gleichen Absolutheits- und Allmachtsanspruch traten dann nach und nach auf:

- der als Shri Shri Anandamurti von seinen Anhängern verehrte ehemalige Eisenbahn-Buchhalter P. R. Sarkar und seine Ananda Marag;

- der sich als einzigen wirklichen Kenner des christlichen Glaubens seit Paulus ausgebende Victor Wierwille und seine Bewegung „The Way‘

- der „Bhagwan" (Gott) Rajineesh Chandra Mohan und seine Rajineesh Foundation bzw. Neo-Sannyas-Bewegung; - der schon seit 1950 im Westen umherziehende indische Meditations-Maharishi Mahesh Yogi baute seine Transzendentale Meditation nach dem Grundmuster einer Jugendreligion um.

Immer mehr Gruppen traten auf, und treten heute auf, die nach dem gleichen Grundriß gebaut sind: Ein alles wissender und mit totaler Autorität ausgerüsteter Führer, an dessen Entscheidungen zu zweifeln oder ihnen gar zu widersprechen die schwerste Sünde ist; eine absolut gläubige Anhängerschar, die sich den Anweisungen des Führers und seiner Unterführer ohne jede kritische Überprüfung unterwirft und eine als „absolut wirksame Methode“ ausgegebene Haupt- und Grundidee. Sei es das Singen eines Mantrams (wie „Hare Krisna, Hare Krisna“) oder ein Meditationsrezept (wie die TM-Meditation) oder einfach die totale Gefolgschaft und das Lesen der Schriften eben dieses Führers (wie beispielsweise die „Mo- Briefe“ bei den „Kindern Gottes“).

Schließlich und endlich trat dieses Rezept auch noch als politisches Konzept auf. Im Bundestagswahlkampf 1983 warb die EAB (Europäische Arbeiterpartei) des Lydon Hermly LaRouche mit dem Slogan „Wir haben das Patentrezept“. Das Schlimme ist, die Anhänger glauben es und merken nicht, daß sie einem Sektenmodell aufgesessen sind.

 

 

Parapsychologie

„Parapsychologie“ ist ein Sammelbegriff für die Versuche, angeblich wahrgenommene okkulte Erscheinungen zu erforschen und zu erklären, hat manche okkulte Praktik als Trick oder Zufall entlarvt. Sie hat daneben aber auch manche noch unerklärbaren Kräfte im Menschen und außerhalb des Menschen entdeckt, so daß festgestellt werden muß: Noch immer bleiben Geheimnisse offen.

Man unterscheidet außersinnliche Wahrnehmungen (Kartenlegen, Handlinienlesen und Pendeln), außersinnliche Beeinflussungen (Schwarze und Weiße Magie, Fetischismus, d.h. leblosen Gegenständen, Fetischen werden übernatürliche Kräfte zugeschrieben, und diese werden zu Zauberzwecken benutzt, Amulette, Talismane) und außersinnliche Erscheinungen (Materialisationsphänomene, d.h. unerklärliches Auftreten und Verschwinden materieller Gebilde).

 

Die Existenz einer außersinnlichen Wahrnehmung ist heute erwiesen. Wir können die parapsychologischen Vorgänge nur nicht (oder: noch nicht) erklären. Sie stehen außerhalb der physikalischen Gesetze, denn Raum und Zeit werden übersprungen. Nur das „kollektive Unbewußte“ im Sinne C.G. Jungs wirkt. Daher auch der Name „Parapsychologie“, ein Grenzgebiet, das mit der Psychologie verbunden ist.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Erscheinungen:

1.) Hypnose: Ein Mensch wird in einen schlafähnlichen Zustand versetzt und kann dann Aussagen machen, die aus seinem Unterbewußten kommen, zum Beispiel längst vergessene Kindheitserlebnisse nacherleben. Es gibt auch Selbsthypnose; man braucht aber eine Veranlagung dazu. Die Hypnose ist heute ärztlich anerkanntes Heilverfahren, besonders bei seelischen Krankheiten.

2.) Telepathie: Die Übertragung eines seelischen Vorgangs von einer Psyche auf die andere ohne Vermittlung der bekannten Sinnesorgane. Sie wirkt auf zwei Meter so gut wie auf tausend Kilometer. Eine physikalische Erklärung ist nicht möglich.

3.) Hellsehen: Die außersinnliche Wahrnehmung von objektiven Sachverhalten, räumlicher oder zeitlicher Art. Eine Nebenform ist die Prophetie, das Vorauswissen eines zukünftigen Vorgangs. Hierhin gehört das sogenannte „Zweite Gesicht“, die Fähigkeit, den Tod eines bestimmten Menschen vorauszusehen. In Westfalen und Schottland‚ auch in der Bretagne, haben viele Menschen die Gabe des „zweiten Gesichts“: Sie sehen einen noch lebenden Menschen plötzlich als Toten und sehen auch die Einzelheiten seines Todes.

Selbst Pfarrer heben diese Fähigkeit, die aber schwer belastet. In Dresden lebte ein Pfarrer, der etwa bei einer Abendgesellschaft sieht, wer als Nächster stirbt von den Anwesenden. Er kann auch Katastrophen durch eine innere Unruhe vorausahnen und sogar die Richtung des Unglücks angeben.- Ein anderer Pfarrer sah einen verbundenen Mann am Schreibtisch sitzen, ehe er zu einem im Verkehr Verunglückten gerufen wurde. -Mit dem „Hellsehen“ werden aber viele Betrügereien vorgenommen.

4.) Materialisationen: Spukvorgänge und Geistererscheinungen, die immer an ein Medium gebunden sind, das heißt einen Menschen, der dafür veranlagt ist. Angeblich gibt es noch Etwas, das den Tod eines Menschen überdauert, und dieses wird bei den spiritistischen Sitzungen greifbar gemacht: eine nebel-, glas-, rauch- oder milchartige Masse formt sich aus dem Oberkörper eines Mediums zu sichtbaren und auch anfaßbaren Gliedern, Köpfen und sogar Leibern. Diese kann man sogar abschneiden - sie sind kautschukartig und sehen wie tote Körperzellen aus - aber man verursacht dem Medium damit Schmerzen.

Teleplasma ist die Fähigkeit des geist-seelischen Lebens, auf unsichtbare Weise sichtbare Formen zu bilden. Diese Materialisation, diese Verstofflichung ist nur stark medial veranlagten Menschen möglich. Da kann man es allerdings erleben, daß aus den natürlichen Öffnungen des menschlichen Körpers, aber auch aus Scheitel und Achselhöhle unter starken Schmerzäußerungen eine Substanz sich entwickelt, deren Eigenschaften von allen bekannten Stoffarten abweichen. Die Farbe dieses Teleplasmas ist grau oder weiß, kann aber, wenn es zur Bildung von Körperformen verwendet wird, auch das Braun der Haare, das Rosa der Haut, die Farben der Bekleidung annehmen. Seine Struktur ist faserig und unregelmäßig. Meist sieht man wabenartige, ungleich große, verzogene Bildungen. Es besteht aber bei aller Unregelmäßigkeit von Haus aus doch die Tendenz, Formen aller Art anzunehmen: Hände (die greifen!!), Füße und Gesichter von unübertrefflicher Schönheit. Die Dichtigkeit schwankt.

Es gibt rauchartige Gebilde, die photographierbar sind, aber nicht fühlbar. Meist tritt es jedoch als weiche, an lebendes Gewebe erinnernde Masse auf. Das Teleplasma ist äußerst lichtempfindlich, hält sich im Dunkel nur kurze Zeit. Auch bei Rotlicht kann es beobachtet werden. Nach Blitzlicht ist es verschwunden; sonst nimmt das Medium die Gebilde wieder in sich auf.

Bei der Materialisation vermindert sich übrigens auch das Körpergewicht des Mediums um ein Beträchtliches! Unser Wissen ist Stückwerk. Aber wenn zum Beispiel berichtet wird, daß das Medium einen Frauenkopf materialisiert hat, der dem Kopf eines Gemäldes glich, das das Medium kurz zuvor in der Gemäldegalerie betrachtet hat, verstehen wir die Erklärung; während wir in Bildern innerhalb unseres Unterbewußtseins träumen, träumt das Trancemedium in Bildern außerhalb seines Körpers. Wenn also wirklich bei einer Sitzung „Onkel Karl“ erscheint, so daß die Sitzungsteilnehmer ihn nicht nur zu seiner Frau „Muckerle“ sagen hören, sondern ihn auch sehen und meinetwegen auch erkennen, dann haben wir es hier nicht mit einer Totenerscheinung zu tun, sondern mit der Verkörperung, Verstofflichung eines in das Unterbewußtsein des Mediums hineintelepathisierten Bildes.

Wenn Schrenck-Notzing bei einer Levitation - das heißt einer Erhebung des Mediums vom Erdboden, so daß es schwebt - mittels der Mareyschen Waage feststellt, daß die Sitzungsteilnehmer - bis zu vierzig Pfund! - an Körpergewicht verlieren oder daß bei der Erhebung des Tisches, so daß er frei im Raume schwebt, das Medium an Gewicht zunimmt, so dürfte doch erwiesen sein, daß die Kraftwirkung von dem Medium ausgeht und nicht von irgendeinem Geist.

 

 

Es ist auch kein „Wunder“, wenn Therese von Konnersreuth bei einer Vision, um besser sehen zu können, sich weit aus dem Bett herauslehnt, so daß ein Bekannter hinzuspringt, um sie zu halten, und feststellt, daß sie „leicht war wie eine Briefmarke“. Nein, das ist alles kein „Wunder“.

Telekinetische Erscheinungen auf große Entfernungen scheinen nur mit Unglücks- und Todesfällen in Verbindung zu stehen: Es bleibt die Uhr, obwohl noch nicht abgelaufen, plötzlich stehen - es fällt das Bild eines Verwandten von der Wand, und wenige Tage später kommt die Todesnachrieht ins Haus. Der Spiritismus ist die rätselhafteste der parapsychologischen Erscheinungen.

5.) Weitere Erscheinungen: Selbsttätige Schreibmaschine, Bewegung eines Gegenstandes ins Nebenzimmer, Krankheitsdiagnose, Hellfühlen, Wahrträume, Visionen.

 

Es hat nicht an Erklärungsversuchen gefehlt. Besonders in England und USA gibt es Lehr­stühle zur Wissenschaftlichen Erforschung dieser Phänomene. In Deutschland gibt es nur einen Lehrstuhl in Freiburg im Breisgau, gegründet von Professor Bender.

Einmal wird die animistische Theorie vertreten: Die scheinbar außersinnlichen Wahrnehmungen sind auf seelische Leistungen zurückzuführen, die nur noch nicht erklärbar sind. Aber sie haben ihren Ursprung im Menschen selbst und sind gewissermaßen eine seelische Grenzleistung von dazu besonders befähigten Personen, also so etwas wie eine Steigerung der natürlichen Hirnfunktion und Ausnutzung einer bisher nicht verwendeten Gehirnkapazität.

Daneben steht die spiritistische Theorie: Die beobachteten Phänomene kommen aus einem echten Jenseits, aus einer uns fremden Dimension, die unsre Erfahrungswelt übersteigt. Die Mehrzahl der Parapsychologen glaubt an ein Hereinwirken von Kräften und Wesen einer jenseitigen Welt in die unsre. Damit stehen sie in schroffem Gegensatz zu den Kybernetikern, die den Menschen nur als eine denkende Maschine sehen und seine geistigen Fähigkeiten möglichst noch verbessern wollen. Die Parapsychologie ist eine Art Anti-Kybernetik, sie ist die Lehre vom Unerklärbaren.

Man hat die Parapsychologie oft als Aberglauben abtun wollen. Professor Bender zum Beispiel wurde von der Deutschen Gesellschaft „Schutz vor Aberglauben“ heftig angegriffen. Dennoch ist sie eine ernstzunehmende Wissenschaft, wenn auch ihre Ergebnisse noch nicht so überwältigend sind.

 

Natürlich sind wir als moderne Menschen diesen Dingen gegenüber äußerst skeptisch eingestellt. Sie scheinen den Naturgesetzen zu widersprechen. Doch schließlich werden uns noch nicht alle Gesetze der Schöpfung bekannt sein. Die Weltraumfahrt hat man ja auch für unmöglich gehalten und heute ist die Entwicklung unübersehbar geworden.

Allerdings sollte man bedenken: Der Spiritismus ist so etwas wie ein moderner Fluchtversuch ins Irrationale. Er ist der Versuch, neue Erlebnisbereiche und Erlebnistiefen zu erobern. Für manche ist er auch vielleicht ein Ersatz für eine verblaßte Religiosität.

Die Kirche hat sich nie offiziell zu diesem Thema geäußert oder gar eine Lehrmeinung gebildet. Wir brauchen den Spiritismus nicht als Glaubensbeweis, sondern unser Glaube kann auf die spiritistischen Phänomene durchaus verzichten.

Selbst in Leningrad und Moskau hat man in kommunistischer Zeit parapsychologische Versuche gemacht. Auch hier hat man keine eindeutige physikalische Erklärung finden können; aber in Rußland hätte man sie sicher gefunden, wenn es sie gäbe, weil man vom Materialismus her ein Interesse daran hat.

Neben dem Fall des toten Mädchens, das zu Professor Sugarew in die Sprechstunde kam ist noch der Fall der elfjährigen Wera bekannt, die mit der Haut sehen kann: Sie kam abends in das Büro ihres Vaters, der noch arbeitete. Sie langweilte sich und spielte an dem massiven Panzerschrank herum. Plötzlich fragt sie: „Papa, wozu brauchst du so viele Stempel?“ Der Vater ist erstaunt. Die Stempel liegen doch im Panzerschrank, der fest verschlossen ist. Wera vermag mit den Händen durch Metall zu sehen. Sie wurde von medizinischen Kapazitäten untersucht. Sie ist völlig normal, hat aber zusätzlich diese besondere Gabe, die zufällig entdeckt wurde, weil sie bis dahin angenommen hatte, daß das alle könnten. Die Versuche wurden wiederholt. Aber Vera konnte Farben, abgeschabte Umrisse, Fotos, Uhrzeit und alles mögliche andere durch Bretter, Türen, Bücher und Wände sehen. Selbst mit dickverpackten Füßen fand sie ein kleines Stück Papier unter dem Teppich. Man vermutet dahinter den Rest einer biologischen Funktion aus früheren Entwicklungsstufen, aber man spricht auch von Telepathie.

Beispiele für parapsychologische Erscheinungen:

I. Tischrücken, Glasrücken, mediales Schreiben, Skriptoskop, Sprechphänomen, Geistererscheinung, Moltkes Tod, Carlo Mirabelli.

2. Bei Frau Böskniese in Weimar leuchten ab und zu die Hände, so daß sogar Fotoaufnahmen möglich sind. Sie wurde sogar von staatlichen Stellen zur Wassersuche mit der Wünschelrute geholt.

3. Lord Downing befragte im Krieg 1940/1941 mit Hilfe eines Mediums die Phantome abgeschossener deutscher Flieger und erhielt dabei wertvolle Auskünfte über ihre Angriffsbasen.

4. In England ließ sich ein Reporter in Trance versetzen und erlebte einen Flieger nach, der im Jahre 1943 zwei Menschen umgebracht hatte.

5. In den USA erschien ein Professor unangemeldet in einer Sitzung mit Frau Piper, die selbst über große Entfernungen die Gedanken anderer lesen kann. Sie hatte den Professor noch nie gesehen, der mit einem Tuch vor dem Gesicht sich still in einen Sessel setzte. Die Frau redete ihn sofort mit seinem richtigen Namen an und erzählte ihm zahlreiche Einzelheiten aus seinem Leben, zum Teil sogar solche, die er inzwischen schon wieder vergessen hatte.

6. In Paris saß Madame Mallay in einem Raum auf mittlerer Höhe des Eifelturms. Zweihundert Kilometer entfernt wurde Roulette gespielt. Bei der Frau leuchtete immer eine Lampe auf, wenn die Kugel wieder rollte. Sie sollte dann voraussagen, auf welche Farbe und Zahl die Kugel fallen wird. Am ersten Tag war die Übereinstimmungen infolge des Lampenfiebers nur mäßig, am zweiten war sie schon weit über dem Durchschnitt und am dritten wurden Zahlen und Farben fast immer richtig angegeben.

7. Der Holländer Croiset machte auf Tonband Aussage über Personen, die sich an einem der nächsten Tage auf bestimmte Stühle in einem Vortagssaal in Freiburg und Verona niederlassen würden. Die genauen Angaben waren so zutreffend, daß ein Zufall ausgeschlossen erscheint. - An Heiligabend 1957 verschwand ein kleiner Junge aus dem Elternhaus. Croiset beschrieb den Eltern genau den Weg des Jungen in der Nacht, obwohl er nie in der Stadt war, und teilte mit, der Junge sei am Stadtrand im Fluß ertrunken. Man fand die Leiche genau an der angegebenen Stelle. - Allerdings befragt Croiset in Veranstaltungen seine Zielpersonen immer wieder und zieht ihnen zum Teil das aus der Nase, was sie hören wollen. Oder er befragt plötzlich eine ganz andere Person in der Versammlung oder er macht ganz andere Aussagen, zum Beispiel, daß eine Dame eine weiße Bluse anhat, was im Frühjahr eigentlich anzunehmen ist.

 

8. Eine Fischersfrau hat mitten in der Nacht ihrem Mann mitgeteilt, sie habe soeben ihren Bruder im Wasser versinken sehen mit einem dicken Strick um den Körper. Nach einer Woche kam tatsächlich die Nachricht, daß der Bruder in jener Nacht ertrunken sei: er hatte beim Anlegemanöver eines Schiffes geholfen und war durch einen Landungstau ins Wasser gerissen worden.

9. In Italien gibt es die Zeitschrift „Aurora“, die zu ihren Autoren auch zwölf schon längst erstorbene Mitarbeiter zählt. Es ist eine spiritistische Zeitung und wird geleitet von dem

Dem Chefredakteur Professor Stoppolani. Dieser hatte aus Neugierde 1952 an einer spiritistischen Sitzung mit dem Redaktionsmedium Luigi Bocci teilgenommen. Es erschien der Geist des vor Jahren verstorbenen Internisten Murri, mit dem Stoppolani persönlich bekannt war, und erklärte kurz und bündig, er müsse operieren. Alle Anwesenden bis auf das Medium mußten das Zimmer verlassen und konnten nur durch das Schlüsselloch beobachten, wie das Medium mit geschlossenen Augen am Tisch eifrig mit Operationsgeräten operierte und nach 20 Minuten erschöpft            in den Sessel sank. Man fand die Messer blutverschmiert und auf dem Diwan eine Operationsschüssel voll blutiger Tupfer und menschlicher Fleischreste. Es brach ein Streit aus über die Deutung des Vorgangs. Daraufhin befragte man noch einmal Murris Geist. Er erzählte, ein junges Mädchen in einem 15 Kilometer entfernten Städtchen sei operiert worden. Man fand angeblich die 17jährige, die nach wochenlangen Schmerzen in der unteren Wirbelsäulengegend plötzlich einen Stich im Rücken gespürt hatte und danach ohnmächtig wurde. Aber nach dem Erwachen ließen die Schmerzen nach und nach einigen Tagen war alles gut. Tag und Stunde stimmten mit Murris Operationssitzung überein.

11. In den USA hat ein ehemaliger Liftboy seine Gedankenbilder auf einen Film übertragen:

Ein gewisser Ted Serios in Chicago soll unter wissenschaftlicher Kontrolle sogenannte ,,Psychophotos“. Produzieren. Er stellt sich in Gedanken Bilder vor, ganz intensiv, und zaubert sie, ohne die Kamera zu berühren, auf den Film, der nachher entwickelt wird und in Schwarzweiß oder Farbe genau das Bild wiedergibt, das Ted seelisch „geschaut“ hat. Zunächst entstanden normale Bilder im hellen Raum. Nach Stunden aber waren es dunkle Bilder und schließlich zeichnete sich ein prähistorischer Mensch in hockender Stellung ab, den der Mann vorher annähernd richtig gezeichnet hatte. Ein solches Modell steht in einem Museum in Chicago, von wo der Mann herstammte. Auf ähnliche Weise hat er Bilder der Münchner Frauenkirche produziert. Die Sensation dauerte so lange, bis es einem „Rivalen“, Mitglied eines magischen Zirkels, gelang, das „Wunder“ nachzuahmen und die übersinnlichen Kräfte des Ted Serios als simplen Zaubertrick zu entlarven.

 

Aber auch wenn man alle durch Tricks und Täuschungsmanöver zustande gebrachten „Phänomene“ ausschließt (bei den öffentlichen, „rentablen“ Demonstrationen des Geheimnisvollen handelt es sich meistens um solche), bleibt noch genug Unerklärliches. Und das Interessanteste an der ganzen Sache ist schließlich gerade das Interesse, das alles jenseitig Geheimnisvolle bei unsern Zeitgenossen hervorruft.

Wir alle stehen unter dem Einfluß unseres Unterbewußtseins, etwa wenn wir einen Menschen vom ersten Augenblick an „sympathisch“ finden oder wenn wir Fehlleistungen begehen (Vergessen, Versprechen). Alle parapsychologischen Leistungen werden vom Unterbewußten vollbracht. Allerdings haben nur sehr wenige Menschen eine so starke Ausbildung des „sechsten Sinns“, daß eine echte mediale Veranlagung gegeben ist.

 

Doch mancher hat an diesen Fähigkeiten Anteil. Unter außergewöhnlichen Umständen wie etwa im Krieg haben Menschen rätselhafte Warnungen aufgenommen, die sie vor Granateinschlägen oder Minenexplosionen retteten. Das ist die gleiche Art von Gefahrenwitterung, die Hunde, Ratten und Vögel vor Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Überschwemmungen zeigen. Viele Mütter haben Tod und Verwundung ihres Sohnes über tausende von Kilometern erlebt.

Manche meinen sogar, die Gabe der Telepathie sei so verbreitet wie eine musikalische Begabung. Jeder hat schon einmal festgestellt, daß seine Frau oder sein Gesprächspartner plötzlich einen Gedanken äußerte, den er selbst gerade erst gedacht hatte; alte Ehepaare und eineiige Zwillinge erleben das öfters. Telepathische Genies werden in den USA und der Sowjetunion sogar zur Übermittlung von Nachrichten an getauchte Unterseeboote herangezogen. In den Polaris-U-Booten sahen 1963/64 geheimnisvolle Männer, von der übrigen Besatzung getrennt, die verschlüsselte Worte und Zeichnungen von einem tausend Kilometer entfernten Partner aufnahmen. Vielleicht wird Telepathie einmal die einzige Verbindungsmöglichkeit zwischen fast lichtschnellen Raumschiffen und der Erde sein.

 

Schwindeleien:

Natürlich ist ein großer Teil der angeblichen Propheten in Wirklichkeit Schwindler oder Phantasten, die aus der Angst des Menschen vor der Zukunft ein Geschäft machen. Sie arbeiten mit allen möglichen Tricks und Betrügereien und fragen den „Kunden“ erst einmal geschickt aus und sagen ihm dann, was er zu hören wünscht. Auch sind die Prophezeiungen möglichst allgemeiner Art. Dennoch haben sich gerade politische Voraussagen als falsch erwiesen. So hat etwa ein Italiener für 1959 vorausgesagt: „Deutschland wird bis November 1959 wiedervereinigt sein. Das große Ereignis werde eintreten, nachdem die Welt furchtbare Augenblicke durchgemacht hat, besonders zwischen dem 10. und 14.Septemberwerden wir um Haaresbreite an einem Weltkrieg vorbeigehen, wenn die Chinesen auf Formosa landen usw.

Geradezu meisterhaft hat der Franzose Nostradamus (16. Jahrhundert) das Prinzip der unklaren Voraussagen verwendet. Viele erkennen in seiner „Geschichte der Jahre 1555 bis 3797“ noch heute manches größere Ereignis nachträglich wieder. Doch wirklich exakte und kurzfristige Voraussagen besonders von politischen Ereignissen haben bis heute nicht nachgewiesen werden können.

Natürlich muß man die Möglichkeit echter Vorausahnungen offenlassen. Aber sie betreffen immer nur Aussagen über das Schicksal einzelner Menschen. Dennoch spielt hier oft der Zufall eine Rolle. Oft handelt es sich um Gedanken und Ängste, die nur ins Unterbewußte verdrängt wurden und deshalb nicht zuverlässiger sind als bewußt angestellte Überlegungen auch.

Religiöse Schwindeleien sind zum Beispiel ein Tuch mit Fußabdrücken Christi und Holunderblätter mit Jesusbild.

 

Wissenschaftliche Versuche:

1. Ein „Sender“ konzentriert sich auf das Bild eines Fisches. In einem anderen Raum schläft der „Empfänger“. Er träumt zunächst die Operation eines farbigen Mannes, dann sieht er einen Mann im blauen Badeanzug, der in ein Schwimmbecken springt. Das Bild war auch blau und das Wasser deutete man auf den Fisch.

2. Kinder fanden beim Pärchensuchen mit Spielkarten statt der zu erwartenden fünf Pärchen fast das Doppelte, nämlich neun. Auf zufälligem Wege wären dazu eine Million Versuchsreihen nötig.

3. Man steckte Pressefotos in Umschläge und ließ raten, was auf ihnen dargestellt ist. Die Trefferzahl war nur 2:2.

4. Man läßt die Reihenfolge von 25 Spielkarten raten, die mit einer Maschine gemischt wurden. Mehr als 50 Treffer bei 250 Voraussagen gelten als mehr als zufällig (zum Beispiel 79 Treffer erreicht).

5. Sogar mit Tieren macht man solche Versuche: Eine Maus soll den Teil ihres Käfigs raten, der nicht unter Strom gesetzt ist.

6. Es werden 6 Würfel auf eine Platte herunterfallen lassen. Die Versuchsperson soll nun nur durch ihre Gedanken sechsmal die Würfel von sich wegtreiben und sechsmal herbeiziehen.

7. Ein Mann versucht, ein bestimmtes Quadrat in einem Feld zu finden; dazu gleitet seine Hand über die Tafel. Dabei beobachtet ihn über eine Fernsehkamera ein zweiter, der bei sich auf einer entsprechenden Tafel auf das richtige Quadrat deutet und so die Hand des Suchenden lenken will.

8. Ein Mann in Schweden und ein Pfarrer aus Deutschland erforschten Stimmen auf einem Tonband. Man stellt etwa das Radio auf weit entfernte Sender ein oder ließ das Tonbandgerät in einem stillen Raum laufen. Dann hörte man ab, ob etwas auf dem Tonband zu höre- ist, indem man den Ton ganz weit aufdreht. Es sind vor allem Stör- und Hintergrundgeräusche zu hören, vor denen sich die angeblichen Stimmen kaum abheben. Die „Experten“ allerdings hören da manches heraus, einmal ihre eigene, einmal in einer fremden Sprache, die sie aber beherrschen. Wissenschaftler sagten dazu, sie könnten sich. die Herkunft der Stimmen nicht erklären. Besonders sei auffällig, daß eine solche Stimme auch rückwärts abgespielt einen Sinn ergebe. Aber man könne auch nicht beweisen, daß diese Stimmen einen übernatürlichen Ursprung haben.

Alle diese Versuche führten nicht zu beweiskräftigen Ergebnissen. Manchmal war die Trefferzahl im Durchschnitt etwas höher als erwartet. Aber die Abweichung ging nicht über das hinaus, was auch durch geschicktes Raten oder rein zufällig erzielbar ist.

 

Theologische Beurteilung:

Eine Welterklärung mit drei Dimensionen, wie sie der Materialismus allein anerkennt, ist heute unzureichend. Von der Parapsychologie her fällt auch ein neues Licht auf die neutestamentlichen Geschichten von der Verklärung Jesu und den Erscheinungen beim Tod Jesu (Mt 17,1-8; 27,52-53). Entweder haben wir es hier mit einer kollektiven Halluzination zu tun, erzeugt durch religiösen Massenwahn. Oder hier geht es um eine elementare biblische Realität, die ein Zeichen der noch ausstehenden Verwandlung aller Sterblichen in die neue Seinsweise der kommenden Gottesheimat ist.

Aber der christliche Glaube braucht eine tragfähigere Grundlage als der Spiritismus, der viel zu mager und einseitig und viel zu bestreitbar ist. Zum Beispiel haben selbst geniale Persönlichkeiten immer nur den durchschnittlichen Verstand des jeweiligen Mediums. Schließlich ist fraglich, ob die vom Spiritismus erreichte Schwelle wirklich schon das „Jenseits“ ist oder ob die Zirkelteilnehmer nicht doch v o r den verschlossenen Pforten des Jenseits im christlichen Sinn steckenbleiben. Der Kontakt von einem Unterbewußten zum anderen ist noch keine Transzendenz!

Die gezeigten Materialisationen sind zudem nur Teile eines vollständigen Menschen (Kopfteile, Rumpfteile, Armstrünke, Handglieder) und meilenweit von der neuen Leiblichkeit der Erlösten entfernt, wie wir sie erwarten.

 

Vor spiritistischen Experimenten ist dringend zu warnen. Viele Medien haben schwere und schwerste gesundheitliche Schäden davongetragen. Die Gesamtpersönlichkeit wird fortschreitend abgebaut, Lebensfreude und Selbstbeherrschung nehmen ab und es kommt zu Wahnideen und Selbstmord.

Als Christen wissen wir: Der Geist Gottes bindet sich ans Wort. Wir können genausoviel denken und so weit denken, als wir Worte dafür haben. Gottes Geist kann nur im Wort zu uns kommen und nicht im Ton oder in Gefühlsahnungen. Der Geist Gottes ist immer „heiliger“ Geist, weil er ohne Makel und ohne Sünde ist. Er war in Christus gegenwärtig und lebt in seiner Gemeinde weiter.

Das meiste an okkulten Dingen ist einfach Schwindel. Was sich aber nicht als Betrug entlarven läßt, hat nichts mit dem Jenseits und mit Geistern zu tun, sondern läßt sich auf natürliche, psychologische Weise erklären. Je gründlicher die Wissenschaft sich mit diesen Dingen befaßt, umso eher werden wir der Wahrheit näherkommen und viele Menschen von dem Bann des Irrtums und des Unglaubens frei machen.

Wer sich damit befaßt, ist immer in der Gefahr, in seinem Glauben Schiffbruch zu erleiden. Der Spiritismus tritt ja bewußt als Religion auf, als die Religion des dritten Weltalters, die das Christentum von den Schlacken seiner Dogmen befreit und zu neuem glänzendem Leben erwecken wird.

Der Spiritist glaubt an eine unsichtbare Welt, aus der sich der Geist eines Verstorbenen melden kann. Aber er muß oft lange warten, wird oft irregeführt und muß schließlich auf seine Art etwas glauben, wenn er Erfolg haben will.

Trotz frömmelnder Redensarten bleibt der Spiritist in einer ganz billigen Neugier stecken, wie denn das Leben im sogenannten Jenseits sei. Sein Leben „drüben“ soll so weitergehen wie bisher auch, mit Essen und Trinken, Lektüre und Zigaretten und allen Liederlichkeiten. Es geht nicht um ein „bei Christus sein“, sondern um eine Verflachung und Veräußerlichung des religiösen Lebens.

Obwohl der Aberglaube vereinzelt auch heute noch unheimliche und kuriose Blüten treibt, leben wie in einer „entgötterten“ Welt - frei von Dämonen, Götzen und Hexen. Unsere Welt wird bestimmt von erklärbaren Naturabläufen, und der Mensch hat aktiv Anteil an der Veränderung seiner Lebensbedingungen. Dennoch stehen auch wir hin und wieder in der Gefahr, „Götzendienst“ zu treiben. Natürlich glauben wir nicht mehr an den Hauskobold Rumpelstilzchen, der für uns Stroh zu Gold machen kann, aber ...

Vielleicht erinnern wir uns noch an Luthers Erklärung zum ersten Gebot. Da heißt es: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen!“ Oft genug aber fürchten wir „über alle Dinge“ ganz bestimmte Menschen

Gottes Name ist kein Wunscherfüllungsautomat, aber auch keine Zauberformel, wie sie die Hochform des Aberglaubens, die „Weiße Magie“ benutzt und damit den Namen Gottes mißbraucht. Das zweite Gebot steht hier sozusagen als Warnschild: Vorsicht! Gott wird den zunichte machen, der seinen Namen mißbraucht.

Wir brauchen keine magischen Kräfte, um unser Leben leben zu können, denn Gott hat uns zuerst geliebt und uns in seinem Sohn für immer von dem Zwiespalt zwischen Von-Gott-geschaffen-Sein und Von-Gott-getrennt-Sein befreit.

 

 

 

 

 

 

Hypnose

Die einen preisen sie als Allheilmittel, andere hingegen schrecken vor ihr zurück - die Hypnose ist auch bei psychologischen Laien im Gespräch. Unter Christen ist die Furcht weit verbreitet, daß die Hypnose in den Bereich der „Schwarzen Magie“ oder des Okkultismus gehöre. Die Hypnose hat weder mit Okkultismus noch mit Spiritismus auch nur das mindeste zu tun. Wenn man nach den Ursachen sucht, warum die Hypnose in den Geruch der okkulten Beeinflussung gekommen ist, so stößt man auf zwei Tatsachen:

Erstens ist die Hypnose eine Erscheinung, die auf den Beobachter unheimlich wirkt und die sich vom medizinischen Laien nur schwer in das Spektrum ärztlicher Behandlungsmethoden einordnen läßt. Es weckt Ängste, daß durch die Hypnose Erscheinungen ausgelöst werden können, die sonst nur auf dem Wege einer körperlichen Einwirkung erreicht werden, zum Beispiel Gefühl- und Schmerzlosigkeit wie bei einer Narkose, oder es entstehen Brandblasen, wie sie sonst durch glühende Gegenstände verursacht werden.

Es gibt noch einen zweiten Grund, weshalb die Hypnose in die Nähe okkulter Praktiken gerückt worden ist: Hypnotiseure, vor allem psychologische Scharlatane, haben sich mit dem Nimbus des zaubernden Heilkünstlers umgeben. Besonders Varietékünstler, welche die Hyp­nose zu Demonstrationszwecken mißbrauchten, waren darum bemüht, ihren Vorführungen das Mäntelchen des Magischen und übernatürlichen umzuhängen. Sie legten es geradezu darauf an, dem eigentlichen Hypnosevorgang möglichst viel magisches Rankenwerk beizufügen, um sich dadurch mit dem Glorienschein höheren Wissens und übernatürlicher Fähigkeiten zu umgeben.

Hypnotisieren kann jeder, der die Hypnosetechnik gelernt hat und genügend Einfühlungsvermögen besitzt um sich auf die innere Situation des zu Hypnotisierenden einzustellen. Dazu bedarf es keiner übernatürlichen Begabung und auch keiner besonderen Willensstärke, wie von Nichtkennern oft vermutet wird. Nach Vorbereitung durch einen Arzt ist es sogar möglich, die Hypnose mit Hilfe von Tonträgern herbeizuführen. Doch auch wenn die Hypnose einfach zu handhaben und ihre Technik verhältnismäßig leicht zu lernen ist, gehört sie ausschließlich in die Hand des Arztes, weil sie eine therapeutische Maßnahme darstellt. Vor jedem leichtfertigen Umgang mit Hypnose muß darum nachdrücklich gewarnt werden.

Hinter der Frage: „Wer kann hypnotisiert werden?“ steckt die weitverbreitete Vorstellung, als seien nur Menschen mit bestimmten Eigenschaften (etwa mit „medialer“ Begabung) in der Lage, sich in Hypnose versetzen zu lassen. Diese Vorstellung aber ist irrig. Mit Ausnahme von Geisteskranken und Kindern kann jeder hypnotisiert werden. Das Gelingen der Hypnose ist an keinerlei seelische oder charakterliche Vorbedingungen geknüpft, sondern hängt lediglich davon ab, ob der zu Hypnotisierende wirklich bereit ist, sich hypnotisieren zu lassen. Bei einem Kranken, der daran interessiert ist, mit Hilfe der Hypnose von seinen Schmerzen befreit zu werden, wird diese ohne Schwierigkeiten gelingen.

 

Wie ich schon festgestellt habe, tritt durch die Hypnose keine okkulte Behaftung ein. Darum können auch Christen, wenn es der Arzt für angezeigt hält, die Hypnose als Therapiemaßnahme ohne Bedenken akzeptieren.

Die einen preisen sie als Allheilmittel, andere hingegen schrecken vor ihr zurück — die Hypnose ist auch bei psychologischen Laien im Gespräch. In drei Beiträgen (G EI Nr. 41, 42 und 43) gibt Professor Dr. Walter Saft Informationen über Christen, die Genaueres über eine von Geheimnissen umgebene Erscheinung der menschlichen Psyche wissen wollen.

Ihrer Erscheinung nach ist die Hypnose ein schlafähnlicher Ausnahmezustand, der sich als Folge suggestiver Maßnahmen einstellt.

Obwohl die Kenntnis von hypnotischen Vorgängen sehr alt ist und weit über unseren Kulturkreis hinausreicht (wir brauchen nur an die Yogatechnik zu denken), ist es nicht leicht, diesen Ausnahmezustand zu beschreiben: Die Hypnose beginnt mit der Herabsetzung des Wachbewußtseins, die durch Suggestion des Hypnotiseurs veranlaßt wird. Auffallend ist, daß der Hypnotisierte auch im Zustand des eingeschränkten Wachbewußtseins psychischer Verbindung mit dem Hypnotiseur bleibt und seine Stimme hören kann. Auch ganz leise gesprochene, ja sogar geflüsterte Worte des Suggestors kann der Hypnotisierte wahrnehmen, während er für andere Stimmen unempfänglich bleibt.

Der Hypnotisierte unterliegt allen vom Hypnotiseur herkommenden Einflüssen. So empfindet er zum Beispiel auf Befehl des Hypnotiseurs Schmerzen oder wird auf seine Anweisung hin schmerzlos. Alle Vorstellungen, die der Hypnotiseur suggeriert- Personen, Landschaften oder psychische Zustände - vollzieht der Hypnotisierte auf dem Wege der Halluzination (d. h. beinahe zwanghaft) nach. Wenn ihm eine heitere Stimmung suggeriert wird, fühlt er sich heiter. Der Hypnotisierte kann sich gegen den Willen des Hypnotiseurs nicht zur Wehr setzen und führt wie willenlos aus, was ihm aufgetragen wird.

Die Hypnose ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeit des Menschen. Auch wenn sie von einem Arzt als Heilmittel eingesetzt wird, bleibt ein Bedenken: Es entsteht nämlich eine psychische Fixierung des Hypnotisierten an den Hypnotiseur, die auch nach der Auflösung der Hypnose funktionsbereit bleibt. Der Arzt, der sich für eine Hypnose entscheidet, weiß um diese Fixierung. Darum kann man ihm die Verantwortung für dieses Bedenken getrost überlassen.

Ein weiteres Kennzeichen der Hypnose ist das Auftauchen des hypnotischen Bildbewußtseins. Ähnlich wie der Träumende steht der Hypnotisierte unter dem Eindruck von bildhaften Erlebnissen, die sich der Kontrolle durch sein Wachbewußtsein entziehen. Während aber der Träumende diesen Bilderlebnissen gegenüber passiv bleibt und sie mehr als Zuschauer erlebt, sind sie für den Hypnotisierten Handlungen veranlassende seelische Realitäten. Wenn ein Träumender, der angekleidet auf einer Couch liegt, im Traum eine große Hitze erlebt, dann fängt er keineswegs an, etwas dagegen zu unternehmen, sondern schläft, ohne etwas zu tun, weiter, der Hypnotisierte dagegen, dem Hitze suggeriert wird, zieht sich aus, öffnet das Fenster.

Neben dem charakteristischen Unterschied zwischen dem Bilderleben eines Hypnotisierten und dem eines Träumenden, den wir im vorigen Beitrag behandelt haben, gibt es einen weiteren. Der Träumende ist seiner Umwelt gegenüber abgeschlossen. Worte, die zu ihm gesprochen werden, haben auf den Verlauf seines Traumes keinen Einfluß. Das Bildbewußtsein des Hypnotisierten dagegen ist für die Worte des Hypnotiseurs geöffnet. Jeder vom Hypnotiseur eingeredete Impuls wird vom Hypnotisierten aufgenommen. Die Suggestion zum Beispiel „Du bist jetzt zehn Jahre alt“ nimmt der Hypnotisierte ohne weiteres auf. Er fühlt sich dadurch in sein zehntes Lebensjahr versetzt und beginnt wie ein Zehnjähriger zu denken und zu handeln.

Die Tatsache, daß das Bilderleben den Hypnotisierten zum Handeln motiviert, mag noch einleuchten. Aber nur schwer einsehbar ist e, daß vom hypnotischen Bildbewußtsein auch körperliche Wirkungen ausgehen. Es geht einfach gegen unseren natürlichen Menschenverstand, daß sich beim Hypnotisierten, wenn man ihm eine Verbrennung suggeriert und ein Fünfmarkstück auf die Hand legt, eine Brandblase bildet. Diese Wirkung ist nur dadurch zu erklären, daß die Schutzmechanismen, die unseren Körper (genauer: dessen reflektorisches System und seine Apparate) gegenüber dem Bildbewußtsein abschirmen, in der Hypnose wegfallen.

Es ist unschwer einzusehen, daß gerade dieser Umschlag von bildhaften Eindrücken in seelisch-leibliche Wirkungen, wie er in der Hypnose geschieht, zu besonderer Vorsicht im Umgang mit diesem suggestiven Eingriff verpflichtet.

Viele fragen besorgt: „Gibt dieser unheimliche Zwang, der vom posthypnotischen Befehl ausgeht, dem Hypnotiseur nicht die Macht, einen Menschen zum Verbrechen zu motivieren?“ Unbestreitbar liegt hier eine große Gefahr. Ein in einem Menschen vorhandener, aber durch einen Hemm-Mechanismus zurückgehaltener Wunsch nach einer verbrecherischen Tat kann durch die Hypnose sehr wohl aktiviert und freigesetzt werden.

In solch einem Fall kann die Hypnose als Auslösefaktor dienen. Aber kein Mensch kann in oder nach der Hypnose zu einem Tun veranlaßt werden, das nicht irgendwie seinem eigenen Wollen entspricht oder entgegenkommt. Der Auswirkung des posthypnotischen Befehls sind Grenzen gesetzt. Aber wenn sich auch die Posthypnose nicht in jedem Fall durchsetzen kann, treibt sie doch den Hypnotisierten durch den von ihr ausgehenden Zwang in schwere innere Konflikte. Es kommt in deren Folge nämlich zum Zusammenstoß zwischen dem in der Persönlichkeitsstruktur bereitliegenden Hemm-Mechanismus und dem in der Hypnose gegebenen Befehl, der sich bis zur Ohnmacht steigern kann. Im Wissen um diese Konfliktmöglichkeit werden sich Ärzte, welche die Hypnose zu Therapiezwecken einsetzen, sehr hüten, posthypnotische Befehle zu erteilen.

 

Sigmund Freud

Sigmund Freud fand in seiner langen Lebenszeit (1856 bis 1939) und angesichts höchst ungewissen Nachruhms stets Trost bei einem Gedanken: Die Menschen könnten zwar die verborgen-verbotenen Triebe, deren Existenz er aufgedeckt habe, leugnen, hemmen und ablenken, doch nimmermehr ausmerzen. Er notierte. „Die Leute mögen tagsüber meine Theorien schmähen, aber ich bin sicher, daß sie des Nachts davon träumen ...“.

Sigmund Freud hat als erster einen Schritt getan, der in der ganzen Geschichte der Menschheit nicht mehr zurückgenommen werden kann. Drei heftige Stöße - so erklärte er 1914 in einem Vortrag - habe das menschliche Bewußtsein seit dem Mittelalter erlitten:

> Zuerst die kosmologische Entdeckung des Kopernikus, daß die Erde nur ein um die Sonne rotierendes Staubkorn im All und nicht der Mittelpunkt des Universums ist, wie die Menschheit seit Anbeginn in Anerkennung ihrer eigenen Wichtigkeit geglaubt hatte.

> Sodann der biologische Schlag. der den „Stolz des Menschen unmittelbar traf“: Charles Darwins Abstammungslehre degradierte den Menschen, die vermeintliche Krone der Schöpfung, zum Zuchtwahlprodukt hochentwickelter Affenrassen.

> Endlich der dritte Streich. die „empfindlichste Kränkung der naiven Eigenliebe“: die tiefenpsychologische Forschung mit ihrer Enthüllung, daß der Mensch „noch nicht einmal Herr im eigenen Haus“, Herr in der eigenen Haut sei.

Die wissenschaftliche Analyse und Manipulation des Unbewußten, die Freud begründete, ist zum neuen Orakel des Menschen ohne Gott geworden. Denn es war Freuds Lehre von der Allmacht des Unbewußten, an der sich die moderne Manie entzündete, jede Frage psychologisch zu beantworten, jede Schwierigkeit durch psychologische Beeinflussung bewältigen zu wollen

Freuds Leben weist keine Spuren von erotischen Abenteuern, von Regelwidrigkeit oder Skandalen auf, die der von Freuds Sexualtheorien schockierte Zeitgenosse meint erwarten zu können. Ebensowenig Außergewöhnliches ist aus seiner Jugend bekannt.

Es waren jedoch die weniger harmonischen Kindheitsimpressionen, die seine Entwicklung beeinflußten. Sigmunds streng-gütiger, doch von kommerziellem Pech verfolgter Vater war - zum zweitenmal verheiratet - zwanzig Jahre älter als die Mutter, und ein Sohn aus erster Ehe hatte ihn bereits zum Großvater gemacht: Mithin kam Sigmund als Onkel zur Welt. Da seine Halbbrüder ungefähr so alt wie seine Mutter waren und gleich nebenan wohnten, erregten die verwickelten Familienbande frühzeitig den Wissensdrang des Knaben (einmal warf ihn der Vater aus dem elterlichen Schlafzimmer hinaus). Sie lenkten ihn „auf die Geheimnisse menschlicher Beziehungen“ (Biograph Jones).

Verwirrender noch waren die Geheimnisse menschlicher Absurdität, auf die der Sohn eines freidenkenden Juden im k. u. k. Milieu stieß. Von den Tschechen wurden die jüdischen Außenseiter diskriminiert, weil sie deutsch sprachen, von den Deutsch- Österreichern wegen ihrer Rasse und von allem aus katholischen Motiven. Die tschechische Kinderfrau der Familie - noch lange der Alp seiner Träume - traktierte den kleinen Sigi mit Geschichten von Himmel und Hölle, lehrte ihn christlich beten und schleppte ihn in die Kirche, deren Glocken der Familie Freud „feindlich“ im Ohr klangen. Der infantile Glaubenskonflikt hinterließ lebenslängliche Skepsis gegen jede Religion.

Auf dem Wiener Sperl-Gymnasium zeichnete sich Sigmund durch eine fast schon verdächtige Musterknabenhaftigkeit und Lernbegierde aus, durch die er zum Klassenprimus avancierte.

Der Abiturient Freud entschied sich für das Studium der Medizin an der Wiener Universität. Er kam gerade zurecht, um mitzuerleben, wie die Wissenschaftsrevolutionäre des 19. Jahrhunderts auch für die Erforschung der Mensch-Natur das neue, materialistisch-physikalische Evangelium verkündeten: „Es gibt im lebenden Organismus keine anderen Kräfte als die üblichen physikalischen und chemischen Vorgänge“ - der Mensch sei eine biologische Maschine, meßbar mit „physikalisch-mathematischen Methoden“.

Finanznot und Heiratswünsche zwangen Freud, der 1884 promovierte und 1885 zum Privatdozenten aufrückte, die theoretische Forschung an der Universität aufzugeben. Er wurde „Sekundar-Arzt“ in der Nervenabteilung des Allgemeinen Krankenhauses Wien. Dort wurde er mit dem Unbewußten in Gestalt der sinnverwirrenden Hysterie konfrontiert.

Als Gemütskrankheit ohne erkennbare Ursache wurde die Hysterie von der ratlosen Eisenbart-Medizin damals (wie schon seit Jahrhunderten) als simuliertes, ausschließlich feminines Leiden verwünscht als Weiberlaune, die das Interesse der Ärzte nicht verdiene. Freud sah, wie hysterische Frauen mit Kaltwasserschocks malträtiert wurden - und er bemerkte, daß die Patienten sich bei ihren Anfällen anders bewegten, als es die physiologisch orientierte Nervenkunde erklären konnte.

Erste Station für Freude war die Universitäts-Nervenklinik von Paris. Auf fünf Monate reiste der mit einem Auslandsstipendium ausgestattete Freud dorthin, um bei Jean Martin Charcot zu hören, einem renommierten Neurologen, der die Hysterie nicht nur ernst nahm, sondern die medizinischen Autoritäten doppelt brüskierte, weil er dem Simulantenleiden mit einer „Scharlatan“-Methode, der Hypnose, beizukommen suchte. Charcot demonstrierte, daß hysterische Attacken von „bloßen Vorstellungen“ ausgelöst werden können.

Ursache der Hysterie, vermutete der französische Neurologe, sei ein schreckhaftes Erlebnis („Trauma“), das dem Bewußtsein des Kranken längst entschwunden sei, auf das sein „Gegenwille“ jedoch weiterhin hartnäckig reagiere, sobald die verschüttete Erinnerung geweckt werde.

 

 

 

Sigmund Freud war „fasziniert“ von Charcots Sitzungen - und irritiert von einem Hinweis des Franzosen, in der Entstehung der Hysterie scheine die Sexualität eine nicht geringe Rolle zu spielen: Er maß dem keine Bedeutung bei. Umso mehr nahm er sich den Rat Charcots zu Herzen, „dieselben Dinge so oft von neuem anzuschauen, bis sie von selbst begannen, etwas auszusagen“.

Dazu bot sich reichlich Gelegenheit, nachdem Freud. in Wien zurück, endlich geheiratet und als Nervenarzt eine Praxis eröffnet hatte, um seine sich rasch vergrößernde Familie (drei Knaben, drei Mädchen) zu ernähren. Der Sachverhalt, den er anzustarren hatte - das war des Bürgerdaseins ganzer Jammer, die „allgemeine Gefühlsmisere“ hinter den Plüschportieren der Franz-Joseph-Metropole, die „Seelenkloake“ des weißen Mannes auf der Höhe seines Lebens, die seine meist wohlhabenden Patienten acht Stunden am Tag vor ihm auftaten.

Fast alle seine Besucher waren von „Ängsten“ und „Zwangsvorstellungen“ geplagt, von „Knie­schlottern„ Schüttelkrämpfen, Angst vor Kindern, Alpträumen. herabgesetztem Selbstbewußtsein, pessimistischer Erwartung. Neigung zu peinlichen Kontrastvorstellungen“. Und stets schienen „Störungen der Sexualfunktion“ damit zu tun zu haben. Viele Patienten kamen „von selbst aufs Sexuelle“.

Befremdet, „angewidert“ und gebannt zugleich begann Freud die intimen Riten seiner Kranken zu studieren, beständig erpicht auf „neues Material“, „ungewöhnliche Fälle“, beglückt von „schönen Organhypochondrien“ und „sehr neugierig auf ein 19jähriges Mädchen mit fast reinen Zwangsvorstellungen“ Er bat die Patienten, sich zur Entspannung und Ermunterung der Redseligkeit auf eine Couch zu strecken und setzte sich selbst neben das Kopfende. Das heikle, hemmende Vis-à-vis war beseitigt. Zwischen dem Arzt und seinen Fällen lag moralfrei die Distanz naturwissenschaftlicher Objektivität: Für den Arzt wie für den Patienten durfte eine strafbare Perversion nicht anstößiger sein als das Liebesleben der Blattläuse.

Es gab weder Vorwurf noch Bußpflicht am Beichtlager Freuds. Er sprach im Caféhaus-Plau­derton, übte Geduld, humorige Nachsicht und erwies den Patienten respektvolle Hilfsbereitschaft. Dennoch wurden Menschen nie zuvor - nicht durch Priester, Richter oder Dichter - einer erschöpfenderen Inquisition unterzogen als auf dem persisch gemusterten Diwan in der Wiener Berggasse 19.

Freud fahndete nach dem „Trauma“ der Hysteriker und Neurotiker, mußte aber feststellen, daß alle seine Patienten zwar auf Heilung hofften, dem Verhör jedoch mit Widerstand, Ausflüchten, Erinnerungsfehlern und offenkundiger Unaufrichtigkeit begegneten. Nicht selten ergriffen sie die Flucht, just wenn Freud die Wurzel des Übels schon entdeckt zu haben glaubte. Die Neurotiker, obwohl Opfer eines Leidens, benahmen sich, als hätten sie ein Verbrechen zu verbergen.

Es gab nur Indizien: scheinbar unmotivierte Einfälle und Erinnerungsfetzen der Kranken - und ihre Träume. Freud, der aufgeklärte Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts, wiederentdeckte den Traum als Hellsehschirm, auf dem sich der innere Konflikt in flackernden Symbolen und verstümmelten Chiffren abzeichnete.

Der Tatort. zu dem die Spur der Träume und Assoziationen stets zurückführte, war die Kinderstube, und das Delikt, das sie barg, schien ein „frühsexuelles Erlebnis“ zu sein. So wie es die Neurotiker in der Analyse darstellten, waren sie alle im zartesten Alter von ihren eigenen Eltern mißbraucht worden - Grund genug, hysterische Zustände zu bekommen. Jedoch die Überprüfung der „ermittelbaren Umstände“ erbrachte ein Resultat, das noch bestürzender war als Blutschande in Bürgerhäusern: Die Traumata erwiesen sich als pure Phantasie. Die unter Qualen preisgegebenen Schreckenserlebnisse waren in Wirklichkeit nie passiert.

 

Er studierte die Schilderungen des Hexenwahns und erkannte, daß die mittelalterliche „Theorie von der Besessenheit identisch (ist) mit unserer Spaltung des Bewußtseins ... Warum sind die Geständnisse auf der Folter so ähnlich den Mitteilungen meiner Patienten?“

„In heroischem Entschluß“ (Jones) machte Freud schließlich seine eigene Seele zum Versuchsobjekt - und erkannte in seinen eigenen Träumen und Erinnerungen den Schattenriß des tragischen Helden Ödipus aus der griechischen Sage, der unwissentlich-unbewußt seinen Vater erschlug und seine Mutter Iokaste zur Frau nahm. Freuds Selbstanalyse brachte zum Vorschein, daß er als Knabe „Libido gegen matrem“ (er meinte ,,Verlangen nach der Mutter“, aber er wagte nicht, es deutsch zu schreiben) empfunden hatte, als er sie „nudam“ (nackt) sah. Zugleich hatte er sich von seinem Vater bedroht gefühlt - was Freud in nüchterner Analyse auf die Furcht zurückführte, für die verbotenen Wünsche vom Vater gezüchtigt zu werden.

Für den Arzt Freud war es eine schockierende Entdeckung: Seine eigenen Kindheitsphantasien stimmten mit den Träumen seiner Patienten überein. Damit blieb nur noch ein geringer Unterschied zwischen gesund und krank. Er, der Gesunde, hatte wie die meisten Menschen die einfachsten Impulse überwunden, die Neurotiker dagegen litten noch unter ihnen.

Die Psyche. verkündete Freud, ist einem Eisberg vergleichbar: zu einem kleinen Teil sichtbar im logischen Prozeß des Bewußtseins. Doch angetrieben von unterschwelligen Strömungen. Ihre brodelnde Quelle, von Freud nüchtern „Es“ genannt, ist der Ausdruck primitiver Instinkte; die Instinkte produzieren „Libido“, eine Seelenenergie, die nur ein Ziel kennt: Lustgewinn und Unlustvermeidung. Die höchste, körperlich und seelisch intensivste Lustbefriedigung gewährt die Sexualität, und alles Luststreben aus dem „Es“ drängt zum sexuellen oder sexuell gearteten Genuß - blindlings, hemmungslos, mit selbstmörderischem Ungestüm.

Bei der Geburt, postulierte Freud, ist das Menschenkind nichts als ein Bündel „Es“, ausschließlich beherrscht vom irrationalen „Lustprinzip“. Seine Libido konzentriert sich zunächst auf den Mund - in einem Maße, das weit über die Stillung des Hungers hinausgeht: Das Baby nuckelt am Daumen, auch wenn es satt ist, allein weil es ihm Spaß macht. Im Gang der Entwicklung bis zur Geschlechtsreife wandert, wie Freud es ausdrückte, die Libido über den ganzen Körper, macht aus den von ihr „besetzten“ Organen und Körperpartien lusterzeugende („erogene“) Zonen.

Die Wandlungen der Libido jedoch sind kein friedliches Gedeihen, sondern ein Drama mit ungewissem Ausgang. Beim ersten Blick ins Licht der Welt bereits kollidiert das nach endloser Befriedigung hungernde „Es“ schmerzlich mit der Drangsal des Daseins. Auf jeder Entwicklungsstufe trifft die naive Lustsuche auf Versagungen, Verbote und Strafen. Der Kampf zwischen innerem „Lustprinzip“ und dem „Realitätsprinzip“ der übermächtigen Umwelt ist ausgebrochen und endet bis zum Tod nicht mehr. Es ist dieser Konflikt, der den Menschen eigentlich erst zwingt, sich eine Psyche zu schaffen. Er erst erzeugt das Seelenleben.

Einen Zerreißpunkt erreicht der infantile Triebkonflikt in der „ödipalen Phase“ (nach dem zweiten Lebensjahr). Der wilde Widerstreit zwischen dem Verlangen nach der Mutter und dem eifersüchtigen Haß auf den Vater verursacht dem Knaben Furcht und Schuldgefühle (Mädchen erleben ein ähnliches Schicksal mit umgekehrtem Vorzeichen), die er nur durch eine Art innerer Kapitulation zu überwinden vermag. Er opfert seine unerfüllbaren Wünsche, anerkennt die väterliche Autorität und „identifiziert“ sich mit ihr - gegen sein eigenes „Es“.

So haben die Ödipus- Pressionen den moralfreien Wonnebalg zu einem Wesen mit Selbstbeherrschung und schlechtem Gewissen geformt: Er ist Mensch geworden; er hat sich einen „psychischen Apparat“" entwickelt - bestehend aus „Es“, „Ich“ und „Über-Ich“ -, mit dessen Hilfe er seine Triebe zu bändigen versucht.

Sein „Ich“ ist freilich nur eine bewußte „Rindenschicht“, die sich aus dem „Es“ gebildet hat. Das „Ich“ nimmt die Umwelt wahr, sucht die Selbsterhaltung zu sichern und Wege zum Glück auszukundschaften, die sich mit der Moral vereinbaren lassen. über dem „Ich“ nämlich thront im Freudschen Seelenmodell das „Über-Ich“: die unerbittliche Gerichtsinstanz der Seele. Sie entscheidet darüber, ob das „Ich“ dem „Es“ einen Wunsch erfüllen darf oder verweigern muß.

Das „Über-Ich“ repräsentiert den Kodex der Verzicht- und Pflichtforderungen, der religiös-sittlichen und sozialen Gebote, die dem Individuum vom Sauberkeitstraining an pausenlos durch Eltern, Lehrer, nationale Tradition und gesellschaftliche Wirklichkeit eingepflanzt worden sind - Nächstenliebe ebenso wie die Achtung vor dem Privateigentum.

Genau wie das „Es“ aber wirkt das unpersönliche „Über-Ich“ zum entscheidenden Teil unbewußt. Was vom bewußten „Ich“ stolz als „persönliches Gewissen“ empfunden wird, ist nur ein durch individuelle Erfahrungen abgewandelter und vom holden Schein der Willensfreiheit verklärter „Über-Ich“-Fortsatz. Freud sagte: „Der Mensch ist zugleich unmoralischer und moralischer, als er glaubt.“

Vor dem bleichen Hintergrund allgemeiner Lebensangst nun geht das dynamische Wechselspiel der drei „psychischen Instanzen“ in Szene. Grundregel: „Eine Handlung des Ichs ist dann korrekt, wenn sie gleichzeitig die Anforderung des Es, des Über-Ichs und der Realität erfüllt, also deren Ansprüche miteinander zu versöhnen weiß!“ Das ist der Idealfall, der niemals eintritt. Lediglich mit Hilfe ausgleichender „Mechanismen“, die den Konflikt mit dem Trieb ablenken, hemmen oder auch nur tarnen, vermag sich die Psyche auf schmalem Grat in Balance zu halten.

Ein typischer Mechanismus ist die ,,Projektion“ - ein Vorgang, der in der Volksweisheit etwa als die „Suche nach dem Sündenbock“ bezeichnet wird. Durch die „Projektion“ wird beispielsweise ein unstatthafter Eigen-Impuls verleugnet und anderen Menschen vorgeworfen (wie es beispielsweise ein Mann tut, der auf den Tisch haut und seine verschüchterte Frau anbrüllt: „Wer ist hier aufgeregt? Du bist aufgeregt, nicht ich!“).

Ein anderer „Mechanismus zur Bewältigung innerer Konflikte ist die „Reaktionsbildung“, die beispielsweise einen inneren Haßaffekt durch verkrampfte Liebenswürdigkeit zu neutralisieren sucht (zu beobachten bei zwanghaften Wohltätern und überbesorgten Müttern, die ihre Kinder in Wahrheit unbewußt ablehnen).

Ein weiterer „Mechanismus“: die „Rationalisierung“. Unter diesem Begriff versteht Freud das Bestreben, einen Triebwunsch durch herbeigeholte Vernunftgründe zu rechtfertigen - wie es etwa ein Mann macht, der seine Vorliebe für Brigitte-Bardot-Filme mit seinem Interesse an französischer Filmkunst zu motivieren sucht.

Die wichtigste und geheimnisvollste Rolle im Seelenleben aber spielt die „Sublimierung“, eine der provozierendsten Begriffsbildungen der Psychoanalyse. Sigmund Freud verstand darunter, daß der Trieb zu einem großen Teil von seinem eigentlichen Sexualziel abgelenkt und in verfeinerter, veredelter Form auf ein nichterotisches Objekt. auf ein nicht-erotisches Bestreben umgeleitet wird. Libido verwandelt sich durch Sublimierung in ethische. scheinbar übersinnliche Liebe, in familiäre Zärtlichkeit, in Liebe zu Wissenschaft und Kunst.

Im Reich der künstlerischen Phantasie oder in der Berufsarbeit sucht der Mensch eine vergeistigte Erfüllung seines ungestillten Glücksverlangens. Freilich verschafft solch edles Tun nur eine „Ersatzbefriedigung“, die im Vergleich zum vollen Sinnengenuß sehr verdünnt und „ermäßigt“ ist. Trotzdem schätzt die Mehrheit der Menschen die sogenannte Ersatzbefriedigung höher als die grobe Lust; denn das sublimierte Glück ist sicherer und beständiger, nicht von Verboten und Versagungen bedroht, sondern im Gegenteil eher mit Ruhm und Gewinn bedacht.

Indes, auch beim normalen Menschen stecken alle diese Mechanismen voller Fehlerquellen. Geringfügige Versager im psychischen Apparat führen zu „Fehlleistungen“, die man heute nach ihrem Entdecker als „Freudsche Fehlleistungen“ bezeichnet. Bei peinlichen Versprechern („. . . lassen Sie uns nun auf unseren hochverehrten Herrn Präsidenten aufstoßen“), beim Vergessen oder Verlieren unangenehmer Dinge und bei unvermittelter Tolpatschigkeit durchbricht ein Affekt die innere Abwehr und verrät die wahren Absichten des „Es“.

Aber auch die freiwillig heiteren Aspekte des Lebens deutete Freud trefflich aus dem Unbewußten. Witz und Ironie, erklärte er, seien eine Art beabsichtigter Fehlleistungen, und gelacht werde aus Freude über das Geschick, mit dem die Tabus des humorlosen „Über-Ich“ zugleich verletzt, überspielt und entwaffnet werden.

Wenn jedoch das Ich seine inneren Konflikte weder durch Humor noch durch schöpferische Arbeit oder andere konventionelle Übungen (zu denen Freud auch die Religion rechnete) auszugleichen vermag, entsteht eine Neurose. Die „Ich-Organisation“ beginnt sich aufzulösen, der Kontakt zur Umwelt wird gestört, Phantasie und Wirklichkeit verschwimmen ineinander, und gewöhnliche Projektionen etwa arten in Verfolgungswahn aus.

Die tiefste Ursache jeder Neurose sah Freud in unbewältigten Krisen der kindlichen Libido-Entwicklung. Das Unbewußte des Kranken ist auf infantile Formen der Lustsuche „fixiert“. So äußert sich beispielsweise eine „Fixierung“ ans Säuglingsstadium in einer Vielfalt von Symptomen - von Freßsucht bis zu hektischem Geborgenheits- und Liebesbedürfnis. Ein Ödipus-Komplex verzerrt das Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht zu romantischem Wahn oder panischer Frigidität.

Bei der psychoanalytischen Behandlung endlich springt der Arzt dem belagerten „Ich“ des Patienten bei. Er hilft ihm, die unbewußten Konflikte ins Bewußtsein zu holen und dadurch die Balance zwischen „Es“ und „Über-Ich“ zurückzugewinnen. Diesen Prozeß betrachtete Freud als eine Art „Nacherziehung“ der Gefühle, doch über die Heilungsaussichten war er skeptisch von Anfang an. Man könne höchstens erreichen, „das hysterische Elend (der Neurotiker) auf das allgemeine Unglück zurückzuschrauben“. Denn: „Die Absicht, daß der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten!“

Achselzuckend bekannte Sigmund Freud seinen „Mangel an religiöser Gläubigkeit“. Aber der Mann, den er am tiefsten verehrte, war einer der größten unter den Religionsstiftern: Moses. Unwiderstehlich zog es den Nervenarzt immer wieder nach Rom zur Moses-Statue des Michelangelo in der Kirche „San Pietro in Vincoli“.

Doch kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sah sich Freud gezwungen. die an Schopenhauers Vorstellungen erinnernde Hoffnung aufzugeben. die Begierden des „Es“ könnten sich durch die Gegenkraft der Vernunft und durch vergeistigende Sublimierung sozusagen selbst aufheben. Denn in den Träumen der Soldaten, denen im Trommelfeuer die Nerven versagten, wiederholte sich zwanghaft das erlebte Grauen. Und diesmal ließ sich der Alp nicht - wie bei den Friedensneurotikern - auf einen verdrängten Lustaffekt zurückführen.

Freud erkannte: Das Libido-Prinzip reichte nicht aus, den selbstquälerischen „Wiederholungs­zwang“ zu erklären. Bald war er überzeugt, endlich jenen anderen Urtrieb des Menschen gesichtet zu haben, dessen Vorhandensein er schon immer vage vermutet hatte. Der neue Instinkt freilich war weder dem kategorischen Imperativ verwandt noch war er sonstwie geeignet, verschreckte Gemüter zu erheben - er war so entmutigend, daß die Sexualtheorie daneben wie eine Tochter aus Elysium erschien. Freud nannte ihn: „Todestrieb“.

Er definierte ihn als einen „dem belebten Organischen innewohnenden Drang zur Wiederherstellung eines früheren Zustands“, unbelebter Materie nämlich.

 

Auch in dem neurotischen Streben zurück zur Kindheit und zur Mutter, meinte Freud in seinem Essay „Jenseits des Lustprinzips“ (1919), liege ein Verlangen nicht nach Lust, sondern nach Ruhe, nach endgültiger Erlösung von den friedlosen Reizspannungen und Konflikten, die das Leben ausmachen, nach Heimkehr in das „Nirwana“, das Nichts.

Entscheidend jedoch war nicht das unbeweisbar „innewohnende“ Endziel des Triebs (die Selbstauflösung), sondern die dämonische Gestalt, in der er das Leben bedroht, solange es währt: die Aggressions- und Destruktionswut. Sie entsteht nach Freuds verblüffender Darstellung dadurch, daß der libidinös-lebendige Organismus seinen Todestrieb im buchstäblichen Sinne um seiner Selbsterhaltung willen gegen die Umwelt ablenkt, „ähnlich wie ein Herrscher revolutionäre Kräfte im eigenen Staat gegen das Ausland ablenkt, indem er einen Krieg anzettelt“

 

Die Furcht vor Greisentum und Tod, von der Freud schon seit seinem 40. Lebensjahr verfolgt wurde, hatte sich längst zu einer Zwangsvorstellung verdichtet, die sich auf selbst-ironische Weise in der verstörenden Gewohnheit äußerte, Besucher mit den Worten zu verabschieden: „Leben Sie wohl; vielleicht sehen Sie mich niemals wieder!“ Die Bedenken auch seiner Schüler gegen den Todestrieb scherten ihn wenig. In einem Brief an Jones schrieb er: „Die Theorie des Todestriebs ist mir unentbehrlich geworden!“

Mittlerweile waren die turbulenten zwanziger Jahre ausgebrochen, die dem Sigmund Freud eine skandalöse Weltberühmtheit verschafften. In sinnverdrehender Ekstase wurde die Psychoanalyse von der internationalen Cafe-Clique über Nacht zum Manifest der Sexual-Emanzipation ausgerufen und zum ideologischen Überbau für steigende Rocksäume und fallende Hemmungen erhoben.

Mehr und mehr löste sich Freud in seinen späten Leidensjahren von der exakten Wissenschaft. Er schrieb: „Nach lebenslangem Umweg bin ich zur Philosophie gelangt“ - seiner eigentlichen „Sehnsucht“, die „ich mir immer als mein Ziel und meine Zuflucht im Alter vorgestellt habe“.

Sein Alterswerk war seine Kulturtheorie. Mit ihr und seinem Essay über das heute sprichwörtliche „Unbehagen in der Kultur“ sicherte sich Freud endgültig seinen Platz in der Ruhmeshalle der Geistesgeschichte. Diese Kulturthe­o­rie gewann ihm den grollenden Respekt auch jener Bildungsbürger, die sich mit seinen Ansichten über die Sexualität des Kleinkinds noch immer nicht abfinden können.

Von Anfang an war Freud überzeugt gewesen, daß die Seele des Menschen nicht durch einen Schöpfungsakt entstanden sei. Wie aber konnte die Entstehungsgeschichte des komplizierten „psychischen Apparats“, den sich der Mensch in seinen ersten Lebensjahren erwirbt, ausgesehen haben? Auf welche Weise hat sich die kulturelle Trieb-Eindämmung, die den Menschen erst zum Menschen (und den modernen Menschen zum neurotischen Wrack) macht, über die Jahrtausende hin samt Religion, Kunst und Gesellschaft herausgebildet? Und inwiefern bestimmt das Duell zwischen dem erotischen und dem aggressiv-destruktiven Urtrieb, der Zweikampf zwischen Eros und Thanatos, das menschliche Schicksal?

Bereits 1913, mit seinem Buch „Totem und Tabu“, hatte Freud einen Vorstoß ins Rätselreich dieser Fragen unternommen. Damals und später ging er von Darwins Annahme aus, daß die noch affenartigen Menschenahnen in familiären „Urhorden“ unter der Herrschaft zottiger Väter lebten, die sämtliche Frauen mit Beschlag belegten und ihre Söhne bei Strafe der Kastration von der höchsten Lust fernhielten.

 

Das erzwungene Zölibat, so folgerte nun Freud, verdroß die Jungen. Sie rotteten sich zusammen, erschlugen den Alten und verspeisten ihn: Am Beginn des Ödipus-Komplexes mußte ein wirklicher Vatermord gestanden haben. Die Söhne sozialisierten die Frauen (die eigenen Mütter und Schwestern). Doch sie wurden der Errungenschaften dieser ersten aller Revolutionen nicht froh.

Die Attentäter, die sich nun der freien Liebe ergaben, sahen sich nämlich bald in ein Chaos aus Trieb und weiblichen Ränken verstrickt. Geschlechterkrieg und Bruderzwist brachen aus. Und die ratlosen Söhne wurden von Reue gepackt: Einmal, weil sie den Hordenvater nicht nur gehaßt, sondern zugleich auch geliebt und bewundert hatten; zum anderen, weil sie schmerzlich erfuhren, daß nur die Diktatur des Alten eine Art Ordnung hatte schaffen können, ohne die es in feindlicher Umwelt kein Überleben gab. Im unlöslichen Widerspruch zwischen Lusterfüllung und Lebensnot gefangen, fanden sie sich bußfertig wieder zusammen und restaurierten die zerstörte Hordengemeinschaft zum „Brüderclan“.

Das Tabu auf die Frauen der eigenen Sippe, das der Alte noch mit egoistischer Gewalt durchgesetzt hatte, wurde von den Söhnen zum Inzest-Verbot umgewandelt, der erschlagene Urvater zum Gott erhoben - zunächst in Gestalt des heiligen Totem-Tieres, dessen strafende Zaubermacht darüber wachte, daß die ursprünglichen Sittengesetze eingehalten wurden. Stets von Rückfällen bedroht, bändigten die Söhne die Dämonen des Unbewußten. Sie unterwarfen das Lustprinzip samt dem „gefährlichen“ Weib der Herrschaft des vaterrechtlichen „Realitätsprinzips“. So wurde die Menschenseele aus Untat, Reue, Schuldgefühl und Triebverzicht geboren, so erwuchs Kultur aus der Vergöttlichung des Vaters und der „Verinnerlichung“ seines Ordnungswillens zum „Über-Ich“ und zum Gewissen der Menschensöhne.

Allerdings, der Lohn der Sündenangst blieb nicht aus und gewährte Zug um Zug reiche Entschädigung für jede neue Trieb-Beschränkung. Das Inzest-Tabu zwang die Männer, nur noch Frauen zu ehelichen, die nicht von der väterlichen Blutlinie abstammten. Und diese „Exogamie“ führte zur Bildung größerer, lebensfähigerer Gemeinschaften. Die Domestizierung des Eros in der Einehe machte Energien frei, die sich in nützliche Arbeit, geistige Leistung und generelle Verbesserung des Lebensstandards umsetzen ließen.

Gleichwohl droht sich das Endprodukt dieses Prozesses - die technische Zivilisation und der gutfunktionierende Maschinenmensch - ausweglos in den Konflikt mit den Urtrieben zu verstricken. Denn gerade dadurch, daß der Mensch sich die Erfüllung der Triebwünsche versagte und sich dem rationalen Leistungsprinzip unterwarf, ist er auf tragische Weise unfähig geworden, seinen Erfolg zu genießen: Versachlicht, abgestumpft von Verzichten, die längst zur zweitens wenn nicht ersten Natur geworden sind, schmachtet er im Überfluß seines klimaregulierten Neon-Eden nach ungewissem Glück.

Die gelockerte Sexualmoral der heutigen Generation macht nach Ansicht des Freud- Interpreten Herbert Marcuse die Theorie des alten Freud keineswegs ungültig. Im Gegenteil: Die moderne Sexualität sei ein Symptom für die emotionale Aushöhlung des Eros. Denn die industrielle Gesellschaft könne ihren Mitgliedern eben deshalb mehr erotische Freizügigkeit gestatten, weil sich die Leidenschaft von einst im organisierten Menschen zum garantiert harmlosen Freizeitvergnügen des Sex verflüchtigt habe, zu einem mit Kintopp-Geflunker, Reklamesprüchen und synthetischen Gefühlen aufgemöbelten Selbstbetrug.

Schlimmer noch: Die ganze Zivilisation, die sich solchermaßen von ihren ursprünglichen Antrieben und Zielen „entfremdet“, wird neurotisch; denn wie dem Neurotiker entgleitet ihr die innere Lebenswirklichkeit in der Hatz auf die fetischistischen Scheinerfüllungen einer Existenz aus zweiter Hand. Doch das Gefühl der Langeweile und der Sinnlosigkeit des Lebens. das zurückbleibt, ist nur ein Teil des „Unbehagens“, das Sigmund Freud beschrieb.

Wichtiger - weil gefährlicher - erschien Freud das Problem des anderen Urtriebs: der Aggression und Destruktion. Um ihn zu überwinden, meinte der Seelenforscher, sei das Gebot „Liebe deinen Nächsten“ erlassen worden. Doch es könne selbst der Heilige, der es zu befolgen vermag, dabei nicht glücklich werden, da sich auch jede unterlassene Feindseligkeit in eine „Quelle des Selbstvorwurfs“ verwandle - vergleichbar dem Verhalten des Kindes, das sich in ohnmächtiger Wut gegen seine Erzieher schließlich selbst ohrfeigt. Die gehemmte Aggression kehre sich gegen das eigene Ich.

Außer durch sein „Schuldgefühl“ aber sei der Kulturmensch vor allem dadurch gekennzeichnet, daß er seine aggressiven Impulse statt nur gegen sich und andere auch auf die Natur ablenke. „Gemäßigt und gebändigt... muß der Destruktionstrieb, auf die Objekte gerichtet, dem Ich die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse und die Herrschaft über die Natur verschaffen“, dozierte Freud über die dem Wesen nach zerstörerische „Vergewaltigung“ der Natur durch die Industriewelt. Damit näherte sich Freud der Vorstellung Goethes von der Kraft, die das Böse will, aber das Gute schafft.

Doch am Rande der Freudschen Überlegungen stand eine düstere Pointe: Der lebensbewahrende Eros, meinte Freud, sei durch seine kulturellen Sublimierungen und Verfremdungen so verdünnt und geschwächt worden, daß er „nicht mehr die Kraft“ habe, die in ungeheurem Ausmaß freigesetzten, potentiell destruktiven Energien „zu binden“, unter Kontrolle zu halten. Deswegen könne schließlich jederzeit der Aggressions- und Destruktionstrieb, der Ge­genspieler der Libido, in der nackten Gewalt seines Vernichtungsdrangs hervorbrechen und über das Leben selbst herfallen.

Indes, gerade das „psychologische Elend“, gerade die zermürbende Spannung zwischen Sonntagsschulmoral und den Strapazen einer aggressiven Wettbewerbsgesellschaft prädestinierte die Amerikaner für die Couch der Psychoanalyse. Heute gibt es allein in New York doppelt so viele praktizierende Psychoanalytiker wie in ganz England oder Deutschland. Während in Europa ein Mann, der sich analysieren läßt, mit seinem gesellschaftlichen Ruin flirtet, gilt die Konsultierung eines „Kopfschrumpfers“ in der Dollar-Bohème als Beweis unbezweifelbarer Arriviertheit. Und es gibt kaum einen Aspekt der amerikanischen Szenerie - von der sinnlichen Symbolik des Straßenkreuzers bis zur literarischen Lust an minderjährigen Nietenhosen-Nymphen vom Typ „Lolita“ -, den sich die Bewohner der Neuen Welt nicht durch Dr. Freud zu erklären ersuchen.

Die Analyse ist in Amerika „respektabel und legitim geworden“, berichtet Clarence P. Oberndorf stolz in seiner „Geschichte der Psychoanalyse in Amerika“. Doch diese „Legitimierung“ wird „mit dem Verrat an den revolutionären Ideen Freuds erkauft“, wie der deutsche Psychoanalytiker Mitscherlich erbittert einwendet. Zwar gibt es in Amerika nach wie vor eine kleine Analytiker-Elite, die nach den Worten Mitscherlichs „von Freuds Ideen so fasziniert ist wie die geistige Elite der Renaissance von den Erkenntnissen des Kopernikus“. Aber die Mehrheit der praktizierenden Seelenärzte hat die psychoanalytische Methode für Bedürfnisse des Massenmarkts modisch zurechtgestutzt.

Diese Mode-Analytiker haben die analytische Prozedur, die sich in Freuds Praxis bei einem Patienten oft über Jahre hinzog, radikal verkürzt, um dem gehetzten Geschäftsmann Schnellkurse zu günstigeren Preisen zu bieten. Sie haben die Suche nach den kindheitlichen Ursprüngen der Konflikte im Unterbewußten weitgehend aufgegeben und konzentrieren ihre Explorationen auf die „aktuelle“ Notlage des Patienten (Krach mit dem Boß, Zank mit der Ehefrau), die die Neurose auslöst, aber - nach Freud - nicht verursacht.

 

Hat der Patient sich erst einmal ausgeweint, gelingt es dem Analytiker meist sehr rasch, ihn davon zu überzeugen, daß er sich nun schon bedeutend besser fühle. Der Arzt rät dem Patienten, wie er die Symptome ausmerzen kann (Wechsel der Stellung, Scheidung oder Versöhnung), oder redet ihm zu, der rauhen Wirklichkeit etwas „Positives“ abzugewinnen, seine Ängste zu vergessen und, wenn irgend möglich, eine „religiöse Haltung anzunehmen“ (wie Neo-Freudianer Erich Fromm schrieb).

Fraglos müssen die Theologen den Philosophen Dr. Freud für den „schlimmsten Feind der Religion“ halten, als der er sich selbst bezeichnete. Denn er nannte die Religion einen „Massenwahn“, dem sich die Menschheit mit innerer Notwendigkeit ergebe, um eine „Erklärung für die Rätsel des Lebens“, „Trost für die Versagungen des Daseins“ und eine illusionäre Harmonie von Glück und Moral zu finden. Die „Technik“ der Religion, schrieb Freud, ,,besteht darin, den Wert des Lebens herabzudrücken und das Bild der realen Welt wahrhaft zu entstellen“.

Weil so die Religion selbst eine Art „Zwangsneurose“ sei, „gelingt es (ihr), vielen Menschen die individuelle Neurose zu ersparen“. Wenn aber (wie in diesem Jahrhundert) der herkömmliche Glaube seine Überzeugungskraft eingebüßt habe, seien die Individuen gezwungen, sich eine eigene Neurose zuzulegen, die wiederum ganz wie „eine Art Privat-Religion“ aussehe. Der gleiche Vorgang, auf die Masse übertragen, endet im Massenwahn der politischen Ideologien - oder im harmloseren, modernen Schwachsinn derer, die ihr Heil in der Rohkost oder im Glauben an die Venus-Menschen suchen.

Erbittert wehrt sich die Theologie gegen solchen „Psychologismus“ - also den Versuch, die religiösen Phänomene rein psychologisch zu interpretieren. Zugleich aber zeigt sich seit Freuds Tod eine immer deutlichere Annäherung zwischen den konkurrierenden Lagern: Priester und Psychotherapeuten versöhnen sich in der Erkenntnis, daß der Mensch eben einen Glauben brauche, um auch nur die notdürftigste Seelenruhe zu wahren.

„Nach der Allianz zwischen Priestern und Physikern, Theologen und Astronomen“, schreibt Philosoph Ludwig Marcuse, „erlebt man in diesen Jahren die lärmende Eintracht zwischen Gottesmännern und Psychologen. Tausend Beweise werden herbeigezerrt, das Gemeinsame zu feiern; das ist nicht schwer, weil Geistliche und Psychotherapeuten auf dasselbe hinauswollen: die Seelen in Ordnung bringen.“ Die Psychotherapeuten werden in der Praxis immer mehr zu Priestern, die Priester immer mehr zu Seelenheilern.

 

 

 

 

 

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