Nordhessen

 

Kassel

Der Schloßpark Wilhelmshöhe mutet heute als architektonisch und gartenkünstlerisch harmonische Einheit an, wenngleich er in seinen wesentlichen Strukturen und Elementen in einer Zeitspanne von nahezu 130 Jahren (von etwa 1700 bis 1830) entstanden ist. Die berühmten Wasserkünste des Parks wurden also in den Regierungszeiten von fünf Landgrafen gebaut: die barocken Karlsberg-Wasserkünste von etwa 1690 bis 1718, die große Fontäne Friedrichs II. vor Schloß Weißenstein ab 1760, die romantischen Wasserkünste des Wilhelmshöher Landschaftsgartens ah 1785 - und seit 1825 der „Neue Wasserfall“ unter Landgraf und Kurfürst Wilhelm II.  

Vorbereitende Arbeiten am so genannten „Alten Winterkasten“ („Kleiner Herkules“) begannen bereits 1696, aber erst die Bekanntschaft des Landgrafen Karl mit italienischen Gartenanlagen (auf einer Italienreise 1699-1700) führte 1701 zur Berufung des italienischen Architekten Giovanni Francesco Guerniero. Sein Plan war möglicherweise der grandioseste, der in jener Zeit bei der Verbindung von Architektur und Natur gewagt wurde: eine architektonische und ingenieurtechnische Ausnahmeleistung sondergleichen.

Ein völlig anderes Gesicht erhielt der Park unter Friedrich II. unter dem Einfluß englischer Ideen. Die formalen Gestaltungsprinzipien der französischen Gartenkunst wurden durch die neue landschaftliche Gartenkunst abgelöst. In diesem Prozeß sind die Gestaltungsphasen der Wasserkünste im Bergpark ein Spiegel der Entwicklungen in der Gartenkunst des 18. Jahrhunderts.

Wir erleben einen wirkungsmächtigen Paradigmenwechsel: Das kunstvolle strenge Reglement gewollter Gartenkünstlichkeit verbindet sich mit der unregelmäßigen, scheinbar ungeordneten Landschaft. „Die Bedeutung des Bergparks beruht neben seiner Hanglage darauf, daß sich unterschiedliche Stilstufen der Gartenkunst durchdringen“ (Jutta Korsmeier).

In Bezug auf das Wasser bedeutet dies, daß es zum einen in geometrische Formen gegossen und als fließende Substanz über Fontänen, Becken und Treppen herabstürzt, und daß es zum anderen im Landschaftsgarten als grundnatürliche Erscheinung integriert wird: als Bach und Fluß, als Teich und See, als Wasserfall und Quelle. Im Sinn der frühen Romantik entstehen so in einer idealisierten I.andschaft vielfach verschlungene Wege und zahlreiche Wasserbauten: der Aquädukt mit den unterhalb liegenden kleinen Kaskaden, der Steinhöfer Wasserfall,

der Höllenteich, der große Fontänenteich und der so genannte „Lac“ unterhalb des Schlosses. Und im 19. Jahrhundert noch der gigantische „Neue Wasserfall“.

Die buchstäblich alles in Bewegung versetzende Wassertechnik ist eine grandiose Leistung der Ingenieure des 18. Jahrhunderts. Und: Diese historische Apparatur funktioniert bis heute. Naturgemäß ging die Planung der ausgeklügelten Zusammenleitung des Wassers auf dem Hochplateau des Habichtswaldes allen künstlerischen Konzepten voraus. Diese Idee ermöglicht es, tatsächlich ohne Pumpen und hydraulische Zusatzvorrichtungen die Wassermassen in überwältigendem Maßstab sprudeln zu lassen. Sind die feuchten Künste erst einmal in Betrieb, sind sechs Mitarbeiter damit beschäftigt, Schieber und Schleusen zu öffnen und zu schließen. Das Schauspiel startet zunächst in den beiden Wassertheatern, um sich dann über die große Kaskade, die anderen Stationen speisend, talwärts zu wälzen. Auch wenn über den Bergpark verschiedene Sammelbecken verteilt sind, die zusätzliche Zuleitungen verschiedener Quellen haben, gibt es einen zusammenhängenden Ablauf des Wassers über alle Wasserkünste des Bergparks.

Das Wasser der zahlreichen Quellen des Habichtswalds im Westen Kassels wird zuvor in Becken und Speicherteichen, die hinter dem Oktogon im Park verteilt sind, gesammelt. Hinzu kommen die Grubenwässer der nicht mehr betriebenen Braunkohle-Bergwerke. Auch sie werden zusammengeleitet - genauso wie das Regenwasser und die Schneeschmelze im Frühjahr. Alle Wasservorkommen werden dann über Drainagegräben in das größte Sammelbecken geführt, dem Sichelbachteich. Bei 90 mal 70 Metern Größe und einer Tiefe von sieben Metern hat dieser Teich ein Fassungsvermögen von 40.000 Kubikmetern Wasser.

Der oberste Abschnitt der Bergparkanlage ist bekrönt von dem Oktogon, einem kolossalen, unbewohnbaren Riesenschloß, auf dessen pyramidenförmiger Spitze eine gewaltige Nachbildung des farnesischen Herkules emporragt. Aus dem Sichelbachteich nun führen zwei Verbindungen zu den Reservoirs hier am Oktogon, wobei eine als System kommunizierender Röhren unterirdisch verläuft, während die andere Ableitung, der Sichelbachstollen, den Bergkamm 200 Meter zum Oktogon hin durchquert.

Man kann sich unschwer vorstellen, daß es im Kasseler Bergpark immer wieder Bereiche gab und geben wird, die einer Baustelle gleichen. Beständig und regelmäßig fallen an der kunstvollen Anlage Reparaturen und notwendige Pflegearbeiten an. Keiner der Landgrafen hat zu seiner Zeit Mühe und Kosten gescheut, diese Gartenkostbarkeit zu erhalten. Auch haben sie bisweilen aus ernstzunehmendem Dilettantismus und kulturpolitischem Ehrgeiz den Garten mit weiteren schmückenden Elementen wie Parkarchitekturen, Skulpturen, Staffagen und weiteren Wasserkunststücken bereichert. Zum Glück war man sich auch frühzeitig der denkmalpflegerischen Aufgaben und Pflichten einer solchen Anlage bewußt. Deshalb ist der einzigartige Bergpark wohlbehalten und seine sensationelle Wassertechnik noch intakt.

 

 

Bad Hersfeld

Es begann so, wie es siebenhundert Jahre später auch endete: mit einem vernichtenden Feuer. Anfang des 11. Jahrhunderts brannte die Basilika der Abtei von Hersfeld bis auf die Grundmauern nieder. Sie stammte noch aus karolingischer Zeit, ging zurück auf die Kapelle einer Einsiedelei, die der Missionar Sturmius 736 gegründet hatte. Einige Jahre später erhob Lullus, ein in England geborener Weggefährte des heiligen Bonifatius und dessen Nachfolger als Erzbischof von Mainz, die Einsiedelei zu einem Benediktinerkloster und stellte es unter den Schutz Karls des Großen. Der stattete das Kloster mit allerhand Sonderrechten aus und nutzte es als Vorposten in seinen Feldzügen gegen die Sachsen. Schenkungen aus allen Teilen des Reiches mehrten die Macht und den Einfluß der Hersfelder Abtei. Die schnell wachsende Bedeutung des neuen Klosters machte es erforderlich, die alte Kapelle zu einer Basilika zu erweitern. 850 wurde sie vom Mainzer Erzbischof Rabanus Maurus eingeweiht.

Nach ihrer Zerstörung durch das Feuer begann 1038 der romanische Neubau, im Wesentlichen auf dem alten karolingischen Grundriß. Die Ausmaße des Neubaus waren, wie man auch heute noch gut erkennen kann, gewaltig: Die Länge vom Eingangstor im Westbau bis zum östlichen Ende der Krypta beträgt etwa 103 Meter. Das Langhaus, dessen durch Säulengänge abgetrennten Seitenschiffe verschwunden sind, ist 29 Meter breit, das Querschiff am unteren Ende vor Krypta und Altar sogar 55 Meter. Der Bogen, mit dem sich das Querschiff zum dahinterliegenden Chor öffnet, ist im Scheitelpunkt fast 23 Meter hoch. Dach und Glockenturm des Querschiffs sind zerstört, auch von den ursprünglich zwei Türmen des Westbaus steht heute nur noch einer. Dafür gibt es einen weiteren Turm außerhalb der Kirche: den Katharinenturm mir der ältesten Glocke Deutschlands, der 1038 gegossenen Lullusglocke

Der Chor, die Stätte des Hauptaltars, zu dem früher festliche Treppen hinaufführten, ist mit 27 Metern ungewöhnlich tief. Eine Apsis mit drei größeren Fenstern schließt ihn ab. In der darunterliegenden Krypta befanden sich die Grabstätten der Heiligen, denen die Kirche geweiht war, und wohl auch die von Lullus, dem Gründer der Abtei. Die Krypta ist praktisch eine Kirche im Kleinen. Auch hier gibt es ein Längsschiff das sich durch vier Säulen links und rechts in ein Mittelschiff und zwei Seitenschiffe teilte, ein Querschiff und einen kleinen Chor.

Nach der Fertigstellung der neuen Kirche begann die Blütezeit des Hersfelder Klosters. Im 13. Jahrhundert erhielt die Abtei vom Stauferkaiser Friedrich II. landeshoheitliche Rechte. Ihr Abt war damit Fürstabt und übte neben der geistlichen auch die weltliche Herrschaft über die Ländereien des Klosters aus. Doch mit dem Ende der Staufer nahm auch der Einfluß der Hersfelder Äbte ab. Um ihre Stellung zu sichern, schlossen sie, dem Beispiel der Stadt Hersfeld folgend, 1383 eher widerwillig ein Schutzbündnis mit den Landgrafen von Hessen. 1432 wurde es zu einem formellen Schutzvertrag erweitert. Damit gehörte die Fürstabtei Hersfeld nun sozusagen offiziell zur Landgrafschaft Hessen.

Das sollte sich noch als verhängnisvoll erweisen. Denn knapp einhundert Jahre später führte Landgraf Philipp der Großmütige die Reformation in Hessen ein. Für das katholische Kloster Hersfeld begannen damit schwierige Zeiten. Das zeigte sich schon im Bauernkrieg von 1525, als die gegen Leibeigenschaft und Feudalsystem protestierenden Bauern die Abtei plünderten. Landgraf Philipp kam den Hersfelder Mönchen zwar mit seinen Soldaten zu Hilfe, verleibte sich im Gegenzug aber große Teile ihres Landes ein. Für die durch diesen Aderlaß noch schwächer gewordene Abtei wurde es immer schwerer, ihre Existenz inmitten einer fast vollständig protestantischen Umgebung aufrechtzuerhalten. In den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg war die Situation derart grotesk, daß nur noch der Abt katholisch war - allerdings vom Papst nicht anerkannt wurde -, die wenigen noch verbliebenen Mönche aber dem protestantischen Glauben angehörten. Unmittelbar vor Beginn des Krieges 1618 fiel die Abtei dann an das Haus Hessen-Kassel. Nach dem Krieg wurde sie zu einem weltlichen Fürstentum und von Kaiser Ferdinand III. von Habsburg dem Haus Hessen-Kassel als Reichslehen zugesprochen. Die Landgrafen von Hessen-Kassel hatten seitdem als Grafen von Hersfeld Sitz und Stimme im Reichstag.

Und die Stiftskirche? Die war schon seit dem Bauernkrieg nur noch für evangelische Gottesdienste genutzt worden. Als dann während des Siebenjährigen Krieges (1756 bis 1763) französische Truppen Hessen-Kassel besetzten, nutzten sie die Kirche als Vorratslager. Bei ihrem Abzug aus Hersfeld 1761 steckten sie das Gebäude in Brand und machten es zur Ruine - fast genau siebenhundert Jahre nachdem die alte Klosterbasilika ein Raub der Flammen geworden war.

 

 

Knüll

Wer glaubt heute noch an Magie und Hexerei? Doch ei­gentlich keiner mehr. Außer vielleicht, man steht allein im Wald, umgeben von dichtem Nebel, und entdeckt vor seinen Wanderschuhen plötzlich einen riesigen Hexenring. Wenn dann noch ein Rascheln im Gebüsch zu hören ist, kann man sich schon erschrecken. So geschehen im Kisselbachtal südlich des Eisenbergs im vergangenen Herbst. Denn dort befinden sich gleich drei dieser Pilzkreise mit Durchmessern von vier bis sechs Metern. Mittlerweile hat die Wissenschaft geklärt, daß es sich bei den Pilzen eines Hexenringes nicht um übernatürliche Phänomene handelt, sondern lediglich um die Fruchtkör­per der unterirdisch miteinander verwobenen Pilze.

Auch sonst gibt es auf der Extratour rund um den Eisen­berg jede Menge Natur zu genießen. Ein Großteil des We­ges führt durch Buchenwald, der zum Beispiel am Ab­zweig nach Salzberg zwischen seinen silbergrauen Stäm­men feine Gräser stehen hat. Direkt danach geht es auf einem kleinen Pfad hinauf zu den ausgedehnten Wiesen­flächen auf der Eisenbergkuppe, die ein wenig „Alm­charakter” haben. Von hier aus hat man einen weiten Blick in das nördliche Knüllgebirge. Am Süd­hang des Eisenberges sind es wiederum Wiesenflächen, die Blicke in das weite Tal der Aula bieten, besonders reizvoll in Abwechslung mit ausgedehnten Buchenwaldab­schnitten. Wunderschön ist auch das abgelegene Kissel­bachtal, ideal geeignet für eine Picknick-Pause. Kurz vor Ende der Extratour wird es dann auch für an Archäologie Interessierte spannend: dort wo der Weg einen Abschnitt des Archäologischen Rundweges berührt, der unter an­derem auch zur Ruine der Holsteinkapelle führt.

Am Lochbachpfad kann sich jeder Wanderer als Wege­komponist ausprobieren. Nicht, daß dort die Extratour Lochbachpfad neu erfunden werden müßte. Die ist bereits hervorragend vom Deutschen Wanderinstitut ausgesucht, abgelaufen und mit dem Deutschen Wandersiegel zertifi­ziert worden. Aber dank der günstigen Verkehrsan­bindungen ist es möglich, diese fast wie ein Dreieck im Knüllgebirge gelegene Wandertour an jeder „Ecke” des Dreiecks zu starten. Hinzu kommt, daß jeder Schenkel des Dreiecks einen ganz eigenen Charakter besitzt. So kann man also testen, welche Wegedramaturgie einem am besten liegt. Will man zum Beispiel zuerst mit dem Höhe­punkt starten, dann muß man in die Lochbachklamm. Man darf sich darunter allerdings keine Klamm wie in den Alpen vorstellen, sondern ein ausgewaschenes Kerbtal, in dem der Lochbach zwischen kleinen Felsen hindurchfließt. Die Felsen selber sind übermoost und von Farn umstanden. Über dieses Kleinod der Natur hinweg führen den Wanderer zahlreiche kleine Holzbrücken und -stege. Da das Tal sehr dunkel ist, empfiehlt es sich besonders für Fotografen, nur zur Mittagszeit, wenn die Sonne am höchsten steht, in die Lochbachklamm zu steigen. Wun­derschön ist nach Durchquerung der Klamm ihr östlicher Ausgang, wo einem das Licht wieder entgegenflutet.

Wer sich diesen Höhepunkt der Wanderung bis zum Schluß aufbewahren will, kann von den beiden anderen Enden der Extratour in Richtung Norden wandern. In Wallenstein startend, beginnt man dann zum Beispiel mit einem verschlungenen, grasigen Pfad durch Fichten und später Kiefern. Die zweite Hälfte dieser Dreieckseite führt durch Buchenwald. So geht die Wanderung auch auf dem dritten Teilstück weiter, nur daß dort nach der Kankowski-Hütte zwischen den weit auseinander stehenden Buchen kniehohe Gräser wachsen. Nach kurzer Zeit wandert man darauf in eine offene Wiesenlandschaft hinaus mit weiter Sicht nach Nordosten - ein reizender Kontrast zur bevorstehenden dunklen Klamm! Egal, wo man seine Wande­rung auf dem Lochbachpfad beginnt, ein Erlebnis der Extraklasse bietet das Wanderdreieck in jedem Fall.

Wegcharakter: Neben den beiden großen, of­fenen Wiesenlandschaften am Nord- und Süd­hang des Eisenberges mit weiten Aussichten werden auch zwei kleinere Waldwiesen gekreuzt. Dazwischen geht es durch mehrere Hallenbuchen­wälder, die teilweise mit Totholz durchsetzt sind. Zwei pfadige Anstiege und das kleine Wiesental des Kisselbaches runden die interessante Wan­derung ab.

Eisenberg-Siegelweg: Südlich von Raboldshausen liegt die Krötenkuppe. Von dort nach Westen zum Eisenberg. Der Kisselbach liegt südöstlich. Nördlich liegt der Holsteinkopf, an dessen Westseite die Holsteinkapelle ist.

 

Beisetal (im Knüllwald südöstlich von Homberg an der Efze)

Das Tal der Beise hat heute noch zwölf Mühlen.

Es ist autofrei, kann aber mit dem Fahrrad befahren werden.

Bei Rengshausen liegt die Knottenmühle.

 

 

Diemelstadt-Orpethal: Die Rettung eines Hallentorhauses

Im Waldecker Land, im nördlichen Hessen, gibt es entlang des Flüßchens Diemel eine Hauslandschaft, die noch ganz von der niederdeutschen Baukultur geprägt ist. Mensch, Tier und Vorrat sind dabei unter einem Dach vereint. Für diese Lebensart hat das „Diemeltorhaus“ regional unterschiedliche Mischformen entwickelt, deren Charakteristika von der Hausforschung gründlich bearbeitet worden sind. Auch Michael Neumann hat sich damit befaßt und referiert: „Ob im Alten Land, in Lüchow Dannenberg, im Lipperland, in Mecklenburg oder im Diemelland - allen ist die große Diele gemeinsam, die den gesamten Hausbereich einnimmt. Die Diele teilt das Gebäude in einen rechten und einen linken Bereich und bietet ein überdachtes, zweigeschossiges Quartier, indem sowohl die Ernte eingefahren, das Vieh versorgt, das Korn gedroschen, als auch die Festtafel gedeckt werden kann.“

Heutzutage bereitet dieser Haustyp, den wir auch als „Niedersachsenhaus“ oder „Dielentorhaus“ kennen, durch seine Größe und seine riesigen Einfahrtstore erhebliche Probleme bei einer Nutzung, die dem ursprünglichen, bäuerlichen Betrieb entgegensteht. Das stattliche Anwesen in Diemelstadt-Orpethal, von dem hier die Rede ist, stand Jahrzehnte leer, in denen es auch keine Bauunterhaltung gab.

Im Jahre 1692 als Vierständerbau erbaut, wurde es glücklicherweise in seiner jahrhundertealten Existenz durch keinerlei bauliche Eingriffe unangemessen verändert oder gar verunstaltet. Es gehörte zum Komplex eines Hammerbetriebes, der seit dem 16. Jahrhundert an den Mühlengräben der Orpe Eisen verhüttet hatte. Von besonderem haugeschichtlichen Interesse   ist der vierfach vorkragende Hauptgiebel, an dem eine üppige florale Schnitzornamentik angebracht ist und aus dessen Balkenköpfen sehr ausdrucksstarke Fratzen, so genannte Neidköpfe, zur Abwehr der bösen Geister herausgearbeitet worden sind.           

Bereits 1988 wurden vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen eine Baubestandsaufnahme und ein Sanierungskonzept initiiert und finanziert, die die Befürchtungen bestätigten, daß eine standsichere Nutzbarkeit dieses heruntergekommenen Gebäudes im höchsten Grade arbeits- und finanzaufwendig sein würde. Starke Verformungen hatten sich ergeben, insbesondere durch das Abfaulen der Schwellen am Mühlengraben und das willkürliche und ahnungslose Heraussägen von Deckenbalken. Der endgültige Zusammenbruch des künstlerisch wohl wertvollsten Vierständerhauses der Region konnte letztlich einige Jahre später nur durch die überaus hilfreiche Gründung des „Fördervereins Pickardshammer Orpethal“ verhindert werden. Gewiß nicht wenig folgenreich war auch die Anschubfinanzierung der Bausanierung durch die Landesbehörde.    

Die erfolgreiche Rettungsaktion begann damit, daß der Förderkreis Eigentümer der Liegenschaft wurde und zügig mit den Sanierungsarbeiten begann. Die ersten vorzeigbaren Ergebnisse waren die Zimmermannsarbeiten nach traditionellen Handwerksmethoden: Die morschen Balken und solche, die im Laufe der Jahrhunderte herausgesägt worden waren, wurden durch gut abgelagertes Eichenholz ersetzt. Viele der Holzverbindungen und Fußpunkte, so berichtete Neumann, waren so faul, daß sie sich wie Zwieback brechen ließen. Auch das Fachwerkgefüge des Hauptgiebels war, wie sich nach genaueren Untersuchungen herausstellte, in den Eckzonen bei weitem stärker vermodert, als vemutet, so daß nur noch eine zimmermannsgerechte Rekonstruktion helfen konnte. Anschließend folgten die Wiederherstellung der Stakung und die Lehmausfachung in der ursprünglichen Handwerkstradition. Dabei erfordert schon die richtige Lehmmischung meisterliches Wissen, auch die Gefachausmauerung mit Lehmsteinen und die partielle Reparatur der alten Lehmstakung.

Der „Förderkreis Pickhardshammer e.V.“ machte sein Projekt mit Fleiß populär und fand so viele Bewunderer, daß die Akquisition von Spenden- und Fördergeldern zügig gelang. Das Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft stieg ein, die Sparkassenstiftung Waldeck-Frankenberg half mit, das Arbeitsamt Korbach setzte das Unternehmen mit Beiträgen zu den Lohnkosten und viele andere Spender halfen mit.

Als die Standsicherheit des Hallentorhauses wieder hergestellt und die Außenschale geschlossen war und auch die rekonstruierten Fenster frisch poliert glänzten, legte der Förderkreis ein Nutzungskonzept vor. Neben der Aufgabe, das hochkarätige Baudenkmal zu erhalten, gab es weitere Ziele: im Pickhardshammer ein Dokumentationszentrum der Hämmer und Mühlen („Kraft durch Wasser“) zu schaffen, soziokulturelle Initiativen im ländlichen Raum aufzubauen und diese mit geeigneten Räumlichkeiten im Baudenkmal zu fördern. Das alles ist aufs Schönste gelungen.

Während der laufenden Sanierungsarbeiten tauchte zur Überraschung aller ein Besucher aus den Niederlanden auf: Hans Pickhard aus Udenhout. Der Niederländer ist nicht nur ein Nachfahre jenes Curdt Pickhard, der 1591 auf dem Pickhardshammer arbeitete, sondern auch Ahnenforscher. Gerade die Kirchenbücher der Gemeinden Rhoden und Orpethal gaben ihm Auskunft über seine Vorfahren: Die Pickhards bewohnten die Schmiedehämmer an der Orpe und auch der Ottenshammer, der etwa 500 Meter entfernt lag, gehörte der Familie. Bis

1789 wohnten und arbeiteten hier drei Familien an zwei Feuern. Im Jahre 1852 wurden diese beiden Hämmer mit dem Rothshammer, dem Biggenhammer und dem Zeinhammer zur Gemeinde Orpethal vereinigt. Das den Nachfahren der Pickhards gehörende Eigentum ging bereits Anfang des 19. Jahrhunderts an einen in der Diemel- und Orpegegend sehr begüterten Mann, den Bergrat Sude, über.

 

 

Ederbergland

Im oberen Edertal kann man imposante Mäanderschleifen, Flußterrassen und beeindruckende Ausblicke im Grenzbereich zwischen Schiefergebirge und Hessischer Senke erwandern.

 

Willingen / Upland:

Im Besucherbergwerk der Grube Christine erlebt man die Gewinnung und Verarbeitung von Millionen Jahre alten Schieferplatten. Ökologische Grenzregionen mit besonderer Vegetation und Nutzung findet man auf dem „Ettelsberg“ (Aussichtsturm) und dem „Kahle Pön“ (Lehrweg). Der Uplandsteig ist ein Qualitätswanderweg auf dem Dach des Geoparks.

 

Diemelsee - Adorf und Naturpark Diemelsee

Im Besucherbergwerk der Grube Christiane erlebt man den historischen Eisenerzbergbau der Region. Hier ist der Ausgangspunkt des Eisensteinwegs.

Die Martenberg-Klippe ist ein markanter Felsaufschluß, weltweite Typlokalität für die stratigraphische Gliederung des Erdzeitalters Devon (Grenzen der Adorf-Stufe!).

Der Diemelsteig ist ein Wander-Erlebnis im Naturpark Diemelsee.

 

 

Korbach

An der Schnittstelle zweier bedeutender Handelsstraßen liegt Korbach, heute die Kreisstadt des Waldecker Landes und die größte Stadt im Waldecker Land. Sie war die einzige Hansestadt in Hessen - gehörte im späten Mittelalter also zum Bund der meist reichen Handelsstädte, die sich zur Hanse zusammengeschlossen hatten. Die Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern erzählt von der früheren Blüte der Stadt. Eine stolze alte Bürgerstadt, deren große Zeit das Mittelalter war. Man hat die alte Pracht wieder herausgeputzt und die gesamte Altstadt aufwendig restauriert.

Korbach hatte städtische Gerichtsbarkeit, das Markt- und das Münzrecht. Einst wollten die Grafen von Waldeck in Korbach ein neues Schloß erbauen. Doch die Korbacher, die um den Verlust ihrer städtischen Rechte fürchteten, verkauften ihnen keinen Quadratmeter Boden – und blieben Bürger einer freien Stadt.

Korbach, die Kreisstadt des Landkreises Waldeck-Frankenberg, ist nicht nur eine beliebte Einkaufsstadt. Eindrucksvoll ist der mittelalterliche Stadtkern mit seinen beiden gotischen Kirchen und der großenteils erhaltenen doppelten Stadtmauer.

Korbach ist geprägt von der Silhouette der gotischen Pfarrkirche St. Kilian, deren mächtiger Turm vom Selbstbewußtsein und vom einstigen Reichtum ihrer Bewohner zeugt. Das Südportal ist mit zahlreichen Figuren an den Gewänden geschmückt. Wie im gesamten Waldecker Land siegte auch in Korbach die Reformation sehr frühzeitig. Die Pfarrkirche wurde bereits 1544 protestantisch (täglich außer Montag ab 10 Uhr geöffnet).

Beschützt von den beiden mächtigen Türmen der gotischen Hallenkirchen gibt es in der gut erhaltenen Korbacher Altstadt viel zu erleben und zu genießen. Mittelalterliche Befestigungsanlagen, steinerne Lagerhäuser, gut erhaltenes Fachwerk (Deutsche Fachwerkstraße) und das bereits 1377 erbaute Rathaus mit Rolandsfigur sind Zeugen von Tradition, Macht und Reichtum.

Architektonisch zählt das preisgekrönte Wolfgang-Bonhage-Museum zu einem der spannendsten Kapitel der hessischen Museumslandschaft. Exponate zur Stadtgeschichte, zur weltweit einzigartigen Fossilienfundstelle „Korbacher Spalte“ und zum historischen Goldbergbau laden zu Expeditionen in die nahe oder ferne Vergangenheit ein.

Den Spuren der Goldsucher folgt man am Eisenberg, Deutschlands reichster Goldlagerstätte. Goldlehrpfad, Besucherbergwerk, Aussichtsturm und Burgruine laden zu Entdeckungen ein. Direkt vor den Toren Korbachs liegt eine der heute weltweit bedeuteten Fossilienfundstätten von Landwirbeltieren aus der Permzeit. Die Korbacher Spalte führt in eine Zeit vor rund 250 Millionen Jahren, als die ältesten Vorfahren der Säugetiere noch die Erde bevölkerten. Fundstücke sind ebenso im Korbacher Museum zu sehen wie lebensgroße Modelle von Procynosuchus und seinen Verwandten.

Wer sich lieber mit den Attraktivitäten der Moderne beschäftigt, findet für seine Freizeitaktivitäten reichlich Wahlmöglichkeiten - vom Schwimmen und Reiten über Angeln, Wandern, Tennis, Golfen bis hin zum Skateboarden wird alles geboten. Auch einem gemütlichen Shopping-Tag in der verkehrsberuhigten Innenstadt steht nichts im Wege (Bild 10).

 

Wenn man von Osten kommt (Heerstraße) folgt man dem Schild „Parkdeck“. Von dort geht man Richtung Süden und kommt dabei schon an folgenden Sehenswürdigkeiten vorbei (Nummern nach dem Korbacher Rundgang):

 

(26) Ehemaligers Gymnasium, Alte Landesschule:

Im ehemaligen Franziskanerkloster wurde 1579 das waldecksche Landesgymnasium eingerichtet. Auf den Grundmauern der Klosterkirche ist 1773 der heutige Bau errichtet worden. Im Jahre 1885 wurde Aula-Flügel angebaut, 1929 die Turnhalle, 1955-57 entstanden die Erweiterungsbauten. Dann erfolgte 1971 ein Neubau des Gymnasiums. Seitdem befinden sich hier die Volkshochschule und eine Berufsschule (Bild 11).

 

(18) Bunsen-Haus:

Inschrift „In diesem Haus verlebte Christian Carl Josias Bunsen seine Jugendjahre bis zum Abgang auf die Universität“ (Bild 12-13).

 

(1) Rathaus:

Nach der 1377 erfolgten Vereinigung von Alt- und Neustadt wurde auf der Grenze beider Städte ein neues gemeinsames Rathaus mit zwei Eingängen errichtet. Die Mauer zwischen beiden Städten wurde erst 1593 abgebrochen. Der Stadtbrand von 1664 zerstörte den Treppengiebel der Nordseite. Der Arkadengang und der Turm stammen von dem 1930 erfolgten Umbau, die Rolandstatue wurde 1936 aufgestellt. Das alte Rathaus erhielt 1972 einen Erweiterungsbau (Bild 14-16).

Synagoge und jüdische Schule (in der Straße „Im Tempel“):

Im Jahre 1895 errichtete die jüdische Gemeinde Korbach auf diesem Grundstück, auf dem sich jetzt der städtische Kindergarten „Im Tempel“ befindet, eine Synagoge. Daneben bestand schon seit 1893 eine jüdische Schule. Als die Verfolgung der Juden während der national- sozialistischen Gewaltherrschaft im November 1938 zu der Zerstörung jüdischer Gotteshäuser im ganzen Reichsgebiet führte, wurde am Morgen des 10. November 1938 auch die Korbacher Synagoge niedergebrannt. Seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Korbach.

Inschrift: „Die jüdische Gemeinde in Korbach hatte an dieser Stelle „Tempel 5“ jahrzehntelang den Mittelpunkt ihres religiösen und kulturellen Lebens. Im Jahre 1770 schlossen sich Korbacher Juden zu einer Gemeinde zusammen. Im Jahre 1892 erwarb die Gemeinde dieses Grundstück, richtete eine Schule ein und weihte am 24./25. Mai 1895 die im Vertrauen auf Gott und den Schutz der „Obrigkeit“ erbaute Synagoge. Am Vorabend der Reichspogromnacht 1938 brannten nationalsozialistische Bürger Synagoge und Schule nieder. Der Terror gegen die Juden kannte nun keine Grenzen mehr. In den Jahren 1933 bis 1942 wurden alle jüdischen Mitbürger aus Korbach vertrieben oder deportiert. Viele von ihnen wurden in Vernichtungslagern ermordet. Zur Erinnerung an unsere entrechteten, gedemütigten und ermordet jüdischen Mitbürger, zur Schärfung unserer Gewissen, als Mahnung zur Toleranz und Menschlichkeit wurde diese Tafel aufgestellt, Kreisstadt Korbach, 1996“.

 

Tränketor (Tränkestraße):

Es war eines der fünf Doppeltore - benannt nach den nahen Tränketeichen - und wurde 1831 abgebrochen. In der Nähe lagen ein Verbindungstor zur Neustadt und das Hospital mit Kapelle. Durch das Tor führten die Heerstraße und die Straße nach Leipzig (Bild 17)

 

(2) Hartwigsches Haus:

Das Haus hat ein prächtiges Barockportal, vorwiegend in grünen Farben (Bild 18-19).

 

 (3) Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach:

Geschichte anschaulich erlebbar zu machen, dies hat sich das Wolfgang- Bonhage-Museum Korbach zum Ziel gesetzt. Nicht nur die Besucherzahlen und die Einträge im Besucherbuch, auch die Auszeichnung mit dem Museumspreis der Sparkassenkulturstiftung Hessen-Thü­ringen zeigen, daß die lebendige Vermittlung der Geschichte im Korbacher Museum bei großen und kleinen Besuchern Erfolg hat.

Das Museum liegt im Zentrum der alten Hansestadt Korbach zwischen gotischer Kilianskirche und mittelalterlichem Marktplatz. Das architektonisch einzigartige Gebäude, das immer wieder Architekten aus aller Welt nach Korbach lockt, verbindet in einer gläsernen Halle verschiedene Häuser aus ganz unterschiedlichen Zeiten: ein gotisches Steinhaus, historische Fachwerkbauten und moderne, lichtdurchflutete Architekturkabinette. Die Ausstellungen laden ein zu einer spannenden Entdeckungstour durch die 1000jährige Geschichte der Stadt: vom Mittelalter, von dem nicht nur die Ausgrabungsfunde von der Burg Eisenberg berichten, bis zur modernen Industriegeschichte und Gegenwart.

Für den Besucher gibt es aber nicht nur Exponate zum Anschauen und Texte zum Lesen. In vielen Räumen lädt die Ausstellung zum Ausprobieren, zum Zuhören oder zum Experimentieren ein. Mit einer alten Tafelwaage läßt sich ausprobieren, was im Mittelalter Getreide und Butter kosteten und wie teuer Wachs war. Die Figur des Korbacher Lehrers Carl Curtze führt durch die stadtgeschichtliche Ausstellung: Wie sah das Leben in der Ackerbürgerstadt Korbach vor 160 Jahren aus? Wie veränderte sich im Laufe der Zeit die Arbeit in Handwerk und Landwirtschaft?

 

Ein Höhepunkt des Museumsrundgangs sind die 250 Millionen Jahre alten Fossilien aus der „Korbacher Spalte“, einer weltweit einzigartigen Fundstätte, deren Bedeutung von Fachleuten mit der der Grube Messel verglichen wird. Ähnliche Funde waren bisher nur aus Südafrika bekannt. Im besonderen Blickpunkt ist ein großes Permzeit-Diorama, das lebensgroße Nachbildungen von Procynosuchus, Scymnognathus und Dicynodontiern zeigt, den Vorfahren der Saurier und der Säugetiere. Sie lebten in einer spärlich bewachsenen Salzwüste am Ufer eines austrocknenden Meeres.

Auch die Bergbauabteilung des Museums findet bei den Besuchern immer wieder großen Zuspruch, zeigt sie doch auf spannende und anschauliche Weise die Gewinnung von Gold im Eisenberg und in den Gewässern der Umgebung. Bereits seit dem 13. Jahrhundert ist der Abbau der Goldlagerstätte am Eisenberg historisch belegt. Stufen mit sichtbarem Gold aus dem Eisenberg, kleine Nuggets sowie der einzige Goldbarren aus Eisenberger Gold sowie Goldmünzen und Goldflitter aus der Eder bilden die Glanzlichter dieser Abteilung. Sie vermitteln die Anziehungskraft, die von dem gelben Edelmetall bis heute ausgeht, sie zeugen aber auch von den Mühen und Rückschlägen, die mit dem Bergbau am Eisenberg und der Flußgoldgewinnung verbunden waren.

Die kleine Stadt Korbach hat sich in ökonomisch schwierigen Zeiten ein neues Museum für mehr als 5,5 Millionen Euro geleistet. Das alte Museum war zu klein geworden. Die Korbacher haben sich dafür den Entwurf des Kasseler Architekten Bertold H. Penkhues ausgesucht, der ein architektonisches Puzzle versucht hat zwischen gestern und heute, zwischen Tradition und Moderne, eine ganz moderne Architektur. Es hat viel Aufregung um das Konzept gegeben. Ganz unkonventionell paßt es sich den historischen Gebäudestrukturen an. Es ahmt nicht nach, aber wahrt die Proportionen.

Ein Haus voller Überraschungen. Alte Außenmauern werden zu Innenwänden. Überhaupt scheint Außen und Innen austauschbar. Fachwerk und Lehm treffen auf Glas und Beton. Längst haben sich die Korbacher an den gewagten Neubau gewöhnt und auch als Museum hat sich das Gebäude bewährt. Das Haus hat genügend aufregende Räume, um die Geschichte der Region um Korbach bis in die prähistorische Vorzeit darzustellen mit allerlei rekonstruierten Echsen und Sauriern. Das Museum verfügt über eine Fläche von über 2.000 Quadratmetern. Es bietet viel Raum für Exponate zur Geschichte der Stadt und der Region, zu Archäologie, Kunst und Sozialgeschichte, aber auch zu Themen der Gegenwart.

Im Korbacher Heimatmuseum wird ein in Europa nur bei Korbach gefundenes Tier gezeigt, das hier liebevoll „Corbi“ genannt wird und manche an einen Dackel erinnert. Es stammt aus der „Korbacher Spalte“, eine weltberühmte Fossilienfundstelle mit über 250 Millionen Jahre alten Überresten säugetierähnlicher Reptilien, Startpunkt des Zechsteinpfads.

Die unterschiedlichsten Stationen der Waldeckschen Geschichte - im Korbacher Museum kann man sie konzentriert erleben. „Deutsche kauft nicht bei Juden“ hieß es auch in Korbach schon 1933. Das Museum dokumentiert anschaulich Wandel und Entwicklung einer kleinen Region, die doch beispielhaft ist für die deutsche Geschichte und Kulturgeschichte. Die „Corbachia“, eine erste Waschmaschine, die ein Erfinder im 19. Jahrhundert auf den Markt brachte, setzte sich nicht durch. Ein voller Erfolg dagegen war die erste Tageszeitung für Korbach 1887.

Kontakt und Information: Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach, Kirchplatz 2, 34497 Korbach, Telefon 05631 53 289. Öffnungszeiten: ganzjährig Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen: 11.00 Uhr - 16.30 Uhr sowie nach Anmeldung für Schulklassen und Gruppen auch außerhalb der Öffnungszeiten. Eintrittspreise: Erwachsene 2 €, Jugendliche bis 18 Jahre 1 €, Ermäßigungsberechtigte 1 €, Kinder unter 6 Jahren frei, Schulklassen 0,30 €, Gruppen ab 10 Personen 1,50 €. www.museum-korbach.de (Bild 20).

 

4(4) St. Kilianskirche, Pfarrkirche der Altstadt:

Die Kirche wurde 1335 bis 1450 als gotische Hallenkirche auf der Stelle einer romanischen Kirche errichtet. Ein Brand zerstörte 1685 den spitzen Turmhelm und die Querdächer. Beachtenswert sind das Figurenportal und die Wasserspeierfiguren, im Innern das Altarbild (1527), das Sakramentshäuschen, die Schlußsteine und andere Kunstwerke. Die ehemalige Marienkapelle wurde 1960 zur Gedenkstätte für die Opfer des Krieges ausgestaltet (Bild 21-24).

 

(5) Mönchehof (östlich der Kirche):

 

(6) Marktplatz mit Pranger und Halseisen:

Der Pranger wird in Korbach auch „Kaak“ genannt. Auf ihm wurden Straftäter zur Schau gestellt. Er wurde 1962 wieder aufgestellt und zum Teil ergänzt. Ein ähnlicher Pranger steht noch in Ober-Marsberg. 

Die „Waage“ und die Schandsteine (westlich der Kirche?): Das heutige Gasthaus „Zur Waage“ steht auf den Grundmauern des einstigen Rathauses der Altstadt. Das Gebäude diente später als Weinhaus, Zeughaus, Stadtgericht, Eichamt und Wache. Der heutige Bau wurde 1730 errichtet. Am Sockel befinden sich die sogenannten „Schandsteine“: Wer üble Nachreden verbreitete, wurde verurteilt, diese Steine durch die Stadt zu tragen. An dem Pranger wurden andere Straftäter angekettet und zur Schau gestellt (Bild 26-28).

 

(7) Patrizierhaus:

 

(8) Spukhaus: (Bild 29)

Das Haus wurde um 1300 als feuersicheres Lagerhaus errichtet: Auch unter dem Dach liegt eine dicke Steinauflage, eiserne Läden sicherten die kleinen Fensterluken. Reiche Kaufleute speicherten hier ihre Waren. In der Hansestadt Korbach gibt es noch vier gotische Lagerhäuser. Seit 1984 befindet sich in diesem Haus der Kostümfundus der „Freilichtbühne“.

 

(9) Diemelsächsisches Bauernhaus:

Das 1732 erbaute Haus ist das letzte seiner Art im Umkreis Korbachs. Es vereinigte Wohnräume, Ställe und Scheune unter einem Dach. Auf der großen Deele wurde gedroschen, und das Vieh konnte von hier aus versorgt werden. Eine Treppe führt zu einer Galerie und den Räumen im Obergeschoß. Dieser Haustyp war nördlich der Eder weit verbreitet, wurde dann aber durch modernere Hofanlagen ersetzt (Bild 30).

 

Hospital: Es wurde 1349 von Ritter Heinrich von Megedeveld gestiftet, lag einst am Tränketor und wurde 1866 hierher verlegt. Es wurde 1874 durch einen Krankenhausbau erweitert und war bis 1984 städtisches Altersheim, jetzt ist es Jugendherberge.

 

(10) Enser Tor:

Der Einlaß für die Straße von Frankfurt ist der letzte Rest eines der fünf Doppeltore. Um 1700 wurde das Tor umgestaltet. Der Wappenstein trägt die Jahreszahl 1414. Im Jahr 1858 erfolgte der Abbruch des Doppeltores bis auf diesen Rest. Unter der Linde vor dem Tor tagte einst das Freigericht (Bild 31).

 

(11) Gotisches Lagerhaus:

Korbachs größtes Steinhaus dieser Art diente als Wohn- und Lagerhaus. Haus und Kamin an der Giebelfront wurden um 1330 erbaut. Über dem Kellergeschoß befanden sich zwei Wohnetagen und drei Lagergeschosse. Von 1927 bis 1955 diente das Steinhaus als Jugendherberge. In den Jahren 2003 bis 2005 erfolgte die Sanierung durch die Stadt Korbach und die Schützengilde. Seit 2005 ist es das Gildehaus der Schützengilde 1377 Korbach (Bild 32).

(12) Stadtbefestigung im Schießhagen:

(13) Freilichtbühne:

(14) Totenhagen und Tylenturm:

(15) Barockes Wohnhaus:

(16) Feldhühnerchenkump

(17) Roter Turm

 

Gasthaus zur Krone (Lengfelder Straße?):

Nach dem großen Stadtbrand von 1664 von der Witwe des Pfarrers Ditmar Scriba 1671           erbaut. Seit 1763 ist in dem Haus eine Gaststätte, die sich seit 1847 im Besitz der Familie Schumacher befindet (Bild 33).

 

 (21) Stadtbücherei:

Das größte Fachwerkgebäude Korbachs wurde nach dem Stadtbrand von 1664 durch den

Kanzler Johannes Vietor errichtet. Es war von 1746 bis 1859 im Besitz der Familie Wigand.

Lois Lebach verkaufe es 1928 der Stadt Korbach, der es als Schule diente. Nach grundlegender Sanierung beherbergt es seit 1987 die

Stadtbücherei,

 

(20) Obermarkt:

 

 (19) St. Nikolaikirche, Pfarrkirche der Neustadt 4:

In den Jahren 1359-1460 wurde sie als gotische Hallenkirche erbaut. Im Jahre 1725 wurde der baufällige Turmumgang abgenommen. Das Altarbild ist von dem Korbacher Franziskanermalers von 1518. Es gibt Reste ehemaliger Wandmalereien. Seit 1640 war die Kirche Grablege der Grafen der Eisenberger Linie. Das Barockdenkmal für den Fürsten Georg Friedrich (gestorben 1692) wurde geschaffen von Heinrich Papen (Bild 36-37).

 

Prof Dr. Hermann Kümmel-Straße:

Als Sohn des Apothekers Friedrich Hugo Kümmell wurde er 1852 in der Hirsch-Apotheke

(diese wurde 1746 von Apotheker Johann Adolf Schmidt erbaut) geboren. Er wurde in Hamburg ein berühmter Chirurg und wagte 1889 als erster eine Blinddarmoperation. Die Stadt ernannte ihn 1920 zum Ehrenbürger. Nach ihm wurde die ehemalige „Landstraße“ benannt.

 

(22) Berndorfer Torplatz

(24) Nachtwächter

(25) Klosterhof:

 

 

Korbacher Spalte:

Aus der St5adt fährt man auf der B 252 nach Süden einen Kilometer südlich liegt in einem Steinbruch die Korbacher Spalte. Wegen des errichteten festen Schutzdaches über der Fundstätte ist sie von der Straße aus erkennbar.

Im Gegensatz zum Messeler Sediment, in dem Pflanzen- und Tierreste überwiegend vollständig erhalten sind, nennt man die Korbacher Fossiliensammlung ein Konzentrat sortierter und stark fragmentierter Überreste. Das heißt: In der Korbacher Spalte finden sich vor allem kleine bis kleinste, dafür aber sehr zahlreiche Knochenfragmente.

In dem aufgelassenen Steinbruchareal fällt dem Besucher sofort eine vertikale Erdspalte auf, die innerhalb der Karbonatgesteine der Zechsteinzeit des Oberperms liegt. Das Perm ist das jüngste System des Paläozoikums, dessen Beginn vor 280 Millionen Jahren festgelegt wurde und vor 225 Millionen Jahren endete.

Der hier einsehbare Bereich gehört dem geologischen Strukturraum der Waldecker Scholle an, die seit dem späten Erdmittelalter um bis zu 200 Meter gegen den Ostrand des Rheinischen Schiefergebirges und den Kellerwald abgesunken ist. (Th. Keller)

Diese Erdspalte wurde schon früh als Erdbebenspalte gedeutet: Gesteinsbänke heben sich aneinander, wobei sich zwei Schollen unterschiedlich stark neigten. In Folge eines tektonischen Prozesses knickte dabei die südliche Scholle deutlich stärker ab. Durch diese Neigung entstand ein Hohlraum, der wegen des stetig einströmenden Wassers immer größer wurde. Gerade bei unwetterartigen Regengüssen wurden in den Hohlraum lockeres Gestein, aber auch zerfallene und verwitterte Skelettteile von Sauriern gespült, die nach und nach die Erdspalte füllten.

Keller erklärt: „In der Paläontologie bilden derartige Hohlräume einen eigenen Fundstellentyp. Über schmale, meist verborgen liegende Zugänge können in solche Spalten weitere Gewässer eindringen, die Staub und organische Partikel mit in die Tiefe führen. Werden die oberflächlichen Zugänge nach der Auffüllung der Spalte durch neue Ablagerungen plombiert, ist damit zerstörender Erosion ein Riegel vorgeschoben, die Erhaltung über geologische Zeiträume möglich.“

Die Fossilienfunde der Korbacher Spalte sorgten 1988 für Aufsehen, denn in Mitteleuropa hatte man bislang keine Knochen von Reptilien gefunden. Ausschließlich aus Südafrika und Sambia waren der Wissenschaft solche Wesen bekannt. Die Stammformen dieser säugetierähnlichen Gattungen entstanden aus amphibischen Vorfahren, die sich durch Jahrmillionen der Anpassung zu landlebenden Sauriern entwickelten.

Man braucht ein wenig Fantasie, um sich das ausgehende Erdaltertum (die permzeitliche Erde) in seiner geographischen Formation vor Augen zu führen: Die Kontinente waren damals noch zu einem riesenhaften Super-Kontinent verbunden, der sich im Bereich der südlichen Hemisphäre befand. Nur durch die Überwindung gewaltiger räumlicher Distanzen, können die festgestellten artgleichen Saurierfunde zustande gekommen sein.

Da die Korbacher Grabungsfragmente vielfach sehr rudimentär und lückenhaft sind, wird es noch eine gute Weile dauern, bis der Artenbestand der Reptilfauna am Fundort verläßlich erfaßt ist. Erleichternd ist dabei, daß einige der bereits identifizierten Saurierarten sehr gut von vollständigen Skelettfunden, insbesondere aus Südafrika, bekannt sind. Der plumpe reptilische Pflanzenfresser der Gattung „Dicynodon“, der wenig mehr als einen Meter Größe erreicht, könnte etwa ein Korbacher Verwandter sein.

Das Museum der Kreisstadt Korbach, 2002 mit dem Museumspreis der Sparkassen-Kultur­stiftung Hessen-Thüringen ausgezeichnet, bietet eine aktuelle Sammlung von den in der Korbacher Spalte entdeckten Saurierresten. Besonders aufschlußreich ist dabei ein Diorama der permzeitlichen Tierwelt. Gleichermaßen sehenswert ist auch die Ausstellung zur Geologie und zur Lagerstättenkunde der Region.

 

Als sich vor ungefähr 250 Millionen Jahren das Zechsteinmeer kurzzeitig zurückgezogen hatte, öffnete ein Erdbeben bei Korbach eine tiefe vermutlich mehrere Kilometer lange Spalte. Starke Regenfälle schwemmten nach und nach Verwitterungsschutt mit tierischen und pflanzlichen Resten in diese Spalte und füllten sie.

Heute zählt die „Korbacher Spalte“ weltweit zu den bedeutendsten Fundstellen permischer Wirbeltiere. In Kalksteinen des Zechsteins konnten Knochenfossilien sowohl von ursprünglichen Reptilien (Pareiasaurier) und Urahnen der Dinosaurier (Archäosaurier) als auch von Vorläufern der Säugetiere (Therapsiden) entdeckt werden.

Die Korbacher Spalte und erste darin enthaltene Fossilien wurden bereits im Jahr 1964 von Dr. Jens Kulick entdeckt. Jedoch erst zwanzig Jahre später konnten sie aufgrund des Fundes eines mit Zähnen besetzten Unterkieferrestes des Procynosuchus als permzeitlich datiert werden. Bisher wurden insgesamt etwa 2500 Knochenreste gefunden.

Der Geologe Dr. Jens Kulick

In den 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts verschlug es den aus Neuruppin stammenden Wissenschaftler nach Nordhessen. Im Auftrag des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung fertigte er zahlreiche geologische Karten der Gegend an. Dabei entdeckte er 1964 die

Korbacher Spalte. In den 70er Jahren befaßte er sich ausgiebig mit der Geologie des

Eisenbergs in der Nähe von Korbach, der Deutschlands reichste Goldlagerstätte enthält. In den 90er Jahren war Jens Kulick maßgeblich am Ausbau des Museums der Stadt Korbach beteiligt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1996 forschte er über weitere geowissenschaftliche und archäologische Themen in Hessen und hinterließ der Nachwelt zahlreiche wissenschaftliche Publikationen.

Über Dorfitter, Nieder-Ense und Nordenbeck kommt man nach Goldhausen.

 

Goldhausen (südlich von Korbach):

Im Dorf trifft man zunächst an dem scharfen Knick auf eine Informationstafel. Hier steht man mitten im alten Goldgräberfeld. Ein Stück davon kann man sogar heute noch von hier aus entdecken: Wer nach rechts sieht, erkennt die gerade Fläche vor dem Friedhof. Das ist noch ein Teil dieses alten Feldes, auch wenn heute die Oberfläche nicht mehr buckelig ist. Wer genau hinschaut, kann sogar noch die alte Begrenzung des Feldes erkennen: am linken Flächenrand sieht man in Richtung bergauf noch die steile Böschung, auf der einige Büsche wachsen.

Einige Schritte von dieser Stelle entfernt stößt man im Jahr 1977 bei Kanalbauarbeiten unerwartet auf alte unterirdische Goldbergwerke. Erkennbar sind drei schmale Stollen, die aus 40 bis 50 Meter Tiefe bis fast an die Erdoberfläche vorgetrieben worden sind. Sie stehen in den steilen Schieferschichten, zwischen denen sich an wenigen Stellen die fast senkrecht verlaufenden goldreichen Lagen finden. Die Stollen können mehrere 100 Meter lang sein und reichen bis weit unter den Ort Goldhausen. Der Hohlraum ist inzwischen mit Beton verfüllt worden.

Vom Südosten zum Nordosten des Dorfes zogen sich parallel zum Dorf mehrere Gänge hin. In Höhe des Mittelweges gingen nach Südosten der „Untere-tiefe-Tal-Stollen“ und der „Obere-tiefe-Tal-Stollen“ ab. Der St. Thomas-Gang zog sich bis kurz vor Lengefeld. Am Turmweg (in das Navigationsgerät eingeben) ging der St. Lorenzgang in fast südlicher Richtung ab. Hier ist auch die Auffahrt zum Georg-Victor-Turm und zum Schacht St. Wolrath.

Goldhausen wird bereits im Jahre 1420 als Siedlung der Bergleute erwähnt. Um 1541, als der Goldbergbau seine Blütezeit erlebt, heißt das Dorf „Goldhusen“. Das seltene Edelmetall führt also zur Entstehung des Ortes: Wo nach Gold gegraben wird, werden auch Wohnungen gebaut.

Möglicherweise ist auch schon „Böddefeld“ auf die hier vorhandenen Bodenschätze zurückzuführen. Dieser Vorläuferort von Goldhausen ist aber längst verschwunden. Er wird bereits im Jahre 980 erwähnt, fällt aber im 15. Jahrhundert wüst. Am ehemaligen Standort, heute ein Acker etwa ein Kilometer in nördlicher Richtung, finden sich neben Tonscherben gelegentlich noch Eisenerze.

Im Eisenberg bei Goldhausen ist eine der größten Goldlagerstätten Mitteleuropas mit Goldlehrpfad, Besucherbergwerk und Aussichtsturm. Richtige Goldadern durchziehen den nahen Eisenberg, wo 400 Jahre lang nach Gold gegraben wurde, in unterirdischen Stollen und sehr mühsam. Doch der Abbau lohnte sich nicht und ist heute museumsreif.

„Das Gold jedoch, das in unseren Zeiten in reichlicherem Masse gefunden wird, kommt aus dem Königreich Böhmen und neuerdings wird in den Teilen des teutonischen Westfalens, in einem Orte, der Curbeth genannt wird, in einem gewissen Berge Gold gefunden, von dem. wenn es gereinigt wird, weniger verloren geht. als von irgendeinem anderen“ (Albertus Magnus. De Mineralibus. Liber IV, Ausgabe 1498, geschrieben 1250 mit der ältesten Erwähnung des Eisenberger Goldes: S. 20; Übersetzung).

 

Die Lagerstätte: Goldvorkommen sind im Eisenberg mit seiner nächsten Umgebung in karbonischen, permischen und eiszeitlichen (quartären) Schichten enthalten - ihre Entstehungsgeschichte reicht also zum Teil bis 350 Millionen Jahre zurück. Die steil einfallende Schichtfolge enthält in engem Abstand parallel angeordnete Erzlager. Diese entstanden zu einem erdgeschichtlich späteren Zeitpunkt, weisen sehr unterschiedliche Metallgehalte auf und erreichen Mächtigkeiten von maximal einigen Millimetern. Zu ihrer Gewinnung mußten wenigstens 70-80 Zentimeter breite Strecken aufgefahren werden.

Wo Gold im karbonischen Festgestein auf später entstandenen Klüften und Störungen sekundär angereichert wurde, können in extrem seltenen Fällen Gehalte von über 1000 Gram pro Tonne enthalten sein. Permische, rund 270 Millionen Jahre alte Konglomerate sowie junge quartäre Lockersedimente führen sogenanntes Seifengold, d.h. durch Verwitterung freigesetzte. transportierte und erneut abgelagerte Goldkörnchen oder -flitter. Hier werden Gehalte von weniger als ein Gramm pro Tonne erreicht.

 

Bergbaugeschichte: Die Lagerstätte Eisenberg wurde mindestens seit dem 12. Jahrhundert bis 1619 abgebaut, danach waren die Erzvorräte weitgehend erschöpft. Während dieser etwa 500 Jahre dauernden Betriebszeit legte man einen 900 Meter langen, bis 12 Meter breiten und 9 Meter tiefen Tagebau an und fuhr nachweislich mehr als 48 Stollen und 45 Schächte auf. Dabei wurden maximal 1,2 Tonnen reines Gold ausgebracht, mehr als die doppelte Menge ging wegen Aufbereitungsschwierigkeiten verloren. Heute könnte noch eine Tonne im Berg liegen, aber zur Gewinnung dieses Goldes müßte man den ganzen Berg abtragen.

 

Daten aus dem Mittelalter bis zur frühen Neuzeit:

1244 erstmalig wird ein Goldzehnt des Klosters Schaaken erwähnt, der sich auf Gold aus der Region Eisenberg. möglicherweise jedoch aus dem Winnen- oder Heimbach beziehen muß

1254 Nennung des „Goldenberg“

1308 (oder 1508 zu lesen?) Erlaß einer Waschordnung am Eisenberg

1429 Nürnberger erwerben Land bei Eppe zur Gewinnung von Gold; Erwähnung des Ortes Goldhausen, die „.Goldhüser“, Nachfolge der Wüstung Böddefeld (westlich des Klusenbergs)

1480 eine Bergordnung erscheint für den Eisenberg

1496 wiederum betreiben Nürnberger Bergbau am Eisenberg; Fund einer Stufe von etwa 150 Gramm Gold

1500-1503 Streit zwischen Waldeck und Viermünden um den Bergbau am Eisenberg

1516 Graf Philipp zahlt 100 Gulden an Gold als Lösegeld an Götz von Berlichingen

1524 Erlaß einer Bergfreiheit

1533 Conrad Klüppel beschreibt den Bergbau am Eisenberg und an den Ortsiepen

1543-1592 Urkunden, Abrechnungen und Gewinnzahlen über die Goldmühlen von Niederense, der Holtebeck und der Alten Wiese häufen sich

1615 letzte Erwähnung der Goldgewinnung am Eisenberg

1641. 1646, 1706, 1741. 1761 Berichte über erneute Suche nach dem Eisenberger Gold

1852 Verleihung des Distriktfeldes „Eisenberg“ an den Hüttenbesitzer Ulrich aus Bredelar mit dem Recht, in diesem Gebiet Gold, Kupfer, Silber. Blei. Eisen und andere Erze abzubauen

1854 Ulrich verkauft das Distriktfeld an die Anglo-Waldeckische Bergwerksgesellschaft in London, die vorwiegend an den Kupfervorkommen des Eisenbergs interessiert ist, aber auch die alten Goldgruben untersucht

1884 der Barmer Bankverein übernimmt das Distriktfeld. mehrere Gold-Gruben werden aufgewältigt

1917 optiert, 1918 erwirbt Carl-Theodor Rauschenbusch aus Kirchen/Sieg das Distriktfeld „Eisenberg“

Im Jahre 1918 erwarb das Bergbau-Consulting-Unternehmen der Gebrüder Rauschenbusch aus Kirchen (Sieg) das rund 165 Quadratkilometer große Distriktfeld „Eisenberg“.

Im Jahre 1923 kam es zur Gründung der „Gewerkschaft Waldecker Eisenberg“. Umfangreiche Untersuchungen des Goldvorkommens, zusammen mit der Preußischen Geologischen Reichsanstalt/Berlin, führten seinerzeit zu einer positiven Bewertung der Lagerstätte.

In den Jahren 1930-32 wurde im Konsortium mit der Preußag ein 75 Meter tiefer Schacht niedergebracht, um die vermutete Erzführung unterhalb der alten Abbaue sowie des Grundwasserspiegels zu überprüfen und gegebenenfalls zu erschließen. Weltwirtschaftskrise und Fehlplanung der Preußag beendeten das Unternehmen. Die Gewerkschaft verlor weitgehend ihr Vermögen. Im Jahre 1938 stand eine Wiederaufnahme des Bergbaus auf das Goldbegleitmineral Selenblei fast bevor.

1932 erscheint die Arbeit „Die Goldlagerstätte des Eisenbergs bei Corbach“ von Ramdohr

1936 Schneiderhöhn empfiehlt, den Goldbergbau staatlicherseits aufzunehmen

1970 die Union Corporation aus Südafrika untersucht die Lagerstätte

Nach mehreren zum Teil zweifelhaften Aktivitäten ausländischer Firmen zwischen 1948 und 1973 untersuchte 1974 bis 1978 das Hessische Landesamt für Bodenforschung mit Mitteln des Landes Hessen und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie das Eisenberger Goldvorkommen gründlichst. Bei diesen Arbeiten wurden am Eisenberg unter anderem insgesamt 48 Stollen bzw. Strecken sowie 20 Schächte mit zusammen 3.659 Meter Länge aus der Abbauperiode vor 1619 aufgewältigt. Heute sind davon für weitere wissenschaftliche Forschungen noch der Untere-Tiefe-Tal-Stollen und der St.-Georg-Schacht mit seinen Abbauen zugänglich.

1979-1981 Arbeiten des kanadischen Unternehmens Cominco u.a. am Eisenberg

1984 die Inlandgold-Gold GmbH im Konsortium mit der Western Liberty GmbH, ein deutsch-schweizer Unternehmen, läßt Arbeiten durchführen

1988 kurzzeitige Aktivitäten der Europa-Minerals Ltd./London

1977-1995 sieben lagerstättenkundliche Detailuntersuchungen werden von Wissenschaftlern verschiedener Institute durchgeführt; weitere Forschungen laufen zurzeit bzw. sind projektiert

1995 erstmals werden in Korbach große Teile der Goldsammlungen Rauschenbusch und Kulick vorübergehend der Öffentlichkeit vorgestellt

 

Grubenbaue am Eisenberg: Der im 15. Jahrhundert aufgefahrene St.-Georg-Schacht in der Ortsmitte Goldhausen (in der Nähe der Informationstafel) ist noch fast bis an den Grundwasserspiegel in einer Teufe von etwas unter 34 Meter befahrbar. Im Jahre 1992 wurde er für wissenschaftliche Forschungsarbeiten erneut mit dauerhaften Eisenfahrten (Leitern) versehen. Der Schacht führt direkt in die über 180 Meter Länge aufgeschlossenen, bis 28 Meter hohen Goldabbaue der Erzlager 1-3. Noch anschaulicher als im Unteren-Tiefen-Tal-Stollen lassen sich hier die Techniken des alten Firstenstoßbaues erkennen. Die Grube dürfte um 1400 oder früher angelegt sein, als bereits der Erbstollen zur Absenkung des Grundwasserspiegels bis zu den Georg-Bauen vorgetrieben war. Dendrochronologische Analysen von Grubenhölzern aus höheren, also jüngeren Abbauen der Grube ergaben Daten um 1484, 1486 und 1506.

Ein „Alter Mann“ (abgebaute, mit Abraummaterial versetzte Altstrecke) des Unteren-Tiefen-Tal-Stollens zeigt noch den Vortrieb unter strenger Einhaltung eines trapezförmigen Querschnitts mit etwa 1,30 Meter Höhe bei einer Breite von etwa 0,70 Meter.

Der Untere-Tiefe-Tal-Stollen, dicht südöstlich des Ortes Goldhausen, wurde im 15./16. Jahrhundert als 100 Meter lange Untersuchungsstrecke aufgefahren. In den Jahren 1922 bis 1929 veranlaßte C.-Th. Rauschenbusch ihre Erweiterung und ließ sie in der erzführenden Zone um 160 Meter verlängern. Dabei traf man auf eine alte offene Richtstrecke der Grube St. Sebastian mit zwei Schachtquerschlägen, mehreren Suchörtern, einer Haspelstube sowie versetzten Goldabbauen. Eindrucksvoll zeigt auch dieser 100 Meter weit begehbare Grubenabschnitt spätmittelalterliche Vortriebs- und Abbautechnik in den steilstehenden Erzlagern.

 

Industriedenkmal am Eisenberg: Die „Gewerkschaft Waldecker Eisenberg“ als Bergwerkseigentümerin befindet sich aufgrund von Vorschriften des Bundesberggesetzes (1980) derzeit in Liquidation. Da sie keine Goldgewinnung mehr betreibt, muß sie die Schächte und Stollen des stilliegenden Bergwerks dauerhaft abschließen und verwahren. Der Eisenberg ist jedoch ein einmaliges Dokument mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Bergbaus - was sowohl Ausmaß als auch Zugänglichkeit der Anlagen betrifft.

Vor diesem Hintergrund ist es außerordentlich erfreulich, daß Ende 1996 ein Eintrag in die Denkmalliste und damit die denkmalrechtliche Unterschutzstellung der Grubenbaue sowie aller im Wald gelegener Bergbauspuren erfolgen konnte, stehen diese Zeugnisse doch historisch unmittelbar im Zusammenhang mit den drei mittelalterlichen Burg- und Wallanlagen auf dem Eisenberg. Zwischen 1973 und 1988 wurden die Fundamente der Hauptburg auf der Bergkuppe freigelegt und restauriert. Man errichtete sie ursprünglich weitgehend aus dem Abraummaterial des alten Goldtagebaues.

 

Außer den Tiefbauen weist der Eisenberg übertägig zahlreiche Spuren des Goldbergbaus auf.

So im Westteil des insgesamt 1900 Meter langen Bergzuges noch 200 Meter der großen Tagebaupinge des 12.-14. Jahrhunderts. Am östlichen Bergfuß sind in einem 2,5 Hektar großen Waldstück Goldwaschkuhlen (13.-16. Jahrhundert) weitgehend ungestört erhalten geblieben. Sonstige Schacht- und Schurfpingen sind auch andernorts am Berg vorhanden.

Vom Sportplatz gibt es über Fußwege einen günstigsten Zugang zur Bergkuppe. Nur wer genau hinsieht, erkennt auf der Kuppe des Eisenberges Reste eines flachen Ringwalls, die älteste Siedlungsspur ist mindestens 2000 Jahre alt. Dort ist auch die Ruine Burg Eisenberg (Baubeginn spätes 12. Jahrhundert, im 16. Jahrhundert zu Renaissance-Schloß umgestaltet). Außerdem gibt es dort den Wolrath-Schacht, einem durch Bergleute im 15. Jahrhundert abgeteuften 32 Meter tiefen Burgbrunnen (beschrieben in Archäologische Denkmäler in Hessen 17: Burg Eisenberg bei Goldhausen) und den Georg-Viktor-Aussichtsturm.

Besucherbergwerk am Eisenberg in Goldhausen: Führungen - Goldbergwerk & Goldspur

Führungen für Gruppen (bis max. 12 Personen) von Mai bis Oktober nach Anmeldung (freie Terminwahl). Kosten: Gruppe (max. 12 Personen): 60,00 EUR, Kindergruppen: 50,00

EUR, jede weitere Gruppe: 30,00 RUR. Regelmäßige Führungen für Einzelpersonen und kleine Gruppen von Mai bis Oktober, wöchentlich Sa./So. nach Anmeldung. Kosten: Einzelperson: 7,00 EUR, Kinder (6 bis 14 Jahre): 3,50 EUR. Internet: www.goldhausen.de. Ob man allerdings bei diesen Führungen wirklich etwas sehen kann, ist noch die Frage, denn Schächte wurden ja verfüllt, der „Untere Tiefe-Tal-Stollen“ wird nur Fachleuten zugänglich gemacht bzw. ist nur bei gelegentlichen Führungen zugänglich..

 

Höringhausen:

Der Ort mit 1234 Einwohnern der drittgrößte Stadtteil der Großgemeinde. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort im Jahre 1043 unter dem Namen „Horusen“. Noch heute geht die Geschichte um, daß der Fürst zu Waldeck Höringhausen bei einem Kartenspiel verloren haben soll. Heute kann man viele Dinge über die Höringhäuser Geschichte im Heimatmuseum in Erfahrung bringen. Naturfreunde können bei einem Waldspaziergang zwischen Höringhausen und Ober-Waroldern eines der größten Ameisenvorkommen Hessens bewundern.

 

Kloster Flechtdorf:

Die Kulturgeschichte von Waldeck ist im Mittelalter wie überall in Europa vor allem religiös bestimmt. Doch vieles ist heute verloren und zerstört. Flechtdorf zum Beispiel war das bedeutendste der Waldecker Klöster. Graf Erpo von Padberg errichtete hier 1102 ein Benediktinerkloster, das 1591 zum Armenhaus umgewandelt wurde. Im Jahre 1639 wurden Teile der alten Klostergebäude durch einen Brand vernichte, 1669 erfolgte der Wiederaufbau der Kirche ohne den Chor. Seit 1702 war das Kloster Landeshospital.

Hier sind neben der Basilika sogar noch Wirtschafts- und Wohngebäude der Klosteranlage erhalten, die wenigstens teilweise unter Denkmalschutz stehen. Der Innenraum der Kirche zeigt gut, wie lange man an der Kirche gebaut hat: von den runden Bögen der Romanik im linken hinüber zur gotischen Halle des rechten Seitenschiffes reichen die Baustile. Sie ist eine dreischiffige Pfeilerbasilika, das südliche Seitenschiff in Hallenform. Im Westen hat sie Querschiff und Turmhalle. Der Taufstein ist von 1513. Ein Drachenrelief ist an der Südseite. Reste von Deckenmalereien wurden 1972 freigelegt (Bild 01-06).

Goddelsheim:

Im Dorfmuseum Goddelsheim kann man Geräte des Alltags und des Handwerks aus Urgroßmutters Zeiten bestaunen. Besichtigung nach Vereinbarung, Tel.: 05636-1409. Von Goddelsheim fährt man in Richtung Osten nach Immighausen.

 

Kloster Schaaken (zwischen den Lichtenfelser Ortsteilen Goddelsheim und Immighausen):

 Keines der Klöster Waldecks überstand die Reformation. Viele wurden abgerissen oder verfielen über die Zeit zu so malerischen Kulissen wie Schaaken. Wer plötzlich im Licht der sinkenden Sonne auf die romantischen Ruinen trifft, der könnte sich fast in Schottland wähnen: Ein unbekanntes Stück Waldeck! (Bild 50).

Nach Querung des Ittertals fährt man Richtung Lauterbach. Links ist die Ruine Itterburg

Der Hof Lauterbach ist ein großes und sehenswertes Hofgut mit vielen Nebengebäuden.

 

 

Frankenberg

Nationalpark-Zentrum Kellerwald:

An der Straße von Herzhausen nach Frankenberg liegt das hochmoderne Nationalpark-Zentrum. „Raum für Wildnis & Menschen“ - das Motto des Nationalparkzentrums hat sich bewahrheitet. Die innovative Ausstellung zum Thema Wildnis zieht Menschen aus ganz Deutschland nach Herzhausen. Am 27. April 2008 wurde der hundertste Öffnungstag des Erlebniszentrums gefeiert. Bis dahin betraten 18.920 Besucher das moderne weiße Gebäude mit den geschwungenen Fassaden. Sie alle spielten fasziniert in den Rotunden mit dem Element Wasser, flogen mit Hilfe des Ausstellungsstücks „BlickWurf“ virtuell vom Weltall in den Nationalpark und folgten dem Ranger über die Leinwand in die vierdimensional erlebbare Wildnis.

Die Ausstellung gliedert sich in drei Bereiche:

(1.) Die UrSchätze der Wildnis sind die emotionale Einstimmung in die Ausstellung. Hier erlebt man die ganz eigene Atmosphäre der verschiedenen Lebensräume im Nationalpark: den Feenhügel, die Felsen und Schluchten, die Quellen und Bäche und die Buchen-Urwälder.

Quellen und Bäche - sprudelnde Stille.

(2.) Die interaktiven Ausstellungsstücke im WaldWerk verraten die vielen kleinen Geheimnisse der Buchenwälder und ihrer Bewohner. Schon die Namen sind ungewöhnlich und fantasievoll, und genauso kreativ ist auch die Form und Gestaltung der Elemente.

- WildWechsel: Man folgt den Spuren der Wildkatze durch die Wildnis des Nationalparks - von Lebensraum zu Lebensraum!

- SchatzSpeicher: Hier entdeckt und sammelt man die Schätze des Nationalparks - vom Geheimnisvollen Graffiti bis zur Grazilen Diva!

- GuckLöcher: Blicke in die verborgenen Welten der Buche - in das Leben unter der Rinde und im Holz!

- BuchoSkop: Durch die Stockwerke des Waldes und das Leben der Buchen - vom Keimling bis zum zerfallenden Baum!

BlickWurf: Flug aus dem Weltall in die werdende Wildnis des Nationalparks - aus der Vogelperspektive hinein in den Wald!      

- UrZeit: Reise in die Vergangenheit und Zukunft des Nationalparks - von der Urzeit in die Wildnis von morgen. Die Jahreszeiten und der Wechsel von Tag und Nacht!

- BuchenBli>(3.) Ein Kinoerlebnis der besonderen Art! Ein einzigartiger 4-D-Film nimmt mit auf einen Streifzug durch die Wildnis. Man erlebt, wie der Wind im Kinoraum pfeift oder meint, das Wasser spritze einem ins Gesicht.

Inzwischen fahren täglich Reisebusse vor und bringen Besucher im Rahmen von Klassenfahrten, Betriebsausflügen oder Seniorenfahrten. Mittlerweile sind es über 30.000 geworden. Er­ste Besucherbefragungen zeigen, daß das außergewöhnliche Konzept aufzugehen scheint: Alle Befragten würden das Nationalparkzentrum weiterempfehlen. Begeisterung ruft vor allem das 4-D-SinneKino hervor. Hier bläst wirklich der Wind oder man meint, das Wasser spritze einem ins Gesicht. Strahlende Gesichter verlassen das Kino. Genau dieses Strahlen ist für das Team Belohnung und Motivation zugleich.

Demnächst wird ein attraktives Außengelände direkt am Haus das Angebot bereichern. Neben einem Lagerfeuer- und Picknickplatz wird auch ein Kleinkindspielbereich eingerichtet. Im Rahmen eines Expertenworkshops wurde Anfang Mai der erste Schritt zur Umsetzung

Auch Christoph Drylo, Pächter der Gastronomie, zeigt sich sehr zufrieden mit seiner neuen Wirkungsstätte: „Meine regionalen und teilweise biologisch produzierten Gerichte, sowie die schöne Sonnenterrasse locken immer mehr Gäste an. Mittlerweile habe ich deswegen auch abends geöffnet.“

Zwischenzeitlich macht das Nationalpark- Zentrum auch in anderen Kreisen von sich reden: Im April wurde es mit der renommierten „Simon-Louis-du-Ry-Plakette“ für beispielhafte Architektur ausgezeichnet (Architekt: Christian Decker: Bauherrin: Gemeinde Vöhl).

Die österreichische Ausstellungsfirma Kraftwerk, die die innovative Ausstellung entwickelt und gebaut hat, bewirbt sich derzeit um den österreichischen Staatspreis für Multimedia.

 

Oberorke:

Über Ederbringhausen kommt man nach Niederorke (267 Meter, 114 Einwohner), ein kleines Bauerndorf mit einer Pension. Darüber liegt Oberorke (300 Meter, 100 Einwohner). Die landschaftliche Oase ist unberührt von Hektik und lautem Verkehr. Neben Urlaub auf dem Bauernhof findet man hier das zum beliebtesten Hotel Deutschlands gewählte Hotel mit Reiterhof, Wildgehege, öffentlichem Hotelhallenbad und allen Annehmlichkeiten für den Urlaubsgast. Sehenswert ist die Fachwerkkirche. Über Viermünden fährt man wieder auf die Bundesstraße nach Frankenberg. Nach der Ampel geht es ziemlich plötzlich nach rechts in die Stadt. Parken kann man im Parkhaus zwischen der Umgehungsstraße und der Bremer Straße oder auf dem Obermarkt (eine Stunde)

 

Frankenberg

Das Städtchen Frankenberg im Ederbergland gehört - streng genommen - nicht zum Waldecker Land, also zum früheren Fürstentum. Da sind sie empfindlich - die Waldecker wie die Frankenberger. Man verschnürte sie Mitte der 70er Jahre einfach zu einem verwaltungstechnischen Kunstprodukt namens „Kreis Waldeck-Frankenberg“. Die Wunde blutet noch immer…...

Dabei hat das Fachwerkstädtchen Frankenberg eine so alte, stolze Geschichte. Es war einst eine fränkische Grenzbefestigung gegen die Sachsen. Frankenberg (Eder) wurde 720 an der Kreuzung zweier alter Heer- und Handelsstraßen als Festung errichtet. Im Mittelalter wurde es ein bedeutender Handelsort, der am Schnittpunkt von zwei wichtigen Heer- und Handelsstraßen lag. Davon zeugt bis heute die großzügige Stadtanlage.

Um 1234 ließ der Thüringisch-Hessische Landgraf auf dem Bergrücken über der Eder eine Burg und die Altstadt erbauen. Im Jahre 1335 wurde am Fuß des Berges die Neustadt gegründet. Aus der blühenden Handelsstadt entwickelte sich nach 1450 eine Stadt der Handwerker und Landwirte. Am 9. Mai 1476 brannten fast alle Häuser der Altstadt und der Neustadt ab. Da sich der Handel inzwischen auf andere Straßen verlagert hatte, die Frankenberg nicht berührten, war die einstige Blüte als Handelsstadt vorüber.

Nach 1890 leitete der Eisenbahnanschluß den wirtschaftlichen Aufschwung ein. Heute ist Frankenberg eine wirtschaftlich gesunde Stadt, die ebenso mit Tradition, wie auch mit Hightech-Produkten überzeugt. Die malerische Altstadt und die Fußgängerzone mit zahlreichen historischen Gebäuden und Fachwerkhäusern laden zum Bummeln und Einkaufen ein. Frankenberg hat heute mehr als 19.000 Einwohner und 12 Stadtteile.

Wer Frankenberg besucht, staunt über die vielen jahrhundertealten Fachwerkhäuser mit den gepflegten und prächtigen Fassaden in der Altstadt. Bei genauem Hinsehen entdeckt man kunstvolle Ausmalungen und Schnitzereien, die Auskunft geben über die ursprüngliche Nutzung vieler Häuser. Hier begegnet man einer aufregenden Historie und einer lebhaften Neuzeit in den Gassen und auf den Plätzen.

Architektonisches Kleinod Frankenbergs: Das zehntürmige spätgotische Rathaus. Man hat es 1509, nachdem zwei verheerende Brände fast alle Häuser der Stadt vernichtet hatten, neu aufgebaut – prächtiger denn je. Die Füllungen der Fachwerkrahmen sind ornamental mit Ziegelsteinen ausgemauert, ein niederdeutscher Einfluß. Es gilt als eines der schönsten Fachwerk­rat­häuser überhaupt. Das untere Stockwerk des Rathauses ist noch eine große Halle (auch wenn nicht mehr offen).

 

Rundgang:

1. Burgberg:

Auf dieser Bergnase bauten die Franken um 520, spätestens um 720, bei ihren Kämpfen mit den benachbarten Sachsen eine Festung, Frankenberg genannt. Sie diente zur Sicherung der von Frankfurt bis nach Frankenberg führenden Weinstraße, verlor aber nach Beendigung der Sachsenkriege (804) an Bedeutung

Im Jahre 1122 ging der Burgberg in den Besitz der Landgrafen von Thüringen über, die um 1234 im Ringen um Macht und territoriale Ansprüche gegenüber dem Erzbistum Mainz auf diesem Berg der Franken eine Burg und östlich davon die Stadt Frankenberg erbauen ließen.

Im Jahre 1236 wird Frankenberg urkundlich erstmals als Ort und 1244 als Stadt erwähnt. Frankenberg blühte als Handelsstadt auf. Ihre Bürger gelangten zu großem Wohlstand.

Im Jahre 1335 wurde nördlich der Burg die Neustadt gegründet (Vereinigung mit der Altstadt 1556). Im Jahre 1376 lehnten sich die Bürger der Stadt Frankenberg gegen die Übergriffe ihrer Burgherren auf und brannten die Burg ab. Sie wurde nicht wieder aufgebaut. Im Jahre 1798 ließ Oberst von Todenwarth die Burgruinen niederlegen, den Platz einebnen und die zum Teil jetzt noch vorhandenen Bäume pflanzen. Im Jahre 1899 wurde auf dem Burgberg ein Wasser-Hochbehälter für die zentrale Wasserversorgungsanlage errichtet.

Wie einst hat man auch heute noch einen ausgezeichneten Blick von der Bergnase, dem Frankenberg: südlich auf die Ederberglandhalle und das Schwimmbad mit Parkanlage, wo sich von 1288 bis 1786 ein landgräflicher Fischteich befand und die Weinstraße verlief; westlich auf das frühere Kloster St. Georgenberg, das obere Edertal mit dem Rothaargebirge und die frühere Kölnische Höhenstraße, nördlich auf das Kreiskrankenhaus, das Edertal mit dem Sauerland (Sachsen-Westfalen) und die später weiter nach Paderborn verlaufende Weinstraße.

 

2. Frühere Mädchenschule:

Sie wurde 1769 erbaut von der Kirchengemeinde als „Freie evangelische lutherische Mädchenschule“. Im Rahmen der Altstadtsanierung wurde das Gebäude 1978 zu einem Wohnhaus umgebaut.

 

3. Liebfrauenkirche:

Von welcher Richtung man sich der Stadt Frankenberg auch nähert, immer wird der Blick von der Liebfrauenkirche angezogen, die die Stadt weit überragt. Nach Abbruch einer kleineren Kirche wurde im Jahre 1286 an gleicher Stelle im Beisein des Landgrafen Heinrich I. der Grundstein zu dieser dreischiffigen Hallenkirche gelegt. Fast hundert Jahre dauerte die Fertigstellung: Das Langhaus war 1337 vollendet, der Chor 1353 geweiht, der Turm war 1359 und die Marienkapelle um 1380 fertig. So ist die Liebfrauenkirche eine der ältesten gotischen Kirchen in Deutschland.

Die bauliche Abhängigkeit von der Elisabethkirche in Marburg ergibt sich aus dem Grundriß und Baudetails, wie z. B. den Blattkapitellen und dem Querschnitt der Säulen. Im Jahr 1283 wurde die Elisabethkirche geweiht, drei Jahre später der Grundstein der Liebfrauenkirche gelegt. Es wird also dieselbe Bauhütte gewesen sein, die dort wie hier gearbeitet hat. Die drei Generationen währende Bautätigkeit ist an der stilistischen Entwicklung von der Früh- zur Hoch- und Spätgotik erkennbar. Während das Hauptschiff kaum plastischen Schmuck aufweist, stand im Chor eine Reihe von Statuen. Die Marienkapelle jedoch war innen und außen überreich ausgestattet. Die gleiche Entwicklung ist an den Fenstern erkennbar: In den Seitenschiffen sind sie zweiteilig, im Chor dreiteilig, in der Marienkapelle werden die Wände konsequent durch Fenster aufgelöst.

Ein Bauwerk, das als nationales Kulturdenkmal der Bundesrepublik anerkannt wurde, vor dem man an die vor 700 Jahren lebenden Menschen, ihre Schaffenskraft und ihren Glauben denken sollte. Die Menschen damals brauchten allerdings etwas längere Zeit für ein derartig großes Bauwerk, als dies heute der Fall ist.

Sie hatten fast 100 Jahre dazu nötig, dieses Meisterwerk gotischer Baukunst zu vollenden. Bedenkt man weiterhin, daß Frankenberg damals nur etwa 1200 Einwohner hatte und diese ein derart großes Bauwerk errichteten, muß man ihre Leistung für uns heute als unermeßlich hoch einschätzen. Das Langhaus war 1337 fertig. Der von Tyle von Frankenberg vergrößerte Chor wurde 1353 geweiht. Es folgten der Kirchturm 1359 und die Marienkapelle gegen 1380 (Bild 01).

Die Kirche hat den Lauf der Jahrhunderte nicht unbeschädigt überstanden. Der große Brand von Frankenberg am 9. Mai 1476 griff auch auf die Kirche über. Der hessische Chronist Wigand Gerstenberg berichtet als Augenzeuge: „Nun erhob sich das Feuer an der Pfarrkirche zuerst an dem kleinen Turm auf dem Chor. Dieser Turm war ganz und gar mit Blei gedeckt; das schmolz alle ab, so daß das Blei floß aus dem Umgang zu den Wasserzotten heraus, gleich als ob es regnete. Zuletzt gerann das Blei und blieb an den Zotten hängen in Manneslänge, eben wie Eiszapfen. Und nun erhob sich das Feuer an dem Firstbaum, da die Sparren angelegt sind, und brannte herab bis auf den Chor ... Da kam es weiter an die Kirche und an unserer Frau Kapellen (Marienkapelle). Das verbrannte alles. Dann kam es an den Turm ... Da verbrannte die köstliche gute große Glocke, die den Preis harre im ganzen Land zu Hessen und viel weiter. Dann verbrannten andere gute Glocken, so daß in der Pfarrkirche sieben gute Glocken verbrannten. Auch geschah großer Schaden an den Gläsern (Glasfenstern), weil das Zinn und Gelöte schmolz und herabrann. Da fielen die Kohlen und das Feuer hinab durch die Löcher im Gewölbe und fielen auf die Altäre und Bänke, auf die Orgel und auf die Uhr, die begann zu glimmen.“

Einige Jahre später begann der Wiederaufbau. Ein Aufruf des Landgrafen Heinrich III. im Jahre 1481 (im Kreisheimatmuseum ausgestellt) half mit, die Gelder zu beschaffen. Der Turm wurde durch Blitzschlag am 27. Mai 1607 beschädigt. Sein jetziges Aussehen und die derzeitige Dachkonstruktion stammen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.

Durch die Kirchenreform des Landgrafen Moritz im Jahre 1605 wurde die Reinigung der Gotteshäuser von bildlichen Darstellungen angeordnet. Damals ging der reiche Figurenschmuck im Inneren und Äußeren fast vollständig verloren. Die die Beschädigungen am Portal und am Altar der Marienkapelle stammen aus jener Zeit.

 

Wie heute wandelten sich auch damals im Laufe der Zeit die Ansichten. Man begann mit dem Bauwerk an der Westseite in der Frühgotik. Der Außenbau ist streng frühgotisch mit Strebepfeilern und Kreuzgesims. Die Portale dagegen sind reicher gegliedert, besonders das Südportal. Vollendet wurde das Werk in der Spätgotik mit dem heute wertvollsten Teil, der an der Südseite angebauten Marienkapelle mit ihrer 6,50 Meter hohen steinernen Altarwand, die um 1380 fertiggestellt wurde.

Der Kirchturm erreicht eine Höhe von 61,30 Meter. So, wie wir ihn jetzt sehen, dürfte er ur­sprünglich erbaut worden sein. Nach dem großen Brand von Frankenberg am 9.5.1476 wurde der Turm wieder aufgebaut. Jedoch am 17.5.1607 schlug der Blitz ein. Der Turm brannte ab. Beim Wiederaufbau im Jahre 1608 erhielt er, dem Stil der Zeit entsprechend, ein barockes Helmdach. Nachdem am 25.5.1895 erneut der Blitz eingeschlagen war, stellte man bauliche Mängel fest, die dazu führten, den Turm bis zum Turmumgang im Jahre 1897 abzubrechen. Das Richtfest für den neuen, jetzigen Turm konnte am 29.7.1897 begangen werden (Bild 02-03).

Die Kirche hat eine Gesamtlänge 60,4 Meter, die Weite des Hauptschiffes beträgt 8,60Meter (außen 17,20 Meter), die innere Höhe des Schiffes ist 12,20 Meter, die Höhe des Chores 16,40 Meter und die Höhe der Pfeiler 7,10 Meter.

Besonders sehenswert sind im Chor der Kirche die Scheiben mit gotischer Glasmalerei aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, die reliefartige Darstellung der Gethsemanegeschichte und das Sakramentshäuschen sowie die Steinkanzel von 1554 und die nach dem großen Brand von 1476 angebrachten und 1962 freigelegten Deckenmalereien.

Im Jahre 1526 wurde in Frankenberg die Reformation eingeführt. Die Liebfrauenkirche wurde das Gotteshaus für die lutherische Kirchengemeinde. Infolge der Kirchenreformen des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel wurden 1606 alle Statuen und Heiligenbilder entfernt, teilweise zerstört, und damit die Kirche und die Marienkapelle ihres schönsten Schmuckes beraubt.

Eine Empore, die nach der Reformation eingebaut wurde und mit wertvollen Balkenköpfen von dem Frankenberger Meister Philipp Soldan (etwa 1500 bis 1570) ausgeschmückt war, wurde 1864 entfernt. Diese damals entfernten Kunstwerke sind heute im Kreisheimatmuseum im früheren Kloster St. Georgenberg zu bewundern (Bild 05-08).

 

Rundgang

Das Kircheninnere. Wer die Kirche vom Turm her betritt, der ist von der Weite und Helligkeit überrascht. Beides wird durch den im Verhältnis zum Langschiff breiteren und höheren Chor mit seinen dreigliedrigen Fenstern betont. Die Säulen, durch die Dienste (kleine vorgelegte Dreiviertelsäulen) in ihrem Ausdruck noch beweglicher gemacht, gleichen Bäumen des Waldes. Sie laufen in den Rippen des Gewölbes aus und verbinden sich so miteinander zu einem schützenden Dach.

Die Deckenmalereien mit gotischer Rankenmalerei stammen aus der Zeit der Wiedererstellung nach dem großen Brand im 15. Jahrhundert. Da offensichtlich die Zünfte hierbei beteiligt waren, findet man in den Gewölbekappen ihre Zunftzeichen (Schere, Schuhe, Beil, Hufeisen) abgebildet. Die wertvollen Malereien wurden in späteren Jahren übermalt, zufällig entdeckt und 1962 - 1964 wieder freigelegt.

In den Gewölbezwickeln der Vierung sind zwischen den Ranken die Hände und Füße des Gekreuzigten mit den Nägelmalen zu sehen. In der Gewölbemitte umgibt der grüne Dornenkranz die Rose als Mariensymbol. Über dem Altar hängt im Triumphbogen ein Kruzifix, das Werk eines Unbekannten aus dem 16. Jahrhundert.

Besondere Beachtung verdienen die Konsolen an den Sälen der Vierung und im Chor. Sie sind reich geziert. Auf der einen Seite sieht man Fabelwesen mit Fratzen, die an Tiere erinnern, auf der gegenüberliegenden Seite haben diese Köpfe menschliche Züge. An der Vierungssäule im Norden ist eine gußeiserne Bibelofenplatte angebracht. Dargestellt ist die „Anbetung des Christuskindes“", zu der der Frankenberger Bildschnitzer Philipp Soldan (zwischen 1500 und 1570) die Vorlage lieferte.

 

Im Chor sind die letzten Reste der Glasfenster aus der Mitte des 14. Jahrhunderts zu sehen.

Sie zeugen davon, wie herrlich der Glasschmuck des Gotteshauses vor dem großen Brand von 1476 war. Nur die Scheiben haben die Katastrophe überstanden. Dargestellt ist die Leidens- und Auferstehungsgeschichte Jesu bis zur Himmelfahrt. Die Glasmalerei ist von ausgezeichneter Qualität. Sie zeigen (von links nach rechts): das Verhör Jesu durch Herodes, die Geißelung Jesu; die Dornenkrönung; Kreuzigung; Auferstehung; „Noli me tangere" („Rühr mich nicht an“); die Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern; Himmelfahrt; Christus als Weltenrichter. Den Abschluß bilden zwei Sibyllen als Zeichen der Weisheit und ein Ornamentfenster in der Mitte.

Gestalter des Chores und des plastischen Schmuckes war Tyle von Frankenberg. Er war u. a. auch am Wetzlarer Dom, an der Marienkirche in Marburg und am Kloster Haina tätig. Drei Figuren des einstmals reichlichen Schatzes, sind wieder in der Kirche aufgestellt: An der Chorsüdwand ist Johannes der Täufer dargestellt, der auf das Lamm in seiner Rechten hinweist. Gemeint ist mit dem Lamm Jesus Christus, der die Sünden der Welt trägt. Auf ihn weist Johannes, der „Rufer in der Wüste“ (so die Inschrift), hin. Daneben steht einer der zwölf Apostel, erkennbar am Spruchband, das (in Latein) einen Satz des Apostolischen Glaubensbekenntnisses zitiert.

Der Legende nach ist dieses Bekenntnis entstanden, indem jeder der Apostel einen Satz hinzufügte. Entsprechend finden sich weitere Zitate auf den Spruchbändern der Figurenreste, die im Kreisheimatmuseum zu besichtigen sind.

Höhepunkt ist sicherlich der „Christus von Frankenberg“ an der Nordwand. Die (restaurierte) Figur zeigt den Gekreuzigten, der doch lebt; den mit Dornen Gemarterten, der doch hilft; den tödlich Verwundeten, doch er blickt Leben anbietend auf den Betrachter. Unterhalb des (oben beschriebenen) „Christus von Frankenberg“ erinnert ein bescheidener Rest an das einstige Chorgestühl.

Im Chor finden wir auch ein Sakramentshäuschen (Tabernakel), das für viele Kirchen Kurhessens vorbildlich wurde. Es ist ein Werk von Tyle von Frankenberg.

Auf dem Altar im Chor stehen ein schönes Kruzifix und das Fragment eines Altars der Heiligen Elisabeth von Ludwig Juppe (Anfang 16. Jahrhundert). In den Jahren 1493/95 hat Juppe diesen Altar im Auftrag von Wigand Gerstenberg als Stiftung für die Kirche geschnitzt. Erhalten blieben ist ein Teil, auf dem Elisabeth zu sehen ist. Sie trägt das Kirchenmodell, den Dreikonchenchor der Marburger Elisabethkirche mit zweigeschossiger Fensteranordnung darstellend. Der Chorturm ist nur im Ansatz vorhanden. Nicht mehr eindeutig zu klären sind die beiden knienden Männer. Möglicherweise ist der rechte der Stifter und der linke ein Deutschordensritter. Das über dem Altar in der Vierung befindliche Kruzifix entstand wahrscheinlich im 16. Jahrhundert.

 

An der Nordseite des Chorraumes, rechts vom Eingang zur Annenkapelle, sieht man eine Halbreliefdarstellung der Gethsemanegeschichte. Halb kniend betet der mit dem Tode ringende Jesus: „Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Die auf ihn gerichtete „Hand aus der Wolke“ symbolisiert Gottvater. Währenddessen schlafen die Jünger, die eigentlich mitbeten sollten. Petrus sitzt in der Mitte; rechts und links lehnen sich zwei andere Jünger schlaftrunken an seine Schultern an.

Links vom Eingang zur Annenkapelle befindet sich ein Rest des Chorgestühls. Vor dem Eingang zur Annenkapelle steht ein Wasserspeier, ursprünglich gedacht, das Regenwasser vom Dach wegzuleiten. Das Portal zur Annenkapelle im Chor hat ein Tympanon, geschmückt mit dem Eichenmotiv als Zeichen der Unverweslichkeit und damit Unsterblichkeit, Beachtenswert in der Annenkapelle ist der Schlußstein an der Decke. Er zeigt einen Löwen mit drei Jungen. Wie der Löwe (nach der Legende) am dritten Tag seine Jungen weckt, so erweckte Gott seinen Sohn aus dem Grab. Die Kapelle wurde neu bestuhlt. Sie bekam im Jahr 2000 eine Böttner-Orgel mit neugotischem Prospekt.

Im südlichen Querschiff steht der Grabstein des Caspar Tholde. Er war von 1551 bis 1582 Pfarrer der Stadt, ein bedeutender Theologe und als Superintendent Nachfolger des Hessischen Reformators Adam Kraft. Er war Beichtvater der Landgrafen Philipp der Großmütige und Ludwig III.

In Tholdes Amtszeit fällt die Entstehung der reich gezierten Kanzel, die 1554 aufgestellt wurde. Sie ist eine sehr schöne Steinmetzarbeit, wahrscheinlich von dem Frankenberger Bildhauer und Schnitzer Philipp Soldan. Nach gründlicher Restaurierung wurde sie vor wenigen Jahren wieder aufgestellt.

Die an den Wänden des Chores aufgemalten Johanniterkreuze weisen auf die Pfarrherren der Kirche von 1392 bis 1527. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1392 bekannte Landgraf Hermann für sich und seine Erben, daß er dem Hause zu Wiesenfeld und seinen Einwohnern, den geistlichen Herren vom St.-Johannesorden, den Pfarrhof in der Stadt Frankenberg gegeben habe. Ein Vertrag schränkte deren Rechte jedoch stark ein. Bis zur Reformation war das Vermächtnis in Kraft.

 

Die heutige Orgel ist die vierte in der langen Geschichte der Kirche. Schon 1381 wurde die erste erbaut, sie ging im großen Brand von 1476 verloren. Um 1550 wurde die zweite aufgestellt, während die dritte 1811 bei der Auflösung des westfälischen Klosters Grafschaft von Frankenberger Bürgern auf eigene Rechnung ersteigert wurde. Sie war 1746 von Seuffert in Würzburg errichtet worden. Nach vielen Restaurationen und Umhauten (noch bis in die 1950er Jahre hinein) ersetzte sie der Frankenberger Orgelbaumeister Wolfgang Böttner 1968 bis 1970 durch die vierte, unter Verwendung des 1957 für die damals renovierte Seuffert-Orgel von ihm gebauten Prospekts und einiger Teile der alten Orgel. Die neue Orgel hat 2950 Pfeifen, die größte Pfeife mißt fünf Meter, die kleinste drei Millimeter Die Orgel hat 43 Register und drei Manuale mit einem sehr vielfältigen schönen Klang.

An der Südseite des Schiffes sieht man eine Eisenzeichnung von Ansgar Nierhoff, entstanden 1993. Insgesamt sind 6 dieser Kunstwerke zu finden, alle 1993 gefertigt. Sie wollen freizügige Lineamente auf vorgegebenem Untergrund suggerieren. „Wenn sich an den scharfen Kanten der ‚Zeichnungen' das Licht bricht und sich in den lang gezogenen Bahnen der Ausschürfungen die Schatten drängen, gerät die Oberfläche in Bewegung. Berührt man die Zwischenfelder mit der Hand, so fühlen sie sich rauh an wie Eichenborke. Hört man hin, so vernimmt man ... einen sonoren Akkord.“ (H. Hahne).

Das beträchtliche Alter von mehr als 700 Jahren konnte die Liebfrauenkirche nur erreichen, weil man sie immer wieder instandsetzte. So wurde auch von 1978 bis 1988 erneut eine umfassende Sanierung des Bauwerks mit Kosten von 5 Millionen DM durchgeführt, die dazu beitragen mag, dieses Meisterwerk gotischer Baukunst auch der Zukunft zu erhalten.

 

Marienkapelle:

Ein besonderes Schmuckstück spätgotischer Architektur ist die die 1370 bis 1380 an die Liebfrauenkirche angebaute, nur von außen zugängliche Marienkapelle. Sie wurde von dem Frankenberger Bürger Johannes von Cassel gestiftet (gestorben 1386), wie die eingemauerte Inschrift ausweist. Sie wurde um 1370 bis 1380 von Tyle von Frankenberg erbaut. Konzipiert war die Kapelle für die Wallfahrt. Um den Besucherstrom zu bewältigen, wurden zwei Türen gebaut. So konnte der Vorbeigang am Altar zügig vonstatten gehen. Über einem unregelmäßigen Achteck-Grundriß wächst der schlanke Bau turmartig empor. Die Konsolen außen zeugen von dem einstmals reichen Figurenschmuck.

Eindrucksvoll ist das Portal. Im Tympanon war ehemals die Marienkrönung dargestellt, sie fiel dem Bilderverbot desLandgrafen Moritz im 17. Jahrhundert zum Opfer. Besonders gut erhalten und sehr eindrucksvoll ist an der linken unteren Seite des Tympanons ein Charakterkopf, möglicherweise das Selbstporträt des Stifters. Es gilt als „das erste gefühlsmäßig betonte Künstlerbild“" in der Plastik um 1380, „zu einer Zeit also, als das Bildnis in der Malerei noch in einfachem Festlegen der Züge verharrte“ K. Gerstenberg). Das Selbstporträt des Künstlers Tyle findet sich als Konsolkopf unter der dritten Figurenkonsole links neben dem Eingang.

Feststellbar ist an der Kapelle „außen wie innen eine hervorragende Qualität der Steinmetzkunst und eine reiche Zierde an Fenstern, Kapitellen und Schlußsteinen. Konsolen und Baldachine, einst für (zerstörte) Statuen bestimmt, unterbrechen im Inneren den Aufstieg der Dienste“ (Backes-Feldtkeller).

Im Inneren der Kapelle befindet sich ein 6,5 Meter hoher steinerner Marienaltar, eine Altarwand, zu der Antependium, Mensa und Retabel verschmolzen sind. Sie wird getragen von drei (leider sehr zerstörten) Karyatiden (Trägerfiguren). Ein Fries geköpfter Engel musiziert über der Inschrift (übersetzt): „Jungfrau Maria, bitte für die Armen mit einem frommen Gebet; hier wirst du durch uns gelobt. Sohn, beschütze diese Diener, Vater, bewahre diese Orte, wo meine Mutter gelobt wird.“ Darüber war links die Ankündigung der Geburt Jesu dargestellt, rechts die Begegnung von Maria und Elisabeth, in der Mitte Maria mit dem Kind.

Bedingt durch die besondere Anbauweise ist das unregelmäßige Rippengewölbe mit zwei Schlußsteinen entstanden: Der Engel Gabriel weist auf Maria in der Mitte hin. Auf sie wird der Blick durch die aufstrebende Altarwand gelenkt. Bei einem Blick nach oben sieht man nicht nur herrliche Abschlußsteine, sondern auch, daß das Gewölbe an der Nordostseite auf einer Konsolfigur ruht, bei der ein Bürger vom Teufel geritten wird. War dies ein Vorbild für Philipp Soldans Huckepack-Figuren am Rathaus?

Die hohe künstlerische Qualität der Kapelle wie der gesamten Kirche wird - trotz der starken Zerstörungen - jeden Besucher beeindrucken. Deswegen wurden Bänke eingebracht, die ein Verweilen und Meditieren erlauben. Dem gleichen Zweck dient der Lichtträger von Günter Reichert. Dort kann man eine Kerze entzünden. Entsprechend formulierte Gedanken wollen dabei Hilfestellung geben. Auf diese Weise wird die ursprüngliche Idee von Stifter und Erbauer aufgegriffen, denn sie haben die Kapelle zur Ehre Gottes errichtet. In solchen Lobpreis einzufallen, dazu laden all die Herrlichkeiten den Besucher ein.

 

Pfarrhof:

Das wurde in den Jahren 1752/53 als Metropolitan-Wohnung (erstes lutherisches Pfarrhaus) mit Mansarddach auf einem aus der Gründungszeit Frankenbergs (13. Jahrhundert) stammenden Gewölbekeller erbaut. Die obere Etage und das Dach wurden am 10.08.1762 bei einem Kampf zwischen französischen und hessischen Truppen um den Burgberg zerstört. Seit 1902 ist es ein privates Wohnhaus. Die gegenüberliegende Pfarrscheune von 1677 gehört zum Pfarrgehöft.

 

4. Alten- und Pflegeheim (südlich der Kirche):

Der 1288 durch Landgraf Heinrich I. von Hessen zu Ehren seiner Großmutter, der Heiligen Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, gegründeten Stiftung „St. Elisabeth“. Der Neubau ist aus den Jahren 1975 bis 1977.

 

5. Hospitalkirche

Es ist eine einschiffige spätgotische Kirche mit Krypta unter dem Chor, erbaut 1515 von den Augustinerinnen für ihr benachbartes Schwesternhaus (Hospital). Von 1679 bis 1958 war sie Gotteshaus für die reformierte und seitdem für die evangelische (vereinigte lutherische und reformierte) Kirchengemeinde.

 

6. Rathaus (am Obermarkt):

Das Frankenberger Rathaus mit seinen zehn Türmen, im Herzen der Altstadt zwischen der Liebfrauenkirche und dem Steinhaus gelegen, stellt ein besonderes Kleinod spätgotischer Baukunst dar und wird als eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser angesehen. Im Jahre

1421 brachen die Frankenberger ihr erstes Rathaus mit seinen Brotbänken ab. Es entstand an gleicher Stelle ein neuer dreigeschossiger Fachwerkbau, der zweimal ringsherum übersetzt war, mit zehn Erkern und vier großen Toren.

Doch schon 1476 brannten nicht nur alle Fachwerkwohnhäuser der Stadt, sondern auch das erst rund 50 Jahre alte Rathaus ab. Im Jahre 1509 begannen die Frankenberger mit dem Neubau ihres dritten Rathauses, das dem abgebrannten ähnlich sein sollte. Vier Jahre brauchten die Handwerker für den Neubau in seiner jetzigen Gestalt.

Das Rathaus mit seinen malerisch wirkenden Gefachen ist zweigeschossig mit einem in das Dach einbezogenen dritten Geschoß. Es steht auf einem im Grundriß rechteckigem steinernen Sockel, der den Höhenunterschied des vom Obermarkt zum Untermarkt abfallenden Geländes geschickt ausgleicht, mit Freitreppe und spitzbogigen Eingangstoren. Obwohl es sich um einen Rähmbau handelt, gleicht das Fachwerk des hohen Erdgeschosses dem Ständerfachwerk Niedersachsens. Auch die am Rathaus und anderen Frankenberger Gebäuden anzu­treffende ornamentale feingliedrige Ziegelsteinausmauerung weist auf niederdeutsche Einflüsse hin. Die feingliedrige Ziegelstein-Ausmauerung der Gefache in unterschiedlichen Mustern von 1561 stellt eine Besonderheit Frankenbergs dar und weist auf niederdeutsche Einflüsse hin. Die Gefache des Rathauses waren ursprünglich mit Lehm und Flechtwerk ausgefüllt. Erst 1561 wurde das eichene Fachwerk an der Südseite und an der Nordseite mit hochkantig/ schräg gestellten „gebackenen Steinen“ ausgemauert (Bild 10-12).

Im Dachreiter befindet sich ein Glockenspiel. das um 11:45 Uhr und um 15:45 Uhr erklingt. Das am 1. Oktober.1999 eingeweihte Glockenspiel umfaßt 16 Glocken aus Bronze mit einem Gesamtgewicht von 417,5 Kilogramm. Die kleinste Glocke weist bei einem Gewicht von 14,5 Kilogramm einen Durchmesser von 230 Millimeter, die größte bei einem Gewicht von 54 Kilogramm einen Durchmesser von 426 Millimeter auf. Spielzeit 11.45 Uhr und 15.45 Uhr.

Im Glockenturm.- auch Laterne genannt - befindet sich eine weitere historische Uhrzeitglocke. Die Glocken wurden in der Glocken-.und Kunstgießerei Rincker in Sinn gegossen.

Im Erdgeschoß ist eine eindrucksvolle Halle (Schirn), die früher als Markt-, Versammlungs-. Fest- und Gerichtshalle genutzt wurde. Sie hat eine Länge von 22 Meter, eine Breite von 9 Meter und ist mit ihren drei mächtigen Stützen 5,50 Meter hoch. Auch heute findet, neben anderen Veranstaltungen und Empfangen, samstags der Wochenmarkt in der Rathaushalle statt.

Gedenktafel in der Rathaushalle: „In dieser Stadt lebten seit dem 13. Jahrhundert jüdische Einwohner. Die Menschen der ehemaligen jüdischen Gemeinde wurden während der Naziherrschaft von 1933-45 genötigt, entrechtet, vertrieben, verschleppt und ermordet. Ihr Schicksal darf nicht vergessen werden. Es mahnt uns, auch der anderen Opfer der Nazidiktatur zu gedenken“.

An der Westseite befindet sich ein achteckiger Turm mit Wendeltreppe von 1535. Im Obergeschoß sind der Stadtverordneten-Sitzungssaal. Hier tagt das höchste Gremium der Stadt. In diesem Raum sind neben den freigelegten Balken ein eiserner Aufsatzofen mit einem Unterteil von 1646 und einem Mittelteil von 1730 sowie eine Ofenplatte „Das Jüngste Gericht“ von Philipp Soldan sehenswert. An den Wänden dieses Saales hängen auch die Urkunden über die von der Stadt Frankenberg übernommene Patenschaft für die pommersche Kreisstadt Bütow und über die Partnerschaften mit dem französischen Kanton Brou, der österreichischen Stadt Seekirchen, dem englischen Distrikt Manningtree und der Stadt Frankenberg/Sachsen. Die ältesten, aus Kirschholz gefertigten und mit Leder bezogenen Stühle (zwölf Stück) dieses Saales stammen aus dem Jahre 1838.

An der Nordseite des Obergeschosses findet man das mit wertvollen Möbeln ausgestattete Trauzimmer der Stadt. In diesem hängt ein Hirschgeweihleuchter von 1562 mit dem Wappen der hessischen Landgrafen. Das zweistöckige Dachgeschoß mit Spitzboden ist für Besichtigungen nicht freigegeben. In das Ober- und Dachgeschoß des Rathauses gelangt man über die Wendeltreppe des angebauten Treppenturmes.

Die Dachzone ist stark aufgelockert; an den Giebeln befinden sich jeweils zwei Eck- und ein Mittel-Erker, an den Längsseiten je ein Mittel-Erker, alle mit Spitzhelmen: dazu ein Glockenturm, in dem sich seit 1999 ein Glockenspiel befindet. Der 1535 westlich angebaute achteckige Treppenturm. hat ebenfalls eine Helmspitze. Die Verschieferung der Dächer und eines Teiles des Obergeschosses zeigt die Nähe des Rheinischen Schiefergebirges an.

Die zwischenzeitlich restaurierten großen Zifferblätter der Rathausuhr an der Südseite und an der Nordseite tragen die Jahreszahl 1572. Die damals eingebaute Uhr mit ihrem Räderwerk und den Steingewichten wurde auf dem Rathausboden „in den Ruhestand“ versetzt und 1981 durch eine neue Uhrenanlage ersetzt.

Ebenfalls im Jahre 1572 wurde der Dachreiter mit Laterne (Glockenturm) eingedeckt und am 20.6.1572 mit einer Wetterfahne versehen. Dieser Tag der endgültigen Fertigstellung des Rat­hauses dürfte ein Freuden- und Jubeltag für die Frankenberger gewesen sein.

 

Huckepack-Figuren (Knaggen) mit Musikanten und Spaßmachern über dem Süd- und dem Nordeingang und die Christophorus-Figur an der Westseite stammen von dem weit über die Grenzen Frankenbergs bekannten Holzschnitzer und Steinbildhauer, dem Meister der Ofenplatte des 16. Jahrhunderts, Philipp Soldan (um 1500-1570).

Über dem Tor am Obermarkt sehen wir einen Narren mit seinem Dudelsack, auf einer anderen Person sitzend, mit den Worten: „ich pyff halt hart“. Am Tor der Nordseite zum Untermarkt hin erblicken wir einen bärtigen Mann, der auf einem jüngeren hockt und diesen an den Ohren zieht sowie die Inschrift: „halt halt Ich doin!“. Die Meinungen über die Bedeutung dieser Huckepack-Figuren gehen weit auseinander. Als Vorbild mag die Konsolfigur in der Marienkapelle der Liebfrauenkirche (Tyle von Frankenberg, um 1370 - 1380) gedient haben, wo ein Dämon auf einem sitzenden Mann hockt.

In früheren Jahrhunderten diente das Rathaus nicht nur im Erdgeschoß, sondern auch in den Obergeschossen geselligen Veranstaltungen, wie Hochzeiten, Versammlungen und Festen der Zünfte und Vereine, Theatervorstellungen und zum Tanz. Neben dem Saal hatte man für derartige Zwecke extra eine Küche und einen Speiseraum eingerichtet. Bei einem Besuch Frankenbergs übernachtete der Landgraf mit seiner Gemahlin im Rathaus. So muß man dieses Rathaus von seinem Ursprung her nicht nur als Haus des Rates und der Verwaltung, als Stadthaus, ansprechen, sondern es vielmehr als das Haus der Bürger, als Bürgerhaus im heutigen Sinne, betrachten.

Da in der Rathaushalle auch Festlichkeiten stattfanden, werden die Figuren jetzt überwiegend als Musikanten und Spaßmacher angesehen, die uns zurufen: Halt hart, halte aus, sei ausdauernd, hier geht‘s lustig zu! „Ich pfeife“ versichert am Obermarkt der Dudelsackpfeifer mit der Narrenkappe, der seinem Gesellen als wahrer Schalk im Nacken sitzt, und „Ich doin“ heißt es unter dem Bild der beiden Gaukler am Untermarkt, von denen der ältere. bärtige auf dem jüngeren reitet, indem er ihn an den Ohren zügelt, was so viel bedeutet wie Lärm machen, ertönen, schallen. Beide Gruppen rufen dem Bürger übermütig zu: Nur herein, hier ist‘s laut und lustig, sei ausdauernd.

Von wem die Justitia am Rathaus stammt, ist nicht bekannt. Von Philipp Soldan dürfte sie nicht sein. Sie wurde 1986 durch eine Kopie ersetzt. Das Original befindet sich im Kreisheimatmuseum im ehemaligen Kloster St. Georgenberg.

Ursprünglich war das Fachwerk weder verschiefert noch verputzt. Weil erhebliche Schäden durch Fäulnis an den Balken, den Vorschwellen und Latten auftraten, beantragte die Stadt 1778 beim Landgrafen, die Giebelwand des Rathauses in den Obergeschossen zu verschiefern und im Untergeschoß zu verputzen. Im Jahre 1779 wurde mit diesen Arbeiten begonnen. Die Freilegung des Fachwerks vom Putz erfolgte an der Nordseite 1927 und an der Südseite (zum Obermarkt hin) 1939. Ein Versuch der Stadt, auch den Schiefer von den Wänden abzunehmen, scheiterte um 1950 am Einspruch der Denkmalpflege.

Die Anbauten am Rathaus sind nicht ursprünglich. An der Westseite wurde 1797 ein „.Wacht­haus“ für die Nachtwächter, die in der Hauptsache Kuh- und Schweinehirten waren, angebaut. Vom Wachthaus aus traten die Nachtwächter damals, mit Horn, Laterne und Spieß ausgerüstet, ihren nächtlichen Rundgang durch die Stadt an.

 

7. Früheres Brauhaus (unterhalb des Rathauses):

Zwischen Fachwerkhäusern entstand 1538 das oberste Brauhaus, in dem von 1538 bis 1892 Bier gebraut wurde. Ab 1843 wurde das Gebäude auch als Spritzenhaus von der Feuerwehr mitbenutzt. Im Jahre 1993 wurde es dem nebenstehenden Hotel angegliedert, und unter weitestgehender Beibehaltung der Fassade umgebaut (Bild 16).

 

8. Rathaus-Kump:

Es handelt sich um eine Nachbildung des 1902 abgebrochenen Kumps der städtischen Wasserversorgung. Von 1502 bis 1899 wurde Ederwasser von der Niedermühle durch Holzrohre und später Eisenrohre in diesen und andere Kümpe der Altstadt gepumpt. Außerdem gab es noch Brunnen. Mit dem Neubau einer zentralen Wasserversorgungsanlage und der Wasserlieferung in die einzelnen Häuser wurden 1900 die Kümpe und Brunnen überflüssig.

 

Dilloffsches Haus (auf dem Obermarkt unterhalb des Rathauses):

Hier lebte bis 1939 der jüdische Kaufmann Samson Dilloff mit seiner Familie. Als Magis­tratsmitglied und Sozialdemokrat war er sehr angesehen. Im März 1933 wurde er von den NS-Machthabern aus dem Parlament ausgeschlossen. Seine Familie wanderte 1938 nach New York aus, das Haus kam in den Besitz der Stadt.

 

9. Steinhaus (Obermarkt, Ostseite):

Das älteste Haus der Stadt wurde erbaut um 1240 als Sitz von Bürgermeistern, Amtmännern, Rentmeistern und Ratsherren. Es überstand den großen Brand am 9. Mai 1476 und wurde vorübergehend als Rathaus genutzt. Das Küchenhaus mit Kamin und Wappen im Erdgeschoß (um 1485) stammt von Heinrich Schwalm. Das Steinhaus wurde 1975 bis 1977 umfassend restauriert (Bild 17).

 

10. Patrizierhaus Obermarkt 2:

Es ist eines der bedeutendsten Fachwerkhäuser Frankenbergs von 1531 mit feingliedriger Klinkerausfachung in unterschiedlichen Mustern. Es ist am reichsten mit Schmuck versehen und hat die strenge Reihung von vielen Fenstern in allen Geschossen mit einer gleich breiten Gefach­aufteilung. Seine Besonderheit liegt darin, daß der Obergeschoßaufbau schräg über das Erdgeschoß vorkragt, an der weitesten Stelle um 40 Zentimeter. Restauriert von 1973 bis 1975.

 

11. Hexenturm (bei der Abfahrt zu sehen):

Der von den 20 Wehrtürmen und den 5 Toren der Befestigungsanlage der Altstadt einzig erhaltener Turm aus dem 13. Jahrhundert. Mit seinen drei Meter dicken Mauern und einer Höhe von zehn Metern diente er auch als städtisches Gefängnis. Während er früher „Hainstock“ genannt wurde, erhielt er wohl zur Zeit der Hexenprozesse im Volksmund seinen richtigen Namen „Hexenturm“. Restauriert wurde er 1903.

 

12. Pferdemarkt 10-16:

Von 1979 bis 1986 vorbildlich restaurierte Fachwerkhäuser.

 

13. Geismarer Straße 3 (Haus der Vereine & Stadtarchiv):

Das Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert hat einen steinernen Turmbau an der Südseite. Hier hat man einen schönen Blick auf gut restaurierte Fachwerkhäuser an der Straße „Auf der Heide“ (Bild 18-24).

 

14. Untermarkt:

Die Häuser 2-12 sind gut erhaltene Fachwerkhäuser mit einer Besonderheit Frankenberg, den mehrgeschossigen Eck-Erkern an den Häusern Nr. 2 und 12 sowie Marktplatz 3. Untermarkt 14 ist aus dem 16. Jahrhundert mit feingliedriger Klinkerausfachung, Untermarkt 16 das Hotel „Die Sonne Frankenberg“ (Bild 25).

 

16. Steingasse 17:

Das Haus zählt zu den ältesten Fachwerkhäusern Frankenbergs, um 1500 teils in Geschoß- und teils in Ständerbauweise errichtet, im Jahre 1983 wurde es restauriert (Bild 31).

 

17. Herbold‘sches Haus (Steingasse 1):

Es ist eines der schönsten Fachwerkhäuser mit Ziegelsteinausmauerung und dreigeschossigem Eck-Erker. Auf den drei Schwellen umlaufende spätgotische Inschriften mit kräftigen Reliefbuchstaben in ungewöhnlicher Größe, eingeschnitzte Wappen und Siegel der Stadt Frankenberg und des Erbauers Sebastian Herbold am Hauseingang. Errichtet wurde es 1564, restauriert von 1975-1977 (Bild 32).

 

18. Steingasse (Rückweg zum Obermarkt):

Dreigeschossiges Fachwerkhaus, errichtet um 1500 in Geschoß- und Ständerbauweise mit Stilen, die zum Teil von der Erdgeschoßschwelle bis zum Dachgeschoß durchgehen. Es gehört zu den ersten Häusern, die nach dem Brand von 1476 errichtet wurden und bis heute noch erhalten sind. Es wurde 1978/79 restauriert.

 

19. Ritterstraße 6-8:

Das prächtige Wohn- und Geschäftshaus mit überaus starken Balken - ähnlich wie beim Rat­haus - wurde um 1520 erbaut.

 

20. Neustädter Straße 49 (Fußgängerzone):

Es ist ein besonders reizvolles im Jahr 1978 saniertes Fachwerkhaus mit Fenstern in ihrer ur­sprünglichen Größe.

 

21. Neustädter Straße 35 (Fußgängerzone):

Das dreigeschossige Fachwerkhaus mit zweigeschossigem Eck-Erker ist aus dem 17. Jahrhundert und wurde 1977 restauriert. Hier soll das Rathaus der selbständigen Neustadt gestanden haben, die 1335 gegründet und 1556 mit der Altstadt vereinigt wurde.

 

22. Iller und Mones Figuren (Am Illerplatz, 1978): Iller und Mones sind Spitznamen für waschechte Frankenberger. Inschrift (verdeutscht): „Iller, ist der Mones zuhause?“ „ Nein, er ist auf dem Goßberg und begießt die Pflanzen!“ (Bild 28).

 

23. Denkmal Ausrufer:

Das Denkmal wurde errichtet zur Erinnerung an den letzten Frankenberger Ausrufer. In der Nähe: im Straßenpflaster ist ein Wappen der Stadt Frankenberg eingearbeitet (Bild 29).

 

24. Kloster St. Georgenberg (auf der Rückfahrt zu sehen):

Die Ursprünge des Klosters liegen in Butzebach, sechs Kilometer nördlich von Frankenberg. Im Rahmen der Frömmigkeitsbewegung stiftete 1242 Konrad von Itter ein Nonnenkloster des Zisterzienserordens im einsamen Nuhnetal. Es zeigte sich jedoch sehr schnell, daß diese Klosterstiftung nicht lebensfähig war. Konrads Söhne Reinhard und Konrad kamen mit Landgraf Heinrich von Thüringen, der deshalb mit seiner Gemahlin nach Frankenberg gekommen war, überein, das Kloster in die Nähe und unter den Schutz eines landgräflichen Ortes zu verlegen.

Ausgewählt wurde der Bereich der Wüstung Hadebrandsdorf an der Einmündung der Nemphe in die Eder vor den Toren der um 1233 gegründeten Frankenberger Altstadt. Erbaut wurde das Kloster ab 1245, doch wurde auch nach dem Einzug der Nonnen im Jahre 1249 noch jahrelang weitergebaut.

 

Das Kloster führte die Namen der Heiligen Georgius und Maria und wurde meistens St. Georgenberg genannt. Der Name Georg erinnert an einen frommen römischen Offizier, der im Jahre 303 bei der Christenverfolgung Kaiser Diokletians den Märtyrertod in Kleinasien (Türkei) fand. Obwohl das Kloster im Tal lag, wurde es Georgenberg genannt. Der Name stammt wahrscheinlich von seiner Gründung auf dem Berg am Butzebach und wurde auf die Neugründung übertragen.

Im Gegensatz zum Kloster war dessen Kapelle dem Heiligen Mauritius geweiht. Auch Mauritius war römischer Offizier gewesen und erlitt 286 den Märtyrertod, weil er sich weigerte, an einem heidnischen Opfer der Truppe teilzunehmen.

Der Zisterzienser-Orden wurde als Reformorden der Benediktiner 1098 von Abt Robert von Molesmes in Citeaux (Cistercium) unter Berufung auf die ursprüngliche Mönchsregel „Ora et labora (Bete und arbeite) gegründet. Bis 1350 entstanden über 740 Klöster. Für große Gebiete wurden die „Grauen Mönche“ zu Meistern und Lehrern für Landwirtschaft und Obstanbau, für Fisch- und Viehzucht.

Zum Aufbau und zur finanziellen Sicherung des Klosters St. Georgenberg rief 1247 als erster der Kölner Erzbischof auf. Dabei sprach er jedem, der das Kloster mit Almosen unterstützen oder an bestimmten Tagen aufsuchen werde, den Erlaß von 40 Tagen Buße zu, die den Gläubigen auferlegt worden war. Ähnliche Aufrufe erfolgten auch vom Erzbischof von Mainz.

Da Spenden auf Dauer nicht zu erlangen waren, bemühte sich das Kloster Landbesitz zu bekommen. Zum wertvollsten Besitz entwickelte sich der Hof Rodenbach (jetzt Stadtteil von Frankenberg), den das Kloster 1297 erwerben konnte. Weitere Einnahmen konnte das Kloster ab 1254 durch Übernahme des Patronats der Frankenberger Stadtkirche erzielen.

Um die Aufnahme in das Kloster suchten in erster Linie Töchter des Adels und des wohlhabenden Bürgertums nach. Zunächst war die Aufgenommene ein Jahr Novizin. Danach erfolgte die endgültige Aufnahme und Einkleidung durch den Probst. Die Leitung des Klosters lag in den Händen der Äbtissin. Die Höchstzahl der Schwestern wurde vom Erzbischof 1308 auf 36 festgesetzt.

Im Jahre 1392 wurde dem Kloster das Patronat der Pfarrkirche von Frankenberg entzogen und den Johannitern in Wiesenfeld übertragen. Die alte Klosterzucht geriet immer mehr in Auflösung. Schon 1444 war dem Erzbischof von Mainz zu Ohren gekommen, daß der Frankenberger Konvent von der Ordensregel abgewichen war. Weder Männer noch Frauen beachteten die Klausur. Im Jahre 1452 sank die Zahl der Nonnen auf sechs.

Im Jahre 1487 stellte Landgraf Wilhelm I. die nicht mehr eingehaltene Klausur wieder her und holte Nonnen (Augustinerinnen?) aus Westfalen, die den verfallenen Konvent wieder mit neuem Leben erfüllten. Im Jahre 1517 hatte das Kloster 51 weibliche und 7 männliche Insassen, was wohl die Wirtschaftskraft überschritt und erneut zum Niedergang führte.

Das Ende kam 1526 mit der Einführung der Reformation in Hessen. Im Gegensatz zu vielen anderen Klöstern wurde es jedoch nicht sofort geschlossen. Soweit die Schwestern das Kloster nicht freiwillig verließen (bis 1538 = 12), konnten sie bis zum ihrem Tode im Kloster verbleiben. Erst nach dem Tode der letzten Nonne im Jahre 1581 erlosch das Klosterleben St. Georgenbergs. Das Inventar, die Gebäude und den Grundbesitz eignete sich der Landgraf an um andere soziale und kulturelle Leistungen zu vollbringen. Während das Silber eingeschmolzen und der landwirtschaftliche Grundbesitz verkauft wurde, blieben die Klostergebäude in seinem Besitz. Vom Nachfolger, dem Lande Hessen kaufte sie der Landkreis Frankenberg im Jahre 1956.

Die Baulichkeiten nutzte der Landgraf für seine Zwecke. Schon 1539 hören wir vom Förster in Georgenberg. Sechsmal (zwischen 1530 und 1611) siedelte die Marburger Universität auf der Flucht vor der Pest nach Frankenberg und nahm auch Quartier in den Klostergebäuden. Im Jahre 1588 wohnte der Rentmeister im Kloster 1608 wurden eine Audienzstube eingerichtet und weitere Umbauten vorgenommen. Die landgräfliche Verwaltung zog ein. Aus dem Kreisamt wurde das Landratsamt.

Zeitweilig waren auch das Forstamt sowie das Amtsgericht mit Gefängnis in den Baulichkeiten untergebracht. Die Frankenberger nennen die Gebäude: „Landratsamt“, obwohl es sich jetzt nur noch um eine Außenstelle der Kreisverwaltung der seit 1974 vereinigten Kreise Waldeck und Frankenberg handelt.

Seit ihrer Entstehung wurden die Baulichkeiten nicht nur bei Erneuerungen, sondern auch im Hinblick auf ihre jeweilige Zweckbestimmung immer wieder verändert. Die gesamte Anlage konnte jedoch in ihrer äußeren Form als Hufeisenanlage des 13. bis 16. Jahrhunderts eindrucksvoll erhalten bleiben. Im Rahmen der in den letzten Jahren vorgenommenen Sanierung der Gebäude wurden insbesondere im Inneren Balken und Mauerwerk freigelegt und in ausgezeichneter Weise Altes mit Neuem verbunden.

Der architektonisch bedeutungsvollste Nordflügel enthält an seiner Ostseite die spätromanische einschiffige Mauritiuskapelle aus der Gründungszeit mit schmalen Rundbogenfenstern und westlich davon den Kreuzgang mit spätgotischen Fensterbögen und im Obergeschoß das Dormitorium (Schlafsaal) mit kleinen Rechteckfenstern. Nach der Auflösung des Klosters diente dieser Gebäudeteil als Zehntscheune. Nach der Reformation von der landgräflichen Verwaltung genutzt, danach Landratsamt und Kreisheimatmuseum.

Von 1659 bis 1662 bildete sich in Frankenberg eine reformierte Kirchengemeinde, die bis zur Herrichtung der Hospitalkirche im Jahre 1679 ihre Gottesdienste in der Mauritiuskapelle abhalten durfte. Den in Louisendorf 1688 angesiedelten Hugenotten diente die Mauritiuskapelle bis zur Fertigstellung ihres eigenen Gotteshauses im Jahre 1702.

Im Nordflügel mit Mauritiuskapelle wurde seit 1952 das Kreisheimatmuseum in einem Rahmen untergebracht, wie es bei einem Museum nur ganz selten möglich ist. Ein Besuch im Museum lohnt sich nicht nur wegen der außergewöhnlichen Exponate, sondern auch zur Besichtigung des alten Bauwerks: Dienstag und Freitag von 10 bis 12 Uhr, Mittwoch von 15 bis 17 Uhr und Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Sondertermine für Gruppen können mit der Museumsleitung während der oben genannten Zeiten unter der Tel.-Nr. 06451/743-672 vereinbart werden.

Vom Obermarkt in die Linnertorstraße fahren und links abbiegen in die Gadengasse (Hexenturm) und dann in die Bremer Straße. An deren Ende rechts herum und geradeaus über die Kreuzung. Links liegt das St. Georgenkloster. Dann aber gleich rechts in Richtung Schreufa.

 

Wildpark Frankenberg, Am Goßberg (Richtung Schreufa)

Füttern und Streicheln erwünscht, jedenfalls wenn man sich traut. Die Tiere kennerlernen und auch- einmal streicheln - das ist im Wildpark Frankenberg jederzeit möglich. Die Tiere laufen frei, ohne störende Zäune innerhalb des Parks. Nur das Schwazwild, die Bergziegen und die Steinböcke sind eingezäunt. Der Wildpark ist rund ums Jahr und zu jeder Tageszeit bei freiem Eintritt geöffnet. Im Frühjahr ist die Zeit der Geburt der Mufflonlämmer und im Juni für die Geburt der Damm- und Rotwildlämmer. Die Rotwildbrunft ist in jedem Jahr ein Erlebnis, und die kleinen Besucher werden sowieso ihre eigenen Entdeckungen hier im Wildpark machen.

Der Blick ins nahe Edertal und hinüber zur Altstadt mit Liebfrauenkirche und zehntürmigem Rathaus gehört auch zu den Attraktionen im Wildpark Frankenberg. Der bekannte Ederhöhenweg führt durch den Park und erlaubt die Tierbeobachtung hautnah.

Für Kinder ein aufregendes Abenteuer, für Erwachsene ein Raum für Muße und entspanntes Beobachten. Ein zwei Kilometer langer Weg führt durch den Park. Wenn man dem Naturlehrpfad folgt, dann wird man an vier Stationen im Wildpark an Lehrtafeln Informationen über die Natur im Ederbergland vorfinden.

Ein täglicher Höhepunkt ist immer wieder die Fütterung um (?) Uhr. Aber natürlich können auch die Besucher selbst die Tiere mit kleinen Leckerbissen locken. Futtertüten kann man auch am Eingang kaufen. Bitte nur mit diesem für die Tiere gut verträglichen Futter füttern. Man nehme sich etwas Zeit, genieße den herrlichen Baumbestand im Park, denn zur

Tierbeobachtung braucht es manchmal ein wenig Geduld.

Parkmöglichkeiten gibt es beim Eingang auch für Busse, Behindertengerechte Zufahrten. Gruppenführungen sind jederzeit möglich, Anmeldungen bitte bei: Stadtverwaltung Frankenberg, Obermarkt 7 -13, 35066 Frankenberg, Telefon 064 51/ 50 50

 

Sachsenberg:

Nach dem großen Stadtbrand im Jahre 1889 findet man eine wunderschöne restaurierte Altstadt mit zahlreichen schmucken Fachwerkhäuser sowie Reste der historischen Stadtmauer an. Die Altstadt bietet auch das richtige Ambiente für das jährliche im August stattfindende Altstadtfest. Gästebetten stehen in einem Hotel sowie zahlreichen Pensionen und Gasthöfen zur Verfügung. Sachsenberg bietet neben Fürstenberg als neueste Form der sportlichen Fortbewegung das „Nordic-Walking“ an (949 Einwohner).

 

Neukirchen:

Man fährt nicht in das Dorf hinein, sondern biegt nach rechts nach Dalwigkstal ab. Ferien auf den Bauernhof werden hier besonders groß geschrieben. Insbesondere Reitfreunde finden hier ein Zuhause. Gasthöfe, Pensionen und Ferienwohnungen laden den Gast zum Verweilen ein. Auf markierten Wanderungen im Sommer und Loipen im Winter lohnen sich ausgedehnte Spaziergänge oder Touren in die angrenzenden Täler und Wälder. Verkehrsvereine und die örtlichen Vereine bieten den Gästen eine Vielzahl von Veranstaltungen an (483 Einwohner)

 

Münden:

Im Jahre 1028 bestätigt Kaiser Konrad, daß der Abt von Kloster Corvey der Matrone Alvered den Hof zu Gimundia zur lebenslangen Benutzung gegeben hat. Damit wird Münden erstmals urkundlich erwähnt. Am Ende des 13. Jahrhunderts verpfändet Kloster Corvey dem Grafen Otto von Waldeck das Amt Münden. In einem Streit zwischen Corvey und den Waldecker Grafen wird Münden im Jahre 1321 durch Schiedsspruch den Grafen zugesprochen.

Graf Heinrich von Waldeck ist es, der den Ort 1336 dem Grafen Johann von Nassau als Mitgift seiner Tochter Elisabeth verpfändet. Seit 1473 gehört Münden, das bis dahin Sitz eines Corveyschen und später Waldeckischen Amtes gewesen ist, zum von Dalwigkschen Amt Lichtenfels.

In den von 1533 andauernden Fehden und Grenzstreitigkeiten zwischen Kurköln und Waldeck beanspruchen die Kurfürsten auch das Dorf Münden. Die Einwohner werden vor das kölnische Gericht in Medebach gefordert, doch wird ihnen das Erscheinen dort von den Herren von Dalwigk untersagt. Im Jahre 1633 verzichtet Kurköln dann in einem Vergleich mit den Grafen von Waldeck auf die Ansprüche auf Dorf und Amt Münden (420 Einwohner).

Wenn man nach Dalwigkstal weiterfährt, sieht man schon von weitem über dem Ort die Burg Lichtenfels. Zufahrt nur von der Straße nach Sachsenhausen her).

 

Fürstenberg:

Die ehemalige kleinste Stadt Hessens gewährt ihren Gästen einen herrlichen Ausblick auf die Höhenzweige des Ederberglands und des angrenzenden Sauerlands. Östlich liegt die Ruine Fürstenkirche. Hotels, Gasthöfe, Ferienwohnungen und Pensionen laden den Gast ein, einmal das historische Igelfest mitzufeiern oder im Tiermuseum die Natur kennenzulernen. Die zahlreichen schmucken Fachwerkhäuser und Gäßchen runden die gemütliche Idylle des Ortes ab. Neben Sachsenberg wird auch hier neuerdings „Nordic-Walking“ ganz groß geschrieben (474 Einwohner).

 

Im Orketal südlich von Fürstenberg liegt das Hofgut Rechenberg

 

Buchenberg:

Der Ort liegt auf den Höhen der Ederberge und verfügt über zwei Gasthäuser und mehrere Ferienwohnungen und einem Netz gut ausgebauter Wanderwege. Vom Estenberg (nördlich) bietet sich ein herrlicher Ausblick ins Edertal (378 Meter, 430 Einwohner). Die Fahrt geht das Ittertal aufwärts und dann geht es kurz vor Thalitter nach rechts nach Marienhagen.

 

Marienhagen:

Die höchstgelegene Ortschaft der Großgemeinde Vöhl ist ein staatlich anerkannter Erholungsort. Das wohl schönste Landschaftspanorama auf die Sauerlandberge im Westen und das Hessische Bergland im Osten ist von der Hochfläche zu bestaunen. Mehrere Gastwirtschaften, hochwertige Ferienwohnungen, eine Pension und ein kleines Schwimmbad in schöner Lage stehen dem Gast zur Verfügung. Im „Treffpunkt“, dem neuen Dorfgemeinschaftshaus, gibt es seit 1999 einen Dorfladen. Ein Steinbett aus der jüngeren Steinzeit und mehrere Hügelgräber aus der Bronzezeit sind Zeugen der Vor- und Frühgeschichte. Südwestlich ist die Ruine Frankenkirche und noch weiter südlich am Edersee die Ruine Ehrenburg (nur zu Fuß zu erreichen) (400 Meter, 883 Einwohner).

 

Der Weg nach Battenberg mit seinem Bergwerk und nach Hatzfeld dürfte etwas weit sein:

In Battenberg (südwestlich von Frankenberg) kann man im Burgbergstollen und im Stadtmuseum auf den Spuren des historischen Manganerz-Bergbaus wandeln. Der Ort ist übrigens Stammort der Mountbattons in England.

Das Bild der Altstadt von Hatzfeld ist geprägt durch bemerkenswerte Fachwerkhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Erasmuskapelle (?) beherbergt ein wahres Kleinod: die reich verzierte barocke Rindt-Orgel, eines der ältesten noch bespielbaren Instrumente in Hessen. Ein Wald- und Vogellehrpfad informiert über die einheimische Fauna und Flora. In Hatzfeld-Lindenhof kann man das kleinste Gotteshaus bestaunen.

 

 

Bad Arolsen und Umgebung

 

Bad Arolsen:

Das einstige Fürstentum Waldeck liegt mitten im Herzen der Bundesrepublik. Heute wird es „Waldecker Land“ genannt. Bad Arolsen ist die Residenzstadt des ehemaligen Fürstentums.

Da die Stadt nach fürstlichem Willen auf dem Reißbrett entstand, ergibt sich auch heute noch eine Einheitlichkeit von Schloß, Kirche und Bürgerhäusern, die den besonderen, unverwechselbaren Reiz von Bad Arolsen ausmacht. Man fährt in Richtung Stadtmitte, rechts ist das Schloß, links geht es in die Schloßstraße. Diese fährt man entlang, umrundet die Kirche und biegt dann irgendwo links ab, wo man zur großen Allee kommt (vier Reihen Linden). Man kommt wieder heraus aus der Stadt, jetzt in Richtung Landau und Wolfhagen (Bilder 60-63).

 

Schloß:

Die Anlage des fürstlichen Barockschlosses ist dem Schloß von Versailles nachempfunden. Einst gab es hier nur das Nonnenkloster Aroldessen, bis Graf Anton Ulrich von Waldeck im Jahre 1710 den Bau für die neue Barockresidenz beginnen ließ. Mit dem Schloß entstand gleichzeitig auch eine ganz neue Stadt: Arolsen, heute Bad Arolsen. Das alte Geschlecht der Grafen zu Waldeck und Pyrmont wollte damals endlich einen zeitgemäßen repräsentativen Sitz. Die dreiflügelige Schloßanlage sollte als ein barockes Prachtgebäude die Ansprüche auf einen erblichen Fürstentitel unterstreichen und der Schmuck der Fassaden den Ruhm des Hauses Waldeck verkünden. Im Barockschloß, das der Öffentlichkeit teilweise zugänglich ist, wohnen bis heute die Nachfahren der fürstlichen Familie.

Das Schloß wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaut. Typisch barock. In seinem Innern: leuchtende Festlichkeit. Orientiert an den ganz großen Vorbildern mit Versailles an der Spitze repräsentiert es Glanz und Pracht einer kleinen deutschen Residenz. Die Waldecker waren von Grafen zu Fürsten geworden – und der neue Status verlangte eine entsprechend aufwendige Hofhaltung.

Heute kann man das Schloß besichtigen, sich die Geschichten der Fürsten, ihrer Familien und ihrer Interessen erzählen lassen. So zeigt ein Gemälde den Sohn des Erbauers, Fürst Carl, als Feldherr im Türkenkrieg: ganz aristokratischer Herrscher in Siegerpose. Daneben seine Frau Christiane: sie hatte andere Interessen, man zeigt sie mit einem Buch in der Hand. Sie beschäftigte sich mit Naturkunde, legte ein Naturalienkabinett an.

Und sie sammelte seltene und besondere Bücher – etwa ein siebenbändiges Werk über die Muscheln aller Weltmeere, erschienen in einer Zeit, in der man weniger als heute unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft.

Auch wenn viele kostbare Bücher in der Mitte des neunzehnten Jahrhundert aus Geldnot verkauft wurden, so stehen heute in den vier Räumen der Hofbibliothek doch immer noch 35.000 Bände, erworben von der fürstlichen Familie, die zeitweise sogar Geld aus der Kriegskasse für Bücher beiseite legte. In fast bürgerlicher Pose – ohne Rüstung oder Uniform – wird Fürst Friedrich dargestellt, der die meisten Bücher erworben hat.

Nahezu einmalig heute: der Bestand an Reiseliteratur: 75 laufende Meter; dazu die Klassiker, Geschichte und Kunst. Über die Kasseler Universitätsbibliothek stehen die Bücher zur Einsicht und Auswertung zur Verfügung. Die Räume selbst sind nicht öffentlich. Wer sich durchs Schloß führen läßt, hat dennoch genug zu sehen. Etwa den rosa Salon, ausgestattet mit den Empire-Möbeln eines Arolser Hofschreiners und kostbaren Gemälden von europäischem Niveau. Oder das Zimmer der niederländischen Königin Emma, der Waldeckschen Fürstentochter, die auch später von Holland aus noch oft in Arolsen zu Gast war. Mit dem Emmazimmer und einer gedeckten Tafel im Speisesaal reichen die Beispiele fürstlichen Lebens und Wohnens im Arolser Schloß bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts hinein.

Im Sommer 2008 jubelten viele Gäste, als Königin Beatrix das Schloß in Arolsen besuchte. Sie war gekommen, um mit ihren Waldecker Verwandten den 150. Geburtstag ihrer Urgroßmutter, der in ganz Holland unvergessenen Königin Emma, zu feiern. Denn die war eine Waldecker Fürstentochter und ist im Schloß von Arolsen aufgewachsen.

Im Marstall des Schlosses hat die Stadt ihrem berühmten Sohn, dem großen klassizistischen Bildhauer Christian Daniel Rauch, ein eigenes Museum eingerichtet.

Kontakt und Information: Schloß Arolsen, Stiftung des Fürstlichen Hauses Waldeck und Pyrmont, Schloßstraße 27, 34454 Bad Arolsen.

Tel.: 05691 - 895526 (Buchung einer Führung) und 05691 - 89550.

Fax.: 05691 - 3046, E-Mail: information@schloss-arolsen.de

Öffnungszeiten für Schloßführungen und für die Waffenausstellung:

01. Mai - 30. September täglich zwischen 10.00 Uhr - 16.00 Uhr (letzte Führung)

April und Oktober täglich, außer montags, zwischen 10.00 Uhr - 15.00 Uhr (letzte Führung)

November bis März . Samstags und mittwochs um 15:00 Uhr und sonntags um 11:00 Uhr

 

Festspiele:

Festlicher Höhepunkt eines jeden Sommers sind die Bad Arolser Barock-Festspiele im „hessischen Versailles“. Sie rücken in jedem Jahr ein anderes europäisches Land in den Mittelpunkt und gelten über die Landesgrenzen hinaus als eine grandiose Inszenierung höfischen Lebens dieser Epoche. Rainer Böttcher, der Leiter der Kleinen Hofkapelle in Bad Arolsen, hat sich zum Ziel gesetzt, Werke der Hofmusik aufzuführen, wie sie in der Zeit von 1706–1806 am Arolser Hof gespielt wurden.

 

Markt:

Ein nicht weniger beliebtes Spektakel, das sich die Waldecker keineswegs nehmen lassen wollen, ist ihr Kram- und Viehmarkt an vier Tagen im August. Seit etwa 1730 gibt es diesen Markt schon. Früher trieben die Waldecker Bauern ihre Tiere zusammen und es wurde gekauft und verkauft. Und das ist heute nicht viel anders.

 

Bierbrauerei:

In Bad Arolsen findet sich auch die älteste Bierbrauerei des Waldecker Landes. Auch das Bad Arolser Hofbrauhaus gehörte einst zum fürstlichen Besitz, doch davor haben hier schon Augustiner-Nonnen im 12. Jahrhundert Bier gebraut. In der Fastenzeit, so erzählt man, haben sie sich allein von diesem „flüssigen Brot“ ernährt.

Heute ist die Brauerei ein Familienbetrieb, der das Bier noch immer nach dem Reinheitsgebot von 1516 braut. Ein großer Teil des Waldecker Bieres wird in Flaschen abgefüllt und mit Kronkorken automatisch verschlossen. Etwa 1.000 Hektoliter werden hier monatlich gebraut und noch gelingt es dieser mittelständischen Privatbrauerei, sich gegen die Konkurrenz der Großen erfolgreich zur Wehr zu setzen.

 

Künstler aus Bad Arolsen: Bildhauer Christian Daniel Rauch:

Die Stadt Bad Arolsen ist bis heute ein „Juwel“ barocker Stadtplanung. In den Häusern beim Schloß lebten die Lakaien und Zofen, die Köche und Handwerker. Und die kunstfreudigen Fürsten haben so manches Talent gefördert. Einem der großen Söhne Arolsens ist ein ganzes Museum gewidmet, dem Bildhauer Christian Daniel Rauch. Für seine Werke hat man im ehemaligen Pferdestall des Schlosses, im Marstall, einen ganz besonderen Ausstellungsraum gefunden. Im Mittelpunkt steht ein Abguß seines berühmten Grabmals für die preußische Königin Luise. Daneben: ein Modell des imposanten Reiterstandbildes Friedrichs des Großen, das bis heute die Prachtstraße „Unter den Linden“ in Berlin prägt.

In Arolsen, wo der Vater als Lakai bei den Fürsten im Schloß arbeitete, hatte der kleine Christian früh höfisches Leben kennengelernt. Die Ausbildung zum Schöpfer klassizistischer Büsten erhielt Rauch in Arolsen und Kassel: Doch dann kam Berlin: und er wurde als Bildhauer ein begnadeter Darsteller des preußischen Hofes.

Kontakt und Information: Christian Daniel Rauch-Museum, Marstall, Schloßstraße 30,

34454 Bad Arolsen, Tel. (05691) 62 57 34, Fax (05691) 8 06 67 64, Mail: info@museum-bad-arolsen.de, www.museum-bad-arolsen.de. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 14 bis 17 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung (05691 / 625 734), 25. und 26. Dezember und Neujahr von 14 bis 17 Uhr geöffnet

 

Das Haus des Stammvaters Kaulbach:

Berühmt geworden ist auch die weit verzweigte Malerfamilie Kaulbach aus Bad Arolsen. Das Haus, in dem der „Stammvater“ seine Schreinerwerkstatt für fürstliche Möbel hatte, steht noch heute. Dort wurde Wilhelm Kaulbach geboren, der später bayerischer Hofmaler war und sogar geadelt wurde. Große Historiengemälde hatten Wilhelm im 19. Jahrhundert berühmt gemacht. Seine geistreichen und bissigen Illustrationen zu Reineke Fuchs von Goethe sind bis heute nicht altmodisch geworden. Wenn auch die meisten Werke der malenden Kaulbachs den großen Museen gehören - in Bad Arolsen erinnert man sich an sie und im Museum der Stadt, dem Schreiber’schen Haus, findet man viele ihrer Bilder.

Etwa ein Selbstportrait von Friedrich Kaulbach. Auch er wurde in Arolsen als Schreinersohn geboren. Mit nur 34 Jahren aber war er schon Hofmaler bei König Georg dem Fünften in Hannover. Später reiste er als Portraitmaler durch Europa – schöne reiche Damen ließen sich von ihm malen. Schöne Frauen malte auch sein Sohn und Schüler Friedrich August Kaulbach. Er wurde sogar der „Maler der schönsten Frauen aller Länder“ und der „Malerfürst“ genannt. Zahlreich sind die Kinderportraits der Kaulbachs. Oft standen die eigenen Kinder Modell, aber auch viele reiche Bürger ließen damals ihre Kinder malen, so wie es sich vormals nur Adlige leisten konnten.

Den kleinen Museumsbesuchern von heute gefällt auch noch immer das „Kaulbachalbum“, das Wilhelm von Kaulbach 1861 herausgegeben hat. Satirische Fabeln, Geschichten und Märchen in Bildern wie die „Völkerschlacht der Frösche“. Mindestens so bekannt wie Wilhelm Busch war Wilhelm von Kaulbach zu seiner Zeit.

Kontakt und Information: Museum Bad Arolsen, Kaulbachhaus, Kaulbachstraße 3

34454 Bad Arolsen, Tel. (05691) 62 57 34, Fax (05691) 8 06 67 64

Öffnungszeiten: April bis Oktober, Mittwoch, Samstag und Sonntag von 14.30 Uhr – 17.00 Uhr und nach Vereinbarung. Eintrittspreise: 2,00 €, ermäßigt 1,00 €.

 

Schmillinghausen (nördlich von Bad Arolsen)

Das Waldecker Land ist kein prominentes Gebiet unter den deutschen Urlaubslandschaften. Umso spannender sind dann die großen und kleinen Entdeckungen: das kleine Dörfchen Schmillinghausen, unweit von Bad Arolsen. 400 Einwohner, ein Kirchlein.

Auf dem Dorffriedhof hat man im Dezember 1996 die Schriftstellerin Christine Brückner beerdigt, die vor allem mit ihren Romanen „Jauche und Levkojen“ und „Nirgendwo ist Poenichen“ berühmt geworden ist. Sie hat einmal geschrieben: „Ich stamme aus dem ehemaligen Fürstentum Waldeck, da steckt der Wald schon im Namen: 'Mein Waldeck! Mein Waldeck lebe hoch!' heißt es im Heimatlied der Waldecker, und „grün und blüh gleich deiner schönsten Eiche, stürmt es auch im Osten oder West“. Seit ich das Lied kenne, ist der Sturm oft von unserem Land ausgegangen. Wenn man mich fragt, was ich sein möchte, wenn nicht ein Mensch, dann sage ich: „Ein Baum! Ich bin pathetisch, wenn es um den Wald geht, um die Erde: Bäume haben immer recht.“

 

Das Weihnachtshaus der Traute Winkler in Volkmarsen Schmillinghausen. Zu sehen sind Weihnachtskalender, aus unterschiedlichen Ländern, und Adventskränze. Dazu wird die Geschichte dieser vorweihnachtlichen Schmuckstücke vorgestellt.

Information: Schmillinghäuserstraße 12, Volkmarsen-Schmillinghausen, Telefon: 05691-50518, Öffnungszeiten: Di - Sa: 10 bis 18 Uhr; So und Feiertage 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 1 Euro, Kinder 50 Cent.

 

Neu-Berich:

Bei der zwangsweisen Umsiedlung bei Bau der Sperrmauer haben die Bewohner ihre Kirche mitgenommen. Ihre Häuser haben sie darum herum gebaut (Am Fachwerk sieht man, daß es kein altes Fachwerk ist). Auf zwei Steintafeln in der Kirchhofsmauer sind seit 1996 die Namen der Gründerfamilien aus Berich und Bringhausen aufgeführt (Bilder 50-53).

 

Twistesee

Der Twistesee liegt östlich von Bad Arolsen. Ein Spaziergang bedeutet eine gute Stunde zu Fuß laufen und sich den Wind um die Ohren wehen zu lassen. Am nördlichen Ende ist die Staumauer mit einem großen Parkplatz und einem Freizeitgelände. Die „Wetterburg“ liegt am Twistesee im schönen Waldecker Land und kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Hinter dicken Sandsteinmauern befindet sich unser gemütliches Restaurant und Wirtshaus mit reichlich Platz für 120 Gäste. An der Straße nach Wolfhagen kann man auch den See überqueren und an der Ostseite auf einem (gebührenpflichtigen) Parkplatz parken.

 

Landau

Die Stadtkirche ist aus dem 13. -16. Jahrhundert. Anfangs bestand im östlichen Teil über der Krypta die romanische Kapelle St. Marien, die 1901 geschlossen wurde. Die Kirche wurde später erweitert zur gotischen Hallenkirche St. Georg, den Turm erhielt sie 1550. Es gab im Laufe der Jahrhunderte mehrere Veränderungen des Inneren (Bilder 70-74).

Die Wasserkunst von 1535 (südlich um die Stadt herumfahren): Im Jahre 1534 erhielt der Schmied Bartolomäus Pfeiffer den Auftrag, eine Wasserleitung zu bauen, damit das Wasser im Marktkump ständig sprudelt. Pfeiffer verlegte eine Wasserleitung vom Markt bis ins Wattertal, baute dort eine Pumpe, die durch ein Wasserrad angetrieben wurde.

Die über Jahrhunderte erhalten gebliebenen technischen Bauwerke beeindrucken noch heute die vielen Besucher. Die Wasserkunst ist jeden Sonntag (Mai bis Oktober) von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Vor der Wasserkunst liegt eine Eichenwelle aus der Wetterburger Sägemühlen, die bis 1975 in Betrieb war und 1982 restauriert wurde. Das „Schäferkreuz“ ist ein Sühnekreuz für einen Mord. Nach der Sage ermordete ein Schäfer seinen Bruder, ebenfalls ein Schäfer, hinterhältig aus Neid. Er ertränkte ihn in einem Teich im Bereich der später dort gebauten Wasserkunst. Nach einem Aktenstück des Staatsarchivs Marburg: Hermann Kistner erschlug Henze Windut. Güteverhandlung beider Familien am 12. November 1507 mit dem Wunsch der Familie Windut, zur Sühne ein Steinkreuz zu errichten. Über Elleringhausen und Niederwarolden geht es zurück (Bilder 75-78).

 

Dehringhausen:

Erstmalig wird der Ort 1352 bei einem Streit zwischen dem Kloster Netze und den Dorfleuten von Dehringhausen erwähnt. Er liegt in einem nach Westen geöffneten Talkessel auf einer Anhöhe inmitten von Feldern und Wiesen, umgeben von bewaldeten Höhen. Er wird überragt von seiner Kirche, die unten sehr mächtig ist, aber oben in einer schmalen runden Spitze ausläuft. Die Landstraße führt in schwingenden Kurven durch das malerische Dorf und hebt dem Beschauer die weitläufige Dorfanlage hervor, in der die von Wiesen, Gärten, Baum- und Strauchbewuchs umgebenen Gehöfte eingebettet liegen (187 Einwohner). Im Dorf muß man erst rechts abbiegen und dann gleich links weiterfahren.

 

Freienhagen:

Der Ort (980 Einwohner) verfügt neben einem Freibad über ein ausgedehntes Wanderwegenetz. Ferienwohnungen, Gasthäuser, Pensionen, Einkaufsmöglichkeiten, eine Tankstelle mit Autowerkstatt und ein Friseur befinden sich hier.

 

Östlich von Freienhagen an der Straße nach Ippinghausen liegt das Gut Höhnscheid, ein Hotel, in dem von Montag bis Freitag immer Tagungen sind und am Wochenende ist dort der baltische Adel zu Gast.

 

 

Wolfhagen und Umgebung

 

Naumburg:

Das in Nordhessen gelegene Naumburg befindet sich im Westteil des Naturparks Habichtswald östlich des Langen Walds und wird vom Eder-Zufluß Elbe durchflossen. Die höchste zu Naumburg gehörende Erhebung ist der südwestlich der Kernstadt (283 Meter) im Naumburger Stadtwald (Teil des Langen Walds) befindliche Sandkopf (450 Meter). Durch Naumburg führt ein Abschnitt der Ferienstraße Deutschen Fachwerkstraße.

Im 2. Jahrtausend v. Chr. belegt die rituelle Nutzung des Riesensteins am Heiligenberg die frühe Besiedlung der Gegend. Naumburg wurde im Jahre 1170 erstmals urkundlich erwähnt und war seither eine Ackerbürgerstadt, die bis 1802 dem Erzbistum Mainz gehörte. Dadurch wurde die Stadt nach der Reformation zur katholischen Enklave in der protestantischen Landgrafschaft Hessen. Auch die Gegend um das heutige Elbenberg und die alte Burg Elberberg waren bis ins 15. Jahrhundert kirchlicher Besitz; sie gehörten dem Stift St. Alban vor Mainz, das die Herren von Elben als Vögte in der Elber Mark einsetzten.

Als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 wurde Naumburg mit den anderen ehemaligen kurmainzischen Enklaven Fritzlar, Amöneburg und Neustadt zum Fürstentum Fritzlar vereinigt und der Landgrafschaft Hessen-Kassel unter dem zum Kurfürsten erhobenen Wilhelm I. von Hessen-Kassel einverleibt. Mit der Annexion von Hessen-Kassel durch Preußen im Jahre 1866 wurde auch Naumburg preußisch.

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die meisten Einwohner in der Landwirtschaft beschäftigt. Im 20. Jahrhundert wurden das Volkswagen-Werk in Baunatal, kleine Gewerbebetriebe und Dienstleistungsunternehmen sowie die Tourismusbranche bevorzugte Arbeitgeber. Naumburg nimmt an mehreren Natur- und Umweltschutzprojekten der Region teil und wurde 1997 von der Bundesregierung mit dem Preis Umwelt und Fremdenverkehr ausgezeichnet.

 Die Straßenzüge der historischen Altstadt weisen gut erhaltene Fachwerk-Ensembles des ausgehenden 17. Jahrhunderts auf. Die katholische Stadtpfarrkirche St. Crescentius ist eine dreischiffige gotische Basilika, die im 14. Jahrhundert begonnen wurde. Das Langhaus wurde um 1420/30 erweitert und der Westturm 1512 abgeschlossen. Nach dem großen Stadtbrand von 1684 mußte der Bau in weiten Teilen erneuert werden. Eine gotische Sandstein-Madon­nenstatue von 1340, deren anonymer Bildhauer nach ihr Meister der Naumburger Madonna genannt wird, befindet sich an der südlichen Außenfassade. Auch im Inneren der Kirche befindet sich eine gotische Marienstatue (Ende 14. Jahrhundert). Die übrige Ausstattung im neogotischen Stil stammt aus dem späten 19. Jahrhundert; die Chorschranken sowie die beiden äußeren Chorfenster datieren von 1897. Das erneuerte mittlere Chorfenster stellt in leuchtenden Farben Christus als Weltenrichter in der Mandorla dar (1991).

 

Auf dem Weg nach Wolfhagen sieht man links die Weidelsburg auf dem Weidelsberg im Langen Wald: größte Burgruine Nordhessens, erbaut im 12. Jahrhundert, südlich des Stadtteils Ippinghausen. Es gibt aber noch weitere Burgen in der Gegend:

- Ofenberg-Turm auf dem Ofenberg: (372,5 Meter), direkt östlich der Kernstadt

- Burgruine Helfenberg: erbaut Anfang 13. Jahrhundert, etwa 2,5 km östlich der Kernstadt

- Burgruine Rodersen: Erbaut Ende des 12. Jahrhunderts, etwa 4,6 km nördlich der Kernstadt (aus: Wikipedia)

 

Wolfhagen:

Man fährt in Richtung Stadtmitte und parkt in Höhe der Kirche vor oder hinter dem Rathaus. Sehenswert sind die Burgstraße (in der man sich gerade befindet) und die parallelen Straßen nördlich abwärts. Viele Häuser sind mit (allerdings nur unscheinbaren) Hinweistafeln versehen.

Die historische Fachwerkstadt direkt im Naturpark Habichtswald wurde 1231 unter Landgraf Konrad von Thüringen (Schwager der Heiligen Elisabeth) erbaut (erste urkundliche Erwähnung am 13. 8. 1231). Sie war anfangs mit Wall, Graben und Palisadenzaun umgeben. Bald wurde der Zaun durch eine Steinmauer ersetzt, die 1302 vollendet war. Sie war etwa eine Meter breit, 4 - 6 Meter hoch und hatte einen Laufgang. Es gab elf Türme, davon befanden sich vier über den Stadttoren.

Schon 1232 jedoch, als Folge des Friedensschlusses zwischen dem Erzbischof von Mainz Siegfried III. von Eppstein und dem Grafen Konrad von Thüringen, der zuvor Fritzlar verwüstet hatte, mußte Konrad die Stadt Wolfhagen von Mainz zu Lehen nehmen, mit dem Recht der Lehensfolge in männlicher und weiblicher Linie seines Bruders Heinrich Raspe und seines Neffen Hermann II. von Thüringen.

Im Jahre 1264 erhielt der Ort das Stadtrecht und ab 1302 hatte die Stadt eine vollständige Befestigungsanlage. Anfang der 17. Jahrhunderts waren Wall, Gruben und Ringmauer noch in einem guten Zustand. Bereits 1594 galt die Burg als wüst, 1606 wurde der Burgturm abgerissen.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt wiederholt stark zerstört; die wenigen Häuser, die von den Bränden verschont geblieben waren, drohten einzustürzen, lediglich die Kirche und Teile der Burg blieben erhalten. Ende des Jahres 1637 wurde die Stadtmauer wieder instandgesetzt und die St. Anna-Kirche für die Verteidigung eingerichtet. Im Jahre 1648 waren die vier Torhäuser an den Stadttoren wieder völlig zerstört. Die Stadtmauer war an vielen Stellen niedergerissen. in der Stadt standen nur noch 69 Häuser. Um sich vor umherstreifendem Gesinde zu schützen, wurden die Stadtmauer und die Stadttore notdürftig wieder hergestellt. Bis 1821 war Wolfhagen landgräflich bzw. kurfürstlich hessische Amtsstadt.

Die Stadtbefestigung hielt in der jüngeren Zeit den Waffen nicht mehr stand, sie wurde allmählich abgebaut. Die frei werdenden Bereiche sollten anderweitig genutzt werden. Im Jahre 1841 wurde die südliche Stadtmauer niedergelegt. Der dahinterliegende 12,5 Meter breite Wallgraben wurde eingeebnet, es entstanden die Landgrafenstraße und die Hagengärten

Im Jahre 1842 wurden das Teichtor und die Stadtmauer am ,,Gänsehagen“ abgerissen,

im Jahre 1843 erfolgte der Abriß der westlichen Seenlauer und der Bau der Straße „Neuer Weg“.

Die nördliche Stadtmauer mit dem Fußweg wurde von den Anliegern zur Erweiterung ihrer

Grundstücke gekauft. Im Jahre 1846 wurde das Schützebergertor abgerissen und die Stadtmauer sowie der Wallgraben bis zum Hospital eingeebnet. Es entstand die Torstraße und das erste neue Baugelände. Als einziger Turm steht heute noch der Kattenturm, aber ohne Dach. Ein Steinbild erinnert an den Wolf, der aus dem Hagen springt. Es zeigt einen Jäger, der mit gespanntem Bogen auf den Wolf zielt.

 

Von 1945 bis 1972 war sie Kreisstadt im Bundesland Hessen (Kennzeichen: WOH). Im Jahre 1992 fand der Hessentag in Wolfhagen statt. Wolfhagen war von 1965 bis 2008 Garnisonsstadt und zuletzt bis 30. Juni 2008 Heimatstandort des Panzerbataillon 64 „Die Wölfe“. Das Gelände der ehemaligen Pommern-Kaserne wird 2008/2009 demilitarisiert und wird zukünftig eine Bildungseinrichtung und mehrere mittelständische Unternehmen beherbergen.

 

Evangelische Stadtkirche:

Die dreischiffige gotische Hallenkirche aus dem 13. Jahrhundert hat sehenswerte Schlußsteine, die zusammen einen Weltgerichtszyklus ergeben. Die Orgel ist aus dem Jahr 1725, die Chorfenster aus dem Jahr 1961 von Hans-Gottfried von Stockhausen: „Fischzug“, „Abendmahl“ und „Pfingsten“. Sie wird im Volksmund auch St. Anna-Kirche genannt, was aber historisch nicht nachgewiesen ist. Sicher ist lediglich, daß in der Gründungszeit einer der vielen Altäre der heiligen Anna geweiht wurde. Daraus zu schließen, daß die gesamte Kirche ihren Namen trägt, ist nicht korrekt. Nach der letzten größeren Renovierung in den Jahren 1957 und 1958 soll die Kirche bis zum Jahr 2013 eine dringend notwendige Innenrenovierung erfahren. Der „Förderkreis Stadtkirche Wolfhagen“ arbeitet seit 2005 an der Beschaffung von Finanzmitteln (Bilder 32-33).

 

Historisches Rathaus:

Das historische Rathaus am Marktplatz (Bilder 34-35), ein dreigeschossiger mächtiger Fachwerkbau, wurde 1657 – 1659 von den Bürgern der Stadt nach der Zerstörung im 30jährigen Krieg, als dritter Fachwerkbau auf historischem Fundament. Die Einwohner mußten Naturalien liefern und Hand- und Spanndienste leisten. Die mächtigen Eichenbalken stammen aus dem naheliegenden eigenen Stadtwald. Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel steuerte 100 Gulden zum Bau hinzu. Ein besonderer Schmuck sind die 222 Margaritenornamente in den Balkenköpfen. Als Baumeister wird der Zimmermeister Georg Müller aus Helsa erwähnt (Bilder 36-37).

 

Brunnengasse:

Ende des 19. Jahrhunderts wurde Wolfhagen bereits über gußeiserne Rohrleitungen mit Quellwasser versorgt. Hausanschlüsse waren noch nicht vorhanden. Die Bürger müßten das Wasser entweder aus Kümpen oder aus den über die Stadt verteilten Ventilbrunnen in die Häuser holen. Durch Betätigen des Handhebels, der auf ein Ventil drückte, floß das Leitungswasser heraus. Je ein Ventilbrunnen befand sich an den Enden der Brunnengasse

zur Schäferstraße und Triangelstraße (Bilder 38-39).

 

Schützebergerstraße, Triangelstraße, Gerichtsstraße

 

Mittelstraße:

Im Stadtplan von 1778 wird die Verbindung zwischen dem „Neuen Tor“ und dem „Renthof“ als „Borngasse“ genannt. Eine hölzerne Röhrenleitung versorgte vier Kümpe mit Wasser: am „Neuen Tor“, Ecke Gerichtsstraße, am Rathaus und am Renthof. Der Bereich vom „Neuen Tor“ bis zum „Alten Rathaus“ wurde um 1903 in Mittelstraße umbenannt.

Am hinteren Ende (?) steht das Diemelländische Längsdielenhaus. Inschrift: „In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Diemalländisches Längsdielenhaus erbaut und verziert“. Umbauten 1936 und 1963. Renoviert August 1991 (Bild 40).

 

Burgstraße:

Das Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert (Ernhaus): hat - unter Einbeziehung einer alten Bruchsteinmauerwand - drei Stockwerke in Rähmbauweise mit mitteldeutschen Gefügefiguren und ein stattliches Treppenhaus (Bilder 41-47).

 

Burg Wolfhagen (Regionalmuseum Wolfhager Land):

Entstanden aus dem Kreismuseum des Altkreises Wolfhagen, ist das Museum seit 1980 im Renthof der Burg Wolfhagen untergebracht. Das vereinsgetragene Museum zeigt die Geschichte der Region von der Steinzeit über das Mittelalter bis zum Handwerk des 20. Jahrhunderts.

Im zweiten Haus werden die Originalabdrücke der Wolfhager Saurier, eine umfangreiche Fachwerkabteilung, eine Galerie und vor allem die europaweit größte Präsentation zu Hans Staden - dem Autor des ersten Brasilienbuches von 1557 - präsentiert. Staden war neun Monate Gefangener der Tupinambà, die Menschenfresser-Riten praktizierten.

 

Handwerkerhaus um 1700:

Das zweizonige Haus ist in Stockwerksbauweise erbaut. Giebelluke und ehemaliger Stall neben Freitreppe deuten auf für Handwerker früher notwendigen landwirtschaftlichen Nebenerwerb.

 

Roseliebhaus:

Hier wohnte Hildegard Klara Cäcilie Roselieb (geb. 18.02.1894, gest. 13.07.1985). Mit ihrem Erbe begründete sie die gleichnamige Stiftung zugunsten bedürftiger Rentnerinnen und Rentner der Stadt Wolfhagen (Februar 2000).

 

Kaufmannshaus erste Hälfte des 18. Jahrhunderts:

Das traufständiges Haus hat einen repräsentativen Hausflur. Der Stockwerksbau des 18. Jahrhunderts steht auf einem Pfeiler-Gewölbekeller aus dem 14. Jahrhundert. Auf dem Türgewände sieht man barocke Lebensbäume.

Die Alte Brauerei hat das Braurecht seit 1491, Spezialität ist das „Ur-Wolfhager“, gebraut nach einem Rezept von 1799.

 

Volkmarsen:

Volkmarsen wurde im Jahre 1155 erstmals urkundlich in einer Corveyer Zehntliste erwähnt. In einem Schutzbrief von Papst Gregor IX. wurde Volkmarsen 1233 erstmals als Stadt bezeichnet. Im Jahre 1304 verpfändete Kloster Corvey eine Hälfte der Stadt und der Kugelsburg an den Erzbischof von Köln. Die zweite Hälfte erwarb sein Nachfolger im Jahr 1440. Seit 1507 gehörte die Stadt und die Burg zum Herzogtum Westfalen, nachdem Kloster Corvey auf seine Rechte auf Rückerwerb verzichtet hatte.

Im Jahre 1802 okkupierte Hessen-Darmstadt das Herzogtum Westfalen. Dabei kam es fast zum bewaffneten Konflikt, als sich Truppen der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und von Hessen-Kassel um den Besitz der Stadt stritten. Gleichzeitig erhob der Erbprinz von Nassau-Oranien Ansprüche auf die Stadt. Zunächst konnte sich Hessen-Darm­stadt durchsetzen, bis 1806 besagter Erbprinz die Stadt erhielt, die schon ein Jahr später zum Königreich Westfalen kam und zum Sitz des sogenannten Cantons Volkmarsen wurde.

Nach dem Wiener Kongreß 1814 erhielt Preußen die Stadt, welches Volkmarsen 1817 an Kurhessen abtrat. 1866 wurde der Ort dann wieder preußisch, als Kurhessen seine Unabhängigkeit nach dem Friedensschluß aufgrund seiner Überstützung im Krieg für Österreich verloren hatte. Nachdem das Fürstentum Waldeck am 1. April 1929 dem damaligen Land Preußen angegliedert wurde, wurden die vormalig waldeckischen Ortschaften Herbsen, Hörle und weitere der Stadtgemeinde Volkmarsen zugeschlagen. Nach 1945 gehörte die Stadt zum Land Hessen. Zur Stadt gehören heute neben dem namengebenden Volkmarsen die Stadtteile Ehringen, Herbsen, Hörle, Külte und Lütersheim mit dem Naturdenkmal Hollenkammer.

 

Kulturdenkmäler und Naturdenkmäler:

- Katholische Kirche, St. Marien (Marienkirche) in der Kernstadt (gebaut um 1260)

- Wittmarkapelle St. Marien und Martin (Wüstung Wittmar), renoviert von 2000-2003. Die Wittmarkapelle zwischen Volkmarsen und Welda gelegen, ist eine Kirche mitten in der Wüstung Wittmar an der hessisch-westfälischen Landesgrenze. Die heutige Kirche wurde um 930 gebaut, vermutlich stand davor am gleichen Ort eine ältere Kirche, sie Kirche soll dreischiffig gewesen sein und ist heute nur noch einschiffig.

Die Urkirche war wahrscheinlich eine Täuferkirche, die zur Zeit der Christianisierung in der Region eine wichtige Rolle gespielt hat. Es gibt mehrere Interpretationen über den Namen Wittmar, wobei eine Version am Ort eine germanische Kultstätte postuliert. Von 2000 bis 2003 wurde die Kirche umfassend renoviert. In den Sommermonaten finden regelmäßig donnerstags Messen statt. Die Kirche ist der Mutter Gottes (St. Marien) und dem Heiligen St. Martin geweiht.

- Kugelsburg, gebaut um 1200, zerstört im Siebenjährigen Krieg

- Scheidwarte, Wartturm im Ortsdreieck Volkmarsen−Ehringen−Lütersheim

- Judenwarte, Wartturm zwischen der Kernstadt und dem Stadtteil Herbsen

- Alter Gerichtsplatz, westlich des Stadtteils Ehringen

- Hollenkammer, kleine Sandstein-Felshöhle nahe dem Stadtteil Lütersheim

- Huckershöhlen, zwischen Volkmarsen und Lütersheim

- Volkmarser Sauerbrunnen“, Mineralwasserquelle mit staatl. Anerkennung als Heilquelle (aus: Wikipedia).

 

 

Edersee Nordseite (und Waldeck)

Herzhausen:

Der Ort liegt an der Einmündung der Itter in die Eder - 27 Kilometer oberhalb der Sperrmauer, der erste Ort am Edersee. Seit der See 1915 zum ersten Mal voll gestaut wurde, lebt Herzhausen im ständigen Wechsel des Staus, vom Höchstwasserstand im Frühjahr bis zum völligen Verschwinden des Wassers im Spätsommer.

Im leeren Bett des Sees kommen zahlreiche seltene Pflanzenarten vor, die sich speziell diesem Standort angepaßt haben. Die Seefläche, die mit den angrenzenden Uferbereichen im Süden als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, bietet vielen seltenen Wasservögeln Lebensraum und ist Laichgebiet von Hecht und Zander.

Ein Ferien- und Campingpark mit eigenem Baggersee sowie ein Jugendzeltplatz ergänzen das Übernachtungsangebot, das neben Gasthöfen mit Restauration auch Privatpensionen und Ferienwohnungen umfaßt. Einkaufsmöglichkeiten, ein Café, Tankstelle mit Angelshop und Anlegestelle der Personenschiffahrt sind vorhanden (280 Meter, 460 Einwohner)(Bild 74).

Asel (Abstecher):

Wo die Straße sich teilt, geht es rechts in den Ort (das Gebäude, das wie eine Kirche aussieht, ist das Spritzenhaus) und links zur Schiffsanlegestelle und zur Jugendherberge Hohe Fahrt.

Auf dem Hagenberg über der Aseler Bucht liegt das kleine Dorf Asel. Hier fanden einige Familien aus dem untergegangenen Dorf eine neue Heimat. Noch heute besteht ein Fährverkehr zwischen beiden Seeufern. Aus der ehemaligen Kirche entstammt die Glocke aus dem 16. Jahrhundert, die noch heute zu hören ist. Asel bietet Unterkunftsmöglichkeiten in einem Gasthof mit ausgezeichneter Restauration, in Pensionen und Top-Ferienwohnungen/-häusern. Für Sportliche stehen Leihfahrräder zur Verfügung (290 Meter, 220 Einwohner).

Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees entstand ein Campingplatz auf dem Gelände eines ehemaligen Forsthauses. Bei Niedrigwasser tritt die alte Aseler Brücke zum Vorschein, die noch benutzt werden kann. Ansonsten überquert man den Edersee an dieser Stelle, indem man den Fährmann durch Schlagen eines Klöppels auf ein metallenes Sägeblatt ruft. Er setzt über und transportiert sowohl Gäste als auch Fahrräder. Von den ehemals drei Ederseefähren jeweils bei den versunkenen Dorfstellen, wurde nur die Fähre Asel erhalten (aber auch Scheid-Rehbach). Das neue Fährboot (Baujahr 2001) mit Buglandeklappe kann je Fahrt elf Personen mit Fahrrädern übersetzen. Wem die gesamte Umrundung des Sees zu weit ist, dem bietet sich hier eine interessante Abkürzung. Auch Wanderer auf dem Urwaldsteig finden hier eine ideale Verbindung. Die Fähre verkehrt von Ostern (oder Anfang April) bis Mitte Oktober, wenn der Wasserstand dies zuläßt.

In der Zeit von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr werden Sie individuell bei Bedarf auf Läutesignal, Anfrage beim Fährmann oder Anruf befördert. Im Sommer wird bei gutem Wetter auch länger gefahren. Fähre Asel Telefon 05635- 608

 

 

Vöhl:

Der staatlich anerkannte Erholungsort liegt in unmittelbarer Nähe des Edersees (zwei Kilometer) und ist Verwaltungssitz der Großgemeinde Vöhl. Ein attraktives Erlebnisbad mit Kinderbereich und einer 70 Meter langen Rutsche sowie einer großzügigen Saunalandschaft wurde neu erbaut. Verschiedene Freizeitangebote, diverse Einkaufsmöglichkeiten, Arzt und Zahnarzt, Friseur, Bank u. v. m. bieten dem Urlaubsgast ihre Dienste an (345 Meter, 1300 Einwohner)(Bild 65.70.71).

Von der Durchgangsstraße (Frankenberger Straße) geht nach Norden die Mittelgasse ab, in der rechts die wiederhergestellt Synagoge steht  (Bild 66-68). Aus dem Jahr 1682 stammt der bisher älteste Nachweis für einen Juden in Vöhl: eine Rechnung über die Kirchenrenovierung in Marienhagen, nach der Eisen für Nägel vom „Juden in Vöhl“ gekauft wurden.

Ein Einwohnerverzeichnis aus dem Jahr 1705 weist acht jüdische Familien aus. Sie hießen Stern, Rothschild, Schönhof, Kugelmann, Blum, Katzenstein und Schaumburg. Große Familien waren später auch die Kaisers, Mildenbergs, Frankenthals, Schönthals, Löwensterns, Külsheimers und Kratzensteins. Um 1840 waren 19 Prozent der Vöhler Einwohner jüdischen Glaubens.

Mindestens seit dem 17. Jahrhundert wohnten Juden in Vöhl. Wo sie vor dem Bau der Synagoge beteten und aus den heiligen Schriften lasen, ist bisher unbekannt. Am Freitag, dem 18. August 1829, wurde die Synagoge - wahrscheinlich im Rahmen des Schabbat-Gottesdienstes - eingeweiht. Ungefähr 140 Männer, Frauen und Kinder bildeten damals die jüdische Gemeinde. Ungefähr im Jahre 1881 wurde die Schule in ein anderes Gebäude verlegt. Die Synagoge wurde bis 1938 genutzt.

Durch den rechtzeitigen Verkauf an eine nicht-jüdische Familie im August 1938 entging die Synagoge der Zerstörung in der Pogromnacht am 9. November 1938. Bis 1999 wechselte das Gebäude mehrmals den Besitzer. Der Sakralraum wurde in dieser Zeit als Baustofflager und dann als Abstellraum genutzt, blieb aber fast unverändert erhalten.

Ende 1999 wurde der Förderkreis „Synagoge Vöhl gegründet“. Er erwarb das Haus und restaurierte es. Er sagt heute: „Mit der Erhaltung dieses Gebäudes halten wir die Erinnerung wach an Menschen, die über Generationen hier lebten.“ „Wir, die wir heute hier leben, bekennen uns zu dieser auch jüdischen Vergangenheit unserer Heimat. Indem wir die ehemalige Synagoge erhalten und mit neuem Leben erfüllen, setzen wir den Menschen ein Denkmal, die einst hier lebten. Die Synagoge erinnert auch an jene über 60 Männer, Frauen und Kinder aus Vöhl, Basdorf, Marienhagen und Oberwerbe, die während der NS-Diktatur ermordet wurden.“

Die Synagoge ist wieder ein lebendiger Ort geworden - ein kulturelles Zentrum der Region. Alljährlich finden im fertiggestellten Sakralraum mehrere Konzerte, Kleinkunst- und Filmabende, Vorträge und Gedenkveranstaltungen statt. In der im Haus befindlichen ehemaligen Lehrerwohnung entsteht ein Museum, in dem deutsch-jüdisches Zusammenleben in Vöhl, im Kreis Waldeck-Frankenberg und in der ganzen Region thematisiert werden soll. Es wird jüdische Kultur, Geschichte und Religion darstellen, aber auch die Geschichte der Verfolgung der Juden in Deutschland. in Europa und der Welt. Es ist uns ein Anliegen, hier zu zeigen, daß Menschen verschiedener Kultur und Religion friedlich und in gegenseitiger Achtung zusammen leben können.

Hinter der Synagoge laden drei Kunstwerke zum Nachdenken ein. Zum Gedenken an die Bevölkerungsgruppen, die nicht in die Ideologie der damaligen Machthaber paßten, wurde am 7. September 2007 das Mahnmal im Hof der Synagoge eingeweiht. Es soll erinnern an verfolgte und ermordete Juden, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung. Homosexuelle, Mißliebige aus religiösen, politischen oder kulturellen Gründen und an als asozial eingestufte Menschen.

Das Mahnmal besteht aus drei Elementen:

1. Baum der Hoffnung, ein Apfelbaum, den am 7.September 2000 Richard Rothschild und Geoffrey Baird stellvertretend für die Nachfahren ermordeter Vöhler Juden pflanzten.

2. „Sag-nein-Stein“ nahe dem Ausgang des Gartens, der darauf hinweisen soll, daß zu viele Menschen zugeschaut und mitgemacht, daß zu wenige Nein gesagt haben.

3. Skulptur „Auf der Schwelle zwischen Leben und Tod“, die die Frankfurter Künstlerin E.R. Nele geschaffen hat.

 

Wenn man die Straße weiter geht und dann nach links in Richtung Kirche abbiegt, trifft man rechts auf einen Gedenkstein zum 100.Geburtstag von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn und links auf das Geburtshaus von Fritz Henkel, dem Gründer der Henkelwerke in Düsseldorf, der auch die Henkelhalle gestiftet hat.

Die evangelisch-lutherische Martinskirche zu Vöhl feierte im Jahr 1993 zu Pfingsten  das 150jährige Jubiläum des Kirchenneubaus. Im Herbst 1843 war der Neubau des Kirchenschiffes festlich eingeweiht worden. Die Vöhler Kirche ist aber viel älter. Schon in den Jahren 1242 und 1252 wird der Priester Conrad (Conradus sacerdos) von Vöhl urkundlich erwähnt. Diese Notizen und der alte romanische Torbogen im Kirchturm weisen darauf hin, daß wahrscheinlich schon im 11. oder 12. Jahrhundert eine Kirche in Vöhl stand, eben an der Stelle, wo heute noch die Gemeinde zum Gottesdienst zusammenkommt (Bild 69).

Der Kirchturm konnte 1769 erneuert werden. Damals wurde eine Haussammlung dafür im hessisch-darmstädtischen Oberfürstentum durchgeführt. Die auf Pergament geschriebene Turmurkunde von 1769 ist noch vorhanden. Darin beißt es: „Im Namen Jesu / Unter der eben angetretenen Regierung unseres gnädigsten Landesherrn Ludwig IX., Landgrafen zu Hessen, Fürsten zur Hersfeld... ist dieser Turm zur Ehre Gottes und seines reinen Evangeliums von den vier Gemeinden Vöhl, Basdorf, Marienhagen und Asel gemeinschaftlich erbaut worden im Jahr eintausendsiebenhundertneunundsechzig am 16. März. / Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort.“

Wenn man südlich der Durchgangsstraße (Henkelstraße) in die Schloßstraße geht, ist gleich links der Schloßpark. Hier wurde  Ende des 14. Jahrhunderts eine Wasserburg unter Thilo Wolf von Gudenberg errichtet. Im Jahre 1662 wurde sie unter Landgraf Georg III, dem Mittleren, zum Schloß mit Nebengebäuden umgebaut. Bis 1676 war es Residenz des Landgrafen, später Sitz des Rates des Kreises Vöhl und des Amtsgerichts. Im Jahre 1845 wurde es wegen Baufälligkeit abgerissen. Brunnen und Mauer mit Turmresten erhalten. Hier wurde 1955/56 eine Volksschule errichtet (Bild 72).

Ein Stück weiter auf der rechten Seite aber ist das Henkelhaus, im Jahre 1926 als Turn- und Festhalle mit Jugendherberge durch eine Spende des in Vöhl geborenen Gründers der Düsseldorfer Henkelwerke, Kommerzienrat Fritz Henkel, erbaut. In den Jahren 1989/90 wurde sie bei Erhaltung der besonderen Dachkonstruktion erneuert. Heute erfolgt eine Nutzung als Fest- und Tagungszentrum (Bild 73). Eine Straße weiter Richtung Westen ist die Straße nach Asel.

 

Maislabyrinth (Juli bis Oktober):

Zwischen Basdorf und Vöhl liegt das Maislabyrinth am Edersee. Auf einer Gesamtfläche von rund 40.000 Quadratmetern steht der ökologisch abbaubare Freizeitpark am Edersee - das Maislabyrinth. Ursprünglich im Jahr 2000 angefangen mit einer Holzhütte, ist das Maislabyrinth inzwischen zu einem kleinen Freizeitpark gewachsen. Ziel ist es, den Besuchern Natur und Landwirtschaft näherzubringen und aufzuzeigen, wieviel Spaß man unter freiem Himmel haben kann. Der Freizeitpark der etwas anderen Art ist vielseitig geeignet: Ob für Klassenfahrt, Betriebsausflug, Kindergeburtstag oder den Freizeitausflug - das Maislabyrinth bietet immer ein ganz besonderes Erlebnis.

Kulinarische Genüsse und Produkte aus der Region komplettieren das Angebot. Zudem gibt es an vielen Wochenenden Sonder-Veranstaltungen, wie z.B. die Vorführung alter Handwerkstechniken oder die Halloween-Party. Obwohl es ein reines Outdoor-Vergnügen ist, eignet sich das Maislabyrinth auch für Besucher mit Rollstuhl oder Kinderwagen. Neben den vielen Attraktionen bieten wir (vor allem an den Wochenenden) viele besondere Veranstaltungen.

Öffnungszeiten: Nur Mitte Juli bis Anfang Oktober. In der Hauptsaison ist täglich geöffnet.

Kontakt: Maislabyrinth am Edersee, an der L 3086 zwischen Basdorf und Vöhl Tel.: 05635-596 oder 05635-1834 www.maislabyrinth-edersee.de

 

Basdorf:

Das Dorf verfügt über zwei Gasthäuser, eine Pension und Ferienwohnungen (auch auf dem Bauernhof). Die Fruchtweinkellerei Beranek lädt ein zu kostenlosem Probeausschank von Fruchtweinen (Wegweiser westlich der Kirche), Direktvermarkter verkaufen Produkte frisch vom Bauernhof (erst südlich der Kirche und dann links). In der Nähe des Dorfes liegt ein Campingplatz des Deutschen Kanuverbandes (368 Meter, 405 Einwohner)(Bild 64).

 

Sommerrodelbahn Edersee:

Die Rodelbahn liegt an der Straße nach Vöhl kurz hinter dem Ort Niederwerbe rechts. Sie ist ein Ausflugsziel für alle Altersgruppen, inzwischen fast ein kleiner Freizeitpark, aber ohne Eintrittspreis. Es gibt zahlreiche andere Attraktionen wie Trampolin, Euro-Bungee und Streichelzoo mit alten Haustierrassen. Die neue kunterbunte Rodelburg fasziniert junge und jung gebliebene Gäste gleichermaßen. Funbereich für den ultimativen Spaß: Ob am Riesentrampolin, bei mutigen Bungee-Sprüngen oder einer Fahrt mit dem Nautic-Jet - Spaß pur ist garantiert!

Die kunterbunte Rodelburg samt märchenhaftem Ritterturm ist absolut sehenswert. Vom Ritterturm aus kann man den tollen Ausblick ins Werbetal sowie auf die Vorbecken des Edersees genießen! An der 850 Meter langen Sommerrodelbahn zieht der  Lift 250 Meter bergauf und dann geht es auch schon so richtig los! Ob gemütlich oder mit richtig ordentlich viel Gas, Hauptsache der Fahrtwind pfeift! Lieber etwas weniger Aktion? Dann ist ein Minigolfspiel in der wildromantischen Spiellandschaft genau das Richtige, Erlebnisgolf im Steingarten (früherer Steinbruch),

Genießen Sie kleine oder große Leckereien auf der orientalischen Dachterrasse oder in unserem urgemütlichen Terrassenlokal. Von Folienkartoffeln über deftige Schnitzel und Pizza bis zur frischen Riesenwaffel. Entspannen Sie und lassen Sie einfach mal die Seele baumeln.

Hier kostet das Parken nichts! Auch der Eintritt auf unser Gelände ist frei. Die kinderfreundlichen Preise für Rodelbahn, Erlebnisgolf und die anderen Attraktionen erfahren Sie auf unserer Homepage! Bis auf den Streichelzoo ist das gesamte Gelände einschließlich der Toiletten rollstuhlgerecht gestaltet. Öffnungszeiten:

Öffnungszeiten:

Ostern bis Ende Oktober Mo-So:       11.00 bis 18.00 Uhr

Sonn- u. Feiertage - Juli u. August:  10.00 bis 19.30 Uhr

Juli bis August: dienstags und freitags Biergartenabend mit Open End.

Anschrift: 34513 Waldeck Nieder-Werbe - Telefon 05634-6646

 

Niederwerbe:

Am Vorstaubecken, das durch einen Straßendamm von der Werber Bucht des Edersees getrennt ist und das ganze Jahr über Wasser hat, liegt Nieder-Werbe. Der staatlich anerkannte Erholungsort ist ideal für die Natur liebende Familie. Hier findet jeder etwas für seinen Geschmack: ob Wanderungen auf dem Urwaldsteig Edersee oder Radfahren in den nahe gelegenen Wäldern oder Aktivitäten auf dem Edersee (Bild 60).

Alle Unterkunftsmöglichkeiten sind vorhanden, die Restaurants im Ort zeichnen sich u. a. durch die Verwendung frischer Ederseefische aus. Für die Freizeit stehen Sport- und Tennisplätze, ein Fahrradverleih und als neueste Attraktion eine Sommerrodelbahn zur Verfügung. Einkaufsmöglichkeiten, ein Geschäft für Angelzubehör, eine Tankstelle mit Campingbedarf sowie ein Fachbetrieb für Segelboote mit allem Zubehör sind vorhanden.

 

Wenn man in Richtung Oberwerbe fährt, sieht man zunächst links die Dorfstube. Hier sind

Zeugnisse der Heimatgeschichte liebevoll aufbereitet und ausgestellt. Zentrale Themen sind das dörfliche Leben am Edersee und die Entstehungsgeschichte des Edersees mit den versunkenen Orten. Die Nieder-Werber Dorfstube ist in einem alten, sorgfältig restaurierten Bauernhaus in der Ortsmitte eingerichtet. In dem unter Denkmalschutz stehenden Gebinde sind Fußböden, Lamberie und Bauteile im Original erhalten. Die Dorfstube beherbergt eine Fotoausstellung „Vom Edertal zum Edersee“ mit alten Aufnahmen vorn Bau und der Zerstörung der Edertalsperre. Desweiteren sind Bilder aus dem Dorfleben zu sehen. Führungen nach telefonischer Voranmeldung. Tel.: 0 56 34 - 860 oder 0 56 34 - 240 (Bild 61).

 

Ein Stück weiter steht die Kirche, die aus dem Tal hierher versetzt wurde. Links neben der Kirche etwas zurückgesetzt ist das Eingangstor zum Geopark („GeoFoyer“). Eine multimediale Ausstellung informiert über die Erdgeschichte und die Entstehung des Kellerwalds. Öffnungszeiten: täglich 9-18 Uhr. Hier ist der Endpunkt des Eisensteinwegs. Hier beginnt auch der Dorfweg mit Schildern an den verschiedenen Gesteinsarten (Bild 62).

 

Der Dorfpfad in Nieder-Werbe:

Entlang des Dorfpfades durch Nieder-Werbe werden die vielfältigen Beziehungen zwischen Mensch und Landschaftsgeschichte in der Region deutlich. Erste Station des Dorfpfades ist die Spurengalerie vor dem Geofoyer, die zum versteinerten Menschen führt. Spuren im Pflaster symbolisieren unsere Stammesgeschichte. Es folgen Geschichten über Steine - sei es als Baustein, Treppenstufe oder Futtertrog (Bild 63).

 

Geopfad 1:  Unsere Stammesgeschichte in Spuren:

•  Erste säugetierähnliche Reptilien traten vor 250 Millionen Jahren (Oberperm) auf. Zu den so genannten „Hundezähnern“ zählt der in der Korbacher Spalte gefundene Procynosuchus.

•  Die ersten Säugetiere erschienen vor rund 200 Millionen Jahren. Sie waren klein und lebten versteckt. Ihr Aussehen ähnelte heutigen Mäusen oder Eichhörnchen.

•  Ur-Primaten bzw. Herrentiere tauchten vermutlich vor 50 Millionen Jahren als affenähnliche Wesen auf. Aus ihnen entwickelte sich erst vor wenigen Millionen Jahren der Mensch. Erste Spuren von Homo sapiens sind in Europa 40.000 Jahre alt. Am Ende dieser Entwicklungsreihe steht der „zivilisierte“ Mensch der Gegen wart, der irgendwann in ferner Zukunft vielleicht als versteinertes Fossil entdeckt wird.

 

Geopfad 2: Naturstein - das Gesicht von Niederwerbe:

Naturstein aus der Region wird seit Jahrhunderten abgebaut und vielfältig eingesetzt. Die akkurat gearbeiteten Bögen- und Eckkonstruktionen der Nieder-Werber Kirche bestehen aus Kalkstein, der vor rund 260 Millionen Jahren  im Zechsteinmeer abgelagert wurde. Härtere und daher schwerer zu bearbeitende Grauwacken aus dem unteren Karbon (360-325 Millionen Jahre) bilden das übrige Brauchsteinmauerwerk. Wind und Wetter haben im Laufe der Zeit aus dem Gestein oxidierte Eisenverbindungen freigesetzt, so daß es rostrot und violett gefärbt ist. Das Turmdach ist mit Schieferplatten gedeckt. Im Jahre 1915 wurde die Kirche von Nieder-Werbe eingeweiht. Sie ersetzt di8 alte Kirche, die dem Edersee weichen mußte und 1912 abgerissen wurde.

 

Der Geopark GrenzWelten

Der Geopark verbindet geologisch und naturkundlich interessante Sehenswürdigkeiten der Region: Besucherbergwerke in Adorf, Willingen, am Korbacher Eisenberg, im südlichen Kellerwald und bei Battenberg/Eder sowie im weiteren Umfeld (Marsberg, Borken) geben als Relikte des früheren Bergbaues spannende Einblicke in die Gold-, Kupfer-, Eisenerz- und Braunkohlegewinnung.

Einige regionale Museen und Infozentren in Korbach, Frankenberg, Wolfhagen sowie im Kellerwald (Nationalpark) entführen in die landschaftliche Vergangenheit. Entlang des Eisensteinweges von Adorf nach Nieder-Werbe wird die Geschichte von Erzabbau und Verarbeitung lebendig. www.geopark-waldeck-frankenberg.de

Oberwerbe:

Die Klosterruine Ober-Werbe (am nordwestlichen Dorfrand) gilt als eine der schönsten Ruinen im Waldecker Land und wurde im 12. Jahrhundert auf einem hohen Rauhkalkfelsen erbaut. Die erste urkundliche Erwähnung erfuhr diese sehenswerte Ruine in den Jahren 1124/1127 (Bilder 51-55).

 

Dorfstelle Berich:

Etwa drei Kilometer vom Schloß Waldeck entfernt lag malerisch auf einen, schmalen Bergrand ober der Eder das Dörfchen Berich. Berich war ehemals ein angesehenes und reiches Benediktiner-Nonnenkloster. Der Stifter desselben war Egeloph, wahrscheinlich ein Graf von Battenberg. Erzbischof Konrad von Mainz nahm denselben 1196 in besonderen Schutz und 1205 bestätigte Kaiser Philipp von Schwaben die Stiftung des Klosters.

Als die Reformation in Waldeck Eingang gefunden und auch das Ordenspersonal sich des neuen Lehre zugewandt hatte, kam das Kloster in den Besitz der Grafen von Waldeck. Die in Berich zurückgebliebenen Nonnen wurden von dem Grafen lebenslänglich versorgt. Nachdem dieselben bis auf zwei gestorben waren, wurde das Kloster im Jahre 1577 endgültig aufgehoben und in eine Meierei umgewandelt.

Berich hatte 1895 bei der Volkszählung 157 Bewohner, nach der von 1905 dagegen nur 134. Es besaß eine Gemarkung von 532 Hektar. Außer den zwischen 1880 und 1910 angelegten Straßen nach Waldeck, Hemfurth, Bringhausen und Nieder-Werbe, wurde im Jahr 1898 noch eine massive Ederbrücke erbaut, die im Frühjahr 1899 vollendet und am 16. Juli desselben Jahres eingeweiht wurde. 26 Familien mußten beim Bau der Talsperre ihr altes Heim verlassen.

Die Bericher Kirche ist um zwei Joche verkürzt in einem Ort nahe der Twistetalsperre bei Arolsen in Neu-Berich wieder aufgebaut worden. Hier haben viele um ihr Heim gebrachte Bewohner des alten Edertals eine neue Heimat gefunden. Der alte Friedhof von Berich wurde mit einer Betondecke versehen und ist bei entsprechendem Wasserstand zu begehen (Bild 50).

Noch vor dem Knick der Straße nach Norden steht links ein kleines Schild „Modell der Sperrmauer“ und „Bericher Hütte“, sie sind auf einem Fußweg zu erreichen. Parkplatz??

 

Strandbad  Waldeck:

Die Waldecker Bergbahn stellt die Verbindung zwischen dem Edersee und dem 200 Meter über dem Edersee gelegenen Luftkurort mit Schloß Waldeck dar. Mit der Kabinenseilbahn schwebt man in wenigen Minuten hinauf auf den Schloßberg und selbstverständlich auch wieder herunter. Fahrräder kann man mit der Kabinenseilbahn transportieren.

Restaurants und Cafés laden ein zum Flanieren auf der Uferpromenade und zu kulinarischen Genießen. Das Strandbad Waldeck bietet unbeschwerten Badespaß. Nacheinander folgen Strandbad, DLRG, Segelschule. Die Welt der Sinne vermittelt Spielspaß und Erholung für Körper und Geist. Man schärft die Sinne im Kräutergarten und entdeckt den Klang von Steinen, Hölzern und Röhren. Besondere Attraktionen für die kleinen Gäste der Ferienregion Edersee sind Drehscheiben, Balancierstangen, Hainbuchenlabyrinth, Kletterwald samt Hochsitz und Rutschbahn. Der Besuch der Uferpromenade mit der Welt der Sinne ist kostenfrei.

Gleich nach der Segelschule folgt das Denkmal für das Dorf Berich (Parkplatz gleich um die Ecke). Hier sind auch Taucher damit beschäftigt, nach den Dorfresten zu tauchen.

 

 

Ederstaumauer:

Der Gigant aus der Kaiserzeit wurde in den Jahren 1908 bis 1914 gebaut, um der Weserschifffahrt und dem Mittellandkanal in den Sommermonaten ausreichend Wasser zuzuführen. Ferner dient die Staumauer der Stromerzeugung und dem Hochwasserschutz. Für das „Jahrhundertbauwerk“ wurden rund 300.000 Kubikmeter Bruchstein vermauert. Der Bau der Mauer kostete 7,5 Millionen Goldmark. Für den Grunderwerb, den Straßenbau und sonstige Nebenkosten wurden 17,5 Millionen Goldmark aufgewendet. Das Gebiet der Talsperre war sechs Jahre lang eine riesige Baustelle mit mehr als 1000 Arbeitern. Sie kamen aus der näheren Umgebung, aber auch aus Italien, Serbien, Kroatien, der Tschechei und Polen. Die Firma Philipp Holzmann AG aus Frankfurt erhielt den Auftrag zur Durchführung der gewaltigen Baumaßnahmen. Die 300 Meter lange Mauer ist an der Sohle 36 Meter dick. Nach sechs Jahren war die Mauer 1914 fertig, die Feier fiel aber ins Wasser wegen des Ersten Weltkriegs.

 

Durch den See, der das einst so idyllische Edertal zwischen Herzhausen und Hemfurth überflutete und für viele Menschen neue Existenzmöglichkeiten schuf, verloren etwa 700 Menschen ihre angestammte Heimat. Die drei Dörfer Bringhausen, Berich und Asel wurden abgetragen und versanken in den Fluten des Sees. Auch Nieder- Werbe und Herzhausen verloren mehrere Höfe und ebenso wie Harbshausen einen beträchtlichen Teil ihres fruchtbarsten Ackerlandes. Die Bewohner der Ortschaften wurden teilweise oberhalb ihrer alten Dörfer und in dem neu gegründeten Dorf Neu-Berich bei Arolsen angesiedelt. Die meisten mußten sich fern von ihrem geliebten Edertal eine neue Existenz schaffen.

 

Grund für die Errichtung der Edertalsperre war der Bau des Mittellandkanals, der als Ost-West- Wasserstraße die direkte Verbindung vom Ruhrgebiet nach Berlin ermöglichte. Sein Wasserstand wurde aus dem Flußlauf der Weser angereichert. Heute spielt der Kanal bei der Bewirtschaftung der Edertalsperre keine Rolle mehr. Eder- und Diemeltalsperre speichern das Winterhochwasser, das im Sommer als Zuschußwasser für die Weserschifffahrt genutzt wird. Daneben erfüllen die beiden Talsperren noch weitere Zwecke. Sie dienen dem Hochwasserschutz und der Erzeugung elektrischer Energie.

Bei der Errichtung der Edertalsperre dachte man nur ganz nebenbei an die wichtigste Rolle. die der See heute im Wirtschaftsleben der Region spielt. Eingebettet in eine Landschaft von einzigartiger Schönheit, den Naturpark Kellerwald nämlich, ist er eine touristische Attraktion ohnegleichen, ein Urlaubs- und Ausflugsziel für viele hunderttausend Menschen.

 

Der 17. Mai 1943, der Tag der Edersee-Katastrophe, ist noch heute unvergessen. Es geschah, was niemand für möglich gehalten hatte: Flugzeuge der britischen Royal Air Force hatten in der Nacht die Sperrmauer angegriffen. Eine eigens für diesen Zweck konstruierte Rotationsbombe hatte die Mauer getroffen und ein 70 Meter breites und 20 Meter tiefes Loch gerissen. Gewaltige Wassermassen stürzten mit ungeheurer Wucht ins Tal. Von den 200 Millionen Kubikmetern Wasser, die der bis an den Rand gefüllte See faßte, liefen 160 Millionen Kubikmeter aus. Die Kraftwerke am Fuß der Mauer wurden allerdings nicht zerstört. Ein unvorstellbares Bild des Grauens aber boten die Dörfer im Edertal. Noch im entfernten Kassel, das die Flutwelle erst am Vormittag erreichte, waren Todesopfer zu beklagen.

Selbst in Hannoversch Münden wurde noch ein Aufstau von sieben Metern verzeichnet. Insgesamt starben in den Fluten 47 Menschen, 29 davon aus den waldeckischen Dörfern Hemfurth, Affoldern, Bergheim und Giflitz. In den Stallungen war das Vieh verendet. Viele Tiere waren abgetrieben. Die Ernte war vernichtet. Auf 50 Hektar war die Muttererde fortgespült. rund 40 Hektar waren mit bis zu zwei Meter hohen Kiesbänken überlagert. Allein im Kreis Waldeck waren 213 Wohnhäuser, Stallungen und Scheunen zerstört oder beschädigt worden. Alle Ederbrücken (mit Ausnahme der Fritzlarer), waren fortgerissen, Straßen und Berghänge unterspült. Unmittelbar nach der Katastrophe  begann man den Wiederaufbau mit äußerster Schnelligkeit und einem großen Aufgebot von Arbeitskräften und Maschinen. Bereits nach vier Monaten, noch rechtzeitig vor den Herbstniederschlägen, war die Bombenlücke wieder geschlossen.

In dem westlichen Kraftwerk war von 2000 bis 2007 der Verein Sperrmauer Museum Edersee e.V. untergebracht. Er ist jetzt in der Brinkhäuser Straße in Hemfurth-Edersee. Er ist der zuständige Ansprechpartner für das  Thema „Sperrmauer“.

 

Instandsetzung der Staumauer 1990 -1994: Mit 80 Jahren Betriebszeit ist die Edertalsperre die älteste der großen Talsperren in Deutschland. Nach der Zerstörung der Sperrmauer durch englische Bombenangriffe am 17. Mai 1943 wurde der Mauerschaden noch im gleichen Jahr behoben. In den folgenden Jahren wurde die Dichtigkeit der Mauer durch Injektionen mehrfach verbessert. Umfangreiche Untersuchungen seit 1984 kamen zu dem Ergebnis, daß das Material durch Alterung verwittert und daß durch die Durchströmung eine Veränderung in der Zusammensetzung des Mörtels stattgefunden hat. Man stellte fest, daß der Zustand der „alten Dame“ nicht mehr den höheren Anforderungen entsprach. die inzwischen an die Sicherheit von Staumauern gestellt werden, und daß sie nicht imstande sei, ein außergewöhnliches Hochwasser schadlos abzuführen. Der Wasserstand wurde gegenüber dem bisherigen Vollstau um 1,50 Meter gesenkt, was zu erheblichen Beeinträchtigungen im Fremdenverkehr führte.

Seit 1990 fanden umfangreiche Instandsetzungsarbeiten an der Sperrmauer statt. Mit 104 riesigen Stahlankern wurde das Bauwerk gegen den Fels im Untergrund gespannt. Das Innenleben der Staumauer wurde ausgebaut, die Mauerkrone wurde teilweise abgesprengt und abschnittsweise erneuert. Anfang Mai 1994 wurde die gründlich überholte Sperrmauer zugleich mit der Feier zum 80jährigen Bestehen eingeweiht.  Auch der Hochwasserüberlauf bei Voll­stau - ein Schauspiel, das stets viele Schaulustige anzieht- findet jetzt wieder statt.

 

Technische Daten: Höhe der Mauer etwa  47 Meter, Sohlenlänge etwa 270 Meter, Sohlenbreite etwa  36 Meter, Kronenlänge etwa 400 Meter, Kronenbreite etwa 6 Meter. Länge des Staubeckens etwa 27 Kilometer, Breite etwa 175 Meter bis 1.000 Meter, Oberfläche bis zu 12 Quadratkilometer, Wassertiefe bis zu 42 Meter, Stauraum mindestens 10 Millionen Kubikmeter, Stauraum maximal 202 Millionen Kubikmeter (Bild 01-10).

Inschrift an der Sperrmauer: „Im Gedenken an die 2000 Zwangsarbeiter aus ganz Europa, die beim Wiederaufbnau der 1943 zerstörten Edertalsperre unter menschenunwürdigen Bedin­gungen arbeiten und leben mußten. Ihr Schicksal sei uns heute Mahnung und Verpflichtung für Toleranz, Menschenrechte, Frieden und Völkerverständigung einzutreten“.

 

Staumauer-Ost: Die Ostseite der Edertalsperre ist direkt anzufahren. An beiden Seiten des Zugangs zur Sperrmauer sind kostenpflichtige Parkplätze, die aber oft besetzt sind (der nach Affoldern zu ist näher). Der Zugang zur Sperrmauer ist nicht extra gekennzeichnet. Man erkennt die Stelle daran, daß jetzt Häuser am Ufer stehen (Gaststätten usw.).

Hier bieten sich dem Besucher zahlreiche Wassersportaktivitäten: Segeln, Surfen, Wasserski, Bootfahren, Baden, Sonnenbaden in Strandkörben und Angeln. Der Schiffsanleger Edertalsperrmauer/ Ost der Personenschiffahrt Edersee und ein öffentlicher Bootsanleger für Besucher, die mit ihrem eigenen Boot Staumauer, Aquapark oder Wildpark ansteuern möchten, sowie gastronomische Betriebe runden das Angebot ab.

 

Staumauer-West mit Aquapark:

Hier befinden sich eine Vielzahl von gastronomischen Betrieben, Souvenirshops sowie ein Schiffsanleger der Personenschiffahrt Edersee. Eine besondere Attraktion ist der Aquapark, ein Mini-Edersee im Maßstab 1:200 mit Wassererlebnisspielen für kleine und große Gäste. Der Aquapark ist von Ostern bis Oktober in Betrieb. Der Spaß ist kostenfrei!

So nah und so attraktiv kann ein Platz sein. Nicht nur der schöne Blick auf die Sperrmauer soll anziehen, der Aufenthalt bei uns soll zum Erlebnis werden. Aqua, wie das Element „Wasser“ schon bei den Römern hieß, ist lebenswichtig. Am Vogelbrunnen, sinnbildlich unser „Nest“ beginnt der Wasserkreislauf, mäanderartig wird das Wasser zum „Fischbrunnen“ geführt. Ist es den Künstlern nicht gut gelungen, die Fischskulpturen „lebensecht“ sich tummeln zu lassen? Sorgen wir dafür, daß ihr Lebensraum Qualität behält. Vom „Berg“ plätschert der Energiebach und windet sich im Wasserstrudel. Folgen Sie dem Wasserlauf zum „Mini-Edersee“ im Maßstab 1: 200. Ob Wassertreppe, Wasservorhang, über- und unterschlächtige Wasserräder, Wasserhüpfer, Brücken und Seile, die den „Flußlauf“ überspannen, das Wasser sucht sich seinen Weg. Man kann eingreifen und das Wasser umlenken, die archimedischen Spiralen bedienen, das Wasser fördern - von unten nach oben. Oder man kann beobachten, wie das köstliche Naß in den Virbella-Schalen rhythmisch pulsiert (Bild 08).

 

 

Waldeck:

Auf einem nach allen Seiten steil abfallenden Hügel liegt die alte Berg- und Fachwerkstadt Waldeck mit den romantischen Fachwerkhäusern und der spätgotischen Kirche mit Schnitzaltar. Gegenüber auf einer bewaldeten Bergkuppe hoch über dem Edersee liegt das Wahrzeichen der Region, Schloß Waldeck. Unzählige Besucher genießen den einmaligen Ausblick von der Terrasse über den Edersee und die Ederberge, besichtigen das Burgmuseum, den Brunnen und die Verliese.

Alle Unterkunftsmöglichkeiten sowie Restaurants, Cafés, Eisdiele sind vorhanden. Um den Marktplatz gruppieren sich Geschäfte, Banken sowie eine Apotheke und eine Praxis für Allgemeinmedizin. Eine Praxis für Zahnmedizin ist ebenfalls ortsansässig (200-400 Meter, 1808 Einwohner). Vielfältige Freizeitmöglichkeiten wie Tauchen, Segeln, Surfen, Schwimmen im Strandbad, Tennis, Angeln, Reiten, Minigolf und Golf auf dem teilöffentlichen Golfplatz, Rundflüge mit Motor- und Segelflugzeugen sowie Fahrten mit der Personenschiffahrt oder der Seilbahn zum Schloß oder See lassen das Herz jedes Sportlers oder Erholungsuchenden höher schlagen.

In die Altstadt kommt man nur hinein von Norden über die Sachsenhäuser Straße, entweder von Dringe her oder vom Edersee her. Auf dem Platz bei der Kirche kann man parken. Die Altstadt hat nur wenige Straßen: Östlich der Kirche geht die Schulstraße ab, an der Südseite des Marktes geht nach Osten die Netzer Straße, nach Westen die Schloßstraße.

 

Kirche mit Pumpenhaus:

Mit dem Bau der Kirche wurde bereits um 1300 begonnen, das Schiff aber erst im 16. Jahrhundert  ausgebaut. In den Jahren 1936 bis 1955 wurde die Kirche umfassend renoviert. Der Maden-Altar (1483) ist der älteste Schnitzaltar im Waldecker Land. Das „Sacrarium“ oder

„Piscina" hinter dem Altar war ein Ausgußbecken für das Wasch- und Taufwasser. Die Kirche diente als Begräbnisstätte für Hofleute, Pfarrer und Amtsleute. Am 17. Juni 1526 hielt Pfarrer Johann Hefentreger hier die erste evangelische Predigt im Waldecker Land.

Im Pumpenhaus befand sich einer der Stadtbrunnen. Das Wasser wurde mit Hilfe eines „Göpels“ (Antrieb durch im Kreis herumgehende Menschen oder Tiere), später auch mittels

einer Pumpe gefördert. Später diente es als Schulhaus und Unterstellplatz für die Feuerspritze.

Stadtbrunnen:

Der letzte noch erhaltene Brunnen der Stadt Waldeck wurde 1751 gebaut. Im Innern befindet sich ein gemauerter runder Brunnenschacht. Er ist etwa 52 Meter tief und hat einen Durchmesser von 2,20 Meter. Über eine Welle lief eine Kette, an deren Enden je ein etwa 30 Liter fassender Holzeimer hing. Mittels eines handbetriebenen Räderwerkes wurde die Welle gedreht. Dabei senkte sich ein Eimer und der andere wurde nach oben befördert. War dieser oben, befestigte man eine im seitlichen Trog befestigte Lasche. Beim weiteren Drehen kippte der Eimer um und entleerte sich in den Trog. Die beiden seitlichen Tröge waren miteinander verbunden. Von einem Trog führte ein Rohr nach draußen in einen dritten Trog. Hier konnten die Frauen Wasser für den Hausgebrauch schöpfen. Die Wasserversorgung der Stadt erfolgte bis 1912 aus fünf, 1745 -1751 erbauten Brunnen. Der Marktplatzbrunnen wurde 1914 abgerissen.

 

Evangelische Stadtkirche:

Inschrift an der Kirche: „In dieser Kirche wurde zum ersten Mal im Waldecker Lande Gottes Wort nach Luthers Lehre verkündigt durch Johann Hefentreger am 17. Juni 1526“ (Bild 21-27).

 

Geschichte im Überblick Die Anfänge

•  1236 wird in den schriftlichen Quellen über die Gründung der Burg Waldeck eine Kapelle in der Stadt Waldeck erwähnt. Der Überlieferung nach weihte Bischof Wilhelm von Havelberg am 13. Mai 1236 eine Kapelle in Waldeck der heiligen Maria und unterstellte sie dem 1228 gegründeten Zisterzienserinnenkloster Marienthal in Netze. Unsicher ist, ob diese Kapelle an der Stelle der jetzigen Kirche stand oder die 1922 abgerissene alte Stadtschule war, die frühgotische Formen aufwies und mit einer Kapelle Ähnlichkeit hatte.

•  1276 bekam Graf Otto von Waldeck einen Priester (Kaplan) für die Burg und später auch einen Vikar („Rektor“ oder „Pleban“ genannt) für das Städtchen Waldeck. Beide wurden von der Propstei Fritzlar ernannt. So blieb es etwa 300 Jahre lang.

•  1521 wird Graf Philipp IV. auf dem Reichstag zu Worms ein Anhänger der reformatorischen Lehre. Wieder daheim verordnete er, daß die Geistlichen „das Wort Gottes... lauter und rein predigen sollen.“ Graf Philipp 1V. setzte den mit einer ehemaligen Nonne verheirateten und aus seiner Vaterstadt Fritzlar vertriebenen Priester Johann Hefentreger als Pfarrer ein. Zwei Gedenktafeln an den Eingängen der Stadtkirche halten die Erinnerung an den 17. Juni 1526 wach, an dem Johann Hefentreger die erste evangelische Predigt hielt und damit die Reformation für das Waldecker Land einführte. Gepredigt wurde über das Gleichnis vom verlorenen Groschen und verlorenen Schaf (Lukas 15).

•  Bis 1877 traten 24 evangelische Pfarrer in Nachfolge Hefentregers ihr Amt an.

•  Von 1888 bis 1951 blieb die Pfarrstelle unbesetzt und wurde 74 Jahre zumeist von Netze aus versorgt.

•  1951 erhielt die Gemeinde erstmals wieder einen eigenen Pfarrer durch den Umzug von Pfarrer Baum von Netze nach Waldeck.

 

Baugeschichte:

Der Chorraum ist der älteste Teil der Kirche. Er wurde um 1300 begonnen. Vom ursprünglich einschiffigen Kirchenbau sind nur Chor und Westmauer erhalten. Das Schiff in seiner jetzigen Gestalt wurde im 16. Jahrhundert ausgebaut. Der Turm wurde - wie zum Beispiel bei den Wehrkirchen in Bergheim und Affoldern - seitlich an der Nordostseite des Chores errichtet. Wahrscheinlich hatte er früher auch vier kleine Ecktürme.

 

 

Die Inschrift über einem der Fenster an der Ostseite „Im JAHR CHI (=Christi) 1560“ weist auf seine Erbauungszeit hin. Die Strebepfeiler am südlichen Schiff wurden im 19. Jahrhundert und die am Chor zuletzt 1867 errichtet und 1950 bis auf Straßenhöhe nach unten verlängert. Die Treppe zum Turm wurde erst 1938 erbaut.

Im Jahre 1936 begann eine umfassende Renovierung der Kirche, die - durch den Krieg unterbrochen - bis 1955 andauerte. Im Jahre 1988 erhielt die Kirche neue Fenster und eine entsprechende Farbgestaltung. Im Jahr 2000 wurde eine computergesteuerte Heizungsanlage u.a. wegen der Schäden am mittelalterlichen Flügelaltarbild eingebaut. Das Altarbild selbst wurde von April 1999 bis Mai 2002 im Landesamt für Denkmalpflege (Wiesbaden) restauriert.

 

Von der Innenausstattung stammen noch folgende Relikte aus mittelalterlicher Zeit:

1. Der Schnitzaltar mit gemalten Flügeln (1483)

2. Die Sakramentsnische aus Sandstein (Wandtabernakel) an der Nordwand des Chores, die mit einem geschmiedeten Gitter versehen und von gotischen Pfeilern und Spitzbogen umrahmt wird (14. Jahrhundert).

3. Der Taufstein in Form eines Kelches, der aus einem Sandsteinblock und mit einem achteckigen Schaft ausgestattet ist (15. Jahrhundert).

4. Die Steinplastik „Maria mit dem Kinde“, eine gotische Volkskunstarbeit, stand bis 1938 an der Außenmauer des Chores. Das Kind wurde wahrscheinlich gestohlen.

5. Das „Sacrarium“ oder  „Piscina“ hinter dem Altar ist ein Ausgußbecken für das Waschwasser des Priesters und für das Taufwasser.

6. Der Altartisch in Blockform und aus Sandstein ist so alt wie die Kirche. Er wurde bei den Renovierungsarbeiten im Jahre 1939 etwas nach Westen versetzt.

 

Der Marienaltar von Waldeck

Die Kirche hatte im Jahr 1425 drei Altäre. Nachweislich wurde die Kirche Waldeck 1483 mit einem vierten, und zwar dem Marienaltar, ausgestattet. Er wird auch als der „neue Altar“ mit dem Zusatz  „Unserer lieben Frauen“ bezeichnet. Dieser Schnitzaltar mit gemalten Flügeln stellt die Krönung der Maria durch die Dreieinigkeit dar.

Die Verehrung der Mutter Jesu war im Spätmittelalter weit verbreitet. Als Himmelskönigin und Gottesgebärerin war sie die beliebteste Heilige dieser Zeit. In ihr wurde die einflußreichste Fürsprecherin im Jüngsten Gericht gesehen und gleichzeitig - im Blick auf die irdischen Gefahren - die verläßlichste Schutzpatronin. Das Altarbild der Marienverehrung wurde schließlich von der Äbtissin des Bericher Klosters, Margarete Huhn (etwa 1460-1499), gestiftet.

In der Schreinmitte kniet Maria, Christus sitzt zu ihrer rechten Seite und Gottvater zu ihrer linken. Maria und Jesus sitzen also zur Rechten des Vaters, wie es das Glaubensbekenntnis lehrt. Gottvater hebt seinen rechten Arm als Krönungsgestus über Marias Haupt. In seiner linken Hand trägt er die Weltkugel. Auch Christus hält eine Weltkugel in seiner rechten Hand, seine linke fehlt. Das schnitzerische Beiwerk als Hintergrund der Szenerie sowie Taube sind ebenfalls verlorengegangen. Erhalten geblieben ist geschwungene Leiste, die den Thron andeutet.    

Das Bild der Predella, der geschmückte Sockel des Altaraufbaus, zeigt Christus mit den zwölf Aposteln, die ihre Attribute in den Händen tragen. Von links nach rechts ist zu sehen: Philippus mit seinem Kreuzstab, Jakobus der Ältere mit einem Pilgerstab, Andreas mit dem Schrägbalkenkreuz, Judas Thaddäus mit der Keule, Johannes mit Kelch und Schlange, Petrus mit Schlüsseln. Christus mit der Weltkugel, auf der ein Kreuz angebracht ist, Paulus mit Schwert und Buch, Bartholomäus mit Messern, Jakobus der Jüngere mit Walkerstange, Simon Zelotes mit einer Säge, Thomas mit Lanze und Buch und Matthäus mit einem Beil.

Die Flügelinnenseiten zeigen Darstellungen aus dem Marienleben. Die Bilder sind in drei Ebenen aufgebaut, deren Szenen in einem Innenraum angesiedelt sind. Dahinter erscheinen Landschaften, die von goldgravierten Himmeln überwölbt sind.

Links kniet Maria hinter einem Betpult. Sie hält die Arme vor der Brust gekreuzt. Rechts ist der Erzengel mit gebeugtem Knie, der seine rechte Hand zum Gruß erhoben hält. In der linken unteren Ecke ist die Figur der Stifterin Margarete Huhn mit ihrem Wappen dargestellt. In dem geöffneten Betpult sind verschiedene Gegenstände zu erkennen: Ein Buch, eine Karaffe, ein Tintenfaß mit Federmäppchen und ein Blatt Papier. Der Innenraum ist durch eine horizontal geöffnete Mauer umrahmt. Dahinter beginnt die hügelige Landschaft mit einer angedeuteten Stadtansicht und darüber liegendem gravierten goldenen Himmel.

Rechts sitzt Maria mit dem Christuskind auf ihrem Schoß. Links befinden sich die heiligen drei Könige mit prächtigen Gewändern. Im Vordergrund kniet Balthasar, seinen Hut mit der Krone zu Füßen. Er hält Christus die mit Gold gefüllte Schatulle hin und läßt ihn hineingreifen. Melchior steht links außen mit seinem Myrrhegefäß, neben ihm Kaspar mit dem Weihrauchbottich. Auf der rechten Seite sind Teile der Stallruine zu erkennen. Ein Fenster gibt den Blick auf eine hügelige Landschaft frei, die sich links neben der Mauer fortsetzt. Wie auch beim linken Flügel ist der gravierte Hintergrund vergoldet.

 

Die Altar-Rückseite zeigt eine Darstellung der Heiligen Valentin und Ursula. Der Heilige Valentin ist in seinem Bischofsornat zu sehen. In seiner linken Hand hält er den Bischofsstab. Zu seinen Füßen liegt der fallsüchtige Knabe. Die Heilige Ursula mit ihren Attributen Krone und Pfeil steht neben ihm. Die Figuren der Heiligen nehmen fast das gesamte Tafelbild ein. Der helle, flächig gemalte Fußboden verjüngt sich perspektivisch nach hinten.

Der linke Flügel zeigt auf seiner Außenseite das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen in einer seltenen Darstellungsart. Im Vordergrund eines Innenraumes ist ein aufwendig gestalteter Höllenschlund zu sehen, der die Treppe mit den Jungfrauen trennt. Die perspektivisch nach hinten hin verjüngte Treppe führt zum Kruzifix.

Auf der linken Seite entlang der Wand stehen die fünf klugen Jungfrauen auf jeweils einer Treppenstufe. Sie tragen farbenfrohe, jedoch schlichte Gewänder. Ihre unbedeckten Häupter sind mit Lorbeeren bekränzt und in ihren Händen tragen sie die brennenden Öllampen. Ihnen

gegenüber stehen die törichten Jungfrauen mit ihren weißen Hauben. Ihre Kleidung ist nicht so farbenfroh, jedoch aufwendiger gestaltet. Sie weinen und schütten Ölreste aus ihren erloschenen Lampen. Sie können dem erwarteten Bräutigam nicht entgegen gehen.

Auf die Stufen zwischen dem Kreuz Christi als Zeichen des Heils und dem Höllendrachen als Zeichen ewiger Verdammnis gestellt mahnen die Frauen, dem Leben das rechte Ziel zu geben und die Stufen zum rettenden, Leben verheißenden Herrn hinaufzusteigen. Die Seitenwände des Raumes sind mit je zwei Fenstern versehen, die den Blick auf einen blauen Himmel freigeben.

Bei dem Kruzifix handelt es sich um ein so genanntes Dreinagelkruzifix. Das Lendentuch ist auf der linken Seite üppig geknotet. Der Kreuzstamm und der Querbalken enden in Vierpässen, die mit den Evangelistensymbolen versehen wurden. Oben ist der Adler (Johannes) dargestellt, unten der Stier (Lukas), links der Engel (Matthäus) und rechts der Löwe (Markus). Der Kreuztitel „INRI“ ist als gotisches Schriftband mit eingerollten Enden aufgesetzt.

 

Weitere Ausstattung des Kirchenraumes:

Die Kanzel ist nicht mehr die gleiche, von der aus Johann Hefentreger 1526 seine erste evangelische Predigt hielt. Sie stammt vielmehr aus dem Jahre 1646 und wurde 1955 neu bemalt.

Das Lesepult schuf der Bildhauer Wilhelm Hugues aus Hümme im Jahr 1956.

Die Gedächtnistafel, vor dem Chorraum links an der Wand der Nordempore, ist der bei der Geburt ihres ersten Kindes verstorbenen Pfarrfrau Christiana Margaretha Schellenberger, geborene Grubbusch aus Wildungen (1633-1667), gewidmet.

Die Holztafel aus Ölmalerei ist mit Inschriftleisten gerahmt und zeigt ein Kruzifix vor einer Landschaft. Der Schaft des Kreuzes wird von der Verstorbenen umklammert, vor ihr liegt das tote Kind.

In der halbhohen modernen Nordempore sind Füllhölzer aus einer alten Empore eingesetzt und ein Balken, dessen Inschrift (aus Psalm 27) auf deutsch lautet: „Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne, daß ich bleiben möge im Hause des Herrn immerdar, zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn.“

 

Grabdenkmäler: Überall in der Kirche befinden sich Grabmale. Angehörige des gräflich-waldeckischen Hauses. Pfarrer und Amtsleute, Hofleute mit Familienangehörigen sind hier begraben. Vier Grabsteine sind ganz oder teilweise erhalten.

 

1. Das große Sandsteinepitaph für Johanna Agathe. zwölftes Kind aus der Ehe des Grafen von Waldeck mit Elisabeth, geborene Gräfin von Nassau-Siegen. Das Mädchen starb am 20. Mai 1636 an der Pest. Die lateinische Inschrift heißt auf deutsch:  „Johanna Agathe, eine Blüte eines berühmten Geschlechtes und ein Liebling der Eltern, ein Anker für die Armen, eine Königin der Jugend, ein strahlender Stern vor Gott und vor den Menschen der süße Frieden selber, bewahrte in vollendeten Gliedern ein keusches Gemüt, ertrug furchtlos die Pest und gab ihre Seele Christus, ihren Leib in Hoffnung dem Grabe, als sie zweimal acht Jahre abzüglich 17 Tage vollbracht hatte. Ihre jungfräuliche Seele wurde zum Himmelsthron erhoben, als ein schrecklicher Krieg mit anhaltenden Schlägen die Erde erschütterte“.

 

2. Die lateinische Inschrift des Gedenksteines für den Stadtpfarrer und Hofprediger Heinrich Cölner (1598 bis 1640) lautet übersetzt: „Der Hochberühmte Heinrich Cölner ist hier begraben, in den schönen Künsten erfahren, in der heiligen Schrift bewandert, der griechischen, hebräischen und syrischen Sprachen kundig. Wie er als wachsamer Diener des Wortes in Adorf neun Jahre, in Goddelsheim sieben Jahre. in Wildungen drei Jahre und am waldeckischen Hof ein Jahr durch fromme Predigt und frommen Lebenswandel ein Vorbild gab, so strahlt er jetzt gleich den himmlischen Gestirnen. Er entschlief selig am Tage des göttlichen Jonas. Wahrhaftig wird er wieder auferstehen wie Jonas am jüngsten Tage. Er starb am 12. November im Jahre Christi 1640, 42 Jahre alt, 22 Jahre im Amt. 20 Jahre im Ehestand.“

 

3. Die 1939 beim Abbruch eines Kirchenstandes wiederaufgefundene, jetzt an der Wand beim Taufstein stehende Grabplatte für Anna Maria Matthäi. geborene Krugk (1650 bis 1676) aus rotem Sandstein trägt die Inschrift: „ANNO 1676 DEN XII AUGUST] IST DIE EDLE EHR UND TUGENDREICHE FRAUW ANNA MARIA HERR JOH. FRIEDRICHS MATTAE, RAEFLICH-WALDECKISCHEN RE[NTMEISTERS HAUSFRAU]W IM HERRN SELIG ENTSCHLAFEN IHRES ALTERS IM XXVI JAR 3 MONAT UND X11 TAGE. - IHR VATER WAR HER CASPAR KRUGK STFTS PFARRER IN DER NEUSTATT ZU ROTENBURGK AHN DER FULDA IHRE MUTTER CATTHARINA GEBORENE RICHARDIN ZU ST. GOAR AM RHEIN. TEXT PSALM XXV VERS1C. XVII ET XVIII. DIE ANGST MEINES HERZENS IST GROSS. FÜHRE MICH AUS MEINEN NÖTHEN. SIEHE AN MEINEN JAMMER UND ELEND UND VERGIB MIR ALLE MEINE SÜNDE.“

4. Die Grabplatte für den am 7. März 1552 verstorbenen Franz, Sohn des Grafen Wolrad II. von Waldeck und der Anastasia Günthera zu Schwarzburg (Bruchstück), ist jetzt im Podest an der Emporentreppe eingemauert. Dort befindet sich auch ein Türsturz von 1576, der früher in der westlichen Außenmauer über einem jetzt vermauerten Zugang zur Kirchenempore lag.

Der Platz um die Kirche war früher Kirchhof. die alten Grabsteine erinnern noch daran.

 

 

Die Orgel ist die vierte in der Kirche. Sie besitzt zwei Manuale und zwölf Register und wurde 1952 von der Firma Bosch, Kassel, erbaut. Sie trägt die Inschrift „ecce ancilla domini“ (Siehe, des Herrn Magd). Im Jahre 1978 wurde das Metallpfeifenwerk erneuert und das Orgelgehäuse neu gestaltet. Am 28. September 2002 konnte die Kirchengemeinde das 50-jährige Jubiläum der Orgel feiern.

 

Von den vier Glocken im Turm stammen die zwei großen Glocken aus dem 14. Jahrhundert. Sie gehören zu den ältesten Glocken im Waldecker Land, die 1943 für Kriegszwecke abgeliefert werden müßten, aber durch eine glückliche Fügung der Vernichtung entgingen. Eine trägt die Inschrift:

+ BENEDICTUS QUI VENIT IN NOMINE DOMINI + (= Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn). So rief einst das Volk beim Einzug in Jerusalem (Mt. 21,9).

Auf der anderen steht: VOVOS VOCO FULGURA RANG() + DEFUNKTOS PLANGO (= Lebende rufe ich, Blitze breche ich, Tote beklage ich). Diese Aussage nimmt Bezug auf den Gottesdienst, das Begräbnis und den (irrigen) Volksglauben, Glockenklang könne Gewitter vertreiben.

Eine dritte kleinere Glocke von 1831 wurde 1916 für Kriegszwecke freiwillig abgegeben, sie war gesprungen. Ihre kleinere Schwester. die „Schulglocke“ aus dem Jahr 1343 hat irgendwann ihre Krone eingebüßt und wurde Anfang der 50er Jahre an das Burgmuseum ausgeliehen. Sie ist dort zu besichtigen und trägt die Inschrift: + OSANNA D1C1TUR 1STA XLII. Mündlicher Überlieferung nach stammt diese zusammen mit den beiden alten Glocken aus dem ehemaligen Kloster Berich. Auch wenn von einem Kirchturm der ehemaligen Klosterkirche nichts bekannt ist, ist dies insofern möglich, da die Glocken ja älter sind als der 1560 erbaute Turm.

Die beiden großen alten Glocken sind im Jahr 1960 durch zwei neue Glocken ergänzt worden. Damit war der ursprüngliche Bestand wie vor 1916 mit vier Glocken wiederhergestellt. Eine der neuen Glocken fordert zum Lob Gottes auf und trägt die Inschrift: „ALLES WAS ODEM HAT: LOBE DEN HERRN“. Sie wurde von den ehemaligen Mauserwerken gestiftet. Die andere ist dem Gedächtnis an die Opfer beider Weltkriege gewidmet und mahnt mit der Inschrift:  ICH HALTE TOTENWACHT HABT IHR AUFS LEBEN ACHT“. Ihre Anschaffung wurde durch Spenden aus der Gemeinde Waldeck ermöglicht.

Die Glocken aus dem Jahr 1960 mit den Schlagtönen „es“ und „ges“ sind auf die alten Glocken mit den Tönen  „a“ und „b“ abgestimmt. So erinnert der Klang der Glocken seit über 600 Jahren daran, Gottesdienst und Gebet nicht zu vergessen.

 

Der Marienaltar von Waldeck,  Ein Bekenntnis von Frauen zur „neuen Frömmigkeit“ im Spätmittelalter: Der Marienaltar von Waldeck (gekürzte Fassung eines Vortrags von Peter Unglaube, Kirchenhistoriker, gehalten anläßlich der Rückführung des restaurierten Flügelaltarbildes am 26. Mai 2002).

Entstehungsgeschichte: Als altes Bekenntnis christlichen Glaubens gebührt dem Waldecker Altar Achtung, nicht nur weil er seit mehr als einem halben Jahrhundert in der Kirche seinen Platz hat, sondern auch wegen seiner Entstehungsgeschichte, die im Zusammenhang mit der Reform des Klosters Berich zu nennen ist. In Berich lebten seit dem späten 12. Jahrhundert Ordensfrauen, die der Erzbischof von Mainz 1196 unter seinen Schutz genommen hatte. Für die Benediktinerinnen von Berich blieb dieser Einfluß begrenzt, zumal ihnen mit den Grafen von Waldeck eine starke Macht in nächster Nähe gegenüber trat. Die Grafen konnten jedoch nicht verhindern, daß Berich im 14. Jahrhundert verarmte und offenbar auch die geistliche Ordnung ins Wanken geriet. Diese allgemeine Entwicklung im späten Mittelalter störte viele Landesherren, so daß sie Reformansätze. die von einigen Ordenshäusern ausgingen, unterstützten.

Zu diesen Orden gehörte das Kloster Bursfelde an der oberen Weser. Der dortige Abt untersuchte 1459 im Auftrag des Erzbischofs von Mainz die Verhältnisse in Berich und erfüllte damit zugleich eine Bitte des Grafen von Waldeck. Die Benediktinerinnen zeigten offenbar wenig Bereitschaft zur Mitarbeit, denn zwei Jahre später müßten sie Berich verlassen. Daraufhin unterstellte der Erzbischof entsprechend dem Wunsch des Grafen das Ordenshaus dem Kloster Böddeken bei Büren, das zur Windesheimer Kongregation gehörte.

 

Dieses „Netzwerk“ für ein neues Ordensleben war von den Niederlanden ausgegangen. Es knüpfte an eine Form der Frömmigkeit an, die seit 1386 im Stift Windesheim bei Zwolle gelebt wurde, mit dem Ziel, den verinnerlichten Glauben im Alltag zu zeigen. Vertieft wurde er durch das tägliche Lesen in christlichen Schriften. Im Mittelpunkt der Besinnung stand der leidende Christus als Vorbild für das eigene Tun und Empfinden. Diese „neue Frömmigkeit“, die „Devotio moderna“, breitete sich rasch aus.

Die Windesheimer Kongregation hatte sich schon bewährt, als die Grafen von Waldeck ihr den Zugriff auf Berich vermittelten. Vom Kloster Böddeken, dem die Aufsicht über Berich oblag, wurde 1470 der Vollzug der Reform gemeldet. Es war eine Gemeinschaft entstanden, die als jung und dynamisch galt. An ihrer Spitze stand die Äbtissin, Margarethe Huhn, die seit der Umstrukturierung und bis mindestens 1499 den Konvent leitete.

In ihrer Person verbindet sich die Geschichte des erneuerten Ordenshauses Berich mit dem Marienaltar von Waldeck. Sein linker Flügel zeigt innen Margarethe Huhn in ihrer Amtstracht und mit dem Familienwappen. Sie erscheint, wie es für Auftraggeber von geistlichen Kunstwerken dieser Zeit typisch ist, klein und kniend am unteren Bildrand, eingefügt in eine Verkündigungsszene. Maria steht am Betpult und erfährt vom Engel Gabriel, daß sie Gottes Sohn zur Welt bringen soll. Daß die Äbtissin von Berich gerade in dieser Szene zu sehen ist, könnte ein Hinweis an die Gemeinde in Waldeck sein. Sie sollte dem Beispiel der Stifterin folgen und sich in die Einzigartigkeit der Jungfrau Maria versenken. Über Maria nachzudenken, war ein Weg zur „neuen Frömmigkeit“. Dafür wollten die Chorfrauen von Berich wohl mit dem gestifteten Altar werben. Der junge dynamische Konvent betrieb offenbar Mission in der Stadt Waldeck.

 

Die „Nachfolge Mariens“ in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit: Als beliebteste Heilige des Mittelalters war Maria für die Gläubigen persönliches Vorbild und Begleiterin. Sie wurde der Empfehlung Bonaventuras folgend verehrt: „Wer immer ein Heiliger sein möchte, muß der herrlichen Jungfrau folgen.“ Diese „Nachfolge Mariens“ zielte vor allem auf das Mitleiden. Maria hatte unter dem Kreuz mit Jesus gelitten. Dorthin sollte sie nun auch die Gläubigen führen. Hymnen zur Passion beschrieben diesen Weg, der durch das Leiden zur Freude führen werde, denn Maria sei ihrem Sohn nicht nur zum Kreuz, sondern auch in den Himmel gefolgt.

Die Himmelfahrt Mariens erklärte ihre Einzigartigkeit über den Tod hinaus. Es erschien unvorstellbar, daß Gott den Körper verwesen ließ, in dem sein Sohn ausgetragen wurde. Daher müsse auch Maria nach ihrem Tod leiblich auferstanden und in den Himmel gefahren sein, wie Christus. Er habe die eigene Ehre mit seiner Mutter geteilt. Eine besondere Hoffnung ergab sich daraus für Frauen der deutschen Mystik, die im 14. Jahrhundert ihre Visionen weitergaben. Sie sahen Maria als Himmelskönigin, die vom dreieinigen Gott gekrönt und wie eine Braut angenommen wurde, und sich selbst in ihrem Gefolge. Die Himmelfahrt Mariens erschien ihnen als Versprechen für die eigene Aufnahme in Gottes Wirklichkeit. Maria war die himmlische Braut, und die eigene Seele gehörte in die Schar der Brautjungfern.

 

Maria und ihre Nachfolgerinnen auf dem Altar von Waldeck: Besonders für Frauen lag es also nah, ihre Frömmigkeit auf das weibliche Ziel Maria auszurichten. Jesus war dabei mit gemeint und verehrt. Der Altar von Waldeck setzt Maria entsprechend in Szene.

Wenn sich die Gemeinde in der Stadtkirche versammelte und auf den Altar blickte, wurde sie zur Nachfolge eingeladen. Sie sah einen möglichen Weg zur „.neuen Frömmigkeit“. Um ihn zu gehen, bedurfte es der regelmäßigen Stärkung durch das Altarsakrament. Es wurde auf dem Choraltar gespendet. Über seiner Platte (der „Mensa“) erscheinen der Stifter des heiligen Abendmahls und seine Zeugen: Das Bild auf der länglichen Predella zeigt Jesus im Kreis seiner Apostel. Diese tragen ihre üblichen Attribute, die meist auf den gewaltsamen Tod als Boten Christi hinweisen.

Die Predella vermittelt zwischen der Altarplatte und dem geschnitzten Schrein mit dem Motiv der Marienkrönung. Es gehörte in die Reihe der „Freuden Mariens“, die ihren Schmerzen gegenüber stehen. Von je fünf im 13. Jahrhundert wurden sie zu der an Symbolik reichen Siebenzahl erweitert. Die Darstellung auf dem Altar von Waldeck ist auf den Innenseiten von zwei weiteren Freuden umgeben - der bemalten Flügel. mit der Verkündigung links und rechts mit den drei weisen Herrschern vor Maria und dem Kind.

Die Siebenzahl gilt nicht nur für die Freuden und Leiden Mariens, sondern symbolisch für das Verhalten eines jeden Menschen. Nach christlicher Tradition sind ihm sieben „Werke der Barmherzigkeit“ aufgetragen. Sechs davon ergeben sich aus Jesu Rede vom Weltgericht im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums. Die dort nicht erwähnte Totenbestattung kam später hinzu. Abschreckend gegenüber gestellt wurden seit dem frühen Mittelalter die „sieben Hauptsünden“, die auch als „Todsünden“ bekannt sind: Hochmut, Geiz. Wollust, Zorn, Unmäßigkeit, Neid und Trägheit.

An diese sieben Schritte zum Heil oder Unheil soll das Bild erinnern, mit dem der linke Altarflügel außen bemalt ist. Es wirkt zunächst rätselhaft, aber keine andere Szene stellt den Marienaltar von Waldeck so direkt in den Dienst der „Devotio moderna“. Die „neue Frömmigkeit“ führt in die Nachfolge des leidenden Christus. Er ist hier als Gekreuzigter dargestellt. Zu ihm führt eine zweiläufige Treppe mit jeweils sieben Stufen, zwischen denen sich nach unten hin der Höllenrachen auftut.

Welche Seite der Treppe wohin führt, zeigen die auf ihr stehenden Personen. Es sind die törichten und klugen Jungfrauen aus dem Gleichnis Jesu bei Matthäus im 25. Kapitel. In der christlichen Kunst des Mittelalters sind die zehn Jungfrauen oft im Umfeld einer Marienkrönung dargestellt. Die „Tugendleiter“ oder „Himmelstreppe“ erscheint dagegen als Einzelmotiv. Nur sehr selten sind ihm die zehn Jungfrauen so eingegliedert, wie es der Marienaltar von Waldeck zeigt. Die fünf törichten Jungfrauen weinen. Sie stehen vom Kruzifix aus betrachtet zur Linken (Gleichnis vom Weltgericht Mt. 25,31-33). Ihr Öl ist ausgegangen. Den rechten Treppenlauf nehmen die fünf Klugen ein. Sie halten ihre brennenden Lampen in den Händen und sind bereit, dem Herrn entgegen zu gehen.

Ob sich die Chorfrauen von Berich nur auf dieser Seite sahen oder auch die andere selbstkritisch im Auge behielten, muß offen bleiben. Bei einem missionarisch aktiven Konvent kann man wohl davon ausgehen. daß sie bei den biblischen Jungfrauen auch an sich gedacht haben. Auf himmlische Fürsprecher verwiesen die Chorfrauen mit der Außenseite des rechten Altarflügels.

Sie zeigt die Heiligen Valentin und Ursula, jeweils versehen mit ihren Attributen. Ursula trägt den Pfeil, mit dem sie ein Hunnenfürst durchbohrt haben soll. Davon berichtet Jacobus de Voragine in seiner „Legenda Aurea“, der bekanntesten mittelalterlichen Sammlung von Heiligengeschichten. Ursula habe vor der geplanten Heirat verlangt, daß sie ein Heer von Jungfrauen ausrüsten und zu einer Wallfahrt nach Rom führen dürfe. Dort irritierte die seltsame Streitmacht zwei militärische Führer so sehr, daß sie die Hunnen dagegen aufhetzten. Diese machten die 11.000 Jungfrauen nieder, als sie auf der Rückreise in Köln ankamen.

Als Anführerin von weiblichen Kriegsleuten, die mit den Waffen des Glaubens streiten und für ihn sterben, war Ursula ein großes Vorbild für geistliche Frauen des Mittelalters. Gelegentlich wurde sie als Trägerin einer brennenden Lampe dargestellt, also mit den klugen Jungfrauen aus dem Matthäusevangelium gleichgesetzt.

Auf dem Marienaltar von Waldeck spielt sie demnach wohl auch die Rolle einer Vermittlerin zwischen dem Leitbild aus der Bibel und den Nachfolgerinnen in Berich. Warum ihr der heilige Valentin zur Seite steht, ist unklar. Er ist hier mit einem Zeugen seiner Wunder dargestellt.

Zu seinen Füßen liegt ein Epileptiker, den er der Legende nach geheilt hat. Nicht nur dieses Attribut wird ihm zugeordnet. Auf manchen Darstellungen trägt Valentin auch einen Hahn. Möglicherweise genoß er deshalb besondere Verehrung in der Familie von Huhn, aus der die damalige Priorin von Berich stammte. Margarethe Huhn hätte dann nicht nur sich selbst als Stifterin. sondern auch ihren Familienheiligen auf den Altar gebracht. Es mag für die Darstellung des heiligen Valentin aber auch wichtigere Gründe geben. die noch - oder für immer - im Dunklen bleiben. So behält der Marienaltar in der Stadtkirche von Waldeck weiterhin seine kleinen Geheimnisse und lädt dazu ein, darüber nachzudenken.

 

Die Geschichte einer Taufkanne: Aus dem Leben des Bäckers Emanuel Caspar zu Waldeck.

In der kaiserlich freien Reichsstadt Mühlhausen im Thüringer Land wurde im April des Jahres 1669 ein Kind geboren, das mit dem Familiennamen Caspar hieß und bei seiner Taufe den Vornamen Emanuel erhielt. Sein Gott hatte es zu einer prüfungsreichen Wanderschaft ausersehen. Er wußte auch am besten, wo überall Emanuel Caspar gewesen war, bevor er um Michaeli 1698 Bürger der Stadt Waldeck wurde. Der neue Bürger, seines Zeichens ehrsamer Bäckermeister, war bald ein angesehener und wohlhabender Mann. Sein Haus war für die Bürger nach des Tages Mühen der Mittelpunkt ihres geselligen Lebens; denn der Bäcker Caspar hatte auch die städtische Brau- und Schankberechtigung gepachtet.

Und doch war er ein verlassener und geprüfter Mann. Denn Gott hatte ihm noch kein Kind gegeben, obwohl er ihm schon zweimal die Gattin genommen hatte. Schon 50 Jahre war der Bäckermeister Caspar alt, da er sich zu Bergheim zum dritten Male ein Weib nahm. Als er im nächsten Sommer sein Töchterlein Ulrica taufen ließ, war es ihm, als wollte die Sonne des Glücks doch wieder scheinen. Aber es schien nur so. Dunkle Wolken kamen wieder; denn mit dem Frühling des Jahres 1723 kamen nach Waldeck die Blattern wie schon manches Mal vorher und noch manches Mal nachher. In einem der acht kleinen Särge, die innerhalb weniger Tage zum Gottesacker vor dem Netzer Tor gebracht wurden, lag auch die kleine Ulrica Caspar.

„Ich will es gehorsam tragen, Maria, hat mir Gott doch noch dich gelassen“, sagte Emanuel zu seiner Frau, als er vom Friedhof kam. Denn er war ein gottesfürchtiger Mann. Zwei Jahre waren vergangen und wieder Frühling, und wieder durfte der Bäcker Caspar auf ein Kindlein hoffen. Aber es war eine bange Hoffnung in ihm, die wollte nicht weichen.

„Meister Caspar - euer Kind ist tot“, viel hätte der Chirurgus Nicolaus Matthäus Voigt darum gegeben, hätt er das nicht zu sagen brauchen im dämmernden Morgen jenes Apriltages, der der schwerste in Emanuel Caspars Leben werden sollte. Noch schwerer, als er begonnen, ging er zu Ende.

„Faßt euch, Meister Caspar, wenn ihr es noch könnt", sagte der Chirurgus am Abend dieses Tages und seine Stimme war voll Mitgefühl und Ratlosigkeit - „auch eure Frau hat es nicht überstanden oder nein, jetzt hat sie es endlich überstanden.“ Da meinte der Bäcker Caspar, er überstünde die Nacht nicht mehr. Der andere Tag, der 22. April, war sein Tauftag. „Hat Gott mich wirklich lieb?“ fragte er sich, als er daran dachte, währendem der Schreiner den Sarg brachte, in den die Nachbarn die Mutter mit dem Kinde legten.

Johann Daniel Schellenberger, der Stadtpfarrer von Waldeck konnte sich nicht erinnern, jemals solche eine schwere Beerdigung gehalten zu haben, wie diese, als er - zu Hause angekommen - ins Kirchenbuch schrieb: „Maria Casparin ist, nachdem sie in Kindesnöten drei Tage gearbeitet und das Kind todt zur Welt gebohren, 18 Stunden hernach gestorben.“

 

Wenige Häuser weiter saß der dreifache Witwer Caspar. Er war jetzt wieder ganz allein. Auch vor ihm lag ein Buch. Aber er schrieb nicht, sondern er las, was geschrieben stand: „Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Welcher auch seines eignen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für alle dahingegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ Da kamen über den hartgeprüften Mann ein wundersamer und starker Trost und ein stiller Friede. „Bin ich nicht Emanuel getauft?“ dachte er, „heißt der Name nicht „Mit uns ist Gott?“ Und Meister Emanuel, der Bäcker, erkannt in dieser einsamen Stunde, daß Gott wirklich naht in seinen Prüfungen und in seinem Wort und daß keine Not größer sein kann als der Helfer.

Im Namen Gottes schloß Emanuel Caspar noch im gleichen Jahr zum vierten Mal den Bund der Ehe. Er war schon ein alter Mann. Alle seine reichen irdischen Güter hätte er gegeben um einen Sohn. Nach drei Jahren vergeblicher Hoffnung hatte er sich auch hier in Gottes Willen gefügt. „Will Gott mir gar nichts schenken, so will ich ihm schenken“, dachte er jetzt bei sich. „Heiße ich nicht Caspar? Wird so nicht einer von den drei Weisen genannt, die das Jesuskind angebetet und ihm seine Schätze aufgetan haben? Auch ich will dem Herrn Jesu und seiner Gemeinde etwas verehren. Ich will über aller Plage und Mühsal nicht hart und undankbar werden.“

Eines Abends klopfte es an die Pfarre. Als der Pastor öffnete, trat der Bäcker Caspar ein und hielt in seinen Händen ein Gefäß. „Ich will der Kirche etwas schenken aus Dankbarkeit“, sagte er. Aus Dankbarkeit? „Wofür könnt ihr denn dankbar sein?“ fragte der Pfarrer zweifelnd und verwundert. „Dafür, daß mich mein Gott aus Liebe gezüchtigt und durch Leiden geläutert hat“, gab der Gefragte zur Antwort. „Wahrlich“, dachte der Pfarrer und war beschämt, „der Mann ist ein Christ.“ Dann nahm er das Geschenk an und sah, daß es eine Taufkanne war. Er las und übersetzte gleichzeitig halblaut die lateinischen Worte, die als Widmung darauf standen: „Emanuel Caspar gab es zum Geschenk der Gemeinde Waldeck 1728“.

Aus dieser Kanne floß seitdem bei jeder Taufe in die Taufschüssel das Wasser in Gottes Gebot gefaßt und mit Gottes Wort verbunden, auch an jenem Tage, da der sechzigjährige Bäcker Caspar doch noch einen Sohn zur heiligen Taufe bringen durfte. Einmal noch leuchtet damit die Sonne der göttlichen Barmherzigkeit über Emanuel Caspars dunklem Leben. Den wiedergeborenen Sohn Henrich Julius ließ Gott auch weiterhin am Leben. Er war noch ein Kind, als die Glocken der Stadtkirche zu Waldeck an einem kalten Februartag des Jahres 1742 seinem Vater zu seinem letzten Gang auf den Gottesacker vor dem Netzer Tor läuteten. Wie einst der Vater, ging bald auch der Sohn irgendwohin in die weite Welt. Der Name des Bürgers und Bäckermeisters Emanuel Caspar verschwand wieder aus dem Gedächtnis der Gemeinde in Waldeck. Aber die Taufkanne ist immer noch da und ist heute noch bei jeder Taufe dabei (Herbert Baum).

 

Altes Pfarrhaus

Das „Alte Pfarrhaus“ wurde 1671 erbaut und 1892 an Privat verkauft. Johann Hefentreger predigte 1526 zum ersten Male im Waldecker Land nach Luthers Lehre in der Stadtkirche zu Waldeck. Nach ihm waren bis 1877 im Städtchen Waldeck 24 evangelische Pfarrer im Amt. Seit diesem Jahr blieb die Pfarrstelle in Waldeck bis 1951 unbesetzt. Sie wurde 74 Jahre lang von Netze aus verwaltet. Erst 1956 wurde ein neues Pfarrhaus mit Gemeindesaal neben der Kirche gebaut. Das alte Pfarrhaus, ein schöner, alleinstehender Fachwerkbau war längst verkauft worden.

 

Alte Schule (in der Schulstraße):

Dies Haus ist mein und doch nicht mein

Beim Nächsten wird es auch so sein

Dem Dritten wird es übergeben

Der Vierte wird nicht ewig leben

Den Fünften trägt man auch hinaus

Nun frag ich: Wem gehört dies Haus?

Dieses Haus wurde Ende des 17. Jahrhunderts erbaut. Nach 100 jährigem Familienbesitz wurde es der Stadt Waldeck vermacht. Als Schulgebäude und Bürgermeisteramt hat es lange seinen Zweck erfüllt. Im Jahre 1979 ging das Haus wieder in Privatbesitz über und wurde restauriert. Die Restaurierung war äußerst umfangreich. Das Fachwerkhaus wurde entkernt. Lediglich das Balkenwerk blieb stehen, der Grundriß der Räume wurde neu gestaltet (Bild 28 zeigt ein Privathaus).

 

Stadtbrände

Eines der traurigsten und verhängnisvollsten Kapitel der Geschichte Waldecks waren die fünf großen Brände, die zwischen 1656 und 1671 in der Stadt wüteten. Dabei wurde der Ort fast völlig zerstört. Vom Schicksalsschlag, der die Stadt 1656 traf, berichtet die Chronik: „Am 26. August (1656) abends um 8 Uhr hat Marx, des Vogts (Verwalter) zu Waldeck Frau, mit einem Licht die Wandläuse verbrennen wollen, zündete dabei ihr Haus an, und es brennen der Herrschaft die Fruchtscheunen wie auch die besten Häuser der Bürger in der selbigen Straße ab, an der Zahl siebenundzwanzig in Summa. Wegen Mangel an Wasser hat niemand löschen können. Der oben genannte Vogt ist nackend aus dem Bette gesprungen, etwas vom Feuer beschädigt, ist er in der Angst nach Netze gelaufen, niedergefallen und des anderen Tages gestorben“.

 

Städtisches Brauhaus

Hier stand ehemals das städtische Brauhaus. Das notwendige Wasser wurde aus dem Braupfuhl geholt. Ab 1750 verfügte das städtische Brauhaus über einen eigenen Brunnen. Die Brauerei wurde 1870 an den Braumeister Friedrich Vahland verkauft, der bis etwa 1900 Waldecker Bier braute. Der Abriß erfolgte 1957, der darunter liegende Brunnen wurde verfüllt und die Grünfläche angelegt.

Aus der Chronik: Seit 1520 existierte in Waldeck eine Brauerei. Der Braumeister und mehrere Gehilfen waren bei der Stadt angestellt. Wer Bier brauen wollte, lieferte seine Gerste und seinen Hopfen im Brauhaus ab und entrichtete die Braugebühr. Er war dann Brauherr und das gebraute Bier war sein Eigentum, das er verkaufte. Durch Gesetz schützte ihn die Stadt, weil sie seinem Nachfolger erst erlaubte, eigenes Bier zu verkaufen, wenn der vorhergehende Brauherr ausverkauft war. Konkurrenz war also ausgeschlossen. Der Ausverkauf dauerte aber nie lange.

 

Hirtenhaus (Netzer Straße):

Dieses Haus war das Wohnhaus des städtischen Schweinehirten. Es wurde 1961 an Privat verkauft. Ein weiteres Hirtenhaus, in dem der städtische Ziegenhirt wohnte, stand in der Nähe des Drünger Tores. Beide Hirten waren zugleich Nachtwächter. Diesen Dienst versahen sie wechselseitig.

 

Friedhof:

Der Friedhof wurde 1577 angelegt. Zuvor wurden die Toten in und um die Kirche beigesetzt. Da der Friedhof mit Zunahme der Bevölkerung zu klein wurde, mußte er dreimal erweitert werden: um 1935, um 1960, 1992 Neuanlage auf der anderen Straßenseite südlich

Die lateinische Inschrift über  dem Eingang lautet: DORMITORIUM CHRISTIANORUM (Ruhestätte der Christen). Der älteste Grabstein ist die Ruhestätte Familie Schultze 1811

Beinhaus: Das Beinhaus wurde 1832 über einem Sammelbegräbnis errichtet. In ihm befindet sich eine Gruft, in der beim Grabaushub gefundene Gebeine aufbewahrt wurden. Es diente auch dem Pfarrer bei Beerdigungen als Regenunterstand, heute ist es nur noch ein Geräteschuppen.

Die Inschrift auf dem Fries lautet:

„HIER • RUHEN . VIHLE . TOTEN • BEINE • IN . DER KÜHLEN • ERDEN • KRUFT • TEN MÜSSEN . SIE . AUCH EINST • ERSCHEINEN • WEN • IHNEN . GOTTES STIMME • RUFT • TIESES • HAUS . IST • GEBAUD • IM JAHR • CHRISTI • TEN 3T • TECEM • 1832 . VON MEISTER • ANDREAS . WILKE . AUS . WALDECK“.  Über der Tür ist zu lesen: „Ter kühle Schos ter Erden soll mein Schlafbetlein werden, Ich will bei Jesus sein.“

 

Netzer Tor:

Das Netzer Tor diente auch als Gefängnis. Es wurde 1891 für 100 Goldmark an einen Landwirt verkauft, der aus den Steinen eine Scheune baute. Aus der Chronik (1789): „Das Netzer Thor liegt nach Netze hin und nach Morgen. Das innere Netzer Thor ist sehr hoch mit Mau­erwerck überbauet und wird zu einem Gefängnis gebraucht“ (Bild 30-34).

Die Schloßstraße hinunter kommt man zum Schloß Waldeck. Mit dem Auto muß man allerdings außen um die Stadt herum fahren, zum Beispiel durch die Netzer Straße und dann rechts. Man muß nicht gleich auf dem ersten Parkplatz parken, hinter dem Kiosk sind weitere zwei Parkplätze (Schloßstraße Bild 35-36)

 

Schloß Waldeck:

Rund 200 Meter über dem See thront das Wahrzeichen der Region, die die fast 1000 Jahre alte trutzige Burg Waldeck. Von der Aussichtsterrasse hat man einen traumhaften Blick auf den Edersee und auf die waldreichen Berge des Nationalpark Kellerwald-Edersee. Die Burg war einst Stammsitz der Grafen von Waldeck, die hier bis ins 17. Jahrhundert residiert haben. Später war die Burg Witwensitz und Archiv.

Stolz können die Waldecker auf ihre Fürstin Emma - übrigens die Großmutter der niederländischen Königin Emma - und deren Berater sein. Im Museum ist auch ihnen ein Raum gewidmet. Denn in den Revolutionsjahren 1848/1849 unterzeichnete die Fürstin eine der freiheitlichsten Verfassungen, die es in Deutschland gab.

 

Ab 1743 war die Festung ein Gefängnis. Eine dunkle Zeit wird im Museum in den Burgverliesen auf gespenstische Art lebendig. Die Haftbedingungen der Vergangenheit - ein Alptraum. Die Männer müßten in der Nähe abgebaute Steine sägen und polieren. Und nur die Arbeitsfähigen konnten sich so ein Zubrot verdienen. Die Ernährung war dürftig und reichte gerade, um die Häftlinge nicht Hungers sterben zu lassen.

Die Liste der inhaftierten Frauen und Männer vom 31. März 1812 zeigt: Etliche sitzen wegen Kindesmord oder Diebstahl ein und dürfen froh sein, der Todesstrafe entgangen zu sein. Dabei waren die meisten nur Opfer der katastrophalen Wirtschaftslage im Lande. Die Chronisten berichten von einem „Bettel- und Bandenunwesen“, das heute gar nicht mehr so vorstellbar ist.

Neben Todes- und Leibesstrafen wurden „Ehrenstrafen“ verhängt und vollzogen. Sie sollten das Ansehen eines Menschen durch „Ausstellen“ beschädigen oder zerstören. Jeder durfte sich am Vollzug dieser Strafe beteiligen. Die Delinquenten wurden der Verhöhnung preisgegeben und zur Belustigung im „Drillhaus“ nach Belieben stundenlang gedreht. Bleibende Schäden für die Gesundheit waren oft die Folge.

Üble Nachrede wurde durch das Tragen der „Schandsteine“ an Brust und Rücken bestraft. In Begleitung des Dorf- oder Stadtknechts wurden die Verurteilten durch die Gemeinde geführt. Diese Menschen waren für immer gebrandmarkt. Nach 1848 wurden die Haftbedingungen humaner, die Todesstrafe oder körperliche Züchtigung verboten. Doch wenig später wurde diese liberale Verfassung durch die Preußen wieder außer Kraft gesetzt. 1868 wurde das Zuchthaus in der Burg Waldeck aufgelöst (Bild 43).

 

Heute beheimatet das Schloß ein First-Class-Hotel und verschiedene Restaurants (Hotel Schloß Waldeck, 34513 Waldeck am Edersee, Tel. 05623 589-0, Fax: 05623 589-289, Email: info@schloss-waldeck.de, www.schloss-waldeck.de). Der Besuch der Burganlage ist kostenfrei, das Burgmuseum kostenpflichtig. Museum geöffnet von Ostern bis einschließlich Oktober täglich 10 – 18 Uhr. Tel.: 05623-5890. Museum und Führung: Erwachsene 3,50 €, Kinder (6 – 14 J.): 2,50 € . Führungen möglich für Gruppen und auf Anfrage. Kontakt und Information: Schloß Waldeck, Am Schloßberg, 34513 Waldeck.

 

Geschichte der Burg:

 

Um 1180

Die Grafen von Schwalenberg übernehmen die Burg Waldeck

1227

Adolf I. nennt sich fortan Graf von Waldeck. Die Burg wird Stammsitz eines Geschlechts, das bis 1918 über das Land regiert

1378

Die Burg beherbergt hohen Besuch: Der deutsche  König Wenzel kehrt ein

 

 

1379

Eine erste Landesteilung erfolgt, die Burg bleibt jedoch gemeinsamer Besitz

1500-1577

Die „Wildunger Linie“ erbaut den heute noch erhaltenen Nordflügel

1618-1648

Während des 30jährigen Krieges gerät die Burg in kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Schweden und kaiserlichen Truppen

1665

Die Waldecker Grafen geben die Burg als Residenz und Wohnstätte auf. Sie bleibt „Veste“, eine kleine Festung.

1734

Der baufällige Südflügel der Burg, bisher Wohnsitz der „Eisenberger Linie“ wird abgerissen. Es entsteht die große Aussichtsterrasse

1734

Die Burg nimmt das erste Zucht- undArbeitshaus auf. Die Bewachung erfolgt durch das Militär.

1762

Während des 7jährigen Kriegs erfährt die Burg Beschuß und wechselnde Besetzung durch französische, englische und preußische Truppen

1868

Das Zuchthaus wird aufgelöst. Die Gefangenen kommen in nahe gelegene hessische Anstalten

1920

 Die Burg geht in ein öffentliches Sondervermögen über, heute Waldecksche Domanialverwaltung.

 

Rundgang:

Unteres Tor mit Pulverturm:

Links vom Torbogen steht das 1637 errichtete Torhaus. Es zeigt im Untergeschoß rechteckige Schießscharten, im Obergeschoß Schlitzscharten. Die im Giebelaufsatz eingelassene Steintafel zeigt das Wappen von Waldeck-Pyrmont und die römische Zahl 1830. Weil man im Torhaus später Munition lagerte, wird es auch Pulverturm genannt.

 

Burgbrunnen:

In der Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Graf Johann den Brunnen mit rund 120 Metern Tiefe anlegen. Teils gemauert, teils aus dem Felsen geschlagen sollte er die Wassernot beheben, die insbesondere in den Sommermonaten das Leben erschwerte. Das Wasser mußte stundenlang in Eimern über ein Räderwerk herauf gewuchtet werden. Schon 1612 wurde die Anlage einer „Wasserkunst“ geplant, eines Pumpwerks, das das Wasser aus der Herrentränke im Tal auf den Berg beförderte. Es wurden schon 30 Zentner Blei gekauft, aber die Pläne sind wohl nicht zur Ausführung gekommen. In der Zeit, als die Burg ein Zuchthaus war, mußten Gefangene in schwersten Ketten einen mit Wasserfässern beladenen Karren vom Mehlbrunnen nahe der Stadt Waldeck auf die Burg ziehen.

 

Oberes Tor:

Ein Durchgang mit Tonnengewölbe führt durch den Torbauauf den Berghof. Im Außeneingang ist die Jahreszahl 1756 erhalten, sie weist auf einen Umbau hin. Das Tor wird noch heute allabendlich mit dem zweiflügligen, barocken Hoftor verschlossen.

 

Nordbau  oder „Wildunger Flügel“:

Dieses zum Hof zweige zweigeschossige, zum Hang dreigeschossige Gebäude wurde von 1500 bis 1577 von der Wildunger Linie der Waldecker Grafen als Wohnbau errichtet. Im ersten Stock befand sich die gräfliche Wohnung, deren Fenster steinerne Pfostenkreuze besitzen.

Der Sockel des Nordbaus ist zum Teil aus dem gewachsenen Fels gebildet, das Kellergeschoß besteht u.a. aus mehreren gewölbten hallenartigen Räumen. Im Kellergeschoß waren u.a. ein großer Wasserbehälter, eine Ölmühle und mehrere Backöfen untergebracht. Ein Arsenal befand sich vom Hof aus zugängig im heutigen Rittersaal, die großen Dachböden wurden als

Fruchtböden genutzt.

Im Jahre 1665 wurde die Burg als Wohnstätte und Residenz aufgegeben, sie blieb „Veste“ (kleine Festung). Die ehemals gräfliche Wohnung bewohnten fortan die Schloßkommandanten, darunter entstand eine kleine Kaserne für bis zu 18 Soldaten. Von 1734 bis 1868 nutzte man die Burg als Zucht- und Arbeitshaus. In diesem Gebäude entstanden Zellen (Kuxen), Arbeitssäle im Dachboden, eine Spinnerei und ein kleiner Kirchenraum im Ostteil. In den Kellergewölben wurde eine Marmorsägerei eingerichtet, die bis 1850 existierte (Bild 40-42)

 

Achteckiger Treppenturm:

In sein Mauerwerk sind drei Wappentafeln aus Sandstein eingelassen;

1. Links mit dem Wappen Waldeck und Runkel. Inschrift: „Anno 1500 Had Der Wohlgeborn Her Henrich Grawe zu Waldeck Selger Gedechnis Diesen Baw Angefangen“ (Graf Heinrich VIII, 1465-1513)

2. Rechts oben mit den Wappen Waldeck und Ostfriesland. Inschrift (hier in Hochdeutsch):

Philipp, Graf und Herr zu Waldeck, den man erstlich den Jüngeren, danach den Mittleren, zuletzt den Älteren nannte, hat sein zeitlich Alter wohl erreicht und gelebt ins 82. Jahr, seinen Anteil der Grafschaft Waldeck 62 Jahr treulich und friedlich regiert und ist bei Zeit seiner Regierung die rechte evangelische Religion auf Dr. M. Luthers Reformation vermöge der Augsburgischen Konfirmation in der Grafschaft angenommen und bestätigt worden, dabei wohlgedachter Herr, dem Gott gnädig sei, geblieben und alterssatt selig entschlafen ist am letzten November 1574 (Graf Philipp IV., 1493 —1574).

3. Rechts unten mit den Wappen Waldeck und Hessen. Inschrift:

1577 G•I•M•Z• (d.h. Gott ist meine Zuversicht ...)

Daniel Grave Und Herr Zu Waldeck.

1577 I•V•G•M•H• (d.h. Ich vertraue Gott meinem Herren ...)

Barbara geborene Landgraffin Zu Hessen Graffin Und Fraw Zu Waldecke

 (Graf Daniel 1530-1577 und seine Gemahlin Barbara (1536-1577)

 

Bergfried:

Dieser mächtige dreigeschossige Sandsteinbau stammt wahrscheinlich noch aus dem Ende des 13. Jahrhunderts oder der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Mit seinen drei Meter dicken Mauern galt er als letzter Zufluchtsort der Burgbewohner in Zeiten der Gefahr. In ihm war von 1745-1761 das gräfliche Gesamtarchiv untergebracht, weshalb er auch „Archivturm“ genannt wird. Von 1952 bis 1997 diente er als Wasserturm.

 

Altane:

Die Altane  ist im Jahre 1734 durch den Abriß des Südbaus, des sogenannten „Eisenbergischen Flügels“ entstanden. Dieser Wohnbau aus dem 13. Jahrhundert zählt zu den ältesten Teilen der Burg, seine Kellergewölbe unter der Altane sind erhalten geblieben. Die Beutegeschütze von 1862 auf der Altane stammen aus dem deutsch-französischen Krieg  von 1870/71. Im Osten der Altane schließt sich die Ausstellung „Hinter Schloß und Riegel, 1734-1868“ an. Hexenspund mit Verlies, Kasematte und Schießscharten sind in die Ausstellung einbezogen (Bild 44-46)(Bild 48 -55). Die Altane ist heute eine vielbesuchte Aussichtsterrasse, die einen weiten Ausblick ins Waldecker Land ermöglicht.

 

Uhrturm:

Der Uhrturm ist nach 1500 gebaut worden. Er gehörte ursprünglich zu einem spätgotischen Bau, als dessen Aufgang zum ersten Stock er vermutlich diente. Er ist außen achteckig und innen rund gebaut (Bild 47).

 

Marstall:

Der Marstall ist der am weitesten westlich stehende Bau der Südseite. Er wurde 1611 als Marstall errichtet und ist im Wesentlichen erhalten geblieben. Die „Alte Turmuhr“ ist ein Gourmet-Restaurant.

 

Oberer Torbau, Amtshaus:

Der ursprünglich turmartige Torbau ist im 19. Jahrhundert nach Süden verlängert und als Amtshaus für das Amt Waldeck eingerichtet worden. Von 1734 bis 1868 diente er als Frauengefängnis.

 

 

Netze:

Wenn man aus Richtung Sachsenhausen kommt, ist in einer leichten Rechtskurve auf der linken Seite das Schild „Evang. Kirche“ zu sehen. Wenn man diese Abzweigung verpaßt hat, kann man auch an der nächsten Straße dem Schild „Alte Schule“ folgen und dann links in den  Marienthalweg einbiegen. Den Schlüssel gibt es im Hospitalhaus links neben der Kirche bei

Frau Stern (Tel.: 05634-7588) oder/Herrn Kann (Tel. 05634-283) (Bilder 01-05).

Netze liegt 320 Meter hoch am Westhang des Langen Waldes und gilt als eine sehr alte Siedlung aus vorgeschichtlicher Zeit. In einem stillen, abgeschiedenen Tal, idyllisch an munteren Wasserläufen gelegen, gehört das Dorf mit seinen rund 700 Einwohnern seit 1974 zur Großgemeinde Stadt Waldeck.

Bevor man die Kirche betritt, fällt südlich der Kapelle das alte Hospitalhaus auf, das 1540 von dem ersten evangelischen Pfarrer für „.unbescholtene, allein stehende“ Bewohner aus Netze gestiftet und 1810 neu errichtet wurde. In der äußeren Südwand der St. Nikolaus-Kapelle befindet sich eine gotische Totenleuchte (um 1350). Der Friedhof wurde 1795 westlich um die Reste des Klosters (Dormitorium/Schlafsaal) angelegt, davor hatte er sich unmittelbar östlich und westlich um die Kirche befunden. In jüngster Zeit wurde er nach Norden bis an die Kirche erweitert.

Das von dem Schwalenberger Grafengeschlecht gestiftete Kloster Marienthal bei Netze wurde 1228 vom Orden der Zisterzienserinnen bezogen und im Jahre 1527 als Folge der Reformation aufgelöst.

Da der ursprüngliche romanische Sakralbau aus dem 12. Jahrhundert für eine Ordenskirche zu klein war, ließen sich die Zisterzienserinnen eine zweischiffige chorlose Hallenkirche mit einer westlichen Nonnenempore erbauen, die um 1280 geweiht wurde. Durch die Jahrhunderte erlebte die Klosterkirche eine lebendige Baugeschichte durch immer wieder anfallende Renovierungs- und Umbauarbeiten.

Der begehbare romanische Westturm (1100-1150 erbaut) ist der älteste Gebäudeteil. Seine gezimmerte und mit Schiefem belegte „Welsche Haube“ erhielt er Ende des 16. Jahrhunderts. Das Untergeschoß wurde 1978 zur Friedhofskapelle umgestaltet. Eine der drei Bronzeglocken zählt zu den ältesten Deutschlands. Sie wurde bereits Anfang des 12. Jahrhundert vor Ort von durchziehenden Mönchen gegossen.

Das Kirchenschiff oder Langhaus ist eine Halle mit breitem Hauptschiff ohne Chor und schmalerem nördlichen Seitenschiff. Von der Nonnenempore ist nur das südwestliche Viertel, auf dem sich seit Mitte des 19. Jahrhundert die Orgel befindet, erhalten geblieben. Der heutige Eingang zur Kirche wurde während der östlichen Kirchenerweiterung um 1330 angelegt. Drei Rundpfeiler teilen das Langhaus und tragen das gotische Kreuzgewölbe. Bei der Renovierung von 1957 wurde die gotische Rankenmalerei (um 1350) über dem Altar freigelegt.

Die jetzige Orgel wurde 1823 angeschafft und in den Jahren 1845, 1908 und 1928 umgebaut, 1959 und 1979 müßte sie erneuert werden. Der wuchtige achteckige Taufstein aus einem einzigen Sandstein entstand um 1350. In einer Flachnische an der Säule vor dem Altar steht die Schutzpatronin der Kirche, Maria. Die aus feinem Sandstein gefertigte gotische Madonna entstand um 1260. Die Barockkanzel wurde 1663 geschnitzt und zehn Jahre später mit Ölfarben ausgemalt. Das über dem Flügelaltar angebrachte hölzerne Kruzifix stammt wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert und diente den Nonnen als Prozessionskreuz. Der wertvolle, 1628 vergoldete Abendmahlskelch der Gemeinde wird vor 1500 datiert. Er wurde 1540 von der letzten Äbtissin des Klosters, Katharina von Rhone, an die evangelische Pfarrei übergeben und ist bis heute in Gebrauch.

 

Der gotische Flügelaltar ist eines der wenigen monumentalen Altarwerke deutscher Tafelmalerei aus dem 14. Jahrhundert. Das Triptychon hat geöffnet eine Breite von 4,75 Metern und eine Höhe von 1,34 Metern und wurde von einem unbekannten Meister um 1370 erschaffen. Kunsthistorisch sind rheinische und böhmische Einflüsse erkennbar. Mündlicher Überlieferung zufolge soll der Altar 1357 vom Waldecker Grafen Heinrich VI., genannt „der Eiserne“, gestiftet worden sein. Ursprünglich stand er bis 1604 auf der Nonnenempore, dem heutigen Standort der Orgel. Er diente den Nonnen zur Betrachtung und zur Vertiefung in die Geschichten der Heiligen Schrift. die auf den einzelnen Bildtafeln dargestellt sind.

Der Altar hat eine wechselvolle Geschichte. Daß der Netzer Flügelaltar dem Ort bis heute erhalten geblieben ist, grenzt fast an ein Wunder. Im Siebenjährigen Krieg (1757-1764) wurden die Flügel bereits aus Sicherheitsgründen abgenommen und im Dorf versteckt. Im Jahre 1928 wurde der Verkauf des Kunstwerks nach Amerika durch Intervention der Netzer Bürger verhindert. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Altar ebenfalls vorsorglich von 1943 bis 1945 in einem Bunker in Bad Wildungen eingelagert und durch eine glückliche Fügung nicht nach Amerika verschleppt. Auf Grund des Hinweises eines US.-Captains konnte das Bildwerk nur einen Tag vor seinem geplanten Abtransport in die USA. auf einem Pferdewagen unerkannt nach Netze zurückgelangen.

Die klimatischen Verhältnisse machten im 20. Jahrhundert eine kostenaufwendige Festigung des porösen Kreidegrundes unter den Farben notwendig. Acht Jahre (von 1983 bis 1991) war der Altar zur Renovierung und Einlagerung beim Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden. Nachdem in der Kirche die Voraussetzungen zur Regulierung des Raumklimas geschaffen worden waren, um den Erhalt des Altarbildes zu sichern, konnte das Werk im April 1991 wieder an seinen vor über 600 Jahren geweihten Ort zurückkehren.

 

Der Netzer Altar gehört zu den fünf herausragenden Werken gotischer Tafelmalerei in Hessen. Er ist einer der bedeutendsten Exemplare der westfälischen Tafelmalerei der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Um 1360/70 entstanden, befindet er sich auch heute noch in der ehemaligen Klosterkirche des Zisterzienserinnenklosters Marienthal, für das der Altar aller Wahrscheinlichkeit nach gestiftet wurde.

Zur Entstehungszeit des Netzer Altares haben die Menschen nicht nur das Dargestellte als biblische Geschichten genau gekannt, ihnen erschloß sich auch die darin wirksame Symbolik. Heute werden wir sowohl das in den Bildern verkündigte Wort der Heiligen Schrift als auch die Symbolsprache der Gotik bewußter betrachten. Und wir können die Kraft dieses monumentalen Werkes spüren, das mit seinen Farben und dem gehämmerten Goldgrund eine zeitlose Gültigkeit beansprucht.

Der Passionsaltar besteht aus drei Flügeln, von denen die zwei Äußeren vor den Inneren geklappt werden können. Die beiden beweglichen Flügel sind auf der Innen wie auch auf der Außenseite bemalt bzw. bemalt gewesen. Ursprünglich war der Altar auch auf der Rückseite bemalt und zwar auf den Flügeln mit jeweils sechs Aposteln. Ob und wie das Mittelfeld bemalt war, ist nicht mehr festzustellen. Nach der Überlieferung wurde im 30-jährigen Krieg der Altar geschlossen und die Heiligen zerkratzt, zerstört und mit einer braunen Farbe überstrichen, die 1929 schließlich wieder entfernt wurde. So ist die Rückseite bis auf die „Vier gekrönten Märtyrer“ und „Bischof Erasmus“ nicht mehr erkennbar. In der Advents- und Fastenzeit, wenn der Altar geschlossen war, wollte er - gemäß dem Wort „Gott will im Verborgenen wohnen“ - den Betrachtern vom Geheimnis Gottes erzählen und auf die Kirche in Gestalt der zwölf Heiligen aufmerksam machen.

Der Altar zeigt die Heilsgeschichte. Auf der Innenseite des linken Flügels sind Szenen der Kindheit Christi abgebildet, auf der Mitteltafel sowie auf der Innenseite des rechten Flügels die Leidensgeschichte vom Abendmahl bis zur Ausgießung des Heiligen Geistes. Auf den stark beschädigten Außenseiten lassen sich Reste figurativer Darstellung erkennen.

Die Figuren der rechten Außenseite konnten nach der Restaurierung des Altares von 1988 bis 1991 anhand ihrer Attribute identifiziert werden. So ist der Heilige Erasmus anhand seines Nimbus. des Bischofsstabes mit Blattwerk in der Krümme und einer Darmwinde (Marterwerkzeug) zu erkennen. Vier weitere Figuren lassen sich als die vier Schutzheiligen der Steinmetze, die Quattuor Coronati, mit ihren Attributen Winkel, Zirkel, Meißel und Reißschiene ausmachen.

Die Komposition der Bildfelder auf den Innenseiten der drei Altarflügel ist von streng symmetrischem Aufbau, wobei die Betonung auf der Hauptszene, der Kreuzigung Christi liegt. In der Mitte erstreckt sich diese Darstellung über die gesamte Höhe des Altarbildes. Sie wird von je zwei kleineren, übereinander liegenden Bildfeldern flankiert. Beide Seitenflügel sind in je vier Bildfelder geteilt. Ferner hebt sich die Darstellung der Kreuzigung durch die andersartige Behandlung des Hintergrundes ab. So ist er in jeder Szene mit Gold hinterlegt und weist gleichmäßige Punzierungen in Form von Blattrankenornamenten auf. Der Goldgrund der Kreuzigung hingegen weist keinerlei Punzierungen auf.

Die Farbigkeit der gesamten Malerei ist in Rot, Grün und Gelb gehalten. Die Farben der Gewänder verschütten sich an den Seiten weich und hellen zur Mitte hin auf, wodurch die Figuren plastisch erscheinen. Noch gibt es keine einheitliche Lichtführung, die über die Figuren hinweg greift und sie in einen einheitlichen Raum stellt.

Tritt der Betrachter an den Altar heran, wird sein Blick zunächst von der dominanten Kreuzigungsszene des Mittelteils angezogen. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, daß sich der Altar von links beginnend lesen läßt.

Der linke Altarflügel berichtet aus der Kindheit Christi. Es wurden Schlüsselszenen ausgewählt, die dem Betrachter die wichtigsten Ereignisse vor Augen führen. Von links oben beginnend sind die Verkündigung, die Geburt Christi, die Anbetung der Heiligen Drei Könige und die Darbringung im Tempel dargestellt. Jede Szene ist in sich geschlossen. Dennoch bilden alle vier Bildfelder eine Einheit. Dies erreicht der Künstler zum einen durch den tiefgrünen, mit Blüten geschmückten Rasen, zum anderen mittels einer gleichbleibenden Horizontlinie, welche den Betrachter unmittelbar zum nächsten Bild führt und somit die Szenen untereinander verbindet.

Bei näherer Betrachtung der Verkündigungsszene fällt eine ikonographische Besonderheit ins Auge. Die Darstellung des sitzenden Jesse zwischen dem Erzengel Gabriel und der Jungfrau Maria ist nicht nur in Hessen einmalig. Der aus der Wurzel Jesse herauswachsende Baum, in dessen Krone der Harfe spielende David sitzt, erinnert den Betrachter an die Herkunft Christi aus dem Stamme Davids.

Die Empfängnis-Szene bildete der Künstler in einer seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nördlich der Alpen aufkommenden Weise ab, in der Gottvater als Halbfigur Strahlen aussendet, auf denen die Taube des Heiligen Geistes herab fliegt. Das Jesuskind mit dem Kreuz gleitet abwärts. Maria öffnet voller Demut ihre Hände, bereit, die Botschaft des Engels zu empfangen.

Die einzige Architekturdarstellung des Altares findet sich in der Szene der Geburt Christi. Unverkennbar ist die Freude des Künstlers an der Beschreibung von Einzelheiten und Momenten des Alltags. Unter einem auf vier Ständern ruhenden Strohdach liegt auf einem Lager Maria, ihr zur Seite in einer Wiege das Jesuskind. Josef hält einen Topf über ein loderndes Feuer. Im Hintergrund beobachten Ochs und Esel die Szene, während im Vordergrund kleine Ziegenböcke zu sehen sind, die teils friedlich grasen, teils einander bekämpfen.

Das Bemühen, räumliche Verhältnisse zu vermitteln, ist anhand der Staffelung und Überschneidung der Personen und Gegenstände deutlich erkennbar. Die Anbetung der Heiligen Drei Könige und die Darbringung im Tempel schließen sich dieser Szene an. Stets ist Maria durch die gleichbleibende Farbigkeit ihrer Gewandung in hellem Rosa und Blau-Grün als Hauptperson dieses Altarflügels auszumachen. Auch in den übrigen Bildfeldern zeichnet sie sich durch diese Gewandfarbigkeit aus.

Mit der Mitteltafel beginnt die Darstellung der Leidensgeschichte Christi. Wie auf der linken Tafel beginnt die Leserichtung links oben mit dem Abendmahl. Christus ist mit acht seiner Apostel dargestellt. Christus und Johannes im Bildmittelpunkt werden von je einer Dreiergruppe sitzender Apostel gerahmt. Einzig bei der Komposition dieser Abendmahlsszene griff der Künstler auf die Isokephalie (griech. = gleiche Kopfhöhe) zurück, was in der stark horizontal betonten Anlage der Szene begründet liegen mag. Deutlich distanziert von den anderen Jüngern sitzt Judas seitlich vor der Tafel.

Rechts oben folgt die Szene Christus vor Pilatus. Die untere Bildreihe liest sich, das große Bildfeld der Kreuzigung einschließend, von links nach rechts. Wieder vermittelt eine zur Mitte hin ansteigende, gemeinsame Horizontlinie dem Betrachter die Zusammengehörigkeit der drei Bildfelder mit Kreuztragung, Kreuzigung und Kreuzabnahme. Alle drei Szenen scheinen sich auf ein und demselben Hügel abzuspielen. Die Darstellung der Kreuztragung leitet durch die nach rechts oben führende Komposition mit der Horizontlinie und der Ausrichtung der Personen auf die Kreuzigung über. Der übergroße Corpus im Dreinageltypus bildet den Mittelpunkt der beidseitig ansteigenden Bildkomposition.

Zur Linken führt die Gruppe der Frauen und des Johannes die unmittelbar zum Antlitz des Gekreuzigten aufsteigende Linienführung weiter. Die Komposition der Figuren in einer aufstrebenden Linie zwingt den Betrachter, dem Opfertod Christi unmittelbar beizuwohnen.

Christus am Kreuz ist mit geneigtem Haupt dargestellt. Sein Gesicht ist vom erfahrenen Leid gezeichnet. Blut fließt aus seinen Händen, Füßen und der Seitenwunde, welche dem Betrachter verdeutlicht, daß der Heiland bereits verstorben ist. Klagende Engel umringen den Gekreuzigten.

Der Körper Christi beschreibt einen leichten Bogen nach rechts. Dieses zaghafte Herausschieben des Körpers aus der Mitte läßt den Versuch des Künstlers erkennen, einen zusammengesackten toten Corpus, dem die Körperspannung entwichen ist, so natürlich wie möglich darzustellen.

Links klagen die trauernden Frauen und Johannes, rechts weist der Hauptmann in zeittypischer Kleidung auf den von ihm erkannten Heiland. Seine drei Begleiter sind ebenfalls der Entstehungszeit des Altares entsprechend gekleidet. Hinter ihnen befinden sich die im Vergleich zum Kreuz Christi wesentlich kleineren Kreuze der zwei Schächer. Ihre Arme sind über den Querbalken geschlagen und durch eine Stange verbunden. An den Kreuzen hängen Schwert und Keule. Die Wunden an Armen und Beinen deuten auf Knochenbrüche hin. Über dem guten Schächer schwebt ein Engel, über dem schlechten ein Teufel. Die Gruppe um den Hauptmann stellt das Gleichgewicht zur Frauengruppe her, die Szene der Kreuzabnahme mit der nach rechts unten abfallenden Bildkomposition schließt den mit der Kreuztragung beginnenden Bogen.

Die Anordnung der vier Szenen des rechten Hügels wird von dem mittleren Flügel bestimmt. Mittels der Horizontlinie wird der Betrachter von der Kreuzabnahme zur Grablege geleitet, die sich auf dem rechten Flügel links unten befindet. Vor der monumentalen Gruppe der drei Frauen senken zwei Männer den Leichnam Christi in einen Sarkophag.

Rechts schließt sich die Darstellung der Auferstehung Christi an. Die Siegesfahne in der einen, mit der anderen Hand segnend, entsteigt Christus dem Sarkophag. Ihm zur Seite schwenken zwei schwebende Engel Weihrauchgefäße. Den Moment der Auferstehung verschlafend, sitzen die Wächter vor dem Sarkophag.

Die Leserichtung setzt sich links oben mit der Himmelfahrt Christi fort. Im Halbkreis knien die Zwölf Apostel. Mit erhobenen Händen blicken sie ehrfürchtig dem aufsteigenden Christus nach. Dem schließt sich das letzte Bildfeld des Altares an. Um einen Tisch versammelt erfahren Maria und die Apostel die Ausgießung des Heiligen Geistes, der in Form einer Taube mit einer Hostie im Schnabel dargestellt ist.

 

Diese Gliederung des Altares findet sich mit einigen Abwandlungen bei nahezu allen westfälischen Meistern bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Detailrealismus und das erzählerische Moment treffen aufeinander. Die Heilige Geschichte läßt sich ohne Schwierigkeit lesen. Sie ist, die Schlüsselmomente jeder Szene herausgreifend, auf Wesentliches beschränkt. Dies geschieht in einer den Möglichkeiten der Zeit entsprechenden wirklichkeitsnahen Form. Deutlich ist die jeweilige Umgebung einer Szene erkennbar. Details wie die auf nahezu jedem Bildfeld anzutreffenden spitzen Schuhe, der in gotischen Formen gehaltene Thron Marias in der Anbetungsszene sowie die Waffen der Kreuzigungsszene entsprechen dem Geschmack, der in der Entstehungszeit des Altares vorherrschte.

Der Künstler griff bewußt auf modische Details seiner Zeit zurück, um den Realismus der Darstellung zu steigern und die immerwährende Aktualität des Dargestellten zu unterstreichen. Dem Betrachter wird so die Möglichkeit geboten. einen zeitlichen Bogen zwischen dem dargestellten Geschehen und der eigenen Realität zu schlagen.

Um die Hauptperson einer jeweiligen Szene bewußt zu akzentuieren, arbeitete der Künstler in manchen Bildfeldern mit einer abstufenden Betonung der Personen. Die Bedeutungsperspektive war ein gängiges Stilmittel des 14. Jahrhunderts. Besonders ausgeprägt wandte der  Künstler diese Methode der Hervorhebung in der Kreuzigungsszene an. Die Bildkomposition steigt beiderseits des Gekreuzigten an, um den Betrachter auf den Bildmittelpunkt zu lenken. Die emotionale Bewegtheit der beteiligten Personen wird nicht nur mittels deren Mimik und Gestik ausgedrückt. Das Ungeheuerliche und Einzigartige dieses Opfers Christi vermittelt prägnant und eindrucksvoll die breite Zäsur, welche den Gekreuzigten von den Figurengruppen der Frauen und Soldaten trennt.

Weniger ausgeprägt, aber doch deutlich erkennbar, hebt der Künstler auf den anderen Bildfeldern mit Hilfe der Bedeutungsperspektive die Hauptperson des Altares. Christus, hervor. Er erscheint in den Szenen vor Pilatus, der Kreuztragung und Auferstehung erkennbar größer.

Einige Szenen. wie die Geburt Christi, Christus vor Pilatus, Himmelfahrt und Pfingstwunder, zeigen den Versuch, einen in die Tiefe reichenden Handlungsraum darzustellen. Dies geschieht einerseits durch die leichte Staffelung der Personen oder Gegenstände, zum anderen durch den Versuch einer perspektivischen Darstellung architektonischer Elemente, beispielsweise anhand des Throns der Muttergottes in der Anbetungsszene und des Sarkophags in der Auferstehungsszene.

Typisch für dieses Altarbild um 1360/70 ist die Abkehr von der flächenhaften und linearen Darstellungsweise hin zu mehr Plastizität. Dies wird deutlich in dem neuen Verhältnis zur Körperform, das nicht mehr abstrakt überspielt, sondern als Volumen begriffen wird. So erreicht der Künstler mit seiner Farbgebung, die aus der Tiefe heraus mit Schatten und Aufhellungen arbeitet, eine erste räumliche und körperhafte Anschaulichkeit. Der Passionsaltar in Netze steht somit als ein herausragendes Zeugnis der westfälischen Tafelmalerei an der Grenze zwischen Flächenhaftigkeit und Körperlichkeit (Weitere Einzelheiten zu den Altarbildern in dem Heft „Der Netzer Altar“, das in der Kirche für 5 Euro erhältlich ist)(Seiten 9-25).

 

Vom Kloster Netze stehen nur noch die Kirche und die Grablege der Waldecker Fürsten. Der Kreuzgang war nördlich der Kirche (Tür noch erkennbar), das Dormitorium westlich (mit direktem Zugang zur Empore. Die Waldeckische Grabkapelle St. Nikolaus an der Südwand der Klosterkirche wurde im 13. Jahrhundert von Graf Adolf  I. gestiftet. Von 1267 bis 1690 wurden fast alle Angehörigen des Grafenhauses hier bestattet. Die Grablege war im Kloster, damit die Nonnen fleißig für die Verstorbenen beten sollten. Das älteste Grab ist von 1306 (die Einzelperson rechts, links daneben ein Ehepaar).

Die Kapelle betritt man von der Kirche her durch eine Spitzbogenpforte. Neben den sehenswerten Grabdenkmälern mit ihren detailliert beschrifteten Grabplatten und den Sarkophagen (Tumbengräber) wird sie u.a. von drei gotischen Glasfenstern (um 1330) geschmückt.

Als die Grabkapelle im 17. Jahrhundert schließlich voll belegt war, wurde 1638 von der Grafenfamilie das ganze westliche Gewölbe zusätzlich zu einer Gruft ausgebaut. Eine Vielzahl von Bestattungen, vor allem von Geistlichen, fand auch in der Kirche, z.B. im nördlichen Schiff vor den Altären, statt. Ein Zeugnis dieser in der ersten romanischen Kirche bis in das 16. Jahrhundert in der Klosterkirche fortgesetzten Tradition ist die große gußeiserne Grabplatte des Pfarrers Johannes Scipio (1574-1660). Der Turm und das anschließende Stück der Kirche sind noch romanisch, der Raum wird heute als Friedhofskapelle benutzt (Bilder 06-10).

 

 

Reiherbach:

Wenn man von der Bundesstraße Bad Wildungen - Korbach nach Passieren der Abzweigung Selbach nach links abbiegt, trifft man auf den idyllisch gelegenen Ferienhof Pfeifferling. Ausgangspunkt war eine Mühle, die unten am Bach stand. Der Großvater des jetzigen Be­sitzers war Schäfer und war in ganz Deutschland unterwegs. Er hat gut verdient und das neue Wohnhaus bauen lassen (in dem jetzt die Ferienwohnungen sind). Die Mühle wurde abgerissen. Der jetzige Inhaber erlitt aber mit 55 Jahren einen Herzinfarkt und gab den Hof sofort ab, weil er in diesem Fall schon Rente kriegte. Der Sohn des jetzigen Eigentümers zeigte kein Interesse, er ist Bauingenieur und stellt als Selbständiger Carports her. Der andere Sohn baut im ehemaligen Kuhstall seit 2007 eine Wohnung aus.

Seit den 50iger Jahren war in dem Wohnhaus eine Pension. Aber als der jetzige Besitzer den Hof übernahm, war nicht mehr genug Zeit für die Gäste und alles wurde in Ferienwohnungen umgewandelt. Insgesamt gibt es 20 Plätze, die aber nicht im Preisteil des Katalogs stehen, weil die Gebühr sich nach der Bettenzahl richtet. Früher gab es sehr viele Holländer unter den Gästen, heute eher weniger.

Es stehen noch drei Nebengebäude, aber es gibt kein Vieh, nicht einmal eine Katze. Die Wiesen werden noch gemäht. Die Umgebung des Hofs ist mustergültig in Ordnung. Im Westen ist ein Wintergarten angebaut, der auch von den Gästen benutzt werden darf. Auch eine große Wiese mit Spielgeräten für Kinder steht zur Verfügung. Das Wasser kommt von einer Quelle aus dem Wald und hat natürlichen Druck. Im Jahre 2008 fand auf dem Hof das Treffen der Waldecker Schützenvereine statt mit 700 Teilnehmern, Spielen, ausgestopften Tieren und einem Waldlehrpfad.

 

Selbach:

Man geht zur Bundesstraße zur Bushaltestelle Abzweig Selbach. Links am Wartehäuschen vorbei kommt man auf einen Hof, den man links umrundet und den Berg hinauf geht. An der Bahnlinie etwas nach links gehen, unter der Bahn hindurch, in den Ort hinein. Zuerst steht links der Glockenturm mit Glocken aus Naumburg, erbaut 1987.

Die zwei Gußstahlglocken waren zunächst eine Dauerleihgabe der Evangelischen Kirchengemeinde Naumburg, Kreis Kassel. Die große Glocke HOSIANNA wiegt etwa 300 Kilogramm und trägt die Inschrift „ Liebesgabe des Frauenvereins der Gustav-Adolf-Stiftung zu Kassel mit Grebenstein“. Die kleine Glocke CONCORDIA wiegt 200 Kilogramm und trägt die Inschrift „ Liebesgabe der Frauenvereine von Gudensberg, Hanau und Schmalkalden“. Beide Glocken wurden 1878 in der Gußstahlfabrik Bochum gegossen und läuteten bis in das Jahr 1963 in Naumburg. Nach zehnjähriger Dauerleihgabe wurden in einer Feierstunde im Januar 1998 die Glocken vom Naumburger Kirchenvorstand übergeben und gingen damit in das Eigentum der Selbacher Bürger über.

Rechts ist dann die Baufirma Dezimballa, deren Inhaber Ortsvorsteher ist. Links vor dem Dorfgemeinschaftshaus steht dann ein Modell des ehemaligen Jagdschlosses Friedrichstal um 1900, Modell Maßstab 1: 9, hergestellt 1996 von Selbacher Bürgern anläßlich der Feier 750 Jahre Stadtrechte Sachsenhausen.

Dann geht es rechts die Straße hinunter zum ehemaligen Jagdschloß. Es war 34 Jahre allein von einer Frau bewohnt, deren Mann mit 32 Jahren tödlich verunglückt war. Jetzt gehört es einem Holländer, der es renoviert. Die Wirtschaftsgebäude links und rechts werden von zwei Bauern genutzt.

Dann geht es die Straße entlang unter dem Viadukt hindurch (interessante Gestaltung der Pfeiler. Einige sind massiv bis oben, die anderen aber sind oben durchbrochen). An der Bundesstraße geht man dann hinter die Leitplanke auf den Hermannweg bis zur Bushaltestelle und dann wieder ins Reiherbachtal.

 

Im Reiherbachtal:

Man geht zunächst auf der östlichen Seite des Tals abwärts. Nach links geht ein Weg nach Waldeck hoch. Den geht man aber noch nicht, sondern erst den nächsten Weg links. Man kommt auf einen Weg, der in halber Höhe am Berg entlang läuft. Er führt auf einen breiten Weg, auf dem man links zum Segelflugplatz gehen kann oder rechts ins Reiherbachtal. Man kann aber auch schon vorher nach rechts absteigen, allerdings zum Teil nur durch den Wald und der Weg auf der Ostseite des Tals ist auch ziemlich zugewachsen.

 

Richtung Sachsenhausen:

Auf dem geteerten Weg gegenüber dem Hof den Berg hinauf, aus dem Wald heraus in Richtung Sachsenhausen. Man kann bis zur Ruine Klinger Kirche gehen und dann von dort auf einem breitenWeg zu nächst ein Stück nach Osten, dann etwas ansteigend Richtung Südosten (mit Bäumen am Rand). Man kann aber auch abkürzen  und schon in Höhe der Fabrik an der Bundesstraße nach links abbiegen. Dann noch einmal links und im Wald den Waldrand entlang. Der Weg dort ist zwar schlecht, aber wenn es steil ins Tal geht, ist er wieder ein breiter Forstweg. In beiden Fällen kommt man ins Reiherbachtal und geht dieses aufwärts bis zum Hof.

 

Sachsenhausen:

Die Kleinstadt Sachsenhausen (etwa 2000 Einwohner) beherbergt die Verwaltung der Großgemeinde. Das Rathaus ist aus dem Jahre 1818, es gibt eine evangelische und eine katholische Kirche. Die Stadt bietet preisgünstige Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Cafe, Banken, eine Apotheke und Praxen für Allgemeinmedizin und Zahnmedizin. Lidl, Kik und Neukauf (Edeka) sind an der Durchgangsstraße, Aldi an der Straße nach Niederwerbe.

Sachsenhausen ist für Besucher aus Nordrhein-Westfalen und der Region Kassel Einfallstor zum Edersee (fünf Kilometer) und zentraler Ausgangspunkt für Erkundungen mit dem Auto oder Fahrrad von Edersee, Nationalpark Kellerwald-Edersee, Twistesee und Diemelsee.

An der Straße nach Niederwerbe ist die Ruine der Klinger Kirche, am letzten Hof des Dorfes auf der linken Seite kann man das Auto abstellen (Bilder 56-59).

 

 

Edersee Südseite

Affoldern:

Affoldern ist das „Tor zum Edersee“. Der Affolderner See - von der Fläche her ebenso groß wie der Diemelsee - wurde wegen seiner besonderen Anziehungskraft für Wasservögel. vor allem auf dem Durchzug, zum Naturschutzgebiet erklärt. Er hat sich zu einem bevorzugten Fischgewässer für Petrijünger entwickelt, weil es sich um ein Salmoniden-Gewässer handelt. Beliebt ist der See auch bei Windsurfern. Der 500-Einwohner-Ort wurde bei der Edersee-Katastrophe im Jahr 1943 schwer zerstört. Zehn Einwohner des Dorfes und ein Soldat ertranken in den Fluten.

Der Ort liegt eingebettet in einer Mittelgebirgslandschaft mit großen Wäldern, sanften Anhöhen und Wiesentälern. Als Angelparadies ist der Affolderner See weithin bekannt. Ein Vogelschutzgebiet mitten auf dem See beheimatet eine große Anzahl von Sing- und Wasservögeln. Gasthäuser mit Restaurants, zwei Campingplätze und zahlreiche Ferienwohnungen sind vorhanden. Für die Freizeit stehen Sport- und Tennisplätze, Ruder- und Angelboote und ein Fahrradverleih zur Verfügung. Der-Ort verfügt über Einkaufsmöglichkeit, Tankstelle, ein Geschäft für Angelzubehör sowie eine Töpferwerkstat (200-400 Meter, 520 Einwohner).

An der Straße nach Hemfurth ist der Infopoint Affoldern (man muß aber rechtzeitig vorher auf die Parkstraße abbiegen, denn an der Durchgangsstraße gibt es keine Parkmöglichkeit).

Er bietet neben einer modern eingerichteten Touristinformation der Edersee Touristic GmbH ein Geschäft mit Fischereibedarf, eine Gastronomieeinrichtung mit einem Kinderspielplatz sowie eine Ausstellung des Naturpark Kellerwald-Edersee zum Thema Wasser (Telefon Infopoint Affoldern: 05623-93 05 72).

Hier (auf der anderen Seite der Durchgangsstraße) ist auch der Start der Eder-Draisine, die am Affolderner See entlang  zwischen Affoldern und Hemfurth. Aber man ist mit Muskelkraft auf Schienen unterwegs ist, Fahrtdauer etwa 40 Minuten. Tel.: 01 51-53 90 39 80. Infos unter: www.eder-draisine.de.

 

Hemfurth-Edersee:

Während des Baus der Sperrmauer entstand die Siedlung Edersee als Standort für Wohnhäuser und Bürogebäude des Wasserbauamtes und der Preussen-Elektra. Hinzu kamen später Hotels und Pensionen. Im Jahre 1969 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Edersee mit dem benachbarten Hemfurth zusammengelegt. Hemfurth hat durch seine Lage am Ausgleichsbecken, dem heutigen Affolderner See, zusätzlich an Attraktivität gewonnen. Besonderer Anziehungspunkt für Kinder ist der Aquapark direkt an der Talsperre. Auf die Fahrgastschiffe führt - rollstuhlgerecht und einmalig in Deutschland - ein Schrägaufzug.

Der Ort bietet alle Unterkunftsmöglichkeiten sowie Restaurants sind vorhanden. Für Wohnmobilisten gibt es einen ruhigen Rastplatz mit Ver- und Entsorgungsstation. Im Bürgerhaus (Haus des Gastes) finden Veranstaltungen, Film- und Diavorführungen statt. Einkaufsmöglichkeiten sind mit Lebensmittelgeschäften, Blumenlädchen, Metzgerei, Friseur, Angelfachgeschäft, Bistro und Bank gegeben. Das Handwerk, ein Reiseunternehmen und Fahrradverleihstationen (eine davon in Rehbach) runden das Angebot ab. (250-600 Meter, 970 Einwohner)

Wenn man über die Brücke kommt, geht es rechts Richtung Sperrmauer-West, aber nur bis zu einem Parkplatz am Rand des Orts. Links geht es zum Kavernenkraftwerk:

 

Kraftwerk:

Als Meisterwerk der Ingenieurkunst gilt die tief im Berg gelegene Kaverne des Pumpspeicherkraftwerks Waldeck II. Über einen 830 Meter langen Zufahrtsstollen kann man das „Kraftwerk in der Felsenhöhle“ erreichen. Die Kaverne von 104 Metern Länge, 54 Metern Höhe und 34 Metern Breite wurde aus dem Berg herausgebrochen.

Wer sich für Kraftwerktechnik interessiert, kann auch die Speicherkraftwerke Hemfurth I und II an der Edersee-Staumauer und das Laufwasserkraftwerk Affoldern besichtigen. In einem Informationszentrum wird über die Nutzung der Wasserkraft anschaulich informiert. Der Strom kommt zwar aus der Steckdose. Aber hier sieht man, wo er wirklich herkommt. Das moderne Infozentrum kann man besuchen. Kraftwerksführungen sind aufgrund umfangreicher Umbau- bzw. Neubauarbeiten von 2006-2010 nur nach Absprache möglich. E.ON Wasserkraft GmbH, Werkgruppe Edersee Kraftwerkstraße 10 34549 Edertal, Tel.: 05623-948-390 oder 05623 - 948 - 293 www.eon-energie.com

Ein einmaliges Erlebnis für Besucher ist eine Fahrt mit der Standseilbahn auf den 300 Meter höher gelegenen Peterskopf, wo sich zwei künstlich angelegte Seen (Hochspeicherbecken) befinden: die Oberbecken für die Pumpspeicherwerke Waldeck I und Waldeck II. Hier genießt man eine herrliche Aussicht in das Waldecker Land. Die Fahrt ist auch mit Fahrrädern möglich. Fahrzeiten: Karfreitag bis Oktober Dienstag bis Sonntag, Bergfahrt stündlich 11  bis 17 Uhr. Talfahrt stündlich 11.15 bis 17.15 Uhr (Alle Preise auf Anfrage)

 

Wenn man in Hemfurth über die Brücke gefahren ist, geht es geradeaus Richtung Bringhausen. Zuerst sieht man rechts ein Haus mit vielen Indianerfiguren im Vorgarten. Dann ist links das Sperrmauermuseum, das vor allem die Zerstörung der Mauer im Jahr 1943 zeigt. Auf der Höhe geht es dann rechts ab Richtung Wildpark Edersee. An dem Bauernhof geht es geradeaus zum Ederseeheim und zum Kletterpark. Man fährt aber nach rechts in die Straße „Am Bericher Holz“ zum Parkplatz (dort auf Einbahnstraßenregelung achten).

 

Kletterpark Edersee

Der Straße folgen bis zum Parkplatz hinter dem Ederseeheim. Zwischen Ederseeheim und Parkplatz dem Waldweg folgen. Der Kletterpark liegt nach 150 Metern auf der linken Seite.

Der Kletterpark Edersee ist ein Abenteuerwald der besonderen Art, bestehend aus Seilen, Tauen, Balken, Netzen. Sie erwartet ein einmaliges Erlebnis in herrlichen Baumkronen in drei bis elf Meter Höhe direkt am Seeufer. Mit Spaß erkundet man den Wald und den Edersee aus einer ganz anderen Perspektive. Überraschende Aufgaben und reizvolle Herausforderungen: Man klettert und balanciert durch eine Welt, die man so noch nie erlebt haben: über Brücken hangeln, über Netze klettern oder an einem Stahlseil zu Boden schweben.

Sicherheit hat erste Priorität! Nach einer Einweisung von unserem geschulten Personal klettert man mit persönlicher Kletterausrüstung selbständig von Station zu Station. Um eine komplexe Anlage in einen lebenden Baumbestand zu integrieren, braucht es viel Erfahrung und Fachwissen. Gesichert werden Sie über Drahtseile mit 6-fachen Sicherheitsreserven. Der Kletterpark Edersee ist selbstverständlich vom TÜV überprüft und freigegeben!

Für Junge und Junggebliebene, die höher hinaus wollen. Ab einem Alter von zehn Jahren geht es los! (Minderjährige benötigen eine Einverständniserklärung ihrer Eltern). Nach oben sind keine Grenzen gesetzt.

Jeder, der gesund ist und sich die Herausforderung zutraut, kann den Kletterpark erklettern. Als Schulausflug, Familientour, Betriebsevent oder eine etwas andere Geburtstagsfeier. Wer nicht klettern möchte, kann die anderen aus unserer Kletterklause beobachten. Hier schmeckt es mit einem einmaligen Seeblick besonders gut!

 

WEISS: Unser Einführungsparcours. Hier üben Sie unter Aufsicht in niedriger Höhe die Handhabung der Kletterausrüstung.

GELB: Der einfache Parcours: ideal für Kinder und als Eingewöhnung an die Höhe.

ORANGE: Der mittelschwere Parcours: es geht schon etwas höher hinauf, ein wenig Klettergeschick ist verlangt.

ROT: Der Fun-Parcours, der ein gutes Gleichgewicht und Klettergeschick erfordert.

GRÜN: Unser längster und höchster Parcours: Überwindung bei den Seilrutschen und Ausdauer sind gefragt.

BRAUN: Der Profi Parcours mit den schwierigsten Kletterherausforderungen. Eine Herausforderung für alle Seilartisten.

 

Öffnungszeiten:

April - Mai                  13 - 19 Uhr (montags Ruhetag)

Juni - August               10.30 - 19.00 täglich

September - Oktober             13.00 - 19.00 (montags Ruhetag)

Feiertage, Schulferien 10.30 - 19.00 (immer)

Kinder ab 10 Jahren und einer Körpergröße von 1,40 Meter sind kletterberechtigt.

Jugendliche benötigen das Einverständnis eines Erziehungsberechtigten.

Preise:

Drei Stunden Klettern (Einweisung und Stellung Ausrüstung):

Erwachsene:                           19,— €

Jugendliche (10-17 Jahre):     15,— €

Student, /Rentner (64 Jahre):15,— €

Gruppe Erwachsene:              17,— € (ab 10 Personen)

Gruppe Jugendliche:              13,— €

Familie::                                 44,— € (2 Erwachsene, 1 Kind, jedes weitere Kind 10,— €)

(ab 10 Personen, pro 5 Jugendliche eine Aufsichtsperson gratis)

Geburtstagsregelung: Geburtstagskind frei!

Betriebsstätte: Kletterpark Edersee Ltd. & Co. KG, Am Eschelsberg 1

34549 Hemfurth-Edersee Tel. 01577-3828000

Verwaltung: Kletterpark Edersee Ltd. & Co KG, Am Lindenberg, 70 34260 Kaufungen.

Infos: 01577 3828000, Reservierung: info©kletterpark-edersee.de, 0561-4503570

 

Wildpark Edersee:

Im Wildpark Edersee werden die heimischen Wildarten gezeigt, die sich durch die Belastungen des Lebensraumes nur noch schwer in der Natur beobachten lassen. Daneben sieht man auch Tiere, die einstmals unsere heimische Landschaft durchstreiften, heute jedoch verdrängt, bzw. ausgestorben sind (zum Beispiel Wolf, Luchs, Wisent, Auerwild). Mit der Anlage von Großgehegen soll Gelegenheit gegeben werden, möglichst natürliche Verhaltensweisen der Tiere beobachten zu können. Außerdem wollen wir dem Wild Rückzugsmöglichkeiten gestatten, damit es seine Ruhezeiten einhalten kann.

Wenn man durch die Kasse gegangen ist (Bild 10), kommt man links ins „Fagutop“ (Informationen rund um den Buchenwald).  Hier können Jung und Alt Geheimnisse des Buchenwaldes ergründen: Welche Tiere leben im Wald? Wer frißt wen? Was ist ein Kohlenstoffkreislauf? Informationen, Computer-Animationen, ein interaktiver Stoffkreislauf, ein sprudelnder Wasserspeicher machen das Erforschen der Zusammenhänge und Wechselbeziehungen zu einem Erlebnis. Dort wird man in die Geheimnisse von Hessens größtem Wald-Ökosystem, dem bodensauren Buchenwald, mit seinen speziellen Wirkungsgefügen eingeführt. Hier können die komplexen Nahrungsbeziehungen des Waldes spielerisch erkundet werden. Per Mausklick werden mögliche Beziehungen hergestellt: Sind sie richtig, gibt es Punkte. Wer die Tiere des Waldes am besten kennt, gewinnt. Ein Film entführt in den Nationalpark Kellerwald-Edersee, ein weiterer stellt Tiere des Waldes vor.

Dem Infozentrum ist eine Waldschule angeschlossen. In der Waldschule können wißbegierige Schulklassen und Kindergartengruppen gemeinsam mit Rangern des Nationalparks die Erkenntnisse über den Buchenwald vertiefen. Die Waldschule bietet auch regelmäßig Bastel- und Erlebnistage für Kinder an. Parallel zur Neukonzeption des Wildparks Edersee zum WildtierPark ist die Weiterentwicklung der Waldschule zur WildnisSchule in Planung. Sie soll eine Verknüpfung von Erlebnissen in Nationalpark und WildtierPark, von interaktivem Begreifen und kreativem Lernen ermöglichen.

In der WildnisSchule werden Buchenwälder und Wildtiere, Wildnis und Biologische Vielfalt im Fokus der Bildungsarbeit stehen. Erlebnisorientiertes Lernen und kreativ-handwerkliche Angebote sollen eine bedeutende Rolle spielen ebenso wie Lernformen, die Handlungs- und Gestaltungskompetenz fördern, dies vor allem im Hinblick auf das Projekt Bildung für nachhaltige Entwicklung. Familien und Schulklassen stellen schon heute das Hauptkontingent der jährlich über 130.000 Besucher von Fagutop und Wildpark.

Die Hauptzielgruppe der WildnisSchule liegt beim vorschulischen Lernen und Erfahren sowie Grundschülern inklusive der Jahrgangsstufen 5 und 6. Zukünftig sollen alle nordhessischen Schüler einmal in ihrer Schulzeit für einen Tag die WildnisSchule besuchen können - Jahr für

Jahr etwa 420 Schulklassen. Das Fagutop muß dafür um- und ausgebaut werden. Werkraum, Klassenräume, ein erlebbares Boggelreich und ein interaktiver Schattenwald mit Waldbühne sind bereits entworfen. Eine innovative Bildungseinrichtung ist im Entstehen.

 

Durch den Wildpark, der eine Größe von 75 Hektar hat, führt ein ausgeschilderter Rundweg von etwa 2,3 Kilometer Länge, für den man sich mindestens zwei Stunden Zeit nehmen sollten. Der Übersichtsplan zeigt den Verlauf des Rundweges und die Lage der Gehege. Der Rundgang geht rechts herum, zuerst zu den Wildschweinen und den Greifvögeln. Bald ist man auch an der Greifenwarte (Bild 11-16).

Als besondere Attraktion werden hier regelmäßig Flugveranstaltungen durchführt. Neben heimischen Greifvögeln wie Steinadler, Wanderfalke, Uhu, und Milan sind in den Volieren u.a. Kaiseradler, Gänsegeier, Luggerfalke und Sakerfalke zu bewundern. Schwarze Milane und Gänsegeier schweben hoch über dem Edersee.

„So frei wie ein Vogel fliegen“, heißt es, doch die Vögel der Greifenwarte Edersee genießen ihre Lufthoheit nur auf Zeit. Zweimal am Tag um 11 und um 15 Uhr (außer montags). schwingen sie sich vor Publikum in die Lüfte vor den Toren des Nationalparks Kellerwald. Oder gehen in akrobatischem Tiefflug mit den Zuschauern auf Tuchfühlung, während der Falkner Ludger Kluthausen über das Leben seiner Greifvögel erzählt. Die Flugvorführungen sind witterungsabhängig! Hunde sind nicht erlaubt.

Bei den großen Volieren schickt sein Kollege Theo Koch einen weiteren Flugkünstler ins Programm: ein Seeadlerweibchen. Sie trainieren auch im Winter - jeden Tag, wenn das Wetter es zuläßt. Theo Koch und Ludger Kluthausen sind ausgebildete Jäger und Falkner. Seit vielen Jahren widmen sie sich der Jagd mit Greifvögeln, ihrer Zucht und Ausbildung. Vorschriftsmäßig halten sie nur gezüchtete Tiere und bilden sie aus. Adler, Milane, Falken und Gänsegeier zählen zu ihrem Bestand. Alle Jungtiere müssen lernen, wie es sich oberhalb des Edersees fliegen läßt, mit den nicht immer leicht zu meisternden Winden. Auch Wander- und Luggerfalken gehören zum Flugprogramm.

Zu Beginn eines jeden Flugtages geht es zum Wiegen. Für die Falkner ist das eine wichtige Kontrolle. Gibt doch das Gewicht Auskunft über den allgemeinen Gesundheitszustand des Vogels und vor allem über seine Flugfähigkeit: Zu schwer bedeutet, er ist zu satt und damit nicht flugwillig genug. Zu leicht, er ist zu hungrig und damit möglicherweise zu aggressiv für die Schau. Nur ihr normaler Appetit soll die Vögel beflügeln. Die extrem wendigen Falken können dabei im Sturzflug bis zu 300 Stundenkilometer schnell sein. Gegen das scharfe Auge des Falken, seine Klauen und den tödlichen Biß seines Schnabels hat ein schwaches Beutetier kaum eine Chance. Den Falkner schützen das Vertrauen des Vogels und der dicke Lederhandschuh vor Verletzungen.

Der Greifenwarte im Wildpark Edersee ist eine Greifvogelauffang- und Pflegestation angegliedert. Falkner Kluthausen und sein Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, kranke und verletzte Greifvögel gesund zu pflegen.

Tagsüber trifft man die Falkner persönlich im Wildpark an. Fernmündlich kann man Herrn Kluthausen jederzeit unter der Telefonnummer 05623/2230 erreichen. Kontakt und Information: Greifenwarte Wildpark Edersee, Talstraße 22, 34549 Edertal-Hemfurth, Telefon: 0 56 23 - 22 30, Fax: 0 56 23 - 93 37 27, E-Mail: info@greifenwarte-edersee.de.  Flugzeiten der Greifvögel: 1. März bis 31.0ktober: Dienstag bis Sonntag 11 und 15 Uhr, Montag Ruhetag. 1. November bis 28. Februar: Dienstag bis Freitag 15 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag 11 und 15 Uhr, Montag Ruhetag.

 

Östlich der Greifenwarte ist ein Ausblick auf den See („Panoramaussicht“) (Bild 17-19).

Weiterer Rundgang: Steinböcke, Uhu, Luchs (Bild 20-22), Wolf, Rotwild (zweimal)(Bild 25-26), Wisent (Bild 29), Wildpferd, Birkhuhn, Auerwild (Bild 30), Fischotter (Bild 31-35), Waschbär (Bild 36), Abstecher Wildpferde, Streichelzoo, (Bild 36-37).

Der Rothirsch ist unser größtes noch frei lebendes Wildtier. Noch vor 150 Jahren besiedelte er fast ganz Deutschland. Auf seinen Wanderungen zog er durch unsere Wälder und Fluren. Mit etwas Glück kann man den Rothirsch im Nationalpark in freier Wildbahn beobachten. Während der herbstlichen Brunftzeit schallt sein Röhren durch die Wälder. Dann sind die Führungen zu den Orten der Brunft ein Erlebnis der besonderen Art. Im Wildpark begegnet man dem „König des Waldes“ hautnah.

Nachdem der letzte Fischotter der Region 1911 bei Bergheim an der Eder geschossen wurde, hat man Fischotter lange nicht gesehen. Im Wildpark sausen sie heute wieder durch das Wasser. Die quirlige Otterdame Jule ist während der Fütterung der unbestrittene Star. Familie Fischotter kann man  zwischen Auerwild und Muffelwild auf keinen Fall verfehlen. Heimische Wildtiere kann man ganz nah erleben, das Schauflittern des geheimnisvollen Wolfrudels, den schleichenden Luchs mit seinen Pinselohren, die possierlichen Fischotter. Das Spielschiff auf dem Abenteuerspielplatz, Ponyreiten und Streichelzoo lassen Kinderaugen glänzen. Sowohl den größten als auch den kleinsten Besuchern der „wilden Tiere" wird etwas geboten.

Wildpark Edersee, Am Bericher Holz, 34549 Edertal-Hemfurth:

Tel.: 05623 - 43 70. Öffnungszeiten: 01.05. bis 31.10.: 09.00 bis 18.00 Uhr, 01.11. bis 28.02.: 11.00 bis 16.00 Uhr, 01.03. bis 30.04.: 10.00 bis 18.00 Uhr Greifvogelschau: 01.03. bis 15.11.

Wildpark Edersee: Tel. 05623 4370, edersee-info@t-online.de, www.edersee.com

Termine: Mai-Okt 9:00-18:00; Nov-Feb 11:00-16:00; Mär-Apr 10:00-18:00  (Stand: Jul.2008).  Preise: Erwachsene: € 4,-; Kinder 4-14 J: € 2,50

 

Rehbach:

Der flache, familienfreundliche Badestrand am Rehbach, etwa zwei Kilometer von Hemfurth/Edersee entfernt, bietet u. a. durch seine Spiellandschaft ideale Sommerfrische für Jung und Alt.

 

Bringhausen:

Einige Familien aus dem untergegangenen Dorf Bringhausen siedelten sich beim Bau der Sperrmauer am Daudenberg an. Sie haben die alte Kirche mitgenommen und etwas kleiner in dem neuen Dorf wieder aufgebaut. Das besondere Merkmal dieser Kirche ist der Kanzelaufbau, der von vier Palmen getragen wird. Weit vom großen Verkehr und doch bequem zu erreichen, zählt es zu. den schönsten Orten am Edersee. Einsam, am Rande eines ausgedehnten Waldgebietes, ist es ein Paradies für den Naturfreund. Pensionen, Ferienwohnungen und ein Campingplatz sorgen für das Wohl ihrer Gäste. Kinderspielplatz und Bolzplatz für die kleinen Gäste sind ebenso vorhanden wie ein Wassertretbecken für Kneippanwendungen. Bademöglichkeiten bestehen in der ganzen Bucht (290-600 Meter, 370 Einwohner).

Man fährt erst nach links in den Ort hinauf zur Kirche. Von dort kann man immer um den Ort und die Feriensiedlung herumfahren. Zwei Stichstraßen gibt es nach links: Zum Fünfseenblick (wenn man das Hinweisschild auf die Gaststätte sieht, nach links fahren) und zum Parkplatz Kirchweg (Eingang in den Nationalpark) und zur Daudenberg-Route.  Am Daudenberg führt die Route durch eine Vielzahl von Waldgesellschaften. Schroffe Steilhänge mit Felsbändern wechseln mit feuchten Schluchten und Quellen. Einen herrlichen Ausblick auf den Edersee eröffnet der Fünfseenblick oberhalb von Bringhausen. Am Fuß des Bloßenberges rauschen die klaren Bäche „Bunte“ und „Keßbach“ in den Edersee. An felsigen Hängen finden sich Krüppelwälder, Blockhalden und alte Buchenbestände. An Steinbändern wächst polsterförmig das botanische Kleinod Pfingstnelke. Von hier kann man den 70 Kilometer langen Urwaldsteig erwandern. Ausgangspunkt: Nationalpark-Wanderparkplatz ,,Kirchweg“ bei Bringhausen, Länge: 5 Kilometer..

Das Käfersymbol führt vom Nationalpark-Wanderparkplatz zum Daudenberg. Die Rundwege im Nationalpark sind jeweils in beide Richtungen markiert. Wenn man dem Hauptweg in den Nationalpark folgt, biegt die Daudenberg-Route im Bereich der ersten Wegekreuzung links ab. Die Route deckt sich hier mit dem Urwaldsteig-Edersee. Lohnend ist ein kleiner Abstecher zum „Christians Eck“. Zwischen kümmerlich wachsenden Birken hindurch fällt dort der Blick über das Waldmeer des Nationalparks mit Hoher Stoßkopf und Arensberg, die durch das Banfebachtal getrennt sind.

Der Pfad windet sich weiter am Hang des Kessbachtales entlang. Schroffe Steilhänge mit stellenweise skurrilen Eichenwäldern wechseln mit feuchten Schluchten und Quellen. In der Ruhe des Waldes schwingt das Rauschen des im Tal fließenden Baches mit.

Wenn man den Daudenberg fast umrundet hat, verläßt man an einer Kreuzung scharf links den Urwaldsteig, weiter dem Käfersymbol folgend. Über einen steinigen, schmalen Pfad erreicht man das beeindruckende Felsmassiv des Daudenberges. Tief hat sich der Kessbach eingekerbt und dieses bizarre Monument aus Grauwacke geformt. Jahrtausende haben an dem Fels genagt. Der Frost hat Steinblöcke abgesprengt, die als Blockhalde langsam in die Tiefe rutschen. Kein Strauch und kein Baum können sich auf diesem unsicheren Parkett halten. Ein buntes Mosaik von Waldgesellschaften hat sich um diesen dynamischen Ort gebildet. Von der selten gewordenen Mehlbeere durchsetzte Eichen-Hainbuchenwälder wechseln mit Ahorn-Lindenwald, Eschen-Ulmen-Schatthangwald und Buchenwäldern.

Wenn man den Wald verlassen hat, gewährt zum Abschluß der Route der berühmte „Fünfseenblick“ oberhalb von Bringhausen einen herrlichen Ausblick auf den Edersee.

Vom Parkplatz „Kirchweg“ geht es hinunter zum Seeufer. Am Ufer geht es dann wieder zurück (Vorsicht: Vor dem Campingplatz nach rechts hoch fahren). Man muß den ganzen Weg nach Hemfurth zurückfahren und über Affoldern, Mehlen, Giflitz nach Westen in das Wesetal hin­einfahren (Bild 01-07).

                       

Kleinern:

Das 250-600 Meter hoch gelegene Dorf mit 650 Einwohnern  ist eine „Perle“ im Wesetal, einem Seitental des Kellerwaldes. Die Heilquellen des benachbarten, zweitgrößten Heilbadzentrums Deutschlands, Staatsbad Bad Wildungen/Reinhardshausen treten auch in Kleinern mit drei Brunnen zu Tage. Markierte Wanderwege führen durch eine idyllische Bachlandschaft, tiefe Wälder und ein herrliches Wiesental. Gepflegte Unterkünfte prägen mit dem Dorfgemeinschaftshaus, Metzgerei, Dorfladen, Friseur und Taxiunternehmen das Dorfbild.

Der Ortsteil wurde durch das Prädikat „familienfreundlicher Luftkurort“ ausgezeichnet.

Im Zuge der Regionalentwicklung ist ein ökologischer Dorfpfad mit interessanten Stationen entstanden. Er stellt die Ursprünglichkeit eines typischen Dorfes mit Bauerngärten, Backhaus, Dorfplatz mit Brunnen sowie die Streuobstwiesen noch stärker heraus.

In der Wesetalstraße (Durchgangsstraße West-Ost) steht auf der Südseite das ehemalige Schloß. Am Dorfgemeinschaftshaus auf der Nordseite der Straße steht eine Informationstafel zum Dorferkundungsgang. Dieser macht die Geschichte lebendig und die dörfliche Gegenwart liebenswert. Der weitere Weg verläuft wie folgt:

1.  Tafel Dorferkundungspfad am Dorfgemeinschaftshaus

2.  Dorfgemeinschaftsbrunnen vor dem Dorfgemeinschaftshaus auf dem Dorfplatz

3.  Backhaus auf dem Dorfplatz

4.  Färberwaid-Haus in der Heimbachstraße (Dorfladen)(Straße nach Norden)

5.  Hausbaum in der Heimbachstraße gegenüber dem Dorfladen

6.  Tiere im Dorf, Heimbachstraße, südlich des Spielplatzes

7.  Friedhof, nördliche Weinbergstraße (östlich der Heimbachstraße)

8.  Trockenmauer, Bergstraße (westlich der Kirche), nördlich des Kirchturms

9.  Dorfkirche mit Meitersdorfer Schnitzaltar von 1521. Als Graf Christian Ludwig von Waldeck 1660 Residenz und Regierung nach Kleinern verlegte und hier ein Schloß baute, war die Kirche für die Bedürfnisse des Hofes zu klein geworden. Deshalb ließ er 1681 die alte, baufällig gewordene Kirche abreißen und an ihrer Stelle eine neue bauen (Bild 40).

Die als Hof- und Dorfkirche bestimmte Anlage ist von einheitlicher barocker Architektur mit rechteckigem Grundriß und quadratischem Westturm. Das Kirchenschiff besitzt eine eigenartige gotisierende Raumausstattung. Von besonderem kunsthistorischem Interesse ist der Altar aus dem Jahre 1521. Er besteht aus einem geschnitzten Mittelschrein und zwei doppelseitig bemalten Tafeln. Gearbeitet wurde mit Linden- und Eichenholz und Temperamalerei auf Kreidegrund. Hersteller war die Werkstatt der Franziskaner in Meitersdorf. Im Jahre 1955 wurde der Altar in der Werkstatt des Landeskonservators sorgfältig renoviert. Dabei wurden die Flügel der Außenseite wegen des besseren Erhaltungszustandes umgehängt, so daß ihre Außenseiten heute die Innenseiten bilden.

10. Bauerngarten, Bergstraße schräg gegenüber der Kirche

 

Nach Süden durch die Mühlenstraße kommt man zum Dorfbrunnen mit den Mineralquellen (Pavillon)(11). Ein Natur- und Wasserlehrweg führt unterhalb des Dorfes durch das idyllische Wesetal. Zwölf attraktive Stationen handeln von Mühlen, Eisenhammer, Holzessig, Bachlebewesen, Mineralquellen und Hirten. Unter dem Motto „Spuren lesen“ kann man die Reste einer alten Kulturlandschaft und frühen Eisenindustrie entdecken.

„Pavillon des Wassers“: Im Nationalpark entspringen mehr als 500 reinste Quellen. Sie vereinen sich zu kristallklaren Bächen, die natürlich durch die Täler schwingen. Quellen und Bäche sind reich an Leben, darunter Arten, die hier vermutlich seit der letzten Eiszeit überdauerten, zum Beispiel den Alpenstrudelwurm oder die Quellschnecke. Der Pavillon bei Kleinern, auf dem Nationalpark-Wanderparkplatz Trifthütte, wird aufgrund seiner Bauform auch häufig als „Schmetterling“ bezeichnet. Dort kann man sich über die markanten Strukturen der Gewässer und ihr Leben informieren.

Wieder im Dorf  steht links schräg gegenüber dem Dorfgemeinschaftshaus das ehemalige Schloß in der Wesetalstraße (14). Links hinunter geht es dann zur Straße  „Zur Spicke“. Am Haus Nummer 5 ist eine Obstwiese zu sehen (13). Dann kommt man zur Freizeitanlage Spicke (12). Dieser Park bietet Abwechslung mit Turmrutsche, Floßteich, Tischtennis sowie Mühle-/Damespiel, Wassertretanlage und Sinnerfahrung: Klangspiele/„Fußfühlpfade“. Dann geht es wieder zurück ins Dorf und weiter in Richtung Westen.

 

Gellershausen:

Der bekannte Ferienort liegt im idyllischen Wesebachtal mit gepflegten Gasthäusern, Pensionen und Ferienwohnungen, der geprägt ist von den nahe gelegenen Buchenwäldern. Nach Abschluß der Dorferneuerung präsentiert sich der Ort im neuen Gewand, mit dorfgerecht gepflasterten Straßen, neu gestalteten Dorfplätzen und sorgsam restaurierten Fachwerkfassaden. Das schöne Dorfbild, ein vielfältiges kulturelles Angebot sowie viele gemeinschaftliche, öffentliche Feste waren die Grundlage für den zweimaligen Regionalsieg beim hessischen Wettbewerb „Unser Dorf““ und vorderste Plätze beim Landesentscheid. Tennisplatz, Wassertretbecken, Grillhütte und ein Spielplatz runden das Angebot für den Erholungsuchenden ab (300-620 Meter, 560 Einwohner)

 

Frebershausen:

Geheimnisvolle Schleifspuren sind an einer Steinbruchwand am Rande des Nationalparks nahe Frebershausen zu finden. Auf der Unterseite einer Grauwackenbank sind rinnenförmige Driftmarken erkennbar, die von Pflanzenteilen herrühren, die durch starke Strömungen über den Meeresboden geschleift wurden. An den Enden der Schleifspuren fand man Reste von Schachtelhalmen und Schuppenbäumen, die in der Steinkohlenzeit (Karbon) auf dem Festland verbreitet waren.

 

Frankenau:

Auf einer Hochebene im Kellerwald liegt das schmucke Städtchen Frankenau. Anheimelnde rote Dächer und die markante Kirche prägen den Ort, der sich als „Tor zum Nationalpark“ bezeichnet. Die Stadt ist besonders reich an kulturellen und landschaftlichen Besonderheiten. Dazu kommen die malerischen Fachwerkdörfer, das romantische Lengeltal, die blumenbunten Wiesen um das Feriendorf und die Heiden bei Altenlotheim. Wanderwege führen in die ausgedehnten Wälder des Nationalparks und bis zur Quernstkapelle.

Früher war Frankenau ein armes Ackerbürgerstädtchen. Doch schon immer war dieses Städtchen reich - nicht materiell, sondern reich an wunderschöner Landschaft. Frankenaus Stadtkern mit seiner Kirche schmiegt sich an einen Hügel, im Lauf der Jahrhunderte ist die Stadt auf die Hänge gewachsen. Feriengäste finden in dem anerkannten Erholungsort alles, was das Herz begehrt. Neben verschiedenen Unterkünften, Geschäften und Gastronomiebetrieben bietet Frankenau beschilderte Nordic-Walking-Strecken, 150 Kilometer ausgewiesene Wanderwege und mit den Einrichtungen des Feriendorfs zahlreiche Freizeitangebote wie Schwimmen, Sauna, Reiten, Minigolf und Tauchen.

Ein lohnendes Ziel für Spaziergänger sind die „Wichtelsteine“. In diesem Naturdenkmal haben sich in Jahrtausenden kleine Höhlen in Felswänden gebildet. Immer wieder waren Kinder und auch Erwachsene begeistert von der Vorstellung, daß darin Wichtel leben könnten, hier verwischen manchmal Phantasie und Realität. Veranstaltungen wie das Sommernachtsfest und die alljährliche Ziegenbockkirmes runden das vielfältige Angebot ab.

 

Umliegende Stadtteile:

Allendorf: Klein, aber fein - so präsentiert sich der Stadtteil Allendorf am Hardtberg. Besonders stolz sind die Bürger auf ihr Backhaus, das nach liebevoller Restauration an die Zeiten erinnert, als noch das ganze Dorf gemeinsam zum Backen einheizte und zahllose Brote und Kuchen nach­einander zwischen den heißen Mauern ihren Duft verbreiteten. Heute wird dort wieder gebacken: Stollen, Brote und Kuchen, und hin und wieder auch ein Wildschweinbraten. Alle zwei Jahre wird ein Backhausfest gefeiert. Interessierte können in Allendorf lernen, wie Brot zu Großmutters Zeiten hergestellt und gebacken wurde.

Aber auch, wenn das Backhaus kalt bleibt, gibt es in Allendorf viel zu entdecken: Die zum Wohnhaus umgebaute ehemalige Schule, ein Heimatmuseum und das kleine Kirchlein. Und selbst die Gastronomie hat hier Tradition: Das Allendorfer Gasthaus besteht seit mehr als 125 Jahren. Wer eine Reise in die Vergangenheit erleben und dennoch einen sorgfältig renovierten Dorfkern sehen möchte, sollte einen Besuch in Allendorf fest einplanen. Berühmt ist Allendorf ebenfalls für seine Schützen, die ihr Vereinslokal mit vielen Pokalen schmücken und einen wichtigen Beitrag zur Identifizierung der jungen Generation mir den ländlichen Werten und Traditionen leisten.

 

Dainrode: Am Hang Dainrodes prägt ein großer Steinbruch, der neun unterschiedliche Steinarten birgt, das Landschaftsbild. Von dort bieten sich Wanderern wunderbare Ausblicke ins hügelige Ederbergland bis hin zum Rothaargebirge. In der Senke liegt Dainrode. Vor mehr als 200 Jahren kamen nur Fußgänger auf dem Weg von Frankenberg nach Wildungen durch dieses Dorf, wie eine Schrift über Dainrode aus dem Jahr 1785 berichtet. Mittlerweile ist Dainrode gut an Bundesstraßen angebunden und leicht zu erreichen. Bis heute ist das Dorf landwirtschaftlich geprägt. Rund 160 glückliche Kühe leben im modernen Laufstall mit Melkkarussell. Regelmäßig lädt Dainrode zu traditionsreichen Veranstaltungen wie etwa dem Schlachte-Essen ein. Die Produkte aus eigener Herstellung wie Honig und „Ahle Worscht“ finden in der ganzen Region Anerkennung. Ländliche Idylle, direkter Anschluß zum Nationalpark Kellerwald-Edersee und regelmäßige Veranstaltungen wie der Dorflauf, das Heideblütenfest und Theateraufführungen machen Altenlotheim zum optimalen Ferienort.        

 

Ellershausen: Eingebettet in Felder und Wälder am Fuße des Naturdenkmals Mühlenberg liegt Ellershausen. Das Dorf bildet den Zugang zum romantischen Lengeltal mit seinen fünf historischen Mühlen. Ellershausen ist etwa tausend Jahre alt. Eine Besonderheit in der Dorfgeschichte ist die Ansiedlung des Adels. Die Familien von Huhn, von Dersch und von Drach lebten hier in einer im 13. Jahrhundert erbauten Wasserburg. Heute erinnert nur noch der Name der Gastwirtschaft „Zum Adligen Hof“ an diese Zeit - und natürlich das ADEL-Projekt mit seiner symbolischen Krone. Ziegenhaltung und Schäferei zeigen neben konventionellen Viehbetrieben die Bandbreite der Nutztierhaltung, aber auch traditionsreiche Produktionsverfahren in der Fleisch-  und Käseherstellung. Ein Obstbaumlehrpfad, eine kleine Kelterei für selbstgepreßten Apfelsaft und die schöne Dorfkirche mit Kräutergarten laden bei einem Besuch zum Verweilen ein. Auch im tiefen Winter lohnt ein Besuch in Ellershausen. Der alljährliche Weihnachtsmarkt ist einer der schönsten in der gesamten Region.

 

Louisendorf: Nur wenige Siedlungen weisen so eindeutig den hugenottischen Architekturstil auf wie Louisendorf, das nach der Tochter des hessischen Landgrafen Karl benannt wurde. Französische Glaubensflüchtlinge gründeten hier unter dem Schutz des Landgrafen Ende des 17. Jahrhunderts eine Siedlung und behielten Kultur und Sprache zum Teil bis ins 20. Jahrhundert bei. Neben der kreuzförmigen Anordnung der Gebäude zeugen auch die 1702 erbaute Kirche und die mittlerweile restaurierte Schulscheune - sie ist im französischen Baustil aus Feldsteinen gemauert - von der Abstammung der Bevölkerung. Noch heute finden sich in der Region Namen, die eindeutig französischen Ursprungs sind. Informationstafeln entlang der typisch mit Kastanien bepflanzten Hauptstraße sowie regelmäßige Führungen geben zusätzliche Informationen zur Geschichte des Dorfes. Bei besonderen Gelegenheiten tragen die Frauen noch heute ihre selbstgenähten Trachten. Ein Gasthof, der französische Gerichte serviert, rundet das Angebot ab.

 

Zum Info-Zentrum „Kellerwald-Uhr“ kommt man, wenn man von Frebershausen kommt und rechts den Hinweisschildern folgt, vorbei am Sportplatz und am Reiterhof, auf der linken Seite. Im Infozentrum Kellerwald-Uhr gibt es nützliche und interessante Informationen für die ganze Familie. Vorn Käfer bis zum Rotwild werden hier die Tiere des heimischen Waldes gezeigt, Pflanzen oder Pilze bestimmt und der Lebensraum Wald erläutert. Hier werden Tiere, Bäume und Erdgeschichte dargestellt.

Man kann zum Beispiel die Nahrungskette erforschen. In der KellerwaldUhr tragen Kinder die Tiere des Waldes auf die Stufen einer begehbaren Nahrungspyramide. Arttäfelchen können verschiedenen Ebenen und Hierarchien zugeordnet werden. Unterste Ebene und Nahrungsgrundlage sind die Pflanzen. Sie stellen allen anderen Lebewesen die Energie zur Verfügung, die sie aus Wasser, Mineralien und Sonne gewonnen haben. Daher muß es im Wald sehr viele Pflanzen geben, und die erste Stufe der Nahrungspyramide ist deshalb die Größte.

Darüber wird es komplizierter: Erst kommen die Arten, die Pflanzen fressen und dann die, die die fressen, die die Pflanzen gefressen haben und dann die, die die fressen, die die gefressen haben, die Pflanzen gefressen haben. Die Tierarten werden im Verlauf der Nahrungskette immer größer und weniger. An der Spitze der Nahrungspyramide eines natürlichen Buchenwaldes stehen schließlich Wolf und Bär. Egal wo in der Nahrungskette - kein Glied darf fehlen, sonst funktioniert das Ökosystem nicht mehr (Bild 41).

 

Wenn man rechts ein Stück weiter fährt, kommt man zum Parkplatz Euler. Dort läuft man auf dem geschotterten Weg weiter bis zur an historischer Stelle wiedererrichtete Kapelle auf der „Quernst“. Rückwärts geht man schon etwa 50 Meter vor dem Abbiegen des Schotterweges nach links in den Wald. Dort ist ein Fußpfad zum Parkplatz mit Holzpfosten markiert. Zunächst geht es etwas aufwärts, dann am Kastanienhain nach rechts. Wegen des Windbruchs werden nach dem Wildzaun viele Bäume umgangen, einmal auch wieder ein Stück aufwärts. Aber wenn man sich an die eng gesteckte Markierung hält, kommt man zum Parkplatz. Auf der Weiterfahrt Richtung Altenlotheim kommt man am Feriendorf (mit Informationstafeln und See) vorbei (Bild 45-46).

 

Waldlehrpfad zur Quernst:

(1) Herstellen von Holzkohle in Waldmeilern:

Bei den Wanderungen in  unseren Wäldern fallen die kreisrunden, ebenen Plätze mit tiefschwarzer Erde auf. Es sind Kohlstellen, auf denen in früheren Jahrhunderten die zahlreichen Kohlenmeiler in unseren Wäldern standen. Hier stellte man Holzkohle her, die für die vielen Eisenhütten, Kupfer- und Bleibergwerke in unserer Gegend benötigt wurde (z. B. bei Emdenau, Kleinern, Berich). Der Bedarf an Holzkohle war groß und es bereitete oft Schwierigkeiten, die nötige Menge herbeizuschaffen. So wird berichtet, daß um 1850 die „Bericher Hütte“ aus Mangel an Holzkohle den größten Teil des Jahres „kalt liegen“ mußte! Für eine Tonne Roheisen benötigte man durchschnittlich die Holzmenge von 30-40 starken alten Büchen.

Auch viele Einwohner des in der Nähe liegenden Ortes Gellershausen betrieben bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts das Köhlerhandwerk. Weil der beim Abbrennen des Meilerhaufens entstehende Rauch in die Kleider zog und dort den recht dauerhaften typischen Holzkohlegerauh hinterließ, hatten die Gellershäuser bald ihren Spitznamen weg: „Gellershäuser Rauchhühner“.

In verkleinerter Form wurde hier das Modell eines Kohlenmeilers aufgestellt. Der Meiler ist teilweise geöffnet, um  den inneren Aufbau zu zeigen. Das Grundprinzip blieb über Jahrhunderte gleich: Die Kohlplatte hatte einen Durchmesser von 7-15 Meter und fiel von der Mitte zum Rand leicht ab. Diese Platten wurden meistens mehrfach benutzt.

Von Oktober bis April wurde das Holz geschlagen und zur Kohlstelle transportiert. Im Zentrum des Platzes trieb man drei bis vier etwa fünf Meter lange Stangen so in den Boden, daß zwischen ihnen ein Hohlraum von 30 Zentimeter Durchmesser entstand. Dieser „Quandelschacht“ wurde mit trockenen, leicht brennbaren Holzstücken gefüllt. Um die Quandel stellte man gleichmäßig senkrecht das Kohlholz - 59 bis 150 Zentimeter lange-Holzscheite - auf: Die Ränder erhielten durch geschickte Verwendung verschieden starker und gespaltener Stücke eine Neigung von rund 60 Grad, um das Abrutschen der Abdeckung zu vermeiden. Durch das Aufeinandersetzen mehrerer Schichten entstand ein etwa drei Meter hoher Kegelstumpf, der Meiler.

Diesen deckte man mit dem zehn Zentimeter dicken „Rauchdach“ aus Laub, Reisig und Heidekraut sowie dem gleichstarken „Erddach“ aus Mineralboden und „Gestübbe“ - einem Gemisch aus Kohlenstaub, Kohlestücken und Erde - ab. Das Volumen der Meiler lag zwischen 30 und 120 Kubikmeter  Holz. Grundsätzlich eigneten sich alle Holzarten. Für ein gleichmäßiges Voran schreiten der Verkohlung waren aber einheitliche Holzeigenschaften im Meiler Voraussetzung. Die Buche wurde bevorzugt verwendet.

Der Quandelschacht wurde von oben her entzündet. Ein einmal angefachter Meiler mußte ständig beaufsichtigt werden. Deshalb geschah das Abbrennen in den Monaten Mai bis September. Die langen Tage, die Temperatur- und Windverhältnisse sowie die geringen Niederschläge in diesem Zeitraum begünstigten die Arbeit. Die Köhler wohnten dann in primitiven Hütten unmittelbar am Meiler.

Die Regulierung des Verkohlungsvorgangs geschah durch Einstechen oder Schließen von Zuglöchern. Die Farbe des aufsteigenden Rauches diente als Weiser über den jeweiligen Zustand des Kohlholzes.

Je nach Meilergröße dauerte die Verkohlung 8 bis 20 Tage. War der Meiler „gar“, verschloß man alle Zuglöcher und ließ ihn einige Tage abkühlen. Das Ausziehen der Kohle erfolgte wie das Schälen einer Zwiebel von außen nach innen. Die Meileroberfläche wurde mit Wasser gelöscht oder mit „Gestübbe“ abgedeckt, um einen offenen Brand zu verhindern. Die Holzkohle blieb eine Nacht liegen, um nachglimmende Stücke aussortieren zu können.

Die Beschaffenheit des Holzes und das Geschick des Köhlers bestimmten die Ausbeute. Je Kubikmeter Buchenholz rechnete man mit 125 bis 150 Kilogramm Holzkohle. Der hohe Kohlenstoffgehalt von 80-90 Prozent ergab einen idealen Energieträger. Das geringe Schüttgewicht von 200 Kilogramm je Kubikmeter erlaubte den Transport ohne aufwendiges Wegenetz.

Leider wurden die anderen wertvollen Inhaltsstoffe des Rohholzes nicht abgefangen. So sickerten Holzessig, Spiritus und Teer in den Boden. Diese aggressiven Stoffe und die hohen Brenntemperaturen schädigten den Boden an den Kohlstellen langfristig. Die Pflanzenwelt an diesen Stellen zeigt es noch heute deutlich. Vor allem Steinkohle und Erdöl begannen ab Mitte des vorigen Jahrhunderts die Holzkohle abzulösen. Ihre Verbrennung bereitet den Wäldern durch die von ihnen verursachten Luftschadstoffimmissionen allerdings noch größere Probleme.

 

(2) Tonschieder mit dünnen Grauwackebänken:

Das Rheinische Schiefergebirge, zu dem auch der Kellerwald gehört, verdankt seinen Namen den Schiefern, die große Teile dieses Gebirges aufbauen. Sie treten in vielen Klippen und Bergrücken an die Oberfläche, zu sehen auch in zahlreichen Einschnitten von Eisenbahnen

und Straßen.

Tonschiefer, die man in diesem kleinen Anschnitt sehen kann, sind harte, feinkörnige Sedimentgesteine. Sie entstanden aus sehr feinkörnigem Sand „(Silit“) und Tonmineralen, welche in küstenfernen und tiefen Meeresbereichen mit geringer Wasserbewegung abgelagert wurden. Die grauen, dunkelgrauen oder grüngrauen, manchmal auch roten Gesteine verdanken ihre Farbe unterschiedlichen Gehalten an feinverteiltem organischen Material sowie besonderen Oxidationsbedingungen. Auf den Schichtflächen der dunklen Tonschiefer sind oft versteinerte Abdrücke von Muscheln (zum Beispiel Poseidonia becheri), von Resten ehemaliger Meeresbewohner und von Pflanzenteilen als sogenannte Fossilien enthalten.

In die Schiefer sind dünne Grauwackenbänke eingeschaltet. Sie entwickelten sich während kurzer Zeiträume mit stärkerer Wasserturbulenz, in denen größere Sandmengen als Trübe­ströme in den Ablagerungsraum der Tonschiefer transportiert wurden. Eine solche Abfolge von Tonschiefern und Grauwacken bezeichnet man als „Wechsellagerung". Die Gesteine sind nachträglich durch die Variszische Gebirgsbildung gefaltet und „geschiefert“ worden. Die Schieferung ist an dieser Stelle allerdings nur schwach erkennbar.

In den karbonzeitlichen Wäldern (280-360 Millionen Jahre alt) mit ihrem tropischen Klima spielten baumgroße Bärlappgewächse eine große Rolle. Von den Flüssen wurden manchmal meterlange Stammstücke und andere Reste als Treibgut ins offene Meer transportiert, sind dort zu Boden gesunken und „fossil“ geworden. Der Abdruck dieses Stückes wurde in Tonschiefern auf der Quernst gefunden Es handelt sich um den Teil eines Wurzelbereiches vermutlich von Stigmaria ticoides. Die rundlichen, narbenähnlichen Strukturen waren die Ansatzstellen kleinerer Wurzelanhänge

 

(3) Grenzen:

Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert: ein territorialer „Flickenteppich“. Durch die Zersplitterung Deutschlands, insbesondere nach der napoleonischen Zeit, waren Besitzansprüche mit ihren Grenzziehungen oft zu willkürlichen Akten geworden. Undurchsichtige Erbfolgen mit politischen Intrigen in den Königreichen, Großherzog- und Herzogtümern, Kurfürsten- und Fürstentümern hatten häufig kriegerische Auseinandersetzungen zur Folge.

An dem im Jahr 1754 gesetzten Grenzstein Nr. 71 überschreiten wir die bis 1866 bestehende Grenze zwischen den alten hessischen Landgrafschaften Kassel und Darmstadt. Nach dem für das Hessenland unglücklichen Testament Philipps des Großmütigen war dieses seit 1567 viergeteilt. Durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803 entstand aus der Landgrafschaft Hessen Kassel das Kurfürstentum Hessen (KH) und aus der Landgrafschaft Hessen - Darm­stadt das Großherzogtum Hessen (GH).

Zum Großherzogtum Hessen gehörte seit 1624 die alte Herrschaft Itter, der spätere Kreis Vöhl, als Exklave. Dies erklärt, daß der Stein scheinbar verkehrt herum steht. Da die Steinsetzung bereits 1754 geschah, muß das KH nach 1803 zu späterer Zeit eingemeißelt worden sein.

Nach dem preußisch-österreichischen Krieg fiel 1866 Kurhessen an Preußen. Das Großherzogtum Hessen verlor das sogenannte Hinterland und den Kreis Vöhl ebenfalls an Preußen. Damit wurden den die Grenzzeichen im Hochgewälde bedeutungslos (Bild 42).

 

 (4) Wildzaun auf dem Weg zur Quernst:

Hier ist einer der Eingänge zum Waldschutzgebiet Edersee mit einem 43 Kilometer langen Zaun. Bereits im 16. Jahrhundert hatten die jagdbegeisterten waldeckischen Grafen ihre Grenze zu Hessen mit einer Wildhecke dicht gemacht. Grund waren häufige Wildschäden auf den Feldern der Bauern. Diese Hecken bestanden aus stacheligen Büschen wie Schwarz- und Weißdorn und der besonders dicht wachsenden Hainbuche. Miteinander verflochten hielten diese lebendigen Zäune zumindest das Rotwild etwas von der Feldflur zurück.

Doch um 1700 lösten hohe Schäden der aus den waldekisichen Wäldern des Nachts in Viel­zahl auf die Felder ziehenden Rot- und Schwarzwildes heftige Konflikte ziwischen fürstlichen Jägern und Bauern aus. Der nach der Revolution 1848 stasrk reduzierte Wildbe­stand erholte sich schnell, bald kam es wieder zu großen Klagen über Wildschäden. Daher ließ der Fürst zu Waldeck und Pyrmont im östlichen Teil dieses Waldgebiets 3400 Hektar seines Hofjagdreviers einzäunen. Im Jahre 1929 wurde der Freistaat Waldeck an Preußen angeschlossen und gab diesen eingezäunten Bereich als künftigen preußischen Staatswald ab.

Im Jahre 1935 wurde das Gatter nach Westen um 1500 Hektar in die preußischen Landesteile hinein erweitert und hat nun seine heutige Größe von 4750 Hektar. In den 30iger Jahren erfolgte die Einbürgerung von Dam- und Muffelwild. Schon damals wurde der Bereich häufig als „Wild- und Waldschongebiet“ bezeichnet. Man plante die Ausweisung zum Naturschutzgebiet, insbesondere zum Schutz der Wildtiere. In den 50iger Jahren erfolgte eine Ausweisung als „Wildschutzgebiet“. Nach Reduzierung der Wildbestände und Ausweisung von größeren Naturschutzgebieten wurde der Bereich im Jahre 1990 zum „Waldschutzgebiet Gatter Edersee“ erklärt. Als eines der größten geschlossenen Buchenwaldgebiete Mitteleuropas genießt es in seinem Status als Bannwald die höchste Schutzkategorie nach dem Hessischen Forstgesetz.

 

(5) Stockausschlagwälder als lebende Zeugen menschlicher Einflußnahme:

In früheren Zeiten war Holz das einzige Heizmaterial. Zur Erzeugung von Brennholz nutzte man die Fähigkeit unserer meisten Laubhölzer, sich auf vegetative Weise zu verjüngen.

Schneidet man Bäume ab, so schlagen diese unter bestimmten Voraussetzungen wieder aus dem Stock aus. Diese Eigenart besitzen in besonderem Maße unsere Eichenarten und die Hainbuche.

Wenn die Bäume eine nutzbare, leicht zu transportierende Stärke erreicht hatten, wurden diese auf größerer Fläche eingeschlagen. Aus den Wurzelstöcken entstand dann im Laufe von 30-50 Jahren neuer „Brennholzwald“", auch Niederwald genannt. Stockausschlagwälder erkennt man an schlechten Stammformen mit nur geringen Höhen. Häufig ließ man auch besonders gut gewachsene - meist aus Samen entstandene - Bäume stehen, die dann später zur Mast (Viehfutter) oder als Nutzholz Verwendung fanden.

 

Neue Pfade in die werdende Wildnis:

Vom Nationalpark-Wanderparkplatz „Euler“ am Feriendorf Frankenau können zwei neu markierte Routen rund um die Quernst erwandert werden. Sie sollen den Waldhistorischen Lehrpfad ersetzen.

•  Quernstweg:

Der Quernstweg ist 4,8 Kilometer lang. Das Symbol der Quernst-Kapelle führt zur Quernst und verbindet den Besuch der Kapelle mit einem interessanten und kurzweiligen Rundweg. Der Weg führt durch bewegte Geschichte und werdende Wildnis. Er zeigt wie alte Grenzen verschwinden. Er öffnet die Sinne für neue Beziehungen zwischen Mensch und Natur. Auf einer alten Windwurffläche soll demnächst eine Plattform zur Beschäftigung mit der werdenden Wildnis einladen. Die Begleitbroschüre ist in den Informationseinrichtungen des Nationalparks erhältlich.

•  Dreiherrenstein-Route:

Die Dreiherrenstein-Route bietet einen Rundweg von 9,6 Kilometer. Sie erschließt für den Wanderer die Wälder um die Quernst. Dem Symbol der Grenzsteine folgend geht es entlang jahrhundertealter Grenzen bis zum Dreiherrenstein, wo die alten Territorien Hessen-Darm­stadt, Hessen- Kassel und Waldeck aneinandergrenzten. Die bemoosten Grenzsteine laden ein zum Verweilen und zur „geschichtlichen Rückschau“. Spätestens an der historischen „Wolfsgrube“ läuft so manchem Wanderer ein Schauer über den Rücken. Eine Begleitbroschüre ist in Vorbereitung, die über die historischen Orte entlang der Routen informiert.

•  Talgang:

Von Frebershausen führt der traditionelle Talgang über 4,4 Kilometer durch den romantischen Quernstgrund zur Quernst. Man folgt dem Symbol der Primel und erlebt eine unvergeßliche Wanderung. Immer wieder schweift der Blick in das ruhige, schmale Wiesental. Zwischen blumenbunter Weiden und Feuchtwiesen schlängelt sich ein klarer, plätschernder Bach das Tal hinab. Auf der anderen Seite des Talganges erheben sich steile, bewaldete Hange des Nationalparks. Mächtige, teils abgestorbene Baume am Wegesrand sind Zeugnisse der werdenden Wildnis.

 

Quernstkirche:

Hier befand sich ein besonders ehrwürdiger alter Baumbestand (Horst). Das germanische Stamm­wort „Horst“ bezeichnet ein Gehölz, eine Gruppe von Bäumen. Die Baumgruppe könnte auch ein heiliger Hain gewesen sein. Wir wissen, daß unsere heidnischen Vorväter ihre Götter im Walde, unter einzelnen Bäumen und in heiligen Hainen verehrten. In der feierlichen Stille und im Rauschen des Waldes erlebten sie die Gegenwart ihrer Götter. Hier brachten sie ihnen ihre Opfer dar, hier bestatteten sie ihre Toten und hier versammelten sie sich zum Gericht. Die Quernst muß eine solche heidnische Kultstätte gewesen sein.

Hier verkündeten schon im 7. Jahrhundert nach Christi Geburt iroschottische Missionare die neue Lehre des Evangeliums von Jesus Christus. Sie gründeten hier eine Kirche zu Ehren des Heiligen Quirinius. „Quirinushorst“, „Quernhorst“ oder „Quernst“ wurde auf einsamer Höhe (535 Meter) eine wichtige Missionsstation. Bonifatius weihte diese dem heiligen Thomas, und sie wurde direkt dem Papst unterstellt. Jedes Jahr am 3. Mai hielt man hier einen großen Markt ab, so daß die Quernstkirche auch zu einem wirtschaftlichen Mittelpunkt für das umliegende Siedlungsgebiet wurde.

Der bedeutende oberhessische Heimatforscher Pfarrer Kolbe schreibt, daß die alte, jetzt aber nur noch in ihren Fundamenten erhaltene Quernstkirche gleichfalls die Ehre der Anwesenheit des heiligen Bonifatius für sich in Anspruch nahm. Diese im Quernhorst auf einem heidnischen Totenfeld und Knochenlager erbaute Kirche sei die Mutterkirche der Kirche zu Frankenau sowie aller Kirchen der „Grafschaft Ossenbühl“ gewesen.

Nach der Überlieferung sowie nach dem waldeckischen Sagenbuch von Marie Schmalz war auch die Quernstkirche eine berühmte Wallfahrtskirche, die im Mittelalter viele Pilger angezogen habe, zumal mit dem Besuch ein Ablaß verbunden gewesen sei, ein Ort also, an dem man sich Papsttrum durch Geld von zeitlichen Sündenstrafen loskaufen konnte. Vielleicht wurde dieser Ablaß besonders bei dem großen Jahrmarkt angeboten, zu dem am Kreuztag (3. Mai) viele Menschen zur Quernstkirche kamen.

Heute sagt man aber: Entgegen bisherigen Vermutungen sind die Missionsaktivitäten durch Bonifatius im 8. Jahrhundert oder durch iroschottische Mönche mit Gründungshinweisen nicht belegt. Auch Vermutungen zu heidnischen Kult- und Knochenlagerstätten können nicht nachgewiesen werden

Die Gründung von Quernhorst erfolgt im 11. oder 12. Jahrhundert. Die Quernstkirche ist dem heiligen Thomas geweiht und kirchlicher Mittelpunkt der Dorfstätte sowie weiterer umliegender Siedlungen. Der Friedhof ist auch Bestattungsort für Verstorbene der Filialorte zur Mutterkirche.

Um die Kirche rodete man bald den Wald, da die Pfarrer zur Sicherung ihrer Einkünfte noch ein Ackergut bewirtschafteten. Weitere Rodungen im 13. und 14. Jahrhundert verdrängten den Wald dort großflächig. Nördlich der Quernstkirche entstanden die kleinen Siedlungen Wellnhausen, Dennighausen, Banfe, Aschebruch und Eiselbach.

Vermutlich beginnt die Entsiedlung schon im 14 Jahrhundert im Zuge der spätmittelalterlichen Wirtschafts- und Agrarkrise. Die aufgegebenen Feldfluren nutzten die Nachbarorte noch weiter als Huten für Rindvieh und Schare. Die fetten Talwiesen blieben als begehrte Heuwiesen offen. Der Ort ist im 15 Jahrhundert schon weitgehend verlassen Die reiche Pfarrei Quernhorst und die Kirche haben noch lange Bestand. Bis zur Reformation wurde auf der Quernst Gottesdienst gehalten. Rund um die Kirche war der Friedhof der Orte Frankenau, Altenlotheim und Asel. Im Zuge der Reformation wird die Kirche 1527 aufgegeben, ab 1528 wird sie nicht mehr genutzt. Die Steine der Kirche wurden zum Bau der Försterei Altenlotheim verwendet. Im Jahre 1722 berichtet der Frankenauer Pfarrer Johann Philipp Kramer, alles sei nun „destruieret und zum Steinhanf worden“.

Quernhorst wird nach einem Prozeß gegen die Ansprüche der Stadt Frankenau dem preußischen Staat zugesprochen Das bis dahin offene Gelinde wird unter Mißbilligung der Bevölkerung mit Fichten aufgeforstet.

Dem Entwurf der Quernstkapelle liegt die Silhouette eines beschützenden Hirten zugrunde. Grauwacke aus Dainrode, Sauerländer Schiefer, Fichten- und Lärchenholz aus dem Kellerwald werden kombiniert mit blütenähnlichen Farbfenstern zu einem Kunstwerk vereint. Die Kirchweihe findet am 1. Advent 2006 statt (Bild 43-44).

 

Quernst-Pavillon:

Die geschichtsträchtige Quernst im Nationalpark Kellerwald-Edersee ist um eine Attraktion reicher. Unterhalb der Quernst-Kapelle wird noch im Frühjahr der Quernst-Pavillon fertig gestellt. In enger Zusammenarbeit mit dem Verein „Freunde der Quernst e. V.“ ist der Quernst-Pavillon als weiterer Infopavillon des Nationalparks entstanden. Eine Galerie aus Bildern und Texten in Deutsch, Niederländisch und Englisch führt durch die bewegte Geschichte der Quernst.

Drei Themenbereiche verknüpfen Ur- und Siedlungsgeschichte mit der werdenden Wildnis im Nationalpark. Ein Beitrag des Geoparks „GrenzWelten“ führt in die Zeiten von Poseidonmuschel, „Urweltdackel“ und Neandertaler zurück. Die Geschehnisse in der mittelalterlichen Wüstung Quernhorst werden beleuchtet. Die Gegenwart zeigt schließlich die freie Entwicklung alter Buchenwälder in einem Nationalpark unter dem Leitsatz „Natur Natur sein lassen“. In der hölzernen „Mauer“ unter der Galerie können durch „Fenster“ Geschöpfe der Zeiten aufgespürt werden. Rätselsteine“  machen neugierig und geben Antworten.

Auch in den Wäldern des Nationalparks Kellerwald/Edersee entsteht frei vom menschlichen Einfluß „Wildnis von morgen“. Nur in wenigen Pflegezonen werden wertvolle Reste einer bäuerlichen Kulturlandschaft wie Heide, Magerrasen und Feuchtwiesen bewußt erhalten. So auch auf der Quernst: Zur Sicherung des geschichtsträchtigen Ortes und zur Förderung seltener Magerrasen wird das Gebiet mit Schafen beweidet.

Der Aussichtpunkt nahe der Kirche markiert den Blick  auf die Berge des Uplandes. Über das Banfetal und das Ederlal hinweg geht der Blick weit nach Norden ins waldeckische Land und nach Nordwesten ins „Kölnische“". So nannte man früher die Gegend um Medebach im Westfälischen, die zum Kurbistum Köln gehörte.

 

Beweidungsprojekt Frankenau:

Um Frankenau liegt eine strukturreiche Landschaft mit blumenreichen Wiesen, kristallklaren Bächen und bunten Heiden. Doch die ländliche Idylle der einzigartigen Kulturlandschaft ist gefährdet. Der Natur aus Bauernhand fehlen die Bauern, denn in der Region hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein deutlicher Strukturwandel vollzogen. Der Ort Frankenau  steht beispielhaft für diese Entwicklung. Die über 1.000 Hektar Grünland wurden in den sechziger Jahren noch von etwa 400 Nebenerwerbslandwirten extensiv bewirtschaftet. Heute ist diese Form der Landnutzung fast verschwunden. Ein Naturschutzgroßprojekt des Bundesamtes für Naturschutz greift das Problem auf und kann über die Zusammenarbeit von Naturschutz und Landwirtschaft zur Zukunftschance werden.

Bereits 1990 wurde das Projekt „Landwirtschaft und Naturschutz in Frankenau“ ins Leben gerufen. Initiatoren waren der Landkreis Waldeck- Frankenberg. das Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft, die Stadt Frankenau, die Frankenauer  NABU-Gruppe und örtliche Landwirte. Große Gemarkungsflächen werden seither im Rahmen des Vertragsnaturschutzes (HELP) durch die verbliebenen Nebenerwerbslandwirte ge­pflegt. Wertvolle Feuchtwiesen. Magerrasen und Heiden wurden von der NABU-Gruppe erworben  oder gepachtet und seither gepflegt.

Ziel der Haltergemeinschaft ist traditionelle Nutzung statt Pflege. Die Pflege der aus heutiger Sicht für die konventionelle Landwirtschaft unrentablen Flächen soll durch die traditionelle Heugewinnung und extensive Beweidung erhalten werden. Hierzu eignen sich Rinder, die in Mutterkuhhaltung gehalten werden. Die Kälber verbleiben dabei ganzjährig in der Herde und trinken die Milch der Muttertiere. Zugefüttert wird in den Wintermonaten Heu von den ge­pflegten Flächen. Mähgut von Feuchtwiesen wird als Stalleinstreu genutzt.

Als geeignete Rinderrasse wurde das Hinterwälder Rind ausgewählt. Die Rinderrasse aus dem südlichen Schwarzwald gilt als die kleinste Nutztierrasse Mitteleuropas. Sie ist bei der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen gelistet und eignet sich besonders für die Landschaftspflege auf feuchten und ertragsschwachen Standorten. Durch ihre geringe Größe und das niedrige Gewicht sinken die „genügsamen“ Hinterwälder hier nicht ein und verursachen kaum Trittschäden. Die Tiere sind zudem sehr pflegeleicht und widerstandsfähig und werden ganzjährig in Außenhaltung gehalten. Im Juni 2000 wurde die Initiative „Haltergemeinschaft Hinterwälder Rind GbR“ von der NABU-Gruppe Frankenau und zwei ortsansässigen Nebenerwerbslandwirten gegründet.

Projektchronologie und Erfolge:

•  Projektstart im Juni 2000 mit den drei Hinterwälder Kühen Hilde. Hedda und Helga.

•  Übernahme von Pflegeflächen in die ökologische Bewirtschaftung im Rahmen des freiwilligen Vertragsnaturschutzes nach den Richtlinien des Hessischen Landschaftspflegeprogrammes (HELP)

•  Zertifizierung über die ökologische Produktion von Lebensmitteln nach EG Öko-Verordnung durch das staatlich zugelassene Kontrollinstitut LACON GmbH ab 2002.

•  Mehrfache Teilnahme an Landschaftspflegetagen in Nordhessen sowie Teilnahme bei der Landschaftspflegeausstellung des Hessentages in Bad Arolsen 2003 und Hess. Lichtenau 2006. Dritter Platz beim bundesweiten Wettbewerb „natürlich regional“ des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL) und des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) im September 2003 für umweltverträgliche Regionalinitiativen und regionale Wirtschaftskreisläufe.

•  Mehrfache Verleihung des Labels „natürlich regional“ für die Dauer von jeweils zwei Jahren.

•  Ausweitung der Herde auf zurzeit sechs Mutterkühen und einem Bullen zur reinrassigen Zucht.

•  Selbstvermarktung und Anschluß an die Vermarktungsinitiative Biokreis e. V.

Langfristige Zielsetzung:

Damit die Bilder von den artenreichen Wiesen mit ihren zahlreichen gefährdeten Pflanzen- und Tierarten in ihrer Vielzahl und flächenhaften Verbreitung erhalten bleiben, soll das Beweidungsprojekt „Hinterwälder Rind“ weiterentwickelt und ausgebaut werden. Zusätzliche Flächen sollen durch Ankauf oder Pacht gesichert werden. Langfristig ist geplant, eine weitere für die Region typische Rinderrasse und eine seltene Schafrasse für die Beweidung der Magerrasen und Heideflächen einzusetzen.

Seit 2005 besteht die GbR aus dem Verein für extensive Tierhaltung Kellerwald und der NABU-Gruppe Frankenau. Sie ist als landwirtschaftlicher Betrieb angemeldet und bietet die Möglichkeit, weitere Nebenerwerbslandwirte, Grundstücksbesitzer, und einzelne juristische Personen aufzunehmen. Kontakt: Haltergemeinschaft Hinterwälder Rind GbR,  Herbert Ruhwedel, Lärchenstraße 12, D-35110 Frankenau Tel.: 06455 8932, H_Ruhwedel@t-online.de

 

Altenlotheim

Im Sommer 2006 stand fest, was die Altenlotheimer längst wußten: Ihr Dorf ist das schönste im ganzen Land. Und das bestätigte der Wettbewerb „Unser Dorf“, in dem Altenlotheim den hessischen Landessieg davontrug. Nicht zuletzt liegt das am Brauchtum, das in Altenlotheim noch immer gepflegt wird. Das idyllische Dorf im Lorfetal feiert alljährlich das Heideblütenfest. Der Name Lotheim läßt auf den einstigen Erzabbau schließen, tatsächlich gibt es noch Spuren alter Bergwerke.

Dreimal zerstörten Brände das Dorf, zuletzt 1859. Danach wurde es nach einem rechtwinkligen Straßenplan wieder aufgebaut, der liebevoll restaurierte Ortskern zeigt noch heute das alte Muster. Gastlichkeit ist ebenso wie Tradition eine Stärke der Altenlotheimer: Gaststätten, ein Dorfladen mit Cafe, ein Fahrradverleih und ein direkter Zugang zum Nationalpark machen Altenlotheim zum idealen Ort für einen erholsamen Urlaub.

In Altenlotheim kann man sehr gut sehen, wie die Triesche entstanden sind: Die Huten verbuschten und Heidekraut siedelte sich an. So entstanden die Triescher. Auf ihnen wurde die Heide abgeplaggt, um als Einstreu für das Stallvieh zu dienen. Die Namen Quernsttriesch, Dammentriesch (nach der Frankenauer Familie Damme), Heiligenstocktriesch, Fahrentriesch, Eschertrisch und Hasenhute haben sich bis heute im Sprachgebrauch erhalten

Triescher sind überwiegend Weidegrünländer, die früher von de Dorfbewohnern gemeinschaftlich genutzt wurden. Sie habe ihren Ursprung in alten, verlassenen Rodungssiedlungen und wurden bis in die heutige Zeit meist extensiv genutzt. Das Ergebnis sind artenreiche Glatthaferwiesen, Magerweiden und Borstgrasrasen mit Heidenelke, Arnika und Waldläuse­kraut.

Vom Wanderparkplatz „Elsebach“ führt die Arnikaroute über den Fahrentriesch. Um Altenlotheim kann man Heide mit allen Sinnen erleben. Von den Wanderparkplätzen „Wolfshütte“ und „Heinrichshöhe“ geht es zum Tannentriesch mit einem Kohlenmeilermodell.

Im Sommer bereichern Blüten von Heidenelke und Sandglöckchen das Bild der bunten Magerrasen des Kellerwaldes. Auf der „Koppe“ bei Altenlotheim wächst über Tonschiefer eine besonders prächtige Ausbildung. In der lückigen Pflanzendecke finden auch das zierliche Filzkraut und niedrige Flechten einen Platz. Schwalbenschwanz, Großer Schillerfalter und Großer Perlmuttfalter besuchen neben Hummeln und Bienen das Blütenmeer. Gut getarnt lauert die Krabbenspinne auf Beute. Ein leises Rascheln stammt vielleicht von der flüchtenden Zauneidechse.

Trotzig stehen säulenförmige Wacholder in einer Pflanzendecke, die von einem Zwergstrauch, der Besenheide, bestimmt wird. Im August öffnen sich Tausende von Blüten und färben die Heide lila. Weithin prägt dann ihr markantes Bild die bäuerliche Kulturlandschaft.

Wenn in der Zwergstrauchheide „Am Küppel“ bei Altenlotheim ein grüner Käfer kurz auffliegt, um sich dann wieder nieder zu setzen, dann ist das der Feldsandlaufkäfer. Er jagt in der Heide nach Insekten und Spinnen. Wenn morgens die ersten Sonnenstrahlen die Heide erwärmen, kann hier die noch träge Schlingnatter beim Sonnenbad beobachtet werden. Die Schlange ist völlig ungefährlich.

Im Jahre 1332 gaben Waldbauern auf der Rodungsinsel „Eschebruch“ die Nutzung auf. Doch die Lücke im Wald blieb. Für die Schaf- und Rinderherden der Altenlotheimer war sie willkommenes Weideland. So entstand der Fahrentriesch mit ausgedehnten Wiesen und Heiden. Heute liegt er im Nationalpark. Schafherden ziehen wieder über den Triesch, um die seltenen Lebensräume und ihre gefährdeten Arten zu erhalten. Eine Besonderheit sind die niedrigen Borstgrasrasen mit Borstgras, Arnika und Katzenpfötchen.

Die von Sträuchern durchsetzten Heiden sind Lebensraum von Neuntöter und Raubwürger. Die seltenen Singvögel spähen von den Spitzen der Gehölze nach Beute. Ist sie im Sturzflug gefangen, wird sie an Dornen aufgespießt. Der rauhe Ruf der Würger wird vom Zwitschern der Dorngrasmücke und dem metallischen Gesang der Goldammer begleitet.

Wer lauscht, vernimmt die Wunderwelt der Heuschrecken am Wegesrand. Drei Heidegrashüpfer-Arten leben hier, unter ihnen der seltene Schwarzgefleckte Heidegrashüpfer. Der in der Tonhöhe auf- und absteigende schwirrende Gesang des Großen Heidegrashüpfers erinnert an eine Sirene. Beim Singen werden die Hinterschenkel über die Flügel gezogen. Auch die Gefleckte Keulenschrecke ist ein typischer Heidebewohner. Wer schnell genug ist, kann den häufigen Nachtigall-Grashüpfer fangen.

Die Kulturlandschaft um Frankenau ist ein lebendiges Museum. Magerrasen und Heiden sind Zeugen der Vergangenheit. Zeiten, in denen der Bauer noch sehr mühselig sein Land bestellte und an kargen Hängen genügsame Schafe und Ziegen weiden ließ.

Der Wald erobert sich die Reste der alten Kulturlandschaft zurück, wenn sie nicht genutzt oder gepflegt wird. Die wertvollen Lebensräume und ihre Artenvielfalt können nur in einer gemeinsamen Anstrengung erhalten werden. Nutzen und Schützen gehen Hand in Hand.

Dabei werden auch alte Haustierrassen eingesetzt, um regionale Genressourcen zu sichern.

Mitte August, pünktlich zur Heideblüte, findet jährlich in Frankenau-Altenlotheim das Heideblütenfest statt. Es ist ein Erlebnis für die ganze Familie. Geschichten werden erzählt und die Kräuterfrau tritt auf. Den ganzen Tag über wird ein attraktives Programm mit Ziegen, Schafen und Ponyreiten geboten. Heidelbeerpfannkuchen, Schafsbratwurst, Lammkoteletts, Käse und Ziegenmilchlikör gehören zum stilechten, kulinarischen Angebot. Und anschließend geht es auf den Heide-Erlebnispfad.

Eine Besonderheit der Frankenauer Kulturlandschaft ist das Nebeneinander verschiedener Magerrasen- und Heidetypen. Sie markieren den Übergang in die künftige Wildnis des Nationalparks. Ihre Tier- und Pflanzenwelt kann entlang des Heide-Erlebnispfades entdeckt werden: im Spinnennetz lauern, wie ein Grashüpfer springen, im Vogelnest ruhen, den Stimmen der Heide lauschen, an würzigen Kräutern schnuppern. Fragen werden beantwortet: Wie schützen sich Pflanzen vor dem Gefressenwerden? Wie überleben sie die Kargheit? Wer singt denn da? Wer das wissen will, muß Fenster aufklappen oder aufschieben und Tafeln drehen. Folgen Sie der Wegemarkierung mit dem Schaf-Symbol.

 

Schmittlotheim:

Der Ort liegt am Ausgang des Lorfetals, eingebettet in die sich steil erhebenden Ederberge, umgeben von ausgedehnten Buchen- und Nadelwäldern. Am südöstlichen Ortseingang im Elsebachtal befindet sich eine Freizeitanlage mit Tretbecken. Hier beginnt auch ein gut ausgeschilderter ökologischer Waldlehrpfad, der zum Wandern einlädt. Der große Rundweg beträgt 5,5 Kilometer, der kleine 2 Kilometer. Gepflegte Speisegaststätten und ein Gasthof sowie Urlaub auf dem Bauernhof, gepaart mit der Gastfreundschaft der Dorfbewohner bieten dem Gast Entspannung und Erholung. Zahlreiche Vereine sorgen für Sport und gesellschaftliches Leben im Dorf. Einkaufsmöglichkeiten sind vorhanden, und eine Praxis für Allgemeinmedizin ist ortsansässig. An der Eder besteht Bademöglichkeit (290 Meter 306 Einwohner)

 

Kirchlotheim:

Der kleine Ort liegt an einem Südhang, umgeben von waldreichen Ederbergen. Im alten Ortskern gibt es viele gepflegte Fachwerkhäuser. Freizeitanlage mit Grillstation. Gastwirtschaft und Pension mit gutbürgerlicher Küche, Wurstverkauf vom Bauern, Ferienwohnungen, Kinderspielplatz. Etwa ein Kilometer entfernt befindet sich ein großer Camping- und Ferienpark mit vielen Freizeitmöglichkeiten, eigenem Baggersee (nördlich), Restaurant und verschiedenen Beherbergungsmöglichkeiten (254 Meter, 115 Einwohner)

 

Harbshausen:

Das westliche Südufer kann man noch einmal abfahren, aber es bietet außer einigen Ausblicken auf den See keine Besonderheiten. Man fährt erst rechts hoch in den Ort. Hoch über dem See liegt Harbshausen in exponierter Lage auf einem Bergrücken, der nach drei Seiten steil zum Edersee hin abfällt. Umschlossen vom Edersee im Norden und dem Naturpark Kellerwald-Edersee im Süden, bietet der Ort ländliche Idylle und Natur pur abseits von Straßen und Durchgangsverkehr. Sehenswert ist die schlichte Fachwerkkirche aus dem Jahr 1720. Ein besonderer Anziehungspunkt ist das ehemalige Wildschutzgebiet, das eine Fläche von 6000 Hektar umfaßt und Kernzone des Naturparks Kellerwald-Edersee ist. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es auf Bauernhöfen mit Zimmern und Ferienhäusern sowie in einigen Ferienwohnungen. Ein Cafe mit mexikanischer Küche und ein Gasthaus laden zur Einkehr ein (330 Meter, 108 Einwohner).

Hinter dem Ort geht es hinunter nach Asel-Süd und dann unten am See zurück. Dort sind das Haus Albert-Schweitzer und das Sportcamp.

 

 

Nationalpark Edersee - Kellerwald

Allgemeines:

Wie ein blaues Band schlängelt sich der See im Sommer durch die Wälder am Ufer. Gehalten von der 400 Meter langen und 48 Meter hohen Staumauer wird das Wasser des Flüßchens Eder zum See - wenigstens im Sommer. Mehr als 202 Millionen Kubikmeter Wasser kann der gewaltige Talkessel insgesamt aufnehmen.

Der Edersee, einer der schönsten. größten und saubersten Stauseen Deutschlands, ist 27 Kilometer lang. Der zauberhafte Reiz dieser Seenlandschaft erschließt sich am besten auf den direkt in Ufernähe verlaufenden gut beschilderten Radwegen oder bei einer Fahrt per Boot oder mit den komfortablen Ausflugsschiffen. Insgesamt 69 Kilometer Uferlänge eröffnen immer wieder überraschende Ausblicke, verschwiegene kleine Buchten wechseln mit belebten Promenadenbereichen ab.

Von der Stauwurzel bei Herzhausen bis hin zur mächtigen Sperrmauer unterhalb des stolzen Schlosses Waldeck und in den Anrainergemeinden Edertal, Vöhl, Waldeck und Lichtenfels bieten zahlreiche Attraktionen erlebnisreiche Tage.  

Wer es sportlich liebt, kommt hier voll auf seine Kosten: Windsurfen und Tauchen, Segeln. Wasserski oder Angelsport sind ebenso beliebt wie Golf oder ausgedehnte Radtouren. Wer mag, kann mit einem Ultraleicht- oder Segelflieger einfach „abheben“. In heißen Sommermonaten erfreut das Wasser des Stausees aber vor allem die Hobbykapitäne und Badegäste. Neben den zahlreichen Gästen - vor allem aus Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden - sorgen dann Ausflügler und Wassersportler aus der Region für strahlende Gesichter bei den Gastwirten und den Kapitänen der Ausflugsschiffe.

Urwüchsig, wild und faszinierend schön: Der Urwaldsteig Edersee und der Kellerwaldsteig gehören zu den attraktivsten Wandersteigen nördlich der Alpen. Ausgebildete Ranger und Scouts zeigen Ihnen die „Schätze des Naturerbes Kellerwald“.

 

Der Nationalpark Kellerwald-Edersee schützt den für die deutschen Mittelgebirge typischen bodensauren Buchenwald auf Schiefer und Grauwacke. Das kompakte Buchenwaldgebiet ist von Straßen unzerschnitten und frei von Siedlungen. Mehr als 1.000 Hektar Altbuchen über 160 Jahre, kleine urwaldähnliche Bereiche, Bachtäler und wertvolle Sonderbiotope beherbergen eine reiche Ausstattung an laubwald-typischen Lebensgemeinschaften. 15 Fledermausarten, Schwarzstorch, Pfingstnelke oder das Urwaldrelikt „Veilchenblauer Wurzelhalsschnellkäfer“ gehören zu den Gütezeigern. Mit einem Flächenanteil von über 80 Prozent ohne Nutzung verkörpert der Nationalpark die derzeit größte Prozeßschutzzone im Silikat-Buchenwald zumindest in Deutschland.

Am Edersee gibt es Schönwetterwolken immer gleich zweimal: Am Himmel und als Spiegelbild auf der glatten Wasserfläche. Kaum ein Laut dringt aus den dichten Laubwäldern die grauen Granithänge hoch, in die sich seit Jahrhunderten die spektakulär geformten Knorr-Eichen klammern.

Der Ausblick von der Kahlen Hardt in Nähe der Halbinsel Scheid gehört zweifellos zu den Höhepunkten einer Wanderung im Naturpark Kellerwald-Edersee. Unter anderem mit zwei attraktiv gestalteten Wanderwegen, dem Kellerwaldsteig und dem Urwaldsteig, will die Region im äußersten Nordwesten Hessens mehr Gäste anlocken.

Hauptanziehungspunkt bleibt der Edersee selbst, künstlich aufgestaut in den schmalen Tälern des Waldecker Lands und Heimat vielfältiger Wassersport- und Freizeitangebote. Touristischen Rückenwind spüren die Verantwortlichen auch durch den im Jahr 2004 gegründeten Nationalpark im Süden des Sees. Der prestigeträchtige Titel bringt Geld für Naturschutzprojekte und Aufmerksamkeit in die Region.

 

Doch der Nationalpark selbst, ein dicht bewaldetes ehemaliges Wildgehege der Waldecker Fürsten von 57 Quadratkilometern, kann die touristischen Erwartungen allein nicht erfüllen - schon weil der umfassende Schutzgedanke für Tier und Pflanzen allzu ausufernden Aktivitäten der Menschen enge Grenzen setzt.

„Der Nationalpark ist unser Diamant und der Naturpark drumherum die schöne Fassung“, sagt Rainer Paulus, Geschäftsführer des von den umliegenden Kommunen getragenen, deutlich größeren Naturparks. Vor allem entlang des 156 Kilometer langen Rundwegs Kellerwaldsteig sollen die Wanderer naturnahe Attraktionen finden, ohne daß besonderes Remmi-Demmi veranstaltet würde.

Wer näher am Edersee bleiben möchte, wählt den mit 68 Kilometern deutlich kürzeren Urwaldsteig oder einen der zahlreichen kleinen Rundwege. Einen sanften Tourismus wollen sie haben zwischen Frankenberg, Edersee und Bad Wildungen und tatsächlich scheint die dünn besiedelte Landschaft dafür wie geschaffen: Schmale Bachtäler führen durch Europas größte zusammenhängenden Buchenwälder, über blumenbunte Wiesen, Hecken und Wacholderheiden. Am Wanderweg werden die Menschen auf Besonderheiten und wieder erweckte Bauwerke hingewiesen: Hier die verfallene Löwenburg mit ihrem restaurierten Turm, dort das Besucherbergwerk Bergfreiheit samt schillerndem Schieferaufbruch. Im Süden des Wandergebiets erhebt sich der Hohe Keller mit dem höchsten Punkt der Wanderung, dem Aussichtsturm auf dem Wüstegarten. Aus gut 700 Meter Höhe läßt sich bisweilen in den Taunus schauen.

Daß es die Menschen in der kargen Mittelgebirgslandschaft nicht immer leicht gehabt haben, zeigt sich schon an den kleinen Rodungsinseln rund um die Bergbaudörfer. Alte Ackerterrassen, Wacholderheiden und Hutewälder, in die Schweine zur Mast getrieben wurden und die Buchen krumm gefressen haben, zeugen noch heute von vergangener Landbewirtschaftung. In Basdorf am Edersee ist diese Tradition wieder belebt worden.

Das Internetportal „fernwege.de“ teilt den Kellerwaldsteig in sechs Etappen ein, die Naturparkverwaltung sieht die doppelte Zahl vor, um den gesamten Weg abzulaufen, den man aber auch in der Mitte abkürzen kann. In unmittelbarer Nachbarschaft des Wanderklassikers Rothaarsteig hat man vom westfälischen Vorbild zumindest mal die Markierung übernommen, berichtet Reiner Ohlsen von der Naturparkverwaltung. Das rote K markiert die Hauptroute, in Grün weist der Buchstabe den Weg auf alternative Strecken.

Das Konzept hatte den Deutschen Wanderverein in Kassel zunächst so überzeugt, daß er den Kellerwaldsteig im Jahr 2004 als einen von drei Top-Wanderwegen auszeichnete. Gelobt wurden die gute Markierung, die über 50 Prozent unbefestigten Wege, die Rastmöglichkeiten und das hohe Erlebnispotential der Route. Ob die nordhessischen Steige dauerhaft zu den besten Wanderwegen Deutschlands gehören werden, ist derzeit aber noch unklar. Die nach drei Jahren anstehende Bestätigung des Qualitätssiegels „Wanderbares Deutschland“ hat der Kellerwaldsteig nicht auf Anhieb geschafft, müht sich aber in der Nachzertifizierung, wieder zum ausgezeichneten Urwaldsteig am See aufzuschließen.

Ruhige Wälder mit alten Baumbeständen bieten unverzichtbare Lebensgrundlage für seltene Vögel und Fledermäuse sowie Heerscharen Holz bewohnender Insekten und Pilze. Alle sechs

hessischen Spechtarten, Schwarzstorch, Rotmilan, Uhu, Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus, Baummarder, Hirschkäfer und Buchenstachelbart stellen nur ein kleines Abbild dieser Vielfalt.

Idyllische Walddörfer sind eingebettet in eine dünn besiedelte, malerische Kulturlandschaft Blumenbunte Wiesen schmücken sanfte Täler und Hügel. Klare Bäche gliedern die ausgedehnten Laubwälder. An steilen Hängen rutschen Blockhalden zu Tale und schroffe Felsen treten hervor. Im Norden des Naturparks liegt das „blaue Auge“ des Ferienlandes Waldeck-Frankenberg - der Edersee.

 

 

Urige Wälder auf Bergkuppen oder in Schluchten, Felsen und Blockhalden, naturnahe Quellen und Bäche sowie idyllische Wiesentäler bilden diesen Naturschatz. Im 57 Quadratkilometer großen Nationalpark liegt einer der letzen großen Buchenwälder. Hier entwickelt sich ungestört ein „Urwald von morgen“.

Naturnahe Buchenwälder prägen die Waldlandschaft (Ruhlauber, Traddel).

Üppige Wälder auf Blockhalden muten urwaldartig an (Bloßenberg, Arensberg).

Auf felsigen Graten bilden Buche und Eiche urige Gestalten (Ederseehänge).

Hier und da ragen skurrile Felsgebilde aus dem Wald (Daudenberg).

Die kristallklaren Bäche haben sich tiefe Täler gegraben (Banfe).

Artenreiche Wiesentäler und Triescher öffnen den Wald (Fahrentriesch).

Die seltene Pfingstnelke wächst an schroffen Felshängen am Edersee.

Die naturnahen Wälder sind ein Eldorado für Spechte (Grauspecht).

Im Herbst schallen die Brunftrufe des Rothirsches durch die ruhigen Wälder.

 

Geschichte der Region:

Die Menschen lebten noch mit dem Wald und waren seinen natürlichen Gesetzen unterworfen. Sie sahen sich dabei mit vielerlei Mächten konfrontiert, die sie als übermenschliche Wesen und Gottheiten erlebten. Gefühlsmäßig verankert ist ein düsteres, mystisches Weltbild aus unseren Sagen und Märchen mit Einhorn und Drachen sowie Wichteln, Elfen und manch anderen unheimlichen Gestalten. In den alten Religionen wurde die Natur verehrt: Ein Gewitter- und Fruchtbarkeitsbaum war die von Bonifatius gefällte Eiche des Gottes Donar.

Bereits im 7. Jahrhundert brachten iroschottische Mönche das Christentum in den Kellerwald. Aus dieser Zeit stammt auch die ehemalige Wallfahrtskirche auf der Quernsthöhe, deren Grundmauern noch zum Teil zu sehen sind. Auch Bonifatius soll als Missionar in dieser Kirche gewesen sein. Missionare begleiteten zudem die Heere von Karl dem Großen gegen die Sachsen, die schließlich unterworfen wurden.

Eine wesentliche Rolle bei der Besiedlung der letzten Wildnis übernahmen die Klöster - Kloster Haina wurde 1215 von Zisterziensermönchen gegründet. Sie machten Sümpfe urbar und rodeten großflächig Wald zur Gewinnung von Ackerland. Die Rodungsflächen lieferten allerdings nur geringe Erträge, so daß man bald nur noch Weidevieh auftrieb. Auf diese Weise entstanden die sogenannten Triescher.

Neue Pflüge wurden entwickelt: Mit ihnen konnte man terrassierte Hänge beackern auf den flachgründigen Böden allerdings nicht die besten Erträge erwirtschaften. Die Dörfer waren mittlerweile in der Lage, Überschüsse zu erwirtschaften. Menschen in Klöstern, Burgen und Städten konnten versorgt werden.

Erst seit der Frankenzeit (600 bis 800 nCh) sind im Kellerwald kontinuierliche Siedlungen nachweisbar. Die Rodungen drangen bis in die höchsten Lagen vor. Siedlungsflächen weiteten sich aus, Getreideanbau, Waldweide und Köhlerei nahmen zu. Der Buchenwald wurde damals mehr und mehr zurückgedrängt. Fränkische Ortsgründungen mit Endung -heim (Altenlotheim) dokumentieren heute noch die damalige Präsenz der Franken. Hier im Kellerwald stand ihr Bollwerk gegen die Sachsen.

Zum Kloster Haina gehörten ausgedehnte Wälder, Äcker, Wiesen und Fischteiche. Burgen und Schlösser boten Schutz, mußten aber auch versorgt werden (Burg Zwesten). Mit Hilfe der Wasserkraft wurde das Korn gemahlen, aber es trieb auch Hämmer für die Weiterverarbeitung des Eisens an (Mühle Lengelbach).

 

Etwa 1905 kamen erstmals Gerüchte auf, die preußische Regierung wolle das idyllische Tal dem Bau eines Stausees opfern, zur ständigen Schiffbarkeit der Weser, zur Verhinderung von Hochwassern und zur Stromgewinnung. Unvermeidlich, daß dabei drei Dörfer in den Fluten verschwinden würden: Asel, Bringhausen und Berich.

Niemand konnte sich widersetzen - während im Edertal die Staumauer wuchs. Insgesamt 900 Menschen verloren 1914 ihre alte Heimat an den See. Die heimatlos gewordenen Dorfbewohner taten sich zusammen und kauften sich mit den Entschädigungsgeldern, die sie vom Staat erhalten hatten, Land – allerdings weit von der alten Heimat entfernt. Eine Tagereise dauerte der Umzug auf Pferdewagen, drei brauchte die Fuhre mit Ochsenkarren.

Die Konzipierung des Dorfs, den Entwurf der Höfe und Häuser, übernahm im Auftrag des preußischen Staates ein Regierungsbaumeister. Ein Dorf vom Reißbrett entstand: Neu-Berich. Aber die Bewohner müßten sich damit abfinden. Eine rechtliche Einspruchsmöglichkeit wurde nicht gestattet.

Eines aber ließen sich die strenggläubigen Bericher nicht nehmen. Die Klosterkirche müßte mit. Stein für Stein haben sie sie abgetragen und in Neu-Berich bei Bad Arolsen wieder aufgebaut. Auf Ochsenkarren transportierten sie den größten Teil des alten Dorfkirchleins hierher und bauten es – allerdings um ein Drittel kürzer – wieder auf.

 

 

Geschichte des Nationalparks: Vom herrschaftlichen Jagdrevier zum Naturerbe

Seit dem 1. Januar 2004 ist das Waldgebiet südlich des Edersees mit einer Größe von 5724 Hektar Nationalpark. Jahrhundertelang standen hier Wild und Jagd im Vordergrund. Für die herrschaftlichen Jagden des ehemaligen Fürstentums Waldeck und später für Staatsjagden wurde der Wildbestand gehegt. Andere Nutzungen wurden weitgehend untersagt. Davon hat der Wald profitiert: Alte Buchen und Eichen bilden heute urige Bestände.

1894-1904      Bau eines Wildgatters aufgrund von Wildschäden auf Feldern (3400 Hektar)

1934                Waschbären ausgesetzt

1935                Vergrößerung der Gatterfläche auf 4750 Hektar, Muffelwild ausgesetzt

1937                Damwild ausgesetzt

1952                Anerkennung als Wildschongebiet

1963-1984      „Wildschutzgebiet Edersee“

1990                Ausweisung zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet

1963- 1984     „Waldschutzgebiet Gatter Edersee"

1998                Meldung als FFH-Gebiet im europaweiten ökologischen Netzwerk Natura

2001                Teil des neuen Naturparks

2004                Ausweisung zum Nationalpark

 

Naturschutzgroßprojekt Kellerwald:            

Die Projektziele: Mit dem Naturschutzgroßprojekt soll Image und Regionalentwicklung gefördert und das Naturerbe der einzigartigen Waldlandschaft des Kellerwaldes und der darin eingebetteten traditionellen Kulturlandschaft gesichert, entwickelt und behutsam erlebbar gemacht werden. Zusammen mit den gut erhaltenen, von extensiver Nutzung geprägten Offenlandschaften der Mittelgebirgstäler und Rodungsinseln ist die Wald- und Kulturlandschaft des Kellerwaldes für die Erhaltung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt von größter Bedeutung.

 

Der Projektraum: Das Projekt konzentriert sich auf vier Teilräume der Nationalparkregion mit Nationalpark und Naturpark, welche sich durch ihre ökologische Hochwertigkeit und ihre Bedeutung für die sanfte Freizeit- und Erholungsnutzung auszeichnen.

 

1. Kulturlandschaft um Frankenau und Wesetal

Der kleinräumige Wechsel von Bachtälern, Hügeln und Hochebenen in einer waldreichen Umgebung mit einer noch überwiegend extensiv betriebenen bäuerlichen Landwirtschaft ist die Voraussetzung für die Existenz einer äußerst vielfältigen Lebensraum- und Artenausstattung.

Die vielfältig ausgeprägten Biotope befinden sich überwiegend in guter Vernetzung, so daß in der Frankenauer Flur die Situation eines reich strukturierten, großflächigen Biotop-Verbundsystems mit weitgehend intakten Wechselbeziehungen gegeben ist.

Im Rahmen des Modellprojektes „Landwirtschaft und Naturschutz in Frankenau“ wurden bereits wesentliche Schritte zur Sicherung und Entwicklung dieser einzigartigen Kulturlandschaft getan, die maßgeblichen Inhalte des Modellprojektes, nämlich die Stützung der landwirtschaftlichen Struktur und Eröffnung neuer Perspektiven, sollen im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes fortgeführt werden. Die nordwestlich anschließende romantische Auenlandschaft des Wesebaches zeichnet sich durch naturnahe Gewässerstrukturen und weitläufige Talwiesenkomplexe aus.

Eine Besonderheit der Frankenauer Kulturlandschaft ist der Heide-Erlebnispfad, das Neben­einander verschiedener Magerrasen- und Heidetypen. Sie markieren den Übergang in die künftige Wildnis des Nationalparks. Ihre Tier- und Pflanzenwelt kann entlang des Heide-Erlebnispfades entdeckt werden: im Spinnennetz lauern, wie ein Grashüpfer springen, im Vogelnest ruhen, den Stimmen der Heide lauschen, an würzigen Kräutern schnuppern. Fragen werden beantwortet: Wie schützen sich Pflanzen vor dem Gefressenwerden? Wie überleben sie die Kargheit? Wer singt denn da? Wer das wissen will, muß Fenster aufklappen oder aufschieben und Tafeln drehen. Folgen Sie der Wegemarkierung mit dem Schaf-Symbol. Eine Bitte: Bleiben Sie auf den Wegen, damit die Tiere und Pflanzen nicht gestört werden. Beim Nationalparkamt können Sie auch eine attraktive Führung mit dem Ranger buchen. Die ganze Familie wird begeistert sein!

 

2. Nationalpark Kellerwald-Edersee

Der 5700 Hektar große Nationalpark Kellerwald-Edersee ist seit Januar 2004 Deutschlands jüngster Nationalpark, eingefaßt durch den gleichnamigen Naturpark. Zwischen Kassel und Marburg liegt dieser stark bewaldete Mittelgebirgszug des Nordhessischen Berglandes. Dort finden sich über weite Strecken keine Häuser, keine Straßen. Dafür Buchen soweit das Auge reicht: Der Kellerwald beherbergt eines der größten zusammenhängenden Buchenwaldgebiete Westeuropas. Rotbuchenwälder wachsen weltweit nur in Europa. Der Nationalpark schützt zur Erhaltung dieses Naturerbes auf einer Fläche von fast 6.000 Hektar den größten, unzerschnittenen Hainsimsen-Buchenwaldkomplex Mitteleuropas. Die weiten Wälder werden nicht mehr genutzt. Hier entstehen unsere „Urwälder von morgen“.

Das „Reich der urigen Buchen“, einer der letzten großen und naturnahen Rotbuchenwälder Mitteleuropas auf bodensauren Standorten, wird als einzigartiges Naturerbe geschützt und für künftige Generationen erhalten. „Natur Natur sein lassen“ ist das Motto. Aus einer besonderen Komposition von Urschätzen erwächst hier die „Wildnis von morgen“. Nationalparkbesucher erleben die Wälder mit allen Sinnen - auf Erlebnispfaden, Wanderrouten, Touren mit den Rangern, in den Infozentren und im Nationalpark-Haus in Vöhl-Herzhausen.

Faszination Natur: Rot- und Rehwild leben ebenso in den tiefen Wäldern wie Wildschwein und Wildkatze. Vom Schwarzstorch, Bunt-, Grau- und Schwarzspecht bis hin zu Uhu und Waldkauz, Zahlreiche Vogelarten brüten hier. Auch 14 Fledermausarten fühlen sich heimisch. Seltene Käfer und Pilze zersetzen das modernde Holz gefallener Baumriesen.

Wildnis erleben mit allen Sinnen: Der Nationalpark bietet Oasen der Stille. Markierte Pfade führen in die Einsamkeit ausgedehnter Wälder und zu den Schätzen des Nationalparks. Die Nationalpark-Ranger zeigen gerne mehr. Sie bieten fachkundige Führungen und das ganze Jahr über eine reiche und spannende Erlebnispalette an.

 

3. Edersee-Nordhänge

Zwischen Herzhausen und Waldeck am Nordufer des Edersees wächst auf felsigem Grund in extremer Steillage ein seltener Trockenwaldkomplex aus lichten, uralten Buchen- und Eichenwäldern, Felsen und Schuttfluren, unterbrochen von krautreichen Edellaubwäldern in feuchten Schluchten und auf schattigen Hängen.

Die urwaldartigen Wälder mit ihren bizarren Baumgestalten beherbergen eine Vielzahl an sehr seltenen Tier- und Pflanzenarten. Das Gebiet wurde durch den abenteuerlichen „Knorr­-Eichenstieg“ sanft erschlossen, um interessierten Erholungssuchenden Einblick in die beein­druckenden Lebensräume und Naturphänomene zu ermöglichen. Maßnahmen zur Pflege und Optimierung der hochwertigen Waldformationen und ökologischen Entwicklung forstlich überprägter Waldbiotope sind für das Gebiet zielführend.

 

4. Hoher Keller, Urfftal und angrenzende Kulturlandschaft

Als bisher vergleichsweise unvollständig erkundeter Landschaftsraum verbleibt der Hohe Kellerwald mit dem Urfftal und den angrenzenden Offenlandschaften und das Waldgebiet südlich Densberg. Kerngebiet dieses Teilprojektraumes ist der Hohe Keller mit seinem großen geschlossenen Buchenwald, herausragende Naturschätze sind die Felswälder- und Felsheiden im Gipfelbereich, ausgedehnte Feuchtwälder und Moorkomplexe, sowie Felsformationen und Klippen. Das hochgradig naturnahe, wildromantische Urfftal mit seinen vielfältigen Hangwäldern zeichnet sich durch botanische Vielfalt und Ungestörtheit aus.

Die den Hohen Kellerwald umschließende, wechselvolle traditionelle Kulturlandschaft ist reich an seltenen Lebensräumen und Arten und bildet einen eng vernetzten Biotopverbund.

Bisher hat dieser Landschaftsraum noch den Status eines „Suchraumes“. Das bedeutet, daß die Eignung als Projektraum im Sinne des Naturschutzgroßprojektes innerhalb der nächsten zwei Jahre noch bestätigt werden muß. Es werden daher zunächst Untersuchungen zur Eignung des Gebietes als künftige Förder- und Entwicklungskulisse durchgeführt und konkrete Umsetzungsideen gesucht.

Nationalpark-Region und Regionalentwicklung:

Nationalparke sind nicht nur Flaggschiffe des Naturschutzes, sondern auch der regionalen Entwicklung. Der Nationalpark Kellerwald-Edersee ist Aushängeschild und Imageträger für das Land Hessen und die Region Kellerwald-Edersee. Auch eine Vielzahl von Regionalentwicklungsprojekten der letzten Jahre, darunter Naturschutzgroßprojekt sowie Urwald- und Kellerwaldsteig, sind eng verbunden mit dem Nationalpark-Entstehungsprozess.

In Zusammenarbeit mit Naturpark, Kellerwaldverein, Forstämtern und weiteren Partnern ist eine „Nationalpark-Region“ in Entstehung. Gemeinsam wird an dem herausragenden Profil der Region, am Schutz der Natur und an einer Steigerung der Wertschöpfung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gearbeitet.

Dazu trägt der Nationalpark mir seinem internationalen Schutzstatus und unverwechselbaren Naturerlebnis unter dem Motto „Faszination Wildnis“ bei. Von seinem zunehmenden Bekannt­­­heitsgrad, nicht zuletzt aufgrund der Aussichten ein UNESCO-Weltnaturerbe zu werden, profitiert die gesamte Region.

Der Naturpark ist in diesem Zukunftsbündnis für die naturbezogene Erholung zuständig. In der Umgebung des Nationalparks bietet er Raum für eine sensible touristische Erschließung. Der Wald des Landes Hessen und der zahlreichen Kommunen und privaten Waldbesitzer spielt dabei eine besonders große Rolle.

„Natur Natur sein lassen“ ist das Leitbild aller Nationalparke. Nationalparke bilden ein weltweites Netz unberührter Natur. „Wir müssen nicht glauben, daß alle Wunder der Natur nur in anderen Ländern und Weltteilen seien. Sie sind überall“ (Johann Peter Hebel, 1760 - 1826)

 

Im Reich der urigen Buchen

Der Nationalpark Kellerwald-Edersee wurde am 1. Januar 2004 als erster Nationalpark Hessens ausgewiesen. Auf einer Gesamtfläche von 5.738 ha schützt er einen der letzten großen, weder von Straßen noch Siedlungen zerschnittenen Buchenwald in Mitteleuropa. Urige Wälder auf Bergkuppen und in Schluchten, Felsen und Blockhalden, reinste Quellen und Bäche bereichern den tiefen Wald. Wilder Wald atemberaubend in seiner natürlichen Kraft und Schönheit wird erlebbar, führt uns an die Wurzeln unserer selbst, erinnert uns an das ewige Werden und Vergehen.

Der Naturpark Kellerwald-Edersee ist geprägt von ausgedehnten Buchenwäldern und einer Kulturlandschaft mit blumenbunten Wiesen und idyllischen Dörfern. Umgeben von steilen, warmen Hängen windet sich der klare, blau-grüne Edersee. Hier erlebt man die urigen Krüppelwälder rund um den See, die riesigen Buchen im Nationalpark Kellerwald-Edersee und die abwechslungsreichen Wald-, Feld- und Wiesenfluren im Süden des Naturparks mit kulturellen Schätzen. Längst erloschene Kohlenmeilerplatten, steinige Flügelgräber, Burgen und Schlösser lassen die ereignisreiche Geschichte der Region erahnen.

 

Rotbuchenwälder sind unsere Wildnis. Es sind Wälder, die von der Rotbuche beherrscht sind. Ihr mächtiger, silbergrauer Stamm bestimmt das Bild des Waldes. Ihre dichte, Schatten werfende Krone unterdrückt die Konkurrenz. Sie duldet kaum andere Baumarten. Alle ihre Entwicklungsstadien vom Keimling über den Baumriesen bis zum modernden Stamm sind vereint. Alles Leben im Wald hat sich dem ewigen Zyklus von Werden und Vergehen der Buche angepaßt. Nur hier und da gelingt es Ahorn, Esche. Linde und Ulme, die Alleinherrschaft zu durchbrechen. Weltweit betrachtet sind diese reinen Buchenwälder einzigartig.

Buchenwälder mit Rotbuche wachsen nur in Europa. Hessen ist „Buchonia“, das Land der Buchen. Auf den nährstoffarmen Tonschiefer- und Grauwackeböden des Nationalparks haben sich Hainsimsen-Buchenwälder entwickelt. Die Rotbuche bestimmt das Waldbild - als Keimling, Baumriese oder umgestürzter Stamm. Wir wissen noch nicht sehr viel über die Buche. Deshalb wird im Nationalpark geforscht.

Laubwälder, die von der Rotbuche (Fagus sylvatica) dominiert werden, sind in ihrer Verbreitung auf Europa beschränkt. Ohne Einfluß des Menschen würden Buchenwälder in Mitteleuropa landschaftsprägend sein und rund Zweidrittel der Landfläche Deutschlands bedecken. Die Buche hat es aufgrund ihrer großen ökologischen Potenz geschafft, nach der Eiszeit aus kleinen Rückzugsgebieten im Süden und Südosten Europas heraus in den letzten 4.000 Jahren weite Teile Europas zu besiedeln. Dieser ökologische Prozeß dauert noch an und stellt ein weltweit einmaliges Beispiel dar, wie eine einzige Baumart sich gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen und auf großer Fläche dominieren kann.

Ehemals beherrschten Buchenwälder das Landschaftsbild Mitteleuropas - nur wenige Relikte in natürlicher Dynamik sind übrig. Buchenwälder besiedeln ein breites Spektrum an Standorten in einem weiten Klima- und Höhenrahmen, von trocken bis feucht, von nährstoffarm bis nährstoffreich, von stark sauer bis kalkreich. Die verschiedenen Buchen-Waldgesellschaften stellen trotz der Dominanz einer Baumart in unseren Breiten einen wesentlichen Lebensraum für mehr als 10.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten dar.

Außergewöhnlich ist auch der jahreszeitlich bedingte Wandel der Buchenwälder. So lockt der Blütenreichtum der Krautschicht im zeitigen Frühjahr jedes Jahr viele Menschen in die Natur. Aber auch das zarte Grün des ersten Laubaustriebes und das Farbenspiel im Herbst begeistern die Besucher.

Die Geschichte der Buche ist eng mit der Kulturgeschichte der europäischen Zivilisation verbunden. Die nacheiszeitliche Rückbesiedlung der Landschaft durch die Buche verlief parallel zur Seßhaftwerdung des Menschen und zur Herausbildung höher organisierter Gesellschaftsformen.

Daher ist die Buche tief in unserer Kultur verwurzelt. Worte wie Buch oder Buchstabe, aber auch die Namen von etwa 1.500 Orten allein in Deutschland, lassen sich auf die Buche zurückführen. Deutschland wäre von Natur aus ein Waldland, überwiegend mit Buchenwäldern. Durch Waldrodungen und -umwandlung sind hier heute Buchenwälder nur auf 6,6 Prozent ihrer potentiellen Fläche erhalten geblieben. Diese verbliebenen, allesamt bewirtschafteten Flächen sind von einem Mangel an Strukturen (u.a. Totholz) gekennzeichnet. Nur 6 Prozent dieser Buchenwälder sind älter als 160 Jahre.

Tiere und Pflanzen haben sich an den Lebenszyklus der Buche angepaßt. Jeder Entwicklungsschritt bedeutet eine Veränderung und Raum für neues Leben. Seltene Käferarten und Pilze besiedeln das tote Holz. Sechs Spechtarten hämmern um die Wette. Ein Urwaldvogel ist der Zwergschnäpper. Nachts kommen Fledermäuse aus den Spalten und Höhlen und jagen nach Insekten. Im Nationalpark leben 13 der insgesamt 21 in Hessen nachgewiesenen Fledermausarten.

 

Weltnaturerbe:

Größere zusammenhängende Flächen sind selten. Echte Buchen-Urwälder sind in Deutschland längst verschwunden und mit ihnen auch Arten wie Wolf, Bär und viele Urwaldbewohner unter den Insekten. Nur im östlichen Mitteleuropa, u.a. in den Karpaten, sind noch Buchen-Urwälder verblieben. Seit 2007 sind zehn dieser Gebiete in der Slowakei und der Ukraine als Weltnaturerbe ausgewiesen.

Der deutsche Beitrag repräsentiert unterschiedliche Buchenwaldtypen im Zentrum der Buchenwaldverbreitung und ergänzt somit die Karpatenwälder. Seit einiger Zeit können sich auch in Deutschland wieder Wälder in Nationalparken oder Naturwaldreservaten natürlich entwickeln. Die fünf folgenden Gebiete repräsentieren die wertvollsten verbliebenen Reste großflächiger naturnaher Buchenbestände in Deutschland. Forst­liche Nutzung findet hier z.T. seit Jahrzehnten nicht mehr statt. Innerhalb dieser Gebiete werden die besten Teilflächen als Weltnaturerbe vorgeschlagen: Nationalpark Hainich, Müritz-Nationalpark, Totalreservat Grumsiner Forst, Nationalpark Jasmund, Nationalpark Kellerwald-Edersee.

Kulturstätten dominieren auf der Welterbeliste, insbesondere in Europa. Als Naturstätte ist in Deutschland lediglich die Grube Messel in Hessen aufgrund ihres Fossilienvorkommens eingeschrieben. Auch die deutsche Vorschlagsliste enthielt bislang nur ein Naturgebiet, das Wattenmeer. Seit Februar 2007 wurde dazu auch der Vorschlag „Deutsche Buchenwälder“ aufgenommen.

Besonders naturnahe Buchenwälder Deutschlands sollen im Rahmen der Welterbe-Konvention der UNESCO als Weltnaturerbe nominiert werden. Vier Bundesländer bewerben sich gemeinsam. Das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Welterbe-Konvention) wurde 1972 von der UNESCO verabschiedet und trat 1975 in Kraft. Zentrale Idee der Konvention ist die „Erwägung, daß Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen“.

Bestimmte Kulturdenkmäler und Naturerbe-Stätten gehören daher nicht allein dem jeweiligen Staat, sondern sind ideeller Besitz der gesamten Menschheit. Unter den ersten Welterbe-Stätten waren die Altstadt von Krakau, die Galapagos-Inseln, der Yellowstone-Nationalpark und als erste deutsche Stätte der Aachener Dom. Aktuell (2008) umfaßt die Liste des Welterbes 878 Kultur- und Naturstätten, davon 33 in Deutschland.

Bis zum Herbst 2009 wollen vier Bundesländer einen Antrag erarbeiten, der die Aufnahme der Buchenwälder als Weltnaturerbe begründet. Dieser Antrag soll dem UNESCO-Welterbe-Komitee Anfang 2010 zur Prüfung eingereicht werden. Nach einer Begutachtung ist mit einer Entscheidung frühestens im Jahr 2011 zu rechnen.

 

 

Informationen:

• Infozentrum „Fagutop“ im Wildpark: Wissenswertes über Buche und Buchenwald wird mit modernen Medien vermittelt.

• Infozentrum „KellerwaldUhr“ in Frankenau: Im Sekundentakt geht es über das Zeitband von der Eiszeit bis in die Zukunft der Kellerwaldregion, virtuell vom steinzeitlichen Jäger zum mittetalterlichen Bauern bis heute.

• Waldökologischer Lehrpfad Elsebach in Schmittlotheim: Tief geht es zu den Geheimnissen des Waldes, 40 Stationen zum Mitmachen: „Rätselnd durch das Elsebachtal“

• Waldhistorischer Lehrpfad Euler in Frankenau: 30 Stationen entlang alter Grenzen erwecken die Waldgeschichte zum Leben

• In den Informationszentren des Nationalparks und entlang der Lehrpfade kann man sich über Natur und Kultur der Region informieren.

• Der Kellerwaldsteig führt Sie durch den gesamten Naturpark, von einer Sehenswürdigkeit zur anderen.

• Von den Wanderparkplätzen bieten sich erlebnisreiche Wanderungen an.

• An den regionalen Informationsstellen sind attraktive Bildbände, ein informativer Natur- und Kulturführer und interessante Broschüren erhältlich.

 

Klare Quellen und wilde Bäche

Mehr als 300 Quellen entspringen im Nationalpark. An der Schnittstelle von Grund- und Oberflächenwasser treffen sich deren Kleinlebewesen: Grundwasserflohkrebs, Alpenstrudelwurm und die seltene Dunkers Quellschnecke tummeln sich im reinsten Wasser. Quellgerinne vereinen sich zu sprudelnden, kristallklaren Waldbächen, die natürlich durch die Täler schwingen. Sie weisen die höchste biologische Wasserqualität auf. Steinfliegenlarven, Bachforelle und Groppe leben dort.

Tip:

• Vom Wanderparkplatz „Trifthütte“ bei Kleinern führt eine Route den rauschenden Heimbach hinauf.

• Der Elsebachpfad bei Schmittlotheim und der Wesetal-Lehrweg bei Kleinern machen mit den ökologischen Grundlagen vertraut.

• Regelmäßig bietet das Nationalparkamt Bach- und Quellenexkursionen an.

 

Wanderrouten:

Kellerwaldsteig:

Der 150 km lange Rundweg verbindet den Nationalpark mit dem Naturpark, die Berge rund um den Edersee mit dem „Hohen Keller“ im Süden und alle Gemeinden des Naturparks. Er ist mit dem Qualitätssiegel des Deutschen Wanderverbandes ausgezeichnet. Die Markierung er­folgt über den Holzigel oder das Symbol „kursives K“.

Informationen erhält man in den Infohäusern „Fagutop“ und „KellerwaldUhr“. Internet: www.kellerwaldsteig.de.

 

Urwaldsteig Edersee:

Rund um den Edersee bieten sich - einer Perlenkette gleich - tiefe Einblicke in die Erd- und Landschaftsgeschichte sowie herrliche Ausblicke auf die einmalige Wald- und Seelandschaft. Über etwa 70 Kilometer erlebt der Wanderer entlang der Edersee-Steilhänge wilde Natur auf Schritt und Tritt. Es geht auf verschlungenen, abschnittsweise auf schmalen, felsigen, steilen Pfaden durch einige der letzten Urwälder Deutschlands. Bizarre Eichen und Buchen haben sich dort irgendwann fest in den Fels gekrallt, kämpfen seit Jahrhunderten gegen Hitze und Trockenheit. Halbverfallene, durchlöcherte Baumkadaver stehen fast klagend am Wegesrand oder modern liegend vor sich hin.

Urige Wälder und atemberaubende Ausblicke machen den Urwaldsteig Edersee zu einem einzigartigen Naturerlebnis. Der Rundweg verbindet alle Besonderheiten: letzte echte Urwälder, krüppelige Eichenwälder, Fels- und Blockhalden.

Die Hauptroute des vom Deutschen Wanderverband zertifizierten Urwaldsteigs ist insgesamt 68 Kilometer lang. Sie ist markiert mit weißem „UE“ auf blauem Kreis, die Nebenstrecken und Zuwege mit blauem Punkt. An den Ausgangspunkten findet man Infostationen. Eine attraktive Begleitbroschüre mit umfangreichem Kartenmaterial ist bei der Edersee Touristic GmbH erhältlich (www. urwaldsteig-edersee.de). Von den Ortschaften, Parkplätzen, Bushaltestellen und Schiffsanlegern rund um den Edersee können Wanderungen beginnen. Trittsicherheit, festes Schuhwerk und eine gute Kondition sind erforderlich. Mit dem Rad oder Mountainbike ist der Steig nicht befahrbar.

Der Urwaldsteig Edersee ist etwa 70 Kilometer lang. Er kann in mehreren Tagesetappen erwandert werden. Die Natur entlang des Urwaldsteigs ist sehr empfindlich! Die Nutzung des Urwaldsteigs erfolgt auf eigene Gefahr!

 

Knorreichenweg („Bonsaiwald“):

Oben an den Graten und hinter den Kanten hoch über der Talsperre hat sich ein beeindruckendes Stück Natur erhalten. Wie aus ferner Zeit, so, als hätte noch nie ein Mensch ihn betreten, erscheint dieser Wald: unwirklich, märchenhaft. Hier ist die Natur sich selbst überlassen. Vorwiegend Eichen und Buchen behaupten sich auf den steilen, rutschigen Hängen am Edersee. An sonnigen, felsigen Hängen des Ederseetales kämpft der Wald mit der Trockenheit und Kargheit, Hitze und Kälte. Bäume wachsen dort sehr langsam. Knorrige Eichen und krüppelwüchsige Buchen bilden skurrile Waldbilder.

Unbarmherzig sind sie der Sonnenglut wie den Winterfrösten ausgesetzt, dazu vom Wind verbogen und zerzaust seit Jahrhunderten, daher klein und kümmerlich von Wuchs. Wie alt sie wirklich sind, das haben sie bisher nicht verraten, da benehmen sie sich wie jede alternde Diva. Ihre Jahresringe kann man nicht zählen, denn gerade die dicksten Bäume sind innen längst hohl.

Vielen sieht man an, mit welcher Mühe sie sich im bröckelnden Gestein festkrallen müssen. Im Oktober erscheinen ganz besondere Kobolde im Wald: Pilze haben jetzt Saison. Viele hundert verschiedene Arten, so vermuten Experten, leben in den unberührten Hängen und Schluchten am Edersee.

Reich ist der Wald auch an pelzigen Moosen und bizarren Flechten. Und hier im uralten Wald leben auch die noch, die im Wirtschaftswald längst keinen Platz mehr haben: die schrundigen Bäume mit Wunden und Löchern. Wer sie sehen möchte und mutig ist, kann auf einem schmalen Pfad, dem Knorreichen-Stieg den Wald durchwandern.

Kaum irgendwo sind die Bedingungen für Holzbewohner besser als hier. Mehr als tausend Käferarten wurden bisher im Ederseewald gezählt, darunter zahlreiche Raritäten. Doch im Herbst verweigern sie ihre Mitwirkung und zeigen sich nicht. Längst sitzen sie in ihren Winterverstecken und warten auf ihren großen Auftritt im nächsten Jahr. Ein uralter Wald, fast unberührt seit Menschengedenken, ist mit den Steilhängen des Edertales bis in unsere Zeit überliefert: ein Juwel, ein letzter Rest des alten Waldes, wie ihn schon die Germanen durchstreiften.

Der „Knorreichen-Stieg“ ist ein rund 17 Kilometer langer Naturlehrpfad. Er führt durch die Wälder am Nordrand des Edersees zwischen dem Ort Asel und der Halbinsel Scheid (besonders hier ist das Gebiet typisch). Die uralten, knorrigen Eichen auf den Edersee-Steilhängen haben ihm seinen Namen gegeben. Der Knorreichenstieg ist gleichzeitig die 5. Etappe des Urwaldsteigs, der rund um den Edersee führt (www.urwaldsteig-edersee.de und www. edersee.com).

 

 

Kanzel-Route: Über die Sperrmauer dem blauen Punkt Richtung Waldeck folgen, bis die Kanzel-Route auf dem Urwaldsteig zurück nach Hemfurth und schließlich zur Sperrmauer weist (etwa 7,5 Kilometer). Kombination: Mit der Edersee-Schiffahrt nach Waldeck-West, mit der Bergbahn zum Schloß, und schließlich auf dem Urwaldsteig zurück. Abfahrtzeiten beachten!

 

Etappe 1: Waldeck-Hemfurth: Weit sichtbar erhebt sich Schloß Waldeck über den Edersee. Ein Abstecher auf das „Wahrzeichen“ der Ederseeregion mit mittelalterlicher Atmosphäre lohnt sich - auch wegen der Aussicht. Von der Kanzel aus genießt man einen grandiosen Ausblick auf den Edersee mit seinen bewaldeten Steilhängen und dem Schloß Waldeck. Am felsigen Hang wächst unterhalb ein Naturwald mit uralten Baumveteranen. Anschließend führt der Steig zu der Naturwäldern des Uhrenkopfes. Von einem Aussichtspunkt blickt man auf die Fläche des Edersees. Urige Baumgestalten stehen am Wegesrand. Entlang beider Routen wachsen an felsigen Steilhängen Kruppelwälder skurrilen Baumgestalten

Vom Wanderparkplatz „Ochsenbühl“ geht eine Route zum Hagenstein.

 

Radwege

Rund um den Edersee (ER)

Die Ferienregion Edersee bietet ein attraktives Radwegenetz mit vielfältigen Freizeitangeboten. Ein Erlebnis für die ganze Familie ist der markierte Ederseerundweg (ER). Radwegeschleifen führen in einzigartige Landschaften.

Erlebnis Frankenauer Flur (ER 2): Auf der Hochfläche des Kellerwaldes macht die ausgedehnte Waldlandschaft des Naturparks eine Pause. Blumenbunte Wiesen, Magerrasen und Heiden sind der Erfolg einer kleinbäuerlichen, landwirtschaftlichen Nutzung. Die Zeugen der Vergangenheit werden durch alte Haustierrassen und Schafherden erhalten.

Durch den Nationalpark (ER 2)

Weite urige Wälder, durchsetzt von Felsen und Blockhalden, klaren Quellen und Bächen sowie ruhigen Wiesentälern und Waldwiesen bilden den Naturschatz des Nationalparks. Hier entsteht „Wildnis von morgen“. Die Fahrradstege im Nationalpark entsprechen nicht den Normen! Bitte nur die ausgewiesenen Wege benutzen!

 

Das neue Projekt Waldscout & Waldranger

Während der zunächst auf drei Jahre angelegten Erprobungsphase wird es sowohl eine biologie-didaktische als auch eine naturschutzfachliche Begleitforschung geben. Während dieser Zeit sollen zudem feste Projektpartnerschaften mit Schulen aus dem nahen und weiteren Umfeld geschlossen werden, um die kontinuierlichen Erfahrungen von interessierten hessischen Lehrerinnen und Lehrern in die dreijährige Projektentwicklung mit einfließen zu lassen.

Im Bereich der Bildungsarbeit des Nationalparks steht ein neues spannendes und innovatives Projekt ins Haus: In Kooperation mit der Naturschutzjugend Hessen (NAJU) soll 2009 das Projekt „Waldscout & Waldranger“ starten. Zurzeit wird am Konzept gefeilt, ein Förderantrag bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) vorbereitet und die wissenschaftliche Begleitforschung festgelegt.

Im Mittelpunkt von „Waldscout & Waldranger“ steht eine Expedition in die Wildnis, bei der Schüler einen 24-Stunden-Tag auf einer Wildnisinsel mitten im Nationalpark erleben und die wilde Natur erforschen. Im Rahmen einer Projektwoche bereiten sie sich vorher in einem Basiscamp (Jugendherberge, Freizeitcamp oder Jugendzeltplatz) am Rande des Nationalparks auf ihre Expedition vor, indem sie die notwendigen Techniken des einfachen Camplebens im Wald und des „Minimal impacts“ (das Hinterlassen von so wenig Spuren wie möglich) erlernen und sich ihr Forschungsthema aus dem Bereich Wildnis / Nationalpark erschließen. Nach der Rückkehr ins Basiscamp erarbeiten sie eine Präsentation ihrer Ergebnisse.

Zentrale Aufgabe der Wildnisbildung ist es, durch Kontrast-Erfahrungen lernintensive Anlässe zum Nachdenken über das individuelle und gesellschaftliche Verhältnis von Mensch und Natur zu bieten. Es ergeben sich sieben konkrete Zielperspektiven:

1. Das intensive Erleben von wilder, eigensinniger Natur zwischen Harmonie und Chaos, um ein realistisches Naturverständnis entwickeln zu können

2. Das leibliche Erspüren der eigenen empfindlichen und lebendigen Natur des Menschen durch eine sorgsame „Bewilderung“ (Trommer 1992)

3. Das Erleben der Wildnis als Ort der persönlichen Freiheit in einer demokratischen Gesellschaft, Natur als lustvoller Ort

4. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept „Wildnis“. Der Begriff ,,Wildnis“ entstand und ist nur denkbar aus der Kultur heraus (Abgrenzung zur Zivilisation). „Wildnis“ ist nicht fest definierbar, sondern enthält eine Fülle von Assoziationen; Wildnis ist etwas individuell unterschiedlich Erfahrbares.

5. Das Entdecken und Erforschen der biologischen Vielfalt (Biodiversität) mit ihrer Bedeutung für den Menschen

6. Das konkrete Erfahren der Wechselwirkungen von Lebewesen und Mitwelt als Grundlage ökologischer Urteilskompetenz

7. Das eingehende Nachdenken über Sinnfragen mit dem Blick auf den eigenen Lebensstil und die Begrenzung eigener materieller Ansprüche.

 

Nationalparkfest

Traditionell findet das Nationalparkfest immer am ersten Sonntag nach dem „Europäischen Tag der Parke“ statt. Auf Initiative der Föderation EUROPARC, der Dachorganisation der Nationalparke und Biosphärenreservate Europas, wurde der 24. Mai zum Europäischen Tag der Parke erklärt. Der Nationalpark Kellerwald-Edersee möchte mit seinem Fest einen Beitrag zum Tag der Parke leisten und macht so auch nachhaltige Werbung für Nationalpark, Wildtier-Park und die Region Kellerwald-Edersee. 

 

Die Nationalpark-Pavillons:

Um das Wesen der werdenden Wildnis nicht zu stören, wird im Nationalpark auf Informationselemente weitestgehend verzichtet. Stattdessen läßt sich die Natur über markierte Wege auf eigene Faust erkunden. Ranger bieten fachkundige und erlebnisreiche Führungen an. Ein umfangreiches Informationsangebot ist auf das Nationalparkzentrum Kellerwald, das Fagutop und die KellerwaldUhr konzentriert. Aber auch in den Randbereichen des Nationalparks erhält man in den Pavillons wichtige Informationen und wird in die Geheimnisse des Waldes, seiner Lebensräume, Tiere und Pflanzen eingeweiht.

 

„Pavillon des Wassers“:

Im Nationalpark entspringen mehr als 500 reinste Quellen. Sie vereinen sich zu kristallklaren Bächen, die natürlich durch die Täler schwingen. Quellen und Bäche sind reich an Leben, darunter Arten, die hier vermutlich seit der letzten Eiszeit überdauerten. Kennen Sie schon den Alpenstrudelwurm oder die Quellschnecke? Der Pavillon bei Kleinern, auf dem Nationalpark-Wanderparkplatz Trifthütte, wird aufgrund seiner Bauform auch häufig als „Schmetterling“ bezeichnet. Dort können Sie sich über die markanten Strukturen der Gewässer und ihr Leben informieren.

 

„Pavillon der Vielfalt“:

Der Pavillon auf dem Nationalpark-Wanderparkplatz Elsebach bei Schmittlotheim widmet sich dem Leben im Totholz als Teil der Wildnis - des natürlichen Kreislaufs von Werden und Vergehen. Hier kann man nachschauen, welche Tiere im liegenden und welche im stehenden Totholz leben. Die Botschaft lautet: Ohne Totholz gibt es keine Artenvielfalt im Wald!

Denn 27 Säugetierarten, 70 Vogelarten, 70 Schneckenarten, 1.500 Käferarten, 1.300 Schmetterlingsarten, 2.300 weitere Insektenarten, 560 Spinnentierarten, 26 Asselarten, 380 Wurmarten und 3.300 Pilzarten profitieren vom Totholz.

 

Waldwiese:

Der weit ausgedehnte Nationalpark Kellerwald-Edersee gehört geologisch zum Rheinischen Schiefergebirge. Die Silikatböden sind meist nährstoffarm und sauer. Der in Mittelgebirgslagen natürlicherweise vorherrschende Buchenwald weist im Nationalpark einen beachtlichen Bestand an alten Bäumen auf. Dieser wird ergänzt durch kleinräumige Areale mit höheren Anteilen an Eiche, Linde, Ahorn oder Ulme.

Wertvoll für den Strukturreichtum des Nationalparks sind die 200 Hektar mosaikartig eingestreuter Waldwiesen. Je nach Lage, Bodenbeschaffenheit und ehemaliger Nutzung sind verschiedene Wiesentypen anzutreffen.

Es gibt feuchte Waldwiesentäler, Borstgrasrasen, Reste von Wacholderheiden, Silikatmagerrasen, Sukzessionsflächen und Reste von Weideflächen. Diese „Grünländer" sind in das Gesamtpflegekonzept des Nationalparks eingebunden und werden z.B. durch schonende Mahd oder Schafbeweidung in ihrer Eigenart erhalten.

Saumbiotope am Übergang von Wald zum Grünland bereichern das Gebiet zusätzlich. Hecken und Waldmäntel bieten Vögeln Schutz, Brutplätze und Nahrung, gleichzeitig stellen sie Rückzugsareale für etliche Tierarten dar.           

Die artenreichen Wiesen sind Lebensraum für zahlreiche Schmetterlinge, Käfer und andere Insekten. Säugetiere und Greifvögel nutzen sie als Jagdrevier. Wildkatzen zum Beispiel jagen nicht nur in ausgedehnten zusammenhängenden Waldgebieten, sondern auch in Hecken und auf Waldwiesen.

Eine floristische Rarität gedeiht auf mageren Felsfluren des Arensberg-Bloßenberggebietes. Dort gibt es kleinräumige Vorkommen der sehr seltenen Pfingstnelke. Feuchte Wiesen und Quell-Fluren bieten Lebensraum für Orchideenarten wie das Breitblättrige Knabenkraut und das Gefleckte Knabenkraut. Ebenso sind hier seltene Seggen-Arten und das Wald-Läusekraut anzutreffen. Auf Mager- und Borstgrasrasen gedeihen botanische Besonderheiten wie Arnika, Heide-Nelke, Mondraute und Berg-Sandglöckchen.

 

Wildkatze:

Wildkatzen sind überaus scheue Tiere, die große unzerschnittene Waldgebiete besiedeln. Dabei bevorzugt sie lichte Wälder und Waldlichtungen mit viel Grasbewuchs, da sie dort viele Mäuse - ihre Hauptnahrungsquelle - erbeuten kann. Ausdauernd lauert sie vor Mauselöchern, denn Mäuse sind ihr Grundnahrungsmittel. Sie verschmähen aber auch Insekten, Eidechsen, Fische, Frösche, Kaninchen und kleine Vögel nicht. Sie packt die Beute mit ihren Krallen und tötet sie mit einem Biß in den Nacken. Kaum einem dieser Tiere gelingt es, ihrem gezielten Angriff zu entkommen.

Da sie keinen Winterschlaf halten, müssen sie auch bei hohen Schneelagen noch Mäuse jagen.

In freier Wildbahn können sie ein Alter von sieben bis zehn Jahren erreichen. Der Wildkatzenbestand in Deutschland wird von Wissenschaftlern auf 1500-5000 Tiere geschätzt und ist als stark gefährdet eingestuft.

Wildkatzen sind kaum größer als Hauskatzen und wiegen vier bis fünf Kilo. Sie werden sieben bis zehn Jahre alt, die Weibchen bekommen pro Wurf zwei bis vier, höchstens sechs Junge. Die Wildkatze verschwand um 1950 aus dem Kellerwald. Im Rothaargebirge, Reinhardswald und Knüllwald gibt es bereits nachgewiesene Vorkommen. Die Wildkatze lebt im Verborgenen und ist meist nachts unterwegs. Deshalb bekommen Wanderer sie sehr selten zu Gesicht. Halbwüchsige Kater unternehmen ausgedehnte Wanderungen, bevor sie sich dauerhaft niederlassen.           

Die Wildkatze ist etwa so groß wie die Hauskatze, wirkt aber gedrungener. Ihr Fell hat eine verwischte Tigerzeichnung. Im Unterschied zur Hauskatze ist der Schwanz buschiger, mit deutlichen dunklen Ringen und mit schwarzem Schwanzende. Im Winter ist das Fell sehr dicht.

Was unterscheidet die Wildkatze von der Hauskatze? Gestreifte Hauskatzen sind der Wildkatze sehr ähnlich. Doch die Wildkatze ist deutlich größer und massiger. Typische Merkmale sind der breite wuchtige Kopf, der dicke Schwanz mit schwarzen Ringen und schwarzem, stumpfen Ende, die fleischfarbene Nase und die verwaschen getigerte Zeichnung auf grau-beigem Grund.                                                       

Katzen sind Einzelgänger, deshalb braucht die Kätzin, wenn sie auf die Jagd geht, ein Versteck für ihre Jungen. Nur an trockenen, windgeschützten und ungestörten Wurfplätzen haben die Jungkatzen eine Überlebenschance. Als Unterschlupf werden Baumhöhlen oder verlassene Fuchs- oder Dachsbauten genutzt. Als Tagesversteck dienen „Fehs silvestris“ auch Felshöhlen, verlassene Fuchs- und Dachsbaue oder trockene, nicht einsehbare Bodenmulden oder Wurzelteller.

Wildkatzen brauchen einen großen zusammenhängenden Lebensraum. Der Waldanteil sollte mindestens 80 Prozent betragen. Wichtig ist eine Vielfalt an Strukturen. Dazu zählen Alt- und Totholzgebiete, Waldwiesen, Lichtungen, Dickichte, Hecken und Saumareale.    

Die Europäische Wildkatze ist ein Phantom unserer Wälder. Wir wissen, wie sie aussieht, was sie frißt, wo sie gerne lebt. Doch in der freien Wildbahn bekommt sie kaum jemand zu Gesicht. Denn sie lebt als Einzelgänger, zurückgezogen und versteckt. Sie schläft tagsüber und jagt nachts. Sie bewegt sich mit eingezogenen Krallen und nahezu lautlos. Farbe und Zeichnung ihres Fells sind im Wald eine hervorragende Tarnung. Spuren hinterläßt sie kaum, selbst ihre Losung verdeckt sie. Sie ist sehr sauber und putzt ihr Fell ausgiebig.

Die Wildkatze - ein virtuoser Jäger! Alles an ihr, ob ihr Körperbau, ihre Sinne oder ihr Verhalten, scheint nur für das eine Ziel geschaffen: zu jagen. Sie hört und sieht ausgezeichnet - selbst nachts. Anschleichen und Sprung sind vollendet aufeinander abgestimmt.

Heimliches Leben in weiten Wäldern! Die Wildkatze lebt in großen zusammenhängenden, ungestörten Wäldern mit alten Bäumen und Lichtungen. Je größer das Nahrungsangebot, umzog weniger Platz benötigt eine Wildkatze für ihr Revier. Insgesamt könnten im Nationalpark zwei bis fünf Katzenfamilien ihr Zuhause haben. Mitte Februar bis Ende März, wenn der Winter ausklingt, ist bei den Wildkatzen Paarungszeit.

Der Kater gibt sein heimliches Leben auf und sein kreischend-heulender Gesang hallt durch den Wald. Das Katzenpaar sucht sich ein geeignetes Versteck - meist in einer Fels- oder Baumhöhle oder unter einem alten Wurzelteller. Nach acht bis neun Wochen bringt die Katzenmutter in der Regel zwischen März und Mai zwei bis fünf Junge zur Welt, die der Hauskatze sehr ähneln. Etwa einen Monat lang werden sie gesäugt. Dann lernen sie schnell alle Tricks des erfolgreichen Jägers.

Der Mensch ist ihr Schicksal! Menschen hatten die Wildkatze als frei lebenden „Räuber“ gejagt und beinahe ausgerottet. Seit Ende der zwanziger Jahre steht die Wildkatze unter strengem Schutz. Heute sind allerdings geeignete Lebensräume knapp. Wanderhindernisse wie Straßen stören Verbreitung und Austausch.

Rückkehr auf leisen Pfoten! Ihre „Wanderfreudigkeit“ bringt die Wildkatze in Gefahr, ist aber auch eine Chance. Ein Wildkatzenprojekt will zwischen Rothaargebirge, Kellerwald und Burgwald Wanderkorridore schaffen und Wälder für die Wildkatze aufwerten.

Mit dem Projekt „Rettungsnetz für die Wildkatze“ erarbeitet der BUND einen Wildkatzenwegeplan zur Vernetzung geeigneter Lebensräume. Über Korridore soll eine Ausbreitung und Wiederbesiedlung ehemaliger Lebensräume langfristig ermöglicht werden. Für die anspruchs­vollen Wildkatzen bietet der Nationalpark Kellerwald-Edersee optimale Voraussetzungen. Bisher wurden Wildkatzen aber nur sehr sporadisch gesichtet.

Am 9. März um 05:55 Uhr morgens ist den Mitarbeitern des Nationalparks ein sensationelles Foto gelungen. Sie konnten mit einer Nachtsichtkamera eine Wildkatze im Bild festhalten und liefern damit den ersten Fotonachweis für diese scheue Wildtierart im Nationalpark Kellerwald-Edersee. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Hinweise gegeben, daß die zu den seltensten Säugetierarten Deutschlands gehörende Spezies nach einem halben Jahrhundert in den Kellerwald zurückgekehrt ist. Erst jetzt sei dies mit dem „sensationellen Foto“ aber bewiesen worden. Die Wildkatze verschwand um 1950 aus dem Kellerwald. Im Rothaargebirge, Reinhardswald und Knüllwald gibt es bereits nachgewiesene Vorkommen.

Auf die Spur kamen die Ranger der Wildkatze durch die so genannte Lockstock-Methode. Dazu werden im Winter mit Baldrian getränkte Holzpflöcke in den Waldboden gesteckt. In dieser Zeit sind die Katzen auf Partnersuche und die Kater (auch „Kuder“ genannt), durchstreifen auf der Suche nach einer Katze die Waldgebiete. „Der verwendete Baldrian übt auf Wildkatzen eine besondere Lockwirkung aus. Durch den Baldrianduft angelockt, reiben sich Katzen an dem rauhen Holzpflock. Die anhaftenden Haare werden gesammelt und bestimmt“, hieß es von den Rangern. In zweifelhaften Fällen kläre eine Genanalyse, ob es sich tatsächlich um eine Wildkatze handelt oder eine Hauskatze einen Ausflug in den Nationalpark unternommen habe.

Inzwischen seien gut 150 Lockstöcke verteilt, die weiter bis Ende April regelmäßig alle zehn Tage kontrolliert würden. „In direkter Nähe zu solch einem Lockstock wurde von dem Nationalparkrevierleiter Rudolf Chartschenko und den beiden Nationalparkrangern Markus und Torsten Daume eine Nachtsichtkamera in einem liegenden Baumstamm versteckt. Die Kamera ist zum einem mit einem Bewegungsmelder und zum anderen mit einem Wärmesensor ausgestattet. Der Wärmesender läßt sich so einstellen, daß er nur bei größeren Tieren reagiert.“ Zusätzlich arbeite die Kamera mit einem Infrarotstrahler, um beim Fotografieren nicht auf einen Blitz angewiesen zu sein.

Die Wildkatze ist eine der seltensten Säugetierarten Deutschlands. Aus den großen Waldgebieten des Kellerwaldes ist die Wildkatze vermutlich um 1950 verschwunden. In Rothaargebirge, Reinhardswald und Knüllwald gibt es nachgewiesene Vorkommen. Vermutlich ist sie von dort wieder in den Nationalpark eingewandert. . Die Kosten für die Genanalyse übernimmt der BUND Hessen im Rahmen des länderübergreifenden Projektes „Ein Rettungsnetz für die Wildkatze“. www.wildkatze.info .

 

Ebenso scheu wie selten: Die Wildkatze

Bad Wildungen (lhe/wi). Wildkatzen sind überaus scheue Tiere, die große unzerschnittene Waldgebiete besiedeln. Dabei bevorzugt sie lichte Wälder und Waldlichtungen mit viel Grasbewuchs. da sie dort viele Mäuse - ihre Hauptnahrungsquelle - erbeuten kann. Sie verschmähen aber auch Insekten, Eidechsen, Fische und kleine Vögel nicht. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Lebensraumes sind Baumhöhlen, in denen die Jungen bevorzugt aufgezogen werden. Als Tagesversteck dienen „Fehs silvestris" auch

Felshöhlen, verlassene Fuchs- und Dachsbaue oder trockene, nicht einsehbare Bodenmulden oder Wurzelteller. Wildkatzen sind kaum größer als Hauskatzen und wiegen vier bis fünf Kilo. Sie werden sieben bis zehn Jahre alt, die Weibchen bekommen pro Wurf zwei bis vier, höchstens sechs Junge. Die Wildkatze verschwand um 1950 aus dem Kellerwald. Im Rothaargebirge, Reinhardswald und Knüllwald gibt es bereits nachgewiesene Vorkommen.

(Quelle: Nationalparkamt)

 

Grauspecht

Der Grauspecht ist mit etwa 25 Zentimeter etwa so groß wie eine Amsel und kleiner als der ähnlich aussehende Grünspecht. Nur das Grauspecht-Männchen hat einen roten Stirnfleck und der schmale Bartstreif ist schwarz.

Der Grauspecht sucht wie der Grünspecht einen großen Teil seiner Nahrung auf dem Boden und wird deshalb auch Erdspecht genannt. Ameisen und ihre Puppen sind für beide Arten die wichtigste Nahrungsquelle. Der Grauspecht braucht aber auch auf dem Boden liegendes Tot­holz in seinem Lebensraum, das er nach holzbewohnenden Insekten absucht.

Strukturreiche Wälder mit alten Bäumen sind der bevorzugte Lebensraum des Grauspechts. Hier findet er Bäume zum Höhlenbau oder kann andere Spechthöhlen übernehmen.

Schon Ende Januar und besonders zum Höhepunkt der Balzzeit im April hört man seine Rufe - ein lachendes zum Ende hin abfallendes „gigigigügügü“ - aber auch das charakteristische Trommeln. Dabei hämmern die Spechte in schnellem Takt auf klingende Äste - nicht zu verwechseln mit der Nahrungssuche im Holz.

Im Mai brüten Männchen und Weibchen in etwa 17 Tagen abwechselnd die 5 - 7 weißen Eier aus. In dieser Zeit ist es still in den Brutrevieren. Die zunächst völlig hilflosen Jungen sind nach etwa vier Wochen flügge und werden auch außerhalb des Nestes noch eine Weile gefüttert.

Grauspechte sind wie die anderen Spechtarten gut an ein Leben mit Bäumen angepaßt. Der meißelartige Schnabel macht es möglich, Löcher in das Holz zu hacken, um an Insekten oder Baumsaft zu gelangen oder um Höhlen zu schaffen. An den Füßen gibt eine nach hinten drehbare Zehe Halt beim Klettern. Auch der kurze Schwanz wirkt als Stütze. Schließlich verfügen Spechte noch über relativ lange Zungen, mit denen sie in Ritzen und Spalten kleine Waldinsekten fangen können.

Der Grauspecht zählt zu den selteneren Vogelarten in Hessen, ist aber in den Mittelgebirgen flächendeckend verbreitet. Sein in den letzten Jahren rückläufiger Bestand wird mit mehr als 1.500 Brutpaaren angegeben.

Der Nationalpark Kellerwald-Edersee bietet für den Grauspecht einen idealen Lebensraum:

Der ausgedehnte Buchenwald hat einen außergewöhnlich hohen Anteil an alten Bäumen: 37 Prozent der Bäume sind über 140 Jahre alt, im Landesdurchschnitt sind es nur 12 Prozent. Die Altersphase von Laubwäldern ist für viele Spechte der geeignete Lebensraum. Das Totholz mit der darin lebenden Insektenfauna ist besonders für den Grauspecht wichtig.

Die kleinräumig in den Wald eingestreuten felsig-trockenen Steilhänge und die kleinen Waldwiesen verleihen dem Gebiet einen Strukturreichtum, den der Grauspecht ebenfalls benötigt. An offenen Wiesenbereichen und Waldrändern leben häufig Ameisen, die besonders zur Brutzeit eine wichtige Nahrungsquelle sind. Im Nationalpark kann der Wald weiter in Ruhe alt werden und der einzigartige Lebensraum für die Grauspechte bleibt auf Dauer erhalten.

 

Heidschnucken:

Landschaftspflege mit Heidschnucken - auch das ist ein Beitrag zur Erhaltung wertvoller Kulturbiotope rund um Nationalpark und Edersee. Artenreiche Magerrasen, Standorte seltener Orchideen oder Wacholderheiden sind Beispiele für gefährdete Lebensräume, die wir nur durch extensive Schafbeweidung erhalten können. Gepflegt werden weiterhin auch Streuobstbestände mit alten Sorten.

Ein Schäfer mit seiner Herde und seinen Hunden! Insbesondere unsere Gäste in der Kellerwaldregion freuen sich über diese leider nicht mehr alltägliche Begegnung. Ein idyllisches Bild? Auf den ersten Blick ja! Aber es ist nicht so einfach, heute Schäfer zu sein. Schwer ist seine Arbeit bei Wind und Wetter ohnehin - und die wirtschaftlichen Bedingungen sind alles andere als leicht.

Einer, der diese Arbeit aus Überzeugung macht, ist Georg Schutte (von der Struthmühle bei Frankenau) mit seiner Heidschnucken-Herde. Er übt zwei Berufe aus, ist Diplombiologe und Schäfer zugleich. Eine gute Voraussetzung für eine fachkundige. naturschutzgerechte Landschaftspflege. Er kennt die seltenen Pflanzenarten, weiß um die richtigen Zeiten für die Beweidung. spart auch mal eine sensible Stelle aus oder rückt dem sich ausbreitenden Schwarzdorn nach dem Einsatz seiner Schnucken in Handarbeit zu Leibe. Kurz, ein vorbildlicher Landschaftspfleger!

Und ein echter Heidschnuckenbraten aus dem Kellerwald ist eine ganz besondere Spezialität. die die Palette regionaler Produkte bereichert. Deshalb unterstützt der Naturschutzbund (NABU) das „Schnuckenprojekt am Edersee“.

Die graue gehörnte Heidschnucke gehört zu den ältesten Schafrassen Europas. Sie zeichnet sich besonders durch ihre Robustheit und Anspruchslosigkeit aus. Ihr Haar ist gräulich und extrem lang. Kopf. Beine und Schwanz sind schwarz. Beide Geschlechter tragen Hörner. Die Lämmer werden schwarz geboren und bekommen erst im zweiten Jahre die Farbe ihrer Eltern. Die lange, strähnige Wolle ist nur für grobe Gewebe wie z.B. Teppiche geeignet oder als Dämmmaterial im ökologischen Hausbau.

 

Das Fleisch gilt als Delikatesse und darf nicht mit „normalem“ Lammfleisch verwechselt werden. Es ist dunkel, zart und mager, als Diätkost hervorragend geeignet. Der einzigartige. wildähnliche Geschmack ist durch die Rasse bedingt, hat aber ganz besonders mit der artgerechten Haltung zu tun. Die Tiere leben ganzjährig im Freien, grasen auf ungedüngten, kräuterreichen Wiesen und erhalten im Winter Öko-Heu.

Das Fleisch dieser Tiere verdankt seinen vorzüglichen Geschmack der naturnahen Landschaft.

Unterstützen kann man das „Schnuckenprojekt am Edersee“ durch den Kauf von gesunden Heidschnuckenprodukten (Fleisch. Wurst, Felle. Wolle, Hörner). Unser Vorschlag: Tun Sie sich mit Freunden oder Bekannten zusammen und kaufen ein Heldschnuckenlamm. Das Schnuckenprojekt kooperiert mit einem heimischen Metzger, der Ihnen das Stück wunschgemäß zerlegt. Oder haben Sie schon mal echte Schnuckenwurst probiert?

Rufen Sie einfach mal an oder schreiben ein E-Mail: Schnuckenprojekt am Edersee, Struthmühle, 35110 Frankenau, Tel.: 06455/755517,       E-Mail: schnuckenprojekt@web.de

Fledermaus

Der Nationalpark Kellerwald-Edersee ist in der Fledermausforschung deutschlandweit führend. Im ersten Forschungsbericht des Nationalparks steht daher eine der faszinierendsten und gleichzeitig geheimnisvollsten Säugetiergruppen im Mittelpunkt. Pfeilschnell oder schmetterlingshaft, ihr nächtlicher Flug ist so unterschiedlich wie ihre Lebensweise. Erst allmählich, mit viel Zeiteinsatz und neuesten technischen Entwicklungen, wird die Lebensweise der so schwierig zu beobachtenden Fledermäuse verständlich.

Durch Netzfänge- und Detektorbegehungen wurden im Nationalpark 15 Fledermausarten registriert. Rund drei Viertel aller in Deutschland vorkommenden Fledermausarten nutzen demnach den Nationalpark als Lebensraum. Großes Mausohr, Fransenfledermaus und Braunes Langohr sind im Nationalpark am häufigsten. Bechsteinfledermäuse sind in dem ausgedehnten und unzerschnittenen Laubwaldgebiet des Nationalparks seltener als ursprünglich erwartet.

Der Nachweis einer Wochenstube der Großen Bartfledermaus war der erste für Hessen. Alleine von den sicher nachgewiesenen Wochenstubenkolonien der Wasserfledermaus (4 Kolonien), des Braunen Langohrs (6 Kolonien), der Fransenfledermaus (4 Kolonien) und der Bechsteinfledermaus (1 Kolonie) existieren im Nationalpark zusammen weit über 500 Quartierbäume. Etwa zwei Drittel der Quartiere befinden sich in Stammspalten, ein Fünftel in alten Spechthöhlen. Das bedeutendste Winterquartier für Fledermäuse im Nationalpark liegt in einem alten Bergwerksstollen am Fuße des Bleibergs.

Es gibt Fledermausarten, die bevorzugt in den geschlossenen Waldbeständen jagen (Braunes Langohr, Großes Mausohr, Bechsteinfledermaus) und Arten, die überwiegend entlang der Gewässerläufe der Täler, der Waldränder und des Ederseeufers ihren Nahrungsbedarf decken (Große Bartfledermaus, Wasserfledermaus).

Auch die Distanz zwischen den Quartieren der Fledermäuse und ihren Hauptnahrungsräumen ist von Art zu Art sehr unterschiedlich. Das Braune Langohr und die Bechsteinfledermaus fliegen nur etwa 500 Meter. Wasserfledermäuse suchen ausgehend von ihren Baumhöhlen im Nationalpark den Edersee auf. Dabei werden bis zu sechs Kilometer überflogen. Am weitesten flog bisher mit 16 Kilometer ein Großes Mausohr-Weibchen, das auf der Bergkuppe der Locheiche jagte und dessen Wochenstubenquartier in dem Ort Züschen nordöstlich des Nationalparks zu finden war.

 

Fledermausarten im Nationalpark Kellerwald-Edersee

•          Breitflügelfledermaus

•          Nordfledermaus

•          Bechsteinfledermaus

•          Wasserfledermaus

•          Großes Mausohr

•          Kleine Bartfledermaus

•          Große Bartfledermaus

•          Fransenfledermaus

•          Teichfledermaus

•          Kleiner Abendsegler

•          Großer Abendsegler

•          Rauhautfledermaus

•          Zwergfledermaus

•          Braunes Langohr

•          Zweifarbfledermaus

 

Fledermäuse sind Säugetiere wie der Mensch. Sie bringen lebende Junge zur Welt. Ihr Körper ist dicht behaart. Doch Fledermäuse haben eine für Säugetiere ungewöhnliche Lebensweise. Sie können fliegen, und die Mütter säugen ihre Jungen bis diese fast ausgewachsen sind. Dafür brauchen Fledermausweibchen sehr viel Energie. Das bedeutet, sie müssen sehr viel fressen. Unsere Fledermäuse jagen Insekten, Käfer und Spinnen. Eine Wasserfledermaus kann in einem Sommer 60.000 Mücken verzehren.

In Deutschland gibt es 24 verschiedene Fledermausarten, 15 davon kommen im Nationalpark Kellerwald-Edersee vor. In den Tropen gibt es auch Fledermausarten, die sich von Fleisch, Früchten oder Nektar ernähren. Vampirfledermäuse in Süd- und Mittelamerika ritzen mit ihren spitzen Schneidezähnen die Haut anderer Tiere und lecken das Blut.

Fledermäuse jagen bei Nacht! Die Jagd bei Nacht hat Vorteile, denn nachts jagen nur wenige Vögel. Fledermäuse müssen daher keine Konkurrenz und keine Beutegreifer wie Baumfalke und Sperber fürchten. Damit sie sich in der Dunkelheit zurechtfinden können, haben sie ein besonderes Orientierungssystem entwickelt. In Abständen von Bruchteilen einer Sekunde senden sie Ultraschalllaute aus und orientieren sich an den zurückkehrenden Echos. Damit können sie selbst einen Spinnfaden in stockdunkler Nacht erkennen!

Fledermäuse müssen dort jagen, wo es viel Nahrung gibt, damit sich der Aufwand überhaupt lohnt. In manchen Nächten nehmen sie mehr als zwei Drittel ihres eigenen Körpergewichtes an Nahrung auf. Einige Fledermausarten fliegen mehr als zehn Kilometer von ihrer Wohnung zur Jagd.

Fledermäuse leben in Spalten und Höhlen! Im Sommer bewohnen Waldfledermäuse ihre Sommerquartiere in Baumhöhlen, Baum- und Felsspalten. Die Männchen sind während des Sommers meist Einzelgänger. Erst im Herbst treffen sie in Paarungsquartieren mit den Weibchen zusammen. Der Samen der Männchen wird nach der Paarung von den Weibchen den ganzen Winter über aufbewahrt. Die Befruchtung erfolgt erst im Frühjahr nach dem Erwachen aus dem Winterschlaf. Die Fledermausweibchen schließen sich in kleinen Gruppen zu sogenannten Wochenstuben zusammen, in denen sie ihre Jungen zur Welt bringen und gemeinsam aufziehen.

Fledermäuse halten einen Winterschlaf! Ab Herbst wird in unseren Breiten für Fledermäuse die Nahrung knapp. Damit sie die kalte, insektenarme Jahreszeit überstehen, halten sie einen Winterschlaf. Ihr Körper macht nur noch das Notwendigste, um am Leben zu bleiben. Er läuft auf „Sparflamme“ mit niedriger Temperatur, langsamen Puls und geringer Atemzahl. Fledermäuse zehren in dieser Zeit von dem Fettvorrat, den sie sich im Sommer angefressen haben. Das Winterquartier muß aber ihren besonderen Ansprüchen genügen. Denn Fledermäuse dürfen nicht gestört werden und es darf nicht zu frostig werden. Die meisten Fledermäuse verbringen daher die kalte Jahreszeit in Höhlen oder alten Bergwerks-Stollen.

 

 

Geologie des Kellerwaldes: Auferstanden aus einem Meer

Geologisch betrachtet ist der Kellerwald ein Ausläufer des Rheinischen Schiefergebirges. Die zutage tretenden Gesteine stammen aus den Erdzeiten des Devons und Karbons.

 

Devon: Der Kellerwald war der Untergrund eines flachen Meeres. Die tonigen und sandigen Ablagerungen des Meeresgrundes haben sich im Verlauf von Jahrmillionen zu Tonschiefer, Grauwacke und Quarzit umgebildet.

 

Karbon: Durch Bewegungen der Erdkrusten wurden die Gesteine zusammengeschoben und zu einem Gebirge aufgefaltet (Variskisches Gebirge). Glutflüssige Lava drang dabei bis an die Erdoberfläche und erstarrte im Meerwasser. In die Klüfte drangen heiße, wässrige Lösungen, die zu Mineralien und Erzen auskristallisierten.

 

Perm: Wind und Wasser trugen das Gestein ab. Ein neues Meer drang von Norden vor. Aus diesem Zechsteinmeer ragte das Kellerwaldgebirge schließlich als kleine Insel heraus.

 

Tertiär: Die alten Schichten des Kellerwaldgebirges wurden erneut angehoben.

 

Quartär: Die Bäche und Flüsse lagerten Sedimente ab und Löß wurde angeweht. Wind und Wasser arbeiten seitdem am Gestein und haben die heutige Landschaftsform herausgebildet. Wind und Wasser arbeiten seitdem am Gestein und haben das heutige Landschaftsbild herausgebildet.

 

Geopark:

Der Geopark vereint Gesteinsschichten, die eine Zeitspanne von 40 Millionen Jahren umfassen. Am Ostrand du Schiefergebirges markieren zechsteinzeitliche Kalksteine eine ehemalige Meeresküste. Darin eingebettet liegt die „Korbacher Spalte“" als eine der weltweit bedeutendsten Fossilienfundstätten für permzeitliche säugetierähnliche Reptilien. Der Buntsandstein des Burgwaldes und der Waldecker Tafel repräsentiert das beginnende Erdmittelalter, das mit den Zeitepochen des Muschelkalks und Unterjuras im Nordosten des Geoparks ausklingt. Alle diese Gesteine zeigen räumliche, zeitliche und evolutionsgeschichtliche Grenzen auf. Im Geopark werden diese Grenzwelten für den Besucher lebendig. Eingangstore („Geofoyer“) führen in die Erdgeschichte, zum Beispiel in Niederwerbe.

Mit seiner Grenzlage im Übergang vom Rheinischen Schiefergebirge zur Hessischen Senke vereint der Landkreis Waldeck-Frankenberg Gesteinsschichten aus verschiedenen Erdzeitaltern mit einer Zeitspanne von mehr als 400 Millionen Jahren. Am Ostrand dieses Gebirges markieren Kalksteine aus dem Zechstein eine ehemalige Meeresküste, in deren Ablagerungen die „Korbacher Spalte“ zu finden ist. Kohlensäurehaltige Mineralquellen sprudeln um Bad Wildungen und Reinhardshausen aus den Tiefen des Kellerwaldgebirges.

Auch der Buchenwald-Nationalpark ist Teil des Geoparks. Das heutige Schutzgebiet besteht hauptsächlich aus Grauwacken und Tonschiefern, die vor rund 360 Millionen Jahren im Zuge der Auffaltung du Rheinischen Schiefergebirges entstanden sind. Diese Gesteine wurden früher in Steinbrüchen abgebaut und zur Befestigung der Feldwege verwendet. In den Tonschiefern sind Abdrückt der Poseidonmuschel (Passdons) überliefert - ein Beweis dafür, daß das Gestein aus ehemaligen Meeresablagerungen entstanden ist. Im Nationalparkgebiet wurde früher stellenweise aua Bergbau betrieben, so z B. am „Bleiberg".

 

 

Edersee Touristic GmbH, Sachsenhäuser Str. 10, 34513 Waldeck

Tel.: 05623-9998-0, Fax: 05623/9998-30 E-Mail: edersee-info@t-online.de.

 

Auch auf der Krone der Staumauer und an anderen Stellen befindet sich eine Tourist-Information der Edersee Touristic GmbH. Die freundlichen Mitarbeiterinnen beantworten gerne alle Fragen.

 

Kontakt und Information: Dorf und Heimatstube (Waldeck), Ober-Werber-Str. 3

34513 Waldeck, Tel.: 05634/860

Verein Sperrmauer Museum Edersee e.V., Tel. 05623 – 933737, Tel. 0172 – 2787829.

Informationen zu „Edersee-Atlantis“: www.edersee.com/ederseeatlantis

 

 

Edersee Halbinsel Scheid und Schiffsfahrt

Europahain:

Wenn man auf die Halbinsel Scheid fährt, ist rechts am Wanderparkplatz eine Informationstafel über die Eisensteinstraße und der Europahain. Vom Hain aus hat man eine schöne Aussicht auf den Edersee (Tel.: 05635-8888-0, FAVoehl@ Forst-Hessen.de)(Bild 00a).

Hier wurden von HessenForst und vom Forstamt Vöhl für jedes Land der EU drei typische Bäume bzw. Sträucher gepflanzt. Die gesamte Anlage ist mit weiteren 350 Bäumen und Sträuchern der mitteleuropäischen gemäßigten Klimazone gestaltet. Den Mitterlpunkt bildet der „Europastein“, ein behauener Zechstein mit den 12 kreisförmig angeordneten fünfstrahligen Sternen aus der offiziellen Europa-Flagge und der Jahreszahl der Anpflanzung „2000“. Sitzbänke aus heimischem Eichenholz laden zum Verweilen ein.

Die Anlage ist so konzipiert, daß die vertretenen Länder entlang eines kleinen Fußpfades angeordnet sind. Am Eingang finden sich die sechs Unterzeichnerstaaten des Vertrages von Paris 1951 (Gemeinschaft für Kohle und Stahl), am rückwärtigen Bereich die Beitrittsländer des Jahres 2004. Bei der Auswahl der Bäume war zu beachten, daß Vertreter der mediterranen Tieflagen im Bereich des typisch gemäßigten Klimas Mitteleuropas kaum Entwicklungschancen hätten (z.B. Korkeiche, Ölbaum, Zypresse, Steineiche, Pinie). Es wurde daher hier auf andere Baumarten zurückgegriffen, die den montanen und hochmontanen Zonen Südeuropas entstammen oder heute dort zumindest vertreten sind (z.B. Spanische Tanne, Schwarzkiefer u.a.).

Der Europahain wurde im Mai des Jahres 2000 durch den Hessischen Minister für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten Wilhelm Dietzel der Öffentlichkeit übergeben. Staatsminister Dietzel pflanzte im Rahmen einer Feierstunde den Ginkgobaum beim Europastein. Der Ginkgo ist der Baum des 3. Millenniums. Erste Vertreter dieser Pflanzengruppe tauchten in unseren Breiten bereits vor 290 Millionen Jahren auf. Heute ist der Ginkgo nur noch mit einer Art in China vertreten, aber weltweit als Straßen-, Alleen- und Landschaftsgehölz sehr beliebt.

 

Am Europahain wird auch informiert über die Bericher Hütte und den Hohlweg. Im Werbetal kurz vor der Mündung in die Eder stand die Bericher Hütte mit Eisenhammer. Eine Hütte ist eine Anlage zur Erzeugung von Eisen aus Eisenerz, über Wasserräder wurden Blasebälge angetrieben, die die Schmelzöfen antrieben. Mit der Wasserkraft der Werbe wurde ein Hammer angetrieben, mit dem Schmiedeeisen hergestellt wurde.

Zeitweise waren hier etwa 40 Leute beschäftigt. Die Hüttenarbeiter nannten sich selbst die „Männer mit den schwarzen Händen“. Ofen- und Grabplatten wurden bis nach Bremen exportiert. Im Jahr 1650 lagen hier 350 Fuder Eisenstein von der Grube Christiane als Vorrat. Die Hütte wurde um 1875 geschlossen, denn die Hütten im Ruhrgebiet arbeiteten mit Steinkohle wirtschaftlicher. Im Jahre 1914 versanken die Gebäude im Edersee. Die Ruinen tauchen im Herbst aus den Fluten.

Seit dem 16. Jahrhundert ist der künstlerische Eisenguß nachgewiesen: Der Formschneider schnitzte aus Birnbaumholz die Form („Modeln“), drückte sie in Formsand und füllte flüssiges Eisen ein. Nach dem Erkalten nahm man die fertige Ofenplatte heraus. Kunstvolle Ofenplatten sind in den Heimatmuseen von Frankenberg und Fritzlar zu bewundern.

Die schwerbeladenen Eisenstein-Fuhrwerke müßten mit ihren schmalen Eisenrädern von Basdorf zur Bericher Hütte den Steinberg hinab. Boden und Gestein wurden dabei gelockert und vom nächsten Regenwasser ausgespült So entstanden Hohlwege. Der Eisensteinweg führt durch den alten Hohlweg am Steinberg. So mancher Klumpen Eisenerz rutscht bei der Abfahrt von der Fuhre. Aufgepaßt! Vielleicht findet man ja einen.

Kontakt: Landkreis Waldeck-Frankenberg Projektbüro Geopark

Auf Lülingskreuz 60, 34497 Korbach. www.geopark-waldeck-frankenberg.de

 

Eisenschlackenfunde bei Wellen belegen, daß es in der Region bereits vor 2.000 Jahren Eisenverhüttung gegeben hat. Ah dem 17. Jahrhundert fuhren schwer beladene Eisenerzfuhrwerke von den Eisenerzgruben zu den Eisenhütten. über den „Eisensteinweg“ wurde das Erz der bedeutendsten Grube der Region, Martenberg bei Adorf, zum Hauptsitz der industriellen Gewerbetätigkeit, Bericher Hütte, und den dortigen Hammerwerken an der Werbe transportiert. Täglich wurden bis zu zehn Wagenfuhren von Adorf aus auf den Weg geschickt. Es gab damals noch keine befestigten Straßen und die mit etwa 1,2 Tonnen beladenen Fuhrwerke hatten nur schmale Eisenräder. In den weichen Böden der Niederungen wären sie versunken. Deshalb entstanden Transportrouten entlang der teils steinigen Höhenzüge. War ein Weg ausgefahren, wurde daneben ein neuer befahren. Die regionale Bergbaugeschichte wird heute entlang des Eisensteinweges wieder lebendig. Die einfache Strecke geht von der Bericher Hütte im heutigen Edersee über Korbach bis zur Grube Christiane in Adorf (40,5 Kilometer) mit alternativer Streckenführung durch das malerische Werbetal (12,5 Kilometer).

 

Halbinsel Scheid:

Zur Gemarkung von Nieder-Werbe gehört die Halbinsel Scheid. Die Halbinsel Scheid war nach dem ersten Weltkrieg neue Heimat für die Familien von zehn Marineoffizieren. Heute ist sie Erholungs- und Freizeitzentrum mit einem Hafen für Segelboote und einem flachen Badestrand mit großen Liegewiesen am Ostufer.

Nach den ersten Häusern teilt sich die Straße. Rechts geht es zum Jachthafen und zur Schiffsanlegestelle. Links kommt man zur Liegewiese, wo es auch zur Personenfähre nach Rehbach geht. Bei Familien ist der flache Badestrand mit Liegewiese und Spielplatz beliebt. Wenn an der Liegeweise die Schranke offen ist, kann man noch weiter fahren durch die Wochenendgrundstücke. Es geht in einem Rechtsbogen vorbei an der „Kirche im Grünen“ zurück zur Zugangsstraße (Bilder 00b-c).

 

Schiffahrt:

„Eine Seefahrt, die ist lustig!“ auf den top-modernen Fahrgastschiffen „Stern von Waldeck“ und „Edersee Star“ der Personenschiffahrt Edersee. Je nach Wasserstand kann die gesamte Seelänge des Edersees befahren werden. Aber auch bei einer kürzeren Fahrstrecke erschließt sich der zauberhafte Reiz dieser Seenlandschaft. Auf beiden Schiffen werden Mittagstisch sowie Kaffee und Kuchen angeboten. Fahrzeiten, Preise und weitere Informationen zu den erlebnisreichen Ausflügen auf dem Edersee entnimmt man den Fahrplänen. Diese erhält man bei der Personenschiffahrt Edersee und der Edersee Touristic. Personenschiffahrt Edersee, Ederseerandstraße 8b, 34513 Waldeck (Tel.: 0 56 23 -54 15, Fax: 0 56 23 -51 49) oder www. personenschiffahrt-edersee.de. personenschiffahrt-edersee@t-online.de.

Die große Ederseerundfahrt gibt es nur Sonntag und Montag. Auf der Halbinsel Scheid fährt das Schiff nach Herzhausen um 13 Uhr ab. Von 14 bis 15 Uhr wartet es in Herzhausen, dann fährt es zurück (dann allerdings zuerst nach Bringhausen und dann nach Scheid). Der Fahrpreis für die Strecke beträgt 9 Euro pro Person. Meist ist der Wasserstand aber im Mai schon so gering, daß man nicht die ganze Strecke fahren kann.

 

Rundfahrt:

Wenn man in Scheid losfährt sieht man zuerst auf der Nordseite den Knorreichenwald. Hier ist auch das Fürstental, weil dieser Wald dem Fürsten vorbehalten war (heute Campingplatz). (Bild 01).

Gegenüber ist ein Seitental westlich von Bringhausen, die Banfe. Hier wurden die ersten Waschbären ausgesetzt. Der Name ist nicht schmeichelhaft, hat sich aber in der englischen Presse durchgesetzt: „Nazi Racoons“ werden die europäischen Waschbären genannt, und selbst die ehrwürdige „Times“ hängt den grauen Tierchen eine braune Vergangenheit an.

Grund: Hermann Göring persönlich soll die Ansiedlung von Waschbären am nordhessischen Edersee angeordnet haben. Der Reichsmarschall und begeisterte Jäger habe sich neues Getier vor die Waffe züchten lassen wollen und so vor genau 75 Jahren die Manipulation der Fauna veranlaßt, liest man sogar in der Fachliteratur. Alte Dokumente beweisen jetzt: Der Nazi hatte mit den Waschbären gar nichts zu tun. Im Gegenteil - Berlin war sogar dagegen.

Fast alle deutschen, ja mitteleuropäischen Waschbären stammen von nur zwei Paaren ab. Zuerst wollten die vier am 12. April 1934 am Edersee trotz einer Lockfütterung von angebrüteten Eiern und geschossenen Eichhörnchen gar nicht aus den Transportkisten. Doch in der perfekten Umgebung - viel Wald, viel Wasser, viel Nahrung - entwickelte sich die Population später prächtig. Nach dem Krieg lebten in Deutschland ein paar Dutzend Waschbären, 25 Jahre später schon 20.000. Heute ist es wohl eine halbe Million.

Das wald- und wasserreiche Kassel hatten die Bären mit Migrationshintergrund bald übernommen und zur europäischen Hauptstadt ihrer Bewegung gemacht. „Zum Teil hat im Sommer jeder Garten seinen Waschbären“, sagt der Wildbiologe Frank-Uwe Michler. Und alle Waschbären, auch die im Hamburger Stadtpark oder im Bayerischen Wald, stammen - genetischer Flaschenhals hin oder her - von den vier Tieren vom Edersee ab.

„Überall liest man immer, daß Göring persönlich diesen nicht unbedenklichen Eingriff in die Natur angeordnet hat“, sagt Horst Marohn vom Landesbetrieb Hessen-Forst. Doch Marohn und sein Kollege Eberhard Leicht haben Gegenbeweise ausgegraben. Leicht ist als Leiter des Reviers Vöhl-Edersee Nachmieter der Kollegen, die damals in Nordwesthessen die Waschbären aussetzten. Darüber wurde nicht nur akribisch Buch geführt, die Akten wurden auch verwahrt. „Man hat nicht einfach den Käfig aufgemacht und geschaut was passiert. Das war auch damals schon ein regelrechtes Genehmigungsverfahren“, sagt Leicht.

Pelzhändler hatten die Idee, den putzigen und angeblich sogar schmackhaften Kleinbären mit der Panzerknackerbrille in die heimische Fauna zu holen. Da die Region zu Preußen gehörte, war allerdings eine „Genehmigung von oben“ notwendig. Von ganz oben. „Nach unseren Unterlagen ging erst einmal ein Antrag an das Regierungspräsidium in Kassel“, sagt Leicht. „Die haben das aber weitergereicht an den Landesjägermeister.“ Und der saß im Lande Preußen in Berlin.

Dort gab es Widerstand von den in Tierfragen bekanntesten Köpfen im Deutschen Reich: Carl Hagenbeck, Tierforscher aus der Hamburger Zoodynastie, und Lutz Heck, Namensgeber des Heckrindes, wie sein Vater Direktor des Berliner Zoos und Bruder des Münchner Zoodirektors. Heck zeigte sich „nicht so ganz einverstanden“, und Hagenbeck verwies auf einen in seinem Garten ausgebüxten Waschbären.

Monatelang wurden die Akten in der obersten Jagdbehörde gewälzt. „Als dann eine Entscheidung aus Berlin kam, war es ohnehin zu spät“, sagt Leicht. „Mein Vorgänger Wilhelm Sittich Freiherr von Berlepsch hatte die Tiere längst frei gelassen.“ Die beiden Weibchen waren trächtig, und offenbar wollten die Forstleute, daß die Jungen in Freiheit geboren werden. „Hermann Göring war zwar der oberste Chef, aber von all dem hat er mit ziemlicher Sicherheit nichts mitbekommen“, sagt Leicht. Der Name des Nazis findet sich auf keinem Blatt der vergilbten Akten (11.04.09).

 

Asel-Süd:

Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees entstand ein Campingplatz auf dem Gelände eines ehemaligen Forsthauses. Bei Niedrigwasser tritt die alte Aseler Brücke zum Vorschein, die noch benutzt werden kann. Bei hohem Wasserstand markieren zwei gelbe Bojen den Verlauf der Brücke, die vor einigen Jahren restauriert wurde, damit man bei Niedrigwasser gefahrlos über sie gehen kann. Ansonsten überquert man den Edersee an dieser Stelle, indem man den Fährmann durch Schlagen eines Klöppels auf ein metallenes Sägeblatt ruft. Er setzt über und transportiert sowohl Gäste als auch Fahrräder.

Von den ehemals drei Ederseefähren jeweils bei den versunkenen Dorfstellen, wurde nur die Fähre Asel erhalten (auch Scheid-Rehbach). Das neue Fährboot (Baujahr 2001) mit Buglandeklappe kann je Fahrt elf Personen mit Fahrrädern übersetzen. Wem die gesamte Umrundung des Sees zu weit ist, dem bietet sich hier eine interessante Abkürzung. Auch Wanderer auf dem Urwaldsteig finden hier eine ideale Verbindung. Die Fähre verkehrt von Ostern (oder Anfang April) bis Mitte Oktober, wenn der Wasserstand dies zuläßt. In der Zeit von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr werden Sie individuell bei Bedarf auf Läutesignal, Anfrage beim Fährmann oder Anruf befördert. Im Sommer wird bei gutem Wetter auch länger gefahren. Fähre Asel Tel.: 05635- 608 (Bild 02).

 

Oberer See: Das nächste Ziel ist die Anlegestelle Asel. Etwa später kommt die Jugendherberge „Hohe Fahrt“ (Bilder 03-06), gegenüber das Albert-Schweitzer-Lager. Das Schiff fährt bald am rechten Ufer, bald am linken (wohl wegen dem alten Flußlauf der Eder). Am Südufer liegt Harbshausen (Bilder 18-21).

Nach Herzhausen (Bilder 22-23) macht das Schiff einen großen Bogen von links nach rechts um einen im Wasser stehenden Baum herum (Bild 24-25). Dort kann man für eine Stunde an Land gehen (Bilder 26-33).

 

Niedrigwasser:

Wenn der Edersee im Spätsommer einen niedrigen Wasserstand hat, treten oft die Reste der alten Ortschaften zutage. Es ist ein Reiz von ganz besonderer Art, auf den früheren Dorfstraßen zu wandern und die gut erhaltene Ederbrücke von Asel zu überqueren. Auch auf dem sagenumwitterten Burgberg von Bringhausen sind noch Reste der alten Burg zu erkennen. Ziel der Besucher und der Fotografen sind auch die Mauern der ehemaligen Klosterkirche von Berich, die ein wenig kleiner in Neu-Berich wieder aufgebaut wurde, und die Überreste der Bericher Hütte mit dem Modell der Edertalsperre.

Wenn man von Bringhausen hinüber nach Scheid blickt, trennt normalerweise der See die beiden Ufer voneinander. Ein sehr trockener, heißer Sommer aber reicht, ihn ganz und gar verschwinden zu lassen. Ein Zehntel war 2003 gerade noch davon übrig. Ein Schauspiel, das sich durchaus nicht alle Jahre wiederholt: auf so niedrigem Niveau wie 2003 haben selbst die Waldecker ihren Edersee nur selten gesehen. Ein Zehntel der möglichen Wassermassen staute sich noch hinter der Sperrmauer, ein Tümpel geradezu. In solchen Jahren gibt der See auch wieder frei, was ihm seinerzeit zum Opfer fiel.

Der im Herbst häufig vorgenommene Wasserablaß aus dem Edersee sorgt immer wieder für Protest bei den Tourismusbetrieben. Ein halb leerer See sei schlecht für das Geschäft, schimp­fen nicht nur die Kapitäne der Ausflugsdampfer. Untersuchungen im vergangenen Jahr ergaben allerdings, daß es zu dem Wasserablaß keine Alternative gibt. Als die Talsperre vor 90 Jahren gebaut wurde, stand neben dem Hochwasserschutz bereits die Regulierung des Wasserstandes der Weser im Mittelpunkt.

Inzwischen zeigt sich aber, daß die Ruinen der bei der Flutung des Sees 1914 versunkenen Dörfer gleichermaßen die Touristen anlocken, wenn sie bei niedrigem Pegelstand auftauchen. Auch bei Niedrigwasser im Herbst ist der See ein besonderes Erlebnis („Edersee-Atlantis“).

Auf dem Grund des Stausees ruhen noch immer die Überreste von drei Dörfern, die man ihm zu Beginn des Jahrhunderts opferte. Einst lag an dieser Stelle das kleine Dorf Berich. Durch seine geschützte Südhanglage waren die Früchte hier besonders prächtig und nirgends sonst schmeckten die Kirschen so süß. Und so nannte man Berich das „Waldecker San Remo“. Es hatte eine uralte Geschichte. Aber das zählte bald nicht mehr. Noch 1899 hatte man in einem großen Dorffest stolz die neue Brücke über die Eder eingeweiht. Doch 13 Jahre später verschwanden Dorf und Brücke unter den Wassermassen. Die Dorfbewohner verloren Haus und Hof.

Auch der Ruinentourismus ist bereits schon so alt wie der See. Die versiegelten Friedhöfe von Bringhausen und Berich und die Überreste der Bericher Hütte gehören stets zum Besichtigungsprogramm. Die Einfüllschächte für das Eisenerz, des ehemaligen Hochofens der Bericher Hütte sind bis heute erhalten. Und ein ausgetretener Stein markiert noch heute den Platz, wo vor über hundert Jahren die Besucher feucht-fröhlichen Genüssen nachzugehen gedachten: es ist die Türschwelle zum Gasthaus im ehemaligen Eisenverhüttungs-Betrieb „Hütte Berich“. Und natürlich das Modell der Staumauer, an dem vor 100 Jahren die Strömungsverhältnisse getestet wurden.

Das ganze Tal leuchtet dann grün, als hätte es den See nie gegeben. Doch die Illusion währt nur kurz. Denn immer wieder füllen dann die winterlichen Regenfälle das Tal und lassen die Ruinen verschwinden. Spätestens mit der Schneeschmelze im Frühjahr sinken die letzten Zeugnisse der Vergangenheit, Sperrmauermodell und Friedhöfe wieder auf den Grund des Sees, wo dann nur noch Taucher Zutritt haben.

 

 

Bad Wildungen

 Inhaltsverzeichnis

Spaziergänge:

(1) Kurpark Reinhardshausen

(2) Kurpark Bad Wildungen, oberer Teil

(3) Kurpark Bad Wildungen, mittlerer Teil

 (3) Kurpark Bad Wildungen, unterer Teil

 (4) Bad Wildungen

(5) Homberg

(6) Zimmergründe I

(7) Zimmergründe II

(8) Hahnberg

(9) Kleinern

(10) Bilsteinklippen

 

Ausflugsziele in der näheren Umgebung

Umgebung von Bad Wildungen

Bad Zwesten

Neuental

Jesberg

Haina

Frankenau

 

Bad Wildungen ist Heilbäderzentrum, Staatsbad und Kleinstadt im Landkreis Waldeck-Franken­berg im westlichen Nordhessen (Deutschland). Bad Wildungen liegt an den Ausläufern des Kellerwalds im so genannten Ferienland Waldeck (Waldecker Land).

Bad Wildungen wurde um 800 erstmals erwähnt, erhielt 1242 als „Niederwildungen“ die Stadtrechte und darf sich seit 1906 „Bad“ nennen. Schon im 14. Jahrhundert war die Heilkraft der Wildunger Quellen bekannt, im 17. Jahrhundert entwickelte sich ein bescheidener Badebetrieb bis hin zur Blüte des Heilbades ab etwa 1880. Heute präsentiert sich die charmante Kur- und Wohlfühlstadt ebenso als modernes und renommiertes Gesundheitszentrum wie auch als lohnendes Ausflugs- und Urlaubsziel.

Die Stadt und ihre zehn ländlichen Stadtteile erstrecken sich in Hessens grünem Norden auf mehr als 120 Quadratmeter Fläche, gut 17.500 Einwohner sind hier zu Hause. Über 500 Kilometer Wanderwege durchziehen die urwüchsigen Buchenwälder der Umgebung; zwei international ausgezeichnete Wandersteige erschließen die einzigartigen Naturschönheiten des nahen Nationalparks Kellerwald-Edersee.

Historische Altstadt, mondäne und doch moderne Kurstadt und ein Umland, das sich seinen ländlichen Charme bewahrt hat: Dies alles ergänzt sich in harmonischer Vielfalt und macht den unverwechselbaren Reiz Bad Wildungens aus. Bad Wildungen hat viele Gesichter, die es gern bei originellen Erlebnisführungen präsentiert: Im eleganten Kurviertel begleiten prachtvolle Jugendstilarchitektur an der Promenade, gepflegte Parkanlagen oder die „neue Wandelhalle", zahlreiche Brunnen und Kurmusik die flanierenden Gäste. Auf der anderen Seite die bezaubernde Altstadt mit der fachwerkumsäumten gotischen Stadtkirche mit dem berühmten Flügelaltar, enge Gäßchen, mittelalterliche Wehranlagen und das Barockschloß Friedrichstein.

Auf der einen Seite, umgeben vom mittelalterlichen Mauerring, die von Fachwerk umsäumte Stadtkirche mit dem berühmten Flügelaltar des Conrad von Soest, trutziger Wehrturm, enge Gäßchen und das Barockschloß Friedrichstein.

Dort Europas größter Kurpark, prächtige Bäderarchitektur aus Jugendstil und Gründerzeit entlang der Promenade Brunnenallee, flanierende Gäste und Brunnen über Brunnen. Im Zuge der Hessischen Landesgartenschau 2006 entstand aus den gepflegten Parkanlagen und dem Gartenschaugelände ein einzigartiges grünes Netzwerk, das heute als „Hessens schönster Garten“ die Besucher fasziniert.

Ein fast großstädtisch anmutendes Kulturangebot mit vier überregional beachteten Musikfestivals, Konzert- und Theaterreihen und die eigenständige Jazzszene bieten Abwechslung für jeden Geschmack. Sportlich Ambitionierte schätzen darüber hinaus das familienfreundliche Freizeitbad Heloponte oder - neben Golf, Reiten, Tennis, Gleitschirm- und Segelfliegen - den nahen Edersee. Zusätzlich locken der opulente Osterschmuck, farbenprächtiger Blumenkorso, Park- und Volksfeste zehntausende von Besuchern in die schmucke Stadt. Sehenswert sind die fünf Museen und die in neuem Glanz erstrahlte Bad Wildunger Wandelhalle. Insgesamt 20 Heilquellen, davon allein sieben im engeren Stadtbereich, zeichnen die Stadt aus.

 

Die Stadt, die sich östlich des Hombergs ausbreitet, wird von der Wilde durchflossen, welche beim Ortsteil Wega in die Eder mündet. Die Stadtteile Wega und Mandern liegen an der Eder. Dieser Fluß bildet den Edersee, einen Stausee, der sich etwa zehn Kilometer (Luftlinie) nordwestlich der Kernstadt von Bad Wildungen befindet. Die südwestlichen Stadtteile Hundsdorf, Armsfeld und Bergfreiheit werden von der Urff durchflossen.

Städtepartnerschaften: Bad Wildungen unterhält partnerschaftliche Beziehungen zu

Saffron Walden Grafschaft Essex in England seit 1986

Yichun, Provinz Heilongjiang in China seit 1988

Saint-Jean-de-Maurienne, Departement Savoie in Frankreich seit 1990

Bad Berka, nahe Weimar in Thüringen

 

Gemeindegliederung: Bad Wildungen besteht aus einer Kernstadt. Die Nachbargemeinden Altwildungen, Reitzenhagen und Reinhardshausen wurden 1940 eingemeindet. Im Rahmen der Gemeindegebietsreform folgten im Jahre 1971 die Gemeinden Albertshausen, Armsfeld, Bergfreiheit, Braunau, Frebershausen, Hüddingen, Hundsdorf, Mandern, Odershausen und Wega.

 

Geschichte:

Die erste Erwähnung um etwa 800 stammt aus dem Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld als „villa Wildungun“. Dieser Ort lag im Wildetal, östlich der heutigen Stadt. Eine Burg wurde um das Jahr 1200 durch den Ludowinger Grafen Friedrich von Ziegenhain errichtet, der durch seine Heirat 1185 mit der Erbtochter des Grafen Gozmar III. von Ziegenhain, der Gräfin Lukardis, 1186 Graf von Wildungen geworden war. Die von ihm begründete Grafschaft Wildungen endete jedoch bereits im Jahre 1247 mit dem Tod seiner Erbtochter Sophia. Um die Burg entwickelte sich der Ort Alt-Wildungen.

Im Jahre 1242 erhielt der Ort Nieder-Wildungen, der auf dem Hügel gegenüber der Burg gegründet worden war, die Stadtrechte. Im Jahre 1358 wurden zwei Städte Wildungen erwähnt. Seit 1263 gehörten die Burg und die zwei Orte, auf Grund eines zwischen Landgraf Heinrich I. von Hessen und den Grafen von Waldeck im Verlauf des Thüringisch-Hessischen Erbfolgekriegs geschlossenen Vertrags zum Besitz der Grafen und späteren Fürsten von Waldeck.

Von 1474 bis 1692 bestand auf Grund einer Erbteilung im Hause Waldeck eine Grafschaft Waldeck-Wildungen, die aber schon 1692 wieder mit dem anderen Landesteil Waldeck-Eisenberg vereinigt wurde.

In der Zeit der Hexenverfolgungen fielen den Hexenprozessen in Bad Wildungen 78 Menschen zum Opfer. Die Verfolgung geschah in drei Prozeß wellen: 1532, 1629-1631 und 1650-1664.

 

1532                Erster Hexenprozeß gegen Gertraud Muck

1575–1578      Hexenverfolgungen

1629                setzte eine Periode unerhörter Verfolgung ein: 29 Opfer bis 1632.

1650–1664      weitere 38 Opfer

1630                Maria Rörig hielt von September 1630 bis Mai 1631 die Folter standhaft aus: „Der liebe Gott habe sie im Gefängnis erhalten, ihm bliebe sie treu, sie sei unschuldig wie Jesus Christus.“ Graf Christian verfügte ihre Entlassung.

1656                Prozeß gegen Susanne Weber, einer Tochter von Maria Rörig: „Ihr Ehemann bittet wegen der Kosten um Beschleunigung des Prozesses.“

 

Im Jahre 1906 wurde die Stadt Nieder-Wildungen als Heilbad von europäischem Rang in Bad Wildungen umbenannt. Im Jahre 1940 erhielt Bad Wildungen das Prädikat „Preußisches Staatsbad“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt Hessisches Staatsbad.

 

Söhne und Töchter der Stadt:

Trude Hoppe-Arendt (* 1905 in Berlin, † 2001 in Bad Wildungen), deutsche Malerin

Philipp Nicolai (* 1556 in Bad Arolsen-Mengeringhausen, † 26. Oktober 1608 in Hamburg), Liederdichter und lutherischer Hofprediger in Alt Wildungen

Wilhelm Dilich (Kupferstecher)

Meister des Netzer Altartriptychons (Gotischer Maler)

 

 

Spaziergänge:

(1) Kurpark Reinhardshausen:

Man geht die Mühlenstraße hochwärts und biegt nach links in die Hauptstraße ein. An der Kirchstraße steht ein Modell der früheren Reinhardshäuser Dorfkirche. Sie stand von 1789-1972 an der Ecke Hauptstraße/Kirchstraße. Am Ende der Hauptstraße geht man nach rechts

durch die Allee zur Wandelhalle. Hinter der Wandelhalle geht man erst mehr rechts weiter und kommt zu den Flamingos und Enten. Von dort biegt man etwas nach links und kommt zur Weißen Quelle. Früher wurde die Quelle nach seinem Erbauer „Görnerquelle“ genannt. Heute heißt sie „Weiße Quelle“, weil kleine Glasbläschengeben dem Wasser seine weiße Färbung. Sie fördert 5 - 7 Liter pro Minute mit 1.100 mg Kohlensäure. Der Calcium-Magnesium-Hydrogen­karbo­nat-Säuerling wird für Badeanwendungen genutzt. Das Wasser wird kontinuierlich aus33 Metern Tiefe gepumpt. Eine regelmäßige Nutzung erfolgt seit 1983.

Jetzt geht man rechts an der Wandelhalle vorbei und kommt zum Schwanenteich. Dann geht es wieder über die Hauptstraße und durch das Kur-Centrum. Rechts ist die Vulkanfelsentherme von 1971. Damals wurde das ehemalige Mineralbewegungsbad zu einer Bade- und Wohlfühllandschaft geschaffen. Im unteren Park kommt man zum Naturdenkmal, der mehr als 300 Jahre alten Kur-Eiche. An dieser Stelle fand der Kanzler und Außenminister der Weimarer Republik Gustav Stresemann (1878 bis 1929) bei seinen Besuchen in Reinhardshausen Ruhe, Kraft und Ordnung für seine Welt. Über den Schwanenweg geht es wieder zurück. Dies ist übrigens der beste Zugang von der Klinik Wildetal zum Kurpark Reinhardshausen (gleich neben dem Haus Sonnenblick).

 

(2) Kurpark Bad Wildungen, oberer Teil:

Mit dem Bus bis Rummelskoppe fahren. Dort ein Stück in Richtung Reinhardshausen gehen und dann nach rechts zum „Waldzimmer“. Auf diesem stehen von der Hütte ausgesehen und von links nach rechts

I. Rotbuche, Hainbuche, Stieleiche, Winterlinde

II. Gemeinde Esche, Weißbirke, Traubeneiche, Spitzahorn

III. Sommerlinde, Mehlbeere, Eberesche, Bergahorn.

Weiter geht es zur „Schweizer Wiese“ und zur Wandelhalle Bad Wildungen (Laufstrecke 6 lila und Terrainkurweg 5 rot, später Laufstrecke 1 grün und 2 orange).

Die Wandelhalle wurde 1929 erbaut. Architekt war der Darmstädter Professor Paul Meissner. Sie ersetzte einen gußeisernen Vorgängerbau, der nicht heizbar war. Das Gebäude diente vor allem der Ausgabe der Trinkkur, die damals noch das Fundament des Kurbetriebs bildete. Im Jahre 1960 wurde als Erweiterungsbau ein großzügiger Veranstaltungssaal zusammen mit einem gläsernen Umgang an die Wandelhalle angesetzt. Architekt war Regierungsbaurat Heinz Rappold, der auch benachbarte Bauten im Kurpark (Cafe, Musikpavillon) gestaltete. Im Jahre 2008 wurden weiterte Ausbauten vorgenommen durch das Bad Wildunger Architekturbüro Gehring und Partner.

 

Das Quellenmuseum zeigt dem Besucher die Entwicklung der Quellen und ihre Nutzung sowie die Veränderung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in der Kur- und Badestadt vom Mittelalter bis heute. Täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Im Quellendom präsentiert sich in modernem Ambiente eine Palette von Bad Wildungens besten Heilwässern. Trinkzeiten von 9.00 - 12.00 Uhr und 13.00 - 18.00 Uhr.

Gästebücherei: Kostenlose Ausleihe für Gäste. Täglich 10 - 18 Uhr

Das Quellencafe lädt Sie in einem Kuppelbau der Wandelhalle zu Kaffee und Kuchen bei Kurmusik ein. Geöffnet täglich ab 14.00 Uhr.

Im Internet-Point „ietet der Verein „Wir für uns" Internet für alle: Surfen und Mailen von 11.00 - 17.00 Uhr.

Der Regionalmarkt bietet Produkte und aktuelle Informationen aus der Region Edersee-Kellerwald. Geöffnet Di. - Fr. 14.00 - 18.00 Uhr Sa. + So. 10.00 - 18.00 Uhr.

Kirchenladen: Informationen zu kirchlichen Angeboten, Literatur, Karten; Möglichkeit zum Gespräch. Täglich: 14.00 - 17.00 Uhr.

Ende der 1990er Jahre wurde der Kurpark der Stadt Bad Wildungen nach Westen hin durch eine naturnahe „grüne Brücke“ mit dem benachbarten Kurpark Reinhardshausen zu einem Großkurpark verbunden, der nun mit einer Fläche von 50 Hektar als der größte Kurpark Europas angesehen werden kann. Darin sind neben Wanderwegen sowie Joggingstrecken auch Terrain-Kur-Wege für Herz- und Kreislaufpatienten beschildert.

Bad Wildungen ist ein Heilbad mit eisen-, magnesium- und kohlensäurehaltigen Quellen, nämlich 290. Es ist die Region Deutschlands mit den meisten Heilquellen auf einem engen Gebiet. Dennoch unterscheiden sich die Heilwässer in ihrer Zusammensetzung und somit Wirkweise. Die Helenen-, Georg-Viktor-, Reinhards- sowie Naturquelle sind die bekanntesten Bad Wildunger Heilquellen und werden heute in Flaschen abgefüllt und versandt.

An die Stelle der klassischen Trinkkur trat die medizinische Rehabilitation. Es bestehen etwa 20 Kliniken, die die Krankheitsbilder der Orthopädie, der Psychosomatik, der Inneren Medizin und Rheumatologie, der Neurologie, der Onkologie und der Urologie behandeln sowie Altenheime, Altenwohnheime, Altenpflegeheime. Die Bereiche Fitness, Wellness und Beauty gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Die Gästezahl betrug etwa 110.000 im Jahr 2006 bei etwa 1,4 Millionen Übernachtungen jährlich. Damit ist Bad Wildungen die Stadt mit den zweitmeisten Gäste-Übernachtungen in Hessen nach Frankfurt am Main.

Im Jahre 2006 fand in Bad Wildungen die 3. Hessische Landes­gartenschau statt. Im Westen grenzt das ehemalige Landesgartenschaugelände an den historischen, im Stil eines Englischen Gartens gestalteten Kurpark an der Georg-Viktor-Quelle an. Die Landesgartenschau endete am 3. Oktober 2006. Das Budget für bauliche Maßnahmen wurde leicht unterschritten. Die Gartenschau wurde von 436.000 Besuchern aufgesucht und 243.000 Tageskarten wurden verkauft. Danach wurden die Blumen aus dem Gebiet der Anfang Oktober geschlossenen Landesgartenschau entfernt. Das Gebiet ist jetzt ein von Wiesenflächen geprägter Park.

Das etwa 18 Hektar große gestaltete, stadtnahe Gelände mit dem Aqua Choros, Sonnentreppe, Auenpark an der Königsquelle, Goldene Gärten, Sport- und Spielaue im Bornebach ist seit 2007 als „Hessens schönster Garten“ zugänglich. Weitere 18 Hektar Landesgartenschaugelände kamen 2006 zum Kurpark hinzu, an dessen östlichem Ende sich unterhalb von Schloß Friedrichstein sich der Königsquellenpark befindet.

Durch das Landesgartenschaugelände kann man bis zu dem Schild „Innenstadt“ gehen und dort die Treppe hoch gehen. Oben an der Treppe angekommen geht man geradeaus und dann rechts in Richtung Kirche. Jetzt kann sich der Rundgang durch die Altstadt anschließen (siehe 4), man kann aber auch die Altstadt gesondert besuchen. Länge bis zur Altstadt 3,2 Kilometer.

 

(3) Kurpark Bad Wildungen, mittlerer Teil: Mit dem Bus bis zur Wickerklinik. Von dort durch den Kurpark zum Gasthaus Reinhardshöhe. Hier den nördlichen (linken) Weg nach Bad Wildungen wählen. Er führt zu den Tennisplätzen. Man geht aber nach rechts durch den Hochseilgarten zur Wandelhalle. Dort wechselt man auf die andere Seite und geht am Hang wieder in Richtung Bad Wildungen, nicht auf der Teerstraße, sondern auf dem gepflasterten Weg. Man kommt zum neuen Kurhaus und die Brunnenallee hinunter zum Fürstenhof. Er wurde um 1910 als Luxushotel erbaut, ein imposanter schloßartiger Bau im Jugendstil, heute ist hier eine Klinik der Asklepios-Gruppe untergebracht. Im Stadtzentrum und entlang der Brunnenallee gibt es zahlreiche Villen aus der Gründerzeit. Man kann dann noch ein Stück vom Fürstenhof weiter die Brunnenallee hinunter gehen bis zum Krankenhaus. Dort ist ein Stadtplan im Schaukasten, der auch die umliegenden Ortschaften mit umfaßt. Weiter unten kommt man zum Kurschattenbrunnen mi zwei kräftigen Männern und ebenso zwei Frauen. Noch ein Stück weiter ist der Treffpunkt (Buswartehäuschen) bzw. ein Stück weiter zum Die Abfahrt des Busses nach Reinhards­hausen ist auf der anderen Straßenseite vor der Drogerie.

Länge bis zum Treffpunkt etwa 3,2 Kilometer.

 

 

(3) Kurpark Bad Wildungen, unterer Teil: Mit dem Bus fährt man bis zum Bahnhof. Von dort geht man in Richtung Stadt. Am Kreisel fällt der große blaue Stuhl auf, ein Kunstwerk, das immer wieder in der Stadt auftaucht. Neben der Straße und dem Bach führt dann ein Weg zum früheren Gartenschaugelände.

Der Weg macht einen Bogen nach rechts und führt dann unter der Straße hindurch. Nach links geht es die Straße hinunter und dann wieder nach links zum Eingang der Landesgartenschau (besser den zweiten Zugang wählen). Man kommt zur Königsquelle.

Die Königsquelle wurde 1869 mit einem Adelsprädikat (?) versehen und vom Schützenkönig eingeweiht. Sie ist die älteste Mineralquelle in der Wildunger Gemarkung. Sie war lange Zeit in Vergessenheit geraten und wurde 1869, als sich in Wildungen der Kurbetrieb zu entwickeln begann, von Dr. med. Carl Rörig im April 1869 wiederentdeckt, der über 50 Jahre in seiner Heimatstadt Bad Wildungen wirkte. Um die Königsquelle herum entstand ein eigener Kurbetrieb Im Jahre 2006 wurde die ganze Quellenanlage grundlegend saniert. Die Schüttung beträgt 3,5 bis 5 Liter in der Minute, der Kohlensäuregehalt beträgt 2.690 mg pro Liter. Es handelt sich um einen Natrium-Calcium-Magnesium-Hydrogenkarbonat-Chlorid- Säuerling. Es ist nur noch eine von vier Zapfstellen in Betrieb, die öffentlich zugänglich ist.

Ein Stück weiter ist die Schloßquelle, die Quelle am Fuß des Schlosses Friedrichstein. Das Barockschloß Friedrichstein wurde 1660 von Graf Josias II. geplant und zwischen 1707 und 1714 von Fürst Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck fertig gestellt. Es enthält das Museum für Militär und Jagdgeschichte der Staatlichen Museen Kassel. Dort werden vor allem Uniformengezeigt. Im Kellergewölbe befindet sich das Lapidarium, eine Gesteins-Ausstellung. Es gibt aber auch Veranstaltungsräume und Räume für die Stadtverwaltung.

Die Schloßquelle wurde 1873 und 1875 unter Leitung von Dr. Rörig erbohrt, der für seinen Kurbetrieb zusätzlich Wasser für Badezwecken benötigte. In den Jahren 2004 und 2005 wurde sie umgebaut und erneuert. Die Schüttung beträgt 25 bis 30 Liter pro Minute, der Kohlensäuregehalt beträgt 1.750 mg pro Liter. Es handelt sich um einen Magnesium-Calcium-Natrium-Hydrogenkarbonat-Säuerling. Die öffentliche Zapfstelle ist nur noch eine von vier Quellen.

Unter dem Thema „Paradiesische Begleiter“ entstand während der Landesgartenschau ein Skulpturenweg. Für den nahe der Schloßquelle beginnenden Schloßbergweg, der zur Schloß­­anlage Friedrichstein führt, entstanden neun Kunstwerke. Die Künstler wurden über einen hessenweit offen ausgelobten Wettbewerb von einer Jury ausgewählt. Als Material fand bis auf eine Ausnahme primär Holz Verwendung. Initiiert wurde das Projekt vom Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, Landesverband Hessen e.V., der ebenfalls für die komplette Organisation verantwortlich war. Heute finden sich überall in den Kurparks Kunstwerke.

Man geht durch das Quellentor und dann nach links zu einer alten Mühle, an der man links vorbei geht. Der Weg führt zu einemSchild „Altstadt“. Dort geht man die Straße hoch und kommt zum Lindenplatz. Von hier aus kann man auch den Rundgang durch die Stadt beginnen, wie er unter 4 beschrieben ist. Länge bis zur Altstadt etwa 1,5 Kilometer.

 

 (4) Bad Wildungen:

Mit dem Bus fährt man bis zum Treffpunkt und geht von dort in die Altstadt. In der Brunnenstraße steht links ein Ladengeschäft mit Schaufenstern im Jugendstil. Das Bürgerhaus wurde 1651 erbaut von Rentmeister Johann Philipp Rebenstock. Das Haus wurde auch „Im Rebenstock“ genannt, da in einem Balken ein Rebstock eingehauen war. Dieses Haus ist aber nicht mehr vorhanden. Im Jahre 1894 ließ Sattlermeister und Tapezierer Adolf Möbus eine Stube zum Laden umbauen. Im Jahre 1906 erfolgte der Anbau eines Verkaufspavillons im Jugendstil. Eine Kopie der historischen Dachfahne wurde 1999 aufgesetzt. Der kraftvolle Dicknasendrache symbolisiert Reichtum und Glück. Der Sechserstern ist Teil des Rebstock‘schen Wappens, die beiden Halbmonde sind das Zeichen von Gastfreundschaft und Schutz. Vor dem Geschäft steht ein „blauer Stuhl“ im Jugendstil.

Von hier geht es hinauf zur evangelischen Stadtkirche, eine spätgotische Hallenkirche aus dem 14. Jahrhundert aus Grauwackestein. Baubeginn war um 1260. Die Kirche wurde dem Heiligen Nikolaus geweiht. Der hohe Turm wurde 1494 fertiggestellt am Tag der Heiligen Margaretha. Ursprünglich war er spitz. In den Jahren 1809 bis 1811 wurde die mehrfach vom Blitz zerstörte Turmspitze durch eine „welsche Haube“ ersetzt. Die Kirche ist täglich von 14 bis 16 Uhr geöffnet, Führung ist am Sonntag um 15 Uhr. Gottesdienst ist um 10 Uhr.

Im Inneren fallen zunächst die drei Grabmäler aus Alabaster, Marmor und Kalkstein auf. Das Grab am Chor links ist das Grab für Josias II. (beigesetzt ist er aber in der Geismarer Kapelle in der Nähe der Kirche). Das große Grab links im Chor zeigt osmanische Personen und venezianische Säulen und schildert kriegerische Auseinandersetzungen. Die kunstvollen Gitter sind um 1700 entstanden. Nur drei Waldecker Fürsten sind hier in Wildungen beerdigt (die anderen sind in Netze beigesetzt).

Der größte Schatz der Stadtkirche ist aber der Flügelaltar des Conrad von Soest(um 1370-1422). Er wurde der Kirche von den Johannitern geschenkt, die in der Stadt ein kleines Hospital und ein Kloster hatten. Der Altar befindet sich seit 1403 in der Kirche. Die 13 Holzplatten wurden auf Goldgrund mit Temperafarben bemalt.

Er ist einer der bedeutendsten Flügelaltäre der Spätgotik und das einzige gesicherte Werk des westfälischen Meisters. Der Altar weist alle Merkmale des „weichen Stils" auf. In den Figurendarstellungen liegt eine leicht schwingende Haltung, die kostbaren Gewänder erinnern an die Kleidung am burgundischen Hof. Auffallend sind die Farbkontraste: leuchtende Goldfarben sowie ein tiefes Blau.

Der Altar ist ein Triptychon und besteht somit aus einem größeren Mittelteil und den beiden kleineren Außenflügeln. Er zeigt 13 Szenen aus dem Leben Christi, dabei beziehen sich vier auf die Kindheit Jesu, vier auf die Passionsgeschichte und vier auf das nachösterliche Geschehen. Der Mittelteil zeigt den Kalvarienberg mit einer eindrucksvollen Kreuzigungsszene, umrahmt von vier kleinformatigen Bildern.

Der Künstler ist wahrscheinlich verewigt auf dem Bild von der Darstellung Jesu im Tempel (in Blau) und auch rechts hinter dem lesenden Apostel, der eine Brille trägt, die älteste Darstellung einer Brille nördlich der Alpen. Judas versteckt einen Fisch unter dem Tisch. Im Mittelteil unten kratzt sich einer am Fuß. Über den Schächern sieht man einmal einen Engel und einmal einen Teufel. Der Soldat der Jesus die Seite öffnet, war blind und wird von Jesus geheilt. Heilpflanzen bei Augenkrankheiten werden dargestellt.

Aufgeklappt ist der Altar fast sechs Meter breit. Am Johannistag wird er zugeklappt. Dann sind die vier Heiligen Elisabeth, Katharina, Nikolaus und Johannes der Täufer zu sehen. Der Altar wurde in den Jahren 1993-98 in Wiesbaden restauriert. Die Farben wurden aber nur gereinigt. An der Südseite der Kirche ist eine Gedenktafel für die „Hexen“ mit einem Rosenstock.

Gegenüber der Kirche steht die ehemalige Schule. Dahinter ist das „Bollwerk“, das seit dem 15. Jahrhundert die Stadt gegen das flache Vorgelände sichert. Der massive Unterbau erhielt 1504 einen Fachwerkaufbau („Bohlwerk“) mit einemSchieferdach, das 1705 wieder beseitigt wurde. Der Innenraum des Turms diente als Waffenarsenal und im 19. Jahrhundert als Holzstall für die benachbarte Schule.

Durch die Ranzenstraße nördlich der Kirche kommt man in die Lindenstraße, die früher durch das Reitzenhagener Tor abgeschlossen wurde. Im Jahre 1552 wurde Hans Seymeshagen zum Zimmern und Richten des Pfortenhauses am Reitzenhagener Tor für 15 Gulden und 16 Albus gedungen. Bis zum Neubau eines Gefängnisses 1909/10 am Breiten Hagen diente dieses Pfortenhaus auch als Gefängnis für „kleine Missetäter und geringe Spitzbuben“. Um 1900 wohnte hier der Justizwachtmeister Wilhelm Schäfer mit seiner Familie, daher auch „Schäfers Porte“ genannt. Der nördliche Teil des Hauses wurde nach Niederlegung der Toranlage 1841 angebaut. Im Jahre 1960 ging das Gebäude in Privatbesitz über. Vor dem Tor ist der alte Friedhof.

 

Die Lindenstraße ist eine Straße, die fast nur aus Fachwerkhäusern besteht. Am Museum ist eine Gedenktafel für Dr. Carl Reichardt angebracht, Verfasser der Stadtgeschichte und Ehrenbürger, gewidmet am 100. Geburtstag am 25.12.1965.

Am oberen Ende der Lindenstraße ist der Markt mit dem Rathaus. Ein Rathaus wird bereits 1258 erwähnt. In den Jahren 1850/51 wurde das aus dem Mittealter stammende Fachwerkhaus mit der nördlich davon befindlichen Weinschänke abgetragen und durch den neoklassizistischen Bau ersetzt. Auf dem Marktplatz befanden sich sowohl zur Abschreckung als auch als Strafmittel der „Triller“ (Narrenkasten), ein Holzesel, ein Schandpfahl mit Halseisen und ein Strafpfahl für diejenigen, die „gestäupt‘“ wurde. Der Marktbrunnen wurde mit Quellwasser der heutigen Georg-Victor-Quelle gespeist. Eine hölzerne Rohrleitung in die Stadt wurde 1378 erstmals erwähnt.

Man geht aber zunächst nach links die Brunnenstraße hinunter bis zum ehemaligen Weger Tor, auch Wildunger Tor genannt. Es bestand aus einem massiven Innentorturm und zwei vorgestellten kleineren Tortürmen. Im Zwischenraum der beiden Vortürme, dem sogenannten Zwinger, standen zwei Linden, unter denen von 1482 bis 1650 öffentliches Gericht abgehalten wurde. Im Jahre 1824 wurde der Innenturm als letzter der Anlage beseitigt. Das Pförtnerhaus an der Nordseite fiel 1851 dem Straßenbau zum Opfer. Der steile Zufahrtsweg zur Stadt war bereits vor 1500 gepflastert und hieß „der Steinweg“. Heute steht vor dem Tor die Kaiserlinde.

Dann geht man wieder zurück und geht nach links in die Straße „Hinter der Mauer“ und zum Turm „Roter Hahn“. Dieser älteste und ursprünglich erhaltene Wehrturm wurde um 1300 errichtet. Er diente bis 1804 als Gefängnis für Schwerverbrecher und bei Vergehen gegen die Obrigkeit. Der untere Stock war überwölbt, die Angeklagten wurden mit Hilfe eines Stricks durch ein Loch in das Verlies hinabgelassen. Stand die Hinrichtung eines Eingekerkerten an, wurde die rote Blutfahne gehißt. Das 1850 abgenommene spitze Dach mit Wetterhahn wurde 1967 wieder aufgesetzt.

Dann geht es die Straße hinter der Stadtmauer entlang. Die Synagoge stand an der Straße „Dürrer Hagen“ (Südseite der Altstadt). Sie war sehr groß und hatte eine orientalische Kuppel. Durch die Notstraße kommt man wieder zur Brunnenstraße.

Hier stand an der Südseite das Stadtschloß Cuylenburg. Die Bezeichnung geht auf Juliane Elisabeth von Waldeck, genannt „Gräfin Cuylenburg“ zurück. Sie verlegte 1679 ihren Wohnsitz von Schloß Eisenberg bei Korbach nach Wildungen. Hier trat sie besonders durch ihre Mildtätigkeit an den Armen, Kranken und Waisen hervor. Im Jahre 1696 ließ sie erstmals die heutige Helenenquelle fassen. Die holländische Grafschaft Cuylenburg gehörte im 17. Jahrhundert zur Grafschaft Waldeck und fiel anschließend durch Erbschaft an das Haus Sachsen-Hildburghausen.

Daneben steht das Haus „Stiefel und Krone“: Erbaut 1620-1624 von Peter Glitsch, der Zimmermeister war Jakob Waldschmidt aus Wildungen. Ab 1631 befand sich im Haus eine Gastwirtschaft. Im Jahre 1681 wurde das Haus zweigeteilt. In der östlichen Seite befand sich die Gastwirtschaft „Zur Krone“, seit 1871 ist hier ununterbrochen eine Bäckerei eingerichtet. In der westlichen Hälfte eröffnete 1681 ein Schuhmachermeister die Gastwirtschaft „Stiefel“. Daher rührt der heute noch für die Besitzerfamilie übliche Beiname „Stiefel-Stracke“. Im Jahre 1984 wurde das prächtige Fachwerk freigelegt.

Am Ende der Brunnenstraße nach Westen zu stand das Brunnentor, eine Doppeltoranlage mit zwei Wehrtürmen. Die Tore wurden im Winter von 6 bis 21 Uhr geöffnet, im Sommer von 3 bis 22 Uhr, am Sonntag erst nach dem Gottesdienst.

 

(5) Homberg: Mit dem Bus fährt man bis zur Wickerklinik und geht durch den Kurpark zum Gasthaus Reinhardshöhe. Gegenüber im Wald ist ein Parkplatz. An dessen oberen Ende geht es nach links auf den oberen Hombergweg, den (Rundweg W 5. Oberhalb des Wasserwerks geht links der Weg W 4 ab, der untere Hombergweg, der rollstuhlgerecht sein soll und auf sieben Kilometern rund um den Fuß des Hombergs führt. Man geht aber rechts hoch zum Hoyerplatz, wo sich zwei Wege spitzwinklig kreuzen. Hier geht man geradeaus auf dem rechten Weg weiter. Der W 5 führt zum Aussichtsturm von 1882 mit 86 Stufen und einem schönen Blick auf Wildungen (bei gutem Wetter auch bis zum Herkules). Der 518 Meter hohe Homberg ist Wildungens Hausberg und bietet einen Rundumblick.

 Dann geht man auf der anderen Seite den Weg hinunter. An der nächsten Kreuzung fehlt der Wegweiser. Geradeaus geht es zur Bismarckhöhe und zur Bergwachthütte. Man geht aber im spitzen Winkel nach links hinab zur Frühstücksbuche. Dort teilt sich der Weg: Ach rechts geht es in Richtung Bad Wildungen, entweder zum Herzog-Georg-Weg oder um den Berg herum zur Emma-Ruhe und zum Hoyerplatz. Es wird aber empfohlen, an der Frühstücksbuche links zu gehen immer um den Berg herum. Dabei wird auch der Wilhelmsplatz angezeigt, aber es wird nicht gekennzeichnet, wo dieser ist. Wahrscheinlich handelt es sich um die Aufweitung des Wegs, wo links noch ein Weg aufwärts geht. Über den Hoyerplatz geht es dann wieder zum Parkplatz am Gasthaus Reinhardshöhe. Auf der Karte sind noch sehr viel mehr Wege eingezeichnet, aber gangbar sind nur die hier beschriebenen. Länge etwa 5,7 Kilometer, Höhenunterschied etwa 200 Meter.

 

(6) Zimmergründe I:

Mit dem Bus fährt man bis zur Rummelskoppe und läuft ein Stück die Straße nach Hundsdorf bis zum Weg, der links in den Wald führt. Dort steht ein Schild „Waldlehrpfad“. Hier geht man hoch. Nach einer Linkskurve und einem Steilstück kommt man zu einer Wegekreuzung mit Schutzhütte, Pflanzgarten und einem Mammutbaum (den man übrigens von Reinhardshausen aus gut zu sehen ist, weil er die anderen Bäume überragt). Von hier führen zwei Wege hinunter zum Wildunger Brauhaus. Der linke Zweig des Waldlehrpfades führt nur an weiteren Bäumen vorbei, enthält aber keine Höhepunkte.

Nach rechts führt eine Schneise bei der Esche auf einen 454 Meter hohen Berg, auf dem die Blitzeiche steht (an sich sind es zwei große Eichen und noch weitere Eichen). Es ist aber fraglich, ob sich dieser Abstecher lohnt, weil die frühere Fernsicht zugewachsen ist.

Der rechte Zweig des Waldlehrpfades aber führt zu einem alten Diabas-Steinbruch (etwas nach rechts abbiegen) mit schöner Sicht auf Schloß Friedrichstein und Bad Wildungen (Vorsicht: Keine Absperrung). Ein Stück weiter unten führen die beiden Waldlehrpfade zusammen, noch ein Stück weiter steht eine Übersichtstafel. Noch ein Stück weiter unten steht dann das Wildunger Brauhaus. Unterhalb befindet sich die Kriegsopfergedenkstätte. Schräg gegen­über geht es in den Georg-Victor-Quellen-Weg4, wo sich die Bushaltestelle befindet für die Busse, die über die Wandelhalle fahren (die Busse über Frankenbergerstraße halten hier nicht). Länge etwa 2 Kilometer.

Am Brauhaus steht ein Wegweiser „Schweizer Wiese“ und „Waldzimmer“. Aber dorthin kommt man nur, wenn man gegenüber in den Georg-Victor-Quellen-Weg geht und dann ein Stück hinunter geht und links abbiegt.

 

(7) Zimmergründe II:

Mit dem Bus fährt man bis zur Rummelskoppe und läuft ein Stück die Straße nach Hundsdorf bis zum Weg, der links in den Wald führt. Man geht aber nicht zum Waldlehrpfad hoch, sondern geht auf den Weg, der oberhalb der Straße durch den Wald führt. Er biegt dann nach links ab bis zu einer Kreuzung. Dort biegt man rechts ab auf den Weg W 9, der dann auf die Kreisstraße nach Odershausen führt. Dieser folgt man nach links bis zu einem breiten Waldweg, der zu einem Parkplatz führt. Noch ein Stück weiter am Weg ist ein großes Hügelgrab mit einer Vertiefung. Auf der Kreisstraße geht es noch ein Stück weiter bis zu einem Sattel. Dort geht es links noch ein wenig hinunter bis zur Stahlquelle.

Diese hieß zunächst „Brückenbrunnen‘, später wegen des Eisengehalts aber „Stahlquelle“.

Die erste Erwähnung war im Jahre 1858 durch Fresenius, im Jahre 1896 erfolgte die Neufassung der Quelle. Ab 1901 erfolgte eine Zuleitung ins „Badehotel“. Im Jahre 1970 erhielt das Badegebäude das heutige Aussehen, im Jahre 2005 wurde die Quellanlage grundlegend erneuert. Die Schüttung beträgt 3.5 bis 6 Liter pro Minute mit 2.340 mg Kohlensäure. Die Stahlquelle ist die höchstgelegene Mineralquelle Wildungens und damit auch die kühlste und sie hat einen intensiven Eisengeschmack. Die Nutzung erfolgt nur als Trinkquelle.

Hier könnte man weiter gehen bis zur Talquelle und zum Golfplatz und zur Helenenquelle. Man kann aber auch hier wieder zurückgehen bis zur Straße nach Hundsdorf. Auf dieser geht man dann ein Stück nachWesten(links) und dann am Waldrand hinter nach Reinhardshausen. Länge etwa 5,1 Kilometer (zurück bis Klinik Wildetal ohne Bus).

 

(8) Hahnberg:

Mit dem Bus bis Klinik Birkental. Von dort etwas nach unten laufen und dann links in den geteerten Feldweg. Dort aber gleich wieder rechts und hinauf zum Waldrand.. Dort hält man sich halblinks auf dem R 5. Man kommt zum Hundeübungsplatz und zu einer Schutzhütte. Dort muß man sich scharf rechts halten zu einem ehemaligen Dachschieferbruch, heute ein wertvolles Biotop. Man geht aber weiter nach links zur Schießanlage, an der man links vorbei geht (nicht rechts den Weg hoch). Dann geht es immer rechts um den Berg herum. Links unten sieht man Albertshausen liegen. Der Weg um den Berg herum würde wieder zum Ausgangspunkt führen. Es ist aber nach links ein steiler Weg nach unten markiert. Er führt über eine breiten Fahrweg hinweg und endet am Schützenhaus. Die Länge beträgt etwa 5 Kilometer, der Höhenunterschied beträgt am Hahnberg 120 Meter.

 

(9) Kleinern: Auf der Teerstraße westlich des Friedhofs geht man bis zum Waldrand. Am alten Trafohaus geht man links und gleich nach dem Haus wieder rechts. Der Weg führt langsam bergab zur Feriensiedlung Spicke und zur dortigen Freizeitanlage.

Die Freizeitanlage „Spicke“ ist eine Spiel- und Erlebnisanlage in der Bachaue des Wesebaches am Wesetal-Lehrweg bei Kleinern. Hier hat der Wese-Bach Geröll Schotter und Sand abgelagert und war gezwungen, ständig neue Wege zu suchen. Ihre Ursprünglichkeit verlor die Niederung, als man die Wasserkraft zu nutzen begann, den Fluß regulierte und Mühlbäche anlegte.

Der westlich des Wesebaches gelegene Teil der Anlage bietet mit Teichfloß, Rutsche und Seilbahn aktive Spielerlebnisse. Hier findet man ein Fußerfahrungsfeld und Klanggeräte. Durch geschicktes Bearbeiten des Wassers kann man den neu geschaffenen Teich überqueren.

Verbunden über eine Hänge- und über eine Trittsteinbrücke erfüllt der östlich des Baches gelegene Bereich das Bedürfnis nach ruhigem Naturerlebnis, nach Körper- und Sinneserfahrung.

Wasser stauen, schöpfen, gießen, spritzen, darin schwimmen, untertauchen, mitfließen, sich überströmen lassen, die Trittsteinbrücke, Hölzer, Blätter, Schiffe fahren lassen. Geheimnisvoll, das Labyrinth, ein bis zur Mitte durchgehender, von Steinen gefaßter Weg

Ein Natur- und Wasserlehrweg führt unterhalb des Dorfes durch das idyllische Wesetal. Zwölf attraktive Stationen handeln von Mühlen, Eisenhammer, Holzessig, Bachlebewesen, Mineralquellen und Hirten. Unter dem Motto „Spuren lesen“ kann man die Reste einer alten Kulturlandschaft und frühen Eisenindustrie entdecken.

Der Wesetal-Lehrweg führt zu dem Ederauen-Erlebnispfad, der wiederum dem Eder-Radweg folgt. Zwischen Edersee und Fritzlar wird die Fahrradtour zu einem Naturerlebnis. „Leben am Fluß“ lautet das Motto. 20 Stationen laden zur bewußten Auseinandersetzung mit der Eder und der Kulturlandschaft der Ederaue ein. Im Infopoint Affoldern (s.u.) gibt es interessante Informationen über Affolderner See und Edersee und etwas für Angler.

 

Auf der Straße geht man dann weiter ins Dorf. Dabei kommt man an der Straße „Zur Spicke“, Haus Nummer 5, an einer Obstwiese vorbei. In der Wesetalstraße (Durchgangsstraße West-Ost) steht auf der Südseite das ehemalige Schloß. Am Dorfgemeinschaftshaus auf der Nordseite der Straße steht eine Informationstafel zum Dorferkundungsgang. Dieser macht die Geschichte lebendig und die dörfliche Gegenwart liebenswert. Der weitere Weg verläuft wie folgt:

 

1. Tafel Dorferkundungspfad am Dorfgemeinschaftshaus

2. Dorfgemeinschaftsbrunnen vor dem Dorfgemeinschaftshaus auf dem Dorfplatz

3. Backhaus auf dem Dorfplatz

4. Färberwaid-Haus in der Heimbachstraße (Dorfladen)(Straße nach Norden)

5. Hausbaum in der Heimbachstraße gegenüber dem Dorfladen

6. Tiere im Dorf, Heimbachstraße, südlich des Spielplatzes

7. Friedhof, nördliche Weinbergstraße (östlich der Heimbachstraße)

8. Trockenmauer, Bergstraße (westlich der Kirche), nördlich des Kirchturms

9. Dorfkirche mit Meitersdorfer Schnitzaltar von 1521

10. Bauerngarten, Bergstraße schräge gegenüber der Kirche

11. Dorfbrunnen/Mineralquellen (später besuchen)

12. Freizeitanlage Spicke (schon besucht)

13. Obstwiese an der Straße „Zur Spicke“, Haus Nummer 5 (schon besucht)

14. Ehemaliges Schloß in der Wesetalstraße schräg gegenüber dem Dorfgemeinschaftshaus (schon besucht).

 

Kleinern (250-600 Meter, 650 Einwohner) ist eine „Perle“ im Wesetal, einem Seitental des Kellerwaldes. Die Heilquellen des benachbarten, zweitgrößten Heilbadzentrums Deutschlands, Staatsbad Bad Wildungen/Reinhardshausen treten auch in Kleinern mit drei Brunnen zu Tage. Markierte Wanderwege führen durch eine idyllische Bachlandschaft, tiefe Wälder und ein herrliches Wiesental.

 

Gepflegte Unterkünfte prägen mit dem Dorfgemeinschaftshaus, Metzgerei, Dorfladen, Friseur und Taxiunternehmen das Dorfbild. Vor der „Haustür“ beginnt der Nationalpark „Kellerwald-Edersee“, ein über 5000 Hektar großer Buchenwald. Im Zuge der Regionalentwicklung ist ein ökologischer Dorfpfad mit interessanten Stationen entstanden. Er stellt die Ursprünglichkeit eines typischen Dorfes mit Bauerngärten, Backhaus, Dorfplatz mit Brunnen sowie die Streuobstwiesen noch stärker heraus. Der Ortsteil wurde durch das Prädikat „familienfreundlicher Luftkurort“ ausgezeichnet. Sehenswert ist die Kirche mit einem Schnitzaltar aus dem Jahr 1521 und die Freizeitanlage „Spicke“ Dieser Park bietet Abwechslung mit Turmrutsche, Floßteich, Tischtennis sowie Mühle-/Damespiel, Wassertretanlage und Sinnerfahrung: Klangspiele/„Fußfühlpfade“.

 

Nach Süden durch die Mühlenstraße und dann nach links kommt man zum Dorfbrunnen und den Mineralquellen. . Von dort geht man im Bogen hoch in den Wald auf dem Forstweg nach Reinhardshausen. Der Höhenunterschied beträgt 120 Meter, die Länge etwa 8, 3 Kilometer (ohne Dorfrundgang).

 

(10) Bilsteinklippen:

In Reinhardshausen geht man die Mühlenstraße hinunter und nach rechts bis zum Bach. An diesem geht man dann entlang in Richtung Reitzenhagen (nicht verwirren lassen durch das Schild „Bilsteinklippen 4,2 Kilometer“). An der Holzbrücke geht es auf die andere Seite des Baches (es gibt aber auch einen schmalen Pfad am Bach entlang) und auf der Dorfstraße entlang nach links. Etwa in der Mitte des westlichen Ortsteils geht in einem Taleinschnitt ein steiler Weg hoch (W 1 + 5 + 6). Man kommt schließlich auf einen Querweg, der von Alt-Wildungen ausgeht. Wenn man diese Wiese ein Stück hoch geht, hat man einen Blick in das Wesetal. Man geht aber nach links zu den Bilsteinklippen. Dazu muß man unbedingt nach links gehen zu dem Aussichtspunkt mit Bank. Der weitere Weg führt im großen Bogen um die Berge herum und in die Täler hinein. An der Wegkreuzung nördlich des Itter geht man besser erst noch ein Stück den Weg rechts hoch und dann nach links. Dieser Weg führt zu der Gebäudegruppe am Waldrand und damit wieder auf den Weg zum Friedhof Reinhardshausen.

Die Klippen kann man auch erreichen mit dem Bus 1 und Bus 2a nach Alt Wildungen. Man fährt bis zur Haltestelle „Am Amtsgarten“, läuft nach Westen auf die Giflitzer Straße, auf der man nordwestlich weiter geht. Dann nach Westen abbiegen in die Straße „An der Trift. Diese führt nach Westen zur Schwedenschanze und auf dem Weg geht es weiter zu den Bilsteinklippen. Diese Möglichkeit empfiehlt, weil der Fußweg von Reinhardshausen und über die Bilsteinklippen zurück sehr weit ist. Länge etwa 9,7 Kilometer (von Alt-Wildungen aus 7,2 Kilometer).

 

 

Ausflugsziele in der näheren Umgebung

(1) Das Helenental bei Bad Wildungen und der Sondergraben stehen seit 1986 unter Naturschutz. In den Ausläufern des Helenentals befinden sich auch die sehenswerten Wasserfälle von Odershausen. Das „Lebendige Museum“ im Stadtteil Odershausen bietet Ausstellungen und Aktionstage zur Landwirtschaft in alter Zeit.

(2) Bei Odershausen im Wald nahe der Jägersburg findet man noch drei alte Süntel-Buchen.

Im „Lebendigen Museum“ Odershausen gibt es interessante Einblicke in die Arbeit unserer Vorfahren. Gezeigt werden alte Handwerkstechniken und landwirtschaftliche Arbeiten, die in alte Zeiten entführen, als die Landwirtschaft noch das Dorfleben prägte. Hautnah dabei sein kann man bei der Flachsbearbeitung, beim Spinnen und Weben, man kann dem Schuhmacher und dem Stellmacher bei der Arbeit über die Schulter blicken und dem Schmied bei der Arbeit zusehen.

Als Attraktion wird im Juni die Dampfmaschine in Betrieb sein und im August kann man bei einem Waschtag erleben, wie früher die Wäsche gewaschen wurde. Im Gebäude sind auf großer Fläche landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, altes Handwerk und Bilder aus alter Zeit zu betrachten. Das alles wird bei Führungen ausführlich erklärt und gezeigt.

Außerdem stehen jeden Monat Ausstellungen auf dem Programm. Im Juni wird es besonders für Kinder und Frauen interessant sein, sich die ausgestellten Puppen anzusehen.

Im Juli und August wird es etwas technischer mit der Ausstellung von Dezimalwaagen und Bügeleisen.

Auch die Küche bietet wieder ihre allseits beliebten Speisen an. So gibt es beispielsweise Grüne Soße, Klöße mit Dörrobst, gefüllten Krautkopf und entsprechend der Jahreszeit Blechkuchen in vielen Variationen. Natürlich dürfen auch der selbst hergestellte Apfelwein, der Holunderblütensekt und die leckeren Hefewaffeln nicht fehlen

(3) Der höchste Berg im Stadtgebiet Bad Wildungens ist der Wüstegarten (675 Meter), der nahe dem zu Bad Wildungen gehörenden Dorf Bergfreiheit liegt. Nach jüngsten Vermessungen ist allerdings strittig, ob der Gipfel des Berges noch im Gebiet Bad Wildungens liegt oder wenige Meter außerhalb der Stadtgrenze.

(4) In Bergfreiheit ist das Schneewittchendorf im Kellerwald. Hier kann man viele Relikte des Bergbaus finden kann. Unter anderem das Kupferbergwerk „Bertsch“. Dieses Besucherbergwerk bietet einen Einblick in den bergmännischen Alltag des mittelalterlichen Kupfererzbergbaus. Übrigens, auch die sieben Zwerge von Schneewittchen sollen hier geschürft haben. Führungen von Karfreitag bis Oktober Mi. bis So. von 14.00 bis 15.30 Uhr, Gruppen nach Absprache, Telefon 0700 - 23 74 93 75 www.bergfreiheit.de.

Ein zauberhaftes Märchen-Theaterstück steht wieder im Schneewittchendorf Bergfreiheit auf dem Programm. Diesmal ist die idyllische Waldbühne Schauplatz für die bekannte Geschichte von „Schneeweißchen und Rosenrot“ der Brüder Grimm. Die 13 Schauspieler der Theatergruppe Bergfreiheit präsentieren auf der Bühne eine aufwendige und liebevolle Inszenierung des vielen noch aus Kindertagen bekannten Märchens. Es geht um eine Mutter, die zwei liebe Töchter hat: Schneeweißchen und Rosenrot. Eines Winters sucht ein Bär bei ihnen Obdach und die Kinder fassen Zutrauen. Als der Bär wieder fort muß, reißt er sein Fell am Türrahmen und Gold schimmert hervor. Der Bär, ein verwunschener Königssohn, verteidigt die Mädchen gegen böse Zwerge, verwandelt sich zum guten Schluß zurück und heiratet Schneeweißchen, Rosenrot bekommt seinen Bruder.

Ein altes Bergmannshaus (das ehemalige Bergamt) im Ortskern des Dorfes enthält ein Museum mit einer Tonbildschau über Erzgewinnung und Metallverarbeitung im Raum Bergfreiheit. Führungen Do. von 15.00 bis 17.00 Uhr, Gruppen nach Absprache, Telefon 05626 - 5 92

Das „Schneewittchenhaus“ steht in der Ortsmitte.

In der Edelsteinschleiferei Lange kann der Besucher dem Schleifer vom Rohstein bis zum fertigen Schmuckstück über die Schulter schauen und bekommt ausführliche Informationen über die Edelsteinbearbeitung. Eintritt frei! Besichtigung der Schleiferei: Mo. - Fr. von 15.00 - 17.00 Uhr Geschäftszeit: Mo. - Fr. von 9.00 - 12.00 Uhr und 13.30 - 17.30 Uhr Sa. von 9.00 - 12.00 Uhr, Telefon 05626 - 3 43, vvww.edelsteinschleiferei-lange.de. Es gibt auch einen kulturhistorisch-ökolo­gischen Lehrpfad.

 

(5) „Das Paradies“ bei Albertshausen ist ein Wald in Richtung Gellershausen und Kleinern.

(6) Im ehemaligen Hutewald Halloh in Albertshausen befindet sich ein alter Buchenwald mit etwa 200 Bäumen. Hutewälder bestehen sonst aus Eichen, weil diese mehr Ertrag Früchten bringen.

(7) Der 156 Kilometer lange Kellerwaldsteig, als einer der drei schönsten Wanderwege Deutschlands prämiert, beginnt und endet in Bad Wildungen.

(8) Wega: Nach fast zwei Jahren Vorbereitung freut sich der Stadtteil Wega auf die Festwoche vom 7. bis 14. Juni 2009. Der Festausschuß hat eine für jeden Geschmack und jedes Alter interessante Veranstaltung organisiert. Den Auftakt bildet am Sonntag, 7. Juni, ein ökumenischer Gottesdienst mit anschließendem Mittagessen. Am Montag erleben die Gäste einen lustigen Theaterabend bei dem Schwank „Die Bürgermeisterwahl“. Der Dienstag steht unter dem Motto „Wegaer Natur“: Dazu gehört eine fachkundig geführte Naturwanderung mit Einweihung des neuen „Fledermausstollens“ an der Wegaer Koppe. Am Mittwoch findet ein Kommers-Abend statt, bei dem die zum Jubiläum erstellte Chronik präsentiert wird.

Der Donnerstag (Fronleichnam) ist der „Koppenrätscher-Tag“. „Koppenrätscher“ ist der Spottname der „Wegschen“ und wurde ihnen wegen einstiger Rutschpartien auf dem Hosenboden von der „Koppe“ bis ins Dorf verliehen. In einem spannenden Wettbewerb treten die schnellsten Rutscher gegeneinander an, bevor abends eine Diskoparty in Nordhessens ältester Diskothek „Las Wegas“ steigt. Freitag ist Kindertag mit abwechslungsreichen Spielen am Sportplatz. Am Abend wird bei einem unterhaltsamen „Mundartabend“ mit Sketchen „Platt geschwatzt“. Der Samstagabend steht ganz im Zeichen musikalischer Unterhaltung, wenn die Band „Donau Power“ in Wageners Festhalle (Eintritt: 5 Euro) für Stimmung sorgt.

Höhepunkt der Festwoche ist am Sonntag, 14. Juni, der „Stehende Festzug“'. Das Dorf zeigt sich hier von seiner schönsten Seite. Ab 10 Uhr kann man alte Landmaschinen und historische Handwerker bei der Arbeit bewundern. Es gibt eine Modelleisenbahnausstellung, eine Fotoausstellung im Dorfgemeinschaftshaus und viele Verkaufsstände. Kleine Vorführungen und Musikauftritte runden die Veranstaltung ab.

Kulinarische Leckerbissen von einst und heute, eine Tombola sowie ein Riesentortenbuffet mit 200 selbstgebackenen Torten erwarten die Besucher, bevor zum Abschluß ein Feuerwerk an der Wilde steigen wird.

 

 

Bad Zwesten:

Sehenswürdigkeiten sind die Burgruine Löwenstein mit Wehrturm, der Aussichtsturm Altenburg, die Sternwarte, die begehbare Sonnenuhr im Kurpark und der Art-Garten.

 

Neuental:

Im Südosten der Erlebnisregion liegt Neuental. Beliebte Ausflugsziele sind der Neuenhainer See mit Familiencamping und der Berg Altenburg mit einer keltischen Ringwallanlage. Einmal jährlich findet ein Kelten-Triathlon statt.

 

Jesberg:

Trutzig ragt die alte Burgruine oberhalb von Jesberg auf. Für Gäste stehen Campingplatz und beheiztes Freibad bereit. Mehrmals im Jahr gibt es auf dem Köhlerplatz Vorführungen am Kohlenmeiler. Wanderfreunde sollten unbedingt den herrlichen Blick vom 675 Meter hohen „Wüstegarten“ genießen. Der Kellerwaldturm auf dem 675 Meter hohen Wüstegarten im Hohen Keller steht ein Aussichtsturm von 28 Metern Höhe. Hier öffnet sich der Blick weit über die Region hinaus!

 

Haina:

Das Kloster Haina mit Klosterkirche aus dem 14. Jahrhundert ist heute Psychiatrie- und Tischbein-Museum, Stamford'scher Garten mit Rundwanderweg, Tel.: 06456-91-0 und 06456-345.  Näheres siehe unten.

 

Frankenau:

Auf einer Hochebene im Kellerwald liegt das schmucke Städtchen Frankenau. Anheimelnde rote Dächer und die markante Kirche prägen den Ort, der sich als „Tor zum Nationalpark“ bezeichnet. Das Info-Zentrum „Kellerwald-Uhr“ lohnt ebenso einen Besuch wie die an historischer Stelle im Park wiedererrichtete Kapelle auf der „Quernst“. Das Feriendorf am Ortsrand lockt zusätzlich zahlreiche Gäste an.

 

Braunau: Panzerfische aus dem Steinbruch                                                           

Nahe dem Flüßchen Ense im Bereich von Bad Wildungen sind bereits im späten neunzehnten

bis in die ersten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts hinein Fossilfunde gelungen, die unsere Kenntnis einer erdgeschichtlich sehr frühen, ausgestorbenen Fischgruppe außerordentlich erweitert haben. Die über mehr als ein Jahrhundert des Sammelns und Forschens erlangten wissenschaftlichen Einsichten sind durchaus mit denen vergleichbar, die Fundstellen vom Rang der Grube Messel oder der Korbacher Spalte gegeben haben.

Lieferant für diese Fischfossilien sowie auch zahlreiche weitere Tiergruppen ist ein so genannter „Cephalopodenkalk“, also ein meerisch abgelagertes Sediment, in dem Überreste tintenfischartiger Tiere mit einem spiralig eingerollten Kalkschalengehäuse als Fossilien häufig sind. Die Fossilien waren ein Nebenprodukt des Kalksteins, der zum Kalkbrennen verwendet wurde. Radiometrische Messungen haben ein Alter dieses Gesteins von annähernd 377 Millionen Jahren ergeben.

Panzerfische wurde gefunden im Steinbruch in 34537 Bad Wildungen-Braunau, etwa 750 Meter nördlich von Braunau, etwa 600 Meter westlich der Braunauer Warte

Die fast unvorstellbar lange Zeitreise zurück führt in eine Welt, in der das heutige Europa von einem subtropischen Meer zur Gänze überflutet war. Die Die Evolution der Organismen befand sich damals, zur Devon-Zeit des Erdaltertums, in einer noch sehr frühen Phase. Unter den Fischen, die damals die höchst entwickelten Lebewesen verkörperten, überwogen noch ursprüngliche, gepanzerte Formen, doch diversifizierten sich gerade zu jener Zeit sehr verschiedene Entwicklungslinien: Quastenflosser, aus denen die ersten Landwirbeltiere hervorgingen sowie auch die große Gruppe der Haie.

Alle diese Fischgruppen sind im Fossilmaterial von Bad Wildungen erhalten, doch überwiegen die Panzerfische bei weitem. Kopf und Rumpf dieser Arthrodiren genannten Fische sind vollständig in einen aus der Haut entstandenen Knochenpanier eingehüllt, ein relativ kurzer - und beweglicher - beschuppter Schwanz sorgte für den Antrieb. Da es unter heutigen wasserlebenden Wirbeltieren keine Entsprechungen zu ihnen gibt, ist ihre Lebensweise kaum bekannt. Die Körper einiger Gattungen sind extrem abgeflacht, so daß wir sie als langsame Bodenfische deuten können. Die Arthrodira besaßen bereits einen aus einem Kiemenbogen hervorgegangenen Kieferbogen sowie gut entwickelte

Brust- und Bauchflossen; diese Erwerbungen unterscheiden sie von stammesgeschichtlich noch primitiveren kieferlosen Panzerfischen des Altertums.

Fischfossilien aus den Kalkknollen waren zwar außerordentlich selten, doch berühmt war die vorzügliche dreidimensionale Erhaltung auch innerer Skelettstrukturen, wie sie etwa im Schädel der Fische vorliegen. Heute können osteologische Details von großer stammesgeschichtlicher Aussage durch hoch auflösendes, zerstörungsfreies Scanning erhalten werden und daher ist das Wildunger Material, durch frühe Beschreibungen bereits weltbekannt, wieder in den Fokus der Forschung geraten.

Die devon-zeitliche Gesteinsabfolge im Bereich der Ense birgt noch weitere höchst ungewöhnliche Befunde. Der hellfarbene Kalk in den Ense-Steinbrüchen enthält zwei voneinander getrennte Horizonte aus fein geschichteten schwarzen bitumenreichen Kalken. Nach einem Vorkommen im Harz werden diese dunklen Kalke als Kellwasser-Kalke charakterisiert. Bemerkenswert ist nun, daß solche dunklen Kellwasser-Horizonte in Schichten gleichen Alters nicht nur im Kellerwald, im Rheinischen Schiefergebirge oder dem Harz ausgebildet sind, sondern auch in Frankreich, Marokko, Zentralasien und in vielen anderen Ländern nachgewiesen wurden.

So läßt sich ein weltweit nachweisbarer „Kellwasser-Event“ rekonstruieren, dessen Hauptwirkung offensichtlich in einer Ausbreitung sauerstoffarmer meerischer Wässer bestand, die aus tieferen ozeanischen Bereichen aufstiegen und ein über viele Jahrhunderttausende andauerndes Massensterben tropischer meerischer Organismen in Gang setzten, dem neben zahlreichen niederen Tiergruppen letztlich auch die Panzerfische zum Opfer fielen. Dieses komplexe krisenhafte Geschehen wurde einst durch erhebliche langfristige zyklische Zu- und Abnahme des atmosphärischen Treibhausgases Kohlendioxid ausgelöst: Eine ferne Entsprechung zu unserem durch global wirksame Klimaveränderungen gekennzeichneten modernen Zeitalter.

 

 

 

Unteres Edertal und Fritzlar

Der Wesetal-Lehrweg führt zu dem Ederauen-Erlebnispfad, der wiederum dem Eder-Radweg folgt. Zwischen Edersee und Fritzlar wird die Fahrradtour zu einem Naturerlebnis. „Leben am Fluß“ lautet das Motto. 20 Stationen laden zur bewußten Auseinandersetzung mit der Eder und der Kulturlandschaft der Ederaue ein.

 

Bergheim:

In dem alten Marktfleckensieht man rechts das Schloß Bergheim, ein klassizistischer Bau im Waldecker Land, erbaut 1692 durch Graf Christian Ludwig. Die Martinskirche mit prächtiger Ausmalung und seltener Zweischiffigkeit im Inneren ist ebenfalls ein architektonisch eindrucksvolles Bauwerk. Beliebtes Wanderziel ist eine am Waldrand gelegene Thermalquelle. Einkaufsmöglichkeiten sind mit Metzgereien, Lebensmittelgeschäft, Bäckerei und Apotheke gegeben, ebenso Praxen der Allgemein-, Zahn- und Tiermedizin. (200-300 Meter, 950 Einwohner).

 

Wellen:

Das typische Edertaler Dorf in landschaftlich schöner Lage hat schöne Fachwerkbauten, besonders an der Straße nach Züschen. Ein kleines Dorfmuseum öffnet nach Vereinbarung seine Tore. Im Ortskern befinden sich Gaststätten, Tankstelle, Pensionen und landwirtschaftliche Betriebe. Ein großer Reiterhof zieht zahlreiche junge Gäste an (860 Einwohner).

 

Büraberg (Ein Übersichtsplan ist am Eingang aufgestellt):

Im Dorf Ungedanken fährt man nach rechts in die Bürabergstraße und dort immer weiter hin­auf auf den Berg. Am jüdischen Friedhof geht es links weiter, bis man zur Brigidenkirche kommt. Es war ein geheimnisvoller Ort, der Büraberg bei Fritzlar. In jahrelangen Grabungen haben Archäologen seine Rätsel allerdings gelöst - und dabei die Geburtsstätte der Kirche in Hessen gefunden (Bilder 20-21)

Von 200 bis 500 vCh war auf dem Büraberg die Gauburg des chattischen Kerngebiets im Umfang der späteren fränkischen Burg, Die Burg wurde von den Franken erobert und geschleift. Um 680 erfolgte die Errichtung der fränkischen Reichsburg mit acht Hektar Innenraum: Periode eins mit mindestens 1,50 Meter breiter Mörtelmauer, mehreren Türmen und drei Toren. An den gefährdeten Stellen gibt es mehrere Spitzgräben. Es erfolgte eine Innenbesiedlung. Auf dem östlichen Teil des Bergsporns war eine Vorburg.

Um 700 kam es zur Verstärkung der Befestigung durch neue, breitere Mauer II a (1,80 Meter) und Ausbau der Tore in Periode 2 a. Die Innenbesiedlung (Pfostenbauten, Ständerhäuser auf steinernen Unterzügen, Kellern, Grubenhäuser) wurde dichter, sie war vermutlich planmäßig angelegte. Auf dem zentralen Gipfelplateau wird das Brigidenkloster erbaut, der Friedhof darunter nach Süden zu. In der Vorburg entstehen bäuerliche Gehöfte und Handwerker. Die Fes­tung selbst diente 774 der Be­völkerung nach einmal als Zu­flucht bei einem schweren Sachsenangriff hinter die Mauern der Büraburg (Bericht der Reichsannalen).

Als der angel­sächsische Mönch und Missionar Bonifatius im Jahre 722 hierher kam, empfing ihn und seine Helfer eine gewaltige Festungsanlage, geschützt van einem Mauerring mit Gräben und Wällen, dahinter eine Siedlung. Um 700 hatten die Franken dieses Bollwerk errichtet, um die Grenzen ihres ausgedehnten Reiches gegen die Sachsen zu schützen. Aber sie waren nicht nur militärisch präsent, sie hatten auch Mönche mitgebracht, die ein Missionskloster gründeten. Drei Doppelzellen sind archäologisch nachgewiesen. Die Kirche weihten die Benediktiner der Patronin Irlands, der Heiligen Brigida. Bonifatius errichtete hier im Jahr 742 den Sitz seines Hessenbistums Büraberg, das jedoch schon 747 nach dem Tod des ersten Bischofs Witta im Bistum Mainz aufging.

 

Die ersten Christen vom Volk der Chatten waren also bereits durch fränkische Mönche bekehrt worden, bevor Bonifatius kam. Aber die meisten Menschen waren dem alten Glauben treu geblieben. Bonifatius und seine Schüler verkündigten nun in Geis­mar, einer großen Siedlung jenseits der Eder, den neuen Glauben. Aber sie teilten auch Not und Armut der Bevölkerung im Grenzland. Einige der bekehrten Familien sollen Bonifatius bewogen haben, die von ihren Stammesgenossen noch immer verehrte Donar-Eiche zu fällen. Und so fiel der Götter­baum im Herbst 723 unter dem Schutz fränkischer Krieger. Das war der Durchbruch: Nun zweifelte die heidnische Bevölkerung an der Autorität ihrer alten Götter und ließ sich in Scharen taufen.

Im Hessischen Landesmuseum in Kassel ist neben zahlreichen anderen Ausgrabungs­stücken vom Büraberg der erste christliche Fund zu besichtigen: Ein winziges Kreuz aus Silberblech, das auf das Totenhemd eines kleinen Mädchens genäht war. Wahrschein­lich ein Amulett, das es im Jenseits als Christin ausweisen sollte.

Es ging Bonifatius nicht nur darum, Heiden zu bekehren. Eine Absicht war auch, die der arianischen Konfession anhängenden Franken dem Papst in Rom zu unterstellen und sie damit römisch-katholisch zu machen. Mit Hilfe weltlicher Macht schuf er eine dem Papst in Rom unterstellte kirchliche Organisation. Er gründete 742 ein Hessenbistum mit der Brigidenkirche als Kathedrale und seinem Lands­mann Witta als Bischof.

Von 741/742 bis 746/747 war das „oppidum Büraburg“ Bischofssitz des von Bonifatius errichteten Hessenbistums. Um 750 erfolgte wegen der Sachsengefahr eine erneute Verstärkung der Tore und Mauern bis auf 2,70 Meter Breite (Periode 2 b). Nach dem Ende der Sachsengefahr verfiel zwischen 800 und 850 die Befestigung, die Bevölkerung begann abzuwandern. Bald darauf wurde die Burg ganzauf­gegeben. Der neue kirchliche und politische Mittelpunkt entstand jenseits der Eder: in Fritzlar.

Die Weihe der Kirche zu Ehren der irischen landesheiligen Brigida (gestorben 525) geht vermutlich auf die frühe Missionstätigkeit der iroschottischen Mönche im 6./7. Jahrhundert zurück. An einem seither bestehenden festen Kirchenbau könnte sich eine Klosterzeile angeschlossen haben. St. Brigida auf dem Büraberg blieb bis 1527 Mutter- und Wallfahrtskircher eines größeren Kirchspiels mit Filialkirchen in Ungedanken, Rothhelmshausen (Wüstung), Holzheim, Mandern, Wega, Braunau und Wenzigerode.

Seit der Reformationszeit jedoch ist die Kirche St. Bonifatius in Ungedanken die Pfarrkirche der katholischen Pfarrgemeinde von Ungedanken und Rothhelmshausen, zu der heute noch die Bürabergkirche St. Brigida mit dem umliegenden Friedhof gehört. In den Wirren des 30järigen Krieges wurde die Brigidakirche teilweise zerstört, bis zum Jahre 1692 aber wieder aufgebaut.

Der Büraberg hat seine ungewöhnliche Stille bewahrt: Auf dem höchsten Punkt zwischen alten Linden steht - umgeben von einem Friedhof - die schlichte Brigidenkapelle, die im Laufe ihrer langen Geschichte elf Erneuerungsphasen erlebt hat. Die Wandmalereien in der Brigidenkapelle zeigen, daß der Wiederaufbau nach dem 30jährigen Krieg lange auf sich warten ließ. Der Reliquienschrein mit Darstellungen von Bonifatius und seinen Zeitgenossen ist Teil des Domschatzes in Fritzlar. Der Altar in der Brigidenkapelle stammt aus dem abgerissenen Schiff der Bonifatiuskirche in Ungedanken (oder Fritzlar?).

Hinter der Kirche ist ein Brunnen zu sehen und dann genießt man über einen steilen Abhang hinweg einen wunderbaren Blick auf Fritzlar mit dem monu­mentalen Dom und Türmen der Stadtbefestigung. Es sieht aus, als würden sie einander als Nachbarn an den Ufern der Eder grüßen, der gewaltige Dom und die kleine Kapelle.

Der Büraberg blieb bis 1340 weiter besiedelt, allerdings erfolgte eine Konzentration der Bebauung im Wesentlichen auf das Gipfelplateau um die Brigidenkirche. Seit dem 14. Jahrhundert war der Berg nur noch eine Wüstung und der ehemalige Burgbereich wurde bäuerlich genutzt.

Im Jahre 1717 erschien Johann Hermann Schminckes „Dissertatio Historica de Episcopatu Buraburgensi in Hassia”. In den Jahren 1926 bis 1931 erfolgten Ausgrabungen durch Joseph Vonderau, von 1967 bis 1973 und 1996 erfolgten Ausgrabungen durch Norbert Wand, der auch die Ausgrabungen dokumentierte.

Im Zuge der jüngsten Restaurierungsmaßnahmen bis 2007 wurde der gewachsene bauliche Zustand erhalten. Die Wandmalereien von 1692 wurden freigelegt. Vom ältesten steinernen Kirchenbau aus fränkischer Zeit (6./7. Jahrhundert) ist heute noch die Chorbogenwand als Ganzes erhalten. Den Westteil der Kirche nimmt ein ehemals mehrgeschossiger Turm aus mächtigem Mauerwerk ein, der im 11. Jahrhundert über älteren Fundamenten errichtet worden war. Der Chor im Osten und wesentliche Teile der Sakristei dürften im 13. Jahrhundert in ihrer heutigen Form entstanden sein. Die Nord- und Südwand des Kirchenschiffes stammen aus dem Wiederaufbau bis 1692: Das Mauerwerk der Westwand stammt aus verschiedenen Reparatur- und Veränderungsphasen, das Portal und die Südwestecke aus dem 17. Jahrhundert.

Bei früheren archäologischen Grabungen waren in und außerhalb der Kirche verschiedene Fundamente und Mauerreste aufgedeckt worden, darunter der Keller und die Zisterne östlich des Chors, die sich hinsichtlich ihres Alters, ihrer Funktion und Zugehörigkeit bis heute jedoch einer sicheren Deutung entziehen.

 

Fritzlar:

Fritzlar kann sich nicht nur rühmen, einst Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewesen zu sein. In seinen Mauern steht auch Deutschlands ältestes Amts- und späteres Rathaus. Nicht zu vergessen sind der Marktplatz mit seinem Fachwerkensemble, dem Rolandsbrunnen, und der St.-Petri-Dom sowie das Hochzeitshaus.

Im Jahre 774 brannten die Sachsen Fritzlar nieder. Im folgenden Jahr kam Karl der Große in die Stadt. In seinem Auftrag wurde eine Pfalz errichtet. In ihren Mauern trafen sich gerne Kaiser und Könige. Während der Reichsversammlung im Jahre 919 wird in Fritzlar der Sachsenherzog Heinrich „der Vogler“ zum König Heinrich I. gewählt.

Um 1120 fangen die Bürger mit dem Bau einer Stadtmauer an, die im 14. Jahrhundert ihre größte Ausdehnung von rund 2,5 Kilometer erreicht. Mit ihren Türmen ist sie noch fast vollkommen erhalten. Der Graue Turm gilt als der größte erhaltene Wehrturm Deutschlands und kann bestiegen werden. Von seinem obersten Stockwerk genießt der Besucher einen herrlichen Blick über Fritzlar und das Edertal.

Im Westen der Stadt am Grauen Turm ist ein Parkplatz. Die Stadtmauer ist noch gut erhalten. Der Graue Turm ist der höchste erhaltene städtische Wehrturm Deutschlands, er war später Gefängnis. Das alleinstehende Fachwerkhaus an der Stadtmauer war das Haus des Henkers.

Auf der Straße „Burggraben“ geht es in die Stadt.

 

Hochzeitshaus:

Auf einem steinernen Unterbau des Mainzer Hofes wurden um 1546 die Verwaltungsstelle und der Wirtschaftshof des Klosters errichtet. Das Renaissance-Portal ist von Andreas Herbner (?). Es ist der größte Fachwerkbau Nordhessens. Hier wurden die bürgerlichen Feste gefeiert, vor allem Hochzeiten und Taufen. Im Siebenjährigen Krieg war es Lazarett. Im 19. Jahrhundert war es erste Fritzlarer Kaserne, zweites Rathaus, ab 1962 (?) Schulgebäude. Seit 1988 (?) ist es Museum für Vor- und Frühgeschichte, Volkskunde und Stadtgeschichte (Bild 01).

 

Spitzenhäuschen (in der Seitenstraße):

Der nach 1415 errichtete spätgotische Ständerbau diente als Haus von Krämern, den Kleinhändlern in der mittelalterlichen Stadt. Fehlerhafte Eingriffe in das statische Gefüge führten zum Absacken der Nordfassade und zu einer Verschiebung der Konstruktion.

So entstand das heutige auffällige Erscheinungsbild. Sehenswert ist im Innern die mit floralen Motiven verzierte Deckenbemalung im ersten Stock aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Zusammen mit dem angrenzenden Haus Spitzengasse 2, das in Teilen in das Jahr 1360 datiert wird, wurde das volkstümlich .,Spitzenhäuschen“ genannte Gebäude in den Jahren 1987-1999 grundlegend saniert und einer öffentlichen Nutzung zugeführt. Die Sanierung ist preisgekrönt als Beispiel für substanzschonenden Umgang mit dem Baudenkmal (Bild 02).

 

Marktplatz:

In eine märchenhafte Welt fühlt sich der Tourist versetzt, wenn er auf dem Marktplatz steht, der von repräsentativen Fachwerkhäusern umgeben ist. Der Marktplatz in seiner Geschlossenheit gilt als einer der schönsten und besterhaltenen im ganzen Hessenland.

Im Mittelpunkt des Platzes steht der Rolandsbrunnen. Er wurde im Jahre 1564 erbaut, ein Zierbrunen der Renaissance mit sieben Meter Durchmesser. Roland mit Schild als Zeichen des besonderen königlichen und kaiserlichen Schutzes der Märkte und als Sinnbild der staatlichen Banngewalt. Darunter nach Süden das Wappen des damaligen Stadtherrn, des Mainzer Erzbischofs Daniel Brendel von Homburg., nach Osten das Wappen des Mainzer Erzstiftes, nach Norden das Fritzlarer Stadtwappen, nach Westen die Wappenzeichen der Steinmetze.

Auf einem Schild ist der Doppeladler des Reiches zu sehen. Schwert und Fahne sind die Zeichen der Gerichtsbarkeit. Wer in früheren Jahrhunderten am Marktverkehr teilnehmen wollte, mußte sich einer besonderen Gerichtsbarkeit unterwerfen. Ein Symbol dieser Gerichtsbarkeit ist der Roland auf dem Brunnen. Das Wasser wurde durch Holzrohre aus dem Edertal zum Brunnen gepumpt. Zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert wurden in Fritzlar auch Münzen geprägt, die in ganz Hessen ihre Gültigkeit hatten. Das Haus der Münze befindet sich ebenfalls am Marktplatz (Bilder 03-09).

 

Rathaus:

Das Haus wird 1109 zum ersten Mal urkundlich als „prätorium“ (Amtshaus) erwähnt. Die Erzbischöfe von Mainz hielten in dem romanischen Bau ihre Gerichtstage ab. Das Gebäude gilt damit als ältestes Amtshaus Deutschlands. Seit 1274 dient es der Stadt Fritzlar als Rat­haus. Im Jahre 1435 wurde es durch einen Brand zerstört und bis 1441 in gotischem Fachwerk mit drei Spitztürmchen an der Südfassade wiederaufgebaut. Im Jahre 1839 erfolgte der Abbruch der Fachwerkgeschosse, aber in den Jahren 1963-64 wurden sie wieder hergestellt und erweitert.

In einer Urkunde aus dem Jahre 1109 wird erstmals das Fritzlarer Amtshaus als „praetorium frideslariensis“ erwähnt. Damals war es der Verwaltungssitz des Erzbischofs von Mainz. Ein Brand vernichtete das romanische Haus im 15. Jahrhundert. Der Wiederaufbau erfolgte in gotischem Stil. Im oberen Stockwerk sind heute Bilder der gekrönten Häupter vergangener Epochen zu sehen. Eine andere Sehenswürdigkeit ist das Sandsteinrelief über der Freitreppe am Südportal. Dort ist der heilige Martin zu sehen, wie er seinen Teil am Mantel verschenkt; neben dem Bettler ist noch eine zweite Person in der unteren linken Ecke zu sehen. Es ist der ehemalige Schöffe und Spender des Reliefs, Johann Kratzmann. In der rechten oberen Ecke befindet sich das Wappen des Erzbistums Mainz, in der linken oberen Ecke das Wappen des Domkapitels zu Mainz (Bild 11).

 

Löwenapotheke

Das Haus wurde 1579 von Martin Frölich im Stil der Renaissance errichtet. Die seitlichen Eckständer sind durch Pilaster verziert. Die Eingangstür wird durch einen halbrunden Bogen mit der Bauinschrift und gedrehten Holzstäben abgeschlossen. Erhalten geblieben ist die ur­sprüngliche Fensterteilung. Seit über 400 Jahren ist das Haus als Apotheke urkundlich belegt.

Fritzlar (Bild 06).

 

Kaufhäuschen (Michaelsbruder-Haus)

Ein Gebäude in diesem Ensemble verdient besondere Erwähnung: Es ist das Gildehaus der Michaelsbrüder. Der gotische Ständerbau wurde um 1475 erbaut und war Gildehaus der Michaelsbruderschaft. Die Gilde der Michaelsbrüder entstand im 12. Jahrhundert als eine der ersten deutschen kaufmännischen Vereinigungen. Sie bestand bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit seinem schiefergedeckten spitzen Turm erregt es Aufmerksamkeit. Die Michaelsbruderschaft betrieb einst Handel weit über die Grenzen der Stadt hinaus und gilt als eine der ersten deutschen kaufmännischen Vereinigungen. Wer sich die Fachwerkhäuser am Marktplatz genauer ansieht, kann staunen über die handwerklichen Fähigkeiten früherer Meister. Verzierungen, Teufelsfratzen und Schreckmasken zieren so manches Haus, damit sollten böse Geister ferngehalten werden. Das Haus wurde in den Jahren 1982-1985 durch die Familie Busch umfassend saniert.

 

Kurie der Fischgasse.

Erbaut um 1400, wahrscheinlich von Kantor Heinrich von Hatzfeld. Eine von insgesamt 18 Kurien im Stiftsbezirk der Stadt Fritzlar. Die Kurien waren im Mittelalter die Wohnplätze der Chorherren einer Stiftskirche. Im Siebenjährigen Krieg wurde das Dach zerstört. Im Jahre 1928 wurde das Haus wieder hergestellt in der ursprünglichen Form mit dem Staffelgiebel.

 

Gotische Steinhäuser (Kasseler Straße):

Die Häuser sind um 1300 erbaut, Staffelgiebelhäuser in der im Mittelalter teuren Steinbauweise. Die Außenwände sind 1,20 Meter stark. Die Häuser waren im Besitz Fritzlarer Patrizierfamilien. Um 1700 wurden die ursprünglich noch steileren Dächer entfernt. Dabei wurden auch die hohen, rechteckigen Abschlüsse der Staffelgiebel verkürzt. Um 1900 erfolgte eine Umgestaltung in der Straßenfassade bei Kasseler Straße 6. In den Jahren 1987-95 umfassende Sanierung des Hauses Kasseler Straße 6 und in den Jahren 1986-88 von Kasseler Straße 8 (Bilder 09-10).

 

Dom:

Abt Wigbert (oder Witta), Nachfolger des Bonifatius, errichtete 732 eine Steinkirche. Heute befindet sich an dieser Stelle der St.-Petri-Dom, der nicht nur das Wahrzeichen der Stadt ist, sondern auch als eine der schönsten romanischen Kirchen in Nordhessen gilt. Bei den Umbauarbeiten im Jahre 1969 entdeckten die Handwerker zufällig die Grundmauern der ehemaligen Steinkirche. Der Dom St. Petri Dom ist eine päpstliche Basilika, die durch Bonifatius begründet wurde. Er hat eine Krypta, einen Hochaltar aus dem frühen 18. Jahrhundert und Glasfenster aus verschiedenen Perioden. Es gibt einen Domschatz und ein Dommuseum. In der Schatzkammer im Fritzlarer Dom findet sich ein Reliquienschrein aus Holz, auf dem neben Bonifatius auch Bischof Witta zu sehen ist. Vorher stand hier eine Kaiserpfalz, die um 800 entstand. Die Oberburg stand an der Stelle des jetzigen Gemeindehauses, die Unterburg für das Gefolge stand an der Stelle der Kirche (Bilder 12-15).

 

HNA-Haus:

Westlich de Marktplatzes sind noch einige schöne alte Häuser, darunter das heute sogenannte „HNA-            Haus“. Eines von mindestens sieben bürgerlichen Steinhäusern. Der jetzige Steinbau wurde um 1276 errichtet. Vorgängerbauten reichen bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts zurück. Im Jahre 1390 befand sich das Haus im Besitz der bedeutenden Fritzlarer Patrizierfamilie Knorre, aus der zahlreiche Bürgermeister und Ratsherren hervorgingen. Das eigentlich nur Staat und Kirche vorbehaltene Privileg der teuren Steinbauweise konnten sich nur sehr einflußreiche Familien in der mittelalterlichen Stadt herausnehmen. Im Jahre 1700 wurde ein mehrstöckiges Fachwerkobergeschoß aufgesetzt. Dies bedeutete den Verlust der steinernen Frontfassade. In der Folgezeit erfolgte hauptsächlich die Nutzung als Wohnhaus.

Seit 1966 hat die Redaktion der Hessisch-Niedersäch­sischen Allgemeine ihren Sitz im Erdgeschoß (Bilder 16-19).

 Noch weiter westlich ist das Ursulinenkloster. Es gibt auch eine Minoritenkirche. Auch die Natur rund um die Stadt bietet interessante Ein- und Ausblicke, am Mühlengraben-Lehrpfad, in den Ederauen oder bei „Ars natura - Kunst am Wanderweg“.

 

Züschen:

Über Geismar kommt man in die Stadt Züschen. In der Ortsmitte steht das Rathaus, rechts der Grachenturm. Die frühzeitige Besiedlung der Gegend um Züschen belegen die Felsritzzeichnungen am Steinkammergrab von Züschen und am Riesenstein (Heiligenberg). Die Chatten unterhielten in Züschen eine Kultstätte, und der Ortsname ist von dem chattischen Gott Ziu abgeleitet.

Um 850, um 1070 und dann 1237 wird Züschen („Tuischinum“) erstmalig urkundlich erwähnt, war aber mit Sicherheit schon weitaus früher besiedelt. Im Jahre 1894 wurde ein Steinkammergrab (Hünengrab) östlich von Züschen entdeckt, das aus der Zeit um 3000 vCh stammt.

Von 1430 bis 1810 gehörte der Ort den Herren von Meysenburg, die es von den Landgrafen von Hessen, später von den Grafen von Waldeck als Lehen hielten. Im Jahre 1625 ging der Ort, zuvor lange von den Landgrafen von Hessen an die Grafen von Waldeck verpfändet, endgültig in den Besitz Waldecks über. Danach gehörte Züschen zunächst zur Grafschaft und später zum Fürstentum Waldeck und von 1919 bis 1929 zum Freistaat Waldeck, dann bis 1945 zu Preußen und seitdem zu Hessen, wo sie Teil des Landkreises Waldeck war.

Die bis dahin selbständige Stadt Züschen wurde am 1. Januar 1974, trotz starken Widerspruchs des Landkreises Waldeck, im Rahmen der Hessischen Gebietsreform in die Stadt Fritzlar im Schwalm-Eder-Kreis eingegliedert. Heute leben in Züschen rund 1100 Einwohner. Der Ort wird heute hauptsächlich von der Holzverarbeitungsindustrie und vom Tourismus geprägt.

Der historische Ortskern mit Fachwerkhäusern ist umgeben von einer Stadtmauer mit Wachtürmen. Zwischen den Jahren 1604 bis 1609 wurde die heutige evangelische Stadtkirche, anstelle einer gotischen Kapelle aus dem 14. Jahrhundert erbaut. Die bis heute erhaltene Sandsteinkanzel ist im Jahr 1611, aus einem in der Nähe gelegenen Sandsteinbruch entstanden. Die andere Ausstattung ist heute modern.

Es gibt eine Flußbrücke über die Elbe aus dem 18. Jahrhundert. Die Ruine der Kreuzkirche (südwestlich, neben der Straße nach Wellen in einem Buschwerk gelegen) ist ein letzter Rest des wohl schon vor der Wende zum 14. Jahrhundert „wüst“ gefallenes Dorfs Hertingshausen. Die „Kölnische Kanzel“ ist ein, Aussichtspunkt mit Blick auf den Alten Wald, das Knüllgebirge und den Nationalpark Kellerwald-Edersee

An der Straße nach Fritzlar liegt das Schloß Garvensburg. Unter der Brücke von einem Teil des Schloßgartens zum anderen fährt man hindurch. Ein so genannter „Schlot­baron“ aus Hannover baute sich Ende des 19. Jahrhunderts das prächtige Schloß Garvensburg. Wilhelm Garvens hieß er und war mit seinen Garvenswerken, die Maschinen, Waagen und Pumpen aller Art herstellten, zu europaweitem Ruhm und Reichtum gekommen. Im nordhessischen Züschen erfüllte sich Wilhelm Garvens einen Traum für seine Familie und seine Gäste. Er wählte dafür die Architektur einer romantischen Burg, die Dimension einer herrschaftlichen Villa und die schmuckvolle Großzügigkeit eines Schlosses. Ganz im Geschmack der späten Gründerzeit schuf er ein Jagdschloß mit zugehörigen Ländereien von repräsentativem Anstrich und Erlebniswert.

Möblierung und Innenausstattung ließ Garvens in stilvoller Anlehnung an die Renaissance ausführen und griff antike Elemente auf wie die Portalarchivolte mit Löwenkopf. Auch Reste einer ehemaligen Burg in Züschen wurden in das Gemäuer integriert, angefertigte Möbel durch historische Stücke ergänzt.

Schon damals überraschte Schloß Garvensburg die Besucher durch seinen harmonischen Einklang von Form und Funktion. Kurgäste aus dem nahen Bad Wildungen, die damals Europas Adel und Hochfinanz angehörten, besuchten gerne Schloß Garvensburg. Sie staunten ob der gepflegten Wohnlichkeit des Schlosses und bewunderten die Modernität der elektrischen Anlagen.

Wegen seiner Großherzigkeit gegenüber Land und Leuten der Region wurde Wilhelm Garvens 1908 in den Adelsstand erhoben. Seine Familie durfte sich fortan von Garvens-Garvens­burg nennen. Lange blieb Schloß Garvensburg im Besitz der Familie Garvens und wechselte schließlich in den 70er Jahren in Privatbesitz. Seit März 2004 gehört Schloß Garvensburg dem Unternehmer Harald Kneier, der in Anlehnung an die alte Tradition das Schloß (oder wie die Züschener sagen: die Burg) als Treffpunkt wiederbelebte. Denn neben Hotel und Restaurant ist Schloß Garvensburg heute Tagungsort und Unternehmensdomizil einer Werbeagentur und eines Beratungsunternehmens.

Hinter dem Ort weist ein Wegweiser nach links zum Steinkammergrab. Von der Straße geht es dann links ab und noch einmal rechts zu einem Parkplatz. Von dort sind es noch etwa hundert Meter bis zu einer Halle, die das Steinkammergrab überdacht. Dieses Steinkammergrab vom westfälisch-hessischen Typ wurde im Jahre 1894 entdeckt und freigelegt. Es war vor etwa 4000 Jahren die letzte Ruhestätte einer. Gemeinschaft, die selbst oder deren Vorfahren aus dem äußersten Westen Europas einwanderte. Typische, vergleichbare Steinkammergräber gibt es in Frankreich, insbesondere in der Gegend von Paris. Die in die Wand geritzten Symbole werden als Stiere gedeutet und entstammen wahrscheinlich der Erfahrungswelt der Erbauer dieser Anlage, die zu den bedeutendsten in Europa gehört.

Bei dem im 4. - 3. Jahrtausend angelegten Grab handelt es sich um eine 20 Meter lange und 3,50 Meter hohe, in den Boden eingelegte Grabkammer, die aus großen Sandsteinplatten gebaut ist, ein Material, das erst auf der anderen Talseite ansteht. Die Längswände bestehen aus je zwölf Steinen (ein Stein der Nordseite fehlt), die Schmalseiten jeweils aus einer einzigen Platte. Die östliche Abschlußplatte mit einer runden Öffnung von etwa 50 Zentimeter Durchmesser (Türloch) trennt einen kleinen offenen Vorraum mit einer Länge von 2,50 Meter von der eigentlichen Grabkammer.

Steinkammergräber, deren Errichtung eine bedeutende technische Fähigkeit (Rollen, Rampen, Hebebäume) waren die Begräbnisplätze kleiner Siedlungsgemeinschaften Über Jahrhunderte hin wurde immer wieder in ihnen bestattet. In diesem Grab fand man die Gebeine und Schädel von 46 Toten. Nach Vergleich kann man aber von 200 - 300 Bestattungen ausgehen, die meist mit dem Kopf zum Eingang in mehreren Schichten übereinander niedergelegt wurden. Von besonderer Bedeutung sind die an den Wänden des Grabes angebrachten Zeichen, die mit einem Steingerat eingepickt wurden.

Vor allem ein Zeichen ist es, das immer wiederkehrt eine senkrechte Linie mit einem nach oben geöffneten Halbbogen darüber, was nach Parallelerscheinungen auf anderen Felsbildern Europas als Rinderdarstellung zu lesen ist. Öfter sind zwei Rinder verbunden durch eine Linie mit zwei betonten Endpunkten, d.h. wohl Räder. Seltener verbindet sie ein Joch mit Deichsel und zweirädrigem Wagen, so in besonders gutem Erhaltungszustand auf einem kleinen menhirartigen Stein, der sich l0se in der Grabkammer befand.

Die Rillen an den Oberkanten der Sandsteinplatten wurden beim Pflügen des Ackers verursacht. Erst als man diese Hindernisse durch Ausgraben und Zerschlagen beseitigen wollte, erkannte man die Bedeutung dieses Denkmals unserer Vorgeschichte. Die Ausgrabung erfolgte 1894 (Bild 22-23).

 

 

Gudensberg-Maden:

Auf der Straße fährt man dann weiter nach Gleichen und nach Gudensberg. Vorbei am Madenstein, einem Felsmassiv oberhalb der Stadt, geht es nach Westen in Richtung Obervorschütz. Am Ortsausgang steht links der Wotanstein. Dann fährt man wieder zurück in den Ort

und über Niedervorschütz nach Felsberg.

Der Wotanstein (auch „Wodanstein"), gilt als eines der imposantesten Megalithdenkmäler Deutschlands. Als Megalithen (von altgriechisch „megas“ = groß und lithos“ = Stein) bezeichnet man große, oft unbehauene Steinblöcke, die als Bausteine für Grab- und Kultanlagen benutzt wurden oder als Monolithe aufgerichtet und in Steinsetzungen positioniert wurden. Die west- und nordeuropäischen Megalithbauten wurden alle in der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit errichtet. Der Brauch, derartige Menhire (Bretonisch: men = Stein, hir = lang) aufzustellen, wurde aus dem heutigen Frankreich übernommen.   

Die Besonderheit des Wotansteins besteht darin, daß er aus ortsfremdem Quarzit besteht. Dieser ist erst wieder im Gebiet von Borken zu finden. Man vermutet, daß er im 3. Jahrtausend vor Christus hierher gebracht und auch aufgestellt wurde.

Eine frühe rituelle oder religiöse Nutzung ist aufgrund der auffälligen Häufung von ähnlichen Menhiren im Raum zwischen Fritzlar und Kassel sehr wahrscheinlich. Der Stein wurde dann später (ab dem 1. Jahrtausend) wohl von den Chatten in der Sakrallandschaft Mattium als Verehrungsort des Wodan (auch „Wotan“, Hauptgott in der nordisch-germanischen Mythologie) genutzt.

Der Stein wurde schon 1407 als „der lange steyn von Maden“ urkundlich erwähnt. Laut mündlicher Überlieferung soll der Stein im 7-jährigen Krieg (1756 - 1763) ausgegraben worden sein, weil man Schätze unter ihm vermutete. Man fand aber nur Überreste menschlicher Knochen und stellte fest, daß er genauso tief in der Erde steckt, wie er über der Erde steht.

Der Sage nach wollte der Teufel vom Lamsberg aus die erste christliche Kirche des Bonifatius in Fritzlar, die aus dem Holz der Donareiche errichtet worden war, mit dem Stein zerschmettern. Er sei jedoch am vorgehaltenen Schild des Erzengels Michael abgeprallt und an die Stelle, wo er heute steht, in die Erde gefahren. Die Eindrücke und Löcher am Stein deutete man als Hinterabdrücke des Teufels (Teufelskralle).

 

Felsberg:

Die Eiszeitliche Besiedelung der Region von Felsberg ist durch den 12.000 Jahre alten Fund des so genannten Menschschädels von Rhünda belegbar. Im 1. Jahrhundert war die Gegend Siedlungsgebiet des germanischen Stammes der Chatten. Die einzige Erwähnung des Gebietes aus dieser Zeit ist ein Bericht über einen Feldzug des Germanicus, der 15 nCh Mattium (möglicherweise das heutige Maden oder das heutige Metze), den Hauptort der Chatten, zerstörte.

Im 8. Jahrhundert war das Gebiet der Chatten Teil des Fränkischen Reiches. Zu dieser Zeit wirkte der christliche Missionar Bonifatius in der Gegend, der 723 bei Fritzlar, etwa 15 Kilometer westlich von Felsberg, die Donareiche fällte und damit die Christianisierung der norddeutschen Stämme einleitete.

Auf dem Gebiet der Stadt liegen die Ruinen dreier Burgen, der Felsburg, der Altenburg im Stadtteil Altenburg, und der Burg Heiligenberg oberhalb des Stadtteils Gensungen am gegenüberliegenden Ufer der Eder. Felsberg wird daher seit 1974 manchmal auch als „Drei-Bur­gen-Stadt“ bezeichnet, da sowohl Altenburg und Gensungen seit 1974 zur Stadt gehören. Die Burgen wurden wegen ihrer strategisch wichtigen Lage im Mittelalter, zwischen dem Erzbistum Mainz und der Landgrafschaft Thüringen bzw. Hessen, errichtet. Die Burg Heiligenberg gehörte dabei zu Mainz, während die Felsburg und die Altenburg zu Hessen gehörten. Sowohl die Felsburg als auch die zwei Kilometer entfernte Altenburg sind durch ihre markanten Türme (im Volksmund „Butterfaß“ genannt) gekennzeichnet. Die Salzstraße führte von der Werra, wo die Salzgewinnung stattfand, über Felsberg ins Rheinland.

Im Jahre 1090 wird Felsberg unter dem Namen „Velisberc“ in einer Mainzer Urkunde erwähnt, ebenso 1209 in einem Güterverzeichnis des Fritzlarer Petrusstifts. Die erste urkundliche Erwähnung Felsbergs als Stadt war 1286. Der historische Stadtkern war seit dem 13. Jahrhundert von einer Stadtmauer von 830 Meter Länge umgeben, die heute noch teilweise erhalten ist. Von 1455 bis 1488 wirkte der Alchimist Klaus von Urbach auf der Felsburg, um dort auf Geheiß des Landgrafen Gold herzustellen. Um 1510 war Euricius Cordus Rentschreiber in Felsberg.

Im Jahre 1526 wurde in Hessen durch Landgraf Philipp den Großmütigen, auf Beschluß der Synode zu Homberg an der Efze, die Reformation eingeführt und Felsberg wurde evangelisch. Der Dreißigjährige Krieg brachte mehrfach Zerstörung nach Felsberg. Im Zweiten Weltkrieg wurde Felsberg durch Bombardierung und durch die Zerstörung der Edertalsperre schwer beschädigt.

Die kleine Fachwerkaltstadt liegt unterhalb der Ruine der Felsburg. Die evangelische Stadtkirche mit dem niedrigen Langhaus und dem höheren Chor wurde Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut, ihr Westturm Mitte des 14. Jahrhunderts. Im Jahre 1640 erhielten Teile des Langhauses eine Flachdecke.

Die Burgruine „Felsburg“ thront auf einem schroffen Basaltfelsen über der Altstadt. Erhalten sind die Ringmauer mit Burgkapelle sowie der Bergfried. Der 1388 errichtete Turm wird im Volksmund auch als „Butterfaß“ bezeichnet; er kann über steile Holzstiegen „erklettert“ werden.

Im Stadtteil Gensungen ist die Burg Heiligenburg auf dem Heiligenberg (Ruine mit Aussichtsturm). Das Bienenkundemuseum des Bezirksimkervereins Felsberg ist im Torhaus des ehemaligen Klosters Kartause Eppenberg am Heiligenberg. Im Ortsteil ist auch Museum für Vor- und Frühgeschichte Im Stadtteil Altenburg ist die Burgruine Altenburg. Das Projekt Ars Natura wurde 2001 östlich von Felsberg gestartet und wird abschnittsweise zu einem geplant 700 Kilometer langen Kunstwanderweg ausgebaut.

 

Wabern:

Das hübsche Schloß Karlshof liegt an der Kreisstraße südlich der Eisenbahnlinie nach Bad Wildungen. Sein weitläufiger Park ist alljährlich Schauplatz eines besonderen Festivals, der Harlekinade. Gaukler, Comedians und Straßenkünstler begeistern hier ihr Publikum bei einem außergewöhnlichen Stelldichein.

 

Borken:

Über Grossenglis kommt man nach Borken(Hessen). Die Stadt war im 20. Jahrhundert bedeutender Bergbau- und Kraftwerksstandort. Heute präsentiert sie sich ihren Gästen als ein besonderes Urlaubs- und Ausflugsziel. Borken bietet vielfältige Freizeit- und Sportmöglichkeiten. Der Naturbadesee Stockelache (südwestlich von Kleinenglis) lädt am Sandstrand mit mediterranem Flair zum Schwimmen, Schnorcheln, Sonnenbaden und Wasserrutschen ein. Am Singliser See schaffen konstante Windverhältnisse ideale Bedingungen für Surfer. Das Naturschutzgebiet Borkener See läßt Raum für Naturbeobachtungen, Naherholung und Regeneration und bietet die Chance einer biologischen Zeitreise.

Das Hessische Braunkohle Bergbaumuseum präsentiert unter dem Leitmotiv „Industriekultur erleben - Landschaftswandel erfahren“ zahlreiche Originalexponate der Bergbau- und Kraftwerksära. Rasselnde Bagger, dröhnende Turbinen und Bergbaugeräte Untertage werden den Besuchern in Aktion vorgeführt. Für sechs- bis zwölfjährige Kinder gibt es besondere Spiel- und Experimentierbereiche. Der Themenpark „Kohle & Energie“ und der Besucherstollen ermöglichen „Ausflüge Über- und Untertage“ - mitten hinein in die Bergbau- und Energiegeschichte.

Die Weiterfahrt geht dann über Homberg an der Efze zur A 7 oder über Pfaffenhausen, Stolzenbach, Dillich zur B 254 und über Schwalmstadt nach Alsfeld zur A 4.

 

 

Haina und Umgebung

Mehlen:

Das über 1000 Jahre alte Straßendorf liegt inmitten der Ederaue, die zahlreichen Wasservögeln und anderen Tieren einen idealen Lebensraum bietet. Die Pflanzenvielfalt mit botanischen Seltenheiten kann bei einer Wanderung oder einer Radtour auf dem sehr gut ausgebauten Radwanderwegenetz erlebt werden. Der Ort verfügt über ein Autohaus, Gaststätte, Imbiß, Campingplatz und Ferienwohnungen. Im Neubaugebiet „Lieschensruh“ haben sich zahlreiche Familien nieder gelassen und profitieren von einem Panorama, das bis zum Affolderner See reicht (200-400 Meter, etwa 500 Einwohner).

 

Haina:

Das einstige Zisterzienserkloster Haina aus dem 12. Jahrhundert liegt in einem Tal am Rande des Kellerwalds. Hier wuchs der Goethe-Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein auf. Zwei kleine Museen beschäftigen sich mit der Vergangenheit des Klosters Haina.

Das 1188 gegründete Kloster ist eines der besterhaltenen mittelalterlichen Zisterzienserklöster in Deutschland. Im Jahre 1527 wurde es im Zuge der Reformation aufgelöst. Landgraf Philipp der Großmütige errichtete in seinen Mauern ein Hospital für die Armen und Kranken der hessischen Landbevölkerung.

In Haina war der Sitz des Obervorstehers aller vier von Landgraf Philipp eingerichteten Hospitäler. Einer dieser Obervorsteher, Friedrich von Stamford, richtete im späten 18. Jahrhundert einen klassizistischen Landschaftspark rund um das Kloster ein, der heute wieder begangen werden kann.

Die Hospital-Stiftung des Landgrafen Philipp besteht noch heute in Form der psychiatrischen Einrichtungen des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen sowie der Stiftungsforsten des Klosters Haina. Ein Psychiatrie-Museum in den Klosterräumen beleuchtet seine Geschichte. Von Westen kommt man gegen Eintritt in die Kirche hinein,

Zisterzienserkirchen sind stets ohne Turm und haben nur einen Dachreiter, in dem gerade noch eine kleine Glocke Platz hat. Die Hainaer Glocke hat Landgraf Konrad I. dem Kloster geschenkt, sie ist heute noch in Gebrauch. Kennzeichen der Kirche von Haina ist der Vierungsturm von 1889.

Das Eingangsportal ist im Vergleich zum Westgiebel nur klein. Hier befindet sich unter einem Baldachin eine Darstellung der Maria, der das Kloster gewidmet ist. Darüber befindet sich ein kleines gotisches Maßwerkfenster, das noch Glas aus der Entstehungszeit der Kirche hat. Das Dach war ursprünglich schmaler, das Mittelschiff hatte ein Satteldach, das wahrscheinlich bei einem Brand vernichtet wurde.

Das Innere: Die gotische Halle ist 70 Meter lang und hat eine Gewölbehöhe von über 20 Meter (die größte Kirche im Bereich von Kurhessen-Waldeck). Die Grundsteinlegung war 1214, die Westfront wurde Mitte des 14. Jahrhunderts fertig. Der Bau ist also aus dem Übergang von der Romanik zur Gotik. Er blieb weitgehend unverändert.

Die Grafen von Ziegenhain statteten das Kloster mit einem Landgut aus. Die ersten Mönche kamen aus dem Mutterkloster Altenberg bei Köln (?). Der Bereich des Klosters reichte bis in die Nähe Frankfurts (Hochstadt!). Haina war das reichste Kloster in Hessen und stand nicht unter der Oberhoheit der Reichsabteilen Hersfeld oder Fulda.

Eine Trennwand scheidet die Kirche in eine Mönchskirche und eine Konversenkirche. Die Zisterzienser hatten immer eine große Zahl von Laienbrüdern. Sie waren verantwortlich für die „Wirtschaft „(Ökonomie) des Klosters, sie wirkten auf vielen Höfen („Grangien“). Die Mönche bearbeiten einen großen Grundbesitz mit Hilfe der Konversen. Das Zusammenleben war aber nicht immer spannungsfrei; es kam sogar in zahlreichen Klöstern zu Aufständen der Konversen.

Landgraf Philipp von Hessen säkularisierte das Kloster 1533 in ein Landeshospital. Von den „Verbesserungspunkten“ des Landgrafen Moritz (1604) blieb Haina verschont. Nur die Baumeister Georg Gottlieb Ungewitter und Friedrich Langenahmen einige neugotische Eingriffe vor. Aber ansonsten macht das Kloster noch einen unveränderten Eindruck aus dem Mittelalter. Das Innere ist fast vollständig erhalten. Die Farbe der Gewölbe wurde 1938 freigelegt, aber auch die senkrechten Mauern tragen Malereien. Die Verzierung der Pfeilerkapitelle stammt aus dem Rheinland, das Maßwerk der Fenster weist nach Westfalen.

 

 

Die vier Teile des Bauplans (von Westen nach Osten):

1. Bis ungefähr zum zweiten Pfeilerpaar ist die Kirche im spätromanischen Stil erbaut, hier ist die Jahreszahl 1224 angebracht. Bei der Grundsteinlegung waren der Erzbischof von Mainz und der Landgraf von Thüringen anwesend. Links und rechts sind Kapellen mit viereckigem Chor, wie es Brauch bei den Zisterziensern ist, obwohl man zu dieser Zeit sonst schon runde Apsiden baute. Spätromanisch ist auch der frühere Kirchhofsausgang in der Nordmauer des Kirchenschiffs, ebenso das Portal zwischen dem ersten und zweiten Pfeiler der Langschiffmauern. Ein Gang ging vom Schlafsaal in die Kirche (siebenmal am Tag wurde gebetet!). Durch ein Fenster nahmen auch die Konversen an den Gebeten in der Kirche teil. Der Chor hat eine kostbare Einrichtung: Der Boden besteht bis auf wenige Ausnahmen aus den mittelalterlichen Lehmziegeln. Beachtenswert ist eine Chorbank für die Personen aus dem 13. Jahrhundert. An den Wangen befinden sich geschnitzte Figuren: Affe, Salamander, Löwe, Eule. Das Sakramentshäuschen an der Nordmauer ist vermutlich von Meister Tyle aus Frankenberg. Das lebensgroße Kruzifix hinter dem Hochaltar ist von einem unbekannten Meister des 16. Jahrhunderts. Im Chor und an der östlichen Querschiffmauer befinden sich gotische Grabsteine der Grafen von Ziegenhain. Ein Herr von Löwenstein ist im Relief dargestellt.

2. In dieser Zeit wurde die Elisabethkirche in Marburg gebaut. Ein Laienbruder aus Nordfrankreich mag den Plan für die beiden prächtigen Maßwerkfenster im Chor und in der Querschiffmauer gemacht haben (Maßwerk wie in Reims und Amiens). Haina ist ein spätes Zisterzienserkloster, die Formen sind nicht mehr so streng. Das zeigen besonders die vier Evangelisten-Figuren in den Querschiffen.

3. In der Gotik kamen die Hallenkirchen auf, bei denen die Seitenschiffe nicht mehr nur halb so hoch wie das Mittelschiff sind (Basilika), sondern gleich hoch wie das Mittelschiff..Auch in Haina ist diese Tendenz sichtbar: an beiden Seiten des östlichen Langschiffes sind die

Verstärkungsriegel nach oben gebogen, auch die Längsschiffpfeiler sind (scheinbar) verstärkt. Das Maßwerk der Fenster wird aufwendiger. Die Pfeilerkapitelle zeigen Pflanzenornament. inmitten des Bauwerks stellen zwei Schlußsteine Maria und das siegende Lamm dar, beliebte Motive des Bernhard von Clairveaux. Die Konversen hatten einen eigenen Zugang in der Südwestecke der Kirche.

4. Der letzte Teil der Kirche ist der Westgiebel, vom gleichen Künstler wie in der Liebfrauenkirche in Frankenberg, nämlich Meister Tyle. Die Fenster an der Nordmauer sind nicht mehr in zwei Vertiefungen entworfen, das Maßwerk hat eine andere Form und ähnelt dem Maßwerk in der Liebfrauenkirche in Frankenberg. Der Höhepunkt ist der Oberteil des Westfensters: Hier befindet sich eine Kreuzigungsgruppe, in der Mitte das Lamm und Löwe und Pelikan. Die beiden Figuren im Westfenster stammen aus dem 19. Jahrhundert. Sie zeigen die beiden Stifter: Graf Poppo von Ziegenhain und seine Frau Berta. Die Konversenkirche dient in den Sommermonaten der Gemeinde Haina als Gottesdienstraum. Die Orgel dort ist von der Firma Vogt in Frankfurt. Auch gibt es regelmäßig Sommerkonzerte in ihr.

 

Die Grabmäler an der Südseite der Konversenkirche: Das große steinerne Relief hat Landgraf Philipp der Großmütige 1542 die Philipp Soldan in Frankenberg in Auftrag gegeben. Der Stein weist auf die Änderung des Klosters in ein Landeshospital für körperlich und geistig eingeschränkte Menschen. Zur Erinnerung an diese Veränderung hat er den Gedenkstein machen lassen. Der Landgraf selbst steht links in Lebensgröße, rechts ist die Heilige Elisabeth abgebildet mit dem Witwenschleier, wie sie sich zu einem Kranken niederbeugt. Unten ist das hessische Wappen zu sehen. Eine Harpie (Vogel) klammert sich an eine Geldkassette, Symbol für den Reichtum der Klöster, den der Landgraf der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt hat.

Grabsteine früherer Direktoren: Rechts vom Philippstein ist der Grabstein für Heinz von Lüder (gestorben 1255), der erste Direktor des Landeshospitals, geschaffen von Philipp Soldan aus Frankenberg, dann folgen weitere Grabmäler von Direktoren.

 

Kreuzgang: Vom Kreuzgang her gesehen ist das Portal von der Klausur in die Kirche spätromanisch, es wird „Lamm-Gottes-Portal“ genannt. Die Kapitelle aber sind mehr gotisch. Der Kreuzgang in seiner heutigen Gestalt ist das Werk von Georg Gottlieb Ungewitter. Ursprünglich hatte er ein Flachdach, erst Ungewitter hat ihn eingewölbt. Wie das Benedikt vorgeschrieben hat, lehnen sich die Konventsgebäude an den Kreuzgang an (Bild 27).

Neben dem Lamm-Gottes-Portal befindet sich die Sakristei. Der Kapitelsaal schließt sich an mit nach dem Kreuzganggerichteten Maßwerkfenstern, vorwiegend aus dem 13. Jahrhundert stammend. Äbte und verdienstvolle Mönche haben hier ihre letzte Ruhestatt gefunden. Heute wird der Raum vom Krankenhaus genutzt.

Nach der Treppe zum Schlafsaal (mit Zugang zur Kirche) folgt die Parlatur, hier durfte gesprochen werden und hier wurden die Arbeitsanweisungen erteilt. Es folgt der Speisesaal (Refektorium), seit 1979 Winterkirche der evangelischen Gemeinde. Auf dem Altar befindet sich ein Bild von Johann Heinrich Tischbein „Christus auf dem Ölberg“, 1788 für die Gemeinde Haina gemalt. (der Großvater des Goethemalers wurde 1751 in Haina geboren und war Hospitalsbäcker). In der Mitte des Kreuzgangs kann man die Südseite der Kirche sehen. Gegenüber dem Refektorium befanden sich (wie in allen Zisterzienserklöstern) die Waschräume.

An der Westseite des Kreuzgangs befindet sich der Eingang zum Konversenbau aus dem 15. Jahrhudert

Von den zahlreichen früheren Gebäuden rund um die Kirche ist nicht mehr viel zu sehen.

Wenn man vom Parkplatz auf das Kloster zugeht, steht links das Amtshaus. Es war seit der Hospitalzeit der Sitz des Amtsvogts, dem die Hospitalsverwaltung oblag. Die Inschrift aus dem 16. Jahrhundert mit Hospitalspruch über den Türsturz erinnert daran. Im Rasen der Grünanlage des Amtsplatzes sieht man noch den Richtstein aus der Zeit, als das Hospital noch die Gerichtshoheit besaß.

Die Klausur ist rechts, der Konversenbau links: Die Konversen (Laienbrüder), ohne die zisterziensische Eigenwirtschaft undenkbar gewesen wäre, durften den Klausurbereich des Klosters nicht betreten. Sie besaßen hier ihren eigenen westlich des Kreuzgangs gelegenen Bau. In ihm befand sich auch ihr Refektorium (Speisesaal) und ihr Dormitorium (Schlafsaal). Der Konversenbau ist im Kern gotisch, seine Bausubstanz wurde aber bis ins 19. Jahrhundert verändert. Heute befinden sich hier u.a. die Krankenhausküche und das Kasino. An der Südseite des Klosters beim Konversenbau befindet sich die „Klosterspende“, wo arme Pilger kostenlos versorgt wurden, eine gotische Tür mit „welscher Haube“.

Gegenüber der Küche befindet sich ein Gelände aus der frühen Hospitalsperiode, heute Sozialzentrum. Gegenüber dem Haus des Abtes (früher durch einen Übergang mit der Klosterkirche verbunden) ist heute das Büro der Klinik. Am Südwestausgang des Klostergeländes steht eine spätgotische Scheune mit Stallgebäuden. Reste der Klostermauer begrenzen noch heute das Klinikgelände.

Wenn man dann nach hinten wieder hinausfährt, kommt man zum „Mitteltor“ in der Wilhelm-Tischbein-Straße: Ursprünglich war das die Einlaßpforte zum inneren Klosterbereich. Von Klosterfremden durfte dieser Bereich nicht überschiritten werden. Wahrscheinlich befand sich hier auch die von anderen Zisterzienserklöstern bekannte Frauenkapelle.

Links davon steht das Geburtshaus des Goethe-Malers Tischbein (geboren 1751). In diesem Haus gibt ein kleines Museum über die Malerfamilie Tischbein einen Überblick. In den unteren Räumen finden Wechselausstellungen das Interesse der Besucher.

 

Neuental-Gilsa (Richtung Schwalmstadt):

Den Mittelhof haben vier Leute (darunter ein Ehepaar) wieder aufgebaut und auch den hessischen Denkmalpreis dafür erhalten.

 

Bad Zwesten:

Der Ort macht einen sehr dörflichen Eindruck. Allein durch eine Kurklinik, die ihn überragt, wird er zum Bad. Der Kurpark liegt im Südwesten. Sehenswürdigkeiten sind die Burgruine Löwenstein mit Wehrturm, der Aussichtsturm Altenburg, die Sternwarte, die begehbare Sonnenuhr im Kurpark und der Art-Garten.

Wohlbefinden und Entspannung, Bewegung, Vitalität oder Kultur - der kleine Kurort Bad Zwesten hat viel zu bieten. Man verläßt die Enge der Stadt und bewegt sich frei in der unberührten Natur. Es stehen über 170 Kilometer Rundwanderwege zur Verfügung. Auch die Themenwanderwege, wie der Keltenweg, der Planetenwanderweg, der Landwirtschaftliche Lehrpfad und der ARS-NATURA-Rundwanderweg bieten sich dem geübten Wanderer und Spaziergänger an. Auch Fans des Nordic Walking kommen auf ihre Kosten und finden drei Strecken für jeden Anspruch.

Im Kurpark am Kurhaus kann man die Natur mit all ihren Sinnen wahrnehmen. Das Hallen-

Bewegungsbad im Kurhaus ist hervorragend geeignet für sportliche Betätigungen, dient aber auch der Entspannung zum Beispiel nach einer langen Wanderung oder einer Runde durch den Nordic-Walking-Park. Für alle, die sich sportlich betätigen wollen, gibt es viele weitere Angebote wie zum Beispiel Boccia, Freiluftschach, Reiten, Tennis, Minigolf, Kegeln oder Angeln. Weiterhin ergänzen fünf Radwanderwege das Angebot.

In Bad Zwesten bieten die Gastgeber familiengeführte Hotels und Pensionen sowie Ferienwohnungen und -häuser zur Auswahl an. Auch der Waldcampingplatz ist bei den Gästen sehr beliebt. Übrigens: Über 80 Prozent der Bad Zwestener Beherbergungsbetriebe haben sich klassifizieren lassen und können mit Sternen aufwarten. 22 Betriebe sind als „Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland" zertifiziert.

 

Jesberg:

Trutzig ragt die alte Burgruine oberhalb von Jesberg auf. Für Gäste stehen Campingplatz und beheiztes Freibad bereit. Mehrmals im Jahr gibt es auf dem Köhlerplatz Vorführungen am Kohlenmeiler. Wanderfreunde sollten unbedingt den herrlichen Blick vom 675 Meter hohen „Wüstegarten“ genießen. Der Kellerwaldturm auf dem 675 Meter hohen Wüstegarten im Hohen Keller steht ein Aussichtsturm von 28 Metern Höhe. Hier öffnet sich der Blick weit über die Region hinaus!

 

Lindenhof bei Hatzfeld (nördlich von Biedenkopf):

Kleinste Kirche Hessens mit 46 Plätzen, aus einer Fachwerkscheune in Eigeninitiative erbaut (auch die Kiriche in Neuenstein-Gittersdorf ist sehr klein).

 

 

Lohra - Altenvers                                                                                       

Im „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler in Hessen“ von Georg Dehio steht zur evangelischen Kirche in Altenvers (Kreis Marburg-Biedenkopf) folgendes: „Kleiner Saalbau mit flachgedeckter, hufeisenförmiger Apsis, im Kern romanisch, 1729 restauriert, Tiir und Fenster 1906 - Kanzel 17. Jahrhundert.“ Daß die Kirche „im Kern romanisch“ ist, war allerdings nur eine vage Einschätzung und erforderte naturgemäß mehr als die bislang vorhandenen lückenhaften Instandsetzungsdaten.

Um ausführliche Erkenntnisse zur Veränderungsgeschichte der Kirche vorlegen zu können, bedarf es jedoch aller einschlägigen Fachkräfte, sowie eines energischen Forschergeistes - wie etwa den der Hauptkonservatorin Anneliese Klappenbach, einst im Landesamt für Denkmalpflege Marburg, die in ihrem Ruhestand im Staatsarchiv Marburg differenzierte Daten ermittelte, die über Bauausgaben aller Art durch Jahrhunderte hindurch Auskunft geben. So gibt es Altenverser Kirchenkastenrechnungen (1568-1803), Aktenpakete aus dem Pfarrarchiv Lohra (1620-1730), Rechnungen des Gotteskastens zu Altenvers (1731-1834) und weiterführende Akten zu Ausgaben des Kirchenkastens bezüglich der Bauunterhaltung und stilistischer Neufassungen  des Innenraumes (1855-1905). Weiter wurden bauhistorische und restauratorische Untersuchungen unternommen: Die archäologischen Forschungen und die Kirchengrabungen wurden von der entsprechenden Abteilung des Landesamtes ausgeführt, wobei E. Hendler 1981den Grabungsbericht über den Plan und die Grabungsschnitte vorlegte.

Hilfreich bei der Erforschung der Baugeschichte ist oftmals die dendrochronologische Datierung (Jahresringdatierung der Hölzer) der in die Kirche eingestellten Holzkonstruktionen aus Stützen und Rähmbalken, die die Dachkonstruktion tragen - und natürlich die Dachkonstruktion selbst. Demnach wurden die Hölzer für das tragende Innengerüst der      Dorfkirche von Altenvers zwischen 1444 und 1456 gefällt. Allerdings ist es durchaus möglich, daß die Umfassungswände des Kirchenraums zu dieser Zeit bereits standen.  

Nach wie vor müssen wir uns allerdings fragen: Was ist mit dem romanischen Kern? Christa Meiborg, Archäologin im Landesamt, datierte einen Grabungsbefund in das 11. bis 13. Jahrhundert. Die häufig erwähnte Hufeisenform des Apsisgrundrisses der Kirche von Altenvers ist zwar in der Region zu dieser Zeit sonst nicht eindeutig nachzuweisen, aber im deutschsprachigen Raum sind derartige Apsiden durchaus zu finden, und der Vermutung, diese Architekturform sei womöglich über die Verkehrswege hierher gelangt, möchte man sich anschließen.

Denn das Dorf Altenvers lag im Umfeld alter, überregional bedeutender Verkehrswege, wie der in Nord-Süd-Richtung ziehenden Weinstraße und der Querverbindung durch den Rennweg bzw. die Hohe und spätere Köln-Leipziger-Straße. Allemal bemerkenswert ist der Hinweis auf Güterbesitz des Mainzer Stephanstiftes in Vers (um 1130), die eine vorzeitige Besiedlung des Raumes belegen und eine frühe Erbauung einer Kapelle in Altenvers als durchaus denkbar erscheinen lassen. Zwar  gibt es für diese Spekulation keine gesicherten Daten, doch sprechen einige kulturelle Kennzeichen und stilistische Merkmale für eine Bauzeit, die in die Romanik zurückreichen.

                                  

Anlaß für eine derartig gründliche vorbereitende Erkundung des Kirchenbauwerks war dessen höchst gefährdeter Status und der glücklich abgewendete Abriß, der zunächst eine Notsicherung und nach langen Kämpfen eine umfassende Restaurierung des Gebäudes forderte. Aber nicht nur die Baugeschichte war von Belang. Es galt, die Grundlage für eine denkmalpflegerisch angemessene, technologische und gestalterische Maßnahmenplanung zu erstellen, um zu verhindern, daß die für die Geschichte der Kirche und ihre unausbleiblichen Umformungen und Neugestaltungen wichtigen Spuren unerkannt verlorengehen oder verfälscht werden könnten. (K. Thiersch)

Da der Abbruch der Kirche 1968 schon genehmigt war und es den engagierten Bürgern und Vereinen nicht gelang, die politische Gemeinde von Lohra von der Übernahme des Baudenkmals zu überzeugen, kam die Rettung sozusagen in letzter Minute: durch einen zu diesem Zwecke 1978 gegründeten „Verein zur Geschichte und Volkskunde Lohra“. Die Mitglieder des Vereins hatten täglich den bedrohlich schlechten Zustand des Denkmals vor Augen: Der Dachreiter und die Nordseite des Daches waren schadhaft, einige Fenster zerstört und der Außenputz mürbe und zum Teil abgefallen. Sichernde und bewahrende Eingriffe waren also unumgänglich.

Nach der amtlichen Registrierung des Vereins konnte die Institution die Kirche übernehmen. Daraufhin begannen die Instandsetzungen im Zusammenspiel mit allen Kräften der Denkmalpflege unverzüglich: Der alte Putz wurde entfernt und auf den Neuverputz kam ein Anstrich im gebrochenen Weiß, entsprechend den angetroffenen Fassungsbefunden. Die Eckquader an den Gebäudeecken und die Einfassungen der Fenster wurden nach punktuell angetroffenen Befunden, die vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammen, englisch-rot abgesetzt. Der Turm und Teile des Daches wurden mit Naturschiefer neu eingedeckt, die Fenster neu verglast und deren Neuanstrich noch im Jahr 1979 in umbragrün ausgeführt.

Nun galt es,

für die Innenrenovierung die oben beschriebenen intensiven restauratorischen Voruntersuchungen vorzunehmen und mit der archäologischen Durchforschung innerhalb des Altarraumes zu beginnen. Die Instandsetzung des Gebäudes und die Renovierung seines Innenraumes hatten eine neue, vor allem profane Nutzung zum Ziel: Ausstellungen, Konzerte und Vorträge. Natürlich ist es aber zugleich wünschenswert, in der alten Kirche gelegentlich auch eine Taufe und Hochzeit zu erleben. Für diesen modernen Gebrauch des Gotteshauses wurde eine neue Glocke im Turm eingebaut und ein Orgelpositiv angeschafft. Die einfache Fensterverglasung wurde durch eine farbige Bleiverglasung ersetzt, so daß nun das Kirchlein ein echter Anziehungspunkt (auch für viele Touristen) werden konnte. Der Einsatz des „Vereins für Geschichte und Volkskunde Lohr“ ist kaum zu überschätzen. Am 31. August 1995 wurde dieses famose Engagement des Vereins mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet.

 

 

Christenberg bei Münchhausen:

Der Kellerwald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Hessen. Dort gibt es ein Hochmoor mit Wollgras und Kalla. Oberrosphe ist ein schönes Fachwerkdorf. In Mellnau steht eine Burg, die später von Raubrittern genutzt wurde, sehr zum Ärger der Mainzer und Frankenberger

Das Naturschutzgebiet Franzosenwiese war früher ein Bruch, der nicht mehr genutzt wurde. Die Hugenotten haben ihn aber wieder kultiviert und dadurch entstand der Name. Es gibt im Burgwald Bartflechten an den Bäumen, ein Zeichen für die gute Luft.

Die von 400 bis 200 vCh bestehende Keltensiedlung wurde später „castrum“ genannt, woraus „Christenberg“ entstand.

In der Nähe sind ein Berggasthaus und die von einer Mauer eingefaßte Bonifatiustrappe. Hier soll der Missionar aufgestampft haben, um die Macht seines Gottes zu demonstrieren. Es gibt aber auch die Lesart, hier habe der Teufel aufgestampft, als die Menschen Christen geworden waren. Am Fuß des Christenbergs ist der Spiegelteich.

In Münchhausen gibt es einen Teich, in dem Kohlendioxyd aufsprudelt, das erst aus dem Wasser entfernt werden muß, ehe es für die Forellenteiche genutzt werden kann.

Näheres siehe: Führungsheft zu der frühkeltischen Burg, Archäologische Denkmäler in Hessen 7.

 

Wetter bei Marburg

In der Stiftskirche der Gemeinde Wetter bei Marburg gibt es das älteste hessische und das besterhaltene deutsche Altarbild seiner Zeit. Bis heute sind viele Aspekte des um 1250 geschaffenen Retabels noch kaum erforscht.

Seine Rettung vor den Bilderstürmern zur Zeit der Reformation verdankt das wertvolle Kunstwerk im Grunde Frauenköpfen. Während laut eines Dekrets des Landgrafen Philipp von 1545 „alle Götzenbilder aus der Stiftskirche entfernt werden“ sollten, versteckten die Wetteraner ihr Retabel, indem sie es als Rückenwand in dem nur für Frauen zugänglichen Teil der Kirche einbauten.

Gottesdienstbesucherinnen lehnten sich an das Passionsbild aus dem 13. Jahrhundert, Haar und Hutnadeln schrappten an der kostbaren Tafelmalerei, wovon bis heute erhebliche Schadstellen zeugen. Temperaturschwankungen und Lufttrockenheit sorgten zudem für Fugen und Risse im Eichenholz.

Trotzdem halt die Denkmalpflege das Werk für das besterhaltene seiner Zeit in Deutschland. Pfarrer Frank Hofmann geht davon aus, daß es das erste Bildwerk Deutschlands war, das auf einem Altar plaziert wurde. Seit es im vergangenen Jahr von einer umfassenden Restaurierung, bei der die Beschädigungen bewußt nicht Übermalt wurden, in die Stiftskirche zurückkehrte, lockt es Besucher aus der ganzen Republik an.

Unter sieben plastisch gearbeiteten Rundbögen zeigt es die Stationen der Leiden Christi mit starken byzantinischen Anklängen. Vom Judaskuß über Geißelung und Kreuzigung bis zur Grablegung führen die in kräftigen Farben gehaltenen Szenen, wobei die Kreuztragung der dramaturgische Mittelpunkt ist. Der bis heute nicht eindeutig identifizierte Stifter namens „Folpertus“ ließ sich im letzten Bild kniend verewigen. Der Schöpfer des Bildes bleibt ungenannt.

Viele Fragen sind noch nicht beantwortet. Es fehlt eine klare kunstgeschichtliche Einordnung. Warum die Kreuzigungsszene nicht im Mittelpunkt steht und die Auferstehungsszene fehlt, ist ebenfalls unklar. Die Leiterin des Dezernats Restaurierung beim Landesamt für Denkmalpflege, Uta Reinhold, faßt zusammen: Eine seiner Bedeutung und Qualität angemessene Würdigung ist bis zum heutigen Tage noch nicht erfolgt.

Das Retabel ist übrigens nicht die einzige kunstgeschichtliche Kostbarkeit der Stiftskirche von Wetter, die für einen Ort von 4.500 Einwohnern ungewöhnlich groß ist. Die dreischiffige Hallenkirche wurde nach der Überlieferung von den schottischen Königstöchtern Almudis und Digmudis gegründet, die auch das Kanonissenstift Wetter ins Leben riefen.

Zwischen 1240 und 1270 wurde die Kirche mit Blick über das Wetschafttal errichtet, die in der Tradition der Marburger Elisabethkirche steht. 1506 wurde ein für seine Höhe und Schlankheit berühmter Turm hinzugefügt, der einst sogar der höchste Kirchturm Hessens war. Er mußte jedoch mehrfach aus Sicherheitsgründen verkürzt werden.

Die beeindruckende evangelische Kirche auf dem Klosterberg ist indes auch Zeuge vergangenen Glanzes. Schließlich hatte das an der großen Nord-Süd-Verbindung zwischen der Mainzer Region und Niedersachsen gelegene Wetter in der Vergangenheit eine ungleich größere Bedeutung. Das änderte sich 1649, als durch unglückliche Umstände fast die gesamte historische Bausubstanz niederbrannte, ein Schlag, von dem sich die Stadt nie ganz erholte. Nur die Kirche und drei prächtige Fachwerkhäuser auf dem Marktplatz blieben stehen. Und seit sie - von 1983 bis 2001 - umfassend renoviert und restauriert wurde, läßt sich sogar der historische Kalkmörtelputz wieder bewundern.

Pfarrer Sven Kepper ist begeistert von dem phantastischen Gesamteindruck, den das leuchtend rote Gewölbe mit dem Sternenhimmel vermittelt: „Man spürt eine gewisse Behaglichkeit, wie ein zweites Zuhause.“ Die Chorfenster wurden von Hans Gottfried von Stockhausen geschaffen. Der Taufstein in der Form eines romanischen Abendmahlskelches ruht auf acht Säulen mit Löwenköpfen. Die Glockenstube birgt fünf Glocken, deren Fünfte eine der ältesten Hessens ist. Sie wurde um 1200 gegossen.

Bemerkenswert ist auch die 1766 von Johann A. Heinemann erbaute Barockorgel, die über einen umfangreichen Stimmenbestand aus der Ursprungszeit sowie Gehäuse mit rekonstruiertem Rokokoprospekt verfügt. Organisten aus ganz Deutschland werden durch die Orgel angelockt - die einzige mit zwei Manualen, die von 20 Heinemann-Orgeln erhalten blieb. Die Stiftskirche von Wette ist von April bis September jeden Mittwoch von 15 bis 17 Uhr geöffnet.

 

 

Langenstein (nordöstlich von Kirchhain):

Der Ort hat seinen Namen von dem „Langen Stein”, einem Menhir bei der Kirche in der Straße „Am langen Stein“. Er war der größte Menhir Hessens. Ursprünglich war er 1,5 Meter höher, nämlich mit über fünf Meter Höhe. Er wurde durch Blitzschlag verkürzt. Früher stand er frei an der Kirchhofsmauer. Heute ist er in eine Zaun-Mauer-Komposition einbezogen. Im Standort der Kirche neben dem Menhir wird eine Tradierung von heidnischer zu christlicher religiöser Stätte gesehen.

 

 

Amöneburger Becken

Wenn man auf der Stadtautobahn in Marburg von Süden kommt, fährt man rechts ab in Richtung Kirchhain und Richtsberg. An der Klinik „Sonnenblick“ steht eine „Heilige Eiche“. Man muß erst ein Stück Richtung Klink fahren und dann nach links weiter auf der geteerten Straße.
Etwas hinter dem Eingang der Klinik geht rechts ei Weg in den Wald, von dem nach links noch ein kleiner Stichweg abgeht, wo die Eiche stehen soll. Es gibt noch weitere Eichen dort.

 

Von der Eiche ist es nicht weit, bis rechts die Straße nach Schröck abbiegt. An einer kleinen Häusergruppe zeigt rechts ein Wegweiser zum Elisabethenbrunnen. Der Brunnen wurde 1596 durch Eberhard Baldewein im Auftrag von Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg neu gefaßt, einen guten Hintergrund für seine Feste zu schaffen. Zu diesem Zweck ließ er die alte Quelle (heute noch etwa 60 Meter weiter südlich) etwas nach Norden verlegen. Das Wasser wird in einer mit Ton ausgestrichenen Mulde hinter der Rückwand gesammelt und durch ein Bronzerohr nach vorne geleitet. Das Quellwasser ist sehr erfrischend und galt früher als Heilwasser.

Der Landgraf ließ dann die Quelle mit einer Sandsteinfassade im Renaissancestil schmücken. Zudem wurde im Schatten der Bäume ein Platz angelegt. Das Erdgeschoß der Brunnenanlage wird von dorischen, das Obergeschoß von ionischen Säulen getragen. Im Giebel der Mauerfläche ist das Wappen des Landgrafen, umgeben von den Wappen seiner Ehefrauen Hedwig von Württemberg und Maria von Mansfeld, zu sehen. Über dem Ober- und Untergeschoß sind die Wappen seiner adligen und bürgerlichen Räte zu sehen.

In der linken oberen Schrifttafel werden die Natur und der Brunnen gepriesen, in der rechten die heilige Elisabeth und die Landgrafen. Die untere Schrifttafel wendet sich an den Besucher, der sich hier laben darf, aber die Stelle nicht entweihen soll. Die Texte an dem Brunnen sind auf einer Hinweistafel erläutert.

Als der „fürnehmste, berühmteste und älteste Brunnen des Hessenlandes” wird der Elisabethbrunnen unweit von Marburg bereits 1697 von dem hessischen Chronisten Johann Justus Winckelmann beschrieben. Auf dem Platz vor der zweigeschossigen Säulenfassade, hinter dem die Quelle sprudelt, sollen sich Professoren und Studenten so oft „ergötzt” und „erlustigt” haben, daß Winckelmann zu dem Schluß kommt: „So diesen Brunnen nicht gesehen, zu Marburg nicht studieret hätte.”

Der Legende nach soll die heilige Elisabeth, die von 1227 bis 1231 in Marburg lebte, hier mit dem Wasser der Quelle Kranke geheilt und ihre Wäsche gewaschen haben und ihren Durst gelöscht haben und eine Kapelle gebaut haben. Das war vermutlich der Grund, warum der Landgraf seiner Anlage diesen Namen gab. Vermutlich war die Quelle bereits in der Vorzeit ein Kultplatz. Die Brunnenarchitektur gilt als Denkmal des Landgrafenhauses, auf dessen Abkunft von der bedeutenden Heiligen hier bewußt verwiesen wird.

 

Oberhalb der Quelle stand im Mittelalter eine Wallfahrtskapelle. Der Zugang geht an einer Treppe rechts vom Elisabethenbrunnen hoch (verwittertes Schild).Bis 1527 soll hier der letzte Klausner und Bruder, „das arme Henche von Martoril”, gelebt haben. Dann wurde die Kapelle abgebrochen. Nachdem die Wallfahrtskapelle mit ihren beiden Altären zunehmend verfallen war, wurde sie 1925 von Waldarbeitern wiederentdeckt und vom Marburger Geschichtsverein freigelegt. Heute steht hier die Rotes - Kreuz -Kapelle, zu der die Bewohner des nahegelegenen Dorfes Schröck am Fest der Kreuzauffindung gern wallfahrten.

 

Vom Elisabethbrunnen aus kommt man dann in das Amöneburger Becken ein landschaftlich reizvolles Gebiet mit der leicht welligen Ohm-Ebene und dem steil aufragenden Basaltkegel der Amöneburg. Ein spannungsreiches Nebeneinander der beiden großen christlichen Konfessionen prägt die Kulturlandschaft dieses kleinen Gebietes. Hier, weit abseits des Kerngebietes des Kurfürstentums Mainz, liegen 13 (oder 17) katholische Orte, die einst zum Kurmainzischen Oberamt Amöneburg gehörten.

Inmitten des protestantischen Umlandes behaupten sich diese Orte als katholische Exklave durch deutlich sichtbare Zeichen. Schon von weitem verkünden barocke Kirchtürme in stattlichen Ausmaßen die Zugehörigkeit zu Mainz. Die Erzbischöfe schickten damals Handwerker und Künstler aus den katholischen Traditionsgebieten wie Tirol und Mainz nach Oberhessen, um hier die katholischen Kirchen den Ansprüchen des höfischen Barock entsprechend zu gestalten.

Der katholische Kirchenbau der Gegenreformation läßt Saalkirchen entstehen, die sich durch einen eingezogenen polygonalen Chor, der den sakralen Charakter betont von den evangelischen Kirchenbauten abhebt. Pilaster gliedern rhythmisierend Schiff und Chor, wie als typisches Beispiel die zwischen 1720 und 1726 errichtete katholische Pfarrkirche in Schröck zeigt.

Neben einer hochwertigen Innenausstattung der Kirchen wurde großer Wert auf elegante Barockhauben als weithin sichtbare Zeichen der katholischen Zugehörigkeit gelegt. Sie entstanden vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurden entweder alten Wehrtürmen aufgesetzt oder als Dachreiter ausgeführt. Gut sichtbar markieren so die Kirchen von Amöneburg, Anzefahr, Emsdorf, Ginseldorf, Mardorf, Niederklein, Roßdorf, Rüdigheim, Schröck und Stadtallendorf kurmainzisches Territorium. Diese Tradition bewußt aufnehmend wurde die erst 1913 errichtete Kirche von Sindersfeld ebenfalls mit einem barockisierenden Turm versehen.

Auch unzählige Kleindenkmäler prägen diese Kulturlandschaft entscheidend. Seit dem 17. Jahrhundert bis heute wurden sie in gewisser Regelmäßigkeit gestiftet. Heiligenhäuschen, Freifiguren, kleine Kapellen, Wegekreuze und Bildstöcke säumen Straßen und Wege, markieren Ortseingänge oder bilden auf freiem Feld einen markanten Blickpunkt.

Weithin wird ihr Standort durch hohe Bäume angezeigt, die paarweise oder in Gruppen das Denkmal rahmen. Die Mehrzahl der Darstellungen zeigt den gekreuzigten Christus. Sie führen eindringlich die Erlösung der Menschheit durch den Opfertod Christi vor Augen und bezeugen die Religiosität sowie tiefe Dankbarkeit der Menschen. Zumeist von Privatpersonen gestiftet, bekunden die religiösen Kleindenkmäler offen und selbstbewußt deren konfessionelle Zugehörigkeit.

Auffallend häufig sprechen sie den Betrachter durch eine Inschrift an. Diese ist in der Regel in Deutsch, gelegentlich in Latein abgefaßt und bezieht sich auf das Dargestellte. Vereinzelt gibt sie den Stifternamen preis. Die unmittelbaren Stiftungsgründe sind vielfältig und heute oftmals nicht mehr bekannt, doch haben sie alle eines gemeinsam. Ob beim Verlassen des Dorfes oder bei der Arbeit auf dem Feld, stets fordern sie den Vorbeigehenden zum Innehalten und zu kurzer Andacht auf. Einige Bildstöcke und Wegekreuze bilden noch heute zu kirchlichen Festtagen das Ziel einer feierlichen Prozession.

Ein Außenstehender hätte auch schwerlich die geheimnisvollen Rituale verstanden, mit denen etwa in Mardorf und Erfurtshausen am Fuße des Amöneberges südlich von Amöneburg junge Leute die Wahl ihres Herzens trafen. Am Ostermontag „ledderten“ (fensterlten) die Burschen zum Schlafgemach der Umworbenen. Erwiderte sie das Ansinnen, schenkte sie ihm bemalte Eier. Waren es mehrere Bewerber, konnte das Mädchen anhand gestaffelter Eier-Zuwendungen zeigen, wen es an seiner Seite wünschte. Im besten Falle durften es zwölf Eier sein. Waren sie auch noch in ein selbstgesticktes „Herzschnupptuch“ eingeschlagen, konnte der Freier schon mal an das Aufgebot denken. Obwohl die Zahl der Eier bereits vielsagend war, ließen es die Sprüche und Verzierungen darauf an pädagogischer Eindeutigkeit und Symbolik nicht fehlen.

Das veredelte Hühnerprodukt war jedoch vor allem das traditionelle, mindestens seit dem 18. Jahrhundert nachweisbare Ostergeschenk der Paten, der Eltern an die Kinder, der Alten an die Jungen. Immer in Reimform wurden so überlieferte Volksweisheiten, Erbauliches und Ermahnungen zu christlichem Lebenswandel vermittelt. Eine Kostprobe: „Sei artig und bescheiden / Tu immer Deine Pflicht / Dann mag Dich jeder leiden / Und Gott vergißt dich nicht.“

Erstaunlicherweise hat sich die Tradition des Eierbeschreibens. ihre den Mustern und Borden der (bis heute getragenen) Trachten entlehnten Verzierungen in Mardorf und Erfurtshausen erhalten. Gleiches gilt für die in Hessen einmalige Bienenwachs-Technik. Selbst eine geübte Hand benötigt ein bis zwei Stunden, ehe das Ei mit Wachs bemalt und beschrieben, in erwärmte Farbe gelegt und das zerlaufende Wachs entfernt ist. Erst jetzt erscheinen Muster und Sprüche „negativ“ weiß auf dem immer einfarbig gehaltenen Fruchtbarkeits- und Auferstehungssymbol. Wie bei den Trachten herrschen die Farben Blau, Grün, Rot, Braun und Schwarz vor.

Die kleinen Eierkunstwerke sind inzwischen weltweit begehrte Sammelobjekte. Und die Künstlerinnen werden mit Einladungen zur Demonstration ihrer Fertigkeiten nachgerade bestürmt – selbst nach Japan und Amerika ging schon die Reise. Einmal im Jahr aber kommen die Frauen von Mardorf und Erfurtshausen zu Hause zusammen und veranstalten mit befreundeten Künstlern aus dem In- und Ausland einen eigenen Ostermarkt in Mardorf. Ob gekratzt, marmoriert oder appliziert, mit Binsen. Perlen oder Batik verziert, alle Eier sind käuflich. Gewinne kommen der Volkstanzgruppe Erfurtshausen zugute.

 

Schröck hat die zwischen 1720 und 1726 errichtete katholische Pfarrkirche und Fachwerkhäusern drumherum (nach rechts gegenüber der Abzweigung nach Kirchhain von der Durchgangsstraße abbiegen). Die Saalkirche hat einen eingezogenen polygonalen Chor, der den sakralen Charakter betont von den evangelischen Kirchenbauten abhebt. Pilaster gliedern rhythmisierend Schiff und Chor.

Mehrere Bildstöcke stehen im Ort, zum Beispiel links am Ortsausgang und ein Stück weiter auf der rechten Seite bei einigen Bäumen. Auch auf der linken Seite der Straße etwas weiter nach Roßdorf stand ein Naturdenkmal, eine Eiche, die aber umgebrochen ist und neben der schon eine neue wächst.

Vor Roßdorf geht es nach links in Richtung Amöneburg. Nach einem Kilometer zeigt rechts ein Wegweiser zu dem unteren Teil der Stadt. Man hat einen schönen Blick auf den Berg, biegt aber nach links in Richtung Oberstadt ab. Man muß nicht die Parkplätze ansteuern, sondern findet auch in der Stadt zeitlich begrenzte Parkplätze. Aber der hier vorgestellte Rundgang nimmt seinen Ausgangspunkt in der Kirchhainer Straße.

Zufahrt von Gießen nach Amöneburg: B3 Richtung Marburg, aber schon nach 16 Kilometer abfahren: Abfahrt Fronhausen / Ebsdorfergrund, auf der L3048 vorbei an Ebsdorfergrund, vorbei an Rauischholzhausen (Außenstelle Uni Gießen), dann noch ca. 7 km, vorbei an Schweinsberg und Roßdorf nach Amöneburg. Bis dahin ist die Fahrtrichtung immer Kirchhain. Wir fahren auf der alten Handelsstraße „ „durch die langen Hessen“. Wer unterhalb Amöneburgs das Hinweisschild „Amöneburg Bahnhof“ sieht, sollte diese Zufahrt wählen. Man kommt dann sehr bald (rechter Hand) zum „Brücker Wirtshaus“, zur „Brücker Mühle“ und der historischen Ohmbrücke. Von dort geht's direkt hinauf zum „Brücker Tor“ von Amöneburg.

 

Wie das berühmte Felsenkloster Mont Saint-Michel vor der bretonischen Küste erhebt sich das Städtchen Amöneburg, markiert von der Silhouette der Stiftskirche. Die Burg liegt 363 Meter ü. NN. und damit 168 Meter über der am Berg vorbeifließenden Ohm. Ein Steinbruch mit Basaltsäulen nördlich des Ortes läßt die Entstehung aus vulkanischem Basalt erkennen (auch an der Straße „Am Brücker Tor“). Einst war der 365 Meter hohe Basaltkegels ein Kultberg und Flucht- und Verteidigungsort gegen Feinde, die den Basaltkegel immer berannten.

Gäbe es keine Bäume an den Flanken, stünden noch alle mittelalterlichen Türme und Tore, wie es Wenzel Hollar 1630 auf einer Zeichnung festgehalten hat, ähnelte Amöneburg der biblischen „Stadt auf dem Berge“, zu der alle Mühseligen und Beladenen im irdischen Jammertal die Verheißung erwartend aufschauten. Von dem früher breit verästelten Flüßchen Ohm stammt der Name Amöneburg - Amanaburch - Ohmeneburg. Die Stadt ist heute „Staatlich anerkannter Erholungsort”.

Die heutige Form des Namens Amöneburg dürfte von (lat.) amoenus = reizend gelegen, lieblich abgeleitet worden sein. Dieser Name ist allerdings noch sehr jung. Während des Mittelalters hieß die Stadt Amanaburg, Amenaburg oder auch Ameneburg. Die unten am Berg vorbeifließende Ohm hieß zu dieser Zeit meist Amana oder Amena. Eine noch ältere Form ist Amanaha. Das Wort „aman“ bedeutet (kelt.) Fluß, „aha“ ist (kelt.) Wasser. „Amanaha“ wäre demnach „fließendes Wasser“.

Überall erblickt man historischen Boden. im Brücker Wald östlich des Ortes, wurden steinzeitliche Geräte und Scherben, Schmuckstücke und eine Urne aus der Bronzezeit ausgegraben. Etwa 70 Hügelgräber finden sich dort. Auch von Kelten und Römern gibt es Hinterlassenschaften sowie aus der Zeit der fränkisch-sächsischen Kriegszüge, von denen das Skelett eines Kriegers als Museumsstück dient.

Die Geschichtsschreibung auf der Amöneburg setzt 721 ein und mit ihr im großen Stil die Christianisierung des Landes, das jetzt Hessen heißt. Der heilige Bonifatius erklomm den Berg, gründete zuerst darauf eine Zelle, später ein kleines Kloster und nahm Massentaufen vor. Sankt Bonifatius, der als Benediktiner die Anhöhen liebte, gründete hier oben ein Kloster, ließ eine Kirche bauen und richtete eine Schule ein. Amöneburg war die erste Klostergründung des Bonifatius. Sie erfolgte im Jahre 721 oder 722. Die heutige Kirche „St. Johannes der Täufer“ wie auch die Stiftsschule sind Nachfolgebauten. Die Originale gingen im Mittelalter während der vielen Katastrophen (Kriege, Feuersbrünste) verloren.

Amöneburg gehörte ursprünglich zum Bistum Büraburg. Dieses Bistum wurde 765 mit dem Bistum Mainz vereinigt. Heute gehört Amöneburg zum Bistum Fulda. Über Bonifatius und Amöneburg wird berichtet: Im Sommer 719 zog der Apostel der Deutschen nach Thüringen, um sich zunächst im Missionsgebiet umzusehen.

Im Herbst desselben Jahres zog er durch den Hessen- und Oberlahngau an den Rhein nach Mainz, lernte also schon jetzt unsere Gegend kennen. Er beabsichtigte, Karl Martells Einwilligung für seine Missionstätigkeit einzuholen, vollendete aber die Reise nicht, sondern ging auf die Kunde von dem Tode Radbods den Rhein herab nach Friesland und unterstützte dort einige Jahre lang den Erzbischof Willibrord.

Im Jahre 721 erschien Bonifatius wieder in Hessen. Er brach sofort auf und gelangte an einen Ort, der Amanaburch genannt wird, dessen Vorsteher zwei Zwillingsbrüder, nämlich Dettic und Deorulf, waren [Vom Marktplatz zweigen ab: der Detticweg und parallel dazu die Deorulfgasse. Aber auch der Chronist Amöneburgs wurde nicht vergessen: die Verbindung zwischen Brücker Tor und Lindauer Tor heißt Dr.-Max-Ehrenpfordt-Straße]. Bonifatius bekehrte die Brüder von ihrem verruchten Götzendienst, den sie unter dem Namen von einer Art Christentum in schändlicher Weise mißbrauchten, und befreite eine sehr große Menge Volkes durch seine Predigt von ihrem heidnischen Aberglauben. Darauf sammelte er eine Schar von Mönchen und baute eine Klosterzelle.

So etwa sagt Willibald in seiner Biographie des Bonifatius. Die Einwohner waren aber schon vorher arianische Christen, deren Glaube hier als schändlicher Aberglaube“ bezeichnet wird. Lange bevor Bonifatius kam, war das Christentum in Germanien bekannt. So war es vom Mittelrhein her in das rechtsrheinische Vorland bis zum Spessart und in die Wetterau (Büraburg, Amöneburg), in den Kraichgau und das Neckarland (Amorbach) vorgedrungen. Dieses Christentum war eine Ausprägung des Arianismus und damit eine Konkurrenz zum römisch-katholischen Christentum. Außerdem dürfte bei den frühen Christen der germanische Götterglaube ihrer Vorfahren noch etwas in den Köpfen gespukt haben.

Die Überlieferung berichtet, daß Bonifatius jene ersten Christen, die er in Hessen bekehrte, in der Wäschbach getauft habe, dem Bache, der am Nordfuß der Amöneburg an der Lindaukapelle vorbeifließt. Es steht demnach geschichtlich fest, daß Bonifatius hier in Amöneburg die beiden ersten hessischen Christen bekehrt hat. Sie sind in obigem Text „Vorsteher“ des Ortes genannt und waren Zwillingsbrüder. Der Ort war der Mittelpunkt des Oberlahngaues und als königliche Pfalz und vor allem wegen seiner günstigen Lage sicherlich schon damals eine starke Feste zum Schutze des von den Sachsen oft gefährdeten Grenzlandes.

Bonifatius erhielt nun von den beiden Brüdern einen Teil des Ortes oder auch den ganzen Ort zum Geschenk und erwarb damit Grundeigentum. Die beiden Brüder Dettic und Deorulf können wir am ungezwungensten als die ursprünglichen Eigentümer von Amöneburg und Gaugrafen des Oberlahngaues ansehen.

Der Chronist schreibt dann weiter: „Das von Bonifatius im Jahre 721 gestiftete und 732 erweiterte Kloster zu Amöneburg blühte noch im Jahre 1062, denn Othlo, der zu jener Zeit lebte und schrieb, berichtet vom Kloster. Das Kloster ist aber wohl nur wenig dotiert gewesen, seine Bedeutung war demzufolge gering, und seine Schule trat gegenüber denen von Fritzlar und Fulda weit in den Hintergrund. Wir finden dasselbe infolgedessen nirgends erwähnt, und schon unter dem Erzbischof Adalbert I. von Mainz (1111 - 1137) war es eingegangen.

Es erscheint plausibel, daß St. Bonifatius „in der Wäschbach“ getauft haben soll. Innerhalb der Stadtmauern Amöneburgs gab es keine Quellen mit nennenswertem Auswurf, was zeitweilig durchaus sehr problematisch war. Bei den häufigen, oft auch längeren Belagerungen und bei Bränden, gab es überwiegend nur Wasser aus Kavernen. Gleichwohl - in manchen Kellern in Amöneburg gibt es Felsquellen. Es „tröpfelt“ aufsteigendes Quellwasser aus den Spalten des anstehenden Basalts heraus.

Die Ohm unten am Berg kommt aus dem Vogelsberg und hat, wenn sie Amöneburg erreicht, schon einen längeren Lauf hinter sich und war somit auch damals kaum zuverlässig sauber. „Die Wäschbach“ - heute sagt man meist „die Waschbach“ - die am Fuße Amöneburgs entspringt, war besonders geeignet. Hier konnte mit sauberem Quellwasser getauft werden. Auch heute noch könnte man hier Trinkwasser holen.

Wenn man an der Quellfassung steht wundert man sich, wo das Wasser denn nun verbleibt. Leider ist die Wäschbach fast von der Quellfassung an bis an der Lindaukapelle vorbei verrohrt. Erst dann tritt sie wieder zutage, fließt an ein paar Wiesen vorbei, speist einen Fischteich, und schon mündet sie in die Ohm.

Die verrohrte Ableitung des Baches ist wohl bedingt durch den Platzbedarf wegen der Prozessionen zur Lindaukapelle. Auch diese Kapelle, Maria Magdalena geweiht, wurde im 30jährigen Krieg zerstört und wurde 1868 im Stil der Zeit wiedererrichtet.

 

Ohne diesen unter fränkischem Schutz stehenden Vorposten des Christentums hätte es der angelsächsische Mönch kaum wagen können, zwei Jahre später in symbolträchtiger Tat die Axt an die Donareiche bei Fritzlar zu legen. Seitdem fühlen sich die Amöneburger ein Stück näher am Himmel. Sie bekennen sich immer noch zum Glauben dieses „Apostel der Deutschen”.

Sankt Bonifatius, der als Benediktiner die Anhöhen liebte, gründete hier oben ein Kloster, ließ eine Kirche bauen und richtete eine Schule ein. Amöneburg war die erste Klostergründung des Bonifatius. Sie erfolgte im Jahre 721 oder 722. Die heutige Kirche „St. Johannes der Täufer“ wie auch die Stiftsschule sind Nachfolgebauten. Die Originale gingen im Mittelalter während der vielen Katastrophen (Kriege, Feuersbrünste) verloren.

Amöneburg gehörte ursprünglich zum Bistum Büraburg. Dieses Bistum wurde 765 mit dem Bistum Mainz vereinigt. Heute gehört Amöneburg zum Bistum Fulda. Über Bonifatius und Amöneburg wird berichtet: Im Sommer 719 zog der Apostel der Deutschen nach Thüringen, um sich zunächst im Missionsgebiet umzusehen.

 

Nicht zwingend, aber doch folgerichtig avancierte Amöneburg spätestens seit Anfang des 12. Jahrhunderts zur wichtigsten Außenstelle des Erzbistums Mainz gegen die aufstrebenden Landgrafen von Hessen. An vielen Gebäuden der 1300-Seelen-Gemeinde deutet das alte Mainzer Rad noch auf die frühere Herrschaft hin. Um 1120 machte das Erzbistum Mainz sich das Kloster untertan und baute aus einer zerstörten Burg ein Bollwerk gegen die hessischen Landgrafen. Dickwandige Mauerreste, ein Turm, ebenerdige Räume und Keller sind davon noch geblieben.

Zwei in den Grundzügen gut restaurierte Burgen machten das Felsplateau bis zur Vervollkommnung der Artillerie uneinnehmbar. Also hielten sich die Landgrafen in der Umgebung schadlos. Zur Mitte des 15. Jahrhunderts besaß Mainz in Mittel- und Nordhessen nur noch Fritzlar, Naumburg, Neustadt und Amöneburg mit 13 Dörfern, die es über die Reformation und die Wirren des Dreißigjährigen Krieges behaupten konnte.

Die Schweden hatten im 30jährigen Krieg diese Burg berannt, bis ihre Bewohner ihnen in der Hoffnung auf Schonung die Stadttore öffneten. Das half ihnen wenig. Sie wurden von ihrem Berg vertrieben, die Festung geschleift. Das endgültige Zerstörungswerk vollbrachte 1762 der Siebenjährige Krieg.

Bis 1803 war Mainz der Landesherr. Enklavenartig haben sich bis heute inmitten eines protestantischen Umfelds der katholische Glaube und mit ihm einige kulturelle Besonderheiten gehalten. Noch bis in die sechziger Jahre wirkte die Religionszugehörigkeit so stark, daß Heiraten zwischen Katholiken und Protestanten undenkbar waren.

 

Die Stadtanlage stammt noch weitgehend aus der frühen Mainzer Zeit. Der Rundgang beginnt an der Straße, die von Kirchhain kommt. Links steht die Burg Hof von 1593, der Mainzer Hof mit Scheune und Herrenhaus am Lindauer Tor. Mit dem Burghof am Lindauer Tor und der Wenigenburg sind zwei Burgmannenhöfe erhalten. In der Max-Ehrenpfordt-Straße steht links die ehemalige Propstei. Die Propstei wurde benannt nach Johann von Seelheim, Propst und Geheimer Rat zu Mainz, geboren um 1360 in Amöneburg, gestorben am 12. Juni 1434. Danach gelangte die Propstei in den Besitz des Johannesstiftes, schließlich an die Schenken zu Schweinsberg, die Rau von Holzhausen und 1482 an den Deutschen Ritterorden in Marburg. Im Jahre 1646 wurde sie bis auf die Außenmauern zerstört und 1666 wieder aufgebaut. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war sie Forsthof, ab 1802 hessische Renterei, danach in Privathand.

Durch die Schulgasse geht man nach oben zum Marktplatz. Rechts steht das Rathaus, ein Beispiel solider Handwerksarbeit aus dem 17. Jahrhundert. Wenn man eine prächtige Eichentreppe hoch geht, wird im Vorzimmer des Bürgermeisters an Werktagen der Schlüssel zum Museum ausgehändigt (Telefon 06422/3022), falls dieses nicht wie sonntags von April bis Oktober von 14 bis 17 Uhr geöffnet ist. Im Museum ist per Diorama und Aufmarschplänen die Schlacht an der Brücker Mühle nachgezeichnet.

Neben dem Rathaus ist das Heimatmuseum. Dort ist auch das „Naturschutz-Informationszentrum Amöneburg“(NIZA) untergebracht. Es gibt weitere Erläuterungen und hält Informationsbroschüren bereit.

Einige hübsche Fachwerkhäuser umstehen den fast viereckigen Markt. An einem Haus an der Westseite steht: „Fachwerkerhäuser voller Stolz, sind gebaut aus hartem Holz. Doch diese Pracht nicht ewig hält, es kost auch sehr viel Zeit und Geld“.

Oberhalb des Marktplatzes bis zur Kirche befindet sich die Stiftsschule „St. Johann“, ein Gymnasium mit altsprachlichem und neusprachlichem Zweig. Es ist die älteste Schule des oberhessischen Raums. Im 8. Jahrhundert erfolgte die Gründung einer Klosterschule durch Bonifatius. Ab 1350 war sie die geistliche Schule des Stifts „St. Johannes der Täufer“. Seit dem 167. Jahrhundert wurde sie als bürgerlich-städtische Schule als Knabenschule weitergeführt. Im Jahre 1895 wurde sie als bischöfliche Lateinschule neu begründet. Im Jahre 1939 wurde sie aufgelöst und 1946 als Progymnasium wieder eingerichtet. Danach erfolgte der planmäßige Aufbau zum Schulzentrum des Umlandes mit Internat. Seit 1960 ist sie Gymnasium. Träger der Stiftsschule ist das Bistum Fulda. An die Mainzer Zeit erinnert ein Wappenstein, welcher in die Mauer der Stiftsschule eingebaut wurde.

Am höchsten Punkt des Ortes steht links die neogotische Pfarrkirche. Die Kirche ist eine neugotische Basilika. An ihrer Nordseite steht der gedrungene Kirchturm aus dem 14. Jahrhundert mit barocker Haube. Vor der Kirche steht (hinter dem WC) die Pestsäule. Rechts von der Kirche finden sich die Reste der größeren der beiden Mainzer Burgruinen. Die Burg („Schloß“) war ehemals Verwaltungssitz des Mainzer Oberamtes Amöneburg. Bereits im 7. Jahrhundert war sie fränkischer Stützpunkt. Anfang des 12. Jahrhunderts wurde sie baulich erweitert und als Burg befestigt. Sie war Operationsbasis der Mainzer Erzbischöfe gegen die hessischen Landgrafen. Im 30jährigen Krieg zerstört wurde sie 1675 wieder als schlichter Zweckbau errichtet. Seit 1820 wurde sie zunehmend Ruine. Der Keller auf der rechten Seite ist museal gestaltet. Wenn man näher tritt, beginnt ein Tonband zu laufen über die Geschichte der Burg.

Wenn man den Weg zwischen Burgruine und Kirche weiter geht zeigt ein Wegweiser nach rechts auf den Mauerrundweg. Die alte Stadtmauer ist noch fast völlig erhalten und kann rundum erwandert werden. Die Stadtmauer schließt eine Fläche von rund 12 Hektar ein und steht in Verbindung mit der Burg. Große Teile des Bergmassivs wurden bereit im 5. Jahrhundert vor Christus durch Wälle und Gräben befestigt. Bis etwa um Christi Geburt gab es eine keltische Stadtbefestigung („oppidum“). Im 7. Jahrhundert wurde sie zur fränkischen Festung mit Mauern ausgebaut. Die fast kreisrunde Ringmauer der mittelalterlichen Stadtmauer mit dem davor liegenden Graben entstand im 12. Jahrhundert mit Toren und Türmen. Später wurde sie mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Heute ist sie größtenteils restauriert.

 

Nach rechts kommt man zuerst zum Schwedenturm. Dann geht man weiter um die Stadt herum zum Lindauer Tor jenseits der Straße nach Kirchhain. Es folgt der Hainturm und gleich in der Nähe die kleine evangelische Kirche. Über die Straße „Brücker Tor“ geht es zum gleichnamigen Tor und dann wieder hinauf zu einer Stelle, wo der Weg zur Wenigenburg nach unten abzweigt.

Man muß sich aber überlegen, ob man den halben Berg hinabsteigt, um einige Mauerreste zu sehen. Am Kinderspielplatz und Sportplatz vorbeikommt man zu einem etwas niedrigeren Plateau an der Seite des Berges. Hier stand die im 14. Jahrhundert demolierten Wenigenburg (oder Winneburg). Ihr Torhaus, ein Turmrest und Gewölbe sind längst wieder freigelegt. Auch um diese Bauwerke tobten hessisch-mainzische Kämpfe.

Der Weg zur Burg ist teilweise identisch mit dem Naturlehrpfad rund um die Stadt. Auf dem wärmespeichernden Untergrund vulkanischen Ursprungs haben sich viele bedrohte Tiere und Pflanzen angesiedelt, es herrscht ein fast mediterranes Klima. Schon seit 1927 steht der inzwischen auf 31 Hektar vergrößerte grüne Ring unter der besonderen Obhut des ältesten hessischen Naturschutzgebietes. Es gibt auch eine Bonifatiusquelle mit gut trinkbarem Wasser. Das 3,1 Hektar große Natur-Schutzgebiet „Amöneburg“ ist das älteste Naturschutzgebiet in Hessen (1977). Die Schutzwürdigkeit des Gebietes hängt vor allem mit seinem vulkanischen Ursprung zusammen. Markant ist hier der fächerförmig ausstrahlende Säulenbasalt, Außer den geologischen sind viele botanische und zoologische Besonderheiten schutzwürdig, die sich aus dem Nebeneinander der verschiedenartigen Standorte ergeben.

Auf alle Fälle geht man wieder bis zur Burg und dann am Friedhof durch die Kolpingstraße zum Ausgangspunkt in der Kirchhainer Straße. Durch die Max-Ehrenpfort-Straße und die Straße „Am Brücker Tor“ fährt man hinter in Richtung Brücker Mühle, dem Rest des wüst gefallenen Ortes Bruck. Hier an der historischen Brücke trafen die alten Handelswege „Durch die langen Hessen“ (Frankfurt-Leipzig?) und die Köln-Leipziger Handelsstraße zusammen.

Zuerst trifft man auf das „Brücker Wirtshaus“ mit dem Obelisken, zum Gedenken an den Friedensschluß im Hof des „Brücker Wirtshaus“, neben der Mühle. Wenn man etwas weiter nach links fährt, kommt man zur „Brücker Mühle“.

An der Brücker Mühle wurde am 21. September 1762 eine Schlacht geschlagen wurde. Dieses „unentschieden“ verlaufene Treffen zwischen Franzosen und Alliierten mit hessischer Beteiligung war der letzte militärische Zusammenstoß auf dem westlichen Schauplatz des Siebenjährigen Krieges. Im Gebälk des Mühlengasthauses sollen noch die damals angefeuerten Kugeln stecken. „Ritterlich“ wie die Kombattanten damals nun einmal waren, luden die Franzosen nach Abschluß des Versailler Präliminarfriedens ihre Gegner in die bewirtschaftete Mühle zum Versöhnungstrunk ein. Erst schauten die Offiziere tief ins Glas, dann griffen sie tief in die Taschen, damit der Wirt seine von 60 Kugeln durchlöcherte Mühle wieder instand setzen konnte. Die Sammlung fiel so reichlich aus, daß die Gelder auch für eine obeliskartige „Friedens­säule“ zur Erinnerung an das Gefecht an der Brücker Mühle ausreichte. Das Denkmal steht noch, und die Mühle wird wie ehedem genutzt: Vorne gastronomisch (mit Hofladen) und nebenan ihrer eigentlichen Zweckbestimmung gemäß als Mühle, von einem der letzten Müller Hessens.

Die rund 82 Meter lange Brücke wurde 1722 erbaut. Ihre sieben Bogen haben eine (von unterstrom gesehen) eine lichte Weite von 6,50 bis 7,15 Meter. Die ersten beiden Bogen dienen als Hochwasserabfluß, durch die nächsten beiden Bogen fließt der Mühlgraben. Der fünfte Bogen und der fünfte, der breiteste Pfeiler sind auf einer schmalen Landzunge errichtet. Die beiden letzten Bogen überqueren die Ohm. Alle Pfeiler haben ober- und unterstrom Vorköpfe, oberstrom dreieckig zugespitzt, unterstrom halbrund. Entsprechend ihrem Grundriß sind die Vorköpfe unterstrom mit einer kegelförmig abgeschrägten Abdeckung versehen.

Der Vorkopf des fünften Pfeilers erstreckt sich nicht über die gesamte Breite des Pfeilers, sondern ist maßlich an die anderen Vorköpfe angepaßt und schließt unmittelbar an den fünften Bogen an, auf der Oberstromseite dementsprechend an den dritten Bogen. Zwischen den 40 Zentimeter dicken Brüstungswänden ist die Brücke 3,50 bis 3,80 Meter breit. Ein etwa 20 Zentimeter hohes Vierkantstahlgeländer ist auf die Brüstungen aufgesetzt. Oberstrom auf der Landzunge steht das Brücker Wirtshaus (Mühlengebäude). Gleichfalls auf der Oberstromseite befindet sich im Bereich des linken Widerlagers ein steinerner Turm, der als Umspannstation für die Elektrizitätsversorgung dient. Der erste Bauabschnitt der Brücke umfaßte 1718 zunächst fünf Bogen. 1722 folgten zwei weitere Bogen, vermutlich die über den Mühlengraben.

Das Brücker Wirtshaus, ein Fachwerkhaus aus dem Jahre 1752, wurde 1762 im Siebenjährigen Krieg beschädigt und im selben Jahr wieder aufgebaut. Im Jahre 1963 wurde das Brüstungsmauerwerk beschädigt. Die Schäden, die sich auch auf das Bogenmauerwerk ausdehnten, wurden 1963/64 behoben.

Besitzer der Mühle ist seit drei Generationen die Familie Kleinschmidt. Sie betreibt einen Bioladen mit selbstgemahlenen Getreideprodukten, aber auch mit Käse anderer Produzenten aus der Region. Von Amöneburg aus kann man noch einen Abstecher nach Langenstein östlich von Kirchhain machen.

 

Die Rückfahrt kann über die Brücke Schweinsberg gehen. Schon am er­sten Wegweiser (etwas spät zu erkennen) fährt man nach rechts in die Stadt zum Marktplatz. Die Stadt wird überragt vom Schloß und der dahinter liegenden Kirche. In der Stadt gibt es viele schöne Fachwerkhäuser. Wenn man auf der Straße Weidenhausen nach Osten fährt, liegt links das Gartenhaus von 1886 mit großem, ummauertem Garten. Weiter geht es in Richtung Autobahn. Zwischen Nieder-Ofleiden und Ober-Ofleiden fährt man durch das Hartsteinwerk hindurch. Dann ist man auch schon in Homberg an der Ohm, auch eine sehenswerte Stadt mit der Altstadt auf der Höhe. Bis zur Autobahn ist es allerdings noch ein ganzes Stück.

 

Oder man fährt über Ebsdorfer Grund. Links liegt Rauischholzhausen. Am Ende des Dorfes steht das Schloß in der „von Stumm Straße“, heute ein Institut der Universität Gießen. Es ist umgeben von einem großen Park. Das Schloßcafe ist nur sonntags ab 13 Uhr geöffnet. In Wittelsberg steht auf dem Kirchenberg neben der Kirche eine alte Warte. Man kann dann noch Fronhausen besuchen.

 

 

Marburg

Schloß

Archäologie: Im Vorfeld der Arbeiten im Westflügel (früher „Frauenbau“) begannen ab August 1989 punktuelle archäologische Ausgrabungen mit der Untersuchung des Fußbodens im Unteren Westsaal. Von außen deutlich zu sehen, hat der Westflügel sein erstes, nutzbares Geschoß in etwa acht Meter Höhe über dem Vorgelände. Das eigentliche Gebäude ruht so auf einem mächtigen Mauersockel ohne Öffnungen nach außen.

Bei Umbauarbeiten Ende des 19. Jahrhunderts wurde angeblich innerhalb dieses Sockelbereiches der Fels angetroffen, den man fortan als „Gisonenfelsen“ bezeichnete. Die Gisonen waren ein frühes hessisches Grafengeschlecht, denen die erste Bebauung des Schloßberges zugeschrieben wurde. Im Verlaufe weniger Wochen legten die Ausgräber zwar zahlreiche Mauern und Kulturschichten frei, der erwartete Fels aber konnte nicht angetroffen werden. Mehrere Kernbohrungen erbrachten das sichere Ergebnis, daß bis in acht Meter Tiefe unter dem Fußbodenniveau des Saales alte Mauern gründeten und darunter der anstehende Sandstein kaum höher als an anderen Stellen des Schloßplateaus anstand.

Aus der Fülle der dokumentierten Befunde werden hier nur die für die Frühzeit der Burganlage aufschlußreichsten Grabungsergebnisse vorgestellt. Als ältestes freigelegtes Bauwerk kam ein langrechteckiges, verputztes Gebäude zutage, welches möglicherweise schon aus dem ausgehenden 9. oder dem 10. Jahrhundert stammt und das an seiner Westseite bis zu vier Meter hoch erhalten geblieben ist. Bei archäologischen Untersuchungen früherer Jahre im nördlichen Schloßbereich fanden sich bereits Fundamentreste, die auf eine solch frühe Besiedlung des Schloßplateaus hinwiesen.

Dieses verputzte Gebäude war wahrscheinlich im Laufe des 11./ 12. Jahrhunderts durch einen quadratischen Turm überbaut worden, dem eine insgesamt noch 30 Meter lange erhaltene, mehreckige Ringmauer vorgesetzt worden war. In dem Zwischenraum war damals eine mindestens 8 Meter hohe Verfüllung aus kalkgetränktem rotem Sand eingebracht worden. So kam es, daß man diese feste sandige Masse für den anstehenden Sandstein, den „Gisonenfelsen“ hielt.

Im 12. Jahrhundert erhielt die Ringmauer noch eine Erweiterung nach Westen, die ebenfalls in Ansätzen freigelegt wurde. Auch aus den späteren Jahrhunderten der Baugeschichte konnten neben zahlreichen Mauerzügen die Oberreste einer Warmluftheizanlage, ein vollständig erhaltener Abortschacht und mehrere Gewölbe freigelegt werden.

Durch die bisher durchgeführten archäologischen Untersuchungen im Gesamtbereich des Marburger Schlosses gelang es, die Entwicklung der Anlage von einer kleinen Höhenburg zu einem repräsentativen Schloß in großen Zügen nachzuvollziehen und in Teilbereichen zu rekonstruieren.

Die mächtigen Mauerzüge unter dem Unteren Westsaal wurden im Anschluß an die Grabung neu verfugt und stabilisiert. In dem wiederhergestellten Saal werden heute zum einen die Ergebnisse und Funde der Ausgrabungen präsentiert, zum anderen ist es aber auch möglich, durch Glasöffnungen - wie durch ein Fenster ins Mittelalter - die Bauten des 9./10. bis 15. Jahrhunderts aus acht Metern Höhe zu betrachten.

Am Beispiel des Sanierungsprojektes „Marburger Schloß“ wird deutlich, daß eine solche Maßnahme in einem historisch bedeutsamen Gebäudekomplex unbedingt von archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen begleitet werden muß, um die im Boden ruhenden Geschichtsquellen vor ihrer Zerstörung zu erschließen und zu nutzen. Daß dies im vorliegenden Fall so vorbildlich gelang, ist der guten Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Institutionen und insbesondere dem Marburger Staatsbauamt zu verdanken.

 

Modellsaal:

Sieben Gipsmodelle zeigen die Baugeschichte des hessischen Landgrafenschlosses:

11. Jahrhundert ein fränkischer Wachtturm, nach den Besitzern „Gisonenburg“ genannt.

Anfang des 13. Jahrhundert: ein kleines Fürstenschloß im romanischen Stil. Es gehörte der heiligen Elisabeth (1207-31), Landgräfin von Thüringen, als Witwensitz, die es aber nie bewohnte, sondern in einer Hütte lebte in der Gegend der heutigen Elisabethkirche.

Ende des 13. Jahrhunderts: Nach dem Tode der hl. Elisabeth wurde das Schloß von ihrer Tochter, Sophie von Brabant, und deren Sohn, Heinrich dem Kind, ausgebaut im frühgotischen Stil. Damals entstanden die Kapelle und der Rittersaal, Symbole des Anspruches Hessens auf Eigenstaatlichkeit.

Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts weitere Umbauten im spätgotischen Stil.   Neubau: der Wilhelmsbau an der Ostseite.

Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts: Anbauten und Neubauten im Renaissance-Stil: das Vorhaus an der Südfront (jetzt Wohnung des Hausmeisters) und der Marstall an der Westseite (jetzt Studentenheim).

Im 17. und 18. Jahrhundert: Erweiterung der Befestigungsanlagen rings um das Schloß, die im 19. Jahrhundert zum größten Teil wieder beseitigt wurden.

Die Modelle, eine Stiftung des Universitätsbundes, sind von dem Restaurator Ried, Marburg, auf Grund von Zeichnungen und unter ständiger Kontrolle des im Jahre 1949 verstorbenen Marburger Arztes und Heimatforschers Prof. Dr. Karl Justi angefertigt worden („Das Marburger Schloß“, Marburg, Elwert 1942). Die ausgestellten Gegenstände sind Beispiele religiöser Symbolik auf deutschem Boden. Sie erinnern an Hauptperioden in der Frömmigkeitsgeschichte unserer Heimat und gehören in den noch auszubauenden Deutschlandsaal der Religionskundlichen Sammlung der Universität.

 

Kapelle:

Erbaut in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im frühgotischen Stil (vgl. Modell 3 im Modellsaal), gleichzeitig mit dem Rittersaal und der Elisabethkirche und von den gleichen Baumeistern und Handwerkern. Die ursprünglichen bunten Glasfenster sind nicht mehr vorhanden. Von den ersten Wandgemälden (Ende des 13. Jahrhundert) ist das des heiligen Christopherus erhalten. Die Gemälde in den Seitennischen stammen aus dem 16. Jahrhundert (erkennbar der Evangelist Johannes, der hl. Sebastian, Madonna als Himmelskönigin, St. Anna Selbdritt). Die Ziegel des Fußbodens bilden ein Teppichmuster und waren ursprünglich in bunten Farben glasiert. Der Altar (griechisch-orthodoxer Hausaltar) und die Pietà (Holzplastik eines modernen katholischen Künstlers, Professor Guntermann, Münster), sowie die sonstigen Einrichtungsgegenstände sind Eigentum der Religionskundlichen Sammlung der Universität.

 

Rittersaal:

Aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, im frühgotischen Stil. Der Raum besteht aus zehn Quadraten, über denen sich je zwei Bogen erheben, die sich in der Mitte in einem Schlußstein schneiden. Die Wände waren nicht bemalt, sondern wurden mit Teppichen und Fellen behängt. Schilde mit den Wappen der hessischen Geschlechter, der deutschen Kurfürsten und des Deutschordens. Kamin im Renaissance-Stil aus dem 16. Jahrhundert, desgleichen die beiden Türen, von Handwerkern aus dem Marburger Land geschnitzt.

 

Landgrafenzimmer:

Das Arbeitszimmer des Landgrafen Philipps des Großmütigen von Hessen (1504-67), der aus der Reformationsgeschichte bekannt ist. Im Jahre 1527 gründete er in Marburg die erste protestantische Universität. Im Jahre 1529 fand in diesem Raum das Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli statt. Die beiden evangelischen Parteien einigten sich über 14 Punkte ihres Glaubens, nicht aber über den 15., die Abendmahlslehre. Das Originalprotokoll über dieses Gespräch ist im Staatsarchiv in Marburg aufbewahrt. Eine Photokopie davon hier im Glaskasten.

 

Kasematten:

An seinen gewitzten Kriegsherren kann es jedenfalls nicht gelegen haben, daß das Marburger Schloß die größte noch erhaltene Festungsanlage in Hessen zu bieten hat. Von Verteidigung - dieser Eindruck drängt sich bei den Führungen durch die Kasematten auf - verstanden die Marburger nämlich wenig. Doch die einst viel größeren Festungen in Kassel, Frankfurt, Gießen und Hanau wurden entweder gründlich geschleift oder zerbombt.

Seit 17 Jahren wird rund um das Marburger Schloß gegraben, saniert und restauriert. Mit einem Aufwand von rund vier Millionen Mark haben hier überwiegend ABM-Kräfte dafür gesorgt, daß beispielsweise die Kasematten heute wieder begehbar sind. Zur Zeit wird noch ein unterirdischer Gang rund um den Hexenturm freigelegt. Die Entdeckung der Hainweg- Kasematte ist indes den Schloßgärtnern zu verdanken. Sie machten die Stadt auf ein außerordentlich praktisches Loch aufmerksam, in das sie schon seit Jahren ihre Gartenabfälle schütteten, ohne daß die Kapazität des Hohlraums je erschöpft zu sein schien.

Beginn der Besichtigungstour ist am sogenannten Hexenturm. Das dreigeschossige Gebäude war 1478 mit Blick auf das nördliche Lahntal als Geschützturm errichtet worden. Doch der damals weiß angestrichene Bau nützte wenig. Auch die Feinde sahen die Gefahr von weitem - darum wurde das Häuschen schon 50 Jahre später zum Gefängnisturm umgebaut.

Wie in einem Viehstall wurden die Missetäter in dem runden Bau mit 14 Meter Durchmesser, wo es keine Toilette gab, gefangengehalten. Im Jahre 1577 gelang es drei Insassen in monatelanger Arbeit, sich ein Loch durch die vier Meter dicke Wand zu kratzen. Schlechter erging es den der Hexerei bezichtigten Frauen, die in diesem Turm gefoltert wurden. Viele überlebten die Torturen nicht, andere wurden zum Tode verurteilt.

Die Marburger Kasematten sind indes weit weniger beeindruckend als beispielsweise das unterirdische Verteidigungssystem von Dillenburg. Napoleon ließ sie größtenteils um 1807 sprengen oder zuschütten. Vier Kasematten sind heute wieder zu besichtigen.

Errichtet wurden sie - ebenso wie die Gräben, Ravelins und Zugbrücken - nach den Plänen des Architekten Wilhelm Dilich, der Burg und Stadt bereits 1620 zu einer sternförmigen Festung ausbauen wollte. Neben dem Schloß und der gesamten Altstadt sollte auch Weidenhausen hinter dem unregelmäßigen Zehneck von Bastionen verschwinden. Im Dreißigjährigen Krieg wurde ein kleiner Teil davon verwirklicht, wovon beispielweise der älteste unterirdische Geschützkeller am Südgraben zeugt.

Erst rund hundert Jahre später wurden die dann veralteten Dilich-Pläne wieder aus der Schublade geholt. Für nach heutigem Geldwert 100 Millionen Mark wurde der Schloßpark mit Gräben, Mauern, Schanzen und Kasematten versehen, so daß die Festung Marburg schließlich eine Länge von 700 Metern hatte.

Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) zeigte sich jedoch, daß die ganze großartige Befestigungsanlage nichts taugte. Sechsmal wechselte das Schloß den Besitzer, die Stadt sogar fünfzehnmal. Abwechselnd zogen die französischen und die alliierten Truppen (Preußen, Engländer, Hannoveraner, Hessen) in die Burg ein.

Die geographische Lage der Stadt war nämlich beim Bau der Festung nicht berücksichtigt worden. Von den höhergelegenen Hügeln rings um das Schloß nahmen die Belagerer die Festung mit Kugeln und Granaten unter schweren Beschuß. Doch diese großen Schäden waren noch nicht einmal der Hauptgrund, warum die jeweiligen Besitzer recht bald die weiße Fahne hißten. Das größte Problem war die schwierige Wasserversorgung, die schon in Friedenszeiten dazu geführt hatte, daß sich der Landgraf lieber in Kassel aufhielt. Doch bei Belagerungen saßen die Verteidiger fast ganz auf dem Trockenen.

Zwar gab es einen 114 Meter tiefen Brunnen, eine Gefälleleitung und eine eiserne Druckleitung, doch die beiden Fernwasserrohre wurden von den Angreifern schnell gekappt; der Tiefbrunnen spendete wenig Wasser. Zudem riß die sehr lange Kette mit dem Wassereimer häufig, so daß die jeweiligen Schloßherren frühzeitig aufgaben.

Für die armen Tagelöhner, die den Dienst in den Kasematten versahen, hatte dies jedoch einen Vorteil. Die Männer, die mit dem todbringenden Schießpulver umgehen mußten, konnten die Gewölbe früher wieder verlassen. Wer länger in den Kasematten arbeitete, holte sich durch die Schwefeldämpfe schwere Lungenerkrankungen oder ihm platzten die Trommelfelle. Die von hier abgegebenen Schüsse waren ungeheuer laut. Heute ahmen die Führer den ohrenbetäubenden Knall in seiner harmlosen Variante in Form von platzenden Butterbrot-Tüten nach.

Öffentliche Führungen durch die Festungsanlagen finden von Anfang April bis Ende Oktober jeden Samstag um 15.15 Uhr statt. Telefonnummer 06421/201296.

 

Pfarrkirche:

In der Pfarrkirche gibt es neben einem Fenster ein Fresko, das die „Heilige Kümmernis“ zeigt, dargestellt mit einem Bart. Das geht zurück auf eine Prinzessin, die ihr heidnischer Vater einem Freier zugesagt hatte, den sie aber nicht haben wollte. Sie bat Gott um Hilfe, und der ließ ihr einen Bart wachsen, so daß der Freier sie verschmähte. Der Vater aber ließ sie kreuzigen. Nur ein Geiger spendete ihr Trost (und ist deshalb immer auf den Bilder mit dargestellt). Den Kult dieser Heiligen hat die katholische Kirche aber eingedämmt, weil eine Heilige für bedrängte Frauen nicht gewollt war.

Eine entsprechende Darstellung gab es auch in der alten Kapelle auf der Burg Kronberg, seitlich vom Altar, aber das Bild wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Eine weitere Darstellung gibt es in Kärnten.

 

 

Universitätskirche:

Auf einem Felsen hoch über der Lahn, die zur Stadt führende Weidenhäuser Brücke beherrschend, errichtete in den Jahren 1291 bis 1300 der Predigerorden der Dominikaner sein Kloster und seine Kirche. Das Gelände war dem Orden von Landgraf Heinrich I. von Hessen, einem Enkel der heiligen Elisabeth, geschenkt worden. Die Mönche erwählten Johannes den Täufer zum Namenspatron ihrer Klosterkirche, war doch der Wegbereiter des Herrn und Rufer in der Wüste das Vorbild des Predigerordens.

Als 1526 die Reformation in Marburg eingeführt wurde, verließen die Dominikaner das Kloster. Die leergewordenen Klostergebäude bezog die 1527 von Landgraf Philipp von Hessen gegründete erste rein protestantische Universität der Welt. Die mittelalterlichen Klostergebäude wichen 1873 der heutigen neugotischen Universitätsbauten neben der Kirche. Lediglich die Klosterkirche mit ihrem charakteristisch emporstrebenden Chor blieb in ihrer mittelalterlichen Schönheit erhalten.

Die Kirche ist nie vollendet worden. An den hochragenden Chor sollte sich eine dreischiffige, weite Halle anschließen, aber es wurde nur das Provisorium eines gedrungenen zweigeteilten Kirchenschiffes daraus, das mit einer flachen Holzdecke abgeschlossen wurde. Nach der Universitätsgründung hatte man für die Kirche keine Verwendung mehr. Sie verfiel und wurde schließlich als Kornspeicher zweckentfremdet, weshalb heute noch der kleine Parkplatz neben dem Chor der Kirche „Kornmarkt“ heißt.

Erst im Jahre 1653 führte Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel das Gebäude als evangelische Universitätskirche dem christlichen Gottesdienst zu. Aus jener Zeit stammen die Barockkanze1 und das Gewände des Taufbeckens. Auch der A1tar dürfte damals aufgestellt worden sein. Er besteht aus einer schweren Sandsteinplatte, die auf vier reich verzierten Eichenfüßen ruht

Die heutige Farbgebung und Raumgestaltung der Kirche entstand durch eine große Innenrenovierung anläßlich der Vierhundertjahrfeier der Philippsuniversität im Jahre 1927. Seitdem ist die Kirche im Inneren nur noch aufgefrischt, nicht aber verändert worden. Die flache Holzdecke wurde aus dem Kirchenschiff entfernt und durch eine gewölbte Kassettendecke in den Farben rot und grau ersetzt. Im selben Farbton sind auch die Emporen gehalten. Den Säulen des Seitenschiffes und den Bänken hat man bewußt einen dunklen Grauton gegeben. Dunkel und gedrungen soll das Kirchenschiff mit seinen verhältnismäßig kleinen Fenstern wirken. Im Dunkel der Welt, in grauen Alltag lebt und sammelt sich die christliche Gemeinde. Aber ihr ist Licht und Leben verheißen. Die Hauptlichtquelle der Kirche ist darum der hohe Chor mit seinen langgezogenen dreiteiligen Fenstern. Die Lichtwirkung wird noch in der weißen Farbe der Wände verstärkt, die lediglich durch das Grau und Gold der Gewölberippen und Fensterlaibungen aufgelockert und gegliedert werden.

Lichtverstärkend wirkt auch das Silber der Pfeifen des eigenwilligen, turmartigen Orgelprospektes, das an die geöffneten Schwingen eines Engels und an die Harfen der himmlischen Musik erinnert. Das Instrument zählt mit seinen 46 Registern und über 3000 Pfeifen zu den größten und schönsten Orgeln des Marburger Raumes.

Der hohe Chor versinnbildlicht das himmlische Jerusalem, den Ort der Erlösung, des ewigen Lobpreises vor Christus, dessen Haupt im Gewö1bsch1ußstein über der Orgel abgebildet ist.

Zwischen Schiff und Chor, gleichsam zwischen irdischem Dunkel und himmlischen Licht steht das alles überragende Hochkreuz, das christliche Zeichen der Erlösung. Die goldenen Kreuzesarm, sammeln den Blick und führen ihn hinauf in den lichtstrahlenden Chor. Nur über das Kreuz führt der Weg in das Himmelreich.

Der vergoldete Lettner über dem Altar wurde im Jahre 1928 von dem Bildhauer Wilhelm Lemke aus Lindenholz geschnitten. Von links nach rechts zeigt der Lettner die wichtigsten Stationen des Lebens Jesu: Verkündigung und Geburt des Herrn, Jesu Taufe, der Todeskampf Jesu im Garten Gethsemane, die Grablegung des Herrn, Ostern, der Gang der Jünger nach Emmaus und die Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingsttag. Weinstöcke und Reben umranken die Bilder.

Von der Hand des gleichen Künstlers stammen auch die vier De1phine auf der Messingschale des Taufbeckens, die während der Taufhandlung Wasser speien und die vier Evangelistensymbole an den Säulen der Nordwand der Kirche. Auch der Pelikan auf der Brüstung der Südempore ist von Lemke geschnitzt worden. Vom Pelikan glaubte man in alter Zeit, er würde in Notzeiten seine Jungen mit Blut ernähren, das er sich mit dem Schnabel aus der eignen Brust schlägt. Deshalb galt der Pelikan als ein Hinweis auf das Selbstopfer Christi zur Erlösung der Menschheit

Das Altarkreuz ist ein Werk des Kunstschmiedes Prof. Rickert aus München. Die Weinranken der Lettnerbilder finden sich auf dem emaillierten Kreuz wieder. Sie sind ein Hinweis auf den Wein, das Sinnbild des Blutes Christi im Heiligen Abendmahl, das werktags und sonntags an diesem Altar gefeiert wird. Die vier Evangelistensymbole umgeben den Gekreuzigten, der im Gold des Ostermorgens, im Lichtglanz der Auferstehung erstrahlt. Die in schlichtem Kupfer gehaltene Rückseite des Kreuzes zeigt das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. In der vorösterlichen Passionszeit wird diese Seite des Kreuzes der Gemeinde zugekehrt.

Das Adlerpult im Altarraum für die gottesdienstlichen Lesungen stammt von Arnold Rickert aus Bielefeld, einem Bruder des eben genannten Künstlers. Arnold Rickert entwarf auch das Gedenkkreuz für die Opfer beider Kriege unter der Südempore.

Zwischen Kanzel und Südempore steht ein Weihnachtsaltar der im Jahre 1954 von dem Künstler Helmut Uhrig für die Universitätskirche geschaffen wurde. Er zeigt zwischen Maria und Joseph das Kind in der Krippe. Der Weihnachtsstern über der Krippe besteht aus sieben Sternen, ein Hinweis auf die Offenbarung des Johannes, die den richtenden Menschensohn am Ende aller Tage mit sieben Sternen in der Hand schaut. Der Siebenstern über der Krippe macht deutlich: Das so am in Krippe und Stall geborene Kind ist der künftige Weltenrichter. Deshalb stehen die anbetenden Hirten und Könige als Repräsentanten der gesamten Menschheit unter der Krippe und schauen zu ihr empor. Das Kind ist ihr Herr, der Herr aller Menschen. In der Advents- und vorösterlichen Fastenzeit werden die Flügel des Altares geschlossen. Zur Weihnachtszeit wird das Bild auf den Altar unter dem Hochkreuz gestellt.

Über dem Taufbecken befindet sich in einer Wandnische die zeitgenössische Darstellung des heiligen Christopherus. Er trägt das Christkind über die Wellen und hat die Gestalt eines feldgrauen Soldaten. Anfang des letzten Krieges hat der Marburger Maler Franzis Bantzer das Fresko gestiftet, aber nicht vollenden können, da er im Kriege fiel. Sein Freund, Prof. Frank aus Marburg hat es nach dem Kriege fertiggestellt. Von den Künstlern ist das Bild als ein Denkmal für alle gedacht, die in schwerer Not und Bedrängnis an ihrem christlichen Glauben festgehalten haben und in ihm gestärkt und getröstet wurden.

Die gesamte künstlerische Ausstattung der Marburger Universitätskirche will bezeugen, was in großen Lettern auf dem Prospekt der Orgel geschrieben steht: SOLI DEO GLORIA

GOTT ALLEIN DIE EHRE

 

Karzer

Im Schein einer Kerze waren zwei Studenten im Nachthemd durch die engen Marburger Gassen gewandelt. Sie wurden erwischt und in den Karzer der Universität gesteckt. Einen Tag gab es für den Delinquenten, der über sein weißes Nachtgewand zumindest noch eine Jacke gezogen hatte, zwei Tage für den anderen. Doch ernsthafte Reue scheint die beiden angehenden Akademiker nicht gepackt zu haben. Als sie nämlich am 25. Oktober 1904 in dem 16 Quadratmeter großen Kerker einsaßen, malten sie ein anschauliches Bild ihrer „Tat“, darüber das Urbild des „Philisters“, der angesichts des groben Unfugs der jungen Leute selbstgerecht grinst.

Über und über ist das akademische Gefängnis von Marburg mit Inschriften und Zeichnungen seiner Insassen verziert. Sofern die Studiosi keine Obszönitäten an die Wand kritzelten, war ihnen dies erlaubt. Obwohl die Farbe im Laufe vieler Jahrzehnte verblaßt und der Putz an vielen Stellen abgebröckelt ist, können Interessierte seit kurzem einen der farbenprächtigsten Räume der Alma mater Philippina besichtigen.

Das Verließ ist nur durch die Hausmeisterwohnung in der Alten Universität zu erreichbar. Und da die Unterkunft zur Zeit unbewohnt ist, führt Elisabeth Maaß vom Fachbereich Evangelische Theologie Besucher zu dem Relikt aus fernen Studententagen, wo die von der Universität verhängten Strafen abgesessen wurden.

Spätestens seit Anfang des 17. Jahrhunderts gab es in Marburg - ebenso wie in den anderen Universitäten dieser Zeit - einen Karzer. Genau genommen summierte sich ihre Zahl sogar auf fünf. die unter anderem im Dominikanerkloster bei den Juristen und im Franziskanerkloster - heute sitzen hier die Sportwissenschaftler untergebracht - waren. Sie trugen so schöne Namen wie „Bellevue“, „Sanssouci“ und „Avecsouci“.

Der Karzer in der Alten Universität, der bis heute erhalten blieb, war erst 1879 eröffnet worden. Bis 1931 - ungewöhnlich lang - diente er der akademischen Disziplinargerichtsbarkeit. Und während die frühen Arrestzellen für Studierende wohl öfter „Lochern“ glichen (aus Tübingen wird von einem Strohlager bei Wasser und Brot berichtet), scheint dieser spätere Marburger Karzer ein leidlich angenehmes Leben ermöglicht zu haben.

Bis zu 14 Tagen mußten die Delinquenten wegen Trunkenheit und Streik, wegen Hausfriedensbruchs, Ungehorsam, Ruhestörung, Körperverletzung, Beleidigung oder Duellen hinter Gitter. Der Raum war zwar nur mit Bett, Stuhl, Tisch und Ofen ausgestattet, doch der Wärter, der Pedell, sorgte offenbar gut für die ihm Anvertrauten. Mehrere Dankessprüche sind dem Aufseher gewidmet, der für die Verpflegung und die Reinigung der Nachttöpfe der Studenten sorgte.

Einer schreibt sogar von einem „kleinen, niedlichen Gemach, weitab und doch verbunden mit der Welt“. Tatsächlich hatten die „Häftlinge“ ungewöhnliche Vergünstigungen. Zur Grundernährung gehörte eine halbe Flasche Wein oder eine Flasche Bier pro Tau. Bei einer mehr als dreitägigen Karzerstrafe durften die Insassen täglich ein bis zwei Stunden spazierengehen. Und sofern sie eine entsprechende Bestätigung ihres Professors beibrachten, konnten sie sogar an wichtigen Vorlesungen teilnehmen. Indes ging es im Karzer nur um Disziplinarstrafen. Da hatte beispielsweise ein Student „in des Stromes Mitte“ (Lahn) „großen Singsang verbrochen“, weshalb es Rektor und Richter „paßt“, „zwei Tage mich hier einzulochen.“

Eine ausgedehnte Fehde scheint zwischen Polizei und Studenten bestanden zu haben. „Polyp“, das war die Lieblings-Beschimpfung für die nächtlich patrouillierenden Schutzmänner, die sich darüber so sehr ärgerten, daß schon eine „chronische Verstimmung“ zu befürchten war. Solcherart Beleidigung führte die Studiosi häufig in den akademischen Kerker, was sie freilich nicht daran hinderte, das besagte Unwort weiter auf den Karzerwänden zu verewigen. Neben den zahlreichen Wappen von Studentenverbindungen wurden die Polizisten immer mit ihren auffälligen Hauben, als „Fettaugen“ oder „Hunde“ (Unterschrift: „Nicht reizen! Bösartig!“) in die Wand geritzt.

Auch die Erinnerung an den Streik gegen den unbeliebten Medizinalrat Dr. Külz lebt in dem alten Gemäuer. Dieser hatte seine Hörer offenbar derart drangsaliert, daß die Studenten 1893 einen recht eigenwilligen Streik anzettelten. Statt seiner Vorlesung beizuwohnen, bummelten mehr als die Hälfte der in Marburg eingeschriebenen Hochschüler demonstrativ vor den Fenstern des Hörsaals. Ohne „Lärm gemacht oder so Ungehörigkeiten begangen zu haben“, schlenderten rund 500 Junge Leute in der Umgebung des Instituts herum, was sogar das Berliner Ministerium auf den Fall aufmerksam machte.

Duellanten mußten besonders häufig in den Karzer. Ihre meist blutigen Auseinandersetzungen waren auch der Grund, warum das akademische Gefängnis Marburg noch bis 1931 bestand, obgleich die Verhängung von Karzerhaft ab 1924 im Widerspruch zur staatlichen Rechtsaufassung stand. Die zivilen Gerichte verurteilten zwar ebenfalls wegen der mit tödlichen Waffen ausgefochtenen Zweikämpfe, doch die Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Um die gefährlichen Säbelkämpfe einzudämmen, wollten damalige Rektoren zumindest eine kleine Freiheitsstrafe durchsetzen.

 

 

Elisabethkirche

Die Kirche wurde 1235-83 über dem Grabe der Heiligen Elisabeth erbaut und wurde eine der bedeutendsten Wallfahrtsstätten des Abendlandes. Kunstgeschichtlich nimmt sie ihren Rang ein als früheste rein gotische Kirche Deutschlands. Ihr Baumeister schuf hier in eigenständiger Weiterprägung des Vorbildes der französischen Kathedralen den Typus der gotischen Hallenkirche, der für die weitere Entwicklung der Gotik in Deutschland maßgeblich wurde.

 

Geschichte:

Die ungarische Königstochter Elisabeth (1207-31) wurde 1221 verheiratet mit Landgraf Ludwig IV. von Thüringen. Von ihrem vierten Lebensjahr an lebt sie auf der Wartburg. Ihr geistliches Vorbild wird der Hl. Franz von Assisi. Schon als Landgräfin nimmt sie sich in besonderer Weise der Hungernden und Kranken an.

Im Jahre 1227 stirbt Ludwig auf dem Kreuzzuge, Elisabeth flieht nach Eisenach. In der dortigen Franziskaner-Kirche gelobt sie Armut und Gehorsam (20). Ihr Witwensitz wird Marburg. Hier errichtet sie auf dem Gelände nördlich der Kirche ein Franziskus-Spital und verzehrt ihr Leben in der dienenden Liebe zu Christus und seinen geringsten Brüdern - nach ihrem Worte: „Wir müssen die Menschen fröhlich machen“.

Bald nach ihrem Tode setzen die Pilgerfahrten zu ihrem Grabe ein (8). Ihr Schwager Konrad, Landgraf und späterer Hochmeister, siedelte hier 1233 den Deutschen Orden an. Auf sein Betreiben hin erfolgten 1135 die Heiligsprechung Elisabeths, die Erhebung ihrer Gebeine im Beisein Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen (10) und die Grundsteinlegung der Kirche. Im Jahre 1283 wurde die Kirche geweiht, an den Türmen zogen sich die Bauarbeiten noch bis um 1340 hin.

 

Das Bauwerk:

Der Eindruck des Äußeren wird bestimmt von den aufstrebenden Linien der Strebepfeiler, die im Wechsel mit den Fenstern in gleichmäßiger Aufreihung das ganze Bauwerk umklammert, gesteigert in den Türmen, gebunden durch die horizontalen Umgürtungen von Umgängen und Gesimsen.

Die Dreigliederung ist das Symbol der Dreieinigkeit, Der Chorraum besteht aus drei einander gleichen Chorarmen („Dreikonchenchor“), das Langhaus aus drei gleich hohen Schiffen („Hallenkirche“), Turmbau mit der Fassade aus zwei Türmen und der Eingangsfront dazwischen. Auch die Fenster sind als „.Maßwerk“ aus drei Teilen zusammengefügt. Nur die Eingangsfront ist reicher gebildet, baut sich aber ihrerseits dreigeschossig auf.

Der kreuzförmige Grundriß stellt die Harmonie der Maße dar: Grundmaß ist das Quadrat, in welchem sich Mittelschiff und Querhaus durchdringen (11). Die „Vierung“ hat eine Seitenlänge etwa zehn Meter. Die Verdoppelung dieses Maßes ergibt die Gewölbehöhe und die Gesamtbreite der dreischiffigen Halle - je etwa 20 Meter -, so daß deren Querschnitt ebenfalls ein Quadrat bildet.

 

Die Kirche hatte drei Funktionen:

Grabstätte der Heiligen Elisabeth und damit Wallfahrtskirche

Grabstätte der Hessischen Landgrafen

Ordenskirche der Deutschritter als Hüter dieser doppelten Grabstätte..

 

Hauptportal (1):

„Pforte des Himmels“: Das Kind Christus als Weitherrscher, die Weltkugel in der Hand, dahinter links Vögel in Weinreben (Hinweis auf den Opfertod Christi), rechts Rosen (Sinnbild Mariens). Alte Beschläge; auf der Innenseite der Tür alter Lederbezug mit dem Hochmeisterkreuz des Deutschen Ordens.

 

Mittelschiff (2):

Am Mittelpfeiler Madonna mit Kind (um 1475) zwischen den Wandbildern (ca. 1435) Elisabeths (mit Kirchenmodell, einem Armen einen Fisch reichend) und der Heiligen Katharina mit Schwert.

Kanzel von 1907 (3). Die steinerne Chorschranke des Lettner (4) trennte den für die Laien zugänglichen Teil der Kirche von dem den Geistlichen vorbehaltenen Teil; die ältere farbige Bekrönung aus Holz. Sein Figurenschmuck (insbesondere das große Triumphkreuz) wurde 1619 im „Bildersturm“ zerstört, zwei Statuen sind jetzt am Südportal erhalten, weitere Reste im Museum. Auf dem Kreuzaltar davor der bedeutende Kruzifixus von Ernst Barlach (entworfen 1918 für Kriegsgräber im Osten; seit 1931 hier). Die Elisabethstatue im Chörlein ist aus der Zeit um 1470 (5), die Bettlerfigur zu ihren Füßen ist verloren, die Krone ist modern.

 

Elisabethchor:

Der Elisabethchor ist heute Taufkapelle. Links im Boden ist die zeitweilige Grablege der Preußenkönige (6). Darüber an der Wand Grabplatten mit schönen Bronzeeinlagen, um 1500. Über dem Grabe Elisabeths das kostbare Mausoleum in den alten Farben (8). Die umlaufende lateinische Inschrift preist sie als „Gloria Teutoniae“, den Ruhm Deutschlands.

Die Laubwerkfriese enthalten Heilpflanzen als Hinweis auf Elisabeths Wirken an den Kranken. Das Relief unten zeigt: Christus, Maria und Heilige samt Landgraf Konrad, dem Erbauer der Kirche (im Deutschordenskleid) und die geringsten Brüder Christi (Geisteskranker an Kette, Bettlerin und Krüppel) umgeben die Bahre, während ein Engel Elisabeths Seele in den Himmel nimmt.

Auf dem Wandbild oben reicht Christus die Krone an Elisabeth. Die Altäre hier sind Frauen geweiht: Links ein Marienaltar von 1517 (7), im unteren Teil ergreifende ältere Darstellung Mariens mit dem toten Sohn (Marburger Vesperbild, Kalkstein um 1385). Rechts Katharinenaltar (9): die Wandmalereien vom Anfang des 15. Jahrhunderts zeigen Frauen um Christus: Maria Magdalena am Ostermorgen, die Hl. Margaretha, den Drachen der Versuchung mit dem Kreuze niederringend, Anna Selbdritt, Enthauptung Katharinas vor dem heidnischen Kaiser Maxentius. Oben sind weitere Szenen der Katharinenlegende zu sehen(beachte das schöne Engelskonzert)

 

Elisabethaltar (10): Das Kreuzigungsbild ist um 1300 entstanden. Links ist zu sehen eine spätere Darstellung der Legende, nach der Elisabeth einen Aussätzigen in das Ehebett aufgenommen hat, der mißtrauisch gemachte Landgraf jedoch das Bild des Gekreuzigten vorfindet und bewegt spricht: „Liebe Schwester, solche kannst du mehr in mein Bett legen“ Rechts die Öffnung des Grabes im Beisein Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen. Darüber Kreuzigungsgruppe vom Ende des 15. Jahrhunderts.

 

Landgrafenchor:

Der Landgrafenchor enthält eine bedeutende Reihe von Grabmälern der Hessischen Landgrafen vom 13. bis 15. Jahrhundert (18). Besonders beachtenswert: Landgraf Konrad, mit Geißel des Büßers, gestorben 1240, noch romanisch, das nächste Grabmal schon im gotischen Stil! Neben dem Doppelgrabmal das künstlerisch bedeutendste: Heinrich I. (gestorben 1308, oder Otto I. gestorben 1328) mit Gestalten der Leidtragenden an den Seitenwänden der Tumba. Einzelgrab Ludwigs I.. des Friedfertigen, gestorben 1458, der Fuß des betenden Ritters trennt Löwe und Widder gemäß dem ritterlichen Auftrag, den Schwachen vor dem Übermut des Starken zu schützen. Wilhelm II., gestorben 1509, mit der drastischen Darstellung der Vergänglichkeit im unteren Teil des Grabmals.

Die Altäre hier sind männlichen Heiligen geweiht: Rechts der Altar der ritterlichen Heiligen Georg und Martin vor 1514 (17): in der Mitte Papst Gregor der Große, jene Messe feiernd in der ihm Christus erscheint und aus seiner Seitenwunde Blut in den Kelch träufeln läßt; links auf dem Altarflügel Martyrium des Heiligen Georg; rechts der Heilige Martin wird Bischof von Tours. Oben Reiterstatue des Heiligen. Martin (den Mantel teilend, nach 1300).

Der Altar Johannes des Täufers aus der Zeit vor 1512 (16) zeigt von links nach rechts: Geschichte seiner Geburt, Jesu Taufe durch ihn, sein gewaltsamer Tod, Zerstörung des Grabes und Schändung der Gebeine. Oben Statue Johannes des Täufers und Wandbilder mit Verklärung Christi und Madonna auf der Mondsichel.

Für Landgrafenchor und Elisabethchor gilt gemeinsam: Die Vertreter irdischer Gerechtigkeit und die Vertreterin der gewaltlosen Liebe sind vereint im „Hause Gottes“.

 

Der „Hohe Chor“:

Der steinerner Hochaltar (14) wurde 1290 geweiht: In den Nischen rechts weibliche, links (erneuert) männliche Heilige, in der Mitte Maria. Die kunstvolle Architektur mit Wimpergen und Fialen von Straßburg und Nordfrankreich beeinflußt. Die Farben wurden im 19. Jahrhundert nach originalen Resten erneuert. An der Seitenfront und der Rückfront befinden sich bedeutende hochgotische Malereien

Die beiden großen Bronzeleuchter sind aus dem 13. Jahrhundert. Rechts steht der Zelebrantenstuhl (13) mit schöner Elisabethstatue von Juppe (1511). Am Eingang zur Sakristei        befindet sich das Tabernakel mit gotischer Wandmalerei.

 

Die Glasfenster:

Die figürlichen und ornamentalen Fenster stammen aus dem 13. und 14. Jahrhundert und zeigen deutlich die Stilwende von der Romanik zur Gotik: die romanischen Figuren. monumental - die gotischen lebendig bewegt. Das romanische Bildfeld von einem Teppich wechselnder Farbstreifen durchwirkt, in der sich die Figuren ganz einordnen. Im gotischen Bildfeld lösen sich die Figuren deutlich vom Farbgrund ab. Das romanische Ornamentwerk ist streng heraldisch. Das gotische Laubwerk ist von zarter Naturalistik.

Obere Fensterreihe von links nach rechts:

1. Fenster (gotisch): Maria mit dem Kind und der Evangelist Johannes; unten Apostel Jakobus der Ältere und Katharina mit dem Rade,

2. Fenster (romanisch): Im Kreise oben der Weltschöpfer in der Gestalt Christi, ringsum die sechs Schöpfungstage. Die vier Standfiguren stellen Christus und die Kirche als Bräutigam und Braut dar, sowie Kirche und Judentum (mit verbundenen Augen).

3. Fenster (gotisch): Maria Magdalena am Ostermorgen und Jesus als Gärtner; darunter ein hl. Bischof und Johannes der Täufer.

Untere Fensterreihe von links nach rechts:

1. Fenster (romanisch): Elisabeth im Kleide der Armut und Evangelist Johannes. Unten Maria mit dem Kinde als Mutter der Barmherzigkeit und Franziskus (in leuchtend blauer Kutte

mit den Wundmalen Jesu).

2. Fenster (romanisch): Im Kreise Christus am Kreuz; die beiden Standfiguren Johannes der Täufer und Apostel Bartholomäus. Unten vier Bilder aus der Schöpfungsgeschichte.

3. Elisabethfenster (romanisch): Szenen aus Elisabeths Leben stehen zwischen der Darstellung der Geburt Jesu (unten rechts) und der Krönung Elisabeths und des Franziskus durch Christus und Maria (oben im Kreis), d. h. beide traten in die Nachfolge des Christus, der sich selbst erniedrigte und zum Bruder der Geringsten machte.

Die Bilder auf den Medaillons zeigen:

Elisabeth besucht Gefangene, Elisabeth stirbt, besucht Kranke, verteilt ihr Witwengut, beherbergt Obdachlose, entsagt der Welt, kleidet Nackte, empfängt die Todesnachricht, gibt Durstigen zu trinken und wäscht einem Armen die Fuße, nimmt Abschied von ihrem Mann, gibt Hungrigen zu essen, Christi Geburt.

 

Die Sakristei:

Der „goldene Schrein“ (15) wurde um 1240 angefertigt zur Aufnahme der Gebeine Elisabeths. Er ist also ein Sarg und erinnert als solcher an die Verstorbene: auf dem Dache sehen wir wieder die Szenen des Elisabethfensters; von rechts nach links: Elisabeth empfängt das Kleid des Dritten Ordens, sie verteilt Almosen, speist einen Alten, läßt Durstige tränken und wäscht einem Alten die Füße nach dem Vorbild Christi.

Das Ganze hat aber nicht die Form eines Sargs, sondern die einer Kirche mit Langhaus und Querschiff, Dach, Türmen und vier großen Portalen. Es ist „Abbild“ der „einen, heiligen, apostolischen Kirche“, ringsum in getriebener Arbeit die zwölf Apostel, über jedem ein Satz des Glaubensbekenntnisses in den Giebeln, in ihrer Mitte Christus als Gekreuzigter (auf der nicht sichtbaren Seite, Figur geraubt) und auf dem Thron seiner Herrlichkeit, dazu an den Stirnseiten Elisabeth (Spiegel!) und die Muttergottes.

Von den prächtigen Dachknäufen in der symbolischen Siebenzahl ragt der mittlere über die andern; seine Rundscheiben geschmückt mit der Darstellung der vier Paradiesesströme: die in alle Reiche der Welt strömende erlösende Kraft Christi.

Der Bau dieser Kirche erwächst auf der Weissagung der vorchristlichen Zeit: die kleinen Medaillons im Sockel dürfen wir als Sibyllen und Propheten deuten. Zum „Schatz“ dieser Kirche gehört auch das Leben und Wirken der Heiligen Elisabeth.

Das Material ist vergoldetes Kupfer über Eichenholzkern. Der Schrein ist heute leer. Nachdem schon in den Jahrhunderten vor der Reformation immer wieder Elisabethreliquien an verschiedene Empfänger verschenkt wurden, entnahm 1539 Landgraf Philipp die restlichen Gebeine. Ihr Verbleib ist ungeklärt.

Beachtenswert in der Sakristei sin der alte farbige Verputz und das figurenreiche alte schmiedeeiserne Gitter. Beim Rückweg Blick auf das Westfenster von Georg Meistermann (1963) und die Orgel (Bosch, Kassel 1963).

 

Südliches Seitenschiff:

Das Wandbild an der Säule stellt dar einen „Schmerzensmann“ (um 1470). Am Südportal stehen die beiden erhaltenen Apostelfiguren vom Lettner (19). Der Elisabethaltar von 1513 (20) zeigt Bilder aus der Geschichte Elisabeths.

 

Nördliches Seitenschiff:

Gegenüber steht der gleichzeitige Sippenaltar mit der Darstellung der Familie Jesu (21). Links ist das Grab Hindenburgs (22), seit 1945 hier und Gedenktafel (1961). In der ganzen Kirche verteilt sind zahlreiche geschnitzte und gemalte Wappenschilder der Landgrafen, Landkomture und Deutsch-Ordens-Ritter.

Vor dem Verlassen der Kirche lasse man noch einmal die adlige Architektur des Ganzen auf sich wirken: Die höchsten Repräsentanten der damaligen Welt, Kaiser und Papst, vereinigten sich in dem Bemühen, das Zustandekommen dieses großen Kunstwerkes zu fördern als Denkmal der im Namen Christi gelebten fröhlichen Liebe Elisabeths. Jedes Jahrhundert seitdem hat der Kirche Wunden geschlagen. Jedes hat aber auch Beiträge geleistet zu ihrer Erhaltung und würdigen Ausgestaltung.

Öffnungszeiten: Winter täglich 10-16 Uhr, Sommer (Ostern-September) täglich 9-18 Uhr.

 

 

 

Ebsdorfergrund

In einer Mainzer Pergamenthandschrift werden um das Jahr 1130 die „zehntpflichtigen Dörfer und Weiler“ genannt, die zur mainzischen Großgrundherrschaft Ebsdorf wurden. Aus ihr haben sich im Laufe des Mittelalters als kleinere politische Einheiten die hessischen Ämter Ebsdorf und Frauenberg und die Herrschaft der Rau in Holzhausen herausgebildet. Daraus entstanden seit 1834 elf sich selbst verwaltende Dörfer. Am 1. Juli 1974 kam es im Zuge der Gebietsreform zum Zusammenschluß der elf Dörfer

 

Ebsdorf:

Um 780 wird „Ebilitzdorf“ im Fuldaer Urkundenbuch erwähnt. Durch den Ebsdorfer Grund führte die lange Hessenstraße an der Amöneburg vorbei nach Nordhessen und Thüringen. Kaiser Heinrich II. hatte Besitz in Ebsdorf. Auch befand sich hier eine Kaiserpfalz, in der im Jahre 1054 Heinrich III. auf dem Weg von Mainz nach Quedlinburg wohnte. Heinrich IV. war dreimal in Ebsdorf. Die Pfalz lag wahrscheinlich auf einem Geländerücken in der Nähe des Bahnhofs, die im Volksmund „Steinernes Haus“ genannt wird und direkt an der Reichsstraße lag Mainz-Fritzlar liegt (heute südlich der Durchgangsstraße).

Um 1150 gingen die Hoheitsrechte des Reichs auf das Kloster St. Stephan über. Um 1250 dringt Hessen in das mainzische Gebiet vor. Ursprünglich bildete der Ebsdorfer Grund ein Reichsvogteigericht. Aber die Landgräfin Sophie erwarb ihn 1276 durch einen Pachtvertrag von Mainz. Der Vertrag wurde nämlich immer wieder verlängert, zuletzt 1661 um 150 Jahre.

Der Gerichtsplatz befand sich östlich der Kirche auf einem heute noch erhaltenen Steinrondell.

Sehenswert ist die um 1200 erbaute Kirche mit Wehrturm, romanischem Schiff und spätgotischem Chor. Nach dem 30jährigen Krieg wurde Ebsdorf ein beliebter Treffpunkt der Vieh- und Pferdehändler, die von hier aus zu den Märkten zogen. Auch Ebsdorf erhielt die Genehmigung zum Abhalten von Märkten, die in ganz Hessen und in der Pfalz bekannt wurden und bis zu 1000 Pferde wurden aufgetrieben.

Der Ortskern hat großartige Fachwerkhäuser, eine alte Wehrkirche und eine Gerichtslinde. Der Ort war schon mehrfach Regionalsieger beim Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“.

 

Hachborn:

Der älteste Siedlungsbeleg für Hachborn („Habeekebrunn“) reicht zurück ins Jahr 1151. Die Geschichte des Dorfes ist eng mit der Geschichte des Klosters Hachborn verknüpft. Um 1180 wurden die Grafen Giso und Hartrad von Merenburg (bei Weilburg) die Grundherren des Dorfes. Doch schon 1186 übergaben sie ihre Güter in Hachbborn dem Kloster Arnstein an der Lahn. Dieses ließ in Hachborn ein Prämonstratenserkloster erbauen. Aber 1252 brannte das Kloster ab. Es wurde wieder aufgebaut und 1527 aufgehoben, der Besitz ging an den Landgrafen über. Im Jahre 1789 wurde das Klostergut aufgeteilt und die neuen Besitzer rissen die baufälligen Gebäude ab. Es stehen nur noch wenige Reste der Umfassungsmauern und er Klosterkeller. In der Grundschule von Hachborn ist heute das Heimatmuseum untergebracht ist.

 

Ilschhausen:

Der wurde als „Ulrichshausen“ 1222 benannt. In der Nähe liegt das Hofgut Fortbach. Das gehörte zum Landbesitz des Klosterns Hachborn. Nach der Reformation wurde der Hof einem Pächter übergeben, während des 30jährigen Krieges wurde er verlassen. Heute wird er vorbildlich bewirtschaftet und eine gewerbliche Obst- und Getreidebrennerei und ein Gast

 

Leidenhofen:

Der Ort (liudenhoven = Hof der Leute) gehört zu den ältesten Ortsteilen und ist bereits 1016 erwähnt. Aus den Anfängen stammt auch noch der Turm der Kirche an den im 13. Jahrhundert das Kirchenschiff angebaut wurde. Die Fachwerkhäuser sind bis zu 300 Jahre alt. Ein Drittel der Gemarkung ist mit Wald bedeckt.

 

Dreihausen:

Der Ort (ursprünglich „Hausen“ genannt) wurde 11 51 erwähnt. Im Jahre 1374 tauchen die Namen Eulershausen (der Name kommt von d er altdeutschen Bezeichnung „Auler“ für Töpfer, später hieß der Ort Oberhausen) und Niedernhausen auf, Mittelhausen lag zu dieser Zeit noch wüst und wird erst seit dem 16. Jahrhundert genannt. Der Name Dreihausen erscheint zuerst 1818 in einem Staatshandbuch. Eine Töpferei gab es bereits seit dem 13. Jahrhundert. Der sehr gute Ton konnte bei hoher Temperatur gebrannt werden, so daß die Ware ohne Glasur wasserdicht war. Im Jahre 1858 gab es noch 19 Töpfer. Daneben gab es Steinhauer und Pflasterer, die Steine wurden in ganz Deutschland und z.B. in Paris verwendet. Noch heute gibt es ein großes Basaltwerk

 

Die „Höfe“ sind eine Befestigung aus karolingischer Zeit, zwischen 6750 und 800 entstanden. Die Anlage besteht aus einer Oberburg und einer Unterburg mit einer Fläche von etwa zwei Hektar. In der Oberburg wurden die Reste eine steinernen Hauses und einer Rundkirche mit Nordapsis gefunden. Die aufwendige Bemalung läßt darauf schließen, daß es sich um einen kleinen privilegierten Personenkreis gehandelt haben muß, so daß vielleicht ein Zusammenhang mit den Königsaufenthalten besteht.

 

Mölln:

Der Ort hieß früher „Mulen“. Schon um 1150 existierte hier eine Mühle, also eine der ältesten Mühlen im Umkreis. Das Fachwerkhaus hat „Wilde-Mann-Konstruktionen“. Sie wurde seit der Erbauung nicht verändert. Sogar einige Schiebefenster sind noch vorhandenden. Aber der „Käsekorb“, der früher am Giebel hing, und Mühlrad und Mühlgraben sind verschwunden.

 

Roßberg:

Der Ort wurde 1233 erstmals erwähnt. Der Ort gehörte immer zur Pfarrei Ebsdorf, hatte aber eine eigene Kirche, in der die Plätze wegen des gesellschaftlichen Ranges immer stark umstritten waren. Von Geheimnissen umwittert ist die Röderburg, eine Ringwallanlage.

Ein Kleinod ist eine Bronzeglocke aus dem 17. Jahrhundert, die alle Kriegswirren überstand und in der Fachwerkkirche zum Gottesdienst ruft.

 

Wermertshausen:

Der Ort gehörte bis ins 16. Jahrhundert kirchlich zu Ebsdorf. Im Jahre 1577 wurde es in das lutherische Kirchspiel Winnen eingepfarrt. Erst seit 1755 besitzt der Ort eine Kirche mit einem kleinen Turm.

 

Heskem:

 

Wittelsberg:

In geschichtlicher Zeit wird Wittelsberg zum ersten Mal im Jahr 1251 unter dem Namen „Widelberg“ erwähnt. Nach Beendigung der Kämpfe gegen Mainz ließ Landgraf Ludwig I. im Jahre 1431 den Wartturm auf dem Kirchberg bauen. Im Volksmund wird er „die Schanze“ genannt. Er sollte ein äußerstes Grenzwerk der hesssichen Macht gegen das benachbarte Mainz sein. Bis ins 18. Jahrhundert hatte Wittelsberg einen Zolleinnehmer, an den noch heute der Hausname „Zöllersch“ erinnert.

Der Ort bildete bis ins 18. Jahrhundert ein Gericht zusammen mit Lampertshausen, Beltershausen, Moischt, Bortshausen, Frauenberg, Hahnerheide und Kapellenhöfe. Die Kirche bwurde die 1844 errichtet

 

Rauischholzhausen:

Der Ort wurde erstmals 750 - 779 im Urkundenbuch des Klosters Fulda erwähnt. Es wurde 1330 Burgsitz der Rau von Holzhausen, die es vom Erzbischof im Mainz als Lehnen erhalten hatten, und hatte eine eigene Gerichtsbarkeit. Der Gutshof wurde im 16. Jahrhundert errichtet.

Als Hessen 1866 preußisch wurde, lehnte der letze von Rau den Übertritt in die preußische Armee ab. Er verkaufte 1871 seine Besitz an den Botschaftsrat von Stumm, aus einer bekannten saarländischen Industriellenfamilie. Er war kaiserlicher Botschafter in Madrid und wurde vom Kaiser Friedrich in den erblichen Adelsstand erhoben. In den Jahren 1871 bis 1875 wurde das Schloß erbaut, ein ganz auf Repräsentation eingerichteter Bau. Die luxuriösen Züge findet man überall an Türmen, Giebeln, Fassaden, Erker, den kunstvollen Gittern und dem schönen Empfangsportal. Eingebettet ist das Schloß in eine große Parkanlage. Dort stehen annähernd 300 verschiedene Baumarten und Gehölze. Zwei Wasserläufe durchziehen den Park und sind an mehreren Stellen zu Teichen aufgestaut. Schloß und Park fielen 1945 an das Land Hessen. Sie waren inzwischen an die Kerckhoff-Stiftung in Bad Nauheim übergegangen und werden von der Universität Gießen genutzt

 

Moist:

 

Beltershausen:

Der Ort („Haus der Balder“) wurde 1151 erstmals erwähnt. Damals errichteten „freie Menschen“ auf eigenem Grund und Boden eine Kirche und weihten sie dem heiligen Bartholomäus. Der vorgesetzte Pfarrer und der Erzbischof von Mainz gaben ihren Segen dazu. Die Einwohner setzten in einer 25 Jahre dauernden Auseinandersetzung die Heraustrennung ihrer Gemeinde aus der Pfarrei Ebsdorf mit Hilfe des Dompropstes von St. Stefan in Mainz durch.

Der Ort hat schöne alte Fachwerkbauten und eine Gerichtslinde.

Etwa zwei Kilometer von Beltershausen in Richtung Marburg gelegen liegen die Kapellenhöfe, die ihren Ursprung dem Deutschen Orden verdanken. Er siedelte sich sei t 1233 in Marburg an und er errichtete in der Gemarkung Beltershausen Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Es entstand ein Hof „Capelle“, der im 16. Jahrhundert in zwei Höfe aufgeteilt wurde. Hier wurde der strenge Beichtvater der Heiligen Elisabeth auf der Rückkehr vom Mainzer Hoftag am 30. Juli 1233 ermordet. Der Deutsche Orden baute 1255 an der Mordstelle eine Gedächtniskapelle, die 1872 abgerissen wurde. Aber ein Gedenkstein am unten Hof Kapelle erinnert an die Tat.

 

Frauenberg:

Im Jahre 1248 kam Sophie von Brabant nach Marburg, um ihre Ansprüche auf das thüringische Erbe durchzusetzen. Zu den Gegnern gehörte auch der Erzbischof von Mainz, dem das Amt Amöneburg gehörte. Um den Besitz im Ebsdorfer Grund zu sichern und die Amöneburg in Schach zu halten, ließ sie 1252 die Burg auf dem Frauenberg errichten. Aber 1489 lag die Burg bereits wieder in Trümmern und diente als Steinbruch. Frauenberg ist eins von sieben Hugenottendörfern in Hessen, die von 1686 bis 1706 entstanden sind.

An der Ruine ist eine hervorragende Fernsicht von bis zu 150 Kilometern über den Ebsdorfer Grund, das Lahntal, den Knüll, das Rothaargebirge, den Westerwald, den Vogelsberg und bei guter Sicht in den Taunus.

 

Rundwanderweg:

Der Einstieg erfolgt am Parkplatz der Burgruine Frauenberg bzw. dem Gasthaus Seebode. Der Berg ist auch botanisch sehr interessant. Von dort geht es nach Beltershausen. Am letzen Haus geht es links ab durch eine Apfelbaumallee und durch die Unterführung der Landes­straße. Durch den Talgrund geht es weiter in Richtung Wittelsberg. Auf dem Kirchberg steht die Wittelsberger Warte, das Wappenzeichen der Gemeinde Ebsdorfergrurd. Um den Kirch­berg herum befindet sich ein Naturschutzgebiet. Ein Laubengang aus Hainbuchen führt oberhalb des Dorfes den Hügel hinauf zur Kirche.

Von der Wittelslberger Warte führt der Abstieg durch den alten Ortskern Richtung Sportplatz. Dort biegt man links ab ins offene Feld. Links steht das Naturdenkmal „Alte Linde“. Vorbei an einer Streuobstwiese geht es zu einemWegkreuz (hier kann man eine Abstecher nach Rauischholzhausen machen).

Der Weg führt weiter an der Zwester Ohm entlang zu einem Steinbrunnen, der ein mittelalterlicher Waschplatz war, vorbei bis zum Bürgerhaus. Dort biegt man rechts ab und folgt der Landstraße bin zum „Doktorhaus“. Hier biegt man rechts ab und kommt am Ortsausgang von Ebsdorf wieder auf freies Feld. Von dort geht es wieder zum Ortsteil Frauenberg.

 

Fronhausen

In Fronhausen an der Lahn sanierte das Ehepaar Beate und Gunthram Schenk zu Schweinsberg den ehemaligen Fronhof des Reichstifts Essen, der seit dem 12. Jahrhundert den Mittelpunkt des Ortes bildet. Das Herrenhaus wurde 1751 errichtet. Der Stall wurde 1908 zum Kavaliershaus umgebaut. Die heutigen Eigentümer der Oberburg begannen nach der Übernahme des Besitzes 2002 mit „großem persönlichem Engagement und hohem finanziellem Aufwand“ mit der Sanierung. Das Anwesen liegt in der Burgstraße, die schon fast am Ende des Dorfs links von der Durchgangsstraße abbiegt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© Homepage von Peter Heckert