Rhein  - Main

 

Rhein

 

Koblenz

Die Stadt wurde im Jahre 9 vCh von dem römischen Feldherrn Drusus gegründet. Die Römer nannten sie  „Castrum ad confluentes“ = „Lager am Zusammenfluß“, weil hier die Mosel in den Rhein mündet. Aus dem  „confluentes“ wurde dann mit der Zeit „Koblenz“.  Die Stadt hat eine reiche Geschichte:  Schon im 5. Jahrhundert war hier ein fränkischer Königshof.

Kaiser Karl der Große war in Koblenz und hielt dort Gerichtstage. Kaiser Heinrich II. schenkte im Jahre 1018 die Stadt den Erzbischöfen von Trier.  Und so mancher Kurfürst lebte lieber in Koblenz als in Trier.

Nach 1688 erhielt die Stadt ein barockes Gepräge. Dann wurde sie Ende des 18. Jahrhunderts französisch, schließlich fiel sie an die Preußen. Noch im 19. Jahrhundert galt die Stadt als stärkste Festung Deutschlands. Doch das verhinderte nicht, daß Koblenz in zahlreichen Kriegen immer wieder nahezu dem Erdboden gleichgemacht wurde. Aber immer wieder ist die Stadt neu erstanden. Auch nach 1945 baut e man fast alle historischen Gebäude trotzig wieder auf.

Der alte Kern der Stadt liegt an der Mosel, von der Moselmündung bis zu der Stelle, wo schon die Römer eine Brücke geschlagen hatten und wo heute noch die mittelalterliche Balduin­brücke auf kräftigen Pfeilern ruht. Mit 13 Bögen wurde sie im Jahre 1343 unter Kurfürst Balduin errichtet. Aber im Jahre 1975 wurde sie umgebaut, so daß sie heute nur noch zehn Bögen hat.

Die Kurfürstliche Burg (auch „Alte Burg“ genannt) steht gleich bei der Brücke. Sie wurde um 1260 begonnen, die Hauptbauzeit war von 1276 bis 1289. Aber so richtig  fertig wurde sie erst im 17. Jahrhundert, als sie noch einmal stark verändert wurde. Die zwei Rundtürme mit  ihren Zwiebelhauben verleihen ihr ein barockes Aussehen. Außerdem hat der viereckige Bau eine ornamentreiche Wendeltreppe.

Wenige Schritte ostwärts findet sich rund um den Florinsmarkt das vielleicht schönste Bauensemble der Stadt: Die zweitürmige ehemalige Stiftskirche St. Florin steht auf römischen Fundamenten und wurde Anfang des 12. Jahrhunderts erbaut. Sie hat zwei niedrige Türme und eine romanische Westfassade, die schön gegliedert ist. Nach vielen Zerstörungen enthält sie nur noch wenige originale Ausstattungstücke. aber im Seitenschiff eine Reihe wertvoller gotischer Glasgemälde.

Neben der Kirche stehen drei Gebäude, die zusammen das Mittelrhein - Museum bilden: Der alte Adelssitz „Bürresheimer Hof“ aus der Zeit um 1650, das ursprünglich gotische Alte Kauf- und  Danzhaus aus dem 15. Jahrhundert (das seine heutige Form 1724 erhielt) sowie das ehemalige Schöffenhaus von 1530. Hier gibt sehenswerten Sammlungen mittelrheinischer Kunst vom 15. bis 19. Jahrhundert (Di-Sa 10.30-17. So und Fei 11-18 Uhr).

Sehenswert in der Stadt sinastor – Dom von  836 (heutige Form 1208), die Liebfrauenkirche  aus dem  12. Jahrhundert), die Stiftskirche aus dem  12. Jahrhundert), das Rathaus, ehemaliges Jesuitenkolleg und das Stadttheater und das ehemalige  kurfürstliche Hoftheater mit Innenarchitektur nach Versailler Vorbild.  An der Kreuzung Altengraben / Marktstraße stehen die „Vier Türme“: Hofbaumeister Sebastian setzte 1689 an die Kanten der vier Eckhäuser kunstvoll verzierte Hauserker, die sich mit ihrem reichen Schmuck gegenseitig zu übertrumpfen suchen.

Wo Rhein und Mosel zusammenfließen, liegt das Denkmal  „Deutsche Eck“. Es heißt so, weil dahinter das Deutschordenshaus steht. Der Deutsche Orden gründete hier 1216 seine erste Komturei am Rhein. Der stattliche Renaissancebau diente einst dem Ritterorden als Spital. In den Bauten des Deutschherrenhauses ist seit 1922 eine umfangreiche Sammlung moderner französischer Kunst untergebracht, die der mittlerweile verstorbene Aachener Kunstmäzen Peter Ludwig, ein gebürtiger Koblenzer, seiner Heimatstadt - sehr zu deren Freude - vermacht hat.

Umstrittener war dagegen die Wiedererrichtung des pompösen Bronzedenkmals Kaiser Wilhelm I. von 1897, das in den letzten Kriegstagen noch zerstört worden war. Doch seit September 1993 reitet Wilhelm nun wieder in Siegerpose hinaus zu der Stelle, an der Rhein und Mosel sich vereinen.

Zwei Kilometer vom Deutschen Eck rheinaufwärts steht das riesengroße kurfürstliche Residenzschloß, größter und reinster klassizistischer Bau am Rhein. Mit seinen Rondellen und seinem streng gegliederten Park greift es weit in die Koblenzer Neustadt hinein. Es wurde in den Jahren 1780 bis 1786 von Sebastini unter dem letzten Kurfürsten Clemens Wen­zeslaus erbaut, der auch lieber in Koblenz wohnte als in Trier. Zuvor hatten die Kurfürsten auf der Festung Ehrenbreitstein auf der gegenüberliegenden Rheinseite residiert.

Daneben  bei der Pfaffendorfer Brücke  hat man ein  „Weindorf“ eingerichtet. Seine alten Fachwerkhäuser stehen unmittelbar am Rhein unter mächtigen Kastanienbäumen versteckt.

Die Fachwerkhäuser sind allerdings nicht alt, sondern ein Nachbau von 1925. Aber in dieser romantischen Umgebung finden sich gern die Touristen ein und geraten schnell in Stimmung.

 

 

Ehrenbreitstein

Gegenüber von Koblenz auf der östlichen Rheinseite liegt auf 118 Meter Höhe die Festung Ehrenbreitstein. Ein Besuch lohnt sich allein schon wegen der wunderbaren Aussicht auf  Rhein, Mosel und ins weite Land. Ehrenbreitstein galt im 19. Jahrhundert als eine der stärksten Festungen in Europa. Wegen ihr wurde Koblenz auch schon als die „Militärhauptstadt Deutsch­lands“ bezeichnet. In der Tat ist sie des Landes größte Garnison, vielerlei militärische Ämter und Einrichtungen konzentrieren sich hier.

Schon vor mehr als 2000 Jahren ging es um die Absicherung des Moselübergangs an der römischen Heerstraße von Mainz nach Köln. Bereits um 1000 entstand hier die erste Burg, die im Laufe der Jahrhunderte zu einer uneinnehmbaren Feste ausgebaut wurde. Die heutige Anlage errichteten die Preußen 1817 - 1828. Die Bauten in schlichten, kubischen Formen passen sich in ihren wuchtigen Maßen dem stufenförmigen Gelände an, die Hauptgebäude wirken monumental. Diese Festung baut sich aus einer Vielzahl einzelner Komplexe auf. Besonders reizvoll ist der barocke Marstall.

Im Festungsbereich befinden sich neben zwei Gastronomiebetrieben das Landesmuseum Koblenz  (Staatliche Sammlung technischer Altertümer), die Festungskirche, das Ehrenmal des Deutschen Heeres und die Jugendherberge Koblenz. Andere Teile des Festungswerkes können von außen besichtigt werden. Von oben gibt es vom Festungshof aus eine grandiose Aussicht auf Koblenz, in das Rheintal und bis weit in die Eifel hinein.

 

 

Lahnstein

Am Fuß des Festungsberges stehen als Reste einer kurfürstlichen Residenz der ehemalige Marstall und das barocke Dikasterialgebäude (Verwaltungsgebäude). In der Altstadt gibt es historische Häuser, unter anderen das alte Rathaus und einen kurfürstlichen Zehnthof. Auch die Gedächtnisstätte im Geburtshaus der Mutter des Komponisten Ludwig van Beethoven ist zugänglich. Im geschichtsträchtigen „Wirtshaus an der Lahn“ ist auch Goethe eingekehrt.

Im Ortsteil Niederlahnstein ist sehenswert die Johanniskirche aus dem 12. Jahrhundert. Außerhalb des Stadtkerns am Rheinufer finden sich Reste der - heute leider verschütteten - römischen Befestigungsanlage (Hinweistafel). Auf einem Bergsporn erbaut ist die Allerheiligenbergkapelle auf den Resten einer Einsiedelei aus dem 17. Jahrhundert.

Auf der anderen Lahnseite erhebt sich Burg Lahneck über der Stadt. Hinter den Bahnanlagen steht die Martinsburg mit Teilen aus dem 13. und 14. Jahrhundert.  Umfangreiche Reste der Stadtmauer und der Mauertürme sind zu sehen. Außerdem gibt es die Kirche St. Martin aus dem 12. und 14.  Jahrhundert und das Rathaus aus dem 16. Jahrhundert.

Auf der Höhe erstreckt sich ein modernes Kurzentrum. Um die wildromantische Rupperts­klamm am Stadtrand zu erkunden, bedarf es der Qualitäten eines Bergwanderers.

 

Man kann ins romantische Mühlental fahren mit dem Turm der ehemaligen Wasserburg. Ziel kann auch sein Koblenz - Arenberg mit einer Wallfahrtskirche und einer ungewöhnlichen Parkanlage (Darstellungen aus der Welt der Bibel).

Ehrenbreitstein steht im Mittelpunkt des Feuer- und Lichterzaubers „Rhein in Flammen“, das jedes Jahr am zweiten Wochenende im August Zehntausende von Menschen und Hunderte von Schiffen ans Deutsche Eck lockt und bis nach Braubach reicht.

 

Braubach / Marksburg

Der Ort zählt zu den ältesten Ansiedlungen am Rhein. Winkelhakenförmig um den Fuß des Burgbergs errichtet, verbindet der alte Stadtkern mit seinen Gäßchen, Winkeln und Fachwerkhäusern den mittelalterlichen Eindruck eines Rheinstädtchens mit der Schönheit der Landschaft. Die in Teilen noch gut erhaltene Stadtbefestigung aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. führt noch den Burgberg hinauf, denn die Marksburg war in die Bewehrung einbezogen.

Einen Eckpfeiler der Stadtbefestigung bildete der Turm der ehemaligen Pfarrkirche St. Barbara aus dem 14. Jahrhundert. Außerdem blieben neben beträchtlichen Teilen der Wehrmauer der „Pangrafenturm“, das „Obertor“ mit Turm und die Reste von vier Schalentürmen erhalten. Auch die romanische Friedhofskapelle St. Martin, die Philippsburg von 1568 und im mittelalterlichen Stadtkern zahlreiche schöne Fachwerkhäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert sind sehenswert. Wenn man entlang des unterhalb gelegenen mittelalterlichen Ortskerns fährt und das historische Obertor passiert und auf der L 335 nach rechts in Richtung Dachsenhausen fährt, zweigt nach einigen hundert Metern rechterhand bei einem Parkplatz der schmale Fahrweg zur Marksburg ab.

 

Am Ausgang von  Kestert tauchen halblinks am Hang die Burgen Sterrenberg und Lieben­stein auf. Wohl keine andere Burg am romantischen Mittelrhein ist von so vielen Geschichten, Sagen und Legenden umwoben wie diese beiden, im Volksmund „die feindlichen Brüder“ genannt. Im Kern sind alle diese Geschichten gleich: Zwei Brüder sollen sich - je nach Sage aus Neid, Mißgunst oder Eifersucht - zerstritten und nach dem Leben getrachtet haben, weshalb sich die von ihnen bewohnten Burgen „feindlich“ gegenüber stehen. Beflügelt wird die Phantasie noch durch die Tatsache, daß sich zwischen den beiden Wehrbauten zwei Schildmauern und ein Halsgraben befinden. Trotzdem - alles Sage und Legende!

Sterrenberg, die flußabwärts gelegene ältere der beiden Burgen, war vor 1100 Reichsburg und gehörte ab 1195 den Reichsministerialen von Bolanden. Kurfürst Balduin von Trier (1307 - 1354) erwarb sie Mitte des 14. Jahrhunderts. Die von Bolanden zogen daraufhin auf die jüngere Burg Liebenstein, ursprünglich Vorburg von Sterrenberg. In den meisten dieser Sagen und Legenden spielt auch eine angebliche Schwester der beiden feindlichen Brüder und das am Fuße des Burgbergs gelegene Kloster Bornhofen eine Rolle. Mit dem Wahrheitsgehalt verhält es sich aber wie oben.

Tatsache ist, daß eine Kapelle seit 1224 und ein Gnadenbild seit 1289 erwähnt werden. Die heutige Wallfahrtskirche wurde 1435 geweiht. Die im späten 17. Jahrhundert angebaute Gnadenkapelle mit einer Pietà des 15. Jahrhunderts wurde vom Trierer Erzbischof Hugo von Orsbeck gestiftet. Er war es auch, der 1679 Kapuziner zur Betreuung der Wallfahrer einsetzte. Heute kümmern sich Franzis­kaner um den Pilgerstrom. Der Weg zu den Burgen und zur Wallfahrtskirche führt unter der Bahn hindurch rechts ab in Richtung Dahlheim / Lykers­hausen.

 

Lang erstreckt sich der Ort Kamp stromabwärts. Von seiner reichen Geschichte künden mehrere Adelshöfe und Fachwerkbauten aus verschiedenen Jahrhunderten. Das ehemalige Flößer- und Schifferdorf ist heute eine bekannte Fremdenverkehrsgemeinde im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal.

 

Sehenswert in dem flußabwärts gelegenen kleinen Ort Filsen ist neben mehreren gut erhaltenen Fachwerkhäusern vor allem das reizvolle alte Rathaus von 1611, das als Rest der alten Ortswehr die Dorfstraße torartig überbrückt. Ausgangs Filsen windet sich der Rhein in einer steilen, S-förmigen Schleife, dem sog. „Bopparder Hamm“ (hamus = Haken), an dessen Ende sich die schöne Flußfront des Ortes Osterspai erstreckt.

 

Die Marksburg gilt als eine der schönsten und bekanntesten Burgen Deutschlands und wird von rund 200.000 Gästen jährlich besucht. Die einzige unzerstörte Höhenburg am Mittelrhein stammt aus dem 12. - 14. Jahrhundert und ist seit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1231 bis heute ununterbrochen bewohnt. Seit 1900 ist der mächtige Trutzbau Eigentum und Sitz der Deutschen Burgenvereinigung, die sich der Dokumentation, wissenschaftlichen Bearbeitung und denkmalpflegerischen Betreuung von rund 30.000 Burgen und Schlössern im deutschsprachigen Raum verschrieben hat. Die Marksburg beherbergt die größte burgenkund­liche Bibliothek Europas. In der „Schatzkammer Deutschland“ wird sie wie folgt beschrieben: „Das Burgleben des Mittelalters wird lebendig in den als Museum hergerichteten Innenräumen der Burg, in Kemenate, Rittersaal mit Toilette aus damaliger Zeit, Kapelle, Waffen- und Rüstkammer und in der Burgküche mit Kamin von 1350, mit Kupfergefäßen und Tonkrügen. Eine Seltenheit ist das Burggärtlein mit mittelalterlichen Heil- und Gewürzkräutern und Zierpflanzen“.

 

 

Boppard

Kaum eine Stadt kann ihre Entwicklung von der Römerzeit über Spätantike und Frühmittelalter bis zur Neuzeit anhand ihrer historischen Bausubstanz derart lückenlos belegen wie das linksrheinische Boppard. Schon die gewaltigen Bruchsteinmauern der römischen Festung „Bodobrica” aus dem 4. nachchristlichen Jahrhundert geben der Gemeinde außerordentlichen Rang. Das Bauwerk sicherte mit drei Meter dicken Mauern und 28 Türmen, von denen zwei vollständig erhalten sind, auf einer Fläche von fast fünf Hektar eine der wichtigsten römischen Siedlungen am Rhein. Es sind noch bis zu 10 Meter hohe Türme und Mauern vorhanden, es handelt sich um die besterhaltene römische Kastellmauern in Deutschland.

Die Ausdehnung entspricht weitgehend dem heutigen Altstadtkern. Auch nach dem großen Alamannen- und Frankensturm ind en Jahren 406 / 407 wurde das festungsartige Kastell weiter genutzt. So konnten 30 Gräber aus fränkischer Zeit nachgewiesen werden. Unter „Schneewittchensärgen” sind drei davon dort zu besichtigen. Von der mittelalterlichen Stadtbefestigung sind Tore und lange Mauerzüge erhalten, erbaut auf Fundamenten der römischen Festung.

Und nicht zuletzt der Fund eines frühchristlichen Taufsteins aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts deutet auf die Weiternutzung der römischen Fundamente unter geänderten kulturellen Vorzeichen. Über dem heute in der Vorhalle sichtbaren Taufbecken aus dem 5. Jahrhundert und dem dazugehörigen Kirchlein erwuchs die romanisch - gotische St.- Severus-Kirche. Ihre Doppelturmfassade mit Stufenportal aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts verleiht Boppard zusammen mit den Türmen der heute als Stadtmuseum genutzten kurtrierischen Festung sein unverwechselbares Ortsbild.

Die katholische Pfarrkirche St. Severus (vor 1225) ist eine spätromanische Emporenbasilika, der Chor ist von 1236, das Kruzifix um 1230 entstanden (eins der bedeutendsten . Werke Staufischer Holzplastik am Mittelrhein). Die katholische Kirche des ehemaligen Karmeliterklosters (1319 – 1454) ist turmlos, hat aber eine wertvolle Ausstattung: geschnitztes Chorgestühl (um 1460), barocker Hochaltar (1699), Wandmalereien (1407), 15 Totenschilde und Grabdenkmäler.

Die Kurtrierer Burg ist im Kern aus dem 14. Jahrhundert und eine ehemals von Wassergräben umgebene Tiefburg: Nach dem Brand von 1499 wurde sie verstärkt. Sie hat runde Ecktürme und einen Bergfried als Wohnturm. Im Obergeschoß ist eine Kapelle mit wertvollen Fresken aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Heute ist die Burg das Stadtmuseum, unter anderem mit einer Thonet - Möbelausstellung.  Der Stadthof der Familie von Schwalbach ist aus dem  15. Jahrhundert, der Eltzer Hof von 1566.

Nach dem Bummel durch die Altstadt läuft man die Rheinpromenade stromabwärts und stößt bald auf die Markierung mit der weißen Ziffer 37 auf grünem Grund. Sie geleitet ein Stück an der B 9 entlang, ehe der Weg links unter den Bahngleisen hindurchführt. Jetzt kann der Aufstieg über fast 100 Stufen durch die sogenannte „Bopparder Hamm“ beginnen.An dem amphitheatrisch geformten Schieferhang gedeihen einige der besten Rieslinge im gesamten Mittelrheintal. Die imponierende Sicht von den Rebenterrassen über das Rheintal wird dann erst einmal unterbrochen. Es folgt der steile Abstieg ins tief eingeschnittene Petersloch. Nach einem Wirtschaftgebäude mitten im Wald  muß man wieder in den Berggang schalten.

Über Serpentinen geht es hinauf auf den Jakobsberg, wo den Wanderer ein gehobenes Hotel - Restaurant erwartet. Es entstand auf den Fundamenten eines 1157 von Kaiser Friedrich I. gegründeten Klosters. Der Hotelzufahrt folgt man nur kurz nach links. Bald steht man wieder im Wald, dort aber etwas im Stich gelassen von der Markierung 37. Deshalb ist Folgendes zu beachten: An einem Fünf - Wege - Stern orientiert man sich in Richtung „Rhens -Brodendorf”, jedoch nicht an der nächsten Gabelung mit der Anzeige „Jugendzeltplatz / Schauren” und auch nicht an dem späteren Linksabzweig „Panoramaweg“ (P).

 

Wenn das Schild „Vierseenblick” sowie die Markierungen roter Rhombus und schwarze Ziffer 19 auftauchen, erhält man damit zusätzliche Hilfestellung. Vollends auf der richtigen Seite ist man im Geleit des weißen R (= Rheinhöhenweg), nachdem der Pfad stramm bergab führend die Engelseiche erreicht hat. Ohne Umschweife führt das neue Zeichen zum Höhepunkt dieser Wanderung, dem landschaftlichen Vexierspiel am „Vierseenblick”. Von diesem Aussichtspunkt betrachtet, wirken die Rheinschleifen zwischen Boppard und Braubach wie vier nicht miteinander verbundene „Seen”.

Nur wenige Meter weiter bietet sich am Gedeonseck abermals ein spektakulärer Ausblick - hier vor allem auf das an der engen Flußwindung gelegene Boppard. Zum Schluß fliegt einem förmlich die Stadt zu, sofern man den bis Ende Oktober geöffneten Sessellift zur Überwindung der steilen Flanke an der Bopparder Hamm benutzt. Buchstäblich über Stock und Stein kann man aber auch, dem „R” folgend, den Abstieg zu Fuß riskieren oder weniger gefährlich die Zufahrt zu den beiden Gaststätten am Gedeonseck und dem „Vierseenblick” benutzen (Rhein-Main, 265).

 

 

St.  Goar / Burg Rheinfels

Heute liegt St. Goar mitten in Rheinland - Pfalz, auf halber Strecke zwischen Bingen und Koblenz. Fast vergessen ist, daß hier früher über Jahrhunderte „Hessen“ die Wacht am Rhein hielt. Der Ort selbst war dabei weniger von Interesse, war gewissermaßen nur eine Dreingabe.

Viel Platz zur Ausdehnung blieb da auch später nicht. Auf schmalem Grundriß drängen sich die Häuser. Neben der Rheinpromenade und der Uferstraße ist gerade noch Raum für zwei Parallelgassen

Der Ursprung des Städtchens geht zurück auf einen Einsiedler, der Mitte des 6. Jahrhunderts hier lebte. An seinem Grab entstand ein Kloster, aus dem sich bereits unter den Karolingern eine kleine Siedlung entwickelte. Obwohl nie offiziell mit den Stadtrechten ausgezeichnet, gelangte der Ort im Mittelalter durch die zahlreichen Wallfahrten zu hohem Wohlstand und verfügte über Privilegien wie Markt, Gericht und Zoll.

Die Fußgängerzone führt durch eine Galerie teutonischer Souvenirs, die ein offensichtlich un­ausrottbares Bedürfnis nach romantischen Klischees befriedigen - von der „größten freihängenden Kuckucksuhr Deutschlands“ bis zum „größten Bierkrug der Welt“ (1,50 Meter hoch). Die unvermeidlichen Begleiterscheinungen des Rheintourismus mag man andererseits als Zeichen dafür werten. daß in St. Goar zusam­menkommt, was die Rheinromantik eigentlich ausmacht: Burgen. Kir­chen, Wein, Dampferfahrten und ein Mythos wie aus dem Sagenbuch.

 

Pfarrkirche:

Das heutige Bild des Städtchens wird durch die ehemalige Stifts- und heutige evangelische Pfarrkirche geprägt. Sie wurde bereits im 7. Jahrhundert gegründet. Von ihr sind aber keine Reste erhalten. Von einem salischen Neubau im späten 11. Jahrhundert überstand die Krypta den großen Brand des Jahres 1137. Der Chor mit frühgotischem Maßwerk im Mittelfenster entstand um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Der Bau des spätgotischen Langhauses wurde 1444 begonnen und 1469 vollendet. Um 1100 erfolgte die Umwandlung der Kirche in ein Chorherrenstift, das bis zur Einführung der Reformation 1527 zur Abtei Prüm gehörte.

Die dreischiffige Hallenkirche besitzt eine reiche Ausstattung, darunter unter anderem eine gotische Kanzel, eine vollständig erhaltene dekorative und figürliche Ausmalung aus der Zeit zwischen 1469 und 1479 und mehrere Grabdenkmäler aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Der 1583 verstorbene Landgraf Philipp II. von Hessen - Rheinfels wurde mit seiner Gemahlin in der Stiftskirche zu St. Goar beigesetzt. Ihre großartigen Renaissance - Epitaphe fügen sich in die reich ausgestattete spätgotische Hallenkirche ein. Deren vollständig erhaltene, flächenfüllende Wand- und Deckenmalereien sind am Rhein ohne Beispiel.

Burg Rheinfels:

Sichtbarster Ausdruck der neu gewonnenen Stärke der Grafen von Katzenelnbogen war und blieb Burg Rheinfels, die größte und mächtigste der Rheinfestungen. Graf Diether V. von Katzenelnbogen ließ sie 1245 auf einem Felssporn oberhalb des Städtchens St. Goar auf dem linken Rheinufer errichten. Mit ihrer Hilfe war es ihm möglich, Zoll von den rheinaufwärts fahrenden Schiffern zu kassieren. Die Schiffe wurden mit Seilen oder Ketten gestoppt, die Waren kontrolliert, erfaßt und tarifiert, dann waren die entsprechenden Abgaben zu zahlen. Ein äußerst einträgliches Geschäft, das den Katzenelnbogenern viele Tausend Goldgulden im Jahr einbrachte und sie bis zum Aussterben des Geschlechts 1479 zu einem der reichsten Adelshäuser in Deutschland werden ließ.

Nur zehn Jahre nach der Errichtung von Burg Rheinfels erhöhte Graf Diether den Zoll, obwohl er erst kurz zuvor dem Rheinischen Städtehund beigetreten war. Diesem Bündnis  - das nur drei Jahre von 1254 bis 1257 existierte - gehörten 59 Städte an, unter anderem Mainz, Worms, Oppenheim, Bingen, Frankfurt und Köln, aber auch Zürich, Aachen, Bremen, Lübeck und Nürnberg. Ziel ihres Zusammenschlusses war es zum einen, Konflikte zu vermeiden und durch eine eigene Kriegsflotte den Handelsverkehr auf dem Rhein zu schützen. Daneben wollten die Mitglieder des Bundes aber auch die etwa dreißig verschiedenen Rheinzölle abschaffen, über die sich die Händler allenthalben bitter beklagten. Diese Forderung paßte allerdings gar nicht zu den Plänen des Grafen Diether, der die Baukosten für seine Burg wieder hereinholen wollte. So kam es zum Bruch mit dem Rheinischen Städtebund, der Truppen nach St. Goar schickte, um den widerborstigen Grafen in seine Schranken zu weisen und Burg Rheinfels zu besetzen. Doch die hielt stand.

Von der Spitze des Torturms aus sieht man auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins die Burg Katz, die die Grafen von Katzenelnbogen um 1370 errichten ließen. Dadurch wurde es möglich, auch von den rheinabwärts fahrenden Schiffen Zoll zu verlangen - den St. Goarer Doppelzoll nannten das die wenig erfreuten Zeitgenossen. Etwas weiter flußabwärts erkennt man außerdem Burg Maus, eine Gründung des Erzbischofs von Trier, eines Rivalen der Katzenelnbogener. Burg Katz gehört heute einem japanischen Millionär, auf Burg Maus ist ein Adler- und Falkenhof untergebracht.

Die umfangreichsten Neu- und  Umbauten auf Burg Rheinfels ließen die hessischen Landgrafen vornehmen, die 1479 die Besitztümer der Grafen von Katzenelnbogen geerbt hatten. Unter ihnen wurde die Burg zu einem repräsentativen Residenzschloß umgestaltet. Im Zuge dessen entstand übrigens gegen Ende des 16. Jahrhunderts auch der große Weinkeller, der mit einer Länge von 24, einer Spannweite und Höhe von je sechzehn Metern als der größte

freitragende Gewölbekeller in Europa gilt Die Mauern sind an einigen Stellen knapp vier Meter dick. In dem Keller befand sich früher ein gemauertes Weinfaß mit einem Fassungsvermögen von etwa 200.000 Litern. Vor zehn Jahren wurde der Keller umfassend renoviert und in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Seither dient er als Veranstaltungsort für Konzerte, Theateraufführungen und Firmenfeiern.

Im 14. Jahrhundert entstand ein mehr als 50 Meter hoher Bergfried, von dem aus man weit in den Taunus und den Hunsrück blicken konnte - das war Rekord in Deutschland. Von dem Turm ist heute leider nur noch der Stumpf zu sehen. Anderes hat sich besser erhalten oder wurde wieder aufgebaut, so daß man die Entwicklung der Rheinfels von einer mittelalterlichen Höhenburg zu einer neuzeitlichen Festung gut nachvollziehen kann.

Die beeindruckendsten der erhaltenen Teile der Kernburg sind der dreistöckige Palas, auch „Darmstädter Bau“ genannt, der zur Renaissancezeit aus Fachwerk mit spitzen Giebeln bestand, der nördliche Wohnbau mit einem rheinseitigen Eckrundturm und einem hofseitigen Treppenturm, in dem heute das Burgmuseum untergebracht ist, und der Torturm, durch den man die ganze Anlage betritt.

Die hessischen Grafen waren es aber auch, die seit der Wende zum 16. Jahrhundert die starken vorgelagerten Festungswerke rund um die Rheinfels errichteten. Damit zeigten sie zunächst, daß sie die Zeichen der Zeit erkannt hatten: Die Erfindung des Schießpulvers und der Einsatz von Kanonen machten die mittelalterlichen Burgen verwundbar. Nicht ahnen konnten die Hessen zu jener Zeit freilich, daß sie selber einmal nicht nur Angegriffene, sondern auch Angreifer sein würden. Denn nach dem Tod des berühmten Landgrafen Philipp des Großmütigen 1567 und der Teilung der Grafschaft Hessen entbrannte zwischen den beiden hessischen Häusern Kassel und Darmstadt ein heftiger Streit um die Burg. Besonders während des Dreißigjährigen Krieges, als die Kasseler auf der Seite der protestantischen Union, die Darmstädter auf der Seite des katholischen Kaisers kämpften, lieferten die beiden Häuser sich blutige Kämpfe um die Burg Rheinfels.

Schon die Katzenelnbogener hatten aus ihr eine der mächtigsten Festungen am Rhein gemacht, die alle Belagerungen erfolgreich überstand. Die verschiedenen hessischen Linien, in deren Besitz die Burg wechselweise ging und um die sie sogar Krieg un­tereinander führten, bauten sie schließlich zu einer der größten und schönsten Bollwerke im Reich aus. Ein Gemälde von Dilich aus dem Jahre 1607 zeigt ein herrliches Renaissanceschloß mit rot gestriche­nen Fachwerkbauten, einer Fülle von verschwenderischen Giebeln, Erkern, Türmchen und Gauben. Solch leicht verwundbaren Luxus konnte man sich nur erlauben, weil potentielle Angreifer mit einer tiefgestaffelten Abfolge von Zwingern und Vorwerken auf Distanz ge­halten wurden.

Nach dem Ende des Krieges 1648 schlossen die verfeindeten Verwandten dann einen Vergleich, durch den die Burg Rheinfels und die Stadt St. Goar zwischen ihnen geteilt wurden. Ein Jahr darauf machte Landgraf Ernst von Hessen - Rheinfels - Rotenburg, Sohn des Landgrafen Moritz von Hessen - Kassel, Rheinfels zu seiner Residenz und ließ die Festungsanlagen noch einmal verstärken. Die erhaltenen Wehrgänge sind heute noch begehbar. Das gilt auch für die unterirdischen Minengänge, die bis weit vor die Burg getrieben worden waren, unter anderem um Sprengladungen unter den Truppen der Angreifer zünden zu können. Die Tunnel sind frei zugänglich, allerdings nicht beleuchtet, so daß man eine Taschenlampe mitbringen sollte, und sehr niedrig, was sie vor allem für Kinder interessant macht.

Die Verstärkung der Bollwerke auf der Bergseite der Burg unter Landgraf Ernst verhinderte 1692, daß die Franzosen  - die unter dem „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. versuchten, die westlichen Teile des deutschen Reiches zu erobern - Rheinfels einnehmen und das Mittelrheintal besetzen konnten. Mit nur 4000 Mann verteidigte Graf Görtz, General des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel, die Burg als letzten deutschen Stützpunkt gegen ein Heer von 28.000 französischen Soldaten. Obwohl Ludwigs Truppen mit sechzig Kanonen tagelang in die Burg hineinfeuerten, mußten sie schließlich ohne Erfolg abziehen. Als einzige linksrheinische Burg überstand Rheinfels den Ansturm der französischen Truppen 1692 / 1693. Nur 4000 Verteidi­ger trotzten damals einer Obermacht von rund 28.000 Mann.

Kampflos aufgegeben und größtenteils gesprengt wurde die Anlage erst 1796. Jetzt nahten die Franzosen abermals, diesmal im Namen der Revolution und so zahlreich, daß sie die Festung kampflos eroberten. Wie fast alle Burgen am Rhein zerstörten die Franzosen auch die Rheinfels: Im Jahre 1796 wurden die vorgelagerten Festungswerke gesprengt, 1797 auch das Schloß und der Bergfried.

Der nahe Loreleyfelsen wird es nicht gewesen sein, der die Katzenelnbogener Grafen bewogen hatte, zur Mitte des 13. Jahrhunderts am Übergang der Hunsrückstraße zum Taunus eine mächtige Zollburg zu erbauen. Im Gegenteil: Die Verheißungen der blondgelockten Sirene auf dem Felsen müssen sich ausgesprochen geschäftsschädigend für die Einnahmen der Katzenelnbogener ausgewirkt haben. Manche Hoffnung auf reiche Abgaben zerschellten da schon vor dem Passieren von St. Goar.

Genügend Kapitäne werden die Fährnisse der Loreley aber noch umschifft haben. Anders hätte das aus dem Taunus stammende und aus bescheidensten Verhältnissen aufgestiegene Katzenelnbogener Grafenhaus nicht innerhalb von 400 Jahren zu einem der reichsten deutschen Geschlechter werden können. Am Rhein. der wichtigsten Handelsstraße Europas. besaß es zwischen Gernsheim und Düsseldorf ein Dutzend lukrativer Zollstätten. Allein an der Burg Rheinfels über St. Goar betrugen die Einkünfte zusammen mit der gegenüberliegenden Schwesterburg „Katz“ rund 10.000 Gulden im Jahr (zum Vergleich: ein Pferd kostete damals 20 Gulden). Mit diesem Geld bauten die Katzenelnbogener nicht nur eine Kette von Burgen am Mittelrhein. an der Bergstraße und im Odenwald, die von der Befestigungskunst her wie auch architektonisch - teilweise durch Eindrücke, die die Grafen auf Reisen nach Palästina sammelten - immer auf dem neuesten Stand waren.

Darüber hinaus alimentierten die heimlichen Herren am Mittelrhein auch die Kurfürsten und Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier mit großen Summen. Allein der Mainzer Erzbischof stand im 15. Jahrhundert mit 100 000 Gulden bei ihnen in der Kreide. Das verpflichtete. Vermutlich nur dank des Mainzer Einflusses am Hofe gelang es dem letzten männlichen Vertreter der Katzenelnbogener Grafen Philipp die Rückgabe („Heimfall“) der Reichsgrafschaft an die Krone zu verhindern, nachdem sich abzeichnete. daß er ohne Sohn bleiben werde. Es fügte sich, daß der hessische Landgraf Heinrich III. beim Ableben Philipps 1479 mit der Erbtochter Anna vermählt war. Eine größere und reichere Mitgift hat Hessen zuvor und danach nie mehr erhalten. Die eher unbedeutende, auf Mittel- und Nordhessen beschränkte Landgrafschaft griff nun weit nach Süden aus und ihren Nachbarn tief in die Taschen. Ohne den territorialen und finanziellen Zugewinn hätte Hessen beispielsweise in der Reformationszeit keine so bedeutende Rolle spielen können.

Sichtbarster Ausdruck der neu gewonnenen Stärke war und blieb Burg Rheinfels. Schon die Katzenelnbogener hatten aus ihr eine der mächtigsten Festungen am Rhein gemacht, die alle Belagerungen erfolgreich überstand. Die verschiedenen hessischen Linien. in deren Besitz die Burg wechselweise ging und um die sie sogar Krieg untereinander führten, bauten sie schließlich zu einer der größten und schönsten Bollwerke im Reich aus. Ein Gemälde von Dilich aus dem Jahre 1607 zeigt ein herrliches Renaissanceschloß mit rot gestrichenen Fach­werkbauten, einer Fülle von verschwenderischen Giebeln, Erkern, Türmchen und Gauben. Solch leicht verwundbaren Luxus konnte man sich nur erlauben, weil potentielle Angreifer mit einer tiefgestaffelten Abfolge von Zwingern und Vorwerken auf Distanz gehalten wurden. Als einzige linksrheinische Burg überstand Rheinfels den Ansturm der französischen Truppen 1692/93. Nur 4000 Verteidiger trotzten damals einer Obermacht von rund 28 000 Mann. Kampflos aufgegeben und größtenteils gesprengt wurde die Anlage erst gut 100 Jahre später.

Umfangreiche Sicherungsarbeiten haben der Burg seit Mitte des letzten Jahrhunderts außer den Türmen weitgehend ihre frühere Substanz zurückgegeben. Bis in die letzten Ecken der verwinkelten Weitläufigkeit. auf den Bastionen und Schildmauern darf herumgeklettert und in das riesige Tonnengewölbe des Kellers mit seinen stockdunklen Minengängen hinabgestiegen werden. Ein kleines Burgmuseum vermittelt anhand von Modellen, Karten, Alltagsgegenständen und Waffen noch einen Abglanz der großen Zeit der Veste und ihrer Besitzer. Einer von Ihnen, der 1583 verstorbene Landgraf Philipp II. von Hessen - Rheinfels wurde mit seiner Gemahlin in der Stiftskirche zu St. Goar beigesetzt. Ihre großartigen Renaissance - Epitaphe fügen sich in die reich ausgestattete spätgotische Hallenkirche ein. Deren vollständig erhaltene, flächenfüllende Wand- und Deckenmalereien sind am Rhein ohne Beispiel.

 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts standen am Rhein fast nur noch Ruinen. Viele wurden dann aber im Zuge der in dieser Zeit einsetzenden „Rheinromantik“ ganz oder teilweise wieder aufgebaut. Die Reste der Rheinfels wurden 1812 von den Franzosen an einen St. Goarer Händler verkauft. Nachdem die Ruine eine Zeitlang Steinbruch zum Bau der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz gewesen war, kaufte sie 1843 Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., und bewahrte sie vor weiteren Zerstörungen. Seit 1925 ist sie im Besitz der Stadt St. Goar. Umfangreiche Sicherungsarbeiten haben der Burg seit Mitte des letz­ten Jahrhunderts außer den Türmen weitgehend ihre frühere Sub­stanz zurückgegeben.

Ein kleines Burgmuseum vermittelt anhand von Modellen, Karten, Alltagsgegenständen und Waffen noch einen Abglanz der großen Zeit der Veste und ihrer Besitzer. Bis in die letzten Ecken der verwinkelten Weit­läufigkeit, auf den Bastionen und Schildmauern darf herum­geklettert und in das riesige Tonnengewölbe des Kellers mit seinen stockdunk­len Minengängen hinabgestiegen werden.

Nur wenige Schritte weiter gibt es ein ganz anderes Schatzhaus zu bestaunen. das „Deutsche Puppen- und Bärenmuseum“. Trotz der Titulierung „deutsch“ erhebt das aus einer Privatsammlung hervorgegangene Museum keinen Anspruch auf Systematik. Bei 2000 Pup­pen und 700 Bären, unter ihnen fast vollständige Serien mit Käthe - Kruse- und Schildkröt-Puppen sowie Steiff - Tieren, kommen auch Sammler auf ihre Kosten. Museumsinitiatorin Eleonore Goedert geht es aber in erster Linie um die Liebe zum Spielzeug. Da haben dann auch schon mal zerdrückte Püppchen und abgeliebte Bären ihr letz­tes Zuhause gefunden. inmitten von schmucken und teilweise sehr wertvollen Artgenossen. Der Museumsladen am Eingang ist eine wahre Fundgrube für jeden, der sich ein Stück Kindheit bewahrt hat. Dort fehlt es an nichts für die komplette Puppenstubeneinrichtung. Es gibt jede Menge Kleidchen und Ersatzteile für Puppen (notfalls repariert Frau Goedert in der angeschlossenen Puppenklinik selbst) – und natürlich Bären in allen Größen.

 

 

Loreley

St. Goarshausen hat ein altes Fachwerk - Rathaus  von 1532. Von der Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert sind zwei Türme erhalten. Die  Burg Katz (nicht zu besichtigen) wurde um 1372 erbaut (1353 bis um 1380) durch Graf Johann III. von Katzenelnbogen. Im Jahre 1806 wurde sie zerstört und 1896 – 1898 wieder aufgebaut; sie hat einen hohen Palas und einen mächtigen Bergfried. Im Stadtteil Wellmich steht die katholische Pfarrkirche St. Martin aus dem  14. Jahrhundert, eine gotische Hallenkirche mit Fresken aus dem 14. oder 15. Jahrhundert.

 

Deutschlands meistbesungener Felsen wird besungen in dem berühmten Gedicht von Heinrich Heine, das von Friedrich Silcher vertont wurde: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin, ein Märchen aus uralten Zeiten, das geht mir nicht aus dem Sinn....“. Die besungene Dame und der in den Strom ragende schroffe Felshang symbolisieren bis heute den Inbegriff der Rheinromantik. Und dabei handelt es sich nicht einmal um eine der zahlreichen alten überlieferten Sagen und Legenden, sondern um eine 1801 vom Koblenzer Dichter Clemens Brentano erfundene und in seinem Roman „Godwi“ erschienene Geschichte. Ihren angestammten Platz auf dem Felsengipfel hat die Loreley übrigens längst aufgegeben. Sie sitzt heute ein paar hundert Meter weiter stromabwärts auf der Spitze der Mole des Winterhafens. Von einem links der Straße gelegenen Parkplatz führt ein Fußweg zu ihr hin.

Vom Bahnhof läuft man an der Rheinpromenade von St. Goarshausen zunächst gegen die Fließrichtung des Stromes. Vorbei an einem mittelalterlichen Turm, in dem ein kleines Weinmuseum untergebracht ist, geht es kurz darauf links ab in die Forstbacher Straße mit der Richtungsanzeige „Lore­ley”. Diesem folgt man erst einmal auf Gehwegen, dann auf den Banketten der Fahrbahn. Nach einer weiten Rechtskurve kann man links ausweichen und dem Forstbach auf einem schmalen Pfädchen folgen. Vorsicht ist geboten, Blätter und glatte Felsstufen verlangen auf dem rutschigen Terrain erhöh­te Aufmerksamkeit.

Nachdem man an der Straßeneinmündung von Patersberg angelangt und die Loreley - Zu­fahrtsstraße diagonal gequert hat, setzt sich der schmale Weg an der anderen Hangseite hinauf nach Heide fort. Hier tritt auch das Zeichen für den Rheinhöhenweg, ein „R“, hinzu. Oben angelangt, leitet es sicher am Rande der Neubausiedlung Heide entlang. Zu be­achten ist der scharfe Rechtsknick an den letzten Häusern, denen sich eine kurze Waldpartie anschließt. Kaum die Bäu­me hinter sich gelassen, heißt es nach Linksabzweig geradeaus über das offene Loreley - Plateau laufen. Gewiß könnte man auch von hier darauf zusteuern, aber man kann den Bogen etwas erweitern, um einen Weinlehrpfad mit einzube­ziehen.

Weiterhin marschiert man durch die Felder bis zum Rechtsabzweig in Richtung Leiselfeld. Wenn kurz darauf das „R“ links abführt, geht es ohne Markierung den befestigten Weg bei leichtem Gefälle weiter geradeaus. Mit der bald von links auftauchenden Markierung „RP“ schlendert man über ei­nige Serpentinen bis kurz vor das einsam liegende Gehöft Leiselfeld. Dort biegt man rechts in Richtung Loreley ab.

Erst noch über Wiesen, dann durch Wald und frühere Wein­bergsterrassen kommt man zu einem Weinlehrpfad. Neben Erläuterungen zu den bevorzugt angebauten Sorten - Ries­ling, Kerner, Spätburgunder - wird daran erinnert, wem die Rebenherrlichkeit am Rhein zu verdanken ist: natürlich den Römern. Per kaiserlichen Befehl wurden im 3. Jahrhundert die Legionäre ausdrücklich dazu angehalten, die Wärme spendenden Uferflanken mit Weinstöcken zu bepflanzen.

So eingestimmt, nähert man sich der Loreley. Voraus erkennt man das am Eingang zur Freilichtbühne liegende Be­sucherzentrum, das mit Architektur und Konzeption den „Mythos Loreley” in seinen naturkundlichen, kultu­rellen und vor allem literarischen Zusammenhang stellt.

Nach links kommt man zur Felsspitze, wo die blonde Maid mit ihrem Sirenengesang einst die Rheinschiffer ins Verderben gestürzt haben soll. Nur: Zu se­hen ist nichts von ihr. In Denkmalform sitzt der Deutschen liebste Sagengestalt fernab an der Spitze eines Schutzhafens. Eine Treppe - Zugang etwa auf halbem Wege zwischen Aus­sichtspunkt und Freilichtbühne - führt über hundert Meter hinunter zum Flußufer. Die mäch­tige Ruine von Burg Rheinfels über St. Goar vor Augen, kommt man auf dem Treidelpfad direkt am Wasser oder ent­lang der Straße auf einem Fußweg zurück (Rhein-Main, 261).

 

Besucherzentrum:

„Eine Stunde vor Abfahrt des Floßes fuhr der Wahrschauer mit einer rot ‑ weiß gewürfelten Flagge los, um allen Schiffsverkehr wahrzuschauen, das heißt zu warnen. Außerdem sorgte er dafür, daß die Brücken geöffnet wurden und der vorgesehene Liegeplatz freigehal­ten wurde.“ Die Tücken der Flößerei auf dem Rhein und vieles über Flußlandschaft und Kulturgeschichte erfahren Aus­flügler im Loreley ‑ Besucherzentrum, das  Jahren oberhalb von St. Goars­hausen als Projekt der Weltausstellung Ex­po 2000 eröffnet wurde.

Ein begehbarer Reiseführer, der von den Ursprüngen der Landschaft bis heute erzählt und mit interaktiven Installatio­nen, Exponaten zum Anfassen, mit Schau­vitrinen, Kopfhörern, Multimedia‑Statio­nen und Leselupe den Mittelrhein mit dem sagenumwobenen Loreleyfelsen auf faszinierende und spielerische Weise er­schließt.

Mit leuchtenden Augen betrachtet der kleine Junge das Bild der rotflügligen Öd­landschrecke, die sich bis heute in den Schieferhalden wohl fühlt, und bewundert die Zeichnung des Großen Mausohrs, einer Fledermausart, die im Bergwerkstol­len lebt. „Gibt es die wirklich noch hier?“ Während er die Bilder über Fauna und Flo­ra anschaut, tönt das altbekannte Lied „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“, durch den Ausstellungsraum. Nebenan künden Flaschenetiketten von der einsti­gen Bedeutung des Weinbaus, dem viele Winzer Ende des 19. Jahrhunderts den Rücken kehrten, um fortan ihr Brot im Stein­bau zu verdienen. Heute sind die Wingerte im Mittelrhein zwischen Trechtingshau­sen bei Bacharach und Oberdollendorf bei Bonn nur noch auf ungefähr 600 Hektar bestockt.

Der vielbesungene Rhein, der die Men­schen mit Fischen und mit Trinkwasser versorgte, war lange Zeit bevorzugter Rei­se‑ und Transportweg, freilich kein unge­fährlicher. Die Verengung des Rheins ober­halb des 180 Meter hohen Loreleyfelsens, die Strudel und die engen Kurven sowie das Binger Riff machten die Gebirgsstrecke zu einem heiklen Abschnitt, und die Steuermänner waren auf Lotsen angewie­sen. Zwischen 1964 und 1976 wurde die Fahrrinne ausgebaut, moderne Navigati­onstechniken mit Echolot und Radar er­möglichen heute sogar nachts eine sichere Rheinpassage. Die Kehrseite der Medaille: 1988 schloß in Kaub die letzte und größte Lotsenstation am Mittelrhein, und die Lot­sen verloren ihren Job.

Zuerst kamen die Künstler, dann die Engländer. Als William Turner zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Gemälde von sei­ner Rheinreise in London zeigte, gab es für seine Landsleute kein Halten mehr: Sie eil­ten zum „Rhine River“ und begründeten den Rheintourismus. Zunächst schwärm­ten junge romantische Dichter, etwa Clemens von Brentano und Heinrich Heine in Romane und Gedichten vom „Vater Rhein“ .Dann wurde der Fluß vom aufkommenden Nationalismus vereinnahmt. Ernst Moritz Arndts Parole „Teutschlands Strom, aber nicht Teutsch­lands Gränze“, steht für diese Variante einer Rheinroman­tik.

Geblieben ist über die Jahrhunderte hin­weg der Mythos: Mit Hexen, Nixen und El­fen sah der Volksglaube seit ewigen Zeiten den Loreleyfelsen verzaubert. Im Mittel­punkt des Besucherzentrums befindet sich denn auch der kreisförmige Mythos­raum, dessen Außenwände blau angestri­chen sind ‑ die Farbe des Wassers. Hier wird das Entstehen der Legende bis hin zu ihren Klischees dargestellt ‑ einschließlich einer Kitschecke, in der die scheuß­lichsten Souvenirs ausgestellt sind. Wie sehr unheimliche Echos, gefährliche Stru­del und dunkle Wasser die Fantasie der Menschen zu allen Zeiten anregte, verdeut­licht mit spannenden Multimedia‑ Effek­ten und den Sirenengesängen der Loreley eine Tonfilmschau.

Halbkreisförmig wird man dabei von der Geologie des Rheinischen Schiefergebirges über Weinbau, Schiffahrt und Tourismus in einen abgedunkelten Multimedia - Raum ge­führt. Wie sich Clemens Brentano auf dem Hintergrund mittelalterlicher Sagenstoffe vom Wortklang „Lure = Rau­schen / Echo und „Ley = rheinisch für Fels zu seinem Kunst­märchen anregen ließ und daraus Heines unsterbliche Weise wurde („Ich weiß nicht, was soll es bedeuten"), wird hier mit modernsten visuellen Mitteln aufbereitet. Manches wird da entzaubert, zugleich aber eine neue Qualität geschaffen.

Das Besucherzentrum ist Teil des neu gestalteten Natur‑ und Landschaftsparks, der sich als besondere Attraktion des künf­tigen Weltkulturerbes Mittelrhein ver­steht. Rund um den Loreleyfelsen wurden Wege und Lehrpfade angelegt, die immer wieder aufs Neue einen spektakulären Blick auf das Rheintal eröffnen.

Das Besucherzentrum auf der Loreley in St. Goarshausen ist täglich geöffnet: bis zum 31. Oktober von 10 bis 18 Uhr und vom 1. November bis 31. März von 11 bis 17 Uhr. Der Eintrittspreis beträgt einen Euro.

 

St. Goarshausen / Burg Katz und Maus

Schmal und lang zieht sich das Städtchen den Rhein entlang. Mittelpunkt des alten Stadtkerns, der sich hakenförmig um den Burgberg spannt, ist der kleine malerische Marktplatz mit dem historischen Fachwerk-Rathaus von 1532. Begrenzt wird die Altstadt von den beiden hohen Ecktürmen der ehemaligen Stadtbefestigung von 1324. Von der Stadtmauer (14. Jahrhundert) sind zwei Türme erhalten. Bekannt war der Ort schon im Mittelalter, denn der Minnesänger Marner ließ in seinen Liedern hier den Nibelungenschatz ruhen.

Am Ortsende von St.Goarshausen geht es auf der B 274 in Richtung Limburg/Nastätten ab. Auf der Höhe erstreckt sich malerisch der Ort Patersberg mit seiner romanischen Kirche aus dem 12. Jahrhundert und einigen alten Fachwerkhäusern. Von hier oben bietet sich ein großartiger Blick auf die Burgen Rheinfels, Katz und Maus. Nur wenige hundert Meter entfernt erheben sich rechts der B 274 die Ruinen der Burg Reichenberg über der kleinen gleichnamigen Talsiedlung.

 

Die  Burg Katz (nicht zu besichtigen) wurde um 1372 erbaut durch Graf Johann III. von Katzenelnbogen. Im Jahre 1806 wurde sie zerstört und 1896–98 wieder aufgebaut.

 

Beeindruckend, ja fast drohend, erheben sich die umfangreichen Reste der Burg Maus. Die Burg hieß ursprünglich Peterseck. Die heute gängige Bezeichnung Maus erhielt sie wegen ihrer geringeren Größe und Machtposition gegenüber Burg Katz und den Grafen von Katzenelnbogen. Von den Trierer Erzbischöfen im 14. Jahrhundert (1353 bis um 1380) erbaut, war sie zeitweise auch deren Residenz. Im Jahre 1689 wurde sie erstört und 1900–06 wieder aufgebaut; sie hat einen hohen Palas und einen mächtigen Bergfried. Burg Maus zählte zu den modernsten Burgen ihrer Zeit. Unter anderem verfügte sie über große Sitznischen an den Fenstern und Heizmöglichkeiten in allen Gebäudeteilen. Zusammen mit St. Goarshausen, dem gegenüberliegenden St. Goar und der Feste Rheinfels lässt sie bis heute ein wenig von der einstigen Macht derer von Katzenelnbogen erahnen.

Im Stadtteil Wellmich steht die katholische Pfarrkirche St. Martin aus der Mitte des 14. Jahrhunderts mit wehrhaftem Westturm, eine gotische Hallenkirche mit Fresken (14. oder 15. Jahrhundert). Mehrere alte Fachwerkhäuser und die Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung säumen Weg.

 

 

Oberwesel

Die ehemals Freie Reichsstadt, heute gerne als „Stadt der Türme und des Weines“ bezeichnet, bietet mit der Schönburg, ihren Kirchen und der fast vollständig erhaltenen Stadtbefestigung eines der eindrucksvollsten historischen Ortsbilder am Mittelrhein. Und das trotz zahlreicher Kriegszerstörungen und Stadtbrände seit dem 16. Jahrhundert sowie zahlreicher Veränderungen und umfangreicher Neubauten, vor allem der Eisenbahnlinie im 19. und 20. Jahrhundert.

 

 

Kaub

Der Ort ist eine der bedeutendsten Weinbaugemeinden am Mittelrhein. Der Pfalzgrafenstein (die Pfalz bei Kaub) im Rhein, Burg Gutenfels und die befestigte Stadt waren früher wegen des gefürchteten Rheinzolls eine ausgesprochene Wehrstätte. Der Anblick der Befestigungsanlagen dürfte manchem Zeitgenossen, der vielleicht ursprünglich anderes im Sinn hatte, die Zahlung des Zolls erleichtert haben. Den besten Eindruck davon erhält der Besucher von der anderen Rheinseite aus.

Der Zollbetrieb für die Rheinschiffahrt begann 1326 mit dem sechsgeschossigen, fünfeckigen von König Ludwig dem Bayern erbauten Turm, an dem die Besucher nun ehrfürchtig empor schauen. Damals stand er noch allein auf dem wasserumspülten Fels, deshalb die stromaufwärts gerichtete scharfe Mauerspitze als Wellen- und Eisbrecher. Doch sogleich erhoben sich massive Proteste seitens des Klerus, der am Rhein zahlreiche Zollburgen unterhielt und der weltlichen Konkurrenz ein Dorn im Auge war.

Über Jahrhunderte hatte die Pfalz nur die eine Funktion: alle Vorbeifahrenden zu schröpfen, so arg, daß sich sogar ein leibhaftiger Papst (Johannes XXII.) in einem Schreiben zur Charakterisierung der Praktiken zu einem „verdammt“ hinreißen ließ. Daß dem Kirchenoberhaupt die maßlosen Zölle Vorwand gaben, den Zollnehmer. König Ludwig von Bayern. 1327 zu bannen, steht auf einem anderen Blatt.

 

Wie ein steinernes Schiff trotzt er seit Jahrhunderten dem Rhein: der Pfalzgrafenstein bei Kaub. Schier unerreichbar liegt diese mächtige mittelalterliche Zollstation auf einer kleinen Felseninsel mitten im Strom. Für ein paar Stunden allerdings läßt im Sommer eine Personenfähre, im Winter die Autofähre, Besucher hinüber, normalen Wasserstand vorausgesetzt. Etwas orientierungslos stolpern diese über Fels und Stein der Zollburg zu, die aus der Nähe noch wuchtiger wirkt als vom Ufer, erklimmen die hohen Stufen zum einzigen Eingang und betreten unter dem gefährlich spitzen Eisenfalltor den engen Innenhof

Bis zu zwölf Meter hoch türmten sich in kalten Wintern noch bis zu Beginn unseres Jahrhunderts die Eisberge vor dem „Bug“ der Pfalz. Die Zerstörungen waren dabei so erheblich. daß 1607 die gesamte Frontpartie mit dicken Steinquadern verstärkt werden mußte. Zugleich diente sie als Geschützbastion. Die für den Abzug des Pulverdampfes in das Dach gebrochenen Gauben vervollständigten dabei jenes belebte Umrißbild, das späteren Generationen zum Inbegriff der Rheinromantik wurde. Deshalb 1340 die Umbauung des Turms mit der zwölf Meter hohen, sechseckigen Ringmauer mit zwei übereinander liegenden Wehrgängen als Schutz. Mit Erfolg, denn tatsächlich wurde der Pfalzgrafenstein ebenso wie die Marksburg bei Braubach nie zerstört.

Am Pfalzgrafenstein fehlt nichts: nicht der hochaufragende, von einer welschen Haube gekrönte Turm, nicht die Ringmauer mit hölzernen Anbauten (sogenannte Auslug - Erkern) und pittoresken Turmaufsätzen, nicht die farbig abgesetzten Rundbogenfriese, Schießscharten und Fenstereinfassungen. Im Innenhof überraschen dann auch nicht mehr Arkaden und verspielte Fachwerkumgänge.

Eisenklammern halten die riesigen Steinquader an der scharf zulaufenden Spitze des Pfalzgrafenstein zusammen. Darüber der pfälzische goldene Löwe mit dem Wappenschild. Heute nur schwer vorstellbar, daß ihm 1850 bei schwerem Eisgang das Schwert aus der rechten Pranke gerissen wurde.

Durch den von Spätrenaissance ‑ Arkaden umrandeten Innenhof kommt man entlang der überdachten Wehrgänge mit den Verteidigungserkern für die Geschütze schließlich zum großen ehemaligen Kanonenstand neben den Aufenthaltsräumen der Zöllner sowie den dicken Turm hinauf

Dennoch hält der Kern nicht ganz, was der romantische Mantel verspricht. Spartanisch ging es auf der Pfalz zu. Da mag die Feuerstelle im Wehrgang den Zöllnern wenig geholfen haben. Bewohnt war diese Zollfestung nie, abgesehen voll der Hauptmannwohnung an der Nordspitze mit Küche, kleinen Räumen und fantastischen Ausblick. Nicht zu vergessen die Gefangenen, die im stockdunklen Verlies auf einem Holzfloß vegetierten, das sie bei Hochwasser vor dem Ertrinken rettete.

Fast behaglich dagegen die spärlich möblierten Wohnräume für 20 Zöllner, die hier mit dem Hauptmann ihren Dienst versahen. Alle Räumlichkeiten hochwassersicher im „Bug‑ oder Heck“ untergebracht, auch im Innenhof fehlen nicht die Abflußrinnen. Länger als an anderer Stelle am Mittelrhein wurde hier Zoll kassiert, erst als das Herzogtum Nassau 1866 preußisch wurde, verließen die Zollbeamten endgültig den Pfalzgrafenstein. Bis in die sechziger Jahre wurde die Pfalz als Signalturm für die Rheinschiffahrt genutzt.

Burg Pfalzgrafenstein: Öffnungszeiten 1. Oktober bis 30. November, 1. Januar bis 31. März von 9 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr, 1. April bis 30. September von 9 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr. 60 Minuten vor Schließung letzter Einlaß. Im Dezember und am ersten Werktag der Woche geschlossen. Erwachsene 4 Mark, Kinder 1 Mark 50. Fähre nur von der Kauber Seite zum Pfalzgrafenstein, Telefon 0171 / 3310375. Erwachsene 3 Mark Kinder 2 Mark.

 

In der Neujahrsnacht 1813 / 1814 waren die Augen Europas auf Kaub gerichtet, als der preußische Generalfeldmarschall Blücher mit seiner Schlesischen Armee auf der Verfolgung Napoleons in einer einzigen Nacht den Rhein überquerte. Diese logistische Meisterleistung wäre ohne die Hilfe der ortsansässigen Schiffer nicht möglich gewesen.

Wer mit dem Vorsatz, einem der dramatischsten Kapitel der jüngeren europäischen Geschichte nachzuspüren, gezielt Kaub ansteuert. dem vermag die kalte Jahreszeit den authentischsten Eindruck der damaligen Umstände zu geben. Steht man fröstelnd am Rheinufer. lassen sich die Strapazen fast physisch nachempfinden, denen die Soldaten zum Jahreswechsel 1813 / 1814 ausgesetzt waren: Der Schnee glitzert im Mondschein der sternklaren Nacht, vereinzelt treiben Nebelschwaden über dem gespenstig ruhigen Wasser, als die preußische Vorhut von Kauber Schiffern über den Strom gesetzt wird.

Über 60.000 Soldaten, Tausende Pferde und viele Geschütze wälzten sich über 71 schwankende Pontons zum rettenden Inselchen des Pfalzgrafenstein und weiter auf die damals französische Rheinseite, dem flüchtenden Napoleon und einem Teil seiner Armee hinterher.

Blitzschnell hat die Avantgarde linksrheinisch einen Brückenkopf gebildet - jetzt kann das anlaufen, was als eines der spektakulärsten Husarenstücke in die (Militär-) Geschichte eingegangen ist: Der für Freund (die Alliierten)  und Feind (die Franzosen) völlig überraschende Vorstoß der Schlesischen Armee unter dem preußischen Feldmarschall Blücher in Verfolgung des geschlagenen Napoleons.

Mit letzter Kraft und gerade noch 80 000 Mann hatte sich Bonaparte nach der verheerenden Niederlage von Leipzig im Oktober 1813 bei Mainz über den Rhein retten können. In drei Säulen stieß die großenteils aus Russen bestehende preußisch - schlesische Armee nach. In Mannheim und Koblenz konnte der Übergang leicht und relativ gefahrlos geschehen, doch wie den tief eingeschnittenen Mittelrhein überqueren, der bis heute an keiner Stelle überbrückt ist.

Daß Kaub zum Ausgangspunkt dieses Bravourstückes wurde, hängt mit dem mitten im Strom liegenden Pfalzgrafenstein zusammen. einer ehemals kurpfälzischen Zollburg. Ihr Standort auf einer etwa 100 Meter breiten Insel erlaubte die Zweiteilung der Pontonbrücke. Ohne diesen natürlichen Brückenpfeiler wäre der Übergang vermutlich nicht möglich gewesen. Begünstigt wurde die Aktion außerdem vom damals noch eisfreien Rhein. Wenige Tage später, und große Schollen hätten jeden schwimmenden Untersatz zermalmt.

Es entsprach dem legendären Ruf des „Marschall Vorwärts“, Gebhard Leberecht Fürst Blücher von Wahlstatt, noch aus der mißlichsten Lage eine Tugend zu machen. Schon Wochen vor dem für Anfang Januar 1814 festgesetzten Rheinübergang zogen russische Pioniere in die Kauber Wälder, um das Holz für insgesamt 71 Pontons zu schlagen. Bespannt waren die Gebilde mit geteertem Segeltuch. Am Neujahrstag wurden sie wie eine überdimensionierte Muschelkette über den Rhein gelegt. Aber weil man gegen den Rat der Kauber Schiffer zu kleine Anker genommen hatte, riß sie. Neun Stunden dauerte der Zwangsaufenthalt: die ausgeklügelte Logistik nach den Plänen Blüchers und seines Generalstabschefs Gneisenau, wonach 60.000 Mann mit 15 000 Pferden und knapp 200 Geschützen durch das enge Kaub und über das Wasser geführt werden sollten, drohte zu scheitern. Dank Blüchers persönlichem Einsatz in vorderster Linie blieb das Chaos aber aus. Kaum zu glauben: Innerhalb einer Woche war die Armee - zu der noch eine größere Zahl an Verwundeten und ein vielköpfiger Troß kamen - ohne weitere Zwischenfälle über die schwankenden Planken ans andere Ufer gelangt. Der Weg nach Paris war - fast - frei.

Welch vergleichsweise noch harmlosen Entbehrungen ein Städtchen wie Kaub auf sich nehmen mußte, kann man sich bei einem Blick aus den Fenstern des Museums vorstellen: Mit ohrenbetäubendem Lärm muß sich der Heereswurm tagelang durch die enge Metzgergasse gequält haben. Zu Hunderten nächtigten die Soldaten in den kleinen Häuschen. Sämtliche Vorräte wurden beschlagnahmt, alles was nicht niet- und nagelfest war - einschließlich Scheunentore und Weinstöcke - wurde als Feuerholz verbrannt. Die Anerkennung kam später: Für ihr Verständnis und ihre Unterstützung dankte Blücher 1815 den Kaubern in einem original erhaltenen Brief.

 

So wie Blücher die Pfalz sah, so sieht man sie noch heute. Im Wesentlichen blieb auf dem Pfalzgrafenstein alles beim Alten, der Zustand des 14. Jahrhunderts ist noch gut zu erkennen.

Heute immer noch ohne elektrisches Licht, ohne Toilette. Düster vor allem die Treppen an trüben Tagen, wenn die Kälte in den Mauern festsitzt

Bis heute künden in der Stadt zahlreiche Zeugnisse von diesem Ereignis, unter anderem das Denkmal des Marschalls am Rheinufer und ein Museum in seinem damaligen Hauptquartier in der Metzgergasse. Wundersam erscheint der vollständige und originale Erhalt der Räumlichkeiten, in denen Blücher für drei Tage zum Jahreswechsel 1813 / 1814 in Kaub Quartier genommen hatte. Die im ersten Stock des damaligen Hotels „Zur Stadt Mannheim“ liegenden Zimmer konnten schon zur Hundertjahrfeier des Rheinüberganges 1913 in ein kleines Museum verwandelt werden, das sich später unter der Regie des ehrenamtlich wirkenden, mit profundem Wissen ausgestatteten Bruno Dreier zu einer echten Fundgrube entwickelt hat. Seit seinem Ausbau 1977 darf das Museum in Anspruch nehmen, sich als einziges in Westdeutschland den Befreiungskriegen im Allgemeinen und dem Leben Blüchers im Besonderen zu widmen.

Vor dem Hintergrund der erhaltenen Leinwandtapete von 1780 wird das Zeitpanorama der Erhebung gegen Napoleon im Schicksalsjahr 1813 anschaulich und differenziert anhand von Originalbelegen und zeitgenössischen Aussagen dokumentiert. Die Rheinüberquerung selbst ist in einem großen Zinnfiguren - Diorama nachgestellt. Orden, Waffen und Uniformen dürfen da nicht fehlen, aber auch bedrückende Zeugnisse über die Kehrseite „großer“ Zeiten: Seuchen, Verwundungen. Hunger, Requirierungen und Verwüstungen.

 

Im Volkenbachtal liegt der Hof Sauerberg  Kurz dahinter etwa 250 Meter vom Weg liegt die Burgruine Sauerburg aus dem 14. Jahrhundert. Bergfried und Bastionen aus dem 17. Jahrhundert sind noch vorhanden.  Ehemals  war sie Burg der Grafen von Sickingen, von den Franz von Sickingen (1481 -1521) der bekannteste war.  Er war der Führer der Reichsritterschaft, Anhänger Luthers, Beschützer der Reformatoren.

 

 

Bacharach

Bacharach ist der Hauptort des sogenannten „Viertälergebiets“, zu dem die Dörfer Rhein­diebach, Oberdiebach, Manubach und Steeg gehören. Es war im Mittelalter ein einheitlicher Rechts- und Pfarrbezirk, gehörte ursprünglich dem Reich, kam aber schon im 11. Jahrhundert an das Erzbistum Köln. Die von Köln eingesetzten Vögte - als erster wird 1135 ein Goswin von Stahleck genannt - sagten sich von ihrem Lehnsherrn los und wurden 1142 zu Pfalzgrafen erhoben, so daß Bacharach zum Herzstück der „Pfalz bei Rhein“ wurde.

Die Stadt  hatte eine günstigen Lage am Ausgang des sogenannten „Binger Lochs“ mit seinen gefährlichen Felshindernissen: Hier wurden die Rheinschiffer gezwungen,  ihre Fracht in Bacharach zu stapeln und auf Wagen umzuladen. Die Ware wurde in Kähnen und kleinen Booten angeliefert, gelagert und dann auf größere Schiffe umgeladen, für die erst ab hier die Fahrt flußabwärts möglich war. So genoß das Städtchen einen für die damaligen Gegebenheiten weltweiten Ruf als Handels-, Umschlags- und Lagerplatz vor allem für Weine aus der Pfalz und dem Rheingau.

Ein einträgliches Geschäft für die Gemeinde und das Haus Wittelsbach, das hier fernab seiner angestammten Lande über sechs Jahrhunderte Fuß fassen konnte. Erst mit dem Ende des Alten Reiches und spätestens mit der Sprengung der Felsen vor Bingen 1850 sank Bacharach in jenen Zustand pittoresken Verfalls, von dem sich Hugo und viele der Rheinromantiker so angezogen fühlten.

Von der reichen Stadtgeschichte künden zahlreiche steinerne Zeugen. Darunter unter anderem eine der besterhaltenen Stadtbefestigungen am Mittelrhein, die evangelische. Pfarrkirche aus spätstaufischer Zeit. Der alte Weinort ist von einer teilweise begehbaren Ringmauer (um 1350) mit 9 von ehemals 16 Wehrtürmen umgeben. Unter den zahlreichen alten Fachwerkhäusern ragen heraus der Alte Posthof aus dem  16. Jahrhundert, das Alte Haus von  1568 und das Haus Sickingen aus der Zeit um 1420.

Die evangelische Pfarrkirche St. Peter aus dem  11.bis  14. Jahrhundert ist eine dreischiffige Emporenbasilika im Übergangsstil von Romanik zur Gotik. Sie ist eines der ungewöhnlichsten Gotteshäuser am Rhein. Den beengten Platzverhältnissen entsprechend, mußte das Kirchenschiff höher als lang errichtet werden. Durch den eingezogenen Turm und umlaufende Galerien im Inneren nach Vorbild des Limburger Domes blieb die proportionale Harmonie dennoch meisterlich gewahrt. Sie enthält mittelalterliche Fresken und Grabdenkmäler. Die katholische Pfarrkirche St. Nikolaus ist von 1688 bis 1745

 

Die über der Stadt thronende Burg Stahleck wird  1135 erstmals genannt.  Sie das Bollwerk der Pfalzgrafen zur Beherrschung des Stromes. Gleichzeitig riegelte sie das Steeger Tal mit der alten Straßenführung auf den Hunsrück ab. Stahleck zählte im 12. Jahrhundert zu den führenden Rheinburgen und spielte im Interessenbereich der Hohenstaufen, Pfalzgrafen und Kölner Erzbischöfe eine wichtige Rolle. Im Jahre 1194 fand in ihren Mauern die heimliche Vermählung der Agnes von Hohenstaufen mit Heinrich (Sohn Heinrichs des Löwen) statt, womit die langjährige Fehde zwischen den Staufern und den Welfen beendet wurde. Die Burg wurde1689 von den Franzosen zerstört. In den Jahren 1925 - 1927 und 1965 -1967 wurde sie  vorbildlich wieder aufgebaut. Heute befindet sich hier  eine der am schönsten gelegenen Jugendherbergen Deutschlands.

Als heutiges Wahrzeichen gilt aber nicht die Burg, sondern die Wernerkapelle, die - obwohl Ruine - zu den Hauptwerken der rheinischen Hochgotik zählt. Seine Entstehung verdankt dieses Kleinod gotischer Baukunst dem Rassenwahn: 1287 fand ein Bauer auf einem Feld in der Nähe der Stadt die Leiche des Knaben Werner, der wahrscheinlich einem Sexualmord zum Opfer gefallen war. Schon bald beschuldigte man die Juden, den Knaben getötet und sein Blut für rituelle Zwecke verwendet zu haben. Über die darauf einsetzende Judenverfolgung heißt es im um 1300 niedergeschriebenen „Gesta Treverorum“: „So wurden die Menschen dieser Gegend nah und fern von Wut ergriffen und wüteten grausam gegen die unglücklichen Juden!“

Die Kapelle dürfte schon bald nach dem Tod des Jungen begonnen worden sein. Schon 1293 wurde ein erster Altar geweiht. Als offizielles Entstehungsdatum gilt das Weihejahr des Ostchores 1337, tatsächlich vollendet war das Bauwerk aber erst 1428. Zerstört wurde die Kapelle 1689 bei der Sprengung der Burg durch die Franzosen. Im 18. Jahrhundert wurde die Kapelle durch Erdrutsch teilweise zerstört, seitdem ist sie stimmungsvolle Ruine.

 

Wohl kaum ein anderes Städtchen am Mittelrhein ist häufiger besungen und beschrieben worden als Bacharach. Allen voran wird da Victor Hugo zitiert, der von dem „märchenhaften Ort”, wie er in seinem berühmten Reisebuch „Le Rhin” schreibt, ganz verzaubert war. Vieles vom damals Gesehenen besitzt noch heute Gültigkeit, eher dürfte das Gesamtbild noch schöner geworden sein. Die geschlossene Fachwerksubstanz ist fein herausgeputzt, die alten Wehrmauern und Türme sind teilweise wieder begehbar, und aus den Ruinenresten der „efeuumsponnenen Verzahnungen“ von Burg Stahleck wurde nach ihrer Umwandlung zu einer Jugendherberge in den zwanziger Jahren eine Feste ganz nach dem Geschmack romantischer Ritterfantasien.

Geblieben ist natürlich auch der Wein, der in den steilen Lagen enger Taleinschnitte ringsum wächst. Schon im Mittelalter waren die hiesigen Tropfen begehrt. Den früheren Wohlstand verdanken die Bacharacher freilich nicht allein den Reben. In einem Trinklied aus dem Jahr 1628 heißt es: „Zu Bacharach am Rhein, zu Würzburg an dem Stein, zu Klingenberg am Main, hab’ ich in meinen Tagen, gar oftmals hören sagen, soll’n sein die besten Wein!“

 

 

Trechtings­hausen

Das Morgenbachtal im Binger Wald, wie der östliche, zum Rhein steil abfallende Teil des Hunsrücks genannt wird, gilt als das schönste weit und breit. Besonders im unteren Abschnitt wird der Morgenbach zum Wildwasser, das sich im tiefen, engen Waldtal seinen Weg bahnt. Am oberen Rand ragen Schiefer  - Quarzit - Felsen empor, teilweise ausgewiesen für Kletter­übungen des Deutschen Alpenvereins. In diesem Naturschutzgebiet ist sogar Damwild ange­siedelt, das sich auch gelegentlich dem Wanderer zeigt. Und wie es sich für einen Ausflug am Rhein so gehört, wird das Erlebnis der  Naturromantik noch durch die Burgenromantik gesteigert.

Sehenswert ist hier die katholische Pfarrkirche St. Clemens (1823-25) mit zwei spätgotische Plasti­ken. Die Friedhofskapelle (Klemenskapelle) ist die ehemalige Pfarrkirche (Ende 12. Jahrhundert), eine kleine spätromanische Pfeilerbasilika. Die Ortsbefestigung mit Tor und zwei Türmen ist erhalten.

Burg Reichenstein überragt mit ihrem düsteren, lang gestreckten Mauerwerk den Ort. Sie ist eine der größten und stärksten Festungen am Rhein, eine Wohnanlage ohne Bergfried, heute Hotel, Restaurant und Museum. Neben Waffen, Rüs­tungen und Jagdtrophäen birgt sie eine Sammlung von etwa 300 gußeisernen Ofenplatten aus mehreren Jahrhunderten. Der Rittersaal ist zugleich Ahnengalerie. Die Anfänge der Burg sollen bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. Einen un­rühmlichen Namen hat sie sich als Raubritternest im 13. Jahrhundert gemacht. Kaiser Rudolph von Habsburg konnte es erst nach vierjähriger Belagerung 1282 aushungern (1253 und 1282 zerstört). Der Burgherr und seine Kumpanen wurden an der Klemens­kapelle enthauptet. Mehrmals zerstört, aber wegen ihrer stra­tegischen Bedeutung immer wieder aufgebaut, verfiel Rei­chenstein, durch verbesserte Waffen bedeutungslos gewor­den. Die Adels- und Industriellenfamilie Kirsch - Puricelli ließ das Gemäuer - bemerkenswert originalgetreu -1899 im neugotischen Stil wieder aufbauen.

 

 

Binger Wald

Auf der A 60 fährt man bis Bingen-Ost und von dort in Richtung Stromberg  / Weiler. Vorsicht in Bingerbrück: Bei der Abfahrt von der Schnellstraße muß man zweimal kurz hintereinander die Vorfahrt beachten. Nach links geht es dann durch eine Unterführung nach Weiler. Geparkt wird auf dem Dorfplatz. Die Tour ist etwa 17 Kilometer lang, geht aber oft über schmale Steige und hat fünf bissige Anstiege. Der Ausgangspunkt liegt 252 Meter hoch, es geht hinunter bis auf 143  Meter bei Burg Rheinfels, und dann wieder auf 378 Meter. Aber dazwischen sind noch weitere Absteige und Anstiege, so daß insgesamt eine Höhendifferenz von 668 Metern zu überwinden ist. Die längste Steigung ist im Morgenbachtal mit etwa zwei Kilometern.

Rechts an der Kirche vorbei geht es dann in die Hildegardisstraße und weiter in den Heilig – Kreuz  - Weg. Hier beginnt ein Kreuzweg mit einfachen Stationen. Links ist eine Gedenktafel für den ehemaligen jüdischen Friedhof. Der Weg führt gerade aus in den Wald hinein und hinauf bis zum Belle - Kreuz, das zum Gedenken an eine gleichnamige Familie im 19. Jahrhundert errichtet wurde (Peter und Maria Bell 1811 und Mathias Bell III. 1915). Dort kreuzt auch eine Römerstraße.

Von dort führt ein Trampelpfad zwischen den nördlichen und östlichen Arm der Kreuzung steil hinab zur Straße, die zum Forsthaus Heiligkreuz führt. Hier steht eine Informationstafel „Erlebnispfad Binger Wald“, der für Kinder gedacht ist. Auf einen Teil der Tafeln trifft man auch auf dem weiteren Weg.

Am Forsthaus geht man links vom Giebel vorbei in Richtung des Wegweisers „Schweizerhaus“ (überhaupt sind in diesem Gebiet die Wege gut markiert). Die Einkehrgaststätte  „Schweizerhaus” ist der ehemalige Jagdsitz von Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen nahe der von ihm wieder aufgebauten Burg Rheinstein. Ei­nen schöneren Platz für sein Jagdhaus hätte Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen nicht finden können. Der Fußweg hinab zur Burg ist allerdings sehr schmal, bietet aber bald herrliche Ausblicke auf das Rheintal nach Bingen und Assmannshausen. Man kommt auch an einen alten viereckigen Turm, von dem aus man eine gute Sicht nach drei Seiten hat, auch auf die nahe Burg Rheinstein. Man befindet sich hier auf dem Soonwaldsteig, dem (roten) Rheinhöhenweg und dem Eselsweg.

 

Die um 1260 erbaute Mainzer Zollfeste Burg Rheinstein wurde nach 1825 als erste Burg am Rhein durch den Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen wieder aufgebaut im romantisch, neugotischen Stil. Man kann gotische Hangburg nur betreten, indem man im Zickzack etwa 200 Meter  hinunter steigt zur Zugbrücke. Nach Entrichtung des „Zolls“ (Eintritt) darf man nach Belieben durch die neugotische Kapelle, Höfe und Räume streifen, Glasmalereien aus vier Jahrhunderten, Rüstungen, eine Steinschleuder oder die Sammlung antiker Möbel in Augenschein nehmen. Von Wehrgängen und den höchsten Zinnen genießt man dabei herrliche Blicke ins Rheintal.

 

In Höhe der Burg geht ein Zickzackweg steil nach oben in den Wald. Nach einiger Zeit sieht man von oben die Burg Reichenstein. Sie ist eine der größten und stärksten Festungen am Rhein, eine Wohnanlage ohne Bergfried, heute Hotel, Restaurant und Museum. Neben Waffen, Rüs­tungen und Jagdtrophäen birgt sie eine Sammlung von etwa 300 gußeisernen Ofenplatten aus mehreren Jahrhunderten. Der Rittersaal ist zugleich Ahnengalerie. Die Anfänge der Burg sollen bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. Einen un­rühmlichen Namen hat sie sich als Raubritternest im 13. Jahrhundert gemacht. Kaiser Rudolph von Habsburg konnte es erst nach vierjähriger Belagerung 1282 aushungern (1253 und 1282 zerstört). Der Burgherr und seine Kumpanen wurden an der Kle­mens­kapelle enthauptet. Mehrmals zerstört, aber wegen ihrer stra­tegischen Bedeutung immer wieder aufgebaut, verfiel Rei­chenstein, durch verbesserte Waffen bedeutungslos gewor­den. Die Adels- und Industriellenfamilie Kirsch-Puricelli ließ das Gemäuer - bemerkenswert originalgetreu - im Jahre 1899 im neugotischen Stil wieder aufbauen.

Links sieht man noch die Ruine Falkenburg. Am Hang gegenüber kann man sehr gut an der Oberflächengestalt erkenne, daß das Gelände hier felsiger wird. An dieser Stelle ist der Felsensteig auf dem Rheinsteig zwischen Assmannshausen und Lorsch. Ein Stück weiter steht man dann am Rand des Morgenbachtals.

 

Das Morgenbachtal im Binger Wald - wie der östliche, zum Rhein steil abfallende Teil des Hunsrücks genannt wird - gilt als das schönste weit und breit. Besonders im unteren Abschnitt wird der Morgenbach zum Wildwasser, das sich im tiefen, engen Waldtal seinen Weg bahnt. Am oberen Rand ragen Schiefer  - Quarzit - Felsen empor, teilweise ausgewiesen für Kletterübungen des Deutschen Alpenvereins. In diesem Naturschutzgebiet ist sogar Damwild angesiedelt, das sich gelegentlich dem Wanderer zeigt.

Unterhalb der Burg Reichenstein mündet der Morgenbach bei Trechtingshausen in den Rhein. Das Bemerkenswerte daran: Von seiner Quelle bis zur Mündung überwindet der Bach einen Höhenunterschied von 365 Metern - und das bei einer Länge von nur fünf Kilometern. Die Folge ist ein enges Kerbtal mit zum Teil schlucht- und beinahe klammartigem Charakter. Mächtige Felspartien und steile Wände brechen zum Tal hin ab - ein Naturwunder, das dem berühmten Mittelrheintal fast die Schau stiehlt. Bekannt sind die Felsen des Morgenbachtals unter Alpinisten und Freeclimbern. Die Wände aus Quarzit bieten Kletterrouten aller Schwierigkeitsgrade.

Bei schönem Wetter ist an den Quarzitfelsen mächtig was los. Kletterer aus dem gesamten Rhein -  Main - Gebiet testen hier ihre Künste und bereiten sich für den „Ernstfall“ in den Alpen oder anderen Gebirgen vor. Natürlich ist das Morgenbachtal auch für den einfachen Wanderer äußerst reizvoll und fernab der Felswände an sonnigen Tagen ein ruhiges Fleckchen Erde. Die linksseitigen Felshänge des Unterlaufs gehören zu den schönsten und schwierigsten Klettergebieten in Rheinland-Pfalz.

 

Ein etwa 160 Hektar großes Gebiet im Umfeld des Morgenbachtals, inklusive des als Stecke­schlääfer - Klamm bezeichneten Seitentälchens, wurde im Jahr 1984 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das geschah nicht zuletzt deshalb, weil es ein Paradebeispiel für die typische Talentwicklung der steilen, kurzen Kerbtäler ist, die vom Hunsrück zum Rhein hin entwässern.

In seinem Quellbereich noch als breites Muldental angelegt, entwickelt sich das Morgenbachtal anschließend zum breiten V- oder Kerbtal, das talabwärts in ein enges Kerbtal mit hohen Einzelfelsen aus Quarzitschutt übergeht. Das Tal liegt in der geologischen Struktur des so genannten Assmannshäuser Sattels. In seinem Kern treten die ältesten Schichten des Unterdevons (etwa 400 Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung) zu Tage. Dazu gehören die „Bunten Schiefer“  aus rötlichen bis violetten Tonschiefern und die Taunusquarzite, die als mächtige Felsbastionen von der Erosion herauspräpariert wurden und dem Tal seinen unverwechselbaren Charakter verleihen.

 

Das Naturschutzgebiet Morgenbachtal ist eines der schönsten Rheinseitentäler mit urwüchsigem Baumbestand, großen Felsregionen, Blocksteinhalden und einem herrlichen Bachlauf. Schon im 19. Jahrhundert studierten Landschaftsmaler hier das faszinierende Wechselspiel von Licht und Schatten in den bizarren Felsformationen.

In dem etwa 170 Hektar großen Gebiet finden sich naturnahe Schlucht- und Auenwälder. Aber auch Trockenhangwald, Hangschutt- und Sukzessionsflächen sowie Quellfluren stellen schutzwürdige Lebensstätten zahlreicher wildwachsender Pflanzen- und wildlebender Tierarten dar. Sie sind die Heimat von seltenen Arten wie Wasseramsel, Eisvogel, Gebirgsstelze, Wildkatze, Wanderfalke und Haselhuhn.

 

Geographie: Der Bach entsteht durch den Zusammenfluß mehrerer Quellarme in etwa 500 Meter Höhe im Binger Wald im südöstlichen Hunsrück. Das Waldtal wird mit der Richtungsänderung nach Norden eng und klippenreich, da es nun, wie auch der hier parallel laufende Rhein, die Gesteinsstrukturen des Rheinisichen Schiefergebirges und wesentlich widerstandsfähigeren Grauwackebänken und Quarzirgängen fast rechtwinklig schneidet. Die wechselnde Gesteinsfestigkeit führt zur Bildung der vier Morgenbach-Wasserfälle und der zahlreichen hoch ragenden Felsformationen in den westlichen Talhängen. Nach einer Rechtsbiegung öffnet sich das Tal bei der Burg Reichenstein unvermittelt zum Mittelrheintal

Flora und Fauna: Das Morgenbachtal ist fast vollständig bewaldet und weist besonders an den felsigen Hängen am Unterlauf viele  Neiderwaldbestände auf. Am Ufer stehen vor allem Weiden und Erlen. Grauireiher und Stockenten sind dabei  die häufigsten Wasservögel im Bachtal.

Touristisches: Das Morgenbachtal gilt als eines der schönsten Seitentäler des Rheins, ein gut ausgebauter Wanderweg begleitet den Bach im Unter- und Mittellauf und führt dabei vom Rhein zum einen auf die Höhe des Hunsrücks be Wakdalgesheim und zum anderen zum Schweizerhaus hoch über dem Rheintal.

Die drei kleineren Wasserfälle sind durch den Wanderweg gut erreichbar, nur der größte ist derzeit lediglich hörbar (auf gesperrtem Privatgelände, einstige Ausflugsgaststätte).

 

Aber zunächst muß man noch auf einem schmalen Steig an der Wand entlang ins Tal hinabsteigen. An einem Drahtseil kann man sich festhalten. Dann geht auf einem guten Forstweg aufwärts, immer vorbei an den Wasserfällen. In der Mitte des Tals folgt man dann dem Wegweiser „Haus Waldfrieden - Gerhardshof“ nach rechts. Noch immer geht es mächtig voran. Wenn man dann an eine Wiese kommt, sieht man rechts schon das Haus Waldfrieden mit dem danebenliegenden Reiterhof Gerhardshof liegen. Der Hof wurde 1604 erbaut und war seit 1709  im Besitz der Familie Diel. Heutiger Besitzer ist die Familie Bruynck. Die Gaststätte ist Montag und Freitag geschlossen.

Vom Gerhardshof geht es nach Westen hinab ins Tal und zur Waldgaststätte „Forsthaus Jägerhaus“. Hier steigt man ab zum Beginn der „Steckeschlääferklamm“. Auf Betreiben des früheren Verbandsbürgermeisters Josef Kollay wurde ab 1971 die Klamm von den Weilerer Wanderfreunden „Die Steckeschlääfer“ ausgebaut und mit 16 Holzstegen über den Haselbach gangbar gemacht. Der Name „Steckeschlääfer“ stammt von den Wanderern, die ihre „Stecke“ (Stöcke) über den Boden „schlaafe“ (schleifen). Im Einverständnis mit dem Forstamt schmückte damals Franz Kellermeier die Klamm mit 46 Schnitzereien aus.

Weil die meisten Holzarbeiten im Laufe der Jahre eingewachsen waren, hat der Schnitzkreis der Heimatfreunde e.V. Weiler  (Franz Kellermeier, Werner Kropp, Rudi Männer, Rolf Massoth, Willi Mörschbach und Hans Werner) die erneute Ausgestaltung der Klamm mit phantasievollen Schnitzarbeiten übernommen.

Die Masken und Karikaturen, weitgehend ausgearbeitet oder dem natürlichen Wuchs folgend, wurden nur dort angebracht, wo den Bäumen möglichst wenige Verletzungen entstanden.

Im August 2006 waren 66 Schnitzereien zu erkennen, mehr oder weniger versteckt. Jedes Jahr am 1. Mai findet hier ein Frühlingsfest statt. Der Reinerlös dient der Instandhaltung und dem weiteren Ausbau der Steckeschlääferklamm.

 

Die Klamm führt zu einer geteerten Straße, wo mehrere Wege zusammenkommen. Im spitzen Winkel zu dieser  Straße geht links ein Weg ab, der zur „Villa Rustica“ führt (siehe unten).

Ein Stück weiter auf diesem Weg kommt man zur Hängebrücke. Diese schwankt beträchtlich. Man betritt sie besser nicht mit zu vielen Personen. Wenn man wieder über die Brücke zurückgeht, kommt man auf dem Forstweg auch wieder nach Weiler. Sonst steigt man hinab zum Forsthaus Heiligkreuz, dann rechts ein Stück die geteerte Straße entlang und dann steil rechts hoch auf schmalem Pfad zum Belle - Kreuz und links nach Weiler.

 

Villa Rustica: Ein römischer Gutshof im Binger Wald

Das Grundstück im Binger Wald wird seit langem „Altes Kloster“ genannt. Obwohl vollständig mit Wald bedeckt, deuteten Unebenheiten und auffällige Steinansammlungen auf Ruinenreste. In früheren Zeiten konnte man sich darunter nur eine alte Klosteranlage vorstellen. Seit dem letzten Jahrhundert haben sich dann im Rahmen aufblühender Altertumsforschung immer wie­der private Ausgräber mit der Ruinenstätte beschäftigt und ihr schließlich die richtige Deutung gegeben: Es handelt sich um eine römische Gutsanlage aus den ersten Jahrhunderten nCh.

Doch trotz aller bisherigen Untersuchungen konnte von der Ruinenstätte bisher nur eine vage Vorstellung entwickelt werden. Eine Testgrabung der Archäologischen Denkmalpflege 1989 führte zu der Erkenntnis, daß nur im Rahmen großflächiger Ausgrabungen die historische Bedeutung vollständig erfaßt werden könnte. Aufgrund der damals angefertigten umfangreichen Dokumentation (Pläne, Fotos, Vermessungen und Beschreibungen) ist nun als Teil des Erlebnispfades neues Leben in der Anlage entstanden. Das Gelände in der Umgebung der Grabungsfläche von 1989 wird seit 1999 ausgegraben und untersucht.

Waren damals Reste des Badegebäudes erforscht worden, so gilt die weitere Ausgrabung jetzt den anderen Baulichkeiten dieser villa rustica (Herrenhaus, Scheune, Remise. Gesindehaus usw.). Die Größe von 3,5 Hektar der Anlage zeigt an, daß hier mehr produziert wurde. als für die Eigenversorgung nötig war. Es handelte sich um Viehzucht, Feldbau, Waldwirtschaft und handwerkliche Produktion, wie die bisherigen Ausgrabungen geklärt haben. Die Produkte dürften auf den nahegelegenen Märkten Bingen, Bad Kreuznach und vielleicht Mainz verhandelt worden sein, wenn nicht sogar einiges auf Rheinschiffe verladen wurde. Da der Gutshof direkt an der großen Römerstraße liegt, wird man auch als Straßenstation die Produkte vor Ort abgesetzt haben.

Ob hier ein römischer Veteran oder ein zu Wohlstand gekommener einheimischer Kelte der Gutsherr war, weiß man noch nicht. Auf jeden Fall wird die Anlage ein Stützpunkt der Roma­nisation gewesen sein.  Gutshöfe dieser Größe mit all ihren einzelnen Baulichkeiten sind zur Zeit im näheren Umland noch nicht bekannt. Erst im Trierer Land kennt man derartige Anlagen aufgrund besserer Forschungssituation. Kleinere römische Gutshöfe konnten dagegen in Rheinhessen alle ein bis zwei Kilometer flächendeckend lokalisiert, aber noch nicht erforscht werden.

Auch wenn die Anlage heute mitten im Wald steht (in römischer Zeit muß sich hier eine große Rodungsinsel befunden haben), wird sie bei weiterer Ausgrabung für die Region zu einer Art Musteranlage für das römische Landleben werden. Die villa rustica im Binger Wald ist ein typischer römischer Gutshof, wie er von etwa 80 Prozent der damaligen Bevölkerung bewohnt und bewirtschaftet wurde. Die Grabung bietet die Gelegenheit, Einblick in das normale Leben der damaligen Bevölkerung zu gewinnen. Ziel dieses Projektes ist es, schon mit der Ausgrabung diese Geschichte zu verlebendigen und sie für die Heimatgeschichte und die Wissenschaft als Erkenntnisquelle zu erschließen.

Wenn  durch Konservierung und Restaurierung die Anlage als dauerhaft sichtbares Denkmal hergerichtet wird, so erhält der Erlebnispfad unter dem Motto „Kultur in der Natur“ eine attraktive zusätzliche Station und darüber hinaus die Binger Region einen weiteren Publikumsmagneten.

Es wurden Sicherungsarbeiten am Herrenhaus durchgeführt: Die Mauern werden vorübergehend zur Sicherung in Erde gepackt. das Gelände wird entwässert, dann wird Stück für Stück ein Schutzdach errichtet, das die Form der damaligen Zeit sichtbar macht und schließlich werden die Mauern wieder freigelegt und saniert. Parallel dazu werden die Rekonstruktio­nen auf dem Gelände ausgebaut, um einen Eindruck des Lebens in der Antike zu vermitteln. Am Waldrand rechts wurde ein Lehmofen rekonstruiert.

 

Welche Gründe gab es dafür, mitten im Wald eine Villa Rustica anzulegen?

• Es gab auf der Hochfläche fruchtbare Böden, die für den Ackerbau bestens geeignet waren.

•Es gab genügend Wasser. Der Kreuzbach war noch nicht angezapft und führte mehr Wasser. Zudem heißt das Gebiet heute noch Sulg, was für eine besonders feuchte Gegend spricht. So war es einfach, Zisternen und Brunnen anzulegen.

• Die Nähe des Waldes eignete sich für den Holzabbau, denn die Römer hatten großen Bedarf an Holz. Zudem konnte der Wald für die Schweinemast, Imkerei und Köhlerei genutzt werden,

• In dieser Gegend wurden schon immer Erze für die Eisenverhüttung abgebaut. Es ist durchaus möglich, daß Eisen verarbeitet wurde, wenn auch noch keine Öfen gefunden wurden.

• Die Villa Rustica lag auf einer großen Rodungsinsel und bot dem Hausherrn eine beeindruckende Sicht bis in den Rheingau.

• Vor allem war das Gehöft direkt an die Römerstraße angebunden. Diese verband die beiden wichtigen Hauptstädte Mainz (Moguntiacum / Provinz Obergermanien) und Köln (Colonia / Provinz Untergermanien) direkt miteinander und hatte bei Rheinbällen eine bedeutende Abzweigung nach Trier.

 

Warum bauten die Römer solche Anwesen?

• Während der Spätantike existierten in dieser römischen Provinz nicht die heutigen Dorfstrukturen und ihre dichte Verbreitung. Es gab eine andere Siedlungsstruktur. So gab es wenige Städte, die meist mit Militärlagern (Kastellen) verbunden waren. Dazwischen gab es flächendeckend alle drei bis vier Kilometer größere und kleine römische Gutshöfe. Die nächsten Gutshöfe dieser Villa Rustica, von denen wir wissen, lagen in Wald - Erbach, Warmsroth, Mün­ster - Sarmsheim, und Bingen - Kempten.

• Diese Gutshöfe produzierten immer mehr als für den Eigenbedarf notwendig war. Mit dieser Überproduktion wurden die Kastelle und Städte versorgt und reger Handel betrieben. Oft waren diese Gutshöfe im Besitz von ehemaligen Legionären oder von zu Geld gekommenen Ein­heimischen, die nach Art der Römer lebten. Daneben gab es aber auch staatliche Domänen, die besonders für die Versorgung der Beamten und Soldaten zuständig waren und oft sehr prachtvoll ausgestattet waren.

• Auch wenn der römische Staat sehr hochstehend organisiert war und eine florierende Wirtschaftsform hatte, war das ursprüngliche Ideal den Bauern und des Landlebens ungebrochen. Daher besaßen auch hochstehende Beamte und Persönlichkeiten eine Villa Rustica.

 

Grabungsgeschichte der Villa Rustica:

• Der römische Gutshof im Binger Wald war durch alle Jahrhunderte hindurch bekannt. Ob er nach dem Weggang der Römer im 5. Jahrhundert noch genutzt wurde ist unklar. Der Name „Altes Kloster“ könnte auf eine Neunutzung hinweisen, ist aber reine Spekulation. Sicher ist nur, daß diese Ruine über Jahrhunderte als Steinbruch genutzt wurde.

• Seit etwa 200 Jahren wurde immer wieder in der Ruine gegraben. Das wissen wir aus alten Aufzeichnungen, Berichten von Einheimischen und Funden bei der jetzigen Grabung (zum Beispiel Bierflasche, Pfeife).

 • In den Jahren 1764  bis 1782 lebte und wirkte Professor Johann Adam Gärtler in Bingen. Er deutete die Anlage im Distrikt „Sulg“ als Mauern römischen Ursprungs. Er vermutete hier fälschlicherweise das römische Kastell.

• Im Jahre 1771 taucht in der Trautnerschen Karte vom Binger Wald die Bezeichnung „Alt Closterfundament“ auf. Im 19. Jahrhundert ist immer wieder partiell gegraben worden, leider ohne Berichte und Aufzeichnungen.

• Im Jahre 1910 fertigt Harry Franke aus Bingen eine erste Planskizze vom Areal der Villa Rustica an. Vermutlich wurden gerade die Arbeiten für den Bau der Seilbahntrasse vom Bergwerk Amalienhöhe zum Rhein aufgenommen. In den dreißiger Jahren wurde dieser Plan von Dr. Sehrens, Leiter des Römisch - Germanischen Museums in Mainz, überarbeitet. Am  8. August 1912 wird die Drahtseilbahn der Gewerkschaft Dr. Geier in Betrieb genommen. Die Trasse durchschneidet das Areal der Villa Rustica. Beim Bau wurden vermutlich Gebäudeteile eingeebnet oder gar zerstört. Im Jahre 1929 fand man einen „fachmännisch“ angelegten Grabungstrichter unbekannten Ursprungs.

• In den Jahren 1934  / 1935 wurde die Kaltwasserstraße gebaut. Dabei wurden große Mengen Steine aus der Villa abgetragen und beim Straßenbau verwendet. Heinrich Bell aus Weiler ließ sich Funde von den Bauarbeitern geben und erreichte einen Stop der Abbrucharbeiten.

• Im Jahre 1960 fand auf Initiative von Heinrich Bell eine Begehung des Ruinenfeldes mit Fachfachleuten statt, leider ohne Konsequenzen.

• Im Jahre 1974 fanden unter der Leitung von Rudolf Engelhard drei Grabungstage als Veranstaltung des Volksbildungswerkes Bingen am Hauptgebäude statt. Die Initiative wurde nicht fortgesetzt.

• Im Jahre1988 führte das Archäologische Landesamt für Denkmalpflege unter der Leitung von Dr. G. Rupprecht eine Testgrabung am vermuteten Hauptgebäude durch. Hierbei wurde die Badanlage freigelegt.

• Seit dem 14. Januar.1999 wird die Villa Rustica in einem Beschäftigungsprojekt des Internationalen Bundes (IB) unter Anleitung des Archäologischen Landesamtes (Dr. Gerd Rupprecht) systematisch ausgegraben. Ziel ist die umfassende Erforschung des Gutshofs und die touristische Erschließung der Villa im Zusammenhang mit dem Erlebnispfad Binger Wald.

Dem Internationalen Bund (IB). Freier Träger der Jugend-. Sozial- und Bildungsarbeit e.V., ist es gelungen, verschiedene Partner zusammenzubringen, um das Grabungsprojekt unter seiner Trägerschaft zu ermöglichen.

-  Die Arge Mainz - Bingen fördert Arbeitslose über Arbeitsgelegenheiten mit Qualifizierung.

- Die Stadt Bingen beteiligt sich mit Sach‑ und Baukosten

- Das Land Rheinland - Pfalz (Ministerium für Jugend, Soziales und Gesundheit) fördert Qualifizierungs- und Personalkosten mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfond (ESF).

 -Die archäologische Denkmalpflege Mainz, leitet und berät die Grabung und Sanierungsarbeiten und wertet die Ergebnisse systematisch aus.

- Der Förderverein „Villa Rustica - Binger Wald“ e.V. unterstütz das Projekt und leistet Öffentlichkeitsarbeit

Somit ist es dem IB möglich, bis zu 15 Menschen zu beschäftigen. Sie werden von einem Fachanleiter und einer Sozialpädagogin intensiv betreut. Sie werden sozial stabilisiert, beruflich beraten, fachlich angeleitet und individuell qualifiziert (Grund- und Teilqualifizierungen). um sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Hierzu dienen auch betriebliche Praktika, die der Orientierung und der Bewerbung dienen.

Das ganze Jahr über ist die Gruppe mit Grabungs- und Sicherungsarbeiten beschäftigt. Von April 1999 bis Oktober 2003 wurde das Hauptgebäude ausgegraben. Seitdem werden die Sicherungsarbeiten durchgeführt. Stück für Stück wird so über mehrere Jahre für den Besucher ein Einblick in unsere antike Vergangenheit geschaffen.

 

Kultur in der Natur:

Der ehemalige römische Gutshof ist als lebendige Station in den 1998 eingeweihten neuen Erlebnispfad integriert. Besucher, die archäologische Arbeit vor Ort beobachten möchten, sind während der Grabungssaison von April bis Oktober jederzeit willkommen. Nach Absprache bieten wir Gruppen- und Einzelführungen sowie Aktionstage (zum Beispiel) für Schulklassen an. Das Grabungsteam ist an stetigem Austausch mit der Öffentlichkeit interessiert und informiert Sie gern über den Grabungsfortschritt, neue Funde sowie künftige Planungsschritte. In den Sommermonaten bieten wir für interessierte Einzelbesucher regelmäßige Führungen an

Im Binger Wald, dem Erholungsraum des Rhein - Nahe - Dreiecks, ist für Naturfreunde und Kulturtouristen vieles zu entdecken:

• keltische Hügel- und Fürstengräber, sowie Ringwallanlagen

• intakte Teile einer Römerstraße

• die Burgen im Rheintal

• das Industriedenkmal Amalienhöhe

• und nicht zuletzt der Erlebnispfad mit der Villa Rustica

Alles zusammen, auf engstem Raum, ermöglicht das Eintauchen in die Siedlungs- und Kulturgeschichte der letzten 4000 Jahre.

Informationen und Terminabsprachen: Dr. Karl Ludwig. IB Bingen, Gaustraße 18,

Telefon 06721-34212.

 

Mit dem Auto fährt man nach Waldalgesheim und folgt am Ortsausgang Richtung Stromberg dem Schild „Bingerwald / Forsthäuser“. Parken kann man das Fahrzeug auf dem Parkplatz Bodmannstein und folgt dann der Ausschilderung „villa rustica“. Ein Waldweg führt vorbei an der Lärchenwiese (Grillhütte) zum Grabungsgelände. Der Fußweg vom Bodmannstein bis zur Villa Rustica beträgt rund 500 Meter.

 

 

Bingen

Die 50 Kilometer zwischen Bingen und Koblenz sind wie eine Fahrt durch ein einziges, 50 Kilometer langes Freilichtmuseum beiderseits des Stromes. Der Landstrich zählt mit seinen Burgen, Städten und Kirchen zu den schönsten Gegenden Europas, was ihm letztlich auch die Anerkennung als „Weltkulturerbe“ durch die UNESCO eingebracht hat.

Die Städte Bingen und Rüdesheim liegen wie Wächter beiderseits des Eingangs zur tiefen Schlucht des Mittelrheintales, dem sogenannten „Binger Loch“. Beide Städte waren bedeutende Stützpunkte des Erzbistums Mainz und bildeten mit den Burgen Klopp und Ehrenfels eine militärisch starke Tal- und Flußbarriere.

 

Die im 13. Jahrhundert erbaute Burg Klopp gilt als das Wahrzeichen von Bingen. Sie steht vermutlich dort, wo schon die Römer in der Zeit des Drusus (38 - 9 vCh) ein Kastell errichtet hatten.  Sie ruht also auf römischen Fundamenten, wahrscheinlich ist auch ihr 52 Meter tiefer Brunnen römischen Ursprungs. Die Burg war Sitz von Burgmannen des Erzbischofs von Mainz, später des Domkapitels. In ihren Mauern wurde am 23. Dezember 1105 Kaiser Heinrich IV (1050 - 1106) von seinem Sohn, dem gerade mal neunzehnjährigen Heinrich V (1086 - 1125) gefangengenommen und einige Monate später in Ingelheim zur Abdankung gezwungen. Zweimal, 1689 und 1711, wurde die Anlage zerstört.  Heute ist das 1875 - 1879 wieder errichtete Bauwerk Sitz der Stadtverwaltung.

Im angrenzenden Turm befindet sich das Bingener Heimatmuseum mit beachtlichen Fundstücken, darunter das aus einigen Dutzend Einzelteilen bestehende Ärztebesteck eines römischen Chirurgen mit Instrumenten aus dem 2. Jahrhundert nCh. Auch als Aussichtspunkt eignet sich die Burg hervorragend. Weit schweift der Blick über Rhein, Nahemündung und die umliegenden Höhen, auf denen die Trauben von vier Weinanbaugebieten - Rheinhessen. Mittelrhein -Rheingau und Nahe - heranreifen.

 

Sehenswert in Bingen sind außerdem:

  • Katholische Pfarrkirche St. Martin: Sie steht auf den Fundamenten eines römischen Tempels.  Erbaut wurde sie um 1410  im gotischen Stil mit romanischen Teilen.  Sie hat eine zweischiffige spätgotische Halle aus der Zeit von  1502 bis 1505. Die früh­  - salische Krypta ist aus dem  11. Jahrhundert), Baldachinaltar  von 1768. Außerdem hat die Kirche eine und reiche mittelalterliche Plastik
  • Alte Nahebrücke („Drususbrücke“): Die  um das Jahr 1000  entstandene Brücke ist  die  älteste mittelalterliche Brücke Deutschlands. In einem Pfeiler befindet sich eine der ältesten Brückenkapellen Deutschlands.
  • Rheinkran, Holzkonstruktion um 1550.
  • Rochuskapelle auf dem Rochusberg: Sie  wurde 1666 während der Pest gestiftet, 1794 zerstört, 1814 und 1895 erneuert.

Rochusberg:

Als junger Mann von 23 Jahren erlebt Goethe den Rheingau erstmals bei einer Schiffspartie auf einer Yacht von Ehren­breitstein nach Frankfurt. „Und obschon dies an sich sehr langsam ging, so ersuch­ten wir noch überdies den Schiffer, sich ja nicht zu übereilen. So genossen wir mit Muße der unendlich mannigfaltigen Ge­genstände, die, bei dem herrlichsten Wet­ter, jede Stunde an Schönheit zuzunehmen schienen.“

Trotz der Eloge auf die herrliche Gegend läßt Goethe 42 Jahre vergehen, bevor er den Rheingau im Zusammenhang mit einer Badekur in Wiesbaden gründlich bereist. Goethe ist bereits ein gesetzter Herr von 65 Jahren, als er das muntere Treiben der Sankt ‑­ Rochus ‑ Wallfahrt zu Bingen im August 1814 beschreibt. An diesem Tag wird das Fest zum ersten Mal seit 24 Jah­ren wieder gefeiert. Die strategisch wichti­ge Hügelkuppe war lange durch französische Truppen besetzt gewesen, das Kirch­lein stark zerstört worden.

Erst nachdem Napoleon 1813 in der Völ­kerschlacht bei Leipzig vernichtend ge­schlagen wurde, war in Mitteleuropa eine über zwanzigjährige Kriegszeit beendet. Das Rheinland ist wieder deutsch gewor­den fleißige Handwerker bauen in kürzes­ter Zeit die Wallfahrtskapelle wieder auf, die neu geweiht wird. Der Festtag beschwört große Gefühle herauf, die weit mehr als reli­giöser Natur sind. Tau­sende tummeln sich auf der großen Wiese mit Blick auf das Bin­ger Loch, den Mäuseturm und das gegen­über liegende Rüdes­heim. Buden und Zel­te sorgen für das leibliche Wohl, der Wein fließt in Strömen. Goethe erweist sich als spendabel und gibt bei der Malerin Luise Seidler ein Bild des Heiligen in Auftrag, der zum Dank unverkennbar die Züge des jungen Goethe trägt.

Seit Goethes Besuch am 15. August 1814 hat sich auf dem Rochusberg über Bingen auf den ersten Blick nicht viel verän­dert. In „Dichtung und Wahrheit” beschreibt er ihn als Hügel nahe dem Rheinstrom, wo einstmals Meer war: „Es läßt sich als Vorgebirg in den alten höheren Wassern denken. An seinem östlichen Ende sieht man eine Kapelle, dem heiligen Rochus gewidmet, welche soeben vom Kriegsverderben wieder herge­stellt wird. An seiner Seite stehen noch die Rüststangen.”

Schon bei der Anfahrt durch den rechtsrheinischen Rhein­gau oder das gegenüberliegende Mainzer Becken ist der Bergrücken mit der Kapelle an der Spitze weithin erkennbar. Mit dem Auto fährt man in Bingen über Mainzer-, Rochusstraße und Rochusallee hoch. Bahnreisende oder Schiffspassagiere finden Wanderwege nach oben, die mit jedem gewonnenen Meter Höhe überwältigendere Aussichten bieten.

Vor 30 Millionen Jahren soll sich hier der Strom den Weg durch die Felsen gebahnt haben, so daß das Meer abfloß. Aus den zurückgebliebenen Schlämmen und Schwemmsand bildeten sich Schiefer und Quarzite, die einen guten Wein hervorbringen. Am Schliff in den Steinwänden ist heute noch zu erkennen, wie hoch der Meeresspiegel einst reichte. Die Mee­resbran­dung kerbte sich ein. Der Amateurgeologe Goethe hielt sich denn auch zuerst unten mit dem Sammeln von Gesteinsproben auf, ehe er mit Scharen von Wallfahrern den damals ziemlich waldarmen Berg erklomm. Heute ist die Höhe ein großer Waldpark.

Die Kapelle im „wohlhäbigen katholischen Kirchenstil”, die der Dichter oben antraf, ist nicht mehr die heutige. Nachdem den Rhein aufwärts bis nach Frankfurt die Pest mit der Schiffahrt einge­schleppt worden war, hatten die Binger sie zu bauen gelobt, wenn sie selbst verschont blieben, und hatten sie dem Pestheili­gen Rochus gewidmet. Allein das Vorhaben sollte schon das göttliche Strafgericht abwenden, als welches die Seuche galt.

Statt der vom Blitz zerstörten alten Kapelle nimmt seit 1895 ein Musterbeispiel der Neugotik die Stelle ein. Im Inneren sind jedoch Altäre, Bilder, Plastiken aus dem 16. und 18. Jahrhundert überkommen, darunter ein Gemälde des früheren Kirchleins und ein Kuriosum: Goethe in Gestalt des Kirchenpatrons. Der Legende nach hat Rochus im 14. Jahrhundert in Italien hinge­bungsvoll Pestkranke gepflegt, bis er selbst infiziert aus der Stadt gewiesen wurde. Er wäre umgekommen, hätte nicht ein kleiner Hund ihn mit stibitztem Brot versorgt. Seitdem wird der Heilige immer mit dem Hündchen dargestellt, das einen Laib Brot apportiert.

Wer heute an einem Frühlingssonntag von Bingen aus hinauf zur Kapelle kurvt, trifft den Ort viel beschaulicher an. Die Kirche mit dem prunkvollen Außenchor strahlt frisch renoviert in der Sonne. Nur wenige Schritte sind es von der Kirche zum Aussichtspunkt Goethe ‑ Ruhe mit Blick über den Rhein. Doch das Panorama ist heute fast zugewachsen. Wer Rüdesheim richtig erkennen will, muß auf eine Bank steigen und den Hals recken, denn eine mächtige Kastanie drängt sich ins Bild. Der Bück nach Süden auf den Strom mit seinen Lastkähnen und Inseln bis nach Mainz ist dagegen frei.

 

Der Außenchor der Kirche geht in einen Park, wie in einen Naturdom über. Zu den Wallfahrten herrscht hier ein ähnliches Gedränge, wie unser Dichter es erlebt haben muß. Ihm ist ein Aussichtstempel auf den Rhein gewidmet, einer Gruppe von Wallfahrern, die bei einer Überfahrt kenterten und ertranken, eine Gedächtnistafel. An der „Laterne” vorbei streift der Blick über Weinhänge ins Naheland. Linkerhand im Kloster der Obla­tenpatres kann man um eine Kirchenführung bitten, denn ge­wöhnlich ist - nach etlichen Diebstählen - der Blick nur durch gesicherte Gitter möglich.

Angesichts der Naheniederung geht es vorbei am Weintor der Westseite des Berges und seinem Kaiser - Friedrich - Turm zu. Überall sind Rastplätze, auch ein Grillplatz, auf leichter Anhöhe mit wiederum herrlicher Aussicht. Während Kinder sich lieber auf dem Bolzplatz austoben wollen, mögen die Erwachsenen den Turm besteigen und nun auch noch den Blick in sich aufnehmen, der bisher verborgen war: Auf Bingen und die Nahe, die an der schönsten Stelle oberhalb des Mäuseturms in den Rhein mündet.

Wer danach einkehren will, kann das vielleicht noch in den gerade passierten „Tennis - Terras­sen” tun, wo der Rundblick inbegriffen ist. Sonst gibt es beim Abstieg nach einem Aus­sichtsschlenker über das Rondell auf dem Scharlachskopf in Bingen genügend Lokale. Wieder kann man sich dabei an Goethe erinnern, der auf dem Rochusberg über die Trinkfreudigkeit selbst der Kinder staunte und belustigt die Geschichte von dem trinkfreudigen Pfaffen vernahm, der für seine Predigten wider die Trinklust bekannt war. Nur so viel erlaubt der Herrgott seinen Schäfchen, wie ihnen bekömmlich sei. Ihn selbst, so brüstete er sich aber, habe der „grundgütige Gott gewürdigt”, ein „seltener Fall” zu sein, der sich täglich acht Maß (16 Flaschen) „mit gutem Gewissen” einflößen dürfe. Dann wohl bekomm's!

 

Burg Ehrenfels  und Mäuseturm:

Burg Ehrenfels am anderen Rheinufer wurde 1215 von den Grafen von Bolanden im Auftrag des Mainzer Erzbischofs Siegfried errichtet. Die Burg diente ausschließlich der Zollerhebung zu Lande und zu Wasser. Auf einem Merian - Stich aus dem 16. Jahrhundert sieht man noch, daß zur Burg ein ganzer Gebäudekomplex zählte, der sich bis zum Rheinufer hinzog. Zu den Zollgebäuden gehörte auch der am anderen Ufer gelegene sogenannte „Mäuseturm“.

Victor Hugo schauderte es auf seiner Rheinrei­se 1840 bei diesem Anblick des Turms im Strom. Hatte ihm doch sein deutsches Kindermädchen mehr als einmal die gruselige Geschichte von Hatto, dem hartherzigen Erzbischof von Mainz, erzählt, den die Mäuse bei le­bendigem Leib auffraßen. Die Sage bringt den Turm mit dem Mainzer Erzbi­schof Hatto II. (968 - 970)  in Verbindung, der schon in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts lebte und als geiziger und grausamer Tyrann geschildert wird. Als nach einer Belagerung die Bevölke­rung unter großer Hungersnot litt, die Scheuern und Fruchtspei­cher des Erzbischofs aber voll waren, zogen die Hungernden Hilfe erbittend zu Hatto.

Offenbar auf das Ersuchen der Leute eingehend, beorderte er die Bittgänger zu einer großen Scheune, wo sie mit Brot versorgt werden sollten. Hatto aber hatte die Menschen in eine grausame Falle gelockt: Als alle Brotholer in der Scheune waren, ließ der Erzbischof das Tor blockieren und rings um die Scheune Brände legen. Das Gewimmer und die gellenden Schreie der Eingeschlossenen ließen Hatto kalt. Er spottete noch dazu und deutete die Todesangstrufe der Menschen als das „Pfeifen der Kornmäuse”.

Aber die Schadenfreude sollte ihm bald vergehen: Aus der Asche der Verbrannten, so erzählt die Sage weiter, seien unzäh­lige Mäuse hervorgekommen, die den Erzbischof ständig scha­renweise verfolgten. Um sich den grauen Nagern zu entziehen, flüchtete Hatto auf eine Rheininsel und ließ in aller Eile einen hohen Turm bauen, der seine künftige sichere Behausung sein sollte, den Mäuseturm. Aber Wasser sowie Turm bildeten für die Mäuse kein Hindernis, sie überwanden beides und sorgten für eine gerechte Strafe: Sie fraßen den hinterhältigen Hatto lebendigen Leibes. Womit die Herkunft des Namens Mäuse­turm hinreichend erklärt sein dürfte. Allerdings nur der Fabel nach.

 

Historisch verhält es sich etwas anders. Der Turm war ursprünglich ein Aussichts-  und Wartturm der kurmainzer Zollburg Ehrenfels am rechten Rheinufer aus der Zeit vor 1350, weil man von dort aus den Rhein wegen einer Flusskrümmung nicht nach beiden Seiten einsehen konnte. Er hieß also ursprünglich Mauth­turm, weil darin ein Mauth- beziehungsweise Zollhaus untergebracht war. Mauth ist germanischer Herkunft und bedeutet Warenzoll, Mauthner hieß der Zöllner. Nachdem beide Wörter aus dem deutschen Sprach­schatz verschwunden waren und man sich unter einem Mauth­turm nichts mehr vorstellen konnte, machte die Volksphantasie schließlich den Maus- oder Mäuseturm daraus.

Im Jahre 1855 wurde der Turm mitten im Rhein neugotisch erneuert und diente noch eine Weile als Signalstation für die Rheinschifffahrt. Seit der Entschärfung des klippenreichen Binger Lochs vor einem Jahrzehnt ist die Signalanlage überflüssig geworden und wurde demontiert. Heute ist der schlanke Turm mit seinen gezackten Türmchen einzig noch vielbeachtetes Symbol der alten Sage mit den Mäusen und wird des nachts in Bonbon­farben angestrahlt.

 

„Ach hätt’ ich nur den Zoll am Rhein, vorbei war'n alle Plagen!“ So heißt es in einem mittelalterlichen Lied. Der Rhein war zur damaligen Zeit einer der wichtigsten Handelswege im Reich. Vor allem im engen Mittelrheintal, das von schwer passierbaren Höhen umgeben war, gab es so gut wie keine wirtschaftliche Alternative zum Schiffstransport. Tatsächlich kann der Zoll am Mittelrhein in seiner Bedeutung für die jeweiligen Landesherrn nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Klartext: Für den, der ihn erhob, kam der Rheinzoll einer Lizenz zum Gelddrucken gleich!

Bis weit ins Hochmittelalter war die Zollerhebung allein das Recht der deutschen Könige und es bestanden zwischen Bingen und Koblenz nur zwei Zollstellen. Überliefert sind die Zölle von Boppard (10. Jahrhundert) und Koblenz (11. Jahrhundert). Beide befanden sich in königlicher Hand. Natürlich blieben die lukrativen Einnahmen, die mit der Zollerhebung verbunden waren, den Territorialherren nicht verborgen. Diese wollten von dem Kuchen auch etwas abhaben und errichteten seit Beginn des 13. Jahrhunderts eigene Zollstellen.

Sie stießen damit auf den erbitterten Widerstand des Königs und des Rheinischen Städtebundes, der 1254 / 1256 deshalb sogar einen Zollkrieg führte. Letztendlich aber vergebens. Im Jahre 1301 startete König Ludwig der Bayer einen letzten erfolglosen Versuch, die Zollerhebung durch die Territorialherren zu verhindern. Das hatte zur Folge, daß es ab Anfang des 14. Jahrhunderts zwischen Mainz und Köln zwölf Zollstellen gab, davon alleine 7 (!) auf den rund 50 Flußkilometern zwischen Bingen und Koblenz. Der Zoll wurde so zur bedeutendsten Finanzquelle der regionalen Herrschaften im 14. und 15. Jahrhundert. Vom Mainzer Erzbistum ist zum Beispiel  bekannt, daß es alleine mit seiner Zollstelle in Oberlahnstein 15.000  bis 20.000 Gulden jährlich einnahm. Das war mehr als alle Abgaben der Untertanen zusammen. Dabei sind die Zolleinnahmen von Burg Ehrenfels, die Mainzer Erzbischöfe kassierten nämlich an zwei Stellen, noch nicht berücksichtigt.

Die Höhe der Zollabgaben war unterschiedlich. Überliefert ist, daß in Bacharach 10 Prozent und in Kaub 16 Prozent des Warenwertes erhoben wurden. Durch alte Unterlagen belegt ist, daß sich der Warenwert wegen der zu entrichtenden Zölle zwischen Burg Ehrenfels und Koblenz um 75 Prozent verteuerte. Von den Zahlungen befreit waren fremde Zollherren, königliche Hofbeamte, Pilger und Geistliche. Sie mußten zwar wie alle anderen Reisenden an der Zollstelle stoppen, waren aber im Besitz eines Geleitbriefs, der den Zöllnern vorzuweisen war.

Man weiß heute ziemlich genau, wie sich eine mittelalterliche Zollverwaltung personell und logistisch zusammen setzte: An der Spitze stand der Zollschreiber, der oft der jeweiligen Zollherrenfamilie angehörte. Ihm unterstellt waren der Beseher mit zwei bis drei Zollknechten als Helfer sowie militärisches Personal in unterschiedlicher Stärke. Eine besondere Vertrauensstellung hatte der Beseher inne. Ihm oblag nämlich die Taxierung der Ware und die Festsetzung der zu zahlenden Zollgebühr. Logisch, daß er in dieser Tätigkeit manchem Bestechungsversuch durch die Kaufleute ausgesetzt war. Entlohnt wurden die Zöllner mit einem Gehalt, kostenloser Sommer- und Winterdienstbekleidung und Naturalien. Die Zollverwaltungen logierten in Zollburgen, -häusern oder -türmen direkt am Fluß. Zu ihren logistischen Einrichtungen zählten Schiffsanlegestellen, Kaimauern und Lastkräne.

 

 

Insel Rettbergsaue

Zwischen Mainz-Mombach und Wiesbaden -  Schierstein liegt mitten im Rhein die Rettbergs­aue. Große Teile dieser 65 Hektar großen, 3 Kilometer langen und bis zu 300 Meter breiten Insel, die teilweise von Auwald bedeckt ist, stehen seit 1978 unter Naturschutz. Ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen sind heute sich selbst überlassen.
Dank dieser Entwicklung ist die Vogelwelt der Rettbergsaue trotz der Belastung durch die Autobahnbrücke, die über sie hinwegführt, recht artenreich. Der Nachtigallenbestand ist ungewöhnlich groß, und es existiert eine Graureiherkolonie. Zu der schützenswerten Vogelwelt der Insel gehören auch Schwarz- und Rotmilan, Hohltaube, Kleinspecht und Pirol, die sämtlich auf der Roten Liste stehen.
Die Rettbergsaue ist zugleich ein stark besuchtes Naherholungsgebiet. Es gibt Sandstrände, einen Grillplatz, zwei Campingplätze, einen Kinderspielplatz, mehrere Tischtennisplatten, einen Bolzplatz und auf der Schiersteiner Seite das gemütliche Insel - Café.

Man kann den Besuch der schönen, autofreien Rheininsel in eine 4 Kilometer lange Rundtour einbinden. Es geht zunächst vom Schiersteiner Hafen mit der Fähre zum Westteil der Rett­bergs­aue. Dann wandert man die 1,5 Kilometer zum Ostteil hinüber. Von dort fährt man mit der Fähre nach Biebrich, und zum Schluß geht es auf dem Fahrradweg in der Rheinaue zum Schiersteiner Hafen zurück.
Öffnungszeiten: April - Oktober täglich 8 - 20 Uhr | freier Eintritt | Tel. 0611 24551 (Biebrich), 0611 24508 (Schierstein).| Info: aus Naturschutzgründen sind Hunde nicht erlaubt |
Insel - Café auf der Rettbergsaue | Tel. 0611 9279898 | Mai-Okt täglich geöffnet ab 10.30 Uhr

 

Nierstein

Welcher Ort am Rhein darf sich mit dem Prädikat „größte Weinbau treibende Gemeinde” schmücken? Einer der berühmten Namen, Bacharach, Rüdesheim, Worms oder Brei­sach am Kaiserstuhl? Es ist das rheinhessische Nierstein süd­lich von Mainz. Mehr als 1000 Hektar sind von Reben be­stockt - das ist fast so viel, wie noch am gesamten Mittelrhein angebaut wird. Und tatsächlich, die Gemeinde scheint förm­lich im Wein zu schwimmen. Kein Wald und kein Feld un­terbricht das Rebenmeer.

Die Großlage „Roter Hang“ verweist durch ihren Namen auf die außergewöhnliche Geologie, der Nierstein seinen flüssigen Reichtum verdankt. Der gesamte Hang besteht aus rotem Tonschiefer, dem so genannten Rotliegenden, einer Formation aus der Permzeit vor 250 Millionen Jahren. Das mineralreiche Gestein begünstigt aber nicht nur die Wein­qualität.

Es ist auch ein hervorragender Konservator früher Lebensspuren. Die meisten Funde an Saurierfossilien oder Haifischzähnen hat der Privatsammler Arnulf Stapf gemacht. Daraus erwuchs eine der größten paläontologischen Samm­lungen in Deutschland. Im Alten Rathaus können die nach Alter und Klassen geordneten Schätze aus 570 Millionen Jah­ren bewundert werden, darunter einzigartige Raritäten wie die ältesten Insektenspuren („Trittsiegel") Europas oder der 270 Millionen Jahre alte „Urlurch”, eines der ersten Tiere mit fünfgliedrigen Extremitäten.

Sehenswert ist die evangelische Kirche mit dem Chorturm aus dem 12. Jahrhundert und dem Langhaus (1782 -  1787) inmitten alter Kirchhofbefestigung mit gotischem Rundturm und romanischem Tor. Die katholische Pfarrkirche St. Kilian - auch Bergkirche genannt - hat einen romanischen Chorturm mit Zwiebelhaube aus dem 18. Jahrhundert und Langhaus von 1772 - 1774. Das Alte Rathaus (1838) ist heute Paläontologisches Museum. Das Sironabad ist ein unterirdisches Quellenheiligtum des keltisch - römischen Göttin Siro­na.

 

Ingelheim

Bei Ingelheim ist der Rhein mit 900 Meter breit und hat damit seine größte Breite. Es gibt ein Strandbad und einen Jachthafen. In Ingelheim ist das größte Kirschenanbaugebiet Deutschlands. Ende September wird in Ober - Ingelheim die Rotweinkönigin gewählt. Außerdem ist Ingelheim  eine Hochburg des Spargelanbaus (besonders gut im Sportlerheim).

Von der Autobahnabfahrt Ingelheim - Ost fährt man in den Ort hinein und dann links hoch nach Unter - Ingelheim entsprechend der Schilder „Altes Rathaus, Kaiserpfalz“. Parken kann man in der Straße westlich des Alten Rathauses. Im Rathaus ist ein Museum, das aber nur werktags am Vormittag geöffnet ist. Es gibt aber einen Wanderweg, der zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Ingelheims führt.

Die Kaiserpfalz Karls des Großen liegt östlich des Alten Rathaus in  der Saalgasse. Die Pfalz, von Kaiser Karl projektiert und von seinem Sohn, Ludwig dem Frommen vollendet, erreichte die Ausdehnung antiker Groß­bauten. Hier wurde 788 der Prozeß gegen Tassilo von Bayern geführt, hier wurde der einzige Gold - Denar Karls des Großen gefunden. Viele Häuser der Stadt sind aus den Steinen der Pfalz gebaut. Mittelpunkt der Anlage war die Aula, der Reichssaal, in dem sich Könige und Kaiser trafen, sowohl die glanzvolle Synode unter Otto dem Großen von 948 als auch die Versammlung, als Kaiser Heinrich IV. von seinem Sohn 1105 zum Abdanken ge­zwungen wurde.

Kaiser Barbarossa verwandelte die Pfalz in einen „wehrhaften Stützpunkt“ und veränderte damit das Gesamtbild der Anlage grundlegend. Mauerreste und Teile der Saalkirche stam­men aus dieser Zeit. Auf einer Holzrelieftafel ist die Gesamtanlage rekonstruiert. Auf einer Wendeltreppe kann man auf die Mauer steigen und auf das Hauptgebäude der Pfalz sehen. Man kann aber auch noch von der Längsseite her in das Innere gehen. Der befestigte Raum um die Pfalz wird „Saal“ genant, die Mauern wurden erst später um die Pfalz gebaut. Im  Jahre 1689 wurde die Pfalz eingeäschert.

Weiter östlich liegt die Saalkirche. Südlich davon das „Karlsbad“, eine unterirdische Brunnenanlage (kein Bad) und der Saalbrunnen. Östlich der Saalkirche stehen Reste des Hei­desheimer Tors. Daran schließt sich südlich an die Stadtmauer. An ihr geht man entlang bis zum Zuckergerbtor (mit Kräutergarten) und dem Eckturm „Bolander“.

Wenn man die Straße westlich des Alten Rathauses entlang fährt, kommt man zur Katholischen Remigiuskirche, ein einfacher Barockbau von 1739, mit reich gegliedertem romanischem Turm.

Ein Stück weiter wendet man und fährt in der Einbahnstraße wieder nach Osten. Nach rechts geht es zum Krankenhaus, dort wieder rechts und dann links hoch entlang der Weinberge nach Ober - Ingelheim zur Burg mit der Evangelischen Burgkirche mit Deckengemälden. Die Kirche entstand Mitte des 15. Jahrhunderts anstelle einer romanischen Vorgängerin. Adelsgeschlechter aus Ingelheim erkoren sie zu ihrer Grab­lege. In der Nähe der Kirche ist ein Weingut, das schöne geschnitzte Fässer im Keller hat.

Durch den Gehauweg kann man einen Abstecher in die Weinberge machen. Man kommt zum kleinen Burgberg mit Baumgruppe und Mauerresten. Der nächste markante Punkt ist ein freier Platz mit Kelter und Kruzifix. Hier geht es nach links und kurz darauf noch einmal nach links.

Durch die Burganlage fährt hinein nach Ober - Ingelheim, an der zentralen Kreuzung geht es links zum alten hessischen Amtsgericht. Man fährt aber gerade aus ins Selztal und über den Bach. Am Kreisel zeigen Wegweiser zwei Möglichkeiten: „Haus Waldeck“ führt auf den

den Westerberg („wüster Berg“, weil wenig Regen). Dort steht der Bismarckturm. Man überquert den Rheinhöhenweg, um links versetzt  auf einem Graspfad und nochmals links die Verbindung zur Waldecker Straße herzustellen, die sich in engen Kurven hinanwindet. Man kommt zu „Brausers Berghütte“(Säfte aus eigenen Obstplantagen) oder zum Restaurant Waldeck. Der Bismarckturm hat 124 Stufen.

Oder man fährt Richtung  „Schloß Westerburg“. Dieses  ist ein Weingut, das 1900 von Heinrich von Opel gekauft wurde. Es gibt aber keine Autostraße zwischen beiden Ausflugszielen, nur einen Feld- und Radweg.

Im Selztal am Rande Ingelheims ist die Eulenmühle, ein Reiterhof mit artgerechter Haltung. Durchs Tal führt ein schöner Radweg (Frankfurt II, Seite 263).

In der Umgebung stehen links den Laurenziberg, ein Wallfahrtsort, dann Ober- und Nieder-Ingelheim  In der Nähe weithin sichtbar der Bismarckturm.

 

 

Heidesheim

Nur wenige Schritte vom Bahnhof Heidesheim entfernt, ragt das Wahr­zeichen der Gemeinde auf, die 17 Meter hohe Turmburg Windeck, einst Mittelpunkt einer ausgedehnten Wehranlage, um 1209 als Wasserburg im Umkreis der ruhmreichen Ingel­heimer Kaiserpfalz entstanden. So trutzig, mußten Bauwerke wohl errichtet sein, um nicht wie die meisten anderen des Ortes in seiner langen Geschichte durch häufige Über­schwemmungen hinweggespült zu werden.

Durch die Bahnhofstraße kommt man zum Ortsmittel­punkt, an dem Mainzer und Linger Straße abzweigen, rechts der großen katholischen Kirche mit barocker Schau‑ und Portalfront in die Römer‑, Oberdorfstraße und halbrechts in den Wackernheimer Weg. Wenn dieser auf die Wackernheimer Straße trifft, findet man erstmals die Markierung R und schließt sich ihr unmittelbar rechts am Haus Nr. 21, einen kaum sichtbaren Wiesenpfad hinauf, an. Weiter leicht stei­gend zwischen Obstbäumen, später auch mit Reben‑ und Obststücken abwechselnd wie während der gesamten Wan­derroute, ist man schnell über dem Ort.

Man schaut hinüber zum auffälligen Gebäude der ehemaligen Schloßmühle am Karlsbach, einem schmucken kleinen Renaissanceschloß, dessen Anfänge auf die gleichen Ritter von Winternheim zurückgehen, die die Burg Windeck erbauten und schon bald nach hier übersiedelten. Zur Öl‑ und Getrei­demühle wurde die Anlage erst im vergangenen Jahrhundert. Ein Industriemäzen verhalf dem Schloß zu seinem neuen alten Gesicht.

Auf dem Weinbergweg erreicht  man fast die Höhe des Ra­benkopfes. Der Hinweis „Naturdenkmal“ in einem steinigen Gelände gilt auch den Höhlen. In einer von ihnen soll einst Karl der Große mit seinem Jagdgefolge vor einem Gewitter Schutz gesucht haben. Essend und trinkend soll die Ge­sellschaft das Unwetter abgewartet haben und später noch manches Ge­lage darin gefeiert haben. Die Höhle soll den Namen „Karlsgrotte“ gekommen haben. Aus Sicherheitsgründen sei sie nicht zugänglich. Ortskundige stellen allerdings klar, daß es eine  solche Höhle nicht gibt. 

Statt in die Tiefe schweift der Blick in die Ferne, über den Rheingau jenseits des Stromes zum Rheintaunus. Der Radius wird noch vergrößert nach Kreuzen der Straße Mainz ‑ Ingel­heim mit Erreichen des höchsten Punktes dieser Gegend (228 Meter).

Doch was weitaus mehr fasziniert ist die Landschaft diesseits des Rheines zur Zeit der Kirschblüte. . Zu Zehntausenden reihen sich die Kirschbäume an­ein­an­der. Ein Kirschblütenmeer tut sich alljährlich in der Rheinnie­derung zwischen Heidesheim und Ingelheim auf. Während hier oben noch meist die hochstämmigen Veteranen mit weitausholenden Kronen dominieren, ist man unten im Tal längst zur Bepflanzung mit kleinwüchsigen Neuzüchtungen übergegangen, die zwar alle sieben bis Jahre erneuert werden müssen, aber weitaus ertragreicher sind als die mühsam über Leitern erreichbaren großväterlichen, hier bald nur noch in der Literatur existierenden Schattenspender.

Das „R“ leitet einen asphaltierten Weg zwischen Rebenzeilen nach Ingelheim hinunter, auf die malerische Burgkirchenanlage zu, Grablege der Ingelheimer Adelsgeschlechter seit dem 15. Jahrhundert inmitten eines mittelalterlichen Wehrfriedhofs. An dieser Stelle verläßt uns das Zeichen. Man wendet sich rechts in den Gehauweg, seine Fortsetzung Rotweinstraße, von der Turnerstraße rechts in die Mainzer Straße und links zum Rathausplatz mit Altem Rathaus.

Zwischen Zanggasse und Zuckerberg läuft man geradeaus in die Heidesheimer Straße und damit aus Ingelheim hinaus, in dieser Jahreszeit sicher nicht, ohne zum Spargelessen eingekehrt zu sein. Hauptsächlich Spargelfelder neben Reben und Obststücken bestimmen denn auch diesen Feldabschnitt auf Heidesheim zu. An der Wegegabelung mit steinernen „Ruhe“, an der einst die Marktfrauen ihre Kiepen und Körbe absetzten, wendet man sich links, an einer mächtigen Schwarzpappel vorbei, und findet durch Berndes ‑ Allee und Binger Straße zum Bahnhof zurück (Elvira Klein, Frankfurt I, Seite 259).

Herr Schaub aus Heidesheim teilter 2010 dazu mit, daß er nicths von diesen verschütteten Höhlen wisse. Er vermutet eher, daß es sich um eine Volkssage handelt, die im Zusammenhng mit der Pfalz in Ingelheim (Karl der Große)  entstanden ist.

 

Gau-Algesheim

Hier steht das  Schloß Ardeck. Das Rathaus ist um 1480 auf spätgotischem Erdgeschoß erbaut.  Der Graulturm als Teil der Stadtbefestigung ist nach 1355erbaut. .

 

Budenheim

Hier steht  weithin sichtbar das Schloß Waldthausen. Im Hintergrund ist der Aussichtsturm auf dem Leniaberg, mit einer guten Wirtschaft mit großem Garten.

 

 

Mainz

Auf mehr als 2000 Jahre bewegte Geschichte blickt rheinland-pfälzische Landeshauptstadt zurück. Kanzler, Erzbischöfe und Johannes Gutenberg prägten sie genauso wie das rheinische Temperament seiner Einwohner und seit 1961 das Zweite Deutsche Fernsehen auf dem 200 Meter hohen Lerchenberg.

Bereits um 38 vCh gründeten die Römer am Zusammenfluß von Rhein und Main ein Militärlager. 25 Jahre später wurde „Moguntiacum“ erstmals urkundlich erwähnt. Strategisch wichtig, da am Schnittpunkt alter Völkerstraßen. Blieb Mainz auch im Mittelalter. Im 8. Jahrhundert machte der Hl. Bonifatius Mainz zum Sitz seines Erzbistums und legte damit den Grundstock für den weiteren Aufstieg der Stadt. Fortan residierten Erzbischöfe und. ab dem 10. Jahrhundert auch Erzkanzler im „Goldenen Mainz“. Repräsentative Bauten entstanden, darunter im 11. Jahrhundert der Dom. Und auch die reichste und wichtigste jüdische Gemeinde Europas siedelte sich in Mainz an.

Als zwischen 1452 und 1455 Johannes Gensfleisch zum Gutenberg die nach ihm benannte Gutenberg-Bibel zum ersten Mal in lateinischer Sprache druckte, waren die Erzbischöfe schon längst zu weltlichen Kurfürsten aufgestiegen. Das 17. und 18. Jahrhundert bescherte Mainz unter den Erzbischöfen von Schönborn eine weitere Blüte sowie zahllose, bis heute erhaltene barocke Gebäude. Mittlerweile leben in der Landeshauptstadt fast 200.000 Einwohner, die sich in der Altstadt mit ihren pittoresken Gassen und Winkeln, faszinierenden Fachwerkhäusern, sakralen Bauten und den vielen Weinstuben genauso wohl fühlen wie die zahlreichen Besucher.

Mainz gehörte zu den wichtigsten Außenposten des römischen Reiches im Norden, war zeitweise Frontstadt des römischen Reiches, zentraler Verwaltungssitz für die Provinz Germania superior, die sich von Koblenz bis zum Genfer See erstreckte. In Mainz prallten die Kulturen der Römer und der Germanen aufeinander. Das römische Mainz war Drehscheibe zwischen der römischen Kultur und dem „Babaricum“, dem Land der Barbaren.

Im Jahre 346 ist erstmals ein Bischof in Mainz beurkundet. Der heilige Bonifatius hat mit der Übernahme des Bischofsstuhls die über tausendjährige Epoche des „Goldenen Mainz“ einleitet. Und außerdem ist da ja noch Gutenberg, der Erfinder der Druckkunst, der von den Amerikanern gekürter „Mann des Jahrtausends“.

Mainz gehörte zu den wichtigsten Außenposten des römischen Reiches im Norden, war zeitweise Frontstadt des römischen Reiches, zentraler Verwaltungssitz für die Provinz Germania superior, die sich von Koblenz bis zum Genfer See erstreckte. In Mainz prallten die Kulturen der Römer und der Germanen aufeinander.

In Mainz wurde die erste feste Brücke über den Rhein gebaut, und in Mainz wurde bei Bauarbeiten in der Innenstadt ein Heiligtum des Volksglaubens entdeckt, eine Opfer- und Kultstätte. Als dies wieder verschüttet gehen sollte - wie so viele Römerrelikte der vergangenen Jahrhunderte in Mainz - da gründete sich die „Initiative Römisches Mainz“, um das römische Erbe zu bewahren, zu pflegen und zu fördern. Die Initiative legte zum Tag des offenen Denkmals 2001 einen kleinen Führer mit dem Titel „Streifzüge durch das sichtbare römische Mainz“ auf. Die zeigte die „Römersteine“, die Relikte einer alten Wasserleitung, die das Heerlager auf dem Kästrich versorgte, den Drusus­stein, steingemauerte Erinnerungsstätte an den Heerführer Drusus, Stiefsohn des Kaisers Augustus, der in Mainz starb.

Die römische Wasserleitung soll zumindest in zwei Bögen rekonstruiert werden, um eine Vorstellung von der Baukunst der Römer und ihrem handwerklichen Können in der Grenzstadt Mainz zu geben. Aber nicht immer sind es die großen Monumente, um die sich Geschichten ranken.

Im Isis-Tempelbezirk fand man eine kleine Tonfigur - eindeutig als Mann ausmachen. Diese Figur war rituell zerbrochen und wie bei einem Voodoo-Zauber durchstoßen und gedreht gebettet. Für die Archäologen ist klar - eine verwünschte Person. Ein Rätsel mehr im Mainzer Boden.

Römisches Andenken, das sind auch solche Terrakotta-Figuren aus dem einmaligen heiligen Bezirk römischer Volksgläubigkeit in Mainz.

Wie schwer es ist, gute Ideen umzusetzen, zeigt der Südbahnhof in Mainz, der wie ein lange vergessener, abgenutzter und vernachlässigter Bahnhalt aussieht, aber bald modernisiert werden soll. Der Bahnhof soll künftig „Mainz - Römisches Theater“ heißen, um auf den einmaligen Theaterbau hinzuweisen. Denn als die Bahn im späten 19. Jahrhundert durch Mainz gebaut wurde, da führten die Gleise mitten durch die Theateranlage.

Das Stadtmarketing hat sich bislang stets des eingefahrenen Stadtbildes bedient: Karneval statt Römer. Dabei verfügt Mainz über eine Vielzahl interessanter Plätze mit römischer Vergangenheit und manchmal neu zu konzipierender musealer Präsentation - vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) bis zum Römerschiffmuseum (Museum für antike Schiffahrt). In einer neuen Einkaufspassage in der Innenstadt („Römer-Passage“) kommt noch eine „Taberna Archaeolo­gi­ca“ hinzu - Info-Bar für den „Heiligen Bezirk“ mit direkten Einblick in den Isis-Tempel. Die Römer sollen wieder stärker ins Bewußtsein der Stadt rücken und warten darauf, als Werbefaktor neu entdeckt zu werden.

 

Rundgang:

Schiffahrts-Museum:

Mainz-Süd empfiehlt sich der Einstieg ins Schiffahrts-Museum für die 1981 geborgenen Schiffe. In ihren originalen Resten eher unscheinbar, dafür als Nachbauten umso beeindruckender, liegen die Boote in den lichtdurchfluteten Hallen der ehemaligen Großmarkthalle. Ein mit 32 Ruderern besetztes Boot ist fertig, während an einem zweiten, vermutlich mit Pfeilgeschützen bestückten Boot vor den Augen Besucher gewerkelt wird.

Was sich nicht aus den Holzfunden erschließen läßt, bildet man an antiken Reliefs nach, die jedes Detail von Takelage oder Steueranlage festhalten. Neben Repliken geben zahlreiche Bildnisse, Grabmäler, Karten, Inschriften und ausführliche Texttafeln einen umfassenden Einblick in das römische Flottenwesen.

Vermutlich hatten die fünf im Flußsediment konservierten Rheinschiffe nie ernsthafte Feindberührung. Sie dürften bei der Katastrophe zum Jahreswechsel 406 / 407, als mehrere germanische Stämme in breiter Front den Rhein überschritten, noch vor dem Feindeszugriff versenkt oder schon zuvor abgewrackt worden sein (Museum für antike Schiffahrt, Neutorstraße 2 b, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr).

 

Römisches Theater:

Vom Schiffsmuseum geht man vorbei an einem Parkplatz, unterquert die Bahnhofsgleise Mainz-Süd. In Römischer Zeit befand sich hier ein Amphitheater - Ort der jährlichen Drusus-Staats­gedenkfeiern. Es hatte eine Bühnenbreite von 42 Metern und einen 116 Meter breiten Zuschauerraum mit 10.000 Plätzen - das nachweislich größte römische Bühnentheater nördlich der Alpen.

Allein dieser Bau unterstrich die zentrale Rolle, die das römische Mainz einst hatte. Das Theater sollte im 19. Jahrhundert schon einmal ausgegraben werden. Seit 1999 wird es nun von vielen freiwilligen Helfern freigelegt. Die Helfer melden sich zu Wochenend- oder Ferienschichten und begeistern sich für die Geschichte unter dem Stadtboden.

Vorher war von dem ganzen Theater nichts zu sehen, da lag eine Straße darüber. Als im 17. Jahrhundert die Zitadelle gebaut worden war, wurden nämlich die Überreste des Theaters zugeschüttet oder weggeräumt, um von den Stellungen aus ein freies Schußfeld zu haben. Erst beim Bau der westlichen Eisenbahnverbindung 1884 tauchten die Mauerreste wieder auf. Die Bauherren des Bahnhofs gewannen aber gegen die Archäologen. Als die Bahn durch Mainz gebaut wurde, da führten die Gleise mitten durch die Theateranlage. Auch bei neuerlichen Grabungen 1914 ist das Interesse an dem Theater schnell erloschen.

Marianne Grosse, Bau- und Denkmalpflegedezernentin von Mainz, will das Bühnentheater nun Schritt für Schritt wieder herrichten lassen. Erst ein richtiger Zaun, dann eine erste Stuhlreihe, dann erste Aufführungen, schließlich mehr Bänke, bis wieder 500 Menschen in dem halbrunden Bau sitzen können - so lautet der Plan. Möglich seien Theaterstücke oder Tanzabende unter freiem Himmel oder auch Open-Air-Kino. Der Intendant des Mainzer Staatstheaters, Markus Müller, hat sich die Überreste des Bauwerks schon auf eine mögliche Nutzung hin angeschaut. Der Ort sei aber „sehr anspruchsvoll“, sagt eine Sprecherin vorsichtig. Der Sandboden sei schwierig, und die Züge im angrenzenden Bahnhof seien laut.

Die Gleise verlaufen direkt an den Relikten des Theaters entlang - genau dort, wo einst die Bühne stand. „Wir wissen bis heute nicht, wie hoch das Bühnenhaus war“, sagt Gerd Rupprecht, der über viele Jahre hinweg Landesarchäologe von Rheinland - Pfalz war. Wahrscheinlich aber mußten die Zuschauer in den ersten Reihen nach oben schauen. Das ganze Theater dürfte sich mehrere gewaltige Stockwerke nach oben erstreckt haben, bis zum Giebeldach der Lutherkirche am angrenzenden Hügel. „Und darüber Sonnensegel“, sagt Rupprecht.

Da es der Wunsch Roms war, auch in den Provinzen das römische Gedanken- und Kulturgut zu präsentieren, dürften auch dort die großen Tragödien aufgeführt worden sein. Doch in Mainz wurde nicht nur Theater gespielt. Mainz war damals ein politischer Wallfahrtsort für Germanien und Gallien. Einmal im Jahr kamen in der Hauptstadt der römischen Provinz Obergermanien hohe Würdenträger zu einer Versammlung zusammen - und im Theater fanden sie alle Platz. Es wäre also historisch gesehen gar nicht abwegig, das Theater auch für Bürgerversammlungen zu benutzen.

Zur Zukunftsmusik gehört auch, daß der Südbahnhof so gestaltet wird, daß aus den vorbeifahrenden Zügen ein Blick in das Theaterhalbrund möglich ist. Der Südbahnhof in Mainz soll künftig „Mainz - Römisches Theater“ heißen, um auf den einmaligen Theaterbau hinzuweisen.

 

Drususstein:

Welche Bedeutung die Römer dem strategisch so günstigen Platz gegenüber der Mainmündung zumaßen, vermag man am sogenannten Drususstein zu ermessen. Das granatenförmige Monument steht heute an der linken hinteren Ecke der Kurmainzer Zitadelle aus dem 17. Jahrhundert.

und geht nach rechts hinauf über den Zitadellenweg in den Festungsbereich. Für den im Jahre 9 nCh bei einem Pferdesturz tödlich verletzten populären Feldherrn Drusus errichteten seine Soldaten das gewaltige Denkmal von 30 Meter Höhe an exponierter Stelle. Damals wie heute bieten sich hervorragende Aussichten über das vieltürmige Mainz in den Rheingau und ins Untermaingebiet. - Von den römischen Friedhöfen ist nur erhalten der „Eichelstein“ an der Südspitze der Zitadelle, ein runder Grabturm auf vierseitigem Steinsockel.

Aquädukt:

Man verläßt die Zitadelle durch den Hof einer Wirtschaftsschule, überquert eine tiefgeschnittene Straße und hält sich uns am Eisgrubweg links. Weiter folgt man der Straße „Am Gautor“ nach links, die am Fichteplatz in die „Obere Zahlbacher Straße“ übergeht. Mit dem Universitätsklinikum zur Rechten, läuft man bis zu ihrem Ende. Dort heißt es rechts in den „Zahlbacher Steig“ abbiegen, dessen scharfer Linkskehre man bis zum Ausgang folgt. Etwa 50 Meter danach spaziert man über einen unscheinbaren Fußweg rechts abwärts, um gleich wieder, nach dem Queren der „Unteren Zahlbacher Straße“, leicht bergan zu gehen.

Das Legionslager für zwei Legionen auf 36 Hektar Fläche reichte vom Kästrich (oberhalb der Kupferbergstraße, durchschnitten von der B 40) bis zu den Universitätskliniken, aber heute ist davon nichts mehr zu sehen. Seit 92 nCh lag hier die „Legio XXII primigenio pia fidelis“, ihr Name ist auf vielen Inschriften zu finden. Nur vom Aquädukt gibt es noch verwitterte Pfeiler („Römersteine“) im Zahlbachtal (am Zahlbacher Steig), die ursprünglich 30 Meter hoch waren.

Die höckerartigen Gebilde am Rand des Weges sind Reste des einstmals 30 Meter hohen Aquädukts. Bei nur einem Prozent Gefälle wurde das kostbare Naß von Finthen („ad fontes“) zu einem zentralen Verteiler im Lager transportiert. Aus der täglichen Fördermenge von gut 6.000 Kubikmetern läßt sich auf die Einwohnerzahl von etwa 12.000 Einwohnern im antiken Mainz schließen.

Am Ende der 58 verbliebenen Pfeiler kommt man zur Albert- Schweitzer-Straße. Von ihr läßt man sich nach rechts die Richtung weisen bis zum Hauptfriedhof. Auf seiner ganzen Länge kann er durchschritten werden. Besonders beeindruckend sind die Ehrenmale der in Mainz stationierten Garnisonen neuerer Zeit und etwa in der Mitte, die Grabstätten mit Gruft der Sekt-Dynastien.

Am Haupteingang hält man sich links durch die „Untere Zahlbacher“ und die „Binger Straße“ bis hin zum Hauptbahnhof. Man läuft weiter zur Straße „Große Bleiche“ und zum Mittelrheinischen Landesmuseum und zum Römisch-Germanische Zentralmuseum.

„Arbeitsteilig“ bietet man im Landesmuseum die römischen Funde von Mainz aus (Grabsteine, Denkmäler, Büsten, Viergöttersteine, Altäre, Reliefs oder Schmuck), während man sich im Zentralmuseum auf die Übersicht über die gesamte römische Geschichte und weitere Hochkulturen konzentriert (Mittelrheinisches Landesmuseum, Große Bleiche 49-51, dienstags 10 bis 20Uhr, mittwochs bis sonntags 10 bis 17 Uhr. Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Ernst-Ludwig- Platz, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr). Zwischen den beiden Sammlungen stehen die Kopien eines reich gearbeiteten Dativius – Victor - Bogens aus dem 3. Jahrhundert einer um 60 nCh zu Ehren Neros errichteten Jupiter - Säule.

 

Holzturm:

Am Rhein entlang kommt man zum Hilton-Hotel II, links der Rheinstraße, hier wurden die Römerschiffe bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt, Repliken markieren die Stelle. In der Rheinstraße stehen der „Holzturm“ aus dem 15. Jahrhundert und der „Eiserne Turm“ aus dem 13. Jahrhundert, beides Reste der ehemaligen Stadtbefestigung. Der 1366 erstmals erwähnte Holzturm steht an der Nahtstelle zwischen der Altstadt und der im 13. Jahrhundert in den Mauerring einbezogenen Vorstadt. Der Name Holzturm leitet sich von dem nahe gelegenen Holzmarkt ab. In der Neuzeit diente der sechsgeschossige Turm als Gefängnis. Der wohl bekannteste Gefangene war der legendäre Räuberhauptmann Johannes Bückler, besser bekannt als Schinderhannes. Die Zeit bis zur Vollstreckung der gegen ihn verhängten Todesstrafe im Jahre 1803 verbrachte er im Holz­turm.

Sehenswert sind in Mainz die schönen Rheinkais mit den alten Toren, der Hafen, die Stadthalle mit Terrasse und einem 6000 Personen fassenden Saal, guter Gastwirtschaft usw. Der Rheinhafen lag nordwestlich des Stadtkerns am Dimesser Ort südwestlich des heutigen Zoll- und Binnenhafens.

 

Augustinerkirche:

An der Weintorstraße geht man links zum Augustinerkloster und zur Augustinerkirche. Diese ist ein Saalbau, der von 1768 - 1772 erbaut wurde. Der rote Sandsteinbau sowie seine Innenausstattung blieben im Zweiten Weltkrieg nahezu unversehrt. Dem Besucher bietet sich so ein Blick auf die ausladende barocke Prachtentfaltung im Originalzustand. Die großen, lichten Deckenmalereien mit der Verherrlichung des Lebens des Heiligen Augustinus fertigte der Maler Johann Baptist Enderle an.

Die Himmelsgasse führt auf die Augustinerstraße, und erst nach rechts und dann nach links kommt man die in die Straße „Kirschgarten“: Die alten und sehr schmalen Fachwerkhäuser in diesem Viertel südlich des Doms zeigen, wie es früher in Mainz ausgesehen haben muß. Das Backhaus „Zum Treppchen“ und der Marienbrunnen mit Marienstatue sind nur zwei der prägenden Erscheinungen dieses Stadtteils.

 

Dom:

Über die Augustinerstraße und den Leichhof kommt man zum Dom, einer der drei großen Kaiserdome am Rhein. Kurz nach 975 wurde mit dem Bau dieses Domes begonnen. Bereits 1975 feierte das Bistum „1000 Jahre Mainzer Dom“. Damals galt es als historisch ziemlich gesichert, Erzbischof Willigis habe schon 975 mit dem Bau der riesigen Kirche begonnen. In der Zwischenzeit ist die Forschung jedoch mit einem konkreten Datum wie 975 zurückhaltender geworden. Immerhin bietet die Überlieferung ein anderes exaktes Datum: „Am 29. / 30. August des Jahres 1009 ist der von Willigis erbaute Dom kurz vor oder nach der Weihe einem Brand zum Opfer gefallen.

Er wurde im Jahre 1009, einen Tag vor seiner Einweihung, durch ein Feuer zerstört. Seine Wiederherstellung und endgültige Einweihung ließ dann bis zum Jahr 1036 auf sich warten. Nach Sturmschäden und einem weiteren Brand 1081 folgte eine bis 1137 dauernde Erneuerung. Das war auch gleichzeitig das Ende der romanischen Bauperiode des Doms. In die Zeit der Gotik fielen einige Erweiterungen, wie die an das nördliche und südliche Seitenschiff anschließenden Kapellenreihen und die Errichtung des östlichen Vierungsturmes. Auch sein westliches Pendant wurde damals bis auf 82,5 Meter erhöht. Insgesamt hat der Dom heute sechs Türme.

Auch nach dem Wiederaufbau des Domes und seiner Weihe im Jahr 1036 brachen immer wieder Feuer aus - insgesamt siebenmal brannte er in 1000 Jahren ab. Aber auch von Beschießungen und Bombardements sowie von der Nutzung als Stall und Soldatenlazarett berichten die Historiker.

Den Erbauern des Doms hatte vermutlich die St. Peterskirche in Rom als Vorbild gedient. Das Mainzer Wahrzeichen erhielt die aufwendigste Ausstattung aller deutschen Bischofskirchen. So lang wie ein Fußballfeld und so hoch wie ein Mammutbaum bildete der sechstürmige Dom lange das Zentrum der größten Erzdiözese Europas. Neue Generationen bauten immer wieder um: Mittlerweile prägen alle großen Stilepochen von der Frühromanik über die Gotik und die Renaissance bis zu Barock, Rokoko und Historismus die Bischofskirche. Könige wurden hier gekrönt und Erzbischöfe begraben. Heute ist der Dom Mittelpunkt eines Bistums mit 790.000 Katholiken, das zu einem Drittel in Rheinland-Pfalz und zu zwei Dritteln in Hessen liegt.

Sieben Königskrönungen fanden im Laufe der Jahrhunderte im Dom statt und immerhin 45 Main­zer Bischöfe und Erzbischöfe wurden im Dom bestattet. Die Bischofskirche des Erzbischofs von Mainz, der zugleich Erzkanzler des Deutschen Reiches war, sollte die Bedeutung des Mainzer Bischofs für Kirche und Reich deutlich machen.

Der Dom ist die Kathedrale, die Bischofskirche. Im Westchor, in der Achse des Domes, befindet sich die „Kathedra“, der Platz des Bischofs beim feierlichen Gottesdienst. Denn für die Feier des Gottesdienstes (vor allem der Eucharistie und des Stundengebetes) wurde dieser Kirchenraum geschaffen. Der Ostchor war dem Heiligen Stephan, der Westchor aber dem Heiligen Martin geweiht

Kunstgeschichtlich bedeutsam sind die vielen Grabmäler, die man vor allem an den Pfeilern findet. Sie sind eine Dokumentation der Grabmalskunst vom 13. bis um 19. Jahrhundert. Sie zeigen aber auch die geschichtliche Bedeutung der Mainzer Erzbischöfe als „Königsmacher“: Der Erzbischof von Mainz zählte zu den sieben Kurfürsten, denen die Wahl der deutschen Könige (und damit des römischen Kaisers deutscher Nation) oblag, bis dieses Deutsche Reich in den Wirren der Französischen Revolution unterging.

Viele der Grabdenkmäler aus dem 11. bis 20. Jahrhundert sind an Säulen und Mauern der Kirche und des Kreuzganges angebracht oder befinden sich seit 1928 in der neuen Krypta unter dem Westchor. Allein schon diese Porträtgalerie kirchlicher Würdenträger macht den Dom zu einer außergewöhnlich interessanten Sehenswürdigkeit.

Besonders wertvoll ist für uns das Grab von Bischof Ketteler (gestorben 1877) in der Marienkapelle. Es hält für uns die Erinnerung an den Bischof wach, der sich in Deutschland als erster mit den sozialen Fragen umfassend beschäftigt hat. Auf ihn geht in wesentlichen Teilen die Soziallehre der Kirche zurück.

Vielleicht ist auch Gelegenheit, sich auch die verborgenen Schätze der Kathedrale anzusehen. In der Krypta unter dem Westchor befindet sich die Grablege der letzten Bischöfe von Mainz. Die Ostkrypta, nach Erzbischof Bardo benannt, ist dem Gedächtnis der heiligen Männer und Frauen geweiht, die eine besondere Beziehung zum Bistum Mainz hatten. Ihre Reliquien werden in einem kostbaren Schrein aufbewahrt. Die Gotthard-Kapelle, ehemals Palastkapelle des erzbischöflichen Hofes, ist dem stillen Gebet reserviert.

Das Hauptschiff ist stets geöffnet, Kreuzgang, Krypta usw. werden vom Küster gegen Trinkgeld geöffnet. Genauer anschauen sollte man sich auch die einzelnen Portale. So sind die bronzenen Türflügel am nördlichen Marktportal bereits im 11. Jahrhundert gegossen worden.

 

Auf dem Marktplatz vor dem Mainzer Dom wurde 1526 der Marktbrunnen errichtet. Er gehört zu den schönsten Renaissancebrunnen in Deutschland. Drei reich ornamentierte Pfeiler tragen das Gebälk, in dem eine Inschrift besagt, daß Erzbischof Albrecht von Brandenburg der Stifter ist. Dreimal in der Woche, wenn rund um den Brunnen herum Marktstände stehen, pulsiert das Leben hier ganz besonders.

 

Gutenberg-Museum:

Am Liebfrauenplatz, dem Dom gegenüber, steht das zwischen 1960 und 1962 zum „Weltmuseum der Druckkunst“ ausgebaute Gutenberg-Museum. Es wurde von Mainzer Bürgern im Jahre 1900 anläßlich des 500. Geburtstags von Johannes Gutenberg gegründet. Seit 1901 ist Mainz auch Sitz der Gutenberg-Gesellschaft. Der ältere Teil des Museums bildet das 1653 bis 1664 erbaute Familienpalais. Das Gebäude wurde später als Gasthof mit dem Namen „Zum Römischen Kaiser“ genutzt. Über dem Eingang ist eine Kaiserfigur zu sehen, die Stuckdecke zieren ein Wappen Gutenbergs und der Stadt Mainz.

Im Museum geben die Sammlungen einen Überblick über die Kunst des Buchdrucks von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Zu den besonderen Schätzen des Museums gehört auch die Rekonstruktion der alten Druckerstube Gutenbergs mit benutzbarer Presse. Hier wird live vorgeführt, wie vor 550 Jahren gedruckt wurde. Daneben gibt es auf den 2700 Quadratmeter Ausstellungs­fläche mittelalterliche Handschriften, historische Drucke. Druckpressen und Setzmaschinen zu bewundern sowie die weltberühmten 42-zeiligen Bibeln Gutenbergs.

 

Rheinstraße:

Nördlich vom Gutenbergmuseum ist die Mailandsgasse. In ihr steht die 1253 erbaute Hospitalkirche zum Heiligen Geist, jetzt eine schön ausgestattete Bierwirtschaft. An der Rheinstraße geht es dann links weiter. Wo die Rheinstraße sich teilt, liegt links das Karmeliterkloster aus dem14. Jahrhundert. Die Rheinstraße geht in die Peter-Altmeier-Allee über. Hier steht links die Deutschordenskommende. Da der Name den Mainzern zu lang ist, nennen sie den stattlichen Bau kurz „Deutschhaus“. In dem Gebäude, dessen Fassade Richtung Rhein ausgerichtet ist, residierte unter anderen Napoleon. Heute tagt hier der rheinlandpfälzische Landtag.

 

Schloß:

Ein Stück weiter steht das kurfürstliche Schloß. Diese zweiflügelige Renaissanceanlage am Rhein entstand zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert. Der dem Rhein zugewandte Ostflügel wurde von 1627 - 1678 erbaut, der Nordflügel entstand von 1687 bis 1752. Früher diente das Schloß Kurfürsten und Erzbischöfen als Residenz, heute beherbergt es unter anderen. das Römisch-Germa­nische Zentralmuseum. Drei Dauerausstellungen widmen sich der Vorgeschichte, der Römerzeit und dem Frühmittelalter. Zu sehen gibt es unter anderem eine Kopie des Papstthrones und Grabbeigaben der Franken.

 

Christuskirche:

Am Eingang der Kaiserstraße steht die Christuskirche. Mit ihrer 80 Meter hohen kupfergedeckten Kuppel steht diese Renaissancekirche am Übergang zur Neustadt. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie fast völlig zerstört, beim Wiederaufbau 1952 fügte man ein Glockenspiel hinzu. Dessen Klänge sind jetzt dreimal am Tag zu hören.

Man geht die Kaiser-Straße ein Stück weiter, biegt dann links in die Bauhofstraße ein und kommt durch die Flachsmarktstraße wie in Richtung Markt. Hinter dem Theater liegt die Römerpassage.

 

Römerpassage:

Die Zivilstadt Mogontiacum lag im heutigen Stadtkern und hatte einen eigenen Mauerring, der an die Kastellmauer anschloß. Nach dem Ende des Kastells wurde die Mauer auf dem Kästrich auf den zum Teil erhaltenen römischen Mauern gebaut. Mit einem einzigartigen Einkaufstempel will die Stadt Mainz Besucher und Touristen anlocken. Die „Römerpassage“ liegt hinter dem Theater in westlicher Richtung. Ein Jahr später als geplant wird im Februar 2003 in der Innenstadt die „Römerpassage“ eröffnet. Der Grund für die Verzögerung waren die Überreste einer fast 2000 Jahre alten römischen Tempelanlage, die bei den Bauarbeiten zum Vorschein kamen. Weil sich kein Geldgeber fand, war lange Zeit unklar; ob das antike Relikt überhaupt ausgegraben werden kann.

Nun ist eine Kombination aus Einkaufsmarkt und antiker Sehenswürdigkeit entstanden, die nach Ansicht der Planer auch Neugierige aus Wiesbaden, Frankfurt und Hanau anziehen wird.

Fast 400 Bauarbeiter arbeiten seit September 2001 auf Hochtouren. Ein Jahr zuvor war der Bau des Einkaufszentrums bis auf weiteres gestoppt worden. Beim Abriß der alten „Lotharpassage“ entdeckten Mainzer Archäologen die Überreste aus der Römerzeit. Sie fanden Hunderte von Öllämpchen und vermuteten im tieferen Erdreich weitere Gebäude römischer Handwerker und Händler.

Wie sich herausstellte, waren die Archäologen auf ein seltenes Heiligtum gestoßen: Eine Tempelanlage für Opfergaben an die orientalischen Göttinnen Isis und Magna Mater aus dem ersten bis vierten Jahrhundert nach Christus. Das nächste der Göttin Isis geweihte und uns durch Ausgrabung bekannte Heiligtum in Ungarn.

Die ägyptische Isis war im Römischen Reich umstritten. Ihr schlechter Leumund rührte aus der Zeit, als Kleopatra den Römern den Kopf verdrehte. Die Pharaonin wurde mit der Göttin Isis gleichgesetzt - das war in Rom verpönt. Hier konnten Kaiser erst nach ihrem Tod zu Göttern werden. Wer sich vorher so verehren lassen wollte, galt als anmaßend und lebte gefährlich. Antonius, der mit der Göttin Kleopatra - Isis verheiratet war, wurde von Octavian zum Staatsfeind erklärt. In dieser Zeit wäre ein Isiskult in Rom undenkbar gewesen. Erst ein Jahrzehnt später führte Caligula (37 bis 41 nCh) das orientalische Gottkönigtum in Rom ein. Mit Vespasian (69 bis 79 nCh) wurden die ägyptischen Götter auch in Rom und den westlichen Provinzen endgültig populär.

Auch aus baulicher Sicht war die Ausgrabung der Tempelüberreste ein Problem. Die Grundmauern mußten um etwa 15 Meter verschoben werden, weil sie nicht vollständig in das Gebäude integriert werden konnten. Ein Platz fand sich im Untergeschoß. Im nachhinein ist man erleichtert, daß für alles eine Lösung gefunden worden ist. Mit der „Römerpassage“ sei etwas Einmaliges entstanden. Rund. 40 Geschäfte, 36 Wohnungen und eine Bürofläche von 4.500 Quadratmetern befinden sich oberhalb des antiken Heiligtums. Die Leute müssen keinen Umweg machen, um sich den Tempel anzusehen, sie kommen bei ihrem Einkauf automatisch daran vorbei.

 

Über eine Treppe geht es hinab in die zweitausendjährige Geschichte der Stadt. Unter einem nachgebildeten Sternenhimmel können die Besucher auf Glasstegen über den Tempel schreiten. An die Wände projizierte, bewegte Bilder, eine spezielle Beleuchtung und imitierte Gerüche von den Opferverbrennungen sollen den Besuchern helfen, in die Welt der Römer einzutauchen.

Erst­mals haben Archäologen eine römische Tempelanlage in Deutschland freigelegt, in der sie auch die Kulthandlungen nachvollziehen können. Im Schatten des Innenhofes richten die Gläubigen kleine Altäre her. Auf einem Stapel Holz werden Datteln, Feigen und Pinienzapfen verbrannt. Der Duft von Räucherwerk durchzieht die heiligen Räume. Nebenan opfern andere den Göttinnen Magna Mater und Isis. Aus der Gaststätte dringt der Lärm eines rituellen Gelages.

So rekonstruieren Archäologen das sakrale Treiben im Mainz der Römerzeit.

 

Ergebnis: Der römische Tempelbezirk bestand vom Ende des 1. bis zum 4. Jahrhundert n.Ch. Er lag an der Hauptstraße, die vom Legionslager auf dem Berg hinunter zur Rheinbrücke führte. Hier lebten sonst Handwerker und Händler. Das Heiligtum war mit einer rechtwinkligen Mauer umschlossen. Im Innern gab es neben zwei Tempelgebäuden und einem Restaurant ein freies Hof­areal, in dem die Gläubigen ihre Opferhandlungen vollzogen. Hier verbrannte man seine Gaben auf einem Altar oder vergrub sie im Boden.

An den meisten Opferstellen fanden sich Unmengen von Asche und darin die immer gleichen Früchte: Datteln, Feigen und Pinienkerne und sogar ein Reiskorn. Keine von diesen Pflanzen wuchs in den unwirtlichen Breiten nördlich der Alpen, Früchte und Samen kamen aus dem Mittelmeergebiet. Südimporte sind etwas absolut Seltenes. Im Tempelbezirk in der Lotharpassage klaubte sie die fremden Früchte zu hunderten aus dem Boden.

Der größte Teil der Opfergaben sind Speisen, doch es gibt auch Gruben, in denen Nichteßbares für die Götter niedergelegt wurde. Gebrannte Tierfiguren aus Ton zum Beispiel, die vermutlich ein echtes Fleischopfer ersetzten. 300 Öllampen zeigen deren wichtige Rolle bei den Brandopfern. Teils verbrannt lagen sie auf den Holzkohleschichten der Altäre. Offenbar hat man die Lichtspender am Ende eines Ritus geopfert. Bei einer neuen Kulthandlung ließ man sie an ihrem Platz auf der Kohle, stapelte neue Scheite darüber und zündete ein Feuer an.

Zum römischen Gottesdienst gehörten auch rituelle Feste. Die Archäologen haben innerhalb des Heiligtums eine Gaststätte ausgegraben: An zahlreichen Herden lagen Geschirr und Weinkrüge in Scherben herum, vermischt mit Essensresten. Die Überbleibsel von mehreren Festgelagen bilden eine dicke Schicht auf dem Fußboden.

Vom Fleisch eines geopferten Tieres bekamen die Götter nur die Eingeweide oder Knochen als Brandopfer. Einen weiteren Anteil erhielt der Priester für seine Dienste, den Rest verspeisten die Gläubigen selbst. Opferfleisch konnte ein Römer problemlos auf dem Markt erwerben. Dann lud er zur Party ins Tempelrestaurant - Mainz besitzt Deutschlands älteste Kult-Kneipe.

Noch zwei Monate vor Ende der Grabung wußte niemand, welche Götter in den Tempeln verehrt wurden. Die Archäologen hatten keinerlei relevante göttliche Zeugnisse gefunden. Dann tauchten zwei in den Boden eingelassene Steinplatten auf. Zwei identisch formulierte Inschriften („Wei­hun­gen zum Wohl der Kaiser, des römischen Volkes und des Heeres“) unterschieden sich nur durch den Namen der Gottheit, für die sie gestiftet wurden: Auf der einen Tafel wurde die anatolische Fruchtbarkeitsgöttin Magna Mater, auf der zweiten die ägyptische Isis geehrt. Magna Mater taucht in Mainz selten auf, Isis war den Wissenschaftlern hier bislang völlig unbekannt.

 

Die Inschriften gehören in die Regierungszeit des flavischen Kaiser Vespasian (69 bis 79 nCh). Auf einem anderen, kleineren Inschriftenfragment im Mainzer Heiligtum wird Vespasian zusammen mit Magna Mater genannt. Mit der Göttin Isis verbindet ihn sowieso ein enges Band: Vespasian war 69 nCh in Alexandria vom Militär zum Kaiser erkoren worden. Die ägyptischen Götter, vor allem das Paar Isis und Serapis, betrachtete er seither als seine persönlichen Schutzgötter. Nach der Eroberung Jerusalems 70 nCh verbrachte er mit seinem Sohn Domitian die Nacht vor dem Triumphzug in Rom im Isis-Heiligtum vor den Toren der Stadt.


Die Archäologin Marion Witteyer hat die Hypothese aufgestellt „Die flavischen Kaiser richten in der Provinz einen Kult ein, der eng mit ihrer Person verbunden ist. Wird hier der Versuch unternommen, eine Dynastie zu gründen?“ Die Flavier stammten aus bescheidenen Verhältnissen. Mit der Stiftung solcher Heiligtümer stellten sie sich unter den besonderen Schutz einer Gottheit und schufen sich so eine göttliche Legitimierung ihrer weltlichen Macht.

Soweit die offizielle Seite des Mainzer Tempels. Neben den anerkannten Kulten sind aber auch Zauberhandlungen belegt, die im Römischen Reich verboten waren. Etliche zusammengerollte Bleitäfelchen zeugen vom Aberglauben des Volkes. Auf ihnen schrieben die römischen Mainzer ihre geheimsten Wünsche auf, rollten sie um einen magischen Gegenstand und vergruben sie bei Nacht und Nebel im Tempelhof.

Die Bleiröllchen aus der Lotharpassage müssen noch restauriert werden, Spezialisten müssen das heute bröckelige Blei vorsichtig auseinander biegen. Das sind so intime Quellen. Da erfährt man die Gedanken einer Person, die sonst völlig verschlossen bleiben. Aus antiken Schriftquellen kennen die Historiker derlei Hokuspokus. Die Zaubersprüche reichen von juristischen Dingen wie „Bestrafe den Dieb!“ bis zu Liebesleid: „Wenn ich sie nicht kriege, soll sie keiner haben!“

Die Archäologin zieht ein erstes Resümee: „Das Heiligtum ist schillernd, da wurden nicht nur die zwei Hauptgöttinnen verehrt. Es war ein Platz, an dem jeder jedem Gott gehuldigt hat“. Das Besondere des Ortes soll sichtbar bleiben. Die Mauern des heiligen Bezirks werden wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückversetzt. In der Lotharpassage soll „Geschichte in Szene gesetzt werden“.

 

Schillerplatz:

Westlich vom Markt geht es auf den Gutenbergplatz. Links liegt das Gutenbergdenkmal. Man kommt über den markierten 50. Breitengrad. Über die Ludwigsstraße geht man zum langgestreckten Schillerplatz. Hier steht nicht nur das Schillerdenkmal, sondern auch der neun Meter hohe Fastnachtsbrunnen mit seinen etwa 200 Bronzefiguren. Auf dem Schillerplatz beginnt und endet auch die so genannte „Fünfte Jahreszeit“ mit der Verkündung der elf Fastnachtsgesetze am 11.11. bzw. am Aschermittwoch mit dem Waschen der leeren Geldbörsen im Brunnen. Zwei Barockpaläste zieren den Platz: im Süden der im 18. Jahrhundert von Freiherr von Ritter zu Grünstein erbaute Bassenheimer Hof, in dem heute das Innenministerium untergebracht ist und im Südosten der Osteiner Hof, ein 1747 - 1752 errichtetes Familienpalais für den Reichsgrafen von Ostein. Vor einem der Palais forderten die Mainzer einst von dem französischen General Rizambeau die Feier der Fastnacht.

 

Stephanskirche:

Rechts an diesem Palais vorbei geht es zur Stephanskirche. Schon von weitem gut zu erkennen ist diese gotische Hallenkirche, errichtet auf dem Stephansberg, einem der höchsten Punkte von Mainz. Die Pfarrkirche St. Stephan ist aus Kalkbruchsteinen gebaut, weiß verputzt, schmückende und tragende Teile in rotem Sandstein abgesetzt. Mit dem achtseitigen Turm und der aufgesetzten Kuppellaterne prägt St. Stephan die Stadtsilhouette mit.

Die heutige, nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaute Kirche wurde um 1350 (Kreuzgang 1499) erbaut. Sie ist die einzige Kirche in Deutschland, die mit Fenstern des jüdischen Künstlers Marc Chagall (1887 - 1985) ausgestattet ist. Die neun blau leuchtenden Glasfenster (sechs im Ostchor, drei im Querhaus) sollen ein symbolisches Zeichen für die Versöhnung zwischen Juden und Christen setzen. Im Jahre 1978 wurde das erste Chagall - Fenster des damals 91-jährigen Künstlers eingesetzt. Das letzte Fenster vollendete Chagall kurz vor seinem Tod im 98. Lebensjahr. Marc Chagall wurde Ehrenbürger von Mainz, die Stadt selbst hat er aber nie besucht.

Doch es ist nicht die Architektur dieses hervorragenden spätgotischen Werks in Mainz, die selbst an tristen Tagen die Besucher in die Kirche lockt. St. Stephan ist einmalig wegen seiner Kirchenfenster, die den Kirchenraum mit einem blauen Licht band umfangen. Es gibt 18 verschiedene Blautöne, die die neun Fenster miteinander zu einer Einheit verschmelzen.

Es war Pfarrer Klaus Mayer, der Chagall als „Meister der Farbe und der biblischen Botschaft“ überzeugte, in St. Stephan ein vielfaches Zeichen zu setzen. Im hohen Alter von bald 90 Jahren begann Chagall sein Werk. Kurz vor seinem Tod - Chagall stand damals im 98. Lebensjahr -wurde das letzte Fenster vollendet und so ein Zeichen von Völkerverständigung und jüdisch-christlicher Verbundenheit geschaffen.

Der Raumeindruck mit dem Grundton Blau wird komplettiert durch Fenster von Charles Marq, der als Seniorchef eines Glas-Ateliers in Reims fast drei Jahrzehnte mit Chagall zusammenarbeitete. Diese Einheit von Kunstwerk, Künstler und Atelier findet sich in der mehr als 1000 Jahre alten Kirche von St. Stephan in Mainz in Vollendung.            

St. Stephan ist montags bis samstags von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr geöffnet - im Dezember und Januar allerdings nur bis 16.30 Uhr; sonntags nur zwischen 14 und 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Termine, Führungen und Gruppenbesuche sind beim Pfarramt St. Stephan (Telefon 0 6131/ 23 16 40 oder Telefax 06131/231646) zu erfragen. Dort gibt es auch Auskünfte über die Fenster-Meditationen, die Klaus Mayer regelmäßig abhält; er hatte den Kontakt zu Chagall hergestellt und gepflegt.

 

Kupferberg-Museum:

Durch die Breidenbacher Straße und dann links den Berg hoch auf der Emmerich – Josef - Straße kommt man zum Kupferberg-Museum. In Mainz liegen die Anfänge der berühmtesten deutschen Sektkellereien begründet. Eine von ihnen die Sektkellerei Kupferberg. Die Kellerei hat in einem klassizistischen Gebäude auf ihrem Firmengelände mitten in der Stadt ein Museum eingerichtet, in dem an sich auf den Spuren der Geschichte des prickelnden Getränks bewegt. Die Sammlung von Sekt- und Champagnergläsern ist einmalig. Nicht minder merkenswert ist der Blick von der oberhalb der Stadt liegenden Kupferbergterrasse.

 

 

Museen:

Dom- und Diözesanmuseum, montags bis mittwochs und freitags 10 bis 16 Uhr, donnerstags 11 bis 17 Uhr, samstags 10 bis 14 Uhr.

Gutenberg-Museum, Liebfrauenplatz 5, dienstags bis samstags 10 bis 18 Uhr, sonntags 10 bis 13 Uhr.

Naturhistorisches Museum, Reichsklarastraße, dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, donnerstags 10 bis 21 Uhr.

In Mainz gibt es das Römisch-germanische Zentralmuseum, das Mittelrheinische Landesmuseum und das Schiffahrtsmuseum.

 

 

Die römische Gräberstraße von Mainz-Weisenau

Einer der wichtigsten Verkehrswege            im frühkaiserzeitlichen Mainz war die Verbindungsstraße zwischen dem Zweilegionenlager und dem Lager m Weisenau, von wo aus sie als Fernstraße weiter nach Süden verlief. Von beiden Zielorten fanden aus fanden seit augusteischer Zeit Bestattungen statt, wobei währenddessen in den langsam schließenden Lücken noch vereinzelt Töpfereibetriebe arbeiteten.

Durch einen Graben wird der Bereich der Toten deutlich vom Bereich der Lebenden - der

Straße - abgegrenzt. Auf der von der Grabung des Landesdenkmalamtes Mainz im Ortsteil

Weisenau untersuchten Fläche kamen 35 nebeneinander liegende Grabbezirke zutage. Große Einfriedungen mit in der Front eingelassenen Grabsteinen schlossen manchmal ein zusätzliches Monument ein. Dazwischen befanden sich weitere Gräber, von denen  einige noch durch Grabsteinfragmente markiert waren, sowie einzelne Verbrennungsgruben, in denen man die Scheiterhaufen für die Einäscherung des Leichnams aufgeschichtet hatte. Ein großer Kremationsplatz mit rund 100 Verbrennungsgruben existierte im Gelände hinter den Einfriedungsmauern im östlichen Teil der Grabungsfläche. Die schlichten Gräber auf der nördlichen Straßenseite lagen in lockerer Reihung, aber gleichfalls nach dem Straßenverlauf orientiert

An dieser Straße befand sich auch eine monumentale Grabrotunde, die wahrscheinlich mit

dem Kenotaph für den 9 vCh verstorbenen Stiefsohn des Augustus, Drusus, identisch ist

Damit und mit der Bedeutung als Militärstraße wird die Wahl dieser Straße für die Anlage

repräsentativer Grabanlagen beerdet gewesen sein.

Die Entwicklung innerhalb des aufgedeckten Befundausschnittes begann in tiberischer Zeit (um 15 nCh) mit der Anlage einzelner Gräber im Westen, während im Osten zur gleichen Zeit Töpfereien in Betrieb waren. Schon nach wenigen Jahrzehnten mußten die Werkstätten den heranrückenden Gräbern weichen. Im 2. Jahrhundert verlor die Gräberstraße zunehmend an Bedeutung, wurde aber bis zu ihrer Auflassung im vierten Jahrhundert weiter belegt.

 

 

Ginsheim - Gustavsburg

Schon am Ginsheimer Altrheinufer überkommt Ausflügler Ferienstimmung. Ruderer und Paddler kreuzen im Altrheinarm, große Wasservögel drehen ihre Runden. Ein res­taurierter historischer Bagger steht am Uferflanierweg, wo sich bis 1984 ein Kies­umschlagplatz befand. Die kleine Fähre bringt Radfahrer und Fußgänger hinüber zur Rheininsel Nonnenaue bei Langenau, auch als Rheinaue bezeichnet. Nach der kurzen Überfahrt geht es am besten mit dem Fahrrad weiter, zunächst auf einem Feldweg etwa zwei Kilometer über die idyllische, kaum erschlossene Rheininsel mit verwirrender Namensviel­falt, denn Inselteile heißen Rabenwörth, Nonnenau und Langenau. Alte Obstbäume und wilde Wiesen ge­hen allmählich in große Raps‑ und Getrei­deäcker inner­halb der Hochwasserdämme über. Weiden und Pappeln begrenzen die Sicht.

Ein Teil der Insel gehörte bis 1972 der Gustavsburger Maschinenbaufabrik MAN, die sie 1917 / 1918 erworben hatte, um für ihre Werkskantine Vieh zu halten und Gemüse, Getreide, Obst anzubauen. Auch heute wird auf dem Hofgut Langenau, des­sen Dächer bald zwischen Bäumen hervor lugen, Landwirtschaft betrieben.

Am Ziel angelangt, sind die Ausflügler meistens beeindruckt vom großzügigen In­nenhof mit Tischen und Bänken für den Gutsausschank, umrahmt von alten land­wirtschaftlichen Sand­steingebäuden. Allein die Scheune von 1850 mit dem weiten Überdach über der Selbstbedie­nungstheke zeugt von bäuerlichem Wohl­stand. Bereits 1357, dem Zeitpunkt einer urkundlichen Belehnung, soll das Hofgut ein respektables Anwesen gewesen sein.

Beliebt bei Besuchern sind die efeube­wachsenen Terrassen mit Blick auf Rhein und Rheinwiesen. Kein Autolärm, nur ge­legentliches Motorbootgeheule unter­bricht die friedliche Stimmung. Lastkähne tuckern vorbei. Auf den breiten Wiesen kann gespielt und getobt werden.

Bei Hitze zieht es alle an den feinen Kiesstrand, wo Kinder Muscheln sammeln oder Schiff­chen aus Rinde, Stöckchen und Blättern bauen können. Wer von den El­tern die Erlaubnis bekommt, badet glück­lich im sanften Fluß ‑ durch die quer ins Wasser gebauten Buhnen ist das Baden in Ufernähe dort gefahrlos. So lagern unter riesigen Weiden Familien mit Kindern und genießen neuerdings Badefreuden im Rhein. Und wer den Weg nicht scheut, kann mit dem Rad weiterfahren bis zum Ende der Insel, wo ein schattiges Restaurant am Ufer noch einmal Erquickung bietet.

Hofgut Langenau, Telefon 06144/2285, geöff­net April bis Oktober 11 bis 23 Uhr, Mon­tag Ruhetag. Fähre Ginsheim‑Nonnenau: 1. April bis 31. Ok­tober Montag bis Freitag 1. Fahrt 9 Uhr, 2. Fahrt 11 bis 12 Uhr, am Nachmittag 14 bis 19 Uhr, letzte Fahrt 22 Uhr, zwischen 19 und 22 Uhr keine Fahrten! Erwachse­ne 1 Euro, Kinder und Fahrräder 50 Cent. PKW‑Anfahrt nur über Trebur: A 60 Abfahrt Rüsselsheim‑Mitte oder A 67 Abfahrt Groß‑Gerau, Richtung Trebur Ortsmitte, abbiegen in die Hauptstraße, am Sport­platz vorbei, Auenweg über Gut Hohenau bis auf die Insel. Parken am Hofgut.

 

Oppenheim

Von 1225 bis 1375 führte Oppenheim den Titel einer freien Reichsstadt. Wie Worms. Speyer und Heidelberg wurde auch sie 1688 im Pfälzer Erbfolgekrieg von französischen Truppen ziemlich zerstört. Dennoch blieb vieles von der einstigen Bausubstanz erhalten, so das gotische Rathaus mit seinen zwei Stufengiebeln, die ebenfalls gotische Michaeliskapelle, das mittelalterliche Gautor oder der in der Renaissance erbaute Geschlechterbrunnen. Wer sich einen wunderschönen Blick über die Stadt, den Rhein und die zahllosen Weinberge rundum gönnen möchte, steigt am besten zu den Ruinen der Burg Landskrone hinauf.

Im Stadtbild überwiegt das barocke Element aus der Zeit des Wiederaufbaus nach der Brandkatastrophe von 1689. Die ursprünglich getrennten Siedlungsbereiche um den ehemaligen Königshof, die Burg und die beiden Märkte wurden erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts rechtlich und durch eine gemeinsame Stadtbefestigung tatsächlich zusammengefaßt. Kaiser Friedrich II. verlieh der Stadt Sonderprivilegien (zwei Großhandelsmessen, teilweise Abgabenfreiheit).

Parken kann man wenn man durch die Stadt am Marktplatz vorbei fährt und dann nach links in die Spitalstraße abbiegt.

 

St.‑Katharinen‑Kirche:

Roter Sandstein und drei mächtige Türme - so präsentiert sich die gotische Katharinenkirche. Oppenheims Blickfang und bedeutendste Sehenswürdigkeit. Von der spätromanischen Basilika aus dem Jahr 1226 sind lediglich die beiden Türme im Mittelteil erhalten. Besonders prächtig ist die der Stadt zugewandte Südseite des Langhauses geraten. Sie übernimmt die ansonsten bei gotischen Kirchen der Westfassade vorbehaltene Funktion der Schaufassade.  Die Katharinenkirche  ist der bedeutendste gotische Kirchenbau zwischen Straßburg und Köln.

Sie wurde gegründet im Zuge der 1226 begonnen Stadterweiterung, im Jahre 1258 wurde sie zur Pfarrkirche der Neustadt, 1317 zum Kollegiatstift erhoben. Der Bau in den vier Abschnitten romanisch ‑ frühgotisch ‑ hochgotisch ‑ spätgotisch. wurde 1439 beendet. Dieses in mehr als 200 Jahren entstandene Gottes­haus dokumentiert die reiche Vergangenheit der einstigen freien Reichsstadt. Mehrmals in Teilen zerschlagen, entstand die Stadt immer wieder neu, selbst nach den Zerstörungen des Drei­ßigjährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges, meist unter größten Entbehrungen der Bevölkerung.

Berühmt ist die Kirche vor allem  wegen ihrer Radfenster Rose und Lilie an der Südseite. In den spitzen Giebeln darüber (wo das Schiefer­dach beginnt) ist - von rechts nach links ‑ das Reifen des Lebens bei Menschen und Pflanzen dargestellt. Jeweils in der Mitte der Giebel: Vom Jüng­ling zum Mann. Jeweils am Rande der Giebel: Von der Knospe zur Rose. Der zweite Manneskopf von links stellt den früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss dar, 1958 ge­staltet (Beispiel für das Alter).

 

Das Innere der Kirche,  von rechts nach links:

  • 1.)  Das Lilienfenster, nach dem Grundriß einer Lilie gestaltet. Im Mittelalter galt sie als Zeichen der Reinheit. Neuverglast 1937. Eine Lutherrose ist in der Mitte. Das mittlere Fenster ist nur farbig gestaltet ohne Motive. Links davon:

2.)  Die berühmte „Oppenheimer Rose“, nach dem Grundriß einer Heckenrose gestaltet; die Rose als Zeichen der Liebe. In der Mitte das Wappen der freien Reichsstadt Oppenheim. Das Glas in den Grundfarben der Gotik: Gold, rot und blau. 90 Prozent altes Glas aus dem 14. Jahrhundert.

3.)  Das Grabmal der Eheleute Johann von Dalberg und Anna von Bickenbach, gestorben 1415. Sie waren ein bekanntes Adelsgeschlecht, das in Oppenheim seinen Sitz hatte.

4.)  Das Reformationsfenster, gestiftet 1889 aus An­laß der ersten großen Renovierung der Kirche, 200 Jahre nach der teilweisen Zerstörung von 1689.

5. )  Grabmal Wolf von Dalberg des Jüngeren (gestorben 1522) und seiner Gemahlin Agnes von Sickingen (gestorben 1517).

6.)  Über dem Altar das Passionsfenster, zum großen Teil aus altem Glas. Rechts davon ein biblisches Fenster, links das Wappenfenster.

7.)  Der Taufstein von 1888 wurde gestiftet von Wilhelm Wallot aus Oppenheim, nach einem Entwurf seines Sohnes Paul Wallot, der den Reichstag in Berlin erbaute.

8.)  Links vom Altar in der Seitenkapelle befindet sich das berühmte Grabmal der Anna von Dalberg, Tochter der Eheleute Dalberg ‑  Bickenbach, ge­schaffen von einem Meister der Spätgotik um 1420 (insgesamt drei Steine).

9.)  Über dem Grabmal zwei Fenster mit der Darstellung der Reformatoren Calvin, Zwingli, Luther und Melanchthon aus dem Jahre 1889. Darüber: Die Austeilung des heiligen Abendmahls und die Trauung Martin Luthers.

10.) Grabmal Wolf von Dalberg (gestorben 1476) und seiner Ge­mahlin Gertrud von Greiffen­klau (gestorben 1502).

11.) Bibelfenster aus dem Jahre 1520. Die Scheiben im Mittelteil zählen zu den kostbarsten Fenstern der Kirche.

12.) Grabmal Friedrich von Dalberg (gestorben 1506) und Katharina von Gemmingen (gestorben 1517).

13.) Darstellung von Gottvater, Maria und dem Jesuskind. Die Fenster dieser Nordseite sind zu 80 Prozent aus altem Glas aus dem  14 Jahrhundert.

14.) Darstellung von sechs biblischen und frühchristlichen Heiligen aus dem 14. Jahrhundert.

15.) In dem Hauptschiff darüber befindet sich das Elisabethenfenster. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, mit gleichem Thema 1962 neu gestaltet. Elisabeth von Thüringen reicht den Armen Brot. Umgeben von biblischen Darstellungen der gött­lichen Barmherzigkeit.

16.) Darstellung des Urteils Salomos (Reste vom 14. Jahrhundert).

17.) Im Obergaden (höchste Stelle in der Mitte der Kirche) Dreikaiserfenster (Wilhelm I., Friedrich Wilhelm, und Wilhelm II.) von 1906.

18.) Das Gebet Jesu Christi in Gethsemane. „Es geschehe dein Wille“ (14. Jahrhundert).

19.) Freitragende Treppe, 13. Jahrhundert.

20.) In der südlichen romanischen Turmhalle das Grabmal des Ritters von Hantstein, kaiserlicher Kriegsrat von Oppenheim, der 1553 starb. Hochrenaissance.

21.) Orgel von 1871, auf der Max Reger und Albert Schweitzer öfters spielten. Renoviert 1959 und 1971. „Spanische Trompeten“ ragen horizontal heraus (?).

22.) Durch das „Verkündigungsportal“ in den Westchor der Kirche. Das Portal zeigt im oberen Teil die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria ‑ und den Satz aus dem Glaubensbekennt­nis: „Empfangen durch den heiligen Geist“.

23.) Im Spitzbogen ist ein Pelikan eingemeißelt, der sich die Brust aufstößt, um mit seinem Blut die Jungen zu nähren. Ein Symbol für das Opfer Christi am Kreuz.

23.) Westchor mit dem Netzgewölbe. Erbaut 1415 bis 1439, zerstört bei der Verwüstung der Pfalz durch die Franzosen, Neueinwölbung 1934 – 1937. Neue Farbverglasung in den nächsten Jahren.

24.) Stadtfenster mit der Darstellung der Geschichte Oppenheims (1980).

25.) Grabmal Eberhard Ludwig von Schmittburg, gestorben 1783.

26.) Grabmal Heinrich zum Jungen und Gisel von Wickers­heim, gestorben 1437.

27.) Grabmal Hans von Wolfskehl, gestorben 1518.

28.) Grabmal Katharine von Kronberg.

29.) Weinbergsfenster  von 1981 (Darstellung biblischer Wein­bergsgleichnisse und der Arbeit des Winzers).

30.) Grabmal des Chorherren Reyrner (gestorben 1477).

31.) Grabmal Wolf Heinrich von Sturmfeder (gestorben 1598) und Gemahlin.

32.) Heilig‑Geist‑Fenster (Farbverglasung 1977).

32a) Evangelistenfenster I  (1988)

33.) Schöpfungsfenster (Farbverglasung 1977).

34.) Christusfenster (Farbverglasung 1977).

34a) Evangelistenfenster II (1986)

35.) Zwei Grabmäler aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

36.) Grabmal des Chorherrn Johannes Droneck (gestorben 1524).

37.) Alte Wasserspeier der Kirche.

38.) Gleichnisfenster (Farbverglasung 1984).

40.) Außen ist noch ein Wasserspeier (Jona) zu sehen.

 

Beinhaus:

Wenn an rechts um die Kirche herumgeht, kommt man zu verschiedenen Kellern, unter anderem mit einem Lapidarium. Vor allem aber steht hier die Michaelskapelle mit einer kleinen Ausstellung von Bibeln und Steinmetzarbeiten, zum Beispiel mit Duplikaten der Köpfe, die die einzelnen Lebensalter darstellen.

Im Erdgeschoß enthält die Kapelle das noch gefüllte Beinhaus, in dem die Gebeine von etwa 20.000 Oppenheimer Bürgern aus den Jahren 1400 bis 1750 und Soldaten des Dreißigjährigen Krieges ruhen. Das Ossuarium wurde wahrscheinlich um 1400 eingerichtet, als ein Teil des kirchlichen Friedhofs dem Anbau des Westchors weichen mußte. Die Gräber wurden damals ausgehoben, die sterblichen Über­reste in das Gewölbe unterhalb der Mi­chaelskapelle auf der Nordseite der goti­schen Kathedrale gebracht.

Die aus der Not geborene Idee machte Schule. Denn auf dem Friedhof um die Katharinen­kirche wurde es langsam eng: Ein Bürgerrecht garantierte den Oppen­heimern, daß sie in der geweihten Erde an oder in der Kathedrale bestattet wer­den – ein Privileg, auf das kein Bürger verzichten mochte. Der Bereich in und um die Katharinenkirche galt als heiliges Land, die Kathedrale als „irdisches Jeru­salem“: Wer hier bestattet wurde, konnte nach der damaligen Vorstellung besonders sicher sein, „am Jüngsten Tag mit von der Partie zu sein“.

Das brachte die Zuständigen in ein Dilemma, das die Einrichtung des Beinhauses löste. Seit 1400 wurden die Gräber nach zehn Jahren Ruhezeit geleert, die Knochen in das Beinhaus, das zum Kirchenbereich gehörte, umge­bettet. Um die Verwesung voranzutreiben, seien die in Leintücher gehüllten Toten flach unter der Erde bestattet worden, in nur 40 Zentimeter Tiefe, ohne Sarg.

Nach Ablauf der Frist blieben Schädel, Becken‑ und Beinknochen übrig, die im Ossuarium zum gruseligen Stapel ge­schichtet wurden. Egal ob Arm oder Reich, Frau oder Mann ‑ jeder Oppenhei­mer, der außerhalb der Kirche bestattet worden war, fand hier seine letzte Ruhe: Am Beinhaus herrschte soziale Gerechtig­keit. Das Oppenheimer Bürgerrecht auf Bestattung auf dem Kirchhof überlebte Reformation und Kurpfälzischen Calvi­nismus. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts setzten die Stadtväter aus hygienischen Gründen dem Brauch und damit der Nut­zung des Beinhauses ein Ende.

Im Jahre 1750 erkannten die Bürger, daß die flach vergrabenen Leichen das Grundwas­ser verseuchten und die Brunnen im unte­ren Teil der Stadt vergifteten. Ein neuer Friedhof vor den Toren der Stadt würde angelegt. Die Lebenden waren dann doch wichtiger als die Toten. Und die aufgeklärten Christen der Neu­zeit hatten sich zudem längst von den kindlich ‑ naiven Auferstehungsvorstellun­gen des Mittelalters verabschiedet.

Der Knochenstapel im Oppenheimer Beinhaus wurde aber nie beseitigt. Während die meisten anderen Ossuarien des Rheinlands aus hygienischen Gründen geräumt und die sterblichen Überreste bestenfalls der Erde zugeführt wurden, blieb das der Katharinenkirche bis heute unangetastet. „Wir halten uns an das alte Versprechen!“ Und so können Besucher der Oppenheimer Katharinenkirche im Beinhaus der Michaelskapelle ein wenig gru­seliges Mittelalter schnuppern ‑ bis zum Jüngsten Tag.

Kathedrale und Beinhaus in Oppenheim, sind täglich im Winter von 9 bis 17 Uhr und im Sommer von 8 bis18 Uhr zu besichtigen. Führungen bietet Küster Betcher täglich, außer montags, nach Absprache, Telefon 06133/92 6685.

 

Für die  weitläufigen Kellera lagen in Oppenheim  gibt es Führungen.

 

 

Burg Landskron:

Über der Stadt erhebt sich die seit dem 15. Jahrhundert „Landskron“ genannte Burg. Sie war durch Wehrmauern mit der Stadtbefestigung verbunden. Als die Staufer sie zum Schutze ihrer Reichsgüter in diesem Gebiet errichteten, war bereits ein umfangreiches Kapitel von Oppenheims Geschichte abgeschlossen, nämlich als römischer Stützpunkt, weingesegnetes karo­lingisches Königsdorf  und Besitztum des Klosters Lorsch. Die Burg wurde 1689 von den Franzosen in Brand gesteckt und der Bergfried des 13. Jahrhunderts sowie die Stadtbefestigung gesprengt. Erhalten sind von der Burg nur noch die Umfassungsmauern des im 16. Jahrhunderts erbauten dreigeschossigen Palas.

 

 

Gernsheim

Römisches Militärlager:

Römerlager mitten in Gernsheimer Wohngebiet entdeckt

Die Geschichte der Römer in Hessen ist um ein Detail reicher. Archäologen der Frankfurter Goethe-Universität entdeckten im Jahr 2014 in Gernsheim im Süden des Landes Reste eines römischen Militärlagers. Es dürfte in etwa die Größe des wieder errichteten und bekannten Römerkastells Saalburg bei Bad Homburg nördlich von Frankfurt gehabt haben, war aber vermutlich nicht so massiv gebaut gewesen.

In Gernsheim war zwischen 70 und 110 nach Christus eine Truppeneinheit mit etwa 500 Mann stationiert. Die Funde - Scherben, Münzen, Reste von Amphoren - wurden in einem noch freien Doppel-Bauplatz entdeckt, der mitten in einem Wohngebiet liegt. Zu den Soldaten könnten noch rund 1000 Zivilpersonen dazugerechnet werden, die aber außerhalb des Militärlagers gelebt haben dürften.

Daß es in Gernsheim Spuren der Römer gibt, war bekannt. Aber so viele Tausende Funde an einer Stelle und das Entdecken des schon lange vermuteten Kastells war schon großes Glück. Die gesamte Größe des Kastells läßt sich aber nicht mehr freilegen. Gernsheim hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg ausgedehnt und dabei viele römische Spuren vernichtet.

Das Kastell befand sich an einer militärisch günstigen Stelle. Die Römer errichteten das Kastell, um in den siebziger Jahren des ersten Jahrhunderts nach Christus den rechtsrheinischen Raum großflächig in Besitz zu nehmen. Hier in der Gegend muß es auch einen Hafen gegeben haben,  der Transport auf dem Wasser war wichtig. Unterstellt war das Kastell der Garnison in   Mainz. Das Kastell in Gernsheim war eine militärische Vorhut, wurde dann aber mit der Entstehung des Grenzwalls Limes überflüssig.

 

Wallfahrtskirche Maria Einsiedel:

In der Nähe liegt die Wallfahrtskirche Maria Einsiedel. Von ihr wird folgende Legende erzählt. Arbeiter fanden das Muttergottesbild in einem Holunderstrauch und brachten es zum Pfarrer, der es in die Kirche stellte. Es verschwand aber immer wieder und war wieder im Holunderstrauch. Da erkannten die Leute, daß an der Stelle des Holunderstrauchs eine Kapelle für da Bild gebaut werden sollte.

 

 

Worms

Straßennamen wie Kriemhild-. Siegfried- und Hagen-Straße, die Nibelungenbrücke oder die in einen Kettenpanzer gehüllte Hagen-Statue am Ufer des Rheins erinnern daran, daß Worms Schauplatz des Nibelungenlieds ist. Jüngste Attraktion zu diesem Thema ist das Nibelungenmuseum, das mit seinem Seh- und Hörturm sowie dem unterirdischen Schatzraum den Mythos der Nibelungen phantastisch-fiktional aufbereitet. Nicht zuletzt trägt auch der Rahmen - die Stadtmauer des 12. Jahrhunderts, ergänzt um moderne Anbauten - zur stimmiger Ausstrahlung des Museums bei.

 

Geschichte:

Nahe der vom Klima begünstigten Bergstraße gelegen, war das Worms der hundert Türme, Kaiserpfalz Karls des Großen, Zentrum des Judentums, Podium Martin Luthers, eine der größten und reichsten Städte des deutschen Mittelalters.

Bei der geschichtsträchtigen Stadt Worms handelt es sich hierbei doch um uraltes Siedlungsgebiet, in dem sich bereits vor 6000 Jahren Menschen niedergelassen haben. Bodenfunde gibt es seit der jüngeren Steinzeit. Unter Augustus 27 vCh der römischen Provinz Germania prima zugewiesen, wurde die Stadt wohl um das Jahr 14 vCh. von Drusus verschanzt zum römischen Kastell. Aus dem umwallten und umtürmten Römerlager wächst die römischen Freistadt (municipium), das römische Worms.

Die Namensformen haben sich gewandelt: Vormatia schon 621, Vuangiona civitas770, Civitas Vanegionum, quae cognominatur Wormacia 771, Wannia 979, Wangia in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, Wormeze 1263, Wormize 1287, Wormesze 1300. Dann schreiben die Urkunden Wormbss, bis seit dem 18. Jahrhundert endlich die heutige Schreibweise durchbricht: Worms.

In der Völkerwanderung kommen Vandalen, Alanen und Sueven, bis endlich um 412 nach Auswanderung des Alemannenvolks die Burgunder den entvölkerten Landstrich zum Wohnsitz und Worms zu ihrer Königsstadt erhoben. Gibich, Godomar, Gislahar und Gundahar werden im 4. und 5. Jahrhundert genannt (siehe auch das Nibelungenlied). Unter Attilas Hunnen brach die Herrschaft 451 wie­der zusammen. Mit Chlodwigs Sieg bei Zülpich (Tolbiacu) im Jahre 496 kam die Burgunderstadt unter die Franken-Herrschaft. Über dem rheinfränkischen Worms wird das Kreuz aufgerichtet.

Der Stuhl des Gaugrafen steht hier. Aber unabhängig von Herzog und Gaugraf und unmittelbar unter dem Könige bestellt die königliche Stadt (civitas regia)  ihren Magistrat sich selber. Bei dem der späteren Pfalz (palatium) ragt der Bischofshochstuhl. Der Hauptkirche des heiligen Petrus schenkt König Dagobert schon etwa um 638 viel königliches Gut in Worms.

Mit dem im 5. Jahrhundert schon zerstörten Mainz hob sich Bedeutung und Besitz des Wormser Bistums. Die Karolinger überschütten Karls des Großen Lieblingsstadt mit Gütern und Gnaden ihrer Königshuld. Zahlreich sind die Reichstage und Maiversammlungen, die der große Karl hier hält. Seine Vermählung mit Fastrada feiert er zu Worms. Von Worms aus bricht der blutige Bekehrungszug zur Weser auf nach Sachsen. Kirchen und Klöster wachsen empor, nämlich Maria­münster 838 und St. Martin gegen Ende des 9. Jahrhunderts. Mauern und Türme werfen rheinaufwärtsfahrende Normanneneinbrüche tapfer zurück.

Schon unter Otto II. und Otto III. hat der Bischof eine Art Aufsichtsrecht über die Stadt angenommen. Dazu erhebt sich Burg und Besitz eines gewaltigen und gewalttätigen rheinfränkischen Herzogsgeschlechtes über Bischofshof und Bürger mitten in der Stadt - Bistum und Bürgerfreiheit gleichermaßen schwer bedrohend - bis endlich unter dem wohlwollenden Heinrich II. der große Burkard (1000 - 1025) durch Tausch und Traktament die Zwingburg in die Bischofshand und Herzog Otto ans dem Stadtbann brachte. Im Jahre 1003 zerstört, baut der Bischof aus ihren Stein­trümmern dem heiligen Paulus eine Kirche, vollendet 1016. Der Kaiser war freigiebig und

begabte das Hochstift ansehnlich reich im Lahn- und Lobdengau und mit dem Wildbann im Föhrhag.  Als Dank  baute er die neue Domkirche, legt eine Dornschule an und gibt seinem Bistum 1024 eine musterhafte Verwaltung und Verfassung.

Der Streit Heinrichs IV. mit dem päpstlichen Stuhl bringt den Brand zum Ausbruch. Während Fürsten und Bischöfe samt der gesamten Klerikerschaft des ganzen Reiches ihren Herrn verlassen, erklären sich einzig und allein die Bürger von Worms vor allem deutschen Volk und Land für ihren Kaiser. Bischof Adalbert von Worms verschließt die Tore. Die treuen Wormser jagen den Gegenkönig davon und ziehen in Wehr und Waffen wohlgerüstet ihrem Herrn entgegen, damit er aus ihrer Menge, ihrem Waffengerät und ihren rüstigen jungen Mannschaften Vertrauen zu ihnen gewinnen möchte. So war die Stadt Worms des länderlosen Kaisers letzte Zuflucht. Der dankbare Kaiser aber vergalt mit reichen Gnadenbriefen diese beispiellose Treue seiner anhänglichen Stadt. Sie selbst errichtete ihm zum ewigen Gedächtnis dessen an der Rheinpforte im Jahr 1074 ein Denkmal.

Wiederum zu Worms beendet 1122 dann das Wormser Konkordat den Kirchenstreit. Auch die Hohenstaufen bewahren der treuen Stadt die Huld römischer Könige und Kaiser. Im Jahre 1156 erteilt Friedrich Barbarossa der rasch emporblühenden Bischofsstadt einen Gunstbrief, der alle alten Freiheiten bestätigt und vermehrt. Auch er weilt gern in ihren stolzen Mauern. Gar mancher Hof und Rat wird hier gehalten. Die wichtigsten geistlichen und weltlichen Reichsangelegenheiten werden dort geredet und gehandelt. Und 1184 wiederum gewährt der Herr im roten Barte seinen getreuen Wormsern Frei-Eherecht und Zollfreiheit zu Frankfurt, Boppard und Goslar, den kaiserlichen Stätten. In Erz gegossen leuchtete lang die eherne Tafel dieses Freiheitsbriefes über der Domtüre am Bischofshof.

Doch mit dem wachsenden Selbstgefühl der Bürger wächst auch der Kampf mit dem Krummstab. Seit 1234 gibt es einen hartnäckiger Streit mit dem Bischof Heinrich II., dem 1233 schon der Vertrag der sogenannten ersten „Rachtung“ (transaktio) ein Ende machen sollte, der sich aber aus diesem neuen Quelle des Zerwürfnisses nun auch zwischen Bürgern und Geschlechtern unter Bischof Eckard 1386 seinen Höhepunkt erreichte. Erst unter Johann von Dalberg (1483 -  1505) kam alles zum Austrag, endgültig allerdings erst 1526. Die Macht des Bischofsstuhles war gebrochen und jede neue Fehde minderte bischöfliche Gewalt.

Ein glänzender Reichstag von 1495 gab dem Reich zu Worms eine Reform der Reichsverfassung, die Kreiseinteilung, das Reichskammergericht, und nach der glücklich beendeten Sickinger Fehde (1513 - 1517)  - die die Stadt an Gut und Geld, Fruchtäckern und Weingärten schwer geschädigt hatte - gibt er ihr eine bürgerlich-politische Verfassung. Im Jahre 1526 endlich der Stadt nun selber in den zwei Ratskammern des Rates der Dreizehner und des äußeren, gemeinen oder abgehenden Rates eine wohlbestellte Stadtverwaltung, die bis zum Untergange ihrer reichsstädtischen Unabhängigkeit auch unverändert beibehalten wurde.

Der fünfte Karl, der auf den 6. Januar 1521 seinen ersten Reichstag nach Worms ausschreibt, erläßt im Namen kaiserlicher Majestät die Vorladung an den kühnen Wittenberger Martin Luther zur Verantwortung seiner neuen Lehre. Am 16. April, um die Zeit des Frühmahls, rollt sein armseliges Rollwägelein zum Martinstor herein zum Johanniterhofe nahe bei dem Schwanen. Am nächsten Nachmittag schon steht er im Bischofshof vor Kaiser und Reich, sechs Kurfürsten, bei vierundzwanzig Herzogen, acht Markgrafen, die Menge anderer Fürsten, Grafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Prälaten, Äbte und Gesandte nicht zu zählen.

Der dritte Eroberungskrieg Ludwigs XIV. hatte schon im Spätherbst 1688 französische Besatzung vor das Tor geführt. Statt der ausbedungenen dreihundert Mann der Übergabe wälzt sich sofort beinah das Fünffache herein. Eine unerhörte Zeit der Not hebt an. Reiter und Musketiere plagen ihre Hausherrn bis aufs Blut. Dragoner und Grenadiere pressen die Bürger bis aufs nackte Stroh. Die Winterquartierbesatzung wird aufs Doppelte gebracht. Der Magistrat wird geprügelt und eingesperrt. Turm, Tor und Mauerring der Stadt gesprengt und geschleift. Vierzig Türme krachen in den Staub. Und im Umfang von vierzehn Wegestunden werden Bauern und Bürger mit Prügeln und Püffen wie das Vieh zusammengepeitscht, um selber von der Frohngeisel umkrallt als Werkzeuge zu fröhnen bei der herzzerreißenden Zerstörung ihrer Herrlichkeiten.

Das Zeughaus wird erbrochen, das alte Stückzeug in den Rhein geworfen. Als die äußere Umwallung dann zerschmettert liegt, werden die inneren Werke hohnlachend zertrümmert. Tag und Nacht krachen die auffliegenden Pulverminen. Und nach dreißig wütenden Minenangriffen fliegt das Mauerwerk des Neuturms in die Luft. Endlich eröffnet am Sonntage vor Pfingsten, am 22. Mai 1689, der Intendant La Fond um neun Uhr abends nach dem Nachtläuten dem schreckensstarren Rat im Münzensaale, daß nach sechs Tagen ihre liebe  Stadt nun selbst ein Raub der Flammen werden müsse, wie der König will.

Umsonst einer rührendsten Bittgänge der ganzen Weltgeschichte: Die kleinen Wormser bitten für ihre Vaterstadt. Alles umsonst: Der König will es. Am 31. Mai (Pfingstsonntag nachmittags), da der Domtürmer eben vier geschlagen, dröhnt ein Kanonenschuß über die Stadt und gibt das Zeichen. Vor der Münze auf dem Markte wirbelt der Trommelschlag, und heulend  stürzt sich mit flammenden Strohfackeln die Brandmörderrotte in die nächsten Häuser. Aus dem „Weißen Schwanen“ steigt dann  die erste Flamme. Und in einer ungeheuren Feuerflut versinkt die Stadt Worms

Mit dem Zerfall des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation im Jahr 1806 ging auch die Stadtfreiheit verloren. Die Russen hielten am 2. Januar 1814 mit dem General von Sacken ihren Einzug. Ein provisorischer Zustand  erweckt die Hoffnung, der Sitz der bayerischen Regierung des Rheinkreises zu bleiben. Anfangs ist man unter einem preußischen Intendanten, später unter dem General-Gouvernement des Mittelrheins und endlich unter österreichisch-bayerischer Administration. Endlich  nun fällt die vielgeprüfte Stadt mit Rheinhessen 1816 durch Beschluß der Großmächte dem Großherzog von Hessen und bei Rhein zu, mit 8326 Bürgern in 963 Wohnstätten. Nach dem französischen Maire Winckelmann besteigt der deutsche Bürgermeister P. Val­cken­berg den Stuhl (1812  - 1837).

 

Rundgang:

Nibelungenbrü>Über die Ernst-Ludwigs-Brücke und durch das Rheintor fährt man in die Stadt. Sie ist die schönste Straßenbrücke über den Rheinstrom. Die historische Brücke bei Worms verbindet das rheinland-pfälzische Worms mit den hessischen Städten Lampertheim und Bürstadt. Sie ist gemeinsam mit der 2005 bis 2008 erbauten Parallelbrücke die einzige Straßenverbindung über den Rhein zwischen Mannheim und Mainz. Die dreibogige Brücke mit neunbogiger Vorlandbrücke und mittelalterlichen Tortürmen wurde am 26. März 1900 in Gegenwart des Großherzogs von Hessen und bei Rhein eingeweiht. Nach ihrer Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie im April 1953 als Deutschlands erste große Spannbetonbrückc wieder in Betrieb genommen. Die Brücke hat eine Länge von 700 Metern zwischen den Widerlagern.  Erhalten sind jedoch nur noch die Zufahrten zur Brücke, der Mittelteil ist aus Beton erneuert. Im Zuge dessen erhielt sie ihren heutigen Namen „Nibelungenbrücke“, zurückzuführen auf das mittelalterliche Nibelungenlied, das zu großen Teilen in und um Worms spielt.

Ein halbes Jahrhundert nach der Inbetriebnahme 1953 sind die zwei Fahrspuren des Kulturdenkmals der steigenden Verkehrsbelastung nicht mehr gewachsen. Denn die B 47 verbindet die linksrheinische Autobahn A 61 mit den rechtsrheinischen Autobahnen A 67 und A 5. Rund 30.000 Fahrzeuge überqueren täglich die Nibelungenbrücke und machen sie zum zentralen Bestandteil eines leistungsfähigen Straßennetzes. Dieses hohe Verkehrsaufkommen erforderte den Bau einer parallelen zweiten Brücke sowie eine umfangreiche Sanierung des bestehenden Bauwerks. Im September 2008 wurde in nur 25 Meter Abstand zur historischen Brücke die neue Rheinquerung eröffnet. Ihre beiden Fahrspuren werden einstweilen im Gegenverkehr genutzt. Künftig aber sollen sie ausschließlich den Verkehr in Richtung Hessen bewältigen, während die historische Nibelungenbrücke nach ihrer Sanierung die Gegenrichtung übernimmt. Die historische Brücke wird derzeit durch die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung, vertreten durch das Amt Bensheim, grundsaniert. Ab 2012 wird die Rheinquerung dann übe zwei parallel verlaufende Brücken möglich sein.

Die alte Rheinbrücke weist sowohl im Bereich der Strombrücke als auch an den beiden Vorlandbrücken erhebliche Schäden auf. An manchen Stellen ist Beton abgeplatzt, die Übergangs­kon­struktionen sind teilweise undicht, die Gewölbe zeigen Ausbruchstollen Das Sanierungskonzept sieht vor die Vorlandbrücken mit Fahrbahnplatten aus Leichtbeton zu belegen und die Übergangs­konstruktionen sowie die Kappen zu erneuern. Natursteinflächen und Betonteile werden instandgesetzt. Zudem erhält die Brücke eine neue Entwässerung und auf hessischer Seite einen neuen Treppenturm. Die Sanierung ist auf knapp 12 Millionen Euro veranschlagt.

Die Nibelungenbrücke ist nicht nur aus historischen und architektonischen Gründen interessant. Sie beherbergt darüber hinaus eine Kolonie des Großen Mausohrs. Diese streng geschützte Fledermausart soll von den Arbeiten so wenig wie möglich gestört und schon gar nicht vertrieben werden. Deshalb haben die Naturschutzbehörden von Hessen und Rheinland-Pfalz zusammen mit renommierten Fledermaus-Experten und dem für die Sanierung zuständigen Amt für Straßen- und Verkehrswesen Bensheim Maßnahmen entwickelt, die genau  dies sicherstellen sollen. Wenn nach der Sanierung der Verkehr wieder über die Brücke fließt, sollen die Fledermäuse wie bisher ihr Sommerquartier in den Brückenhohlräumen beziehen  können. Die  Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung beweist mit diesem Projekt nachhaltig, daß Unterhaltung und Ausbau des Straßennetzes nicht im Widerspruch zum Naturschutz und zur Artenvielfalt stehen.

Stadteinwärts steht das Gymnasium als markantes Gebäude.  Parken kann man auf dem Parkplatz gleich rechts von der Brücke. Von dort geht man geradeaus in die Stadt durch die Rheinstraße. An einem dreieckigen Platz geht man nach links in die Friedrichsstraße zur evangelischen Friedrichskirche, erbaut 1768 mit reicher Unterstützung von König Friedrich dem Großen von Preußen. Neben der Kirche steht sogenannte „Rote Haus“. Ein Stück weiter steht der Gasthof  „Römischer Kaiser“. Dort geht es links ab zum Paulsplatz.

Pauluskirche:

Die Pauluskirche wurde etwa um das Jahr 1016 von Bischof Burkard aus den Steinen der 1002 zerstörten salischen Herzogsburg erbaut. Von diesem ältesten Bau stammen vielleicht noch die unteren Stockwerke der beiden Türme. Alles andere ist wesentlich jüngeren  Ursprungs. Wiederholt wurde die Kirche durch große Brände zerstört und dann wieder aufgebaut in den Bauformen der jeweiligen Zeit. Ein Umbau erfolgte zum Beispiel im 13. Jahrhundert. Dabei wurden die alten Teile beibehalten und erweitert, so bietet die entstandene und jetzt stehende Kirche einen Überblick über die verschiedensten Baustile und dennoch fügen sich trotz dieses verschiedenen Stil­charakters alle ihre Teile einheitlich zusammen.

Der obere Teil der Türme zeigt die jüngeren romanischen Formen. Ein eigentümlicher Kuppelabschluß schließt die Türme nach oben ab, der bei verschiedenen romanischen Kirchen der Umgebung von Worms angewandt (darunter Hochheim) wohl auf das Bestehen einer Wormser Bauschule hinweist. Es gibt aber auch die Theorie, daß die Kreuzfahrer dieses Bauform aus dem Orient mitgebracht hätten.

Eine ähnliche Bauweise zeigen Minarettürme und Grabbauten der fatimidischen Architektur im Orient des 11. Jahrhunderts, nach der auch die christlichen Bauwerke im Nahen Osten in dieser Zeit meist errichtet wurden. Das ist nach Hans-Jürgen Kotzurs Auffassung auch von dem Kirchenkomplex der Grabeskirche in Jerusalem anzunehmen, ebenso von dem im 11. Jahrhundert dort errichteten Turm der Golgathakirche.

Kotzur sagt: Weltweit einmalig sei das, was Rheinhessen gleich in vierfacher Ausfertigung vorzuweisen habe, wegen der Besonderheit eigentlich ein Weltkulturerbe. Es geht um die Türme in Guntersblum, Alsheim, Dittelsheim und Worms, die so anders sind als alle anderen. Im rheinhessischen Dittelsheim erhebt sich auf quadratisch angeordneten Giebelhäuschen ein achteckiger Aufbau, der von einer Kuppel mit einem steinernen Pfahl an der Spitze überwölbt wird.  „Exotisch fremd“ wirken die Turmbekrönungen, Kuppeln aus einer anderen Welt. Eine Einschätzung, die jeder Betrachter, der in der Landesbankfestschrift „Lebendiges Rheinland-Pfalz“ publizierten Bilder sieht oder die Türme aufsucht, sofort nachvollziehbar.

Erklärungsversuche und Deutungsansätze waren in einer für das Mittelalter historisch unbefriedigenden Bandbreite von rund 200 Jahren angesiedelt. Nun legt Kotzur die Datierung neu fest, gestützt auf neueste dendrochronologische Erkenntnisse (Verfahren zur Bestimmung des Alters mit Hilfe der Jahresringe gefundenen Holzteile). Er ermittelte für Kirchtürme mit orientalischer Anmutung - die der Volksmund schon immer „Heidentürme“ oder „Sarazenentürme“ nannte - einen exakt angenäherten Bauzeitraum zwischen 1100 und 1110. Damit schreibt Kotzur die ungewöhnlichen Bauten nach Zeit nach dem ersten Kreuzzug zu. Es gebe für sie keine andere Entsprechung in Europa, sehe man von architektonischen Elementen der Maurenzeit in Spanien oder der Sarazenen in Süditalien ab.

Im Jahre 1095 hatte Papst Urban zur Befreiung des Heiligen Landes aufgerufen. Im Juli 1099 wurde Jerusalem von den Christen erobert, die ein Blutbad unter Muslimen und Juden anrichteten. Dabei waren auch viele deutsche Kreuzfahrer, die überwiegend aus dem Rheinland und der Gegend um Mainz und Worms kamen. Alles spreche dafür, daß sie nach ihrer Rückkehr die Kirchtürme nach dem Vorbild ihres Zielorts, der Golgathakirche auf dem vermuteten Grabesort Jesu Christi, vollendeten. Die Kuppeln waren ein Zeichen des Sieges über die Heiden und des Dankes für die Eroberung der heiligen Stadt Jerusalem. Zugleich mahnten sie, das Heilige Land in christlicher Hand zu behalten und die t verbliebenen Kreuzfahrer zu unterstützen.

Kotzur vermutet sogar, daß eine Bautruppe zumindest zwei Türme gemauert hat. Aufrisse glichen sich bis auf wenige Zentimeter. Abgesichert ist der Befund durch den „Baumringkalender“, die Jahresringe entdeckter Originalhölzer, die zum Beispiel die Haube von St. Paul in Worms verklammerten. Kotzur vermutet, daß zumindest der Kirchenbau in Worms durch die Kreuzzüge unterbrochen gewesen sei. Bei der Rückkehr der Kreuzfahrer habe man die Türme dann in orientalischer Manier vollendet, um dauerhaft vom Sieg in Jerusalem zu künden.

Die für die katholische St.-Paul-Kirche in Worms gewonnenen Erkenntnisse sind Kotzur zufolge auch auf die übrigen drei evangelischen Kirchen mit „Heidentürmen“ anzuwenden. In der Architektur verschmelzen byzantinische und armenische Traditionen, die an den vier Giebelhäusern sichtbar sind, mit islamisch - fatimidischen Traditionen - erkennbar an der Kuppel. Damit sind erstmals Abbilder orientalischer Architektur auch nördlich der Alpen nachgewiesen worden.

Nun hofft er auf interessante ergänzende Forschungsarbeiten der Historiker, die die bautechnischen Befunde flankieren könnten. Noch gibt es keine Dokumente, die Aufschluß über den Auftraggeber der Turmbauten geben. Noch fehlen Hinweise auf die Handwerker, die eventuell selbst am Kreuzzug teilnahmen. Selbst wenn die Architektur nun enträtselt sein sollte, werfen die „Heidentürme“ weiter neue (Forschungs-) Fragen auf.

Auch im hessischen Wetzlar könnte es ein Beispiel der durch Kreuzfahrer geprägten Kirchenturmarchitektur geben - der so genannte „Heidenturm“ am Dom. Dort müsse eventuell die Datierung neu vorgenommen werden, meint Kotzur, der durchaus die Auffassung vertritt, daß der rheinhessische Bautypus zur Anwendung gekommen sein könne. Die Forschungsergebnisse sind unter www.Irp.de/publikationen als Datei zum Downloaden greifbar.

Nord- und Südturm sind in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts gebaut worden. Material und Konstruktion des Kuppelgeschosses verraten jedoch eine andere Bauzeit. Die Untersuchung der Jahresringe im Gebälk ergab nun, daß die Turmkuppeln zwischen 1100 und 1108 erbaut wurden - direkt nach Ende des ersten Kreuzzuges.

Ein Querbau legt sich vor die beiden Türme, der mit ihnen nicht im Mauerverband steht und zeigt die Übergangsformen zur Gotik, der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Er bildet die Vorhalle der Kirche mit reichern Portal, schöner Fensterrose und einer achteckigen Kuppel mit vorspringendem Treppenturm. Auf der Kuppel sitzt jetzt ein bei der Wiederherstellung der Kirche 1767 -1716 gebautes barockes Dach, denn das Längsschiff wurde1706  – 1716 zu einem barockem Saalbau umgestaltet.

Der schöne Chor gehört einer ein wenig früheren Zeit als die Vorhalle an und zeigt die jüngeren, aber noch rein romanischen Formen der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ein zweistöckiger Kreuzgang schließt sich der auf der Südseite des Chores auf gleicher Höhe mit diesem gelegenen Sakristei an, der der Zeit der Gotik (dem 15. Jahrhundert) angehört. Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammt die kleine Kapelle an der Ostseite des Kreuzganges, mit der gleichzeitig der Treppenaufgang an der Südseite des Kreuzganges angelegt ist. Auf einem Spruchband steht auf einem Bilde des Apostels Paulus an der Türe dieses Aufganges „A. D. N. 3. MCCCCL XXXV. 28. Sept.“

Bei dem großen Stadtbrand 1689 gingen auch das Dach und alles Brennbare in Flammen auf. Erst 1707 konnte aus den Ruinen die Kirche neu erstehen, die 1716 vollendet wurde, wie eine Inschrift in der Kirche angibt. Dabei wurde die frühere dreischiffige Anlage, um Raum zu gewinnen, durch einen weiten, einschiffigen Bau ersetzt, der mit einem Holzgewölbe überspannt wurde. Eine barocke Orgelbühne wurde zwischen den Türmen eingebaut und der ganze Raum, sowie die Kuppel der Vorhalle mit auf die Geschichte des Apostels Paulus sich beziehenden Deckenbildern ausgeschmückt.

Im Jahre 1802 durch ein französisches Konsulardekret aufgehoben, wurde die Kirche 1806 als militärisches Heumagazin verwendet, kam nach dem Übergang der Stadt an Hessen wieder  in den Besitz der katholischen St. Martinspfarrei, und schien - als Tabaks- und Holzmagazin vermietet - ihrer vollständigen Verwahrlosung entgegenzugehen. Doch 1880 bis 1881 wurde sie endlich auf Veranlassung und mit den Mitteln des Herrn Oberst Freiherrn Max von Heyl wiederhergestellt und zu einem Museum eingerichtet, das unter der Verwaltung des Altertumsvereins (Professor Weckerling) als sehenswürdige städtische Sammelstätte alle Kultur- und Kunstreste aus Stadt und Land vereinigt.

Durch ein schönes Portal, einem Abguß der berühmten frühromanischen Bronzetüre am Dom zu Hildesheim des Bischofs Bernward aus dem Anfange des 11. Jahrhunderts (wobei nur deren obere Abteilung weggelassen wurde) kommt man in der Vorhalle. Die Kirche war nur bis 1927 ein Museum. Heute wird sie wieder für Gottesdienste genutzt, angeschlossen ist ein Dominikanerkloster.

 

Nibelungenmuseum (Fischerpförtchen 10):

Durch die Obermühlstraße oder die Bauhofstraße kommt man zur Petersstraße, in die man nach links einbiegt. Dann kommt man zu einem Teil der alten Stadtmauer in der Ludwigstrasse. Auf dem Rheintorplatz Platz davor stand früher das Bismarck-Denkmal von dem Wormser Bildhauer Hirt. Dabei steht die 1870 gepflanzte Friedenseiche.

In die alte Stadtmauer eingebaut ist das moderne Nibelungenmuseum, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr.  Es ist kein Museum, es wird nämlich keine Sammlung zur Schau gestellt, es gibt kein Original und es wird auch nicht geforscht. Vielmehr hat man es zu tun mit einer Art von unterhaltsamer Umkreisung des Heldenepos von den Nibelungen, des Nibelungenlieds, etwa so alt wie die Stadtmauer. Die Mittel der Annäherung gehören in die Gegenwart: bewegte, elektronische Bilder, zusammengefaßt in komplexen Collagen und einem Rundum-Panorama, dazu nicht weniger vielteilige Klangräume, von dem französischen Komponisten Thierry Fournier entwickelt aus musikalischen und sprachlichen Elementen, durchsetzt von Zitaten alltäglicher Lebensgeräusche jeder Art.

Versucht wird hier also die Verbindung des Stoffs der alten, blutigen Geschichte des mörderischen Streits von Brunhild und Krimhild, von Hagen und Siegfried und Gunther, des Kampfs schließlich zwischen den Hunnen des Königs Etzel und den Burgunden mit dem avanciertesten. Instrumentarium der Bild- und Tonerzeugung. Daraus ergibt sich manchmal eher eine irritierende Vergrößerung des Abstands als eine Nähe. Zugleich ist das Verfahren aber auch von unbestreitbarem Reiz.

Um die Anlage  mit: 8,6 Millionen Baukosten ist in Worms acht Jahre lang gestritten worden. Doch ein Bürgerbegehren dagegen wurde knapp abgewehrt. Das im Zweiten Weltkrieg schwer getroffene Worms mit dem Wahrzeichen des romanischen Kaiserdoms in seiner Mitte, ein Gang durch die Stadt läßt das leicht erkennen, ist kein Schauplatz der Moderne. So konnte das Projekt des französischen Architekten und Planers Olivier Auber und seines deutschen Partners Bernd Hoge nur mit großer Mühe durchgesetzt werden. Erwartet werden jährlich 45.000 Besucher - ein Grenzwert, viel mehr werden sich in dem durch relativ schmale Treppen und Gänge erschlossenen Bau kaum bewältigen lassen, nur fünf Personen können sich gleichzeitig in jedem Segment aufhalten.

Es gibt drei Hauptbereiche: einen Sehturm, mit diesem durch einen Wehrgang verbunden einen Hörturm und als dritte Station ein unterirdisches 360 Grad-Panorama, die Architekten sprechen von einem Weltengrund. Untergebracht sind sie in einer Erweiterung der alten Mauer, der zusätzlich sechs spitzgieblige, in Stahlblech gefaßte Pavillons für die Funktionsräume (wie Entree, Cafeteria, Buchladen, Toiletten) vorgesetzt sind. Für den Sehturm mit seinen sieben übereinander liegenden Ebenen, kaum mehr als Absätzen der Wendeltreppe, wird jeder Besucher ausgestattet mit einem individuell steuerbaren Tonband und Kopfhörern. Die Achse, um welche die Treppe sich windet, ist eine als runde Projektionsfläche mit Hunderten von Bildern bespielte Säule, die das goldene Zepter im Schatz der Nibelungen assoziieren läßt, das „Rütelin“ des Epos. Die Medienkünstlerin Ursula Kraft hat sie konzipiert, die Kölner Historikerin Susanne Wernsing das Fotomaterial zusammengestellt.

Die projizierten Bilder und Bildausschnitte beziehen sich, durchaus auch kritisch, auf die Rezeptiongeschichte des Nibelungenlieds. Sie entstammen Fritz Langs Nibelungen-Film wie Wagner-Aufführungen aus Bayreuth, zitieren bis hin zu Walt Disney eine Fülle älterer und neuerer Anverwandlungen und Paraphrasierungen des Stoffs, thematisieren immer wieder auch dessen politische Inanspruchnahme durch den Nationalsozialismus.

Die Struktur dieser Collage läßt sich interpretieren als Reaktion auf die Komplexität des Nibelungenlied - Textes selber, von dem zwar mehr als dreißig Pergament- und Papierhandschriften bekannt sind. Ein Original existiert nicht, die St. Galler Handschrift B gilt als die der Urfassung am nächsten kommende Version. Die Konstitution des in 39 Aventiuren gegliederten 2000 Strophen des Epos ist also selber collagiert: Dem entspricht, gleichsam parataktisch, die Komposition der Bildersäule.

Ihre optische Wahrnehmung wird vom Tonband begleitet von der kommentierenden Stimme Mario Adorfs: Der Schauspieler gibt hier den Part des unbekannten Dichters, damit beginnt der Kom­mentar: „Willkommen in meiner neuen Bleibe“. Die Stimme erzählt dann die Handlung des Heldenliedes nach und berichtet von seiner Entstehung und den mancherlei Deutungen, die es vor allem im 19. und 20. Jahrhundert erfahren hat. Adorf gewinnt Interesse durch einen um Zutrauen bemühten Ton, etwas zunächst Märchenonkelhaftes an seiner Erzählung (verfaßt von Olivier Auber und dem Marburger Germanisten Joachim Heinzle) verliert sich mit der Zeit.                

Über einen Wehrgang auf dem alten Gemäuer wird der Hörturm  erreicht. In den  Scharten kann man überlieferte Stadtansichten von Worms, die älteste von 1550, mit dem Bild der heutigen Stadt vergleichen. Hier kommt auszugsweise das Nibelungenlied selber zur Geltung; vom Band vorgetragen auf mittelhochdeutsch und in einer Übersetzung. Man nimmt dazu Platz in hohen Thronstühlen.

Im Souterrain dann der Weltengrund. Virtuell wird der Besucher, ganz umgeben von einer Rundum - Projektion und umfangen von einem Klangraum, unter die Stadt Worms versetzt. Mit einem Steuergerät kann er selber die Flut von Bildern beeinflussen, die vom Grund aufsteigen wie aus dem Schatz der Nibelungen, den Hagen, dem Mythos zufolge, im Rhein bei Worms versenkt haben soll. Es sind auch wieder die Bilder des Rütelin darunter, in schwebenden Verwandlungen vergrößern und verkleinern sie sich, bilden immer wieder andere Kompositionen.

 

Marktplatz:

Man geht durch das Lutherpförtchen zwischen den alten Türmen, ein Torweg durch die alte Stadtmauer, den Luther auf seiner Flucht benutzt haben soll. Nach links geht es dann über den Fischmarkt zur Hagenstraße und auf dieser nach rechts dann weiter in Richtung zum Dom. Doch zunächst geht es noch einmal rechts ab durch einen Torbogen zum Marktplatz. Der Marktbrunnen ist von 1778.

Östlich steht das heutige Rathaus. Das eigentliche Rasthaus stand aber in der Römerstraße, in deren Zug die frühere römische Meeresstraße gelegen ist, das sogenannte „Stadthaus“. Es wurde 1883 bis 1884 nach den Plänen des Professor Gabriel von Seidl (München) renoviert und enthält einen alten Sitzungssaal mit einem künstlerisch bedeutsamen Wandgemälde von Professor Hermann Preil (Dresden): Die Überreichung des Privilegs von 1074 durch Heinrich IV. an die Vertreter der Wormser Bürger darstellend, gestiftet von Herrn Landtagsabgeordneten Nikolaus Reinhart. Ferner enthält das Stadthaus als sehenswerten Teil das Archiv, dessen Räume Freiherr Heyl zu Herrnsheim durch den Architekten Professor Seidl und den Maler Otto Hupp in München umbauen und künstlerisch ausgestalten ließ. Der Innenraum ist mit heraldischen Malereien, die Wappen der Geschlechter und Beschützer der alten Reichsstadt und deren Klöster darstellend, geschmückt. An dieser Stelle sei auch berichtet, daß auf Veranlassung des Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim die alten Urkunden des Archivs von Professor Boos in Basel geordnet, in drei prachtvollen Bänden veröffentlicht und nach diesen Urkunden die Geschichte der Stadt Worms bearbeitet wurde. Vor dem Rathause wurde an Stelle des alten Lindenplatzbrunnens dem früheren Oberbürgermeister Küchler in dankbarer Erinnerung für sein Wirken zum Wohle der Stadt ein Denkmal errichtet, welches mit hübschen Anlagen umgeben ist. Das Denkmal ist von Bildhauer Hirt, einem geborenen Wormser, modelliert. Im Hofe des Rathauses ist ein  alter Säulengang.

 

Dreifaltigkeitskirche:

Prägend für den Marktplatz ist aber der stattliche Barockbau die Hauptkirche der evangelischen Gemeinde, die evangelische Dreifaltigkeitskirche. Erbaut ist die Kirche 1709 bis 1725 auf der Stelle des Hauptgebäudes der städtischen Verwaltung, der „Münze“. Die Kirche bietet zwar in ihrer Ausstattung nichts künstlerisch Hervorragendes, repräsentiert indessen mit ihren reichen Malereien und in ihrer Architektur die letzte originale Stilform des 18. Jahrhunderts.

Eine Hauptzierde der Kirche ist die ausgezeichnete  im Jahr 1881 erbaute Orgel und das Gemälde von Seekatz „Luther vor dem Reichstage zu Worms“. Dort fanden 1521 zwar die regulären Reichstagsverhandlungen statt, die „Luthersache“ freilich hatte man bewußt abgetrennt und in den Bischofshof, das Quartier des Kaisers, verlegt (heute „Heyls-Hof“). Das kleine Mönchlein sollte im Schatten des sechstürmigen Domgebirges nicht vergessen, daß es in einer der ältesten und wichtigsten Stätten der abendländischen Christenheit weilte.

Am Nordrand des Markplatzes ist der Neumarkt. Nach rechts geht es in die lange Kämmerer­straße, die Hauptgeschäftstraße der Stadt. Wenn man links um die Kirche herumgeht, kommt man zur sogenannten „Münze“, welche von den Franzosen 1689 mit dem größten Teil der Stadt eingeäschert wurde. Außerdem stand dort der „Bürgerhof“, „das schönste Haus der Erde“. Nach rechts geht es zum  Schloßplatz. Mit dem Heyl'schen Schlößchen und dem Park am oberen Rand.

 

 

Der katholische Kaiserdom:

Bekanntestes Gebäude der Stadt ist jedoch der Dom. Er gehört zu den Glanzlichtern der Romanik Deutschland. Überragt wird die um 1200 fertiggestellte doppelchörige Anlage von vier Türmen und zwei Kuppeln. Vor dem prunkvollen nördlichen Kaiserportal sollen laut Nibelungenlied Kriemhild und Brünhild in einer Streit geraten sein.

Fast ungläubig wird im 11. Kapitel der Le­bensbeschreibung über den Wormser Bischof Burchard („Vita Burchardi“) seine größte Leistung, der vollständige Dom - Neubau innerhalb von nur zwei Jahrzehnten zu Beginn des 11. Jahrhunderts, geschildert: „Er legte den Grundstein zu einer Kirche von wunderba­rer Größe. Ihren Bau führte er in wenigen Jahren mit großer Schnelligkeit fast bis zur Vollendung, so daß es schien, als sei sie nicht erbaut worden, sondern wie auf Wunsch plötzlich entstanden.“

Auf den Fundamenten die­ses gewaltigen, rund 100 Meter langen Gotteshauses entstand dann ein Jahrhundert später jener romanische Dom, dessen Türme noch heute weithin sichtbar das südliche Rheinhessen beherrschen. Genau im Jahre 1000 wurde Burchard zum Bi­schof ernannt. Seine Lebensleistung wird im Stadtmuseum gewürdigt. Erst durch ihn wurde das Bistum einer der wich­tigsten Stützpunkte königlicher und kaiserlicher Macht. Sein Denkmal steht vor dem Dom auf dem Domplatz, von wo aus sich der Dom am besten präsentiert.

Der „Kaiserdom“ ist eine spätromanische doppelchörige Basilika an der Stelle einer römischen Basilika und ottonischen Kirche und wurde nach 1150 begonnen und vor 1200 vollendet. Das Südportal mit reichem plastischem Schmuck stammt aus dem 14. Jahrhundert. Mit seinen vier schlanken Rundtürmen und den beiden Vierungstürmen und Chören bildet der Wormser Dom neben dem Speyerer und Mainzer Dom eines der Hauptwerke romanischer Baukunst in Deutschland.

An der Nordseite ist das Kaiserportal“ zu sehen, an der Südseite die Nikolauskapelle. Der Kreuzgang ist abgerissen. Das Innere (Eingang auf der Südseite) ist 135 Meter lang, im Querschnitt 37 Meter breit, die Höhe des Mittelschiffs beläuft sich auf 33 Meter. Die Ausschmückung des östlichen Chores mit Marmor und Gold stammt aus dem 18. Jahrhundert.

In der Anna-Kapelle - gleich rechts wenn man durch das Südportal kommt - ist rechts oben ein Steinbildwerk „Daniel in der Löwengrube“ aus dem 11. bis 12. Jahrhundert eingemauert. Daneben ist die Taufkapelle. Der spätgotische Taufstein ist aus der 1807 niedergerissenen St. Johanniskapelle.

Vor dem rechten Chor ist der Eingang in die Gruft mit Gräbern der Salier seit dem Jahre 950.

Im Hochchor sind als hervorragende Skulpturen erwähnenswert „Das Julianabild“ und ferner „Die gespaltene Zunge“ am Hochaltar, ebenso die reich ornamentierten Chorstühle. An der Wand des nördlichen Seitenschiffes steht der Grabstein der drei fränkischen Königstöchter Embede, Warbede und Willebede aus dem 14. Jahrhundert.

Der Westchor wurde nach 1900 bis auf die Fundamente abgetragen, neu fundamentiert und Stein auf Stein wieder aufgesetzt. Bei der neuen Bodenbelegung im Dom wurden im April 1906 interessante Grabfunde gemacht.

 

Auf der Südseite des Domplatzes steht die Jugendherberge. Dahinter befindet sich die evangelische Magnuskirche, vor 1141 erbaut, eine dreischiffige romanische Basilika, das Mittelschiff ist teilweise karolingisch.

Am Ende des Platzes steht die Andreaskirche, eine. romanische Pfeilerbasilika aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Sie wurde wiederholt zerstört, diente als Magazin und wurde 1929 zum Städtischen Museum umgestaltet. Sie hat ein interessantes Portal und neben der Kirche befindet sich ein sehr schöner Kreuzgang. Am Kreuzgange finden sich herrliche romanische Formen und Kapitäle.

 

Jüdischer Friedhof:

Bis ins 11. Jahrhundert geht die jüdische Tradition von Worms zurück. An der Wormser Synagoge lehrte unter anderen Rabbi Salomo ben Isaak. besser bekannt als „Raschi“(1040 - 1105). Ein nach ihm benanntes Haus dokumentiert die tausendjährige Geschichte der Wormser Juden Die jüdische Besiedelung ist auch auf den Grabsteinen des Friedhofs Heiliger Sand gegenwärtig. Der jüngere Teil der Anlage erlaubt einen Blick auf den Wormser Dom.

Man kommt zum Willy-Brandt-Ring (mit der Neusatzschule) und geht weiter nach rechts zum jüdischen Friedhof (geöffnet). Der Wormser Judenfriedhof „Heiliger Sand“ ist bekanntlich der älteste in Deutschland und nächst dem Prager Friedhof der älteste der Welt. Er hat rund 2000 bis ins 11. Jahrhundert zurückreichende Gräber (bis ins Jahr 1076).

 

Lutherdenkmal:

Man geht dann die Anlagen weiter durch den Willy - Brand - Ring und den Adenauer - Ring. Rechts sieht man den Rest einer römischen Stadtmauer mit zwei Durchgangsbögen und mit altem Fischgrätmuster. Am Sintidenkmal vorbei kommt man zum Lutherdenkmal. Es wurde zur Erinnerung an Luthers mutiges Auftreten im Jahre 1521 als „Weltreformations-Denk­mal“ im Jahre 1868 aus Mitteln der ganzen evangelischen Christenheit errichtet und ist das größte Reformationsdenkmal der ganzen Welt. Es ist eine in Erz gegossene Verkörperung des Liedes: „Eine feste Burg ist unser Gott“. Die Figur Luthers ist das größte und letzte Werk des Bildhauers Rietschel (gestorben 1860), der die Vollendung, des Denkmales selbst nicht mehr erlebte, dessen Fertigstellung durch seine Schüler Donndorf, Kietz und Schilling erfolgte.

Die feierliche Enthüllung des Denkmals fand am 25.Juni 1868 im Beisein König Wilhelms I. von Preußen statt. Die Bausumme belief sich auf nahezu eine halbe Million Mark. Besonders verdient um das Zustandekommen des herrlichen Denkmals haben sich von 1856 -  1868 die Herren Dekan Keim und Dr. Eich gemacht, weshalb auch die Künstler die Genannten am Relief „Luther vor dem Reichstage zu Worms“ porträtähnlich wiedergegeben haben.

Umgeben von zwölf Persönlichkeiten der politischen und theologischen Reformationsgeschichte, steht der überlebensgroße Luther auf erhöhtem Podest, mit dem Kopf gegen den Ort seines Auftretens zum Bischofshof am Dom zeigend. Das ganze Denkmal erhebt sich auf einem durch fünf Stufen erhöhten viereckigen Granit-Unterbau, von dem jede Seite 12,55 Meter mißt. Die Vorderseite des Vierecks ist offen und bildet zwischen den vorderen Statuen den 19,42 Meter breiten Eingang in den inneren Raum. Die drei übrigen Seiten dagegen sind durch drei 1,23 bis 1,57 Meter hohe Zinnenmauern - ebenfalls aus poliertem Syenit – abgeschlossen.

Aus deren Mitte erhebt sich auf 2,18 Meter hohem Syenit-Postament je eine 1,88 Meter hohe sitzende Städtefigur, nämlich: Augsburg mit der Friedenspalme, die trauernde Magdeburg und die protestierende Speyer. Auf der Innenseite der 24 Zinnen sind die Wappen von 24 Städten angebracht, welche für die Reformation gestritten und gelitten haben, nämlich Braunschweig, Bremen, Konstanz, Eisenach, Eisleben, Emden, Erfurt, Frankfurt a.M., Schwäbisch-Hall, Hamburg, Heilbronn, Jena, Königsberg, Leipzig, Lindau, Lübeck, Marburg, Memlingen, Nördlingen, Riga, Schmalkalden, Straßburg, Ulm, Wittenberg.

Aus der Mitte der eben beschriebenen Umgebung erhebt sich das eigentliche Luther- Denkmal. Auf den vorspringenden vier Sockelpfeilern des 5,02 Meter hohen, reichverzierten Hauptpostamentes sitzen vier Vorkämpfer der Reformation, nämlich hinten links der Franke Petrus Waldus (gestorben 1197), hinten rechts der Engländer Johann Wiclif (gestorben 1387), vorn links der Italiener Hieronymus Savonarola (gestorben 1488) und vorn rechts der Böhme Johann Huss (gestorben 1415). Gewissermaßen aus den Vorkämpfern herauswachsend und gleichsam die Krone des Ganzen bildet die alles andere überragende 3,30 Meter hohe Kolossalstatue Luthers, mit dem Postament etwa 8,47 Meter hoch.

Das Hauptpostament besteht aus drei Teilen: dem Untersatz der Sockel von poliertem Syenit und dem unteren und oberen Würfel von ungleicher Höhe und Breite, in Bronzeguß ausgeführt.

1.) Der obere Würfel enthält auf seinen vier Seitenflächen je in Kraftwort aus Luthers Mund und Feder und darunter je zwei Porträtmedaillons von Zeitgenossen, welche vor, mit und nach Luther für die Reformation tätig waren.

a. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ Darunter sieht man die Bildnisse der beiden sächsischen Kurfürsten Johann des Beständigen und Johann Friedrich des Großmütigen; jener links, dieser rechts vom Beschauer.

b. Auf der Rückseite steht die Stelle: „Das Evangelium, welches der Herr den Aposteln in den Mund gelegt hat, ist sein Schwert: damit schlägt er in die Welt, als mit Blitz und Donner.“ Darunter sind die Bildnisse der beiden Ritter Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen: jener links, dieser rechts vom Beschauer.

c. Auf der Seitenfläche zur Rechten Luthers findet man die zwei Stellen: „Der Glaube ist nicht anders, denn das rechte, wahrhafte Leben in Gott selbst.“ „Die Schrift recht zu verstehen, dazu gehört der Geist Christi.“ Darunter die Bildnisse der treuen Gelehrten und Mitarbeiter Luthers, des Justus Jonas und des Johann Bugenhagen; jener links, dieser rechts vom Beschauer.

d. Auf der Seitenfläche zur Linken Luthers stehen die Worte: „Die Christum recht verstehen, die wird keine Menschensatzung gefangen nehmen können. Sie sind frei nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Gewissen.“ Darunter die beiden Schweizer Reformatoren Johann Calvin und Ulrich Zwingli: jener links, dieser rechts vom Beschauer.

2.) Der untere Würfel enthält Basreliefs, welche die Haupttaten aus Luthers Leben veranschaulichen.

a. Auf der Vorderseite: Luther vor dem Reichstage zu Worms am 17. und 18. April 1521.

b. Auf der Rückseite: Anschlag der Thesen an der Schloßkirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517.

c. Zur Rechten Luthers: Das Abendmahl in beiderlei Gestalt, von Luther gespendet, und die Priesterehe: Luther von Bugenhagen getraut.

d. Zur Linken Luthers: Die Bibelübersetzung und die Lutherpredigt.

3.) Der Untersatz oder Sockel zeigt auf seinen vier Feldern die Wappen der fünf deutschen Fürsten und zwei Städte, welche die Augsburgische Konfession unterschrieben und am 25. Juni 1530 dem Kaiser überantwortet haben, nämlich:

a. Auf der Vorderseite: Kursachsen.

b. Zur Rechten Luthers: Anhalt und Brandenburg, jenes links, dieses rechts vom Beschauer.

c. Zur Linken Luthers: Hessen und Braunschweig - Lüneburg, jenes links, dieses rechts vom Beschauer.

d. Auf der Rückseite: Nürnberg und Reutlingen, jenes links dieses rechts vom Beschauer.

 

Bischofshof:

Rechts folgt dann Heyls Hof, Wohnhaus des Reichstagsabgeordneten Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim. Das stattliche Haus von 1884 steht an der Stelle des ehemaligen Bischofshofes, in dem der Reichstag 1521 abgehalten wurde. Bodenplatten im heutigen Heylsgarten markieren den Mauerverlauf und die Stelle, wo der Wittenberger Professor unbeeindruckt von den kurialen und weltlichen Reichsgrößen sein Gewissen über die kaiserliche Aufforderung zum Widerruf stellte.

Der Bischofshof wurde 1504 erbaut und fiel 1689 dem Stadtbrande zum Opfer. Im Jahre 1717 wurde ein neuer Bischofshof erbaut, welcher den früheren Palast an innerer und äußerer Schönheit bei Weitem übertraf. Der Bischofshof wurde 1794 zum zweiten Male von den Franzosen niedergebrannt. Heute ist im Kunsthaus Heylshof ein städtisches Museum

Das Hauptportal am Heyls Hof, von dem Münchener Künstler Gedon „Abschied und Ankunft“ darstellend, ist ein Meisterwerk der Holzschneidekunst. An den Hauptbau schließt sich ein hübscher mit interessanten Altertümern und prächtigen Gewächshäusern gezierter Garten, der dem Publikum täglich von 11 bis 5 Uhr offen steht (Eingang vom Schloßplatz).

 

Obermarkt:

Ein Stück weiter auf der rechten Seite geht es zum Obermarkt, auf dem der „letzte Ritter“ Kaiser Maximilian Turnierspiele veranstaltete. Links das Amtsgerichtsgebäude, ferner das „Wormser Weinhaus“ mit goldenem Pokal auf dem Dache.

Wieder ein Stück weiter steht die Martinskirche, in der erstmals im Südwesten des Reiches Luthers Lehre gepredigt wurde. Die heutige katholische Pfarrkirche St. Martin wird auf Bischof Burkard zurückgeführt. Sie wurde um 1170 begonnen und 1265 vollendet. Durch den Stadtbrand wurde sie stark mitgenommen, danach mehrfach restauriert. Sie hat ein schönes reiches Portal auf der Westseite mit Kelchkapitälen an den Rundsäulen, und reichen Ornamenten. Im Innern gibt es sehenswerte Wandmalereien.

Auf dem Platz steht das Ludwigsdenkmal. Es wurde nach dem Entwurf des Stadtbaumeisters Hofmann errichtet. Die Löwen, der Wasserspeier, Ornament und Bronze-Relief stammen von dem Wormser Bildhauer Hirt  (später Karlsruhe). Das Denkmal gilt dem Andenken des verstorbenen Großherzogs Ludwig IV. von Hessen. Dem mit schönen Anlagen versehenen Ludwigsplatz sind 1899 zwei große Gedenksteine hinzugefügt worden, deren vier Flächen auf Bronzetafeln die Namen derjenigen Wormser tragen, die im Krieg 1870 - 1871 im Feld standen.

Gegenüber dem Hauptpostamt in der Kämmererstraße stehen zwei nachgebildete römische Meilensteine, deren Originale sich im Paulusmuseum befinden. Neben der Post der ehemalige „Wambolder Hof“, jetzt Geschäftshaus Nummer 42. In der Kämmererstraße (nach rechts) stand das Gasthaus „Johanniterhof“ (Nummer 27). An diesem Hause wird zur Erinnerung an den Aufenthalt Luthers daselbst eine Gedenktafel angebracht.

Es geht aber weiter nach lach links in die Kämmererstraße, an deren Ende die Martinspforte steht, durch die Luther in die Stadt und aus der Stadt heraus zog. Hier stand eine Nachahmung des 1699 eingeäscherten alten Stadttores.

 

Alte Synagoge:

Geradeaus geht es weiter in die Judengasse, die dem Verlauf der Stadtmauer folgt, und in dieser nach rechts zur alten Synagoge (Männer Kippa aufsetzen!). Sie wurde 1034 erbaut und 1145 zerstört. Der Neubau ist von 1175. Im Jahre 1938 wurde sie erneut zerstört und 1959 – 1961 wieder aufgebaut.

Wenn man rechts um die Synagoge herum geht, kommt man zur Mikwe von 1185, in die man hinabsteigen kann. Noch ein Stück weiter steht das Raschi-Haus, das seinen Namen nach einem französischen Rabbi Raschi trägt, der eine Zeitlang in Worms gewirkt haben und 1180 in Troyes gestorben sein soll. In dieser Kapelle befindet sich ein die Wand eingelassener steinerner Sitz für den Rabbi Raschi. Dann zeigt man der romanischen Zeit angehörige Gebetbücher für die Festtage in hebräischer Quadratschrift auf Pergament geschrieben und mit Miniaturmalereien versehen, eine Thorarolle, Messingleuchter und anderes. mehr. Die Juden sollen seit Christi Geburt in Worms ansässig sein und wie die Sage geht, ihren Glaubensbrüdern in Jerusalem die Kreuzigung Christi widerraten haben. Heute ist in dem Haus das Judaika-Museum Raschi-Haus untergebracht,

Nach links geht es durch das Raschi - Tor mit einem Stück alter Stadtmauer und dann rechts weiter durch die Nordanlage. In der Wallstraße dann nach links und durch die Nibelungenschule, eine städtische Volksschule, erbaut nach Plänen des vormaligen Stadtbaumeisters Hofmann. Der Bau ist 1900 vollendet und seiner Bestimmung übergeben worden. Nach rechts geht es dann wieder zum Parkplatz.

 

Hagendenkmal:

Von dort geht man noch einmal auf der Rheinstraße entlang der Kieselswiese (früher Bleiche, heute Festplatz, im Volksmund „Juxplatz“) zum Rhein. Vom Hafengebiet erstreckt sich ein Industriegebiet bis zur stattlichen Eisenbahnbrücke überspannt den Rhein. Heute gibt es hier aber viele Ausflugslokale. Hier befinden sich auch die Landungsbrücken der Dampfschiffahrtsgesell­schaften. Man geht ein Stück rheinabwärts bis zum Hagendenkmal. Hier  versucht der Meuchelmörder Hagen von Tronje, das unheilbringende Rheingold im Fluß zu versenken. Am gegenüber liegenden Ufer liegt der sogenannte „Rosengarten“. Stromaufwärts auf dem linken Ufer befindet sich der Floßhafen. Die Einfahrt desselben dehnt sich ungefähr 715 Meter in die Länge und 66 Meter in die Breite. Vom Hagendenkmal dort geht es auf direktem Weg wieder zurück zum Parkplatz.

 

Plan der Stadt Worms, ohne Vororte:

(Die Hauptsehenswürdigkeiten sind auf dem Stadtplan mit den Ziffern  gekennzeichnet):

1. Judenfriedhof

2. Städtisches Spiel- und Festhaus (Rathenaustraße)

3. Museum der Stadt Worms (Andreasstift)

4. Magnuskirche

5. Stadtbibliothek

6. Dom

7.Kunsthaus und Heylshof und Schloßgarten

8. Lutherdenkmal

9. Rathaus und Cornelianum

10. Dreifaltigkeitskirche

11. Martinskirche

12. Stadtmauer am Torturmplatz

13. Pauluskirche

14. Friedrichskirche

15. Synagoge

16. Liebfrauenkirche

17. Lutherkirche (Westlicher Stadtteil).

 

 

Vororte:

Vom Parkplatz an der Rheinbrücke fährt man zunächst nach Norden und biegt hinter der Liebfrauenkirche nach links ein. Die spätgotische katholische Basilika ist 15. Jahrhundert in gotischen Stil mit zwei Türmen aus Kapuzinersteinen erbaut. Im Jahre 1689 ist sie eingestürzt und 1882 wiederhergestellt  Sie wurde im Jahre 1883 restauriert, dank den eifrigen Bemühungen des Pfarrers Reuss. Beachtenswert das Hauptportal mit reichen Ornamenten. Im Innern verdient die Grablegung Christi aus dem 15. Jahrhundert Erwähnung. In der Nähe sind Überreste der Notkirche Amanduskirche (Friedhof Würdtweinstraße, jetzt Anlage)

In der Umgebung der Kirche gedeiht die weltberühmte Liebfrauenmilch. Durch die Weinberge des Weinguts Valckenburg (Gutshof in der Stadt beim Stadtmuseum) geht es nach Westen und dann wieder ins Zentrum bis über den Marktplatz hinaus und rechts in die Alzeyer Straße in Richtung Pfiffligheim.

Nach rechts geht eine Straße ab nach Hochheim. Zwischen Pfiffligheim und Hochheim liegt  die  schön gelegene Restauration „Westendhöhe“ mit herrlichem Blick auf Worms und die Bergstraße. In Hochheim sind bemerkenswert die romanische Bergkirche (mit original erhaltenem Turm) sowie die Kirche am Römergarten.

Dann geht es aber wieder zurück auf die Straße nach Pfiffligheim. An der Durchgangsstraße steht rechts der Lutherbaum, eine Ulme von 1511. Der Sage nach stritten zur Zeit des Beginns der Reformation zwei Frauen über die Lehre Luthers. Die eine war der Lehre Luthers zugetan, die andere dagegen. Während des Streites stieß die erste einen Stock in den Boden und behauptete: So gewiß wie dieser Stock grünen und Äste und Zweige tragen wird, so gewiß wird auch Luthers Lehre ewig fortdauern. Und siehe da, der Stock gedieh, grünte und ward zu einem Riesenbaum, dessen unterer Teil von 11 Mann umfaßt werden kann und die stattliche Höhe von 40 Meter erreichte. Am Vorabend der Kapitulation von Metz, 26. Oktober 1870, fiel der Baum einem furchtbaren Orkan zum Opfer, so daß nur der untere Teil blieb, der durch sorgfältige Pflege erhalten wird. Am Baume ist ein prächtiges Gedicht „Der Lutherbaum“ von Gerok unter Glas und Rahmen angebracht. Vom Baum sind allerdings nur kärgliche Reste vorhanden, ein neuer Baum ist zwischen den Stümpfen gebaut.

Die Straße führt dann unter der Autobahn hindurch nach Pfeddersheim (nach rechts über die Bahnschienen). Dort sind Überreste einer mittelalterlichen Umwallung und Türme vorhanden.

Nordöstlich geht es aus dem Ort heraus nach Leiselheim und nach links nach Herrnsheim. An der Kirche geht es rechts zum Gut Herrnsheim. Es war früher Sitz der Familie von Dalberg und kam nach deren Aussterben in den Besitz des Freiherrn Heyl zu Herrnsheim. Das Schloß wurde 1845 restauriert. Im Jahr 1812 angelegte Parkanlagen mit dem historischen „Schillerturm“ umschließen in weitem Bogen die Schloßgebäude und das stattliche Dorf. Der Besuch des herrlichen Schloßgartens ist dem Publikum gestattet. Bemerkenswert ist auch die herrliche katholische Kirche mit vielen Grabdenkmälern der Familie von Dalberg. In der Nähe des Gutes liegt das Mausoleum der Familie Heyl. Im Ort gibt es auch viele Weingüter.

An der Kirche geht es dann links ab in Richtung Abenheim und dort nach rechts in Richtung Osthofen, an einer schönen Weinbergkirche vorbei. In der Hauptstraße von Osthofen ist rechts eine Gedenktafel für die Synagoge. Am Ortsausgang kurz vor den Schienen geht es links ab zur KZ-Gedenkstätte. Östlich aus dem Ort heraus geht es dann auf die B 9 und nach links nach Oppenheim.

 

 

Speyer

Mit dem Speyerer Dom begann eine neue Epoche der europäischen Architek­tur. Deutlicher noch als mit St. Denis - dem Schöpfungsbau der Gotik - ist mit dem seit 1025 / 1230 durch Kaiser Konrad II. begonnenen salischen Dom eine lange Überlieferung monumentalen Bauens an ihr Ende gelangt und durch ein neuarti­ges, rationales System ersetzt worden, das in der Folge nicht nur den romani­schen Kirchenbau, sondern auch die Gotik entscheidend bestimmt hat. Was aber war so neu?

Nicht das erst um 1100 vollendete Hauptschiff, sondern die acht Meter brei­ten Seitenschiffe sind die Räume, mit denen die ersten entschei­denden Schritte in Neuland getan wur­den: Die Pfeiler und Wände sind nicht mehr glatt und aus einfachen Elementen bestehend, sondern sie sind aus unter­schiedlichen Teilen zusammengesetzt. Zum ersten Mal in einem monumentalen Kirchenschiff wurde unterschieden zwi­schen schweren, wandartigen Pfeilern, die die Rundbögen der Langhausarkaden tra­gen, und schmal vor die Pfeiler gesetzten Halbsäulen, die die dunklen Gurtbögen der Gewölbe abfangen. Die scharf be­grenzten, durch rote Sandsteinbögen ein­gefaßten Kreuzgratgewölbe, die sich als weiße Kappen ausspannen, waren die wa­gemutige Neuerung.

Mit der Einwölbung entstand eine neu­artige Wandgliederung, Zwar hatte es be­reits tonnengewölbte Kirchenbauten gege­ben, doch nie zuvor in der christlichen Ar­chitektur solch breite, über acht Meter sich hinüberschwingende Kreuzgratge­wölbe. Das war im frühen Mittelalter ein konstruktives Wagnis und erforderte einen präzisen Steinschnitt, eine exakte Mauerung und große schwere Quader für die tragenden Teile.

Die Bauhütte war die technische Hoch­schule des Mittelalters. Hier wurden die konstruktiven Erfindungen gemacht. Ein Dom als Kathedralkir­che enthielt die Summe aller Möglichkei­ten der Architektur. Der unbekannte Bau­meister teilte den Raum in Abschnitte, grenzte die fast quadratischen Wölbungen durch dunkle Quaderbögen ab und ad­dierte sie nacheinander in einer langen Reihe über das Seitenschiff hinweg. Die gestreckten Halbsäulen wurden nötig, um die von den Gewölben herabgreifenden Gurtbögen abzufangen und um der neuen Systematik der Raumteilung Ausdruck zu verleihen.

So setzte sich die Gewölberahmung ­nach unten bis in die Senkrechte, bis in die mit den Pfeilern verbundenen Halb­säulen fort. Es entstand ein neuartiger Raum, der nicht mehr von un­gegliedertern Wänden umgeben war, sondern es kam zu einer denkwürdigen Definition und Addi­tion von Raumabteilungen („Jochen“). Das Resultat waren Seitenschiffe, die aus einer Folge von scharf unterschiedenen Jochen gebildet wurden. Sie wurden durch die Halbsäulen und durch die dunklen Gurtbögen der Ge­wölbe herausgehoben. So auch kommt ein stark plastisches Wandrelief zustande.

 

Mit den Speyerer Seitenschiffen wurde dieser konstruktiv gliedernde Baugedanke in vollkommener Klarheit und in mo­numentaler Größe verwirklicht. Es war die wohl bedeutendste Erfindung des mit­telalterlichen Kirchenbaus. Erst der Ver­gleich mit früheren Bauten verdeutlicht das Ausmaß der Neuerung. Eine flache hölzerne Decke benötigte nicht unbedingt Halbsäulenvorlagen. Es genügten einzeln stehende Säulen oder Pfeiler und darüber eine relieflose, völlig flache Wand, in die die Arkaden und Fenster hineingeschnit­ten waren.

Auch noch die gotischen Gewölbekon­struktionen mit ihren Bündelpfeilern ha­ben von dem Speyerer Ursprungsgedan­ken profitiert. Sogar die Streckung der Halbsäulen weit über die Proportionen einer klassischen Säule hinaus war neu und ließ sich mit der Vertikalisierung der Schiffe begründen. Hier setzt die mittelal­terliche Uminterpretation eines klassi­schen Bauelements, der Säule, ein.

Wäh­rend in den tiefliegenden Gewölben der Speyerer Krypta untersetzte Säulen mit ihren Würfelkapitellen noch immer die antiken Proportionen erkennen lassen, mußten sich die Halbsäulen in den Sei­tenschiffen hoch in die Länge strecken, um die Gewölbe zu erreichen. Daraus wurde dann die mittelalterliche Ausdeu­tung der Säule, eine Rundvorlage, später ein gotischer Dienst.

Das Speyerer Gliederungssystem hat in ganz Europa Schule gemacht. Das war nicht nur Anerkennung der Erfindungskraft, die in den Speyerer Dom eingegangen war, sondern auch Wetteifer mit diesem im 11. Jahrhundert höchsten und längsten Bau Europas, der kaiserlicher Dom und kaiserliche Grablege war. Der Speyerer Dom war bereits mit seinen frühesten Bauteilen, der Krypta und den Seitenschiffen, einer der wenigen Schöpfungsbauten der europäischen Architekturgeschichte, so wie St. Denis in Paris die Ankündigung der Gotik und das Florentiner Findelhaus die Anfänge der Renaissance anzeigten.

Bei der Einwölbung der Seitenschiffe ist es nicht geblieben. Einige Jahrzehnte später, seit etwa 1065, wurde in einem zweiten Anlauf sogar das gewaltige Langhaus eingewölbt. Wieder kam es zu Neuerungen, mit dem dieser Monumentalbau auf die gesamte europäische Architektur wirkte: Es entstand das „gebundene System“.

 

Der Judenhof ist das Zentrum und kultischer Mittelpunkt des Judenviertels. Die östliche Außenwand der Männersynagoge ist erhalten. Die Bau­technik ist aus der Zeit um 1100, gemauert mit Kleinsandsteinquadern. In der Mitte ist deutlich an der Mauerflickung die Stelle zu erkennen, an der früher eine kleine Apsis anschloß, die den Schrein für die Heiligen Schriften enthielt. Über der Apsis kleines, gut erhaltenes Rundfenster aus der Erbauungszeit. Darüber Reste eines später einge­bauten gotischen Rundfensters. Rechts und links davon Gewände von später eingebauten gotischen Fenstern zu erkennen. (14. Jahrhundert).

Das Judenbad (1110 ‑ 1120) war ein rituelles Kaltbad (Mikwe) und diente den rituellen Wasch­ungen nach gewissen Zeiten der Unreinheit. Das Judenbad ist eine unterirdische Anlage die zu den monumentalsten Anlagen dieser Art in Deutschland zählt. Wahrscheinlich wurde es von Bauleuten der Dombauhütte erstellt.

Der Zugang erfolgt durch ein Sandsteinportal von Norden in ein ge­radläufiges Treppenhaus, das mit einem Tonnengewölbe versehen ist. Rechts und links vor dem zweiten Portal sind große Nischen mit Sitzbänken. Hinter dem zweiten Portal betritt man nach Durchschreiten des engeren Treppen­laufes den Vorraum des Bades. Dieser Raum, der mit Kreuzgratgewölben überdeckt ist, ist kunst‑ und bauge­schichtlich der bedeutendste Teil der Anlage. In diesen, Bereich befindet sich auch die Umkleidekammer. Vom Vorraum aus führt eine halbrund verlaufende Treppe zum eigentlichen Baderaum. Dieser Raum ist ebenfalls mit einem Kreuzgratgewölbe überdeckt.

 

 

Lampertheim

Über das Mönchhofsdreieck fährt man auf der  A 67  bis Abfahrt Lorsch. Von dort geht es nach Süden nach Hüttenfeld (an der Kreuzung links geradeaus zum Schloß Rennhof, heute litauisches Gymnasium). Von dort geht es nach Westen bis zum Ortsteil Neuschloß  auf der rechten Seite. Hier steht das „kurfürstliche Jagdhaus“, auch „Neues Schloß“ oder „Jagdschloß Lampertheim“ genannt.

 

Schloß Neuschloß

Hier stand eine Niederungsburg, von der aber nichts erhalten ist, weil sie überbaut wurde.

Das Jagdschloß  der Kurpfalz an der Kreuzung dreier wichtiger Straßen wurde erbaut unter Pfalzgraf Friedrich I. dem Siegreichen, der hier  in den Jahren 1465 bis 1468 in seinem Wildbann ein großes Jagdschloß errichten ließ. In. Es wurde anfänglich „Jagdschloß Friedrichsburg“ oder nur „Friedrichsburg“ genannt.

Im Jahre 1496 unterstützte der Kurpfälzische Kurfürst den Herzog Georg den Reichen von Bayern-Landshut, der sein Testament auf Entschloß aufsetzte und seine Tochter Elisabeth - die 1499 Phillips Sohn Ruprecht den Tugendhaften heiratete - zur Erbin bestimmte und damit dem Wittelsbacher Hausvertrag widersprach. In den folgenden Auseinandersetzungen der Bayrischen Fehde wird die Burg 1504 durch die Landgrafschaft Hessen zerstört.

Zwischen 1544 und 1556 wurde es neu aufgebaut und erweitert. Am 4. April 1553 wurde hier die Absage der Kurpfalz und Bayerns an König Ferdinand I. zur Teilnahme am Mem­min­ger oder Egerer Bund verfaßt. Beide Länder schlossen sich stattdessen dem Heidelberger Bund an, einem Zusammenschluß von Fürsten infolge des Zweiten Markgrafenkrieges

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde neben dem Ort Lampertheim das Schloß am 10. Juni 1622 zum zweiten Mal und dann so stark zerstört, daß es nicht wieder aufgebaut wurde. Ein Teilabbruch erfolgte bereits 1701. Nach ersten Zerstörungen und Neu-, Um- und Ausbau wurde das Gebäude  als „Neues Schloß“ bezeichnet.

Im Jahre 1705 wurde das Gebiet wieder uneingeschränkter Besitz des Bischofs von Worms und seit diesem Zeitpunkt vom Ort Lampertheim als Steinbruch benutzt. Das dazugehörende Ackerland wurde zunächst wie bisher verpachtet. Bis um 1800 wurden die Schloßreste fast komplett abgebaut. Im Jahre 1803 fiel das Gebiet an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt.

Die Gemeinde Lampertheim kaufte das Schloßfeld im Jahre 1808 auf. Von 1829 bis 1927 nahm auf dem ehemaligen Schloßgelände die Chemische Fabrik  Neuschloß ihre Produktion auf. Den im Jahre1927 erfolgten Abriß der Fabrikationsanlagen hat neben der ehemaligen Kantine und dem Direktionsgebäude nur der schon zum ehemaligen Schloß gehörige Wirtschafts- und Beamtenbau überdauert. Dieser - ein zweistöckiges Wohnhaus - hatte einen polygonalen Treppenturm auf quadratischem Unterbau. Es bildet heute den Rest jener im 15. Jahrhundert entstandenen prächtigen Anlage.

Die Gemeinde Lampertheim hat das Gebäude schließlich übernommen und in der Nachkriegszeit Wohnungen darin eingerichtet. Auf dem alten Schloßgelände ist seit 1950 eine Siedlung entstanden, die in den folgenden Jahrzehnten in mehreren Bebauungsphasen erweitert wurde und heute ein Stadtteil Lampertheims mit über 1.440 Einwohnern ist.

 

Lampertheim, heute im Dreiländereck von Hessen, Rhein­land-Pfalz und Baden-Württem­berg, gehörte in seiner langen Geschichte zu Worms und der Kurpfalz. Erst 1803 fiel es an Hessen-Darmstadt. Man fährt von Osten hinein in die Römerstraße und dann links in die Wormser Straße und ein Stück Mannheimer Straße, gleich rechts geht dort der Weidenweg ab. Hier ist rechts der Badesee mit Sportzentrum und Hallen- und Freibad. Die Straße führt bis zum Rhein. Eine gute Aussicht auf das Naturschutzgebiet „Biedensand“ hat man aber auch, wenn man auf der Rückfahrt von der Wormser Straße links abbiegt in  die Biedensandstraße. An deren Ende ist ein Parkplatz, von dem man auf den Damm gehen kann

 

Altrheinarm:

Jahrhundertelang hatte Lampertheim im äußersten Südwe­sten von Hessen mit den Hochwassern des Rheins zu kämpfen. Verheerende Überschwemmungen verwüsteten das frühere Dorf und das ganze Ried. Heute bilden der „Lampertheimer Altrhein” mit Wasserarmen und -buchten, Tümpeln, Feuchtge­bieten, Wiesen, Feldern, hohen Bäumen im wasserumschlosse­nen „Naturschutzgebiet Biedensand” ein ideales Freizeitgebiet für Naturstudien, zum Wandern, Radfahren und jeder Art von Wassersport.

Genau seit dem 2. Mai 1802 haben Natur und Mensch gewaltig an dieser Landschaft gearbeitet. Damals „brach der Rhein den Biedensand entzwei”, beschreibt eine Chronik die Inselbildung durch ein Hochwasser. Der Rhein bahnte sich, seine bisherige Schleife abschneidend, ein neues Bett, formte einen Halbkreis. Die neue Wasserführung verlief in unterschiedlicher Breite.

Nach dem ersten Schiffer, der die Befahrung mit seinem Nachen wagte, dem Johann Welsch aus Nackenheim, nennt sich ein See noch „Welsches Loch”. Eine andere Verbreiterung „Fet­terloch” wird  volkstümlich auch „Lüderitzbucht” genannt.

Im Jahre 1879 wurde dem Strom etwas weiter westlich sein heutiges Bett angelegt - zur Regulierung ebenso wie zur Schiffbarmachung für die aufkommende Industrie. Die zurückbleibende Wasseroase wurde bereits seit 1928 naturgeschützt und seit 1969 - wie es auf Tafeln etwas umständlich heißt - als „naturnahe Einheit vom Menschen wenig beeinflußter Lebensgemeinschaften und Landschaftsbilder“ eingerichtet. Das hessische Forstamt, Odenwaldclub und Naturschutzstellen waren daran beteiligt.

Nur der begehbare Rheindamm trennt die Stadt Lampertheim von diesem Altrheinparadies mit seinen hohen Bäumen. Lediglich eine Brücke führt hinein. Bootsfahrer bevölkern fast immer den Wasserarm. Rundwege führen an Reservaten vorbei, wo sich seltene Vögel, Amphibien, Insekten, Pflanzen ungestört entwickeln können und weitgehend Naturzustände herrschen.

Ein Weg endet erst am Ufer des Rheinstromes, den beiderseits ebenfalls Baumriesen säumen. Zwischendurch Felder, Wiesen, Schilfpartien, Büsche. Versteht sich, daß die immer zahlreicher kommenden Besucher aufgefordert sind, die Natur nicht zu stören, nicht zu beschädigen und nicht mit Abfällen zu belasten.

 

Stadtkern:

Wieder zurück in die Stadt: Mannheimer Straße, Wormser Straße., rechts Römerstraße.

Im Altstadtkern findet man manches Fachwerkjuwel:

 Nummer 102: Altes Rathaus und Heimatmuseum, barock von 1739

Nummer 94: Ev. Kirche, „Dom des Rieds“ (oder Kaiserstraße)

Nummer 73: Kath. Pfarrkirche St. Andreas von 1700 - 1731

Ecke Kaiserstraße: Kurfürstliches mainzische Rentamt, 18. Jahrhundert.

 

Das Heimatmuseum (Nr. 21) befindet sich in einem vollständig erhaltenen Gehöft von 1737.

Als typisches altes Riedgehöft in Fachwerk verfügt es noch über Scheunen, Ställe, funktionierende Schmiede und Backhaus. Innen ist es bäuerlich eingerichtet und zeigt Funde aus der sehr weitreichenden Vergangenheit dieses frühen Siedlungsraumes (geöffnet am 1. und 3. Sonntag jeden Monats von 10 bis 12.30 Uhr oder auf Vereinbarung)

Die regionale Besonderheit ist der Tabak- und Spargelanbau. War es früher Tabak, der Lampertheim weithin bekannt gemacht hat, ist diese Sonderkultur längst vom Spargelanbau verdrängt worden. Dank der sandigen Böden im Ried zählt Lampertheim heute zu den bedeutendsten Spargelanbaugebieten Hessens. In Lampertheim legte um 1900 der Lehrer Karl Faustmann erste Spargelfelder an, vermutlich mit Seitenblick auf das benachbarte Schwetzingen, wo um diese Zeit bereits der Handel mit Übersee florierte und das königliche Gemüse auf Passagierschiffen serviert wurde. Doch man holte schnell auf: Prestigeträchtig wurde Lam­pertheimer Spargel im Luftschiff „Hindenburg” zum Diner gereicht. Heute sieht man in der Südwestecke Hessens nur noch vereinzelt herkömmliche landwirtschaftliche Betriebe. Spargel hat Getreideanbau auf den dafür viel besser prädesti­nierten Sandböden abgelöst.

 

In Lampertheim gibt es einen Fährverein „Nibelungenland“, der bis Worms fährt.

 

Umgebung:

Von Lampertheim fährt man nicht nach Bürstadt, sondern über Rosengarten nach Hofheim mit der Pfarrkirche St. Michael aus den Jahren 1747-1754, erbaut von Balthasar Neumann.

Weiter geht es Richtung Bobstadt. Am Ende der Bebauung geht es nach rechts. Vor der

der Eisenbahn geht es nach rechts in die Bensheimer Straße bis zum Mühlgraben. Dort steht der Sackstein, ein Menhir. Von dort fährt man wieder zurück und durch Hofheim und dort nach rechts nach Nordheim und hinter Wattenheim nach links zum Elektrizitätswerks = Atomkraftwerk. Dort links vorbei geht es bis zum Rhein und dann nach links an diesem entlang zum Zullestein (rund 2,5 Kilometer). Ein Zugang ist nur vom Atomkraftwerk her möglich.

 

Zullestein:

Westlich von Lampertheim im Naturschutzgebiet am Rhein liegt Burg Zullestein. Der spätrömische Wohnturm (burgus) wurde beim Bau des Kernkraftwerks Biblis entdeckt. Unweit der Weschnitzmündung lag die staufische Burg Stein von 1232. Darunter lag die karolingische Burg Zullestein. Der karolingische Königshof schied 846 aus dem Reichsgut aus und ging an das Kloster Lorsch.

Darunter wiederum fanden sich und vor allem nordwestlich daneben die mächtigen Mauern einer spätrömischen Festung. Der Grundriß ist wie bei den befestigten Schiffsanlegestellen aus der Zeit Valentians I. (364 - 375) auf dem germanischen Gegenufer des Rheins zur Sicherung der rechtsrheinischen Puffer- und Einflußzone der Römer. Der rechteckige Turm (21 mal 15 Meter) mit zwei Meter dicken Außenmauern hatte drei Stockwerke und ein Satteldach,

 und zahlreiche Schießscharten. An beiden Seiten waren Flügelmauern zu den Ecktürmen (einer steht unter der karolingischen Burg). Von den Ecktürmen gingen zwei Flankenmauern zum damaligen Flußbett der Weschnitz zu einer 42 Meter breiten Landestelle. Der Hafen wurde vielleicht auch für den Transport der Steine aus dem Felsenmeer genutzt.

Die weitere Fahrt geht über Gernsheim, Stockstadt, Goddelau (In der Weidstraße 9 das Büchnerhaus: Durchgangsstraße, rechts Hospitalstraße, gleich links Weidstraße), Erfelden, Bensheimer Hof, Seeheim, Wolfskehlen, Griesheim.

 

 
 

Lorsch

Altenmünster:

Man verläßt den Ort in Richtung Osten auf der Karlsstraße, bis die Weschnitz überquert wird. Nach rechts abknickend geht man an ihr entlang, wechselt das Ufer und folgt nun diesem. Hier taucht auch gleich das Kloster Altenmünster auf. Nur wenige Meter lang ist die schmale lange Saalkirche, mit noch schmälerem Altarraum, der noch eckig ist. Aufgelegt über den ergrabenen Fundamenten zeigen sich heute die Mauerzüge von zwei Fuß Breite über dem Gründungsstandort. Ein Gedenkstein zeigt an, daß hier im einstigen Sumpfgebiet die Urzelle des Klosters Lorsch stand. Die Lage von Kreuzgang und Innenhof ist durch eine Sträucher­markierung zu erkennen.

Im Lorscher Codex wird das Kloster 764 als Schenkung erstmals genannt. In diesem Jahr hatte der fränkische Gaugraf Cancor zusammen mit seiner Mutter Williswinda die Lorscher Abtei gegründet. Dann hat er sie sogleich an Chrode­gang (auch: Ruodgang), Erzbischof von Metz verschenkt, seinen weitläufigen Verwandten.

Mit der Ausdehnung des fränkischen Reiches in den alamannischen Raum beginnt schon vor 733 eine Neubesiedlung und Besitznahme bestehender Siedlungsanlagen im Zuge der Landnahme durch die Franken. In dieser Zeit dürften weite Landstriche zunächst Königsgut geworden sein, das dann als Lehen und später in den Besitz einzelner Familien übergegangen ist. Als nach 750 die Reichsadligen der karolingischen Hausmeier Leitungsfunktionen im Grundgutbereich oder als Gaugrafen übernahmen, wurden die Gebiete nach den Verwaltungs- und Eigentumsverhältnissen in Gaue aufgeteilt.

In diese Zeit fällt also nicht zufällig die Ersterwähnung einer Schenkung im genannten Gau „Pagus Rhenensis“ (Oberrheingau) am Flusse Wisgoz (Weschnitz), mit welcher die Geschichte des Klosters Lorsch eingeleitet wird. Die Urkunde 1 (Vermerk 2) im Lorscher Codex erwähnt am 12. Juli 764 eine Schenkung an „die überaus heilige Kirche des Hl. Petrus und alle übrigen Heiligen, welche errichtet ist in dem Lauresham (Lorsch)...“. durch die Witwe des ersten Grafen im Oberrheingau, Williswinda und deren Sohn, Graf Cancor, an den „genannten Herrn Ruodgang (Chrodegang) bzw. seine Mönche . . ., welche bekanntlich eben da im Kloster wohnen . . .“.

Die Stifterfamilien waren Verwandte des fränkischen Königs Pippin III. (auch „der Kurze“ oder „Kleine“ genannt), welcher von 751 - 768 König der Franken war. Auch Erzbischof Ruodgang von Metz, der Empfänger der Stiftung, war - wie die Stifterfamilie - ein Angehöriger des königlichen Hauses der Arnulfinger, die wir heute Karolinger nennen.

Im Vermerk Nr. 3 berichtet der Codex, daß Ruodgang die Schenkung annahm und die Bit­te der Stifter erfüllte. Er selbst sei jedoch mit den Amtsgeschäften für Kirche und König so überhäuft gewesen, daß er die Verwaltung und Leitung des jungen Klosters seinem Bruder Gundeland (bisher Abt von Gorzia bei Metz) übertrug und ihn mit den Vollmachten in dem Umfang ausstattete, wie sie ihm selber zur Verfügung übergeben worden waren.

Um 765 übernahm Gundeland mit 16 weiteren Mönchen das auf einer Weschnitzinsel gelegene Kloster. Sie sollten die dort nach den Vorgaben des heiligen Benedikt von Nursia leben und arbeiten.  Von da an wird die monastische Besiedlung von Lauresham durch die gewaltige Lorscher Handschrift über Jahrhunderte lückenlos beschrieben. Im Codex wird Altenmünster sodann im Urkundenverzeichnis in den Jahren 779, 1071, 1123 und mehrfach Mitte des 12. Jahrhunderts erwähnt, um danach zu verfallen, als Steinbruch benutzt zu werden und in Vergessenheit zu geraten.

Die erste dokumentierte Grabung auf der Kreuzwiese erfolgte durch Friedrich Kofler im Jahre 1882. Er selbst berichtet, daß seit vielen Jahrhunderten jedwede Spur des Klosters verschwunden und selbst die Tradition nichts mehr wußte von seiner einstigen Stätte zu berichten. Strittig war selbst die Lage, ob auf der Kreuzwiese oder dem dritten Lorscher Klosterstandort, südöstlich des Seehofs, Altenmünster zu suchen sei. Kofler berichtet in den Quartalblättern des historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen im Jahre 1883 sehr anschaulich, wie er nördlich eines Begräbnisplatzes die Überreste eines genau orientierten Oratoriums von 23,10 Meter Länge und 7,50 Meter Breite fand. Interessant ist auch seine Erwähnung, daß schon etwa 50 Jahre vor ihm auf dem Klostergute nicht nur Mauerwerk ausgebrochen, sondern auch Steinsärge gefunden worden seien.

Den Plan von Kofler benutzte auch Heinrich Gieß für seine Grabungen in den Monaten März und April 1910. Er erwähnt, daß die Arbeiten zunächst aufgrund des Kofler’schen Planes von 1883 eingeleitet wurden, wobei der dort angegebene Grundriß der Kirche und des Kreuzgangs wieder festgestellt worden ist. Die Grabung von 1910 diente allerdings nicht zur Bestimmung des Klosters St. Peter zu Altenmünster, sondern der Suche nach Anhaltspunkten für den Standort der Grabkirche der letzten Karolinger. Nachdem der Codex die „ecclesia varia“ (bunte Kirche) zwar erwähnt, ihren Standort aber offen läßt, wurden die Suchgrabungen nach dieser Gruftkirche auch auf das Gebiet der Kreuzwiese mit dem Standort Altenmünster ausgedehnt.

Mit der letzten Jahrhundertwende hatte sich in der Ausgrabungstechnik ein entscheidender Wandel vollzogen. Ausgehend von der Arbeitsweise der vorgeschichtlichen Altertumsforschung hatte man gelernt, in den Schichten des Bodens zu lesen und dessen feine Spuren zu deuten.

Die 1932 von Professor Dr. Friedrich Behn vorgenommene dritte Ausgrabung konnte so die verschwundene Bauanlage von Altenmünster erforschen und wiedergeben. Im Grabungsbericht von 1934 werden der Gang der Grabungen und das Ergebnis für „Das Altenmünster auf der Kreuzwiese“ eingehend beschrieben. Der von Dipl.-Ing. E. Samesreuther erstellte Plan zeigt Grundriß und Typologie des kleinen Klosters. Der Grundriß von Kofler und Gieß wurde in verschiedenen Einzelheiten ergänzt: Die Köpfe der Seitenbauten (Klausurgebäude) sind risalitartig über die Nordfront vorgezogen, Kirche und Kirchenvorraum (Narthex oder Paradies) erhielten im Längen- und Breitenverhältnis andere Dimensionen, der Chor des Kirchenschiffes wird durch einen Lettner oder Spannwandfundament abgeteilt. Die Mauerzüge zeichneten sich im Boden nur noch als Schuttstreifen ab.  Deshalb war die Abdeckung des gesamten Gebietes nötig,  um ein einwandfreies Bild zu gewinnen.

Keine der vorerwähnten Grabungen war auf Landeskoordinaten oder sonstige bleibende Bezugspunkte eingemessen worden. Weschnitzregulierungen, Flurbereinigungen und eine immer intensiver werdende landwirtschaftliche Nutzung ließen den Grabungsplatz innerhalb von 20 Jahren verschwinden. Eine zu Beginn der achtziger Jahre erneut eingeleitete Flurbereinigung für größere Straßenbaumaßnahmen riefen den Heimat- und Kulturverein von Lorsch auf den Plan mit der Forderung, die Flurstücke des ehemaligen Altenmünsters der öffentlichen Hand zuzuteilen und die Stätte dieses Kulturdenkmals auf Dauer sichtbar zu halten. Zur genauen Lagebestimmung und zur Aufklärung der Proportionsdifferenzen in den vorgenannten Grabungsplänen erschien eine Such- und Bestimmungsgrabung unverzichtbar. Immerhin fällt auf, daß der Plan von Kofler und Gieß im Kirchengrundriß - entgegen den Angaben im Kofler­'schen Grabungsbericht - ein Seitenverhältnis der Kirchenwände von 1 : 2 darstellt, der Behn'sche Plan diese aber 1 : 3 wiedergibt. Darüber hinaus wurde auch von Fachleuten wiederholt bezweifelt, ob Altenmünster tatsächlich einen rechteckigen Chor - sogenannte eingeschnürte Apsis - hatte.

Im Einvernehmen mit dem zuständigen Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abteilung für Vor- und Frühgeschichte, wurden vom Heimat- und Kulturverein Lorsch und dem Beauftragten für Bodendenkmäler im Kreis Bergstraße in den Monaten September /  Oktober 1983 zwei Suchgräben angelegt. Die Kirchenaußenwände und die südliche Kreuzgangswand zeichneten sich im Fundamentausbruch mit eingefüllten Mörtel-, Stein- und Estrichresten deutlich im ungestörten Boden ab, die Kreuzgangswand trat dabei sogar in einer Mörtel-Steinschicht, wohl unterste Fundamentlage, zutage.

Die im Lorscher Codex ersterwähnte Kirche wurde zwischenzeitlich von allen Beteiligten für so bedeutend angesehen, daß sich das Landesamt für Denkmalpflege Hessen zu einer Flächengrabung im Chorbereich entschloß, welche im November 1983 durchgeführt wurde und die Ergebnisse der Behn’schen Grabung von 1932 / 1933 bestätigte.

 

Neues Kloster:

Um ihre Existenz brauchten die Lorscher Benediktiner aber schon bald nicht mehr zu fürchten: Chrodegang sandte ihnen nämlich eine wertvolle „Starthilfe“ im Juli 765 die Gebeine des heiligen Nazarius, die ihm Papst Paul I. überlassen hatte. Dese Reliquien galten als so bedeutend, daß sie den Mönchen zahlreiche Schenkungen aus allen Teilen des Landes einbrachten.

Damit erwies sich aber auch laut Lorscher Codex „der verfügbare Raum ... für die Aufnahme einer solchen Menschenmenge und selbst der alltäglichen Besucher” als nicht mehr ausreichend. Es erfolgte eine Neugründung 600 Meter weiter westlich.

Nach der Erhebung zum Reichskloster 774 durch Karl den Großen mit 3.500 Schenkungen wuchs das Kloster Lorsch zu einer der reichsten Sakraleinrichtungen nördlich der Alpen. Die gut sichtbar an der Bergstraße thronende Starkenburg war nur einer der befestigten Plätze, von denen Lorsch geschützt wurde.

Die Abtei Lorsch wurde zu einem der reichsten klösterlichen Zentren in Europa. Ihre Besitzungen reichten schließlich von der Nordseeküste bis in die Schweiz.  Eine der größten Schenkungen erhielt Lorsch übrigens aus der Hand Einhards, des  späteren Biografen Karls des Großen: Er übereignete dem Kloster 819 die Mark Michel­stadt.

Im Jahr 772 schenkte der Lorscher Abt Gundeland (ein Bruder Chrodegangs) das Kloster an Karl den Großen. Das war ein geschickter Schachzug: Von nun an stand Lorsch unter dem Schurz des Königs und genoß eine Reihe von Privilegien, wie etwa Immunität und freie Abtwahl. Dafür mußten die Mönche allerdings jährliche Abgaben entrichten, Soldaten für den Militärdienst zur Verfügung stellen und regelmäßig für den Herrscher und seine Dynastie beten.

Als Königskloster war Lorsch auch fest in das mittelalterliche Lehnsystem eingebunden. Es verwaltete das Land des Königs und übte die Grundherrschaft über die ansässigen Bauernfamilien aus. Der Lorscher Abt gehörte zur obersten Führungsschicht des fränkischen Reiches und war an wichtigen politischen Entscheidungsprozessen unmittelbar beteiligt.

Von den kleinen Klosterkirchen aus vor- und frühkarolingischer Zeit existiert kein Bauwerk mehr. Die immerhin zahlreichen Bauten, die ergraben wurden, befinden sich innerhalb großer Nachfolgebauten oder waren durch solche überholt und vernachlässigt worden. So auch in Lorsch, durch die Neugründung auf der etwa 600 Meter südwestlich von Altenmünster entfernten Düne.

 

Klosterkirche:

Im ersten Jahrzehnt von Karls Regierungszeit wurden vom karolingischen Herrscherhaus zwei Großbauten nach römischem Vorbild vollendet. Die eine dreischiffige Basilika war Saint Denis bei Paris (754 - 775), die andere die Nazarius-Basilika in Lorsch (768 - 774). Von der einst so mächtigen Anlage sind heute noch die karolingische Torhalle, ein Teil der Klosterkirche und einige Umfassungsmauern zu sehen. Von der Klosterkirche, die 774 im Beisein Karls des Großen eingeweiht worden war, steht heute nur noch ein Rest, doch kann man auf dem dahinterliegenden Rasen gut die ursprüngliche Größe erkennen.

Karls Enkel, Ludwig der Deutsche, steigerte die Bedeutung des Klosters durch einen Staatsakt: Mit seiner Grablegung in Lorsch wurde das Kloster zum bedeutenden Bestattungsort. Am östlichen Ende der Freifläche erinnert eine Bodenplatte an die Stelle, an der König Ludwig der Jüngere nach dem Tod seines Vaters Ludwigs des Deutschen im Jahr 876 eine Gruft­kirche („Ecclesia varia“) für seine Familie errichten ließ.  Neben Ludwig dem Deutschen, einem Enkel Karls des Großen, dessen Ostfränkisches Reich zum Vorläufer des späteren Deutschen Reichs wurde, liegen auch sein Sohn Ludwig der jüngere, sein Enkel Hugo und Kunigunde, die Frau des späteren Königs Konrad I., in Lorsch begraben.

Außer dem als Torhalle genutzten Gebäude blieb nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und späteren Abrissen nur noch das 1140 erbaute Mittelschiff der Vorkirche zur romanischen Basilika erhalten. Und das auch nur, weil es die Lorscher Tabakpflanzer als Trockenraum nutzten. Lediglich der Verlauf einer Ligusterhecke läßt die Ausmaße des auf einer Grundfläche von 25.000 Quadratmetern angelegten Klosters erahnen.

Übrigens: Die im Kloster gestorbenen Mönche wurden nördlich der Basilika bestattet - dort, wo seit einigen Jahren ein üppig bepflanzter und sorgsam gepflegter Kräutergarten mit langen Sitzmauern aus Heppenheimer Sandstein zu einer kurzen Verschnaufpause einlädt.

 

Königshalle:

Welche Funktion die frühmittelalterliche Torhalle einmal erfüllt hat, darüber rätseln die Experten bis heute. Eine Variante ist zwar wissenschaftlich entkräftet, aber immer noch schön anzuhören: Die Halle wurde nicht für Karl den Großen erbaut, als dieser 774 als Sieger über die Langobarden aus Italien heimkehrte.

Das kleine, etwa zehn Meter lange Torgebäude des Klosters in Lorsch gehört zu den ausgewiesenen Baudenkmälern, die in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurden. Neben dem Aachener Münster ist es das wohl besterhaltene Gebäude der karolingischen Architektur, im achten Jahrhundert entstanden. Es besteht aus drei gleich hohen Bogenstellungen, denen ein Obergeschoß aufgesetzt ist. Ein steiles, ehemals flach ansteigendes Satteldach bekrönt den kleinen Bau.

Was ihn so kostbar macht, ist seine Fassadendekoration, die einen ausgesprochen klassischen Eindruck hervorruft: Die Halbsäulen mit antik anmutenden Kapitellen vor den Pfeilern der Bogenstellungen, die wiederum das altrömische Kolosseumsmotiv wiederholen; darüber eine dünngliedrige Pilasterordnung Mit perfekten ionischen Kapitellen; schließlich das an islamische Bauten erinnernde Steinmuster in rotem und hellem Sandstein - auch dieses ahmt nicht islamische, sondern klassische römische Vorbilder nach, das sogenannte „opus sectile“, das sich in ähnlicher Form an vielen Bauten in Ostia und an anderen Orten des Alten Roms wiederfindet - ein einzigartiges Gebäude des frühen Mittelalters.

Es gehörte zu einer der größten und bedeutendsten Klosteranlagen der Karolingerzeit. Als Reichskloster wurde es unmittelbar von Karl dem Großen gefördert und von diesem mit reichen Stiftungen ausgestattet. Bei der Einweihung des Klosters, wohl im Jahre 874, war Karl mit seiner Familie anwesend, was wiederum den besonderen Rang des Klosters Lorsch bestätigt.

Die Torhalle, auch „Königshalle“ genannt, ist so gut erhalten, daß man auf den ersten Blick nicht vermuten würde, hier eines der herausragenden Beispiele frühmittelalterlicher Baukunst vor sich zu haben. Allerdings ist noch immer unklar, wann genau die Halle gebaut wurde und welchem Zweck sie diente. Lange dachte man, sie sei zu Ehren des Sieges Karls des Großen über die Langobarden errichtet worden. Doch deutet mittlerweile einiges darauf hin, daß sie erst einige Jahrzehnte später gebaut wurde, wahrscheinlich als Empfangs- und Aufenthaltsraum für den das Kloster besuchenden König.

Wer das Innere der Halle besichtigt - was im Rahmen einer Führung möglich ist - wird mit einem exklusiven Blick auf zum Teil mehr als 1000 Jahre alte Wandmalereien belohnt. Die in mehreren Schichten übereinander liegenden Bilder wurden 1927 entdeckt und in den folgenden Jahren freigelegt, restauriert und ergänzend übermalt.

Das nach allen Seiten frei inmitten eines von Mauern umgebenden Hofs stehenden Torgebäude erinnert an seinen drei beidseitig geöffneten Bogenstellungen wie auch den schmückenden Halbsäulen an einen römischen Triumphbogen. Wie die römischen Kaiser, so sollte auch der deutsche Kaiser mit einem Triumphmonument, der „Königshalle“, als Weltenherrscher geehrt werden. Schon die Freistellung des Gebäudes im Zentrum des ersten Klosterhofs bestätigt den Triumphbogencharakter. Der Kaiser zog in das Kloster ein, durch das äußere Eingangsportal, dann durch das dreiteilige Tor hindurch, weiter durch das Atrium in die Verhalle und von dort in die Kirche hinein und schließlich durch das gestreckte Langhaus zum Chor - ein sich ständig steigender Prozessionsweg bis zum Hochaltar.

Gelangt man in den seitlichen Treppentürmen hinauf in das Obergeschoß, so überrascht die nüchterne, ja antik anmutende Ausmalung. Auf einen quadrierten Sockel erheben sich - ähnlich wie außen - schmale Pilaster, die leeren Wandfelder rahmen. Wiederum kein symbolischer oder bildhafter Hinweis auf kirchliche Inhalte.

Stattdessen scheinen die ionischen Pilaster mit dem breiten klassischen Architrav und den weißen Zwischenfeldern die Renaissance vorwegzunehmen. Deshalb erkennt man in der Lorscher Torhalle jene Formenhaltung, die m an als „karolingische Renaissance“ bezeichnet, also eine Wiederbelebung der Antike lange vor der eigentlichen Renaissance. Der Kaiser bezog sich auf das antike Rom, berief sich auf die römischen Kaiser, deren Machtanspruch er als imperialer Herrscher übernommen hatte.

Im Obergeschoß an der Ostwand findet sich ein Relief mit einem Armteil neben dem Laubwerk eines Baums (Herkules am Baum der Hespiriden). Oberhalb eines Rundbogenfensters das Relief eines römischen Schuhs.

Wie nun jüngste Forschungen ergeben haben, ist dieser gänzlich von profaner Dekoration bestimmte Raum nicht von Anfang an eine „Michaelskapelle“ gewesen, in die er wohl im 14. Jahrhundert verwandelt wurde, sondern eine Bibliothek. Kerstin Merkel hat nachgewiesen, daß die Ausmalung der Ausschmückung antiker Bibliotheksräume entspricht.

Möglicherweise war hier auch (wie Christian Beutler vermutet) das Scriptorium, wo jene kostbaren Codices geschrieben wurden, die zur Klosterbibliothek von Lorsch gehörten. In einer im 9. Jahrhundert dort aufgestellten Liste besaß das Kloster etwa 375 Handschriften, ein kostbarer Besitz, der die Predigten der Kirchenväter ebenso umfaßte wie die Texte antiker Autoren wie Vergil, Cicero und Seneca.

Neben dem repräsentativen Zweck als zeremonieller Ort des kaiserlichen Einzugs war die Torhalle zugleich das reichgeschmückte Schatzhaus der Bücher. Als freigestelltes Gebäude war die Bibliothek sicher vor überspringenden Bränden. Und die die Wendeltreppen an jeweils einer der Seitenflanken sorgten nicht nur für Symmetrie, sondern für einen sicheren Fluchtweg, wenn eine der beiden Türen hätte versperrt sein können.

So erfüllte die Torhalle einen doppelten Zweck: Sie war das kaiserliche Triumphtor wie auch Schreibstube der Benediktinermönche und Aufbewahrungsort  der Pergamentcodices, die ebenso wie die in kostbaren Gefäßen einbeschlossene Reliquien zum Schatz des Klosters gehörte und  -  lange vor Erfindung des Buchdrucks - als handgeschriebene Bücher ein unschätzbares Vermögen darstellte. Für diesen Bücherschatz war der reiche Architekturschmuck der Torhalle gerade gut genug (Heinrich Klotz).

Allen Überlegungen über den Zweck der Halle fehlt die Bestätigung durch einen zeitgenössischen Bericht. In keiner Chronik, die sonst so genau jede Bautätigkeit festhalten, findet sich der geringste Hinweis auf dieses einzigartige Bauwerk.  Schon seit einiger Zeit wird das Bauwerk nicht mehr mit Karl dem Großen in Verbindung gebracht, seit Werner Jacobsen einleuchtend eine Verbindung zur „ecclesia varia“ herstellte, der nach 876 begonnenen Grabkirche für Ludwig den Deutschen und die ostfränkische Karolingerdynastie. Er fand Unterstützung durch Sebastian Scholz, der die Entstehung der Buchstaben SNBMA, die im Inneren der Torhalle unmittelbar auf das rohe Mauerwerk vor dem Verputz aufgemalt wurden, auf Grund ihrer Linienführung in die Mitte des 9. Jahrhunderts oder etwas später datierte. Karl der Große hat die Königshalle also wahrscheinlich nie gesehen.

Auch die Deutung als Triumphtor wurde unwahrscheinlich, seit in Mainz-Kastel die Fundamente des römischen Ehrenbogens des Germanicus (19 nCh) freigelegt wurden, der im 9. Jahrhundert möglicherweise noch stand und als Vorbild diente: Wie die Ehrenbögen dieser Zeit hatte auch der Ehrenbogen des Germanicus  einen überhöhten mittleren Bogen, der seitlich durch niedrigere, schmalere und flach gedeckte Durchgänge flankiert wurde. Die Gleichwertigkeit der drei Lorscher Arkaden im Erdgeschoß fehlte.

Über die Art der Nutzung herrscht keineswegs Einigkeit. Achim Hubel versuchte, das Bauwerk als eine dem König vorbehaltene Halle zu erklären, indem er es mit einem verlorengegangenen Bauwerk neben St.- Emmeram in Regensburg verglich, dessen Charakteristik sich aus den Unregelmäßigkeiten einer jüngeren Bogenreihe erschließen läßt. Hermann Schefers hält eine Kapelle als Teil eines Kapellenkranzes um die Klosterkirche herum für möglich, womit er den mittelalterlichen Gedanken des Kirchenkranzes, der viele damalige Städte umgab, aufgreift.

Zum ersten Mal trug Kerstin Merkel die Idee vor, bei der Königshalle handele es sich um die Bibliothek des Klosters. Sie stützte sich in ihrer Argumentation auf die Ausmalung des Innenraumes mit Säulen mit attischen Basen und ionischen Kapitellen auf gequadertem Sockel und einer flachen Nische, die sich im Obergeschoß in der Mitte der Ostseite befindet und die eine charakteristische Eigenart antiker Bibliotheken gewesen sei.

Man hat daraufhin das Mauerwerk der Nische genauer untersucht und konnte am Wechsel des Sandsteinmauerwerks zu Tuffsteinmauerwerk feststellen, daß sie nicht zum ursprünglichen Bestand gehört, sondern nachträglich eingesetzt wurde.  Dies geschah vielleicht im 12. Jahr­hundert, möglicherweise erst im 14. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Einbau eines Altares.

Ein aufgefundener, reich bebilderter Bericht über die Restaurierungsarbeiten der Jahre 1934 / 1935 zeigt, daß dieser Befund schon damals bekannt war. Hans-Michael Hangleiter konnte während der laufenden Konservierungsarbeiten zusätzlich feststellen, daß die gemalte Säulenstellung keineswegs Rücksicht auf die Nische nimmt, wie Kerstin Merkel annahm, sondern sich mit ihr überschneidet. Damit fallen die wesentlichsten Argumente für eine (auch von Heinrich Klotz behauptet) Nutzung der „Königshalle“ als Bibliothek fort.

Auch die von Christian Beutler vorgetragenen Argumente für die Bibliothek und das Scrip­torium des Klosters in der Königshalle sind wenig überzeugend. Da ist zunächst die Lage der Königshalle zur Kirche. In einer Klosterbibliothek wurden vor allem Bücher gesammelt, die für den Gottesdienst und die geistliche Erbauung gebraucht wurden, sei es am Hauptaltar oder an einem der zahlreichen Seitenaltäre oder für die Lesung im Refektorium bei den Mahlzeiten.

Warum sollte man die Bücher weit entfernt von dort unterbringen, wo sie bevorzugt gebraucht wurden? Trug man die mit vielen Mühen und großer Sorgfalt in vielen Monaten abgeschriebenen und illustrierten, kostbaren Handschriften bei Wind und Wetter, bei strömendem Regen oder im Schneegestöber von der Königshalle über den Hof in die weit entfernte Kirche oder Refektorium? Soweit wir wissen, waren im Mittelalter die Bücher eines Klosters immer in der Nähe des Hauptaltars untergebracht, und dort findet man auch die Bibliothek auf dem berühmten St. Galler Klosterplan, der wie kein zweites Dokument des frühen 9. Jahrhunderts die Gedanken zur baulichen Einrichtung eines Klosters überliefert.

Beutlers zweites Argument, das isoliert stehende Gebäude sei damit gegen überschlagende Flammen geschützt, und zwei gegenüberliegende Treppenhäuser böten bei einem Brand bessere Möglichkeiten der Rettung des in ihm Aufbewahrten, erscheint weniger als karolingischer Baugedanke und Beweggrund, sondern vielmehr dem Protokoll einer modernen Brandverhütungsschau entnommen.

Heinrich Klotz fügt Beutlers Argumenten den Gedanken des reichgeschmückten Schatzhauses der Bücher hinzu. Doch ein Kloster besitzt neben seiner Bibliothek noch größere Schätze, die eines reichgeschmückten Behältnisses bedürfen, und die dringender als Bücher vor einem Brand zu schützen oder aus einem Brand zu retten wären.

Lorschs größter Schatz waren die Reliquien des heiligen Nazarius, deren Übertragung aus Rom nach Lorsch im Jahre 765 der eigentliche Beweggrund der Klostergründung an seiner jetzigen Stelle war. Merkwürdigerweise ist an keiner Stelle erwähnt, wo die Reliquien des heiligen Nazarius niedergelegt waren. Ihr Platz wäre eigentlich in der Hauptapsis hinter dem Hauptaltar zu suchen. Doch Theo Jülich brachte den Gedanken auf, zumindest Teile des heiligen Körpers könnten am Eingang des Klosters aufgestellt worden sein, als Zeichen des überirdischen Reichtums des Klosters. Zwar steht Hilde Claussen diesem Gedanken eher skeptisch gegenüber, da Reliquien gerade in dieser Zeit Gegenstand der Begierde und damit häufig Opfer von Diebstahl waren, doch viele Eigenheiten der Königshalle ließen sich mit einer Deutung als Aufstellungsort von Reliquien erklären.

So wären die beiden gegenüberliegenden Treppenhäuser als Zu- und Ausgang zum Heiligenschrein für die zahlreichen Pilger zu verstehen, eine Wegeführung, wie sie sich für viele frühmittelalterliche Krypten und Emporen - angefangen mit dem Umgang in St. Peter in Rom - als die zweckmäßigste architektonische Lösung erwiesen hat. Die von Matthias Exner vorgeschlagene Deutung der bereits erwähnten Buchstaben SNBM als „Sanctus Nazarius Beatus Martyr“ bezöge sich unmittelbar auf das im Inneren Ausgestellte. Und die innen gemalten Säulen mit ihre ionischen Kapitellen und die außen angebrachten kannellierten Pilaster mit ionischen Kapitellen müßten nicht mit räumlich und zeitlich weit entfernten Beispielen verglichen werden, sondern fänden ihr unmittelbares Gegenstück in einem Sarkophag, der auf seinen Außenseiten mit gleichen kanellierten Pilastern und ionischen Kapitellen verziert ist. Er wurde 1802 auf dem Klostergelände aufgefunden, steht heute im Kirchenrest des Klosters, und es wird angenommen, bei ihm handele es sich um den Sarkophag Ludwigs des Deutschen.

Betrachtet man die Lorscher Königshalle als einen über Bögen aufgestellten, ins Architektonische vergrößerten Sarkophag oder Schrein, so läßt sich auch die unarchitektonische Gestaltung des Obergeschosses mit seinen drei- und sechseckigen Ziersteinen und den spitz endenden Giebeldreiecken über den Pilastern mit ihren ionischen Kapitellen erklären. Walter Haas hat eindrucksvoll die restauratorischen Arbeiten am Sebaldussehrein in Nürnberg beschrieben: Stück für Stück wurden die Beschläge - aufgenagelte Silberplättchen und Silberstreifen - entfernt, bis schließlich der hölzerne Schrein frei lag. Kann nicht diese Idee - ein mit Gold- und Silberbeschlägen und mit Kleinodien geschmückter Schrein des heiligen Nazarius - der Grundgedanke dieser Architektur sein, die durch ihre äußere Kostbarkeit die Menschen über Jahrhunderte hinweg beeindruckte, die den Abbruch des bereits als Baumaterial verkauften Bauwerks verhinderte.

 Man weiß es nicht. Torhalle? Triumphtor? Königshalle? Bibliothek? Scriptorium? Kapelle im Kapellenkranz? Heiligenschrein? Vielleicht ist es auch das ungelöste Rätsel - wie man es aus zahlreichen Fabeln, Märchen und Geschichten kennt - das diesem Bauwerk größeren Reiz und Faszination verleiht als eine möglicherweise recht banale Antwort (Thomas Ludwig, Leiter des Fachgebietes Bauangelegenheiten und Denkmalpflege in der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen).

Die Königs- oder Torhalle wird als das erste frühmittelalterliche Bauwerk bezeichnet, in das mediterrane Ideen der Römer, Griechen, ja orientalischer Paläste, stilvollendet mit einbezogen worden sind. Die Außenwand des dreibogigen offenen Hallenbaus ist mit farbigen Kacheln belegt, verziert mit Halbsäulen, kunstvollen Kapitellen und einem Blattmusterfries. Unter dem steilen Giebeldach befindet sich ein Ein-Raum-Obergeschoß. Kostbare Fresken bedecken die Wände in zwei Schichten, wobei die unterste, die karolingische, von einer freigelegten gotischen noch zum größten Teil verdeckt ist. Erst später wurde in dem Königsraum die Michaelskapelle eingerichtet

 

Hauchdünn trägt Michael Walter die braune Farbe auf. Jeder Pinselstrich muß sitzen, denn der Restaurator malt nicht an irgendeiner Säule. Sein Bild schmückt die weltberühmte Königshalle im hessischen Lorsch. Das Motiv ist wenig spektakulär: In Beinhöhe verläuft ein Band mit zwei Reihen farbiger Quadrate in dunkelblau, hellblau und gelb, darauf steht eine Säulenreihe, auf der wiederum eine Deckplatte ruht. Zwischen den Säulen ist nichts weiter zu sehen als die gelbliche Wand.

Es ist schon ein Wunder, daß das Motiv aus den wenigen Farbresten überhaupt kenntlich gemacht werden konnte. Besucher sehen nicht mehr als ein paar Schmutzreste, die anscheinend schlecht übermalt wurden. Für Restaurator Hans Michael Hangleiter, zu dessen Team Michael Walter gehört, öffnen diese Flecken eine ganze Welt. Seit 1982 untersucht er die Wände. Mit dem Skalpell hat er Farbschicht um Farbschicht abgetragen und unter dem Mikroskop begutachtet, hat Proben chemisch analysiert und den Malstil erforscht.

Mit diesen Methoden hat der Restaurator etliche neue Erkenntnisse über die Malerei zutage gefördert: So waren die Altvorderen keineswegs schlampig. „Sie haben bis zu zehn Farbschichten aufgetragen, um den von ihnen gewünschten Ton zu erreichen“, erklärt Hangleiter. Außerdem malten sie zuerst die Säulen und dann den Zwischenraum aus. Eine eher ungewöhnliche Reihenfolge. Die Kunsthistorikerin Kerstin Merkel aus Kassel wertet das als Indiz dafür, daß in den Wandfeldern detaillierte Ausmalungen geplant waren.

So zieht jedes neue Untersuchungsergebnis eine Vielzahl von Spekulationen nach sich, mit denen die Wissenschaftler dem Gebäude auf die Spur kommen wollen. Die aufwendige Malerei spricht gegen die Theorie, die Halle im Vorhof des Klosters sei die Wohnung eines Wächters gewesen. Die Verzierung paßt schon eher zu einem Gerichtsgebäude, in dem der König bei seinen Visiten Urteile fällte. Doch dafür erscheinen die engen Aufgänge an der Seite nicht repräsentativ genug.

Unbeantwortet ist auch die Frage, wie der Maler auf das Motiv kam. Er hat keineswegs, wie oft behauptet wird, die Säulen im Außenbereich nachgeahmt. Vielmehr erinnert der Säulengang an den Schmuck alter römischer Häuser, solche Villen standen damals noch in der Region um Lorsch. Den Beweis kann jeder in der Königshalle bewundern, die zum Teil aus Steinen römischer Häuser gebaut wurden. Dabei drehten die Arbeiter die „störenden“ Reliefs einfach nach innen und verputzten sie. In einer Aussparung in drei Metern Höhe ist ein solcher Stein freigelegt worden.

Er stammt aus einem größeren Werk und zeigt angeblich einen Teil vom Arm des Herkules.

Der karolingische Künstler hat also das von den Römern importierte „Prinzip der ionischen Ordnung“ gekannt, ist sich Merkel sicher. Allerdings hat er sich nicht an sie gehalten. Ob „aus Absicht oder Unfähigkeit“ wagt die Kunsthistorikerin nicht zu beurteilen. Doch die „Ionische Ordnung“ kam sowieso bald aus der Mode. „Das Kloster war reich, und so wurde oft umgebaut und verändert“, sagt Klaus-Peter Schmid von der Staatlichen Schlösser- und Gartenverwaltung.

Die Säulen wurden erst übermalt, was für Restaurator Hangleiter kein großes Problem darstellt, da diese Schichten gut abzutragen sind. Doch dann wurde die Halle zu einer Michaels-Kapelle umfunktioniert. Die Konstrukteure trugen das Dach ab und ersetzten es durch ein Tonnengewölbe. In die Ostwand schlugen sie ein Loch für den Altar, befreiten fast alle Flächen vom alten Putz und malten neue Motive auf im gotischen Stil: Engels-Chöre, Marientod und Christusdarstellungen.

Auch diese Bilder sind inzwischen verblaßt und zum großen Teil nicht mehr zu erkennen. Hangleiter hat diesen Farbmix genau unter die Lupe genommen und dort tatsächlich noch minimale Reste aus der Karolingerzeit entdeckt. Sie reichten für eine neue Einschätzung aus, wie die Säulen der ursprünglichen Bemalung angeordnet waren.

Nach dem Niedergang des Klosters Mitte des 16. Jahrhunderts stand die Halle lange leer und wäre 1803 fast abgerissen und als Steinbruch für eine Kirche in der Nachbarschaft verwendet worden. Der kunstsinnige Großherzog Ludwig I. von Hessen stoppte das Vorhaben in letzter Minute. Seit dieser Zeit wird das Kleinod gepflegt. Doch Pflege ist der Kunst nicht immer gut kommen. So gab es im vergangenen Jahrhundert drei umfangreiche Renovierungen, bei denen zum Teil mehr zerstört gerettet wurde.

Ausgangspunkt waren die Arbeiten von 1934, mit denen das Gebäude soweit wie möglich in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden sollte. Die Holztüren zwischen Toren kamen heraus. Und ein Aufgang, der bei Straßenbauarbeiten zusammengefallen war, erstand wieder neu.

Auch die Wandmalereien erfuhren eine gründliche Überarbeitung. So wurde der Säulengang neu gemalt und in den Zwischenräumen Bilder dazu erfunden. „Die Restauratoren waren weniger von Wissenschaft geprägt als von Intuition“, bedauert Hangleiter. Hinzu kam, daß sich das verwendete Kasein (Bindemittel aus Quark und Kalk) als untauglich erwies. Das führt mit der Zeit zu Abplatzungen. Deshalb mußte in den fünfziger und siebziger Jahren erneut saniert werden. „Wir haben zuerst die Vibrationen durch den Auto- und Flugverkehr als Ursache vermutet, bis wir die Materialschwäche erkannten.“

Das gab den Auftakt für eine großangelegte Untersuchung, die inzwischen rund 600.000 Euro gekostet hat. Mit Hangleiter wurde ein Restaurator verpflichtet, der bereits auf der Insel Reichenau ein ähnliches Projekt betreute. In seiner mehrjährigen Analyse hat er die Befunde im Maßstab 1:1 auf Pläne übertragen. „Das ist einmalig in Deutschland“, sagt Schmid. Inzwischen sind die Ergebnisse elektronisch erfaßt und so für nachkommende Generationen gesichert.

Danach begann die Konservierung. Hangleiter entwickelte einen speziellen, weichen Mörtel, der sich mit dem karolingischen Mauerwerk „versteht“. Bei früheren Arbeiten wurde darauf keine Rücksicht genommen. Die Folge: Risse und Löcher, die wertvolle Informationen vernichtet haben.

Außerdem erforschte der Restaurator ein flüchtiges Bindemittel, mit dem er die Originalfarben während der Arbeiten schützen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. „Diese Methode wird inzwischen auf der ganzen Welt verwendet“, erklärt er stolz. „Wir haben damit in Lorsch auch Restaurierungsgeschichte geschrieben. Bei der Bearbeitung der weißen Flächen zwischen den Befunden bediente sich Hangleiter der so genannten Trateggio-Technik. Dabei wird auf die Wand eine ähnliche Farbe wie bei dem benachbarten Original mit deutlich sichtbaren Pinselstrichen aufgetragen. So entsteht von weitem der Eindruck einer einheitlichen Fläche, aus der Nähe kann aber jeder sofort erkennen, wo die Grenzen zwischen dem Original und der Bearbeitung verlaufen.

Daß die karolingischen und die gotischen Malereien gerettet werden müssen, war unbestritten. Doch was sollte mit den Werken aus den dreißiger Jahren geschehen? „Der Denkmalschutz will grundsätzlich alles erhalten“, erklärt Schmid das größte Problem. Zur Lösung berief die Schlösserverwaltung eine Kommission mit renommierten Denkmalschützern aus ganz Europa. Diese kam dann schließlich zu dem Ergebnis, die nachgemalten Säulen zu entfernen und durch eine eigene Version, die den neuen Erkenntnissen entspricht, zu ersetzen.

„Die Entscheidung, die Wände wieder zu bemalen, ist uns alles andere als leicht gefallen“, sagt Schmid. „Wir wissen, daß wir damit das Bild in den Lehrbüchern prägen.“ Und ob die Basen und Kapitelle wirklich so ausgehen haben, kann niemand mit Sicherheit sagen, auch wenn Vergleiche mit anderen Malereien in Trier oder Reichenau dafür sprechen. „Natürlich werden wir angefeindet werden“, ist sich Hangleiter sicher und fügt hinzu: „Bei den Restauratoren fressen die Kinder ihre Väter.“ Schließlich waren seine Vorgänger in den dreißiger Jahren auch von ihrer Arbeit überzeugt.

Für die rund 30.000 Touristen, die das Weltkulturerbe jährlich besuchen, macht die Ausmalung Sinn, denn sie könnten aus den bestehenden Farbklecksen nichts herauslesen. Um ihren Blick zu führen, wollen die Museumspädagogen zusätzlich noch Tafeln oder Videoinstallationen aufstellen.

Eine Entscheidung steht in der Königshalle noch aus: Wie kräftig die Farben aufgetragen werden sollen. „Im Original waren die Töne sehr stark. Wenn wir das umsetzen, erschlagen wir die verblaßten Befunde“, erläutert Schmid. Deshalb soll die Neuauflage soll erst mal pastell-farbig bleiben. Im September kommt die Kommission nochmals zusammen und begutachtet das Ergebnis. Wenn sie es dann doch kräftiger will, muß Restaurator Walter nachsitzen. Bis dahin dürfte er das Motiv jedoch im Schlaf auftragen können.

 

Kräutergarten:

Zu einem Kloster gehörte früher ein Kräutergarten wie der Kreuzgang oder das Refektorium. In den autark wirtschaftenden Abteien bildeten nach antiken Vorgaben gezogene Pflanzen die Grundlage der Heilkunst. Ein solcher Kräutergarten ist nun nach jahrelangen Vorbereitungen vom Heimat- und Kulturverein der Gemeinde im Gelände von Kloster Lorsch angelegt worden. Als Vorbild diente das in Latein geschriebene, 150 Seiten starke „Lorscher Arzneibuch” aus dem 8. Jahrhundert. Eine Auswahl von etwa 100 Gewächsen wurde auf einer Gesamtfläche von 200 Quadratmetern gepflanzt. Um Kamille, Mönchspfeffer, Seidelbast oder Rosmarin besser betrachten und das Aroma wahrnehmen zu können, legte man für vier Hochbeete an.

 

Museumszentrum Lorsch:

Die achtvolle Abtei ist wieder auferstanden - in der virtuellen Welt der Computer. Ein Knopfdruck, und man fährt mit einer imaginären Kamera quer durch die Gebäude, taucht in Kreuzgang und Basilika ein. Der „Flug“ über und in das Benediktinerkloster gehört zu den Höhepunkten des neuen „Museumszentrums Lorsch“, das nun eine schmerzhafte Lücke schließt. Bis auf das Lapidarium im Kirchenmittelschiff mußten die Besucher bisher auf eine Sammlung zur Klostergeschichte verzichten. Mit dem Museum wird man jetzt auch wissenschaftlich und in der erläuternden Darstellung dem Rang gerecht, den die Unesco mit der Anerkennung als Weltkulturerbe vorgegeben hat.

Parallel zur Rekonstruktion des mittelalterlichen Klosterlebens gehen seit Jahren die archäologischen Grabungen im parkartigen Gelände der 1556 aufgehobenen Benediktinerabtei weiter. Im Museumszentrum von Kloster Lorsch werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse nach und nach dokumentiert. Wie die einstmals mächtigste Abtei im Karolingerreich vermutlich ausgesehen hat, kann aber auch so nachempfunden werden - in der virtuellen Welt der Computer. Ein Knopfdruck und man „fliegt” mit einer imaginären Kamera durch die Gebäude. Nach Bränden, Zerstörungen und weitgehendem Abriß ist ja außer der berühmten Tor- oder Königshalle kaum etwas von den eigentlichen Bauten stehen geblieben.

Anhand der rechnergestützten Animation von Texten, Karten, Modellen und lebensgroßen Szenen aus dem Leben der Mönche werden grundlegende Informationen gegeben zur Geschichte des karolingischen Großreichs und der Funktion von Kirche und Klöstern für dessen geistige, politische und ökonomische Entwicklung. Daneben kommt die besondere Bedeutung von Lorsch zur Geltung. Das einzigartige „Kataster“ des Lorscher Codex wird ebenso im Faksimile gezeigt wie zwei der bedeutendsten mittelalterlichen Handschriften: das ganz in Goldtinte geschriebene Lorscher Evangeliar und der Lorscher Roulus. Diese Heiligenlitanei gilt als die älteste liturgische Buchrolle des Abendlands.

 

Evangeliar:

Einige ausgesuchte Original-Seiten (Maße 37 mal 27 Zentimeter) des Lorscher Evangeliars von 810 wurde vom 26. Juni bis 18. Juli 1999 im Museumszentrum Lorsch in einer Hochsicherheits-Glasvitrine komplett ausgestellt. Damit kehrten Teile des Prachtbuches nach 442 Jahren wieder an den früheren Aufbewahrungsort zurück.

Das komplette Evangeliar ist mit Ornamenten und Malereien überreich verziert, hat 472  Seiten, ist zehn Zentimeter dick und wiegt inklusive der Elfenbeintafeln des Einbandes16 Kilogramm. Es ist in Goldtinte geschrieben und mit Silber und Purpurfarben beschichtet. Es war einst die kostbarste liturgische Handschrift im Besitz der Reichsabtei Lorsch und zählt auch heute zu den wertvollsten und bedeutendsten Handschriften des abendländischen Frühmittel­alters.

Das kunstvoll illustrierte Evangeliar entstand um das Jahr 810 im Hofskriptorium Karls des Großen in Aachen und wurde vermutlich direkt von dort in die Lorscher Klosterbibliothek geliefert. Dort wurde das Evangeliar feierlich hochgehalten, wenn Papst, Könige und Kaiser zu Besuch weilten und festlich in die Basilika einzogen. Das Buch überstand zwar den Brand, der anno 1090 die Benediktinerabtei mit ihrer damals europaweit wohl am besten ausgestatteten Klosterbibliothek verwüste.

Aber als das Evange­liar im Jahre 1479 neu gebunden wurde, teilten sie flinke Hände wohl in zwei Teile. Knapp 80 Jahre später besiegelte die Reformation das Ende des einst mächtigen Lorscher Klosters: Ein Teil der aufgelösten Bibliothek wurde zunächst in die Heidelberger Hofbibliothek Palati­na gebracht. Dort bediente sich der bayerische Herzog Maximilian, um dem Papst etwas Kriegs­beute zu schenken. So gelangte ein Teil des Evangeliars mit einem Elfenbeinbuchdeckel in die Biblioteca Apostolica Vaticana.

Aber eben nur ein Teil: Denn das reicher dekorierte Stück des Lorscher Buches hatte offenbar ein griechischer Gelehrter zusammen mit einigen anderen Kisten bereits während des Transports nach Rom für sich abgezweigt und weiterverkauft. Im Jahre 1711 galt dieser Rest der Lorscher Handschrift als verschollen. Irgendwann vor 1785 muß zudem die dazugehörige Elfenbeintafel abgetrennt worden sein. Erst bei einer Versteigerung im Jahre 1853 tauchte sie wieder auf, gelangte nach England, wo sie heute zum Fundus des Victoria und Albert Museums in London gehört.

Und die genmalten wie geschriebenen Evangeliar-Teile? Im 18. Jahrhundert kam der Rest in den Besitz des Erzbischofs zu Wien. Der wiederum mußte ihn notgedrungen weiterverkaufen - an den ungarischen Bischof Ignaz Graf Batthyany, der eine renommierte Gelehrtenakademie im heute rumänischen Alba Iulia gründete und das Lorscher Rumpf-Evangeliar in eine wertvolle Bücherei mit 64.000 Bänden einordnen ließ. Die Sammlung blieb bestehen - unter dem sozialistischen Regime als Filiale der rumänischen Nationalbibliothek Bukarest. In den Revolutionswirren vom Dezember 1989 schien es, als sei das Evangeliar verloren gegangen. Bis die Lorscher Volkskundlerin Annemie Schenk 1992 den Schatz in Alba Iulia wiederentdeckte. Seither gibt es rege Kontakte zwischen Rumänien und Lorsch.

Zur Ausstellungseröffnung war Prominenz zugegen: von Leihgeberseite Erzbischof Jorge Maria Mejia, Archivar und Bibliothekar des römischen Vatikan-Museums, sowie der Generaldirektor der Rumänischen Nationalbibliothek, Ion Dan Erceanu. Rom steuert für die Lorscher Exposition sechs goldgefärbte Pergamentseiten (darunter ein Lukas-Porträt und Texte .aus dessen Evangelium, eine Johannes-Abbildung und den Beginn dessen Evangeliums) sowie den hinteren Elfenbeindeckel bei. Aus Siebenbürgen sind ebenfalls sechs Doppelseiten, darunter zwei sogenannte Purpurblätter und ein Matthäus-Porträt, eingetroffen.

Die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen gab schließlich den Auftrag, jede Seite des Bandes in Rumänien zu fotografieren. Ein Luzerner Verlag und die Vatikan- Bibliothek stellten eine Vollfaksimilie-Ausgabe des Evangeliars in einer limitierten Auflage von 333 Exemplaren zum Preis von 35.400 Mark her. Diese wurde bei der Ausstellung mit beiden Elfenbeindeckeln sowie einer Dokumentation des aktuellen Standes der Forschung über das Buch präsentiert. Am.5. und 6. Juli 1999 fand auch eine Fachtagung in Lorsch statt, bei der die Gelehrten Antworten geben sollten, was das Evangeliar als verehrungswürdiges liturgisches Kunstobjekt zur Karolingerzeit aus zeichnet (Jörg Feuck).

 

Museum:

Die jüngere, profane Entwicklung der im Schatten des Klosters entstandenen Gemeinde Lorsch wird in zwei weiteren Abteilungen des Museumszentrums gezeigt. Das bekannte Tabakmuseum hat nach den beengten Verhältnissen im Rathaus einen adäquaten Ort im Eingangsbereich auf der Empore gefunden. Erst jetzt kommt frei stehend die „größte Pfeife der Welt“ richtig zur Geltung. Und endlich hat die volkskundliche Abteilung des Hessischen Landesmuseums von Darmstadt geeignete Räumlichkeiten erhalten. Die Darstellung von Alltag, Brauchtum und Handwerk der vergangenen Jahrhunderte ist nach modernsten visuellen und akustischen Kriterien konzipiert.

Im Schatten der berühmten Lorscher Königshalle haben sich drei Museen unter dem Dach des Museumzentrums zusammengeschlossen. Das Tabakmuseum dokumentiert die Geschichte des Tabakanbaus, der in Südhessen über 300 Jahre betrieben worden ist. In Lorsch wurde erstmals Ende des 17. Jahrhunderts Tabak angebaut. Die letzte Zigarrenfabrik Schloß 1983 ihre Pforten. Die Ausstellung des Heimat- und Kulturvereins zeigt zum Trocknen aufgehängte Tabakblätter, Werkzeuge und Maschinen. Auch Exotisches wie ein Meerschaum - Zigarren­halter oder die Bruyere-Pfeife gehören zu den Exponaten.

Die Alltagskultur in Hessen ist Schwerpunkt des Museums für Volkskunde. Themen sind die holzverarbeitenden Handwerke in den hessischen Mittelgebirgen. Zu sehen ist außerdem volkstümliche Keramik, Ton- und Steinware aus Mittel- und Südhessen.

Die klostergeschichtliche Abteilung, die jetzt den Lorscher Codex zeigt, ist kein Museum im herkömmlichen Sinne, denn die meisten der Exponate sind Nachbildungen, Repliken und Karten. Im Museum erläutern Texte, Karten und großflächige Modelle die engen Verflechtungen zwischen Politik und Kirche, Herrscher und Kloster.  

Die Tabakscheunen in der Nähe von Lorsch an der Straße nach Einhausen sind gerade unter Denkmalschutz gestellt worden. Inmitten der Felder stehen zwei lange, mehrgeschossige Holzscheunen mit Lüftungsklappen zum Trocknen des Tabaks, sie sind kaum zu übersehen. Denn in der warmen Rheinebene mit sandigen, humusreichen Böden wird die ursprünglich m den Anden beheimatete Tabakpflanze seit 300 Jahren angebaut. Wer zwischen Lampertheim, Hockenheim und Schwetzingen offenen Auges unterwegs ist, wird hier und da Felder mit den stattlichen zwei Meter hohen Tabakpflanzen entdecken, deren Anbau, Verarbeitung und Konsum das überregional ausgerichtete Tabakmuseum Lorsch dokumentiert.

Der Tabakanbau war mühsam: Die Tabaksamen winzig klein - 12.000 Samenkörner wiegen gerade ein Gramm - die Pflege der feucht zu haltenden Pflanzen aufwendig, vor allem, bevor es Beregnungsanlagen gab. Geerntet werden die klebrigen, teerigen Blätter je nach Reifegrad von Ende August bis Oktober, und zwar von unten nach oben - alles Handarbeit, wie großformatige historische Fotos zeigen. Bevor es Tabaknähmaschinen gab, saßen Frauen und Kinder stundenlang in geselliger Runde beim Auffädeln, Blatt für Blatt, um die „Bandelieren“ im Trockenschuppen aufhängen zu können.

Auch Verkauf der Rohware, Tabakverarbeitung und -herstellung in örtlichen Zigarrenfabriken werden im Museum dargestellt. Zwar erleichterten im Laufe der technischen Entwicklung Maschinen einzelne Arbeitsvorgänge, gute Zigarren allerdings werden bis heute von Hand gemacht.

Das Zigarrenmachen ist eine Kunst, ein wohlgehütetes Geheimnis ihrer Produzenten. Drei Faktoren seien wichtig für eine gute Zigarre, erklärt Museumsleiter Reinhard Diehl: „Sie muß ein gutes Brennverhalten haben, ihre Asche muß weiß sein und lange gehalten werden.“

Allerdings fehlt, laut Diehl, dem heimischen Tabak die tropische Sonne. Deshalb führten die Zigarrenfabriken bessere Übersee-Tabake ein und mischten den heimischen lediglich bei. Seit 1983 gibt es in Lorsch keine Zigarrenfabrik mehr, die letzte in Lampertheim schloß 1994. Heute gehe der Tabak, überwiegend die Sorte Badischer Burley, in erster Linie an die Zigarettenmarke Rothändle.

Das Lorscher Museum informiert auch über sozialgeschichtliche Hintergründe und überrascht mit einer Vielfalt kultur- und kunstgeschichtlich wertvoller Gegenstände rund um den Tabak, nicht nur zum Rauchen, vielmehr auch zum Schnupfen und Kauen: große Kautabaktöpfe, feinste Schnupftabakdosen aus Silber, Holz, lackiertem Pappmaché, Horn, Muscheln, wohlgehütete Familienerbstücke. Auch Kurioses wie Schnupftabakdosen in Toilettenform oder Treffendes in Form eines Sarges, auf dessen Deckel ein Raucher liegt.

Zu sehen sind Pfeifen aller Art, dabei auch exotische Exemplare wie Wasserpfeifen und einfache Indianerpfeifen. Die wertvollsten Ausstellungsstü>Sogar ein komplettes Tabakgeschäft mit einer Einrichtung von 1903 beherbergt das Museum seit 1999. Im Laufe des 20. Jahrhunderts allerdings hat die lässige, so praktische Zigarette die gemächlicheren und umständlicheren Arten des Rauchens verdrängt. Schließlich ist das Rauchen einer Zigarre ein Ritual von einer Stunde. Doch die Zigarre liegt wieder im Trend, hat Reinhard Diehl gemerkt, denn es sei wieder „in“, das Leben zu genießen, sich bewußt Zeit zum Rauchen nehmen.

Das Tabakmuseum im Museumszentrum Lorsch im Klosterbezirk ist täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet, samstags bis 19 Uhr Erwachsene zahlen drei Euro, Kinder einen Euro. Infos im Internet unter: w-ww.kloster-lorsch.de.

 

Stadt:

Die katholische Pfarrkirche St. Nazarius ist von 1725, der Hochaltar um 1750 entstanden.

Das Rathaus ist von  1715, ein prächtiger Fachwerkbau mit drei Erkern, im Inneren enthält es idealisierende Ausmalungen zum Nibelungenlied. Unter den Fachwerkhäusern ragt die alte Apotheke von 1717 hervor.

 

Unesco-Kulturerbe:

Das ehemalige Lorscher Reichskloster wurde 1991 in die begehrte Liste aufgenommen - als damals einzige historische Stätte in Hessen. Der erste Blick gilt der Königshalle mit ihrer farbigen Fassade und den drei Torbogen. Das prachtvolle Gebäude, das zu den bedeutendsten Relikten karolingischer Baukunst in Deutschland zählt, ist jedoch nur ein Teil jenes Komplexes, der zum Weltkulturerbe der Unesco, gehört. Hinter dem restaurierten Schmuckstück liegt das eigentliche Zentrum des ehemaligen kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Knotenpunkts im frühmittelalterlichen Europa, oder vielmehr: das, was davon übriggeblieben ist.

Von der einst so mächtigen Benediktinerabtei ist nur noch ein romanischer Kirchenrest zu sehen. Mit Hecken und Steinen hat man die alten Umrisse der Klosterkirche markiert, um den Besuchern einen Eindruck vom einstigen Ausmaß der Anlage zu vermitteln. Durch das Studium überlieferter Schriften und durch Grabungen weiß man, daß der Komplex um 1150 seine größte Ausdehnung hatte. Die dreischiffige Basilika, Kreuzgang, Atrium und die Klausurgebäude der Mönche sind als Computersimulation im benachbarten Museumszentrum zu sehen.

Das Kloster Lorsch hat bisher als einziges historisches Baudenkmal in Hessen den Sprung in die Weltkulturliste geschafft. Lediglich die Grube Messel genießt als Weltnaturerbe das gleiche Privileg. Zwar ist das Prädikat nicht mit einer finanziellen Förderung verbunden, doch die prestigeträchtige Auszeichnung gereicht den Kulturstätten alles andere als zum Nachteil: Es ist schon etwas Besonderes, zum Kulturerbe der Menschheit zu zählen, sagt der Kulturreferent der deutschen Unesco-Kommission, Roland Bernecker. Das habe nicht nur eine hohe Attraktivität für Sponsoren und andere Geldgeber, sondern steigere auch die Besucherzahlen. So habe die Altstadt von Lyon nach ihrer Eintragung in die Liste ihre Besucherzahlen um 15 Prozent erhöht.

Zwar kann sich das abseits gelegene Lorsch nicht mit Publikumsmagneten wie den Pyramiden von Ägypten oder der Chinesischen Mauer messen, doch auch das Fachwerkstädtchen hat vom Weltkulturerbe auf seinem Terrain profitiert. In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Besucherzahl verzehnfacht, sagt der Leiter des Museumszentrums, Hermann Schefers. Zwischen 25.000 und 30.000 Menschen lassen sich pro Jahr durch das 1995 eröffnete Zentrum führen, das drei Museen unter einem Dach vereint (Klostermuseum, Tabakmuseum und Museum für Volkskunde). Hinzu kommen all jene, die sich die Königshalle und die Reste der alten Klosteranlage anschauen, ohne das angegliederte Museum zu betreten.

Neben zahlreichen Grabungen rund um die Mauern des alten Klosters hat das Land Hessen seit Mitte der achtziger Jahre kräftig in die Restaurierung der Königshalle investiert. Unter anderem wurden die karolingischen Wandmalereien rekonstruiert, die die Wände im Innern des Torhauses schmücken. In den nächsten drei Jahren gibt es nach Angaben Schefers noch einmal drei Millionen Mark für eine bessere Vernetzung der Einzelangebote am Kloster Lorsch.

 

Zum 1250-jährigen Bestehen - im Jahr 2014 - soll das 764 erstmals erwähnte Kloster besser und deutlicher erlebbar werden. Es wird optisch aufgewertet. Für Investitionen stehen insgesamt zwölf Millionen Euro zur Verfügung, der größte Teil kommt vom Bund.

Da die fehlenden Gebäude nicht mehr aufgebaut werden, wird eine andere Form versucht.

Kern dieser Idee ist ein umgekehrter „Abdruck“. Er wird nicht in den Boden gedrückt, sondern nach oben sichtbar. Das Gelände des Klosters wird mit Rasen überzogen. Dort, wo Gebäude ihren Platz hatten, werden deren Grundrisse im Boden etwa 50 Zentimeter aufgeschüttet. Dies soll einen optischen Eindruck der Klosteranlage vermitteln.

Die wenig ansprechende Ostfassade des Kirchenrests soll dem Ort entsprechend neu gestaltet werden. Der Besucher wird sehen: Hier ist der Rest der Kirche gewesen.

Die aus nachklösterlicher Zeit stammende große Zehntscheune, die in der Nähe der Königshalle und des Kirchenfragments steht, soll zum „archäologischen Schaudepot“ werden - und zwar so anspruchsvoll, daß ein Besuch nur mit Führungen möglich sein wird.

Zu den Projekten gehört auch das unweit gelegene Kloster Altenmünster. Es könnte der Vorläufer des Klosters Lorsch gewesen sein. An einer Seite dieses gesamten Gebietes entsteht ein „Karolingischer Herrenhof Lauresham“; Lauresham ist die alte Bezeichnung für Lorsch. Als eine Art experimentalarchäologisches Freilichtlabor soll dort das Leben im frühen Mittelalter dargestellt werden, mit echten Tieren. „Wir werden zeigen, wie man mit einem Ochsen pflügt“, berichtet Schefers. „Es werden aber keine Akteure in Kostümen herumlaufen.“ Dürr sieht nicht die von Kritikern ins Feld geführte Gefahr eines „Disneylands“, denn: „Der wissenschaftliche Anspruch ist hoch.“  (Joachim Baier).

Das ganze heißt nun „Welterbe-Areal Kloster Lorsch“. Gleich zwei Eröffnungstermine sind in diesem Jahr geplant, am 19. Juli und am 12. September. Am Hauptfestwochenende im Juli feiert Lorsch vier Tage. „In unsere heutige Zeit übertragen wäre das Kloster Lorsch ein religiös orientierter Großkonzern mit hoher ökonomischer und politischer Durchschlagskraft“, meint der Leiter der Unesco-Welterbestätte, Hermann Schefers. Das konnten Besucher sich bisher kaum vorstellen. Von den noch wenigen Gebäude läßt lediglich die erhaben anmutende Königshalle die Bedeutung erahnen. Sie gilt als das besterhaltene Gebäude aus der Karolingerzeit nördlich der Alpen.

Wichtiger Teil der neuen Präsentation: Wo einst Gebäude standen, sind deren Grundrisse mit rund 35 Zentimeter hohen Linien nachgebildet worden, damit die Bauten nachempfunden werden können. Besucher können sich nun auch auf einem drei Kilometer langen Rundweg dem einstigen Kloster nähern.

Ein Hauptbereich ist der Klosterhügel mit Königshalle, Kirchenfragment, Klostermauer und einem neu angelegten Kräutergarten. Dieser Bereich soll im Juli 2014 fertig sein, zusammen mit nahe gelegenen, ähnlich alten Klostergründung Altenmünster. Sie war damals aus Platzgründen bald verlassen worden. Beides - Lorsch und Altenmünster - sind Unesco-Kernzonen.

Neu hinzu kommt der vier Hektar große karolingische Herrenhof Lauresham. Mit reetgedeckten Häusern und Pflugochsen soll dort gezeigt werden, wie das Leben einfacher Leute  und Gutherrenfamilien zu Zeiten Karls des Großen aussah. In diesem „Freilichtlabor“ wird unser Wissen verdichtet in einem Modell - und das heißt Lauresham. „Das ist aber nicht unbedingt so, wie es vor 12000 Jahren  genau war, sondern wie wir und das heute vorstellen!“

Eintritt zahlen müssen Besucher auch künftig nicht. Mit drei Ausnahmen allerdings: die Zehntscheune, die besondere Funde zeige und nun als „Wissensspeicher“ fungiere, das gegenüber liegende Museumszentrum und der Herrenhof Lauresham.

 

Codex:

Der Lorscher Codex wurde vom 7. August bis 30. September 2001 im Museumszentrum Lorsch ausgestellt. Er wird heute in Würzburg aufbewahrt. Geschrieben wurde er jedoch im 12. Jahrhundert im Kloster an der Weschnitz.

Das geschichtliche Gedächtnis der einstigen Abtei verbirgt sich zwischen zwei kräftigen, lederüberzogenen Buchenholzdeckeln. Der erste Teil des Lorscher Codex, der sogenannte „Chronicon Laureshamense“, enthält Auszüge aus fast 4.000 Urkunden, die eine beeindruckende Übersicht über die einstigen Besitzverhältnisse und die Entwicklung des Hausklosters der Karolinger bieten.

Die Überlieferung der zahlreichen Schenkungen an das Kloster wiederum dient heute vielen Städten und Gemeinden als Nachweise ihrer Gründung. Die Besonderheit des Codex liegt darin, daß keine einzige der in ihm aufgelisteten Urkunden im Original erhalten ist.

Der Einflußbereich des 746 erstmals erwähnten Klosters Lorsch reichte von der heute niederländischen Nordseeküste bis in die Baseler Gegend. Die größte Konzentration Lorscher Besitzungen habe jedoch im Rhein-Neckar- Raum gelegen.

Ebenso wie das Lorscher Evangeliar und das Lorscher Totenbuch, das vermutlich 2002 ausgestellt wird, markiert der Lorscher Codex einen Eckpfeiler des Selbstverständnisses des Konvents.

Der (vorübergehende) Umzug des Codex von Würzburg ins Lorscher Museumszentrum ist nichts gegen die Odyssee der Handschrift in den vergangenen Jahrhunderten. Man nimmt an, daß das Buch zusammen mit anderen Archivalien nach dem Tod des letzten Prämon­stra­tenser­propstes im Jahr 1555 nach Heidelberg gebracht worden ist. Aus der Stadt am Neckar, wo die Handschrift von dem gelehrten Hofhistoriker Kurfürst Friedrichs II., Thomas Leodius, benutzt worden sei, ist der Codex Mitte des 17. Jahrhunderts nach Mainz gelangt. Später ist das Verzeichnis, vermutlich in den Wirren der Französischen Revolution, nach Aschaffenburg ausgelagert worden. Doch dann kam das Ende des Alten Reiches und der Codex gelangte ins Staatsarchiv nach Würzburg.

 

Nonnenkloster Hagen:

Weitgehend unerforscht ist die dritte monastische Siedlung im Süden der Lorscher Gemarkung beim ehemaligen „Seehof“. Das Nonnenkloster Hagen - dieser Name wird in der neuzeitlichen Literatur benutzt - tritt in den wenigen urkundlichen Erwähnungen mit den Bezeichnungen zum „Hane“, „Hain“, „Hagen“ und „Hegene“ auf. Minst - der Übersetzer des Codex ins Deutsche - versieht die Abstammungstafel des Abtes Sigehard (Abt von 1167- 1198) auf Seite 46 mit einem besonderen Vermerk: „Uta von Calw, geb. um 1055, 1130 Stifterin von Hegene“. Der Codex nennt Hagen nur zweimal (Urk. 157 und Vermerk 164), was wohl darauf zurückzuführen ist, daß das Nonnenkloster im Lobdengau, die beiden anderen Lorscher Klöster aber im Oberrheingau lagen. So ist auch erklärlich, daß die verbliebene Überlieferung einer Weihe im Jahre 1141 durch den Bischof von Worms erfolgte, da dieser Nachfolger der Gaugrafen des Lobdengaues war. Noch heute ist ein über ein Jahrtausend unveränderter Waldweg erhalten, das sogenannte Lampertheimer Gescheid, der die Gaugrenze bildete

Auf der leichten Bodenerhebung, welche einst die Klosteranlage trug, ist heute nur noch der Rundbau eines Hirtenhäuschens (Bruchhäuschen) zu sehen, das als Unterstand der Pferdehirten aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts stammt. H. Gieß hat im Nachgang zu seinen Ausgrabungen von 1904 durch J. Maier, Heppenheim, im August des gleichen Jahres den Kirchengrundriß zeichnen lassen.

Wertvollste Steinmetzkunst zeigt der im Lapidarium des Hauptklosters zu sehende „Seehofer Sarkophag“, auf dessen Seitenwänden das christliche Kreuz von zwei germanischen Runen (Zeiten- oder Lebensbäume) flankiert wird. Er wird zwischen 600 und 800 nCh. datiert. Sollte Hagen doch der älteste Lorscher Klosterstandort sein?

 

 

Kühkopf - Knoblochsaue

In der Eiszeit floß hier der Rhein in weiten Mäandern - und bis vor schlappen 2000 Jahren war die Gegend noch mit dschungelartigem Auenwald bedeckt. Die Schleife des heutigen Stockstadt-Erfelder Altrheins war einmal das Bett von Vater Rhein. Aber 1828 / 1829 griff der Mensch in die Natur ein: Der Strom wurde im Interesse der Schiffahrt begradigt, der Kühkopf zur Insel.

Bis dahin nämlich dümpelte Vater Rhein noch auf der Kurve der engen Altrhein-Trasse und strömte nicht ziemlich gerade von Worms nach Mainz. Deswegen überquerte hier auch Gustav Adolf während des Dreißigjährigen Kriegs mit dem protestantischen Heer den Rhein und stieß von hier aus erfolgreich in den militärisch gesehen weichen Unterleib des katholischen Mainz vor.

Der Kühkopf liegt im Südwesten des Kreises Groß-Gerau in einem traditionellen Überschwemmungsgebiet des Rheins. Das Gelände wird bis zu zwei Meter hoch überschwemmt. Am Rhein kann sich deshalb nur Weichwald halten (Ulme, Esche), weiter oben dann auch Hartwald (Eiche). In dem weichen Holz gibt es viele Bruthöhlen, die von Spechten  gehämmert werden, aber nachher auch von Meisen und anderen Tieren genutzt werden. Hier gibt es den Roten Milan, Eisvogel, Störche, Stare und Kohlmeisen.

Wie dies alles zu einer ungewöhnlichen Fauna und Flora geführt hat, vermitteln das Modell und vieles mehr im Informationszentrum einen umfassenden Eindruck. Mit Kühen allerdings hat der Name Kühkopf nichts zu tun, sondern stellt vermutlich wegen der Form des Landstrichs eine Verballhornung von „Königskopf“ dar, aus karolingischer Zeit datierend. Der Name Kühkopf entstand aus dem althochdeutschen Wort „Kunigskopf“ (Königskopf) und bezeichnete die Nordwestecke des königlichen Bannforstes Forehahi. Und der Gebietsteil Knoblochsaue wurde nach den Ex-Besitzern, der Familie Knobloch, benannt.

 

Die ersten 20 Jahre hat das Vogelparadies „keine gute Zeit“ gehabt. Vor 50 Jahren gegründet, war zwar schon damals klar, daß sich dort wie an sonst kaum einem anderen Ort am Oberrhein eine Auenlandschaft von europäischer Bedeutung hatte erhalten können. Klar war zudem, daß am Kühkopf ein Vogelreichtum vorhanden war, der den anderer Schutzgebiete bei weitem übertroffen hat und bis heute übertrifft. Doch der Schutztitel dieses Gebietes, schien anfangs das Papier nicht wert, auf dem er stand.

Einer der kritischen Punkte: die Staatsdomäne, die auf dem Kühkopf nach Einschätzung des Forstamtsleiters Henner Gonnermann „wenig beispielhaft wirtschaftete“. Der Pestizid-Einsatz und die gewählten Landbauformen seien ausbeutend „wie in der Wetterau“ gewesen. Das ging nicht konform mit dem Naturschutz. Doch es kam noch schlimmer: Anfang der achtziger Jahre ließ sich auf der Insel sogar noch ein besonders intensiv wirtschaftender Saatzuchtbetrieb nieder. Gonnermann: „Das war der Gipfel des Widerspruchs.“

Auch Autos durften jahrzehntelang in beiden Teilen des Naturschutzgebietes verkehren - heute ist das nur noch in zwei Stichstraßen auf der Knoblochsaue möglich - nachdem die Pächter der Domäne freien Zugang für ihre Maschinen gefordert und durch den Bau einer Brücke bei Stockstadt auch bekommen hatten. Hinzu kamen die Entschlammung des Altrheins und natürlich die ständigen Manöver der Nato-Verbände an den Ufern der Knoblochsaue, wo Militärs Ponton-Bau und Anlandungen übten. Das führte am Ende dazu, daß das erst 1968 von der Deutschen Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz verliehene Prädikat „Europareservat“ für fünf Jahre gleich wieder entzogen worden war,

Von den 749 Naturschutzgebieten mit 38.148 Hektar (1,8 Prozent der Landesfläche) ist das Areal Kühkopf-Knoblochsaue mit 2.370 Hektar das weitaus größte Naturschutzgebiet Hessens - im Durchschnitt sind die Refugien gerade 51 Hektar groß.

 

Schon in den dreißiger Jahren wußten die Fachleute um die Bedeutung von Auen und Vogelreichtum, doch erst 1952 wurde das Gebiet entlang der Altrhein-Schlinge ausgewiesen. Es ist heute zugleich FFH- Gebiet, EU-Vogelschutzgebiet sowie Europareservat. 60 Kilometer Wanderwege erschließen das Dorado, es gilt ein Wegegebot. Zusätzlich sind Tabuzonen in Röhrichten, Alt­armen und Auwälder benannt, um zufälliges Betreten zu verhindern.

Das System hat sich bewährt. Nur zwei Probleme bestehen: die beiden Stichstraßen in der Knob­lochsaue sowie die Schnakenbekämpfung, wie sie von Beginn an erlaubt ist. Oder gibt es noch eins? Nach jeder Hochwasserkatastrophe neu diskutiert wird der Kühkopf als ein technisch gesteuerter Polder (Hochwasserrückhaltebecken). Das wäre das Ende der wilden Natur am Küh­kopf.

Hessens Vorzeige-Naturschutzgebiet, das Europareservat Kühkopf-Knoblochsaue, ist 50 Jahre alt geworden. 265 Vogelarten werden dort gezählt. Charaktervogel ist der Schwarzmilan, der es auf die Fische in der Aue abgesehen hat. Hunderte von Kranichen übernachten auf überschwemmten Wiesen; Hirsch- und Blatthornkäfer sowie die seltene Bechsteinfledermaus leben in den Wäldern, in denen weder Eiche noch Ulme gefällt werden dürfen.

Heute trägt dieser wichtige Knotenpunkt für euroasiatische Zugvögel den Titel wieder, und zu verdanken ist dies dem Schlüsseljahr 1983: Wäre das Hochwasser jenes Sommers nicht gar so heftig ausgefallen, dann würden Naturschützer wahrscheinlich bis heute einen vergeblichen Kampf für mehr natürliche Dynamik auf der Insel und der nördlich angrenzenden Knoblochsaue fechten. Damals brachen die Sommerdeiche, und der Rhein kann die Landschaft seither wieder überfluten, was Intensiv-Landwirtschaft allerdings unmöglich macht. Doch die Kosten für Aufbau der Dämme und Reaktivierung der Drainagen stiegen ins Uferlose. Pacht gegen Investitionen gerechnet ergab: Auch bei sanfter wirtschaftlicher Betrachtung wäre die Deichreparatur unsinnig gewesen.

In diesem Jahr beginnt, was Naturschützer und Wissenschaftler ein „einmaliges Experiment nennen“. 300 Hektar Intensiväcker und Wiesen fielen brach. Was seither auf den 150 Hektar ehemaliger Mais- und Roggenfelder geschehen ist, das lockt heute ein internationales Fachpublikum an. „Das waren blanke Äcker“, vergleicht Naturschützer Gonnermann die Entwicklung, wo heute 15 bis 20 Meter hohe Silberweiden wachsen. „Wie im Lehrbuch“, so beschreibt der Förster die Auwaldentwicklung, zu der auf höher gelegenen Flächen der Insel „interessante Waldgebilde“ aus Eschen, Eichen, Ulmen und Wildobst gehören. Holländer kommen nun zu Besuch, beobachten die Abläufe interessiert, da sie sich auf verlassenen Poldern wiederholen dürfen.

Der Zeit voraus war man auf dem Kühkopf schon länger: Denn mit der Verbannung der Autos im Jahre 1978 war eine bis heute erfolgreiche Besucherlenkung geboren. Wirtschaftswege wurden in Wanderwege umgebaut, ein erster Lehrpfad geplant, ein zweiter zum Thema „Aue“ kam hinzu und ein Besucherleitsystem samt Informationszentrum entwickelt. Es wurden sogar Liegewiesen ausgewiesen: Im Europareservat will man Verständnis für die Besonderheit der Kühkopfauen schaffen.

Besonderheiten hat das Gebiet reichlich: sechs Spechtarten, darunter der rare Mittelspecht. Die Spechte profitieren von der Aufgabe der Forstwirtschaft: 1.000 Hektar Urwald entstehen und mit ihnen viele Brathöhlen. Nur noch gebietsfremde Hybrid-Pappeln dürfen gefällt werden, und auch das nur bis 2005.

Eine 40 Paare große Kormoran-Kolonie sowie 100 brütende Reiher fallen auf, bis zu 3500 rastende Graugänse kann man hier im Winter beobachten: Und 2001 kehrte der Uhu als Brutvogel zurück. Das einst so seltene Blaukehlchen hat sich in dieser Gegend inzwischen fast zum Massenvogel entwickelt. Doch das Erstaunlichste ist wohl die Größe der Schwarzmilan-Population: 62 Paare brüten im Areal, begünstigt durch den Fischreichtum der Gewässer. Eine solche Konzentration ist „enorm“, sie wird in Europa sonst nirgends erreicht.

Seit dem Verzicht auf den Neubau des Damms findet eine für die Wissenschaft äußerst spannende „Sukzession“ (natürliche Entwicklung) in den Wäldern und auf den Wiesen statt. Einen Wiederanschluß derart großer, eingedeichter Flächen an das Überflutungsregime eines Flusses hatte es bis dahin in Europa nicht gegeben. Der Rhein fließt träge im Bereich des Kühkopfs, sein Gefälle beträgt nur 0,07 Promille - es wird nur in den Niederlanden noch geringer. Der Fluß hat also wenig Erosionskraft, er lagert feine Sedimente ab, kennt kaum vegetationsarme Kies- und Sandbänke und ist auch nur von einem schmalen Streifen von Silberweiden und Schwarzpappeln gesäumt.

Dominierende Pflanzengesellschaft sind eher die Hartholzauenwälder des „Querco-Ulmetum“ (Eichen - Ulmen- Auwälder), die auf den höher gelegenen, trockneren Kernzonen des Kühkopfs wachsen. Stieleichen sowie Flatter- und Feldulmen beherrschen den Dschungel an Kühkopf und Knoblochsaue. Diese Wälder haben sich auf beachtlicher Fläche und teilweise in bemerkenswerter Naturnähe erhalten. 250 Jahre alte Stieleichen, die damit vor dem Rheindurchstich keimten, und 150 Jahre alte, an ihrer Altersgrenze angelangte Eschen zeichnen das Gebiet aus.

Eine Urwald-Dynamik beobachten die Wissenschaftler. Wie bedeutsam diese Au-Wälder im internationalen Vergleich sind, zeigt der Wissenschaftler in einer Gegenüberstellung. Viele vergleichbare Au-Wälder in Europa hätten nicht die Qualität des Kühkopfes. Lediglich die Wälder im niederösterreichischen Naturschutzgebiet Marchauen-Marchegg könnten mit dem Kühkopf und der Knoblochsaue konkurrieren.                     

 

„Land unter“ heißt es auf Knopfdruck, und dann versinkt Hessens größtes Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue beinahe wie Atlantis in den Fluten des Rheins. Nein - dies ist kein Katastrophenszenario aus dem südhessischen Ried, sondern Simulation an einem überlebensgroßen Modell. Das steht mitten im landeseigenen Naturschutz-Informationszentrum Kühkopf-Knob­lochs­aue (etwa 200 Meter vom Altrhein-Parkplatz bei Stockstadt) - dem Herz des rund 2400 Hektar großen Refugiums, das sich aus der Altrheininsel Kühkopf und der angrenzenden Knob­lochsaue zusammensetzt. Wegen seiner ökologischen Bedeutung wurde diese Landschaft mit dem Unesco-Prädikat „Europareservat“ ausgezeichnet.

Noch beeindruckender als beim früheren Naturschutzinformationszentrum geriet die modellhafte Demonstration dieser Vorgänge im neuen Umweltbildungszentrum „Schatzinsel“, wo auch sonst alles auf visuelles Begreifen ausgelegt ist. Für die Kehrseite eines Feuchtgebietes steht eine riesige, an der Decke schwebende Stechmücke, die vor allem Mensch und Vieh das Leben schwermacht, während eine lebensgroße Kuhattrappe eben deren Anwesenheit symbolisiert. Erst der Rheindurchstich 1829, der ursprünglich die Hochwasser- und Verlandungsgefahr mindern sollte, erlaubte die großräumige Kultivierung.

Der Ausstellungsraum fand hierfür im einstigen Schafstall des Hofgutes Guntershausen seine sinnfällige Unterbringung. Lange war er vom Abriß bedroht. Gegenwärtig werden unter dem aufwendig restaurierten Gewölbe nicht nur Einblicke in die Lebenszyklen einer Aue und ihre Bedeutung für Tausende Tier- und Pflanzenarten gegeben. Das Ganze ist unterschwellig auch ein Lehrstück des allgemeinen Umdenkens: Wo nach dem Bruch von Sommerdämmen 1983 endgültig die Landwirtschaft und sonstige Nutzung aufgegeben wurden - bis 1994 förderte man sogar Öl - braucht auf Verwertungsinteressen keine Rücksicht mehr genommen zu werden.

Förster sind hier Naturschützer und leisten im Verbund mit zahlreichen Helfern Führungsdienste oder stehen für den individuellen Gang über das sechs Kilometer lange Eiland beratend zur Seite. Im Frühjahr beeindrucken insbesondere die Bärlauchteppiche im Westen sowie das von einigen Beobachtungsständen gut einsehbare Brut- und Laichgeschäft in den Flachwasserzonen am Nordufer.

Teilerneuert wurde nicht zuletzt der im östlichen Bereich verlaufende Auenlehrpfad durch die typische Abfolge von Weich- und Hartholzbeständen, die sich gleichsam als natürlicher Schutzzaun um die sensiblen Röhrichtzonen oder die Streuobstwiesen und Kopfweiden legen. Selbst ihre Pflege obliegt dem Forstamt zur Erinnerung an die Kulturlandschaft Kühkopf.

„Weiche“ Gehölze wie die Silberweiden können bis 300 Tage schadlos im Wasser stehen, immer noch 100 pro Jahr ertragen die typischen Vertreter der Hartholzauen, Eichen, Ulmen und Erlen. In den hohen Bäumen brütet gerne das Symboltier des Kühkopfes, der Schwarz­milan, dessen eleganter Schaukelflug zur Paarungszeit ein Schauspiel für sich ist.

 

Heute geht es auf dem Kühkopf und der Knoblochsaue friedlich und ruhig zu. Inzwischen sind nach vielen Irrungen und Wirrungen fast alle Kraftfahrzeuge aus dem Naturschutzgebiet verbannt, findet kaum noch Landwirtschaft oder, was zeitweilig der Fall war, Erdölförderung mehr statt. Auch ein Wasserübungsplatz der Nato ist verschwunden. Umweltbewußte Besucher sind auf den etwa 60 Kilometer langen Wanderwegen willkommen.

Der Wechsel zwischen Überschwemmungen und Trockenperioden, durch keine Deiche gebremst, ließ eine ungewöhnliche Landschaft entstehen. Hier finden sich Weichholzauen mit bis zu 200 Tagen jährlich im Wasser stehenden Weiden ebenso wie dschungelähnliche Hartholzauen. Seit 1961 ist das Gebiet ein Europareservat für den Vogelschutz, mehr als 260 Vogelarten wurden gezählt. Unter ihnen ist der Schwarzmilan, der Symbolvogel von Kühkopf und Knoblochsaue. Mehr als 40 Gehölzarten und 43 Fischarten gehören ebenso zum Reichtum dieser Landschaft wie etwa 150 malerische Kopfweiden und 2000 alte Obstbäume.

Letztere erinnern an die Zeiten intensiver landwirtschaftlicher Nutzung rund um das bis auf 1580 zurückgehende Hofgut Guntershausen, das in Steinwurfweite vom Naturschutzinformations-Zentrum und seinem umliegenden Naturlehrpfad entfernt liegt. Das Verwalterhaus wird heute von einem gemeinnützigen Trägerverein unterhalten, der hier ein Zentrum für Naturschutz, Umweltpädagogik und Ausstellungen eingerichtet hat. Heute stellt dieses Naturschutzgebiet nach Meinung von Fachleuten den größten zusammenhängenden naturnahen Auenkomplex am Oberrhein dar. Außerdem ist es ein natürlicher Rückhalteraum für Hochwasser.

 

Rundfahrt:

Über die 1965 errichtete Stockstädter Brücke über den Altrhein kommt man auf den Kühkopf. Voraus die „Altrhein-Schänke“ (Ruhetag: dienstags). Nach knapp 200 Metern, in nördlicher Richtung rechts abbiegend, beginnt der Haubentaucherweg (mit einem weißen „H“ markiert), ein anfangs alleenartig mit starken Roßkastanien gesäumter Dammweg. In der Hartholzaue wachsen Stieleiche und Esche, Bergahorn und Feldulme. Mehr als 200jährige Alteichen sind von Eschen ummantelt, darunter Haselbüsche. Ein grünes Dach überspannt unseren Pfad. Rechts dann eine Schutzhütte und die Schinderhannes-Eiche, wo der legendäre Räuberhauptmann gelagert haben könnte. Und häufig am Wegesrand: Hinweise auf Fauna und Flora, man befindet sich hier doch zeitweise auf einem Lehrpfad.

Am Rheinarm zur Rechten wird das Typische der Auenlandschaft sichtbar: Die Weidenstangen wurden bis zum Beginn der vierziger Jahre im Winter geschlagen und als Brennholz verwendet - oder zur Gewinnung von Faschinen (Reisigbündel) für die Sicherung der Böschungen des Stromes. Auffallend beiderseits des Dammweges die für den Auenwald typischen, teils bis in die Baumkronen aufrankenden Schlinggewächse wie Efeu, Waldrebe oder Hopfen.

Bald kreuzt sich unser Pfad mit dem vom Erfelder Steg her kommenden Weg. Linker Hand die Gaststätte Forsthaus Kühkopf (Montag Ruhetag).  Immer dem „H“ nach passiert man eine ausgedehnte Wiesenfläche mit Obstbäumen (Kinderspielplatz) und erreicht das Naturreservat Schlap­pes­wörth mit dem einsehbaren Rheinarm gleichen Namens. Dann ist man im Innern des Auewaldes mit seinen ausgedehnten Schilfflächen zwischen Wanderroute und dem Altrhein.

Am Krönkesarm steigen die Ufer zur gleichnamigen Insel rechts sanft an.

Gleich ein Dutzend Haubentaucher ist zu sehen, diese selten gewordenen, prächtigen Wasservögel. Link der Schwedenfriedhof, wo Gebeine der Gefallenen aus dem schwedischen und spanischen Heere ruhen - und dort ein leibhaftiger Storch.

Dann ist man am Rhein, dem begradigten, auf dem sich Container- und Passagierschiffe, Motor­boote und Kähne drängeln, und dort, wo die Fähre nach Guntersblum ablegt. Welch ein Kontrast zum eben erlebten Urwald. Etwa 1,5 Kilometer lang folgt man parallel dem Stockstadt-Erfelder Rheinarm - wieder unter Pappeln. Am Alten Wörthchen schreitet man sogar auf einem betonierten Wirtschaftweg, der an das Naturreservat Reichertsinsel grenzt.

An der Schutzhütte bei der sogenannten Dicken Eiche folgt der Haubentaucherweg dem Damm in Richtung Hofgut Guntershausen. In Höhe der Königsinsel tritt der Dammweg erneut unmittelbar an den Altrhein heran - wieder Urwald, wieder Lianen. Am Hofgut gilt unsere Aufmerksamkeit dem dortigen Naturschutzinformationszentrum (freier Eintritt). Darin ein Landschaftsmodell von Kühkopf und Knoblochsaue, bei dem auf Knopfdruck Wasser freigesetzt und Winterhochwasser simuliert wird. Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags, samstags, sonn- und feiertags von 9 bis 17 Uhr.

 

Schwedensäule

Der Mantel der Weltgeschichte streifte 1631 das südhessische Ried: In eiskalter Dezembernacht setzte bei Stockstadt und Riedstadt der Schwedenkönig Gustav Adolf mit seinen protestantischen Truppen im Dreißigjährigen Krieg über den Rhein und eroberte von hier aus das katholische Mainz. Einsam steht heute ein zwölf Meter hoher Obelisk am Altrhein bei Riedstadt-Erfelden - die Schwedensäule. Sie erinnert an den Rheinübergang des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf.

Der Stockstädter Heimatforscher und Maler Hans Pehle wurde durch intensives Quellenstudium inzwischen zum Fachmann. Dabei befindet er sich in guter Gesellschaft, hatte sich doch auch Friedrich Schiller dieses Stoffs angenommen, und hielt der berühmte Merian das Ganze in einem Stich fest.

In einer waghalsigen Aktion setzte im Dezember 1631 der auf den Seiten der Protestanten kämpfende Gustav Adolf mit etwa 600 Mann, Pferden und Kanonen im Ried über den um die 300 Meter breiten Rhein. Das Datum der militärischen Meisterleistung sorgt noch heute manchmal für Verwirrung, denn es gibt zwei Terminangaben. Zum einen die des 7. Dezembers nach dem heute allgemeingültigen gregorianischen, damals meist von Katholiken genutzten Kalenders; zum anderen einen Termin zehn Tage später nach dem Julianischen Kalender, den seinerzeit die Protestanten verwendeten.

Der Hauptstrom des Rheins verlief damals - vor dem großen Rheindurchstich 1828 / 1829 für den heutigen Verlauf - im Bett des heutigen Altrheins von Biebesheim im Süden her an Stockstadt und Riedstadt vorbei zum heutigen Hauptbett nach Norden. Die heutige Altrheininsel Kühkopf, gehörte daher 1631 noch zum linksrheinischen katholischen Herrschaftsgebiet. Die Mainzer wußten sehr wohl um die Bedeutung jener Stelle im militärstrategisch gesehen weichen Unterleib ihrer Bischofsstadt und ließen den durch zeitwellig 1.000 spanische Söldner schützen. Die katholischen Truppen wähnten sich sicher und ließen fast alle Boote in der nahen Umgebung konfiszieren oder vernichten, um so eine Rheinüberquerung der Protestanten unmöglich zu machen. Dennoch schätzte Gustav Adolf genau diesen Punkt als entscheidende Schwachstelle der Mainzer Verteidigung ein - und behielt am Ende Recht.

Gustav Adolf selbst nahm am Vorabend der Überquerung, am 6. Dezember, bei einem Späh­truppunternehmen die Szene am Kühkopf in Augenschein: Wenig später wurde es ernst. Durch einen Trick ermöglichten sich die Schweden und ihre Verbündeten den Übergang: In den Tagen zuvor hatten sie an vielen Bauernhöfen im Ried die großen hölzernen Hof- und Scheunentore ausgehängt und diese flach über die wenigen, der Zerstörungswut der Spanier entgangenen Boote gelegt. Auf solch wackeligen Flößen wurde über die bitterkalten Dezemberfluten ans andere Ufer gerudert. Zwei Punkte der Invasion gelten als verbrieft: einer im Süden und einer im Norden, am Hahnensand, wo heute die Schwedensäule steht.

Gustav Adolfs Rechnung ging auf: Die katholischen Truppen auf dem Kühkopf ergriffen ob des gewaltigen Ansturms die Flucht, weil sie fürchteten, die Gegner könnten ihnen im Flaschenhals Kühkopf den Rückzug ins Hinterland abschneiden. Den Schweden gelang es von hier aus wenig später, Mainz zu erobern.

Wie wichtig Gustav Adolf selbst die Rheinüberquerung einschätzte, davon zeugt sein persönlicher Befehl von 1632 zum Bau der Schwedensäule. Auf dem Sockel und der etwa sieben Meter hohen Säule darüber thront ein 1,5 Meter hoher Löwe mit Helm und Krone als Symbol des Schwedenkönigs und seiner Mannen. Mit einem Schwert in den Tatzen deutet der Löwe ans jenseitige Ufer. An die Rhein-Überquerung erinnert am Fuß der Säule eine Tafel in deutscher, englischer und schwedischer Sprache. Bis 1834 wurde das Denkmal auf schwedische Kosten unterhalten, danach vom hessischen Staat. Heute ist die Schwedensäule ein beliebter Ausflugspunkt - auch Station im Elisabeth-Langgässer-Wanderweg durchs Ried (Wochenende 156).

 

 

Goddelau - Erfelden

Eine symbolische Rauminszenierung im Geburtshaus Büchners zeigt den Dichter. leicht vornübergebeugt an einem kleinen Holztisch. Der Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Revolutionär verfaßt Texte, er forscht. Das Fachwerkhaus aus dem Jahr 1665 ist der letzte Originalschauplatz in Deutschland. Die Ausstellung zeichnet Leben und Werk Büchners nach. Gezeigt werden auch Erstausgaben seiner Werke.

Im Erdgeschoß  wohnte einst der Vermieter der jungen Familie, ein Bauer und Schultheiß. Wer in den früheren Wohnraum der Büchners gehen will, steigt von der Ausstellung im Erdgeschoß eine steile Treppe hinauf - und muß wie unten auch dort darauf achten, sich beim Betreten des Zimmers in der Tür nicht den Kopf zu stoßen. Die Wohnverhältnisse vor rund 200 Jahren waren enger, die Menschen kürzer. Büchners wohnten oben - zu dritt in einem Zimmer. 20 Quadratmeter. Hier spielte sich das Leben ab.

Büchner kam dort am 17. Oktober 1813 zur Welt - laut Kirchenbuch morgens um halb sechs -als erstes Kind des Arztes Ernst Karl Büchner und Ehefrau Caroline. Sein Geburtstag war ein Sonntag - und ist ein historisches Datum: Bei Leipzig tobte da gerade die Völkerschlacht, Napoleons entscheidende Niederlage. Die Geburt Georg Büchners ist „das Ziel aller Bemühungen gewesen. Die Eltern sind „glücklich gewesen“. Die Taufe des Knaben ist festgehalten. Büchners Eltern galten als sparsam - aber nicht als streng, sondern voller Hinwendung. Die Kinder durften ihre Eltern duzen. Das war fortschrittlich. Es gab einen liberalen Erziehungsstil. Büchner verbrachte in Goddel­au aber nur seine frühe Kinderzeit. Eine größere Veränderung war 1816 die Berufung des Vaters nach Darmstadt. Nach schon erfolgten Umzügen stand der nächste Wechsel an.

 

Südlich von  Goddelau  liegt das Philippshospital von 1535, gegründet von Landgraf Philipp, heute psychiatrisches Krankenhaus, mit Psychiatriemuseum und Archiv. Hier war Ernst Karl Büchner, der Vater Georg Büchners, als Arzt angestellt.

 

Leheim: (westlich von Griesheim)

Südlich und liegt der Bensheimer Hof, ein großes Hofgut, das sich früher selbst versorgte und alle Handwerker hatte.

 

Worfelden (östlich von Groß-Gerau):

In einer schönen Fachwerkkirche steht die Orgel des Orgelbauers Knaut von 1624, die seitdemunverändert ist. Sie stand zunächst am Hof in Darmstadt, ab 1838 dann in Worfelden. Sie nhat Doppeltasten und eine Tremulant.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Main Westen

 

Hochheim

Seit mehr als 500 Jahren feiert Hochheim im November seinen „Markt” mit Volksfestcharakter. Es spricht für ein intaktes Gemeinwesen, daß dieser auf ein kaiserliches Privileg von 1484 zurückgehende Viehmarkt die Jahrhunderte ohne Unterbrechung überdauert hat.

Im Jahre 1825 wurde von der nassauischen Landesregierung zwischen Hochheim am Main (Großherzogtum Hessen) und Mainz-Kostheim (Herzogtum Nassau)  an der Bundesstraße 40 eine Grenzsäule aus nassauischem Marmor aufgestellt. Nachdem das Herzogtum Nassau 1866 von Preußen annektiert worden war, brachte man die königlich-preußischen Embleme an der Säule an.

Der Altstadtkern präsentiert sich noch in einer Ursprünglichkeit, die erahnen läßt, was andern­orts verloren gegangen ist - die Gassen auf Kutschenbreite ausgelegt, jedes Haus eine kleine Welt für sich. Viele der überwiegend aus dem 18. Jahrhundert stammenden Höfe haben noch die gleiche Funktion: Hinter den Rundbogenportalen wird Wein ausgebaut, heute oft in Verbindung mit einem Gasthof oder einer Straußwirtschaft. Bei einem Bummel durch das Alt­stadtgewinkel vermeint man den jungen Wein im Herbst förmlich zu riechen. Es gibt viele alte Weingutshöfe und viele Fachwerkhäuser aus  dem17. und 18. Jahrhundert.

Der Zutritt zur historischen Altstadt erfolgt durch das Maintor. Die Kirchstraße mündet am „Plan“. Die Ortsbefestigung ist von 1548, ein Torbau an der Kirche ist mit einem Fachwerkhaus überbaut. Das Fachwerk-Rathaus ist von 1698.

Historisch und konfessionell war die „Stadt auf der Höhe” über Jahrhunderte auf das gegen­überliegende Mainz ausgerichtet. Die schöne Rokoko-Madonna, die seit 1770 auf der Mariensäule auf dem Marktplatz „Am Plan“ steht, und vor allem das Wahrzeichen Hochheims, die gleichsam über den Weinbergen schwebende Barockkirche St. Peter und Paul, verweisen auf die enge Bindung. Und deshalb, sagt man hier, streckten sich die Reben nach Südwesten den Mainzer Domtürmen entgegen.

Stolz ragt die Kirche Peter und Paul aus den Weinbergen. Sie ist das Wahrzeichen der Wein- und Sektstadt Hochheim und Ausgangspunkt der Bonifatius-Route auf hessischem Gebiet.

Sie ist die einzige Barockkirche in Hessen mit Fresken. Die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul steht im ehemaligen Wehrfriedhof über dem Main.

Die 1731 geweihte Kirche beeindruckt durch ihre leuchtenden Deckengemälde des Malers Johann Baptist Enderle. Die seit 1996 freigelegten und zum Teil bereits mustergültig restaurierten Fresken gelten als Kostbarkeiten der Rokokomalerei in Hessen, die nur nach einem besonderen Verfahren gerettet werden konnten. Die Kirche ist die einzige Freskokirche Hessens von Johann  Baptist Enderle aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die Kirche hat einen bedeutenden Hochaltar und Kanzel.

Links neben der Kirche liegt das Schlößchen, ehemals Witwensitz der Hessen-Nassauischen Herzöge, samt Staatsweingut des Landes Hessen. 200 Meter weiter in der Aichgasse trennt ein rostiges Gittertor mit dem Frankfurter Adler im Wappen von städtischem Grund - oder besser: vom städtischem Weinberg. Gegenüber versperrt ein mächtiges, grünes Holztor den Zugang in das ehemalige Nonnenkloster. Gebäude und Land des Karmeliter-Ordens waren 1803 im Zuge der Säkularisierung der Stadt Frankfurt zugefallen.

 

Weingut der Stadt Frankfurt:

Mit gut 200 Hektar ist Hochheim die größte Weinbau treibende Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet, prominentester Besitzer ist die Stadt Frankfurt, der davon ein (jetzt verpachtetes) Zehntel gehört. Seit neun Jahren nun führt Familie Rupp aus Alzey das Weingut der Stadt Frankfurt. Auf 30 Jahre wurde der Pachtvertrag geschlossen. Zumindest für diese Zeit bewirtschaftet Winzermeister Armin Rupp mit Sohn Jürgen die etwa 20 Parzellen, die sich von Flörsheim bis Kostheim entlang dem Main erstrecken. Und nicht zu vergessen auch die 1,3 Hektar Land auf dem Frankfurter Lohrberg - dem einzigen Weinberg auf Frankfurter Gemarkung. Immerhin ausgeglichen kommt der Familienbetrieb inzwischen aus dem Wirtschaftsjahr, vorher gab es noch einen Verlust von rund einer Million Mark im Jahr. Damals arbeiteten zwölf städtische Beamte, Angestellte und Arbeiter auf dem Gut. Heute schaffen drei Leute die Knochenarbeit zwischen Rebstöcken und Weinfässern.

Die Presse angesetzt haben die Rupps zuerst mal bei den Kosten. Weniger Personal, weniger Energie, Investitionen nur für das Nötigste. Denn seit die Stadt Frankfurt das Weingut im Jahr 1803 übernommen hatte, war der Betrieb wenig rentabel. So wenig warf das, Weingut mit seinen 25 Hektar fruchtbarem Land für die Stadtkasse ab, daß die Magistratsleute immer wieder erwogen, die Weinberge einfach zu verkaufen. Da sich aber kein Käufer fand, führten die Frankfurter den Betrieb weiter. 191 Jahre lang, bis 1994.

Schön liegt sie, die Hauptdomäne des Weinguts der Stadt Frankfurt - im Main-Taunus-Städtchen Hochheim. Wer mit der Bahn von Frankfurt kommt, dessen Blick fällt zuerst auf die katholische Kirche St. Peter und Paul. Hell strahlt der weiße Barockbau aus dem Jahr 1730 in der warmen Oktobersonne auf dem Südhang. Die Bahnhofstraße fährt leicht nach oben steigend zur Altstadt. Links und rechts neben der Straße liegen Weingärten. Die Turmuhr schlägt Viertel nach zehn. Ein Mann mit blauem Kanister auf dem Rücken erntet Trauben, drei Autos mit polnischem Kennzeichen parken am Bürgersteig.

Bereits seit 1200 Jahren wird in Hochheim Weinbau betrieben, schreiben Stadthistoriker. An den sonnigen Kalkhängen des rechten Mainufers bauten schon die Römer Reben an, später pflegten Geistliche die edlen Pflanzen. Hochheimer Weine genießen Weltruf, nicht zuletzt die englischen Königin Victoria pflegte eine Vorliebe für Hochheimer Tropfen. Mit mehr als 200 Hektar bewirtschaftetem Land gehört Hochheim heute zu den großen Weinproduzenten im Rheingau. Rund 100 Winzer leben in der Gemeinde mit 16.000 Einwohnern ganz oder teilweise vom Ertrag des Weinbaus.

Die Rupps leben von zwei Weingütern, neben dem in Hochheim bewirtschaftet die Familie parallel einen Betrieb in Framersheim. Den Laden dort schmeißt der Großvater, 74 Jahre ist der alt, erzählt Jürgen Rupp. Enkel Jürgen ist erst 30, eine Ausbildung zum Winzer und Wirtschafter hat er gemacht. Seit zehn Generationen ist die Familie dem Wein verbunden. „Es war unser Wunsch, das städtische Gut so zu führen, als sei es unser eigener Betrieb“, sagt Jürgen Rupp. Die Familie habe den Maschinenpark von der Stadt gekauft und halte den Betrieb auf eigene Kosten instand.

Ein Großteil der Weinberge werde maschinell bewirtschaftet, erzählt Jürgen Rupp, nur auf dem Lohrberg werde wegen des steilen Hangs noch mit der Hand geerntet. Insgesamt 180.000 Liter Wein erntet die Familie im Jahr auf den 25 Hektar des Weinguts der Stadt. 70.000 Flaschen füllen die Rupps mit dem edlen Saft für den Selbstverkauf im Frankfurter Römer ab. Den Rest nehmen der Großhandel, Kellereien und Sektindustrie ab. „Es ist unser Vorteil, daß wir den besten Wein für uns behalten können“, sagt Rupp. Mehr als 400.000 Euro erwirtschaftet das städtische Weingut jährlich mit Weißem und Rotem - aber keine roten Zahlen mehr.  Den eigenen Wein mit Adler und Römer auf dem Flaschenetikett verkauft das Weingut der Stadt privaten Weinliebhabern und Gaststätten. Aber auch die Stadtpolitiker kommen nicht zu kurz. 25.000 Flaschen liegen in zwei Gewölbekellern unter dem Römer. Wein, der auch bei offiziellen Empfängen der Stadt ausgeschenkt wird. Mit grünen Gummistiefeln an den Beinen steigt Jürgen Rupp die enge, steile Wendentreppe hinunter in den Keller. Süßlich riecht es dort, in den Fässern gärt der Jungwein. Presse und Rührwerk rumpeln und rattern um die Wette. Ein aufwendig geschnitztes Riesenfaß - „gefügt am Tag der deutschen Einheit 1990“ - liegt schwer neben kleineren Holzfässern.

Im Raum nebenan hat die Moderne das Winzerhandwerk fest im Griff. 15 silberne Edelstahltanks mit Temperaturfühler stehen dort hoch in Reih’ und Glied. „Man muß die Waage halten zwischen Tradition und Technik“, sagt Jürgen Rupp und grinst ein wenig stolz. Dann beugt er sich über den Laptop in der Ecke des Raumes und aktiviert den „Gär-Manager“.

Mit einem Klick zeigt das Computerprogramm dem Winzer die aktuelle Temperatur des Dornfelders in Tank 4. Wo früher Handarbeit und Gefühl gefragt war, regelt heute der „Gär-Manager“ den gesamten Prozeß. „Der ist schneller und präziser“, sagt Jürgen Rupp, „es kann weniger schief gehen“.

Eines kann der „Gär-Manager“ Jürgen Rupp aber nicht abnehmen: das Verkosten des Weines. Der junge Winzer nimmt ein Glas und öffnet einen kleinen Hahn an einem der Fässer. Weiß-trüber Saft fließt heraus. Jürgen Rupp schwenkt das Glas ein wenig, dann nimmt er einen Schluck. Über Zunge durch Kehle und Magen ins Gehirn, wo der Winzer das Urteil fällt. Die Note für den Wein schreibt er auf ein kleines Kärtchen. Und weil er diesen Test mehrmals am Tag machen muß, betont er: „ach der Arbeit fahren wir nicht mehr mit dem Auto.“

Eigene Weinberge besitzen zwar auch andere Großstädte, das Gut der Stadt Frankfurt aber gilt als eines der größten und ältesten. Bis zum Jahr 1802 war das Weingut im Eigentum des Karmeliterordens, der in Hochheim ein Nonnenkloster unterhielt. Mit der so genannten Verweltlichung und dem damit verbundenen Einzug geistlichen Besitzes, fielen Land und Gebäude des Guts vor Jahren der Stadt Frankfurt zu. Auf einer Fläche von 25 Hektar reifen auf zehn Lagen 50 verschiedene Weinsorten. „Domdechaney“, „Hölle“, „Stielweg“ und „Kirchenstück“ heißen die bekannten Riesling-Lagen des früher als Amt geführten städtischen Gutes. Seit 1994 bewirtschaftet die Winzerfamilie Rupp das Weingut der Stadt Frankfurt. Insgesamt 180.000 Liter Wein jährlich ergeben die in den städtischen Weingärten geernteten Trauben. Einen Teil dieser Ernte kaufen Großhandel, Kellereien und die Sektindustrie auf. 70.000 Flaschen im Jahr aber füllt die Winzerfamilie Rupp für das Frankfurter Weingut ab. Die Verkaufsstelle für den edlen Tropfen ist nur im Römer. In der Limpurgergasse 2 kann man montags bis freitags von 9 bis 12.30 Uhr Wein kaufen. Informationen und Bestellung unter der Telefonnummer 069 / 21 23 36 80.

 

In Hochheim am Main befindet sich auch die kleine aber feine Staatsdomäne Hochheim (Hessische Staatsweingüter). Während ihrer fast 800-jährigen Geschichte ging die Domäne 1273 in den Besitz des Mainzer Domkapitels über. Aus jener Ära stammen die Weingärten „Dom­dechaney“: Sie bezeichnen die bekannteste Hochheimer Lage und die zugleich größte zu­sam­menhängende Rebfläche des 17 Hektar großen Staatsweingutes. Auf den tonreichen Mergelböden der Lagen Domdechaney und Kirchenstück wachsen stoffige, körperreiche Weine von bester Qualität.

 

Vogelnest (nördlich von Hochheim)

Hochheim ist ein Endstation der Regionalparkroute im Westen. Nördlich von  Hochheim entstand deshalb die Statiuon „Vogelnest“. Zwischen Hochheim und Delkenheim holt sich die Natur das ehemalige Kiesgrubengelände „Silbersee“ zurück. Sie liefert auch die Vorlage für die Aussichtskanzel „Vogelnest“ im Regionalpark Rhein-Main. In eigenwilliger Konstruktion ließen die Darmstädter Architekten Karle und Buxbaum  um eine Aussichtsplattform acht kreisrunde Ringe aus Brettschichtholz so unregelmäßig wie die Zweige eines Nests ineinander winden. Nicht nur ein konstruktives, sondern auch ein optisches Wunderwerk, das seinem natürlichen Vorbild ziemlich nahe kommt. Das kühne Werk steht auf acht Balken von 25 Zentimeter Stärke, die unregelmäßig wie überdimensionale Mikadostangen zusammenstehen und gewissermaßen die Astgabel für das Aussichtsnest bilden.

Die ausgefallene Idee wurde von einer unabhängigen Jury der hessischen Architektenkammer für den diesjährigen Tag der Architektur als eines der Vorzeigeobjekte ausgewählt. Doch nicht nur der Anblick der Kanzel lohnt, sondern auch der Ausblick von ihr herunter, auf die gefluteten ehemaligen Kiesgruben, die sich allmählich zum wildromantischen Seen-Biotop mausern, in dem sich nicht nur selten gewordene Kröten tummeln, sondern inzwischen sogar wieder Eisvogel beim Fischen gesichtet wurden.

Jetzt geht es wieder nach Süden und am nächsten Abzweig nach Osten zum Spielpark und über die Straße von Delkenheim nach Hochheim und südlich der Seen zur Straße von Mas­senheim nach Hochheim. Weiter ein Stück  nach Nordosten und dann rechts nach Südosten an dem Hauptberg der Deponie Wicker vorbei. Südlich der Straße von Wicker nach Delkenheim ist die Installation „Nahtstelle Müll“:

 

 

Mechtildshausen

Von Hochheim fährt man auf der A 6 71 bis zu m Kreuz Mainz-Kastel, dann nach Norden und rechts nach Mechthildshausen.  Die Staatsdomäne Mechtildshausen bei Wiesbaden-Erbenheim gehört zu den historischen Stätten Hessens. Ihr Ursprung reicht bis in die Karolingerzeit zurück als Versorgungsgut und Gerichtsstätte in einem Reichssondergau, der unmittelbar dem Kaiser unterstand. Als Hochgericht wurden hier Todesurteile gefällt und an Ort und Stelle vollstreckt. Sondergaue dienten der Machtausübung und Kontrolle des Reiches gleichermaßen. Der im Rhein-Main-Gebiet erstreckte sich von der Mainmündung entlang dem Rhein bis Walluf und nördlich entlang dem Limes.

Nicht nur den römischen Grenzwall machten sich die Franken zunutze, auch die von den Römern schnurgerade angelegte „Steinerne Straße“ zwischen Wiesbaden/Mainz und den Kastellen Friedberg, Echzell, die später als bedeutender Handelsweg den Westen mit dem Osten bis Sachsen verband und Wallfahrtsstraße zum Grab der heiligen Elisabeth wurde.

Mechtildshausen verlor als Gerichtsstätte an Bedeutung, nachdem um 1200 die Eppsteiner als Lehnsherren auftraten und damit eine wechselvolle Geschichte begann. Der Hof gehörte schließlich über Jahrhunderte zu Hessen-Darmstadt und ging nach der Gründung Hessens in den Besitz des Landes über. Heute ist die Domäne ein beispielhafter „Biolandbetrieb“, in dem jeder Besucher willkommen ist.

Durch den Torbogen betritt man den riesigen Innenhof, um den sich im Geviert Häusergruppen, Stallungen, Pferdeboxen und Reithalle anordnen. Die Domäne umfaßt heute eine Nutzfläche von 320 Hektar, davon 185 am Ort, der Rest außerhalb liegt als Weiden im Taunus und am Rhein. Durch die Wiesbadener Jugendwerkstatt GmbH als Pächter vom Land Hessen wurde die Umstellung der Produktionsweise nach organisch-biologischen Grundsätzen 1987 begonnen.

Das beinhaltet unter anderem den Verzicht auf mineralische Dünger und auf Giftstoffe in der Schädlingsbekämpfung. Neben dem Ackerbau werden Feldgemüse gezogen. Feingemüse gibt es in Gewächshäusern, Obst in Plantagen. Eine vielfältige Tierhaltung ist wichtiger Bestandteil des Betriebes. Pferde und Reitsport spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Alle Lebensmittel werden auf der Domäne verarbeitet und in Schlachterei, Käserei und Bäckerei und vermarktet, entweder direkt auf dem Hof oder draußen im Naturkosthandel.

Darüber hinaus wird auf der Domäne ein Gästehaus mit vorzüglichem Restaurant für den verwöhnten Gaumen geführt. All Türen der Anlage stehen dem Besucher zur Besichtigung offen. Allein die Geflügelhaltung mit „Wanderhäusern“ in Wiesen, dazwischen weiße Pfauen, gleicht einem Blick in Tierparadies.

Auf der Rückfahrt fährt man wieder zurück bis  Hochheim - Nord und dann nach Osten auf die B 40 und dann nach Norden auf der L 3038 zum links liegenden  Silbersee

 

 

Wicker

Vom Silbersee fährt man wieder zurück zur B 40, auf dieser ein Stück nach Osten und dann gleich links auf der Kreisstraße zur Mülldeponie.

 

Mülldeponie:

Die 85 Hektar große Deponie war früher eine Kiesgrube und erstreckt sich vom Main bis zur Gemarkung Wiesbaden. Im Jahr 1968 begann der Main - Taunus - Kreis, Flächen ausgebeuteter Kiesgruben zwischen Wicker, Hochheim und Wiesbaden-Massenheim zu erwerben, aus denen Materialien für den Bauboom der sechziger Jahre gefördert wurden. Seither sind mehr als zehn Millionen Kubikmeter Hausmüll, Klärschlamm und hausmüllähnlicher Gewerbeabfall verfüllt worden. Jährlich setzt die 110 Mitarbeiter umfassende Rhein - Main Deponie (ZRMD) nach eigenen Angaben rund 40 Millionen Euro um. Seit 1999 ist der Hochtaunuskreis neben dem Main-Taunus-Kreis gleichberechtigter Gesellschafter der RMD. In einem Deponiegaswerk produziert das in Flörsheim angesiedelte Unternehmen 2,5 Kilowatt Strom, der den Eigenbedarf deckt.

Im Biomassekraftwerk werden seit 2004 an die 90.000 Tonnen aufgearbeitetes Altholz verbrannt. Es kann nach Firmenangaben 8.000 Megawattstunden Strom im Jahr erzeugen.

das Biomassekraftwerk steht am Ende des großen Müllbergs im Südwesten. Hier ist eine Kletterwand, 19 Meter hoch und 27 Meter breit, die von vielen Sportbegeisterten genutzt wird.

Die heutige Deponie liegt auf einer leichten Hügelkuppe und umfaßt ein 5,5 Hektar großes Feuchtbiotop, in dem sich viele Tierarten tummeln. Seit 2005 ist die Deponie verfüllt und wird rekultiviert. Es sollen weitere Studien zur Tierwelt folgen, die in den Rekultivierungsplan einfließen. Angestrebt ist, bedrohten Arten das Überleben dauerhaft zu ermöglichen. Ferner soll die Deponie in den Regionalpark Rhein-Main aufgenommen werden als Beispiel eines umweltverträglichen und ökologischen Deponieabschlusses.

Auf den ersten Blick ähnelt die Deponie im Stadtteil Wicker der Main-Stadt Flörsheim einer zerklüfteten Mondlandschaft. Das 85 Hektar große Areal ist besonders menschenfeindlich. Aber ausgerechnet zwischen Müllbergen und Biokompostanlagen gedieh in den vergangenen Jahren eines der wichtigsten Biotope Hessens, das vom Aussterben bedrohte Tiere beheimatet. Die Deponie hat sich beinahe zu einem Paradies für bedrohte und fast ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten gemausert.

Was meist wie ein Fremdkörper in der Natur ist, hat sich bei uns zu einer intakten Stätte für viele Tiere entwickelt. Auf der Deponie mitten im Rhein-Main-Gebiet wimmelt es nur so von seltenen Tierarten. Das haben der hessische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz sowie das Büro für angewandte Landschaftsökologie Hofheim nachgewiesen. Die Studie beschreibt 166 Pflanzenarten, 52 Vogelarten, elf unterschiedliche Tagfalter und Libellen, neun Heuschreckenarten, eine Reptilienart und zwei Amphibienarten - denen es ausgerechnet zwischen Müllbergen und Biokompostanlagen behagt.

Während die Pflanzenwelt aus weitverbreiteten Arten bestehe, macht die Tierwelt der Halden von sich reden. Sie könnten sich zu Hessens größtem Brutgebiet für den Steinschmätzer entwickelt haben. Der Bestand des Vogels hat sich in Hessen seit 1982 um 75 Prozent gemindert - nur noch gut 50 Brutpaare lebten in dem Bundesland. Allein auf der Deponie fühlen sich der Studie zufolge fünf Brutpaare des genügsamen Insektenfressers zu Hause. Der Singvogel mit schiefergrauem Mantel und schwarzer Augenbinde brütet zwischen Steinbrocken und bevorzugt die offenen Böden der Mülllandschaft.

Auch andere rar gewordene Tiere wie die Haubenlerche, das Rebhuhn. Der Grauammer und der Flußregenpfeifer treffen auf günstige Umstände. Vor einiger Zeit haben neun Störche im Feuchtbiotop „auf unserer Deponie wohl einen Familienrat abgehalten“. Die Stelzvögel mit ihren kräftigen, spitzen Schnäbeln und breiten Flügeln stießen auf reichhaltige Kost, die genügen, ihre Jungen - wahre Nesthocker - mit kleinen Tieren zu versorgen. Naturschützer vom Flörsheimer BUND hatten vor Jahren Storchennester in der angrenzenden Gemarkung aufgestellt und so die Vögel nach Flörsheim angelockt.

Als bemerkenswert stufen die Umweltexperten die Population der Wechselkröte ein. Mehrere hundert Larven haben Umweltschützer in Pfützen und Tümpeln nachgewiesen. Deshalb ist wichtig, das ein oder andere Wasserloch länger zu erhalten.

Daß so viele Arten von und mit dem Müll leben, liegt an den unterschiedlichen Zuständen auf der Deponie im Main-Taunus-Kreis. Es sind zum einen die Flächen, auf denen sich der Hausmüll türmt und sich zum Tummelplatz für Raben, Krähen und Möwen entwickelt hat, wie auch für Füchse und kleine Nager, die wiederum Beute für Greifvögel sind. Dann gibt es Areale, auf denen Bauschutt lagert, ideal für die Steinschmätzer. Wieder andere Ecken sind gerade für Frösche schön feucht-sumpfig.

Diese tierische Vielfalt auf der Deponie geht allerdings meist verloren, wenn eine verfüllte Teilfläche stillgelegt und rekultiviert wird. Die Tiere sollen langwierig auf Ausgleichsflächen ausweichen können. Auf einem gut 40 Quadratkilometer großen benachbarten Gelände will die „Rhein-Main Deponie“ den bedrohten Tier- und Pflanzenarten eine neue Heimstatt schaffen. So könnten Zugvögel abermals die Deponie anfliegen, die ihnen inzwischen als Rast- und Nahrungsbiotop dient. Und der Kreuzkröte bliebe genug Raum, den Bestand ihrer Art wieder mit Hingabe zu vermehren.

 

Das Kunstwerk „Nahtstelle Müll - Fenster zur Deponie“ ist vom Eingang zum Deponiegelände aus zu sehen. Mit einer Kunstinstallation „Nahtstelle Müll-Fenster zur Deponie“ kratzt die Eschborner Künstlerin Romana Menze - Kuhn an der scheinbar heilen Krume, schneidet die Bodenschichten auf, legt den Schnitt hinter Fensterglas frei wie ein Objekt zwischen Mikro­skopierglasplättchen. Durch eine dunkle, 2,50 Meter lange Stahlträger - Gasse können Passanten die eingeschlossenen Abfallschichten hinter Glas betrachten. Gegenüber liegen zum Vergleich unberührte, natürliche Erdschichten hinter Fensterglas.

Der Riß zwischen beiden Seiten bleibt, sagt die Künstlerin. Wie immer auch eine ewige Sehnsucht des Menschen bleiben muß, verwundete Natur vollständig in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Trotz modernster Technik. Menze-Kuhn zeigt den Versuch des Heilens, Reparierens, des Wiederzusammenfügens mit einer Stahlseilnaht zwischen den beiden Stahlträgerseiten mit den unberührten und müllverfüllten Erdschnitten. Auch der Müllkegel der Deponie wird in absehbarer Zeit unter einer üppigen Pflanzendecke verschwinden, die Müllkegel dabei der hügeligen Weinberglandschaft angeglichen. Menze - Kuhns Werk soll deshalb auch nachfolgende Generationen daran erinnern, was unter der Wickerer Krume schlummert.

Die Arbeit, die einen weiteren Glanzpunkt entlang der Regionalparkroute zwischen Flörsheim und Hochheim bildet, ist aus einem zufälligen Kontakt zwischen dem Geschäftsführer der Rhein-Main-Deponie in Wicker und der Eschborner Künstlerin entstanden, die sich seit Jahren mit den Brüchen und Nahtstellen zwischen Eingriffe in die Natur und Renaturierung auseinander setzt. Die Idee, gleichsam mit einem Kunstwerk die Brücke von der Wickerer Deponie zur Regionalparkroute zu schlagen, die unmittelbar an den Müllkegeln vorbeiführt, drängte sich geradezu auf.

 

Massenheim:

Man fährt von der Deponie erst einmal nach Nordosten nach Massenheim, im Ort rechts ab

Richtung Wicker. Am Ortsausgang ist am „Pfortenborn“ eine kleine Parkanlage mit Streuobstwiese, Rosenhecken und Sitzplatz entstanden. Die Massenheimer haben nach altem Vorbild einen schönen Brunnen installiert, dessen Wasser von den Kindern zu vielfältigen Spielen genutzt wird.

 

Wicker:

Wicker liegt hoch über Flörsheim auf einem weit in die Mainebene vorgeschobenen Taunusausläufer. Es ist eine der ältesten Weinbau betreibenden Gemeinden des Rheingaus. Zahlreiche Funde belegen, daß bereits zur Römerzeit an den sonnigen Hängen des Wickerbachtals und des Maintals Wein angebaut wurde. Urkundlich erwähnt wird Wicker erstmalig im Jahr 910. Damals lag das Dorf im fränkischen Königssondergau.

Wicker gehörte vom 12. bis 15. Jahrhundert zur Herrschaft Eppstein. Um 1540 wurde es mit Mauern und Graben befestigt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zum Kurfürstentum Mainz. Im Jahre 1803 kam Wicker zum neu gebildeten Herzogtum Nassau, 1866 zum Königreich Preußen. Das stets selbständige Dorf hat sich 1972 der Stadt Flörsheim angeschlossen. Wicker sah sich damit allein aber noch nicht ganz ins rechte Rheingauer Licht gerückt.

Ein Ort, der auf 1000 Jahre Geschichte zurückblickt, eingebunden in den Weinbau, möchte dies auch anschaulich weitervermitteln. Schon in früheren Zeiten war Wicker ein gern besuchter Weinort mit vielen Gasthäusern und Straußwirtschaften. Der Weinort Wicker ist weithin als „Tor zum Rheingau“ bekannt. Hier beginnt der Rheingau, ein kleines und erlesenes Weinanbaugebiet, das den international ausgezeichneten Ruf deut­scher Weine begründet hat.

Hier beginnen die Rheingauer – Riesling - Route der Autofahrer (Wicker, Hochheim, Kostheim, Wiesbaden-Frauenstein, Nieder-Walluf, Ober-Walluf, Martinsthal, Rauenthal, Eltville, Erbach, Kiedrich, Kloster Eberbach, Hattenheim, Hallgarten, Oestrich-Winkel, Johannisberg, Rüdesheim, Assmannshausen, Aulhausen, Lorch, Lorch­hausen).

Die Riesling-Route ist als Auto­route ausgelegt bei der alle Weinorte des Rheingaus durchfahren werden können. Der Rheingauer – Riesling - Pfad dagegen führt den interessierten Weinfreund auf einer etwa 120 Kilometer langen Wanderstrecke durch alle weinbautreibenden Gemeinden des Rheingaus von Wicker bis Lorchhausen. Und nicht zuletzt beginnt hier auch der Wickerer Weinweg, ein geführter Spazierweg durch Wicker und seine Weinberge. Auf zahlreichen Informationstafeln ist viel Interessantes und Wissenswertes über den Weinort und seinen Wein zu erfahren. Der Wein-Weg beginnt am „Tor zum Rheingau“, einem Sandsteinbogen vor dem historischen Rathaus.

 

In Wicker biegt man rechts ab und wo man schon die Weinberge sehen kann noch einmal rechts in die Taunusstraße, wo man parken kann. Man geht in die Taunusstraße hinein und kommt rechts zu dem ehemaligen Rathaus, in dem heute die Sparkasse ist. Hinter dem ehemaligen Gasthaus „Zum Löwen“, welches von 1935 bis 1979 das Rathaus von Wicker beherbergte, entstand im Zusammenhang mit der Dorferneuerung ein Ortsmittelpunkt.

Jedes Jahr von Mai bis Oktober ist der Weinprobierstand geöffnet. Viele Besucher finden hier Rast und Erholung bei einem guten Gläschen Wickerer Wein. Das Weinfest in den Straßen und Höfen des historischen Ortskerns lockt am ersten Augustwochenende alljährlich Tausende von nah und fern nach Wicker.

Am Eingang zum Hof steht der Sandsteinbogen, der das „Tor zum Rheingau“ symbolisieren soll. Im Hof steht eine Säule, die den Heiligen Urban darstellt. Der heilige Urban, Bischof von Langres, lebte im vierten Jahrhundert. Nach der Legende. verbarg er sich vor seinen Verfolgern in einem Weinstock. Der heilige Urban ist der Patron der Winzer, er wird mit einer Traube in den Händen dargestellt. Die Bauernregel zum 25. Mai lautet: „Ist Sonnenschein am Urbanstag, gedeiht der Wein nach alter Sag‘!“ Zu Ehren des Heiligen spendete der Club Fidelio 1991 Wicker e.V. im Jahr 2000 die aus Holz geschnitzte Figur und die kunstvoll gefertigte Schutzhülle.         

An der Straßenecke steht der Ausrufer: Der „Ausscheller“ steht als Synonym für den Wickerer Gemeindeboten. Dieser gab amtliche Mitteilungen bekannt. Um die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger für die jeweilige Bekanntmachung zu erlangen, läutete der Gemeindebote zunächst mit der Schelle. In Wicker gab es bis 1966 das Amt des „Ausschellers“. Zum Gedenken an diese Funktion stiftete die Flörsheimer Bürgerstiftung Im Jahr 2003 - dem 50. Jahr seit Verleihung der Stadtrechte und 1175 Jahre seit der urkundlichen Ersterwähnung Flörsheims - die bronzene Skulptur des „Ausschellers“. Theophil Steinbrenner, freischaffender bildender Künstler aus Schwarzach schuf dieses Sinnbild dörflicher Kultur.

Gegenüber an der Ecke Taunusstraße / Rat­hausstraße befindet sich das Standbild „Heilige Familie“: Das aus Holz geschnitzte Werk stammt aus dem 17. Jahrhundert. Es zeigt Maria, Josef und das Jesuskind in idealisierter Form. Auf dem Sockel ist folgende Inschrift zu lesen: „Ja sie steht uns bei in der Not, wie im Leben so im Tod“. Im Jahre 2002 finanzierte Flörsheim zusammen mit der gemeinnützigen Stiftung der Taunussparkasse die Restaurierung der Figurengruppe sowie des neu errichteten Bildstocks aus Sandstein. Dort, wo der Bildstock aufgestellt ist, stand ursprünglich das erste Wicker Rathaus, dem sich auch ein Schulraum befand.

 

Nach rechts geht man weiter in die die Vorderstraße mit den ältesten Häusern von Wicker und den malerischen Torfahrten (zum Teil erst neu hergestellt). Etwas versetzt geht es weiter in die Kirchstraße, wo man einen Blick in die katholische Wehrkirche St. Katharina werfen kann. Bereits in der Urkunde von 927 wird eine Kapelle in Wicker erwähnt. Seit 1294 ist eine Kirche und seit 1303 eine eigene Pfarrei gesichert. Die heutige Kirche geht auf das Jahr 1480 zurück. Ob der wehrhafte Turm wesentlich älter ist, konnte bis heute nicht geklärt werden. Im Erdgeschoß des Turmes befindet sich der Chorraum der Kirche mit seinem schönen Sterngewölbe und dem Wappen der Eppsteiner Grafen als Schlußstein. Das Schiff der Kirche wird 1840 verlängert und erhöht und mit neuen Fenstern versehen. Wicker ist auch Station auf der Bonifatiusroute, die an der Flörsheimer Warte vorbei geht.

Westlich der Kirche in der Nähe des dortigen Ausgangs steht eine Restfigur (Torso) des Brückenheiligen „Johannes Nepomuk“. Sie stand seit dem 17. Jahrhundert auf der Wicker­bachbrücke in Wicker. Sie wurde zweimal durch LKW-Unfälle vom Sockel in den Bach gestoßen und schwer beschädigt. Dabei verlor sie den Kopf und den Arm mit dem Kreuz. In den dreißiger Jahren bei der Brückenerweiterung wurde auch der Sockel entfernt und wahrscheinlich in der Straße mit verbaut. Nach 75 Jahren wurde zur Erinnerung an dieses traurige Ende des stattlichen Standbildes die Restfigur im September 2006 vom Historischen Verein Wicker an diesem Platz aufgestellt.

Vorbei an der alten Weinpresse von 1884 geht es am Ende der Kirchstraße nach rechts und an der Kirschgartenstraße (die Durchgangsstraße) wieder nach rechts, an einer Heiligensäule vorbei. Die Bundesstraße 40 ist eine alte Heerstraße zwischen Mainz und Frankfurt. Die Straße und die strategische Höhenlage brachten Wicker im Laufe der Jahrhunderte eine lebhafte, aber auch unruhige Entwicklung. Die Weinbaugemeinde wurde viele Male durch kriegerische Ereignisse heimgesucht, sowohl in der „Mainzer Fehde“, als auch vor, während und nach dem Dreißigjährigen Krieg mit verheerenden Feuersbrünsten. Auch der Durchzug und die Einquartierung französischer und alliierter Truppen zu Beginn des 19. Jahrhunderts hinterließen ihre Spuren.

 

Man kommt wieder zur Taunusstraße. Vor der Gaststätte „Nassauer Hof“ am Eingang der Taunusstraße befindet sich immer noch an seinem ursprünglichen Standort das älteste erhaltene Wegkreuz im Kreis aus dem Jahr 1690. Errichtet als Zeichen religiöser Ehrerbietung dienten Wegkreuze zudem als Orientierungspunkte.

Jetzt geht man nach Süden in die Straße „Am Steinweg“ und an den Weinbergen entlang zur Flörsheimer Warte. Weinberge sind nordwestlich des Ortes im „Möchsgewannn“. Südlich der Straße gehört der nördliche Teil der Weinberge auch zum „Mönchsgewann“. Dann folgen „König-Wilhelms-Berg“, „Nonnberg“ und „Wickerer Stein“. Südlich des Landwehrwegs an der Warte ist der Weinberg „Herrnberg“.

Ein früherer Besitzer des König - Wilhelm - Bergs war der Weingutsbesitzer Georg Kroe­schel. Er war Hoflieferant des preußischen Königs und späteren ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. Die acht Meter hohe Rundsäule trägt heute einen republikanischen Adler, der frühere preußische Adler wurde bei Kriegsende zerstört. Den Sockel ziert ein Porträt des Königs Wilhelm von Preußen (1861 - 1888), des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I. sowie die

Inschriften „Vom Fels zum Meer“ und „Gott mit uns“.

Wilhelm I. schätzte den Wickerer Wein offenkundig sehr, denn er gestattete im Jahr 1866 seinem Hoflieferanten Georg Kroeschell aus Hochheim am Main, anläßlich des Übergangs des Herzogtums Nassau an Preußen, diese Weinlage „König Wilhelmsberg“ zu nennen. Das Denkmal, ein Werk des Bildhauers Adam Kramer aus Fulda, wurde im Jahr 1875 für 1.500 Gulden errichtet. Seit 1928 ist die Weinbergslage im Besitz der Familie Hück (Hochheim am Main). Sie hat im Jahr 2001 mit Unterstützung der Stadt Flörsheim am Main und dem Kuratorium der Taunussparkasse das Denkmal restaurieren lassen.

Die Weinlage: Der Wickerer Berg verdankt seine Entstehung dem Wickerbach. Während der Eiszeiten tiefte sich der Bach in den Untergrund ein und schuf so die Grundlage jeder guten Weinlage - einen Hang: Der Südwesthang ist optimal zur Sonne ausgerichtet. Der Wickerbach sorgte dafür, daß alter Untergrund freigelegt wurde: schwerer Lehmtonmergel des Alttertiärs. Mergel sind kalkreiche feinkörnige Lockergesteine. Ton sind die kleinsten Bodenpartikel. Enthält ein Mergel viel Ton, spricht man von Tonmergel. Vor etwa 28 - 30 Millionen Jahren wurde der Ton als feiner Schlick im Stillwasser eines aussüßenden Meeres abgelagert. Die stark tonhaltigen und deshalb schwer bearbeitbaren Böden heißen im Volks­mund „Letten“ genannt.

Der Wein: Auf dem Letten-Boden der kleinen aber feinen Lage König Wilhelmsberg (2,4 Hektar) wachsen kräftige und fruchtbetonte Weine mit markanter Säure. Sie benötigen Reifezeit. Durch ein gut eingebundenes Säurespiel haben sie eine lange Lebensdauer. Folgerichtig zählt der König-Wilhelmsberg zu den Premiumweinlagen „Erstes Gewächs Rheingau“.

 

Die kleine Sandsteinstatue einer Nonne rechts am Beginn der Straße „Am Steinberg“ ist das Wahrzeichen des unmittelbar dahinter beginnenden Weinbergs mit der altbekannten Lagebezeichnung „Wickerer Nonnberg“. Diese Figur ist ein Abguß aus neuerer Zeit. Das Original stammt aus dem 18. Jahrhundert und befindet sich in der Straßenmühle. Der Weinberg gehörte früher zu verschiedenen Nonnenklöstern, zuletzt bis zur Säkularisation im Jahr 1803 dem Zisterzienserinnen-Kloster Tiefenthal im Rheingau. Danach wurde der Nonnberg Privatbesitz und wenig später mit einer Mauer eingefaßt und neu terrassiert. Mit seinem Gefälle nach Süd-Südwest hat er eine optimale Sonneneinstrahlung.

 

Von dem Weg zur Flörsheimer Warte geht rechts ein Weg ab zur Weidenmühle. Heute ist sie das Weingut Allendorff (Samstag 10 - 14 Uhr oder nach Vereinbarung Weinverkauf in Flaschen). Sie wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut. Auch hier wurde das Müh­lrad durch das Wasser eines separaten Mühlbachs angetrieben, den man vom Wickerbach abgeleitet hatte und der durch das Anwesen floß.

Schon den alten Römern war die Technik geläufig, wie man Wasserkraft über ein Mühlrad zum Mahlen von Getreide nutzen kann. Zunächst kannte man allerdings nur sogenannte unterschlächtige Mühlräder, deren unterer Teil im Wasser lag. Allein durch die Strömungskraft des Wassers wurde das Mühlrad in Bewegung gehalten. Im 14. Jahrhundert wurden die ersten oberschlächtigen Mühlräder eingesetzt, bei denen das Wasser auf dem Scheitel des Mühlrades zugeführt wird. Dies brachte bei gleicher Radgröße und gleicher Wassermenge eine Leistungsverdoppelung.

 

Flörsheimer Warte:

Am westlichen Ausgang von Wicker beginnt der Weg zur Flörsheimer Warte, den man zu Fuß gehen muß. Am 15. Juni 1996 stand die Flörsheimer Warte auf dem 130 Meter hohen Geißberg wieder. Für rund zwei Millionen Mark hatte die Gesellschaft zur Rekultivierung der Weilbächer Kies­gruben (GRKW) den einstigen Wachtturm hoch in den Weinbergen bei Flörsheim nach historischem Vorbild wenige Meter neben den Fundamenten des historischen Turmes und in etwas modernerer Ausstattung als das historische Original neu errichten lassen.

Der Turm wachte seit dem 15. Jahrhundert über die nördliche Grenze der Mainzer Kurfürsten. Nachdem die Warte ihre Bedeutung verloren hatte, wurde sie als Steinbruch ausgebeutet und Ende der neunziger Jahre in unmittelbarer Nähe wieder errichtet. Am Wochenende dient der Turm als Ausflugslokal und bietet einen herrlicher Blick über die Mainebene.

Ursprünglich war die Flörsheimer Warte ein Turm der Kastelller Landwehr, die der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Berthold von Henneberg zwischen 1484 und 1504 errichten ließ. Sie sollte den rechtsrheinischen Besitz des Fürsten vor Raubüberfällen aus dem Taunus schützen. Vom linksrheinischen Bauherren zeugt noch das Wappen am Turm.

Und weil das Gebiet heute nicht mehr mainzerisch, sondern hessisch sei, sitze neben dem Wap­pen der hessische Löwe. Das Gebiet jenseits der Landwehrgrenze, die parallel zum Main verlief, gehörte im 15. Jahrhundert den Fürsten auf der Burg Eppstein. Die Landwehr sollte Überfälle von dort erschweren. Nachdem die rechtsrheinischen Dörfer um Flörsheim 1803 den Nassauern zugeschlagen wurden, verlor die Warte ihren Zweck und wurde 1817 dem Erdboden gleichgemacht.

Rechts vor dem Eingang in den Turm empfängt der hessische Löwe die Besucher mit blitzenden Zähnen der Flörsheimer Warte. Das bronzene Tier soll demonstrieren, zu welchem Land die Feste gehört. Den Löwen schuf der rheinland-pfälzische Bildhauer Gernod Rumpf. Der aus dem Gebiet des früheren Mainzer Kurfürstentums stammende Künstler wollte die Figur nicht abschreckend gestalten: Sie ist als Spielplatz für Kinder gedacht.

Ein Flörsheimer Winzer stieg als Pächter des spitzen Rundturms ein und bewirtet seither Hunderte von Ausflüglern, die an den Sommerwochenenden Rast an dem idyllisch gelegenen Aussichtspunkt halten. Und der ist längst zum Geheimtip für Erholungssuchende aus der ganzen Region geworden. Denn aus knapp 30 Meter Höhe breitet sich bei gutem Wetter die gesamte landschaftliche Vielfalt der Region aus, mit Taunus, Odenwald, der Mainebene und dem Rheingraben.

 

Am Turm enden der Panoramaweg und der  Weinklaubengang aus Richt ng  Osten. Entlang des „Panoramaweges“ fand im Sommer 1999 ein Bildhauersymposium statt. Unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung haben Künstler in sechswöchiger Arbeit vor Ort fünf große Steinobjekte geschaffen, die den Weg markieren, zum Verweilen und Schau­en anregen. Hier ist nahezu „Unvergängliches“ entstanden, denn diese großen Steinskulpturen werden noch in vielen Jahren den Weg und die Landschaft prägen.

Weiter geht es durch den Weinlaubengang. Er ist ein  Beispiel für die Bezugnahme von Regionalparkweg und überkommener Kulturlandschaft und zeigt die enge Verzahnung zwischen Regionalparkweg und Landschaft. Auf einem Stück des alten Landwehrweges bei Flörsheim stellte die Regionalpark GmbH neun große Rankbögen aus blauen Stahlträgern auf, die von Betonstelen getragen werden. Hier führt der Regionalparkweg durch Wingerte auf einem Hang, an dem schon die Römer Wein angebaut haben. Wilder Wein soll zu einem Spaziergang durch Riesling- und Burgunderreben in die Weinberge locken.

 

Am „Befreiungsstein“ (Grenzstein mit Mainzer Rad) westlich des Turms, der an den Abzug der französischen Besatzungstruppen im Jahr 1929 erinnert, beginnt der Landwehrweg, der sich bis nach Bad Weilbach hinzieht. Der Landwehrweg ist ein alter Grenzweg zwischen der Herrschaft Eppstein, zu der Wicker gehörte, und dem Kurfürstentum Mainz. Hier stand bis 1817 die Warte, ein massiver hoher Steinturm, der bei kriegerischen Ereignissen als Kontroll-, Wehr- und Fluchtturm diente. Sie war Bestandteil der „Kasteller Landwehr“, die Ende des 15. Jahrhunderts auf Veranlassung des Mainzer Erzbischofs Berthold von Henneberg errichtet worden war. Damit sollten die unter Kurmainzer Herrschaft stehenden Untertanen in Amöne­burg, Kastel, Kostheim, Hochheim und Flörsheim „gegen die Räubereien der Bergbewohner“ geschützt werden.

 

Am Aussichtspunkt noch weiter westlich ist auf der Rückseite der Mauer der Sinnspruch eingemeißelt: „Heimat ist die treibende Kraft, für das Volk Gutes zu wirken“ (amor patriae vis agens pro populo bona creare).Von hier sieht man hinab in das Maintal nach Flörsheim und hinüber bis zum Odenwald.

 

Im Vordergrund ist die Weinbergslage „Flörsheimer Herrenberg“. Die zu dieser Lage gehörenden Weinberge wurden erstmals 1270 als Besitz der Mainzer Domherren erwähnt. Ebenfalls zu den Flörsheimer Weinbergslagen zählt die Lage „Flörsheimer St. Anna-Kapelle“

im Bereich der Wiesenmühle. Das Weinanbaugebiet Rheingau wird vom 50. Breitengrad durchzogen, der in Europa bis auf wenige Ausnahmen die Nordgrenze des Weinbaus darstellt. Trotzdem wird hier zu 82 Prozent die wohl anspruchsvollste und edelste Rebsorte, der Riesling, angebaut. Insgesamt sind die besten Weißwein-Anbaugebiete in nördlichen Gefilden zu finden.

Der Riesling beansprucht gute bis sehr gute Lagen. Er paßt sich allen Bodenarten an, bevorzugt aber warme Gesteinsböden mit viel Feinerde. Hier im Rheingau - einem der nördlichsten Weinanbaugebiete der Welt mit großer Sonneneinstrahlung und hoher Luftfeuchtigkeit -

hat er eine besonders lange Reifezeit. Dies gibt ihm die Möglichkeit, Weine von betont feinfruchtiger Eleganz zu entwickeln, die durch Lagerung an Feinheit und Reife noch gewinnen. Das Klima ermöglicht die Ernte vorzüglicher Auslesen, edler Beeren- und Trockenbeerenauslesen und des auf der Welt wohl einmaligen Eisweins.

Im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal liegen die Weinbaugemeinden Assmannshausen und Lorch am Rhein. Sie bilden den Unteren Rheingau. Zwischen Rüdesheim und Wiesbaden, entlang eines schmalen Streifens rechts des Rheins, erstreckt sich der Mittlere Rheingau. Die Orte Kostheim, Hochheim am Main mit Massenheim und Flörsheim-Wicker bilden den Oberen Rheingau. Dieser schöne Flecken Erde ist mit etwa 3.100 Hektar Reben bepflanzt. Hier ist vor allem die Heimat des Rheingauer Rieslings, der auf 2.500 Hektar Rebland wächst, und die des Spätburgunders, für den Assmannshausen bekannt ist. Das Anbaugebiet ist in zehn Großlagen und 119 Einzellagen unterteilt.

Von der Warte geht man den linken Weg zur Kriegergedächtnisstätte. Rechts vor der Gedenkstätte ist ein Steinlabyrinth. Die Flörsheimer „Krieger Gedächtniskapelle“ wurde 1928 zum Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkriegs erbaut. Heute dient sie zur Erinnerung an die Opfer beider Weltkriege. Von hier kann man auf einem Zweig der Regionalparkroute zur Wiesenmühle gehen oder nach Norden auf dem anderen Zweig zur Straßenmühle.

 

Straßenmühle:

Wenn man ann nach Westen aus Wicker herausfährt trifft man auf die Straßenmühle. Auf einer Gesamtlänge von 24 Kilometern gab es am Wickerbach 23 Mühlen. In den Gemarkungen Flörsheim und Wicker sind im Laufe der Jahrhunderte 8 Mühlen nachgewiesen. Die älteste ist die Wickerer Straßenmühle. Der Mühlbach wurde auf Massen­heimer Gemarkung vorn Wickerbach abgeleitet. Den früheren Verlauf kann man heute noch an der Baumreihe erkennen, die parallel zum eigentlichen Wickerbach verläuft.

Die Mühle wird erstmals genannt in einem Dokument von 1318 als „Eppsteiner Mühle“. Alles in allem soll die Straßenmühle stolze 700 Jahre auf dem Buckel haben, ihr Standort war allerdings lange vorher belegt. Die erste urkundliche Erwähnung ist mit 1318 datiert. Sie gehörte den Herren von Eppstein, die das Anwesen aber angesichts knapper Kassen 1492 an den Landgrafen von Hessen verkauften. Die Mühle heißt in einem Dokument aus 1569 deshalb „landgräfliche Mühle“, später „Wicker­mühle“ oder „Straßenmühle

Die Mühle wurde zur protestantischen Enklave im katholischen Wicker und über Jahrhunderte zum Zankobjekt zwischen Hessen und Kur­mainz. Es ging um Pachtforderungen, Leihbriefe, Pfändungen und sonstige Unannehmlichkeiten, bis einfallende französische Truppen zwischen 1792 und 1799 die Mühle zum ersten Mal dem Erdboden gleichmachten. Dies und noch einiges mehr kann man sich beim Schoppen Rheingauer im Flicksehen Weinlager oder auf den Bänken im Hof erzählen. Oder als Zaungäste beim Begutachten des üppigen Bauerngartens, der das Herrenhaus umwuchert.

Die Mühle produziert schon seit 1929 kein Mehl mehr, der Name „Mühle“ ist ihr aber bis heute geblieben. Seit 1998 zieht das alte Herrenhaus innen und außen komplett restauriert bewundernde Blicke auf sich, und wo vor zehn Jahren noch das alte Mühlengebäude und die Scheune vor sich hingammelten, lockt jetzt eine neue Halle im alten Stil genußfreudige Ausflügler, Rheingauer Wein zu verkosten und sich mit heimischem Obst und sonstigen Delikatessen aus dem Hofladen des Flörsheimer Winzers Rainer Flick einzudecken. Der 43-Jährige kaufte das weitläufige Anwesen Mitte der neunziger Jahre von der Gesellschaft zur Rekultivierung der Weilbacher Kiesgruben. Flick hat Platz für seinen expandierenden Betrieb, die Wochenend­tourer durch den Regionalpark als Laufkundschaft und die Routenplaner konnten eine weitere Attraktion auf ihrer Karte verbuchen. Dabei hätte nicht viel gefehlt, und die Attraktion wäre dem Erdboden gleichgemacht worden: Die Dyckerhoff AG kaufte Anfang der achtziger Jahre Grund und Boden, um den Kalkstein im Untergrund zu schürfen. Zuvor war das Anwesen 20 Jahre lang als Bauernhof betrieben worden.

Bachaufwärts vor der Straßenmühle lag die Wickerer Steinmühle, erstmals erwähnt 1597 unter dem Namen „steinmars mulin“. An sie erinnert heute nur noch der Name „Steinmühlenweg“ und das dortige alte Wohnhaus der Müllerfamilie. Die Mühlen waren oft Zielscheibe umherstreifender Soldatenhorden, wurden ausgeplündert und zerstört. In einem Dokument von 1648 wird berichtet, daß alle drei Wickerer Mühlen abgebrannt sind.

 

 

Bad Weilbach

Von Wicker fährt man zunächst   in den Ort   Bad Weilbach und gleich am Ortseingang rechts in den Faulbrunnenweg. Südlich der Autobahn östlich des Faulbrunnenwegs ist die Natron-Lithionquelle. Die zweite Quelle ist die Schwefelquelle. Erwähnt wird die Schwefelquelle unter der Bezeichnung „Faulborn“ erstmals im Jahre 1650 im so genannten Beedbuch (Steuerbuch) der Gemeinde Weilbach. Nach mündlichen Überlieferungen soll das Wasser zur Heilung von Ausschlag und Geschwüren sowie zur Stärkung von Brust und Magen genutzt worden sein. Für chronische Katarrhe, bei Keuchhusten, Verdauungsstörungen und Appetitlosigkeit sollte das Bad Weilbacher Schwefelwasser helfen. Die Einwohner hatten die Quellen mit Bohlen aus Eichenholz eingefaßt, der Brunnen wurde einmal im Jahr von den Feldschützen gegen Zahlung von vier Käsen und einen Laib Brot von jedem Bürger gereinigt.

Die Resultate der Untersuchungen des Wassers auf seinen Gehalt an Schwefelwasserstoff waren gut, die Bad Weilbacher Quelle ist eine der an Schwefel reichsten Mineralquellen in Deutschland. So wurde beschlossen, die Schwefelquelle zu einem Gesundbrunnen auf Staatskosten zu machen. Im Jahre 1786 wurde die Quelle schließlich gefaßt. Der gute Ruf der Bad Weilbacher Schwefelquelle verbreitete sich schnell, 100.000 Krüge Schwefelwasser wurden jährlich versandt.

An die Quelle kamen jedoch nur wenige Menschen, dazu war ihre Lage zu einsam, waren die Verbindungswege zu schlecht, die Unterkünfte zu wenig. Die Herzoglich Nassauische Domä­nen­verwaltung übernahm 1803 die Quelle. Später wurde ein Kurhaus gebaut mit einem großen und einem kleinen Speisesaal, Räume zur Unterhaltung der Gäste sowie 80 große und kleine Zimmer. Das Badehaus bestand aus zwölf Badezellen und einem großen Saal, wo das Wasser inhaliert werden konnte. In der Nähe der Quelle wurde zudem ein Gurgelraum für die Kurgäste gebaut.

Einen prominenten Trinker des Bad Weilbacher Wassers gab es natürlich auch: Johann Wolfgang von Goethe lobte in einem Brief, den er am 4. Juni 1815 an seine Frau schickte, die „köstliche Wirkung des Weilbacher Wassers“. Im Jahr 1860 wurde dann auch die Natron- Lithionquelle gefaßt. Seit 1866 kamen beide Quellen sowie die Kurgebäude und Anlagen in den Besitz des Königlich Preußischen Domänenfiskus. Bis 1880 wurde das Wasser in großen Mengen in Süd- und Westdeutschland durch den Fachhandel verkauft.

Am 31. Mai 1911 verkaufte die Königliche Regierung die Kureinrichtungen von Bad Weil­bach dem Reifensteiner Verband für Wirtschaftliche Frauenschulen auf dem Lande. Der neue Besitzer verpflichtete sich, die auf den gekauften Grundstücken befindlichen Mineralquellen zu erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Im Jahre 1911 eröffnete der Verband eine Frauenschule mit 75 Ausbildungsplätzen; die Frauen wurden als ländliche Haushaltsgehilfinnen ausgebildet. Angegliedert wurde später die Kolonialfrauenschule. Dort bereiteten sich Frauen darauf vor, in deutschen Kolonien als Farmgehilfinnen zu arbeiten oder selbstständige Anstellungen in Siedlungen zu übernehmen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Abteilung wieder aufgelöst, 1971 schloß auch die Landfrauenschule.

Heute sind dort Wohnungen am Rande des alten Kurparks mit seinem schönen Baumbestand. Die Platanenallee, die von der Landstraße zur Quelle führt, stammt aus der Gründungszeit und gilt heute als Naturdenkmal.   Quelle, Park und Allee wurden von der Stadt Flörsheim saniert. Bad Weilbach ist heute ein zentraler Naherholungsort für die Stadt. Rad- und Wanderwege kreuzen diesen Bereich. Es gibt auch immer noch Menschen, die mit Kanistern zur Quelle kommen, um sich Wasser für die häusliche Trinkkur zu zapfen.

Nach Süden fährt man wieder heraus durch die „Allee“, eine denkmalgeschützte Platanenallee, und auf der Bundesstraße dann nach Flörsheim

 

 

Flörsheim

Der Name Flörsheim entstand aus der Bezeichnung „Flaritesheim“ oder „Flaradesheim“ (Wohn­sitz des Flarido). Ein Mann namens Flarido hatte also soviel Einfluß und Macht, daß er ein ganzes Dorf nach sich benennen konnte. Um 828 wurde „Flaritesheim“ zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt. Die Bezeichnung „Stadt“ hat der Ort erst 1953 erhalten, obwohl Flörsheim schon seit Jahrhunderten ein wichtiger Marktflecken und Handelsplatz war

Das Dorf war in Form eines Ringes - „Ringdorf“ - angelegt, dessen Zentrum sich ungefähr unterhalb der heutigen Gallus - Kirche befand. Später wurde es zu einem „Wegedorf“ erweitert und war ab Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1764 mit Mauern und Gräben umgeben. Die zur Stadtbefestigung gehörenden Türme standen bis 1818. Um den Ort vergrößern zu können, ebnete man den Graben ein und riß Mauern und Türme ab. Flörsheim dehnte sich im Laufe der Jahre bis hin zur heutigen Bahnstrecke (die schon 1839 hier verlief) aus.

Aus alten Rechnungen weiß man Bescheid über den Bau der Ortsmauer, denn am 28. Dezember 1547 quittierten Bertin Althen und Peter Duchmann den Erhalt von 80 Gulden durch das Domkapitel. Dafür sollte bis Sommer 1548 die Ortsmauer bis zur Oberpforte fertiggestellt sein. Die Ortsmauer verlief also parallel zur östlichen Obermainstraße bis zum Obertor, führte dann einen Graben entlang (der heutigen Grabenstraße) bis zum Untertor (30) und weiter bis an den Main. Dort führte sie nach Osten wieder bis zum Mainturm.

Neben dem Mainturm weiß man noch von weiteren Türmen. Ein Turmstumpf ist sichtbar vom Stadtgarten aus als umgebaute Laube des Anwesens „Obermainstraße 6“, Fundamente eines Turms fanden sich bei Grabungen in der Grabenstraße (parallel zum Mainufer) in Höhe des Rathenau - Platzes (29). In einigen Straßennamen Flörsheims haben sich Namen erhalten, die auf die Ortsbefestigung Bezug nehmen, zum Beispiel „Am Strohpförtchen“, das an einen Fußweg in den befestigten Ort erinnert. Die Ortsmauer leistete über 200 Jahre ihre Dienste; im April 1767 begann man mit der Schleifung, da sie in der Neuzeit funktionslos geworden war.

 

(1) Oberpforte (Obere Pforte):

Die Obere Pforte befand sich in der Obermainstraße ungefähr dort, wo heute das Haus mit dem Optikergeschäft steht. Sie war früher eine von mehreren Pforten in den Ort. Wer zum Beispiel aus Richtung Weilbach oder Eddersheim nach Flörsheim hinein wollte, mußte durch dieses Tor. Für die Bewohner waren die Mauern, die das Dorf umgaben, sowohl ein wichtiger Schutz gegen Angreifer in kriegerischen Zeiten als auch vor Räubern und Dieben, die durch das Land streiften.

 

(2) Christ-Königs-Kapelle:

Wenn man nun von der Ampel aus in Richtung Main geht und der Obermainstraße folgt, sieht man gleich auf der linken Seite die Christ - Königs - Kapelle von dem Bildhauer Schichtel. Sie wurde 1927 eingeweiht, also mehr als ein Jahrhundert später als der Abriß der Stadtmauer und ist seitdem einer der vier Prozessions - Altäre an Fronleichnam und am „Verlobten Tag“ in Flörsheim.

 

(3) Dreihäusergasse:

Mit dem Rücken zur Kapelle schaut man in eine Gasse hinein - die Dreihäusergasse (nördlich der Hauptstraße, die östlichste der kleinen Straßen). Auf die Zahl der drei Häuser kommt man, wenn man nur die Häuser nimmt, die wirklich zu der Straße zählen und nicht auch die, die zu den angrenzenden Straßen gehören.

Wie die Ortsmauer ausgesehen hat, kann man gut am Mauerwerk des ersten Hauses in der Obermainstraße und in der Dreihäusergasse erkennen. Man verwendete Bruchsteine, also Felsstücke aus Steinbrüchen, die eine unregelmäßige Form, unbearbeitete Flächen und scharfe Kanten haben. Sie wurden auf gewünschte Größe gebrochen oder grob behauen, um ein bestimmtes Format zu erhalten.

 

(4) Fachwerkhaus:

In der Hauptstraße sieht man gegenüber der Dreihäusergasse ein Fachwerkhaus, das in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut wurde, wie man aus der Art des einfachen Fachwerks schließen kann. Es ist typisch für diese Zeit. Natürlich muß man sich den modernen Anbau wegdenken.

 

(5) Patrizier-Haus:

Das herrschaftliches Patrizier-Haus Obermainstraße 6 ist aus dem Jahre 1661. Um das Jahr 1740 wurde ein Frankfurter Bürger namens Johann Philipp von Uffenbach als Besitzer erwähnt. Im Jahre 1758 fiel dann das Haus an die Familie des kurmainzischen Rates Gottfried von Gall. Um 1800 wechselte es in den Besitz des Oberschultheißen Martin Neumann und 1825 an dessen Schwiegersohn Oswald Weilbacher. Ein Turmstumpf ist sichtbar vom Stadtgarten aus als umgebaute Laube des Anwesens „Obermainstraße 6“,

 

(6) Apothekengasse:

Das Haus, in dem sich auch einmal die heutige Schlosserei Dasbach befand, war ab 1868 die erste Apotheke in Flörsheim.

 

(7) Obermainstraße 9:

Auf der anderen Seite der Obermainstraße steht das Haus Nummer 9. Dieses Haus ist durch seine Bauart nämlich etwas ganz besonderes. Es war im 17. und 18. Jahrhundert üblich, die Häuser nach fränkischer Bauart mit der Giebelseite zur Straße hin zu bauen, so daß man von der Straße aus nur die schmale Seite des Hauses sah.

Der Erbauer dieses Hauses aber wollte etwas Besonderes. Er hieß Martin Neumann und war ein angesehener und vermögender Mann. Als Gerichtsschreiber und Schultheiß gehörte er dem Flörsheimer Gericht an. In seinem Haus befand sich außerdem auch die Gastwirtschaft „Zum Löwen“, die er neben der Landwirtschaft und seinen anderen Pflichten betrieb.

Um allen seinen Wohlstand zu beweisen und die Breite seines Grundstücks hervorzuheben, ließ er sein Haus mit der Traufseite, demnach der breiten Seite, zur Straße hin bauen. Im oberen Teil des Sandsteinbogens der Hofeinfahrt hat er das Baujahr des Hauses 1766 und seine Initialen „M + N“ verewigt. Sein Sohn war der Oberschultheiß Martin Neumann, dem nach 1800 das Patrizier-Haus gehörte.

Im Rahmen der Altstadtsanierung ist die Obermainstraße zur „Dorfstraße“ zurückgebaut worden. Man findet hier wieder ein eher verwinkeltes Straßenbild mit typischen Elementen der Dorfstraße, wie zum Beispiel einem Brunnen. Überhaupt ist die städtebauliche Entwicklung der Ortskerne seit Jahren für die Stadt Flörsheim ein wichtiges Ziel: Im Jahre 1986 wurde Flörsheim in das Städtebauförderungsprogramm aufgenommen. Dies konnte natürlich nur geschehen, weil die Stadt schon Jahre zuvor, aus eigenem Antrieb und ohne Hilfestellung von außen, mit der Ortskernsanierung begonnen hat

 

(8) Brunnen mit Schwengelpumpe:

Mitten in der Straße steht ein Brunnen mit Schwengelpumpe. Wer Wasser wollte, mußte es Eimer für Eimer hier oder an anderen Brunnen im Ort holen und nach Hause schleppen. Es bedeutete Mühe, das Wasser zum Kochen und Waschen oder auch das Trinkwasser für das Vieh ins Haus zu holen, also ging man sehr sorgsam damit um. Die zentrale Wasserversorgung in Flörsheim wurde 1927 in Betrieb genommen - kaltes Wasser versteht sich.

 

(9) Mainturm:

Der Mainturm ist das älteste noch erhaltene Flörsheimer Bauwerk und Teil der früheren Befestigungsanlage von Flörsheims Altstadt, die 1548 fertiggestellt wurde. Es war für Flörsheim die zweite ihrer Art, denn schon im 14. Jahrhundert war Flörsheim befestigt worden. Bei der alten Ortsbefestigung hatte es sich jedoch lediglich um eine aus Holz gehandelt.

Der Mainturm bot aber lediglich einen Durchlaß für Fußgänger, Karren und Gänse. Fuhrwerke mußten an anderen Stellen, zum Beispiel an der Ankerpforte, der großen Mainpforte oder dem Untertor in den Ort hinein oder hinaus.

Der Main spielt in der Stadt eine große Rolle. Zum einen diente er als Ernährungsgrundlage durch seinen Fischreichtum, zum anderen war er Transportweg für Waren. Es war einfacher, Handelsware auf einem Schiff zu transportieren, als sie auf Ochsenkarren über holprige Straßen zu befördern und die Gefahr einzugehen, überfallen zu werden.

Und mit dem Main war auch das Hochwasser im Laufe der Jahrhunderte in Flörsheim immer wieder ein Thema. Vor allem die Bewohner der Obermainstraße hatten dadurch oft große Schäden an ihren Häusern. An der Hochwassermarke am Mainturm ist zu erkennen, wann das Wasser wie hoch stieg.

 

(10) Der Außenbrunnen am Kunstforum Mainturm:

Der Brunnen stellt wichtige Ereignisse in Flörsheims Geschichte dar: Die römische Legionsstandarte weist auf das römische Reich, also die Anwesenheit der römischen Legionen bis in das 4. Jahrhundert nCh hin. Der Landsknecht - Stiefel erinnert an die Kriege des Mittelalters, die auch Flörsheim nicht verschonten. Ein Hinweis auf die jüdische Gemeinde in Flörsheim ist der siebenarmige Leuchter. Der Bischofsstab besagt die ehemalige, über 1000-jährige Zugehörigkeit zum Erzbistum Mainz. Sogar die Französische Revolution im Jahre 1789 wird durch eine Mütze symbolisiert. Damals war der Mainzer Raum durch die französische Armee besetzt und als Antwort auf diese Zeit entstand das fassenachtliche Treiben, indem man die Soldaten mit ihren Uniformen im Spaß imitierte. Die Fische im Netz erinnern an die Fischer, die hier lebten.

 

(11) Mainstein:

Die Idee stammte vom damaligen Bürgermeister Dieter Wolf. Die Konzeption und Ausführung im Jahre 1984 vom Steinbildhauermeister Rainer Uhl. Dargestellt sind auf der Sand­stein - Stele Ereignisse der gesamten Stadt. Zwischen Frankfurter und Mainzer Dom windet sich der Main um die Stele und präsentiert für Flörsheim und seine Stadtteile wichtige Figuren, Ereignisse und Gebäude. Da sind der Fischer und das Netz mit Fischen als Lebensgrundlage und der Main als Handelsweg. Hinweise zur Landwirtschaft mit Gänsen, Getreide und Rebstöcken sind ebenso zu sehen wie der Mainzer Dom mit seinem Erbauer Erzbischof Willi­gis und der Frankfurter Dom mit dem fränkischen König Karl dem Großen.

Markante Gebäude und Einrichtungen sind zu sehen. Ebenso sind Motive des Rheingaus, mit dem uns der Wein verbindet, wie das Schloß Johannisberg und der Oestricher Kran in Stein gehauen. Und auch - nicht zu vergessen - die bildliche Schilderung der Prozession am Verlobten Tag. Ganz oben aber, an der Spitze des Steines, sitzt der Narr, das Symbol der Fassenacht, mit seinem Spiegel.

 

(12) Ankerpforte:

Vom Mainstein aus geht man jetzt durch die ehemalige Ankerpforte, die groß genug war, um auch Fuhrwerke durchzulassen, wieder in die Obermainstraße hinein. Der Name „Ankerpforte“ kommt von dem Gebäude gleich auf der linken Seite, dem früheren Gasthaus „Zum Anker“. Erbaut wurde das Haus im Jahre 1647, wie man im Gasthausschild mit Anker, Krug und Pokal an der eingefügten Jahreszahl erkennen kann. Im Jahre 1670 wird es erwähnt als Besitz einer Eva Pfannkuch, wahrscheinlich der Witwe eines kurmainzischen Rittmeisters gleichen Namens. Ein ebenfalls bemerkenswertes Fachwerkhaus findet sich an der Ecke zur Borngasse

Der Charakter der Altstadt hat sich hier, nach nur wenigen Metern Entfernung von der Obermainstraße, gründlich gewandelt. Ist die Obermainstraße geprägt durch große Gehöfte, liegen die Häuser in der Fischergasse und Borngasse eng gedrängt aneinander. Für das Fachwerkhaus an der Ecke der Borngasse ist das Datum 1667 nachgewiesen. Das eingebaute Wappen ist nicht geklärt. Es kann sich um das Wappen des Besitzers handeln, es kann aber auch nur ein Stein sein, die als Zierstein beim Bau des Hauses eingesetzt worden ist.

 

(13) Mainschlößchen:

Direkt gegenüber, an der anderen Seite der heutigen Hochwassersperre, steht ein Haus, das sehr viel später erbaut wurde - nämlich um 1900 herum. Diese Zeit nennt man Jugendstil.

Die Größe des Hauses macht wieder deutlich, daß der Erbauer ein wohlhabender Mann war, der sein Geld durch unternehmerische Tätigkeiten verdiente. Es war die Zeit der Industrialisierung in Deutschland.

(14) Die Hochwassersperre soll die Bewohner der Obermainstraße vor Hochwasser schützen. Starke Regenfälle oder auch Schneeschmelze führen immer wieder zu Pegelhochständen der Flüsse und damit oft zu Überschwemmungen.

 

(15) Gasthaus „Zum Stern“:

Mit dem Rücken zur Hochwassersperre schauen wir direkt auf das Gasthaus „Zum Stern“. Das große Grundstück weist auf die einst betriebene Landwirtschaft hin. Es war durchaus üblich, daß Landwirte zusätzlich noch eine Gaststätte betrieben und somit wohlhabend wurden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das alte Fachwerkgebäude durch Bombenangriffe in der Nacht vom 8. auf den 9. September 1942 zerstört. Beim Wiederaufbau erscheint das Fachwerk des Obergeschosses nur als Imitation.

 

(16) Wohn- und Gasthaus „Zum Engel“:

Man geht ein paar Schritte nach rechts und steht wieder vor einem Wohnhaus wohlhabender Leute (Hausnummer 19), eines der prächtigsten Privatgehöfte aus dem 17. Jahrhundert. Das Erdgeschoß ist zum Schutz der Bewohner gegen Hochwasser sehr hoch gelegen.

Es ist eines der ältesten Wohnhäuser Flörsheims und durch seine Bauweise und das schöne Fachwerk etwas besonderes. Eine Inschrift am rechten Eckbalken lautet: „Dieses Haus steht in Gottes Hand, Gott bewahre es vor Wasser und Brand. Gg. Bernhardt, seine eheliche Hausfrau, Christina, Anno D. 1667.“ Georg Bernhardt war Oberschultheiß von Flörsheim und muß es zu erheblichem Wohlstand gebracht haben, wie das Haus in der Obermainstraße und zwei noch erhaltene, von ihm gestiftete Flurkreuze (eins an der Riedstraße und eines am Kreuzweg) und eine Kirchenstiftung berichten.

 

(17) Fischergasse (erste Straße rechts):

Hier sind die Häuser Grundstücke merklich kleiner als die der Bauern in der Obermainstraße oder in der Hauptstraße. Neben Lagermöglichkeiten für Fischereigerät war immer noch genug Platz für eine Ziege oder ein Schwein, die den Speiseplan durch frische Milch oder einen Schinken von Zeit zu Zeit aufwerteten. Die Boote der Fischer, die Nachen, lagen angebunden am Flußufer. Nur bei Hochwasser wurden sie an Land gebracht.

 

(18 ) Borngasse (zweite Straße rechts):

Auch in der Borngasse wohnten Fischer, aber auch Handwerker. Wie in der Fischergasse sind hier die Häuser und Grundstücke relativ klein, bis auf das untere rechte Eckhaus. Es wurde 1667 gebaut und hat drei, statt zwei Stockwerke und ein besonders kunstvolles Fachwerk.

Der Name Borngasse leitet sich von Born = Brunnen ab, der einmal in dieser Gasse stand und der täglichen Wasserversorgung diente.

 

(19 ) Gasthaus „Zum Hirsch“:

Früher trafen sich die Menschen am Abend in der Wirtschaft bei einem Glas Apfelwein, um miteinander zu reden, Nachrichten auszutauschen und Karten zu spielen. Das Wirtshaus war ein wichtiger Treffpunkt. Hier wurden Geschäfte abgeschlossen, Ehen vermittelt und Klatsch und Tratsch ausgetauscht.

Das Gasthaus ist dreihundert Jahre alt und wurde von Anfang an bis heute ständig bewirtschaftet. Damit dürfte es das älteste, heute noch bestehende Gasthaus in Flörsheim sein. Bis etwa 1960 gab es hier noch einen großen Saalbau, in dem zum Beispiel der Kerbetanz, Theatervorführungen und Maskenbälle stattfanden.

Auf der Mauer, die die Terrasse umgibt, steht die Figur des Heiligen Nepomuk. Eigentlich ist er ein Brückenheiliger, steht aber ebenfalls oft in der Nähe von Gewässern, da er der Legende nach den Märtyrertod starb, indem er nach Folterung von der Prager Karlsbrücke gestoßen wurde. Er wollte dem König nicht verraten, was ihm dessen Frau während der Beichte anvertraut hatte.

 

(20) Große Mainpforte:

Die Große Mainpforte, durch die man Zugang um Landeplatz (Konrad - Adenauer - Ufer) für Schiffe und Flöße und zum Stapelplatz für Waren verschiedenster Art (Steine, Holz, Weinfässer) hatte, befand sich am Ende der heutigen Pfarrer – Münch - Straße (dritte rechts), links vom Gasthaus „Zum Hirsch“ (vom Main aus gesehen).

Als der Main noch ein wichtiger Transportweg war, reichte der Landeplatz vom Bootshaus bis hin zum Berliner Brunnen, wo sich der Fähren - Anlegeplatz befand. Zur Erinnerung an die Fähre von „hibb nach dribb“ wurde dort und auf der Raunheimer Seite eine Steinstele aufgestellt.

Wichtig war die Fähre, die schon im 13. Jahrhundert existierte, um zum Beispiel in den Flörsheimer Wald zu kommen, der schließlich auf der anderen Mainseite liegt. Erst im Jahre 1928 wurde zwischen Rüsselsheim und Flörsheim die erste feste Brücke gebaut, die „Opel-Brücke“. Sie wurde wegen des wachsenden Verkehrsaufkommens durch eine neue, größere Brücke, die „Main- Brücke“ ersetzt.

 

(21) Malzfabrik:

Oberhalb des Gasthauses „Zum Hirsch“ befand sich eine Mälzerei, erbaut 1885, die „Malzfabrik“. Hier wurde Gerste zu Malz verarbeitet, um es später mit Hopfen und Wasser zum Bierbrauen verwenden zu können. Es gab um 1900 sechs solcher Mälzereien in Flörsheim. Die ortsansässigen Bierbrauer hatten nämlich, wahrscheinlich um sich lange Transportwege zu sparen, auch gleich eine hauseigene Mälzerei. Diese Mälzerei hier in der Untermainstraße wurde 1973 abgebrochen und auf dem Grundstück wurde eine Wohnanlage errichtet, die selbstverständlich den Namen „Alte Malzfabrik“ trägt.

 

(22) Pfarrer-Münch-Straße (dritte Straße rechts):

Pfarrer Münch war der Mann, der während der Pest in Flörsheim den Bewohnern in jeglicher Hinsicht zur Seite gestanden hat und nicht bereit war, aufzugeben - also ein wahrer Held seiner Zeit. Als die Pest im Sommer 1666 wütete und etliche Flörsheimer dahinraffte, wurde die Situation für die rund 700 Flörsheimer scheinbar ausweglos. Pfarrer Münch vermerkt im Kirchenbuch 160 Tote - und das bei 700 Einwohnern!

Da leisteten Pfarrer Laurentius Münch und die Gemeinde am 28. Juli 1666 ein Versprechen für sich und ihre Nachkommen: „Solange in Flörsheim steht Stein auf Stein, wollen wir eine Dankprozession zum Lobpreis des Allerhöchsten alljährlich durchführen, wenn wir von der Pest erlöst werden.“ Am 27. Januar 1667 schreibt er in einer Randbemerkung, daß die Pest zu Ende ist.

Seitdem halten die Flörsheimer dieses Versprechen und feiern jedes Jahr den „Verlobten Tag“ mit einer Prozession wie am Fronleichnamsfest („mit brennenden Kerzen“) - auch in schweren Zeiten. Daß es der letzte Montag im August ist, war nicht von Beginn an so. Erst seit 1866 begehen die Flörsheimer an diesem Montag ihren Verlobten Tag. Nicht nur für die Katholiken, für die ganze Gemeinde ist dies ein hoher Feiertag. Bis in die dreißiger Jahre nahmen auch die jüdischen Flörsheimer an der Feier teil, indem sie mit einer Station auf dem Prozessionsweg an die jüdischen Opfer der Pest erinnerten. Dazu wurde das Memorbuch der jüdischen Gemeinde ausgestellt

Aber auch am Vorabend des Verlobten Tages wird ein Versprechen eingelöst. Die Mitglieder des Flörsheimer Gesangvereins „Sängerbund“ 1847 e. V. haben anläßlich ihres 100jährigen Bestehens im Jahre 1947 gelobt, zur Einstimmung auf den Verlobten Tag am Abend davor ein Vermächtniskonzert abzuhalten, welches seitdem jedes Jahr immer wieder aufs Neue mit großem Zuspruch stattfindet. Nach dem Konzert gibt es eine ökumenische Prozession zum Pestkreuz in der Hauptstraße. 

 

(23) Fachwerkhaus:

Das Fachwerkhaus, das an der linken oberen Ecke der Pfarrer-Münch-Straße steht, wurde 1700 erbaut. Das beweist ein Ziegel, den der jetzige Besitzer bei der Sanierung seines Daches fand. Die auf dem Ziegel dargestellten Motive hat er, für jeden sichtbar, an die Wand seines Hauses gemalt. Nicht nur das Dach, sondern das gesamte Fachwerk wurde im Rahmen der Altstadtsanierung, die 1975 begann und bis heute noch nicht abgeschlossen ist, erneuert und verschönert.

In früheren Jahren wurden Fachwerkhäuser verputzt, in dem Glauben, die Holzkonstruktion dadurch zu schützen. Doch leider war das Gegenteil der Fall. Beim Freilegen der Balken, mußten viele der Holzteile ausgesägt und durch neue ersetzt werden, um die Stabilität des Hauses weiter zu gewährleisten. Durch etliche Sanierungsmaßnahmen in der Flörsheimer Altstadt hat sich das Stadtbild zu seinem Vorteil hin verändert. Für diese Stadterneuerung erhielt die Stadt Flörsheim am Main auch Auszeichnungen von Bund und Land.

 

(24) Untermainstraße:

Hier in der Untermainstraße finden sich heute noch einige große Anwesen, die früher landwirtschaftliche Betriebe waren. Von der Pfarrscheune und dem Pfarrhof, die sich dort befanden, wo heute das Gemeindezentrum St. Gallus steht, ist leider gar nichts mehr zu sehen. Das Haus, in dem sich die Gaststätte „Zum Karpfen“ befand, links vom Pfarrhof, steht allerdings noch. Es war - wie so oft - Gaststätte und Bauernhof in einem.

Außerdem war es einmal im Besitz der „Prediger-Herren“ (Mönche des Dominikaner-Ordens aus Frankfurt). Dieser Orden besaß in Flörsheim große Ackerflächen und einen Weinberg, wie auch andere Ordenshäuser, zum Beispiel die Kartäuser. Ein Stück weiter die Untermainstraße entlang sieht man im Torbogen eines ehemaligen Bauernhofes (Hausnummer 15) die in Stein gehauene Jahreszahl 1683.

Da die Untermainstraße direkt an der Stadtmauer verlief, gab es natürlich auch einige Durchlässe zu den Mainwiesen hin, wie zum Beispiel das Strohpförtchen, was der Straßenname heute noch beweist oder das Gänsepförtchen (zwischen Hausnummer 44 und 46). Woher der Name Strohpförtchen kommt, ist leider nicht geklärt. Aber sicher ist, daß durch das Gänsepförtchen die Gänse auf die Mainwiese zum Gänskippel getrieben wurden.

Auch hier sind die alten Häuser und Grundstücke viel kleiner sind als die Häuser, die beispielsweise in der Nähe des Gemeindezentrums stehen. Hier wohnten wohl eher Fischer oder Tagelöhner mit ihren Familien, ähnlich wie in der Fischer- oder Borngasse.

 

(25) Karthäuser Hof (auch: die Kartause):

An der Kreuzung von Untermain- und Kartäuserstraße steht der ehemalige Wirtschaftshof des Kartäuserklosters in Mainz. Dort, wo man gegenwärtig im Restaurant essen oder Gäste im Hotel übernachten können, hatten im 18. Jahrhundert Mönche des Mainzer Kartäuser-Ordens ihren Wirtschaftshof. Die Anlage stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Mainzer Kartäuser besaßen in der Gemarkung Flörsheims viele Felder, deren Erträge sie in ihrem Wirtschaftshof, 1733 erbaut, weiterverarbeiteten oder lagerten. Das Mainzer Kartäuserkloster zählte in Flörsheim zu den reich-begüterten Orden der Gemeinde. Im Jahre 1781 wurde das Kloster durch den Mainzer Kurfürsten Friedrich Carl Joseph von Erthal aufgelöst, wobei dessen Besitz an die Mainzer Universität fiel. Nicht zu übersehen ist eine Statue des Hl. Bruno, des Gründers des Ordens, die auf dem überdachten Balkon der abgerundeten Hausecke steht.

 

(26) Pelzfabrik:

Direkt links neben dem Kartäuser Hof sehen wir das Modellhaus der ehemaligen Fayence-Fabrik, in dem die Formen zur Herstellung der Fayence erstellt und aufbewahrt wurden. Gleichzeitig auch als Wohnhaus des Direktors jener Fabrik diente. Die Fayence-Manufaktur war 1765 vom Mainzer Kurfürsten in Flörsheim angesiedelt worden und stellte hochwertige Steingutwaren her.

Am Ende des 19. Jahrhunderts, der Kurstaat war schon lange zugrunde gegangen, siedelte sich in dem Gebäude eine Pelzschneiderei an. Aus dieser Zeit stammt der im Flörsheimer Volksmund existierende Name für das Haus: „Pelz-Fabrik“. Ende des 19. Jahrhunderts hat der

Steingutfabrikant Wilhelm Dienst das Haus als Fertigungsstätte für seine Waren genutzt.

Folglich eine ähnliche Ware, viel grober, aber dafür bruchfester und für den alltäglichen Gebrauch einfacher Leute gemacht.

Im gleichen Gebäude war bis 1900, dem Jahr, in dem Flörsheim eine eigene evangelische Kirche erhielt, der Gebetssaal der evangelischen Gemeinde untergebracht. Die heutige Evangelische Kirche (Bahnhofstraße 14) wurde 1901 erbaut von Ludwig Hoffmann im Stil des Historismus und hat vorwiegend gotische Stilelemente. Bei der Renovierung 1998 wurde die ursprüngliche Bemalung wieder hergestellt.

 

(27 ) Gänskippel:

Deutlich für jeden steht hier die Gänsemutter mit ihren Küken und zeigt genau, an welcher Stelle die Gänse auf die Weide durften. Der Kippel ist ein Wort für eine kleine Anhöhe, die im Falle des Gänskippels aus dem Abbruch eines Turms der Ortsbefestigung entstanden ist. Der Bauschutt wurde verteilt und wölbte sich zu einem fast nicht sichtbaren Hügel.

„Bewacht“ werden die Metall-Gänse vom „Gänskippelschorsch“, dessen Steinbildnis an der Wand angebracht ist. Diesen Mann hat es nie wirklich gegeben. Der Flörsheimer Journalist und Ehrenbürger Jakob Altmaier (* 1889, † 1963) hat ihn erfunden, um in seinem Namen Glossen über Flörsheimer Geschehnisse zu schreiben. Ein Pseudonym also mit gewissem Bekanntheitsgrad.

Am Konrad-Adenauer-Ufer steht ein Reliefstein. Es zeigt den „Gänsekippelschorsch“. Unter diesem Pseudonym schrieb der Flörsheimer Journalist in den 1920er Jahren in der Flörsheimer Zeitung. Im Jahre 1889 in eine große jüdische Flörsheimer Familie hineingeboren (Elternhaus in der Hochheimer Straße 4) war Jakob Altmeier Soldat im Ersten Weltkrieg, lebte anschließend unter anderem in Frankfurt und Berlin und reiste häufig ins Ausland. Früh war er Mitglied bei der SPD; Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“, des „Vorwärts“ und nahm am spanischen Bürgerkrieg teil.

Als Jude und Sozialdemokrat war er den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten von Beginn an besonders heftig ausgesetzt, so daß er bereits 1933 emigrierte. Er lebte während des Zweiten Weltkrieges in Kairo. Im Jahre 1948 kehrte er auf Bitten des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher nach Deutschland zurück. Er vertrat den Wahlkreis Hanau-Gelnhausen seit 1949 als Mitglied des Bundestages in Bonn. Seit 1949 war er bis zu seinem Tod 1963 in Bonn Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Im Jahre 1954 wurde er Ehrenbürger der Stadt Flörsheim. Er hatte Beziehungen zu zahlreichen Politikern seiner Zeit (Eisenhower, Kennedy, aber auch Papst Pius XII. und Johannes XXIII.). Jakob Altmeier war maßgeblich am Aufbau der Beziehungen zwischen Israel und der Regierung Adenauer beteiligt. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Flörsheim beigesetzt. Nach der Familie Altmaier ist gleichfalls eine Straße in Flörsheim benannt.

 

(28) Pestkreuz:

Wenn man vom Spielplatz aus wieder in Richtung Hauptstraße geht, kommt man direkt an das Pestkreuz. Es wurde im Jahre 1712 in Erinnerung an das Pestjahr 1666 an der früheren Ortsmauer, die die linke Seite der Untermainstraße bildete, von den Eheleuten Goßlar (Seßler?) errichtet. Als die Mauern abgebrochen wurden, versetzte man das Pestkreuz an die heutige Stelle. Die westliche Straßenseite der Hochheimer Straße wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts bebaut. Bis zum 19. Jahrhundert verlief hier die Ortsmauer. Es ist zu vermuten, daß das Kreuz an die Ortsmauer gelehnt war, bis man diese abriß, um dort eine Häuserzeile zu bauen. Im Jahre 1966 wurde das alte, kleine Haus abgerissen und ein neues, zweigeschossiges Haus erbaut. Das Kreuz blieb während der Bauzeit an seinem Platz stehen, wie alte Fotos zeigen. Am Verlobten Tag ist das Pestkreuz immer einer der vier Altäre der Prozession.

 

(29) Untere Pforte:

Die Untere Pforte befand sich in der Hochheimer Straße ungefähr zwischen der Bleich- und der Grabenstraße. Ging man durch die Untere Pforte, gelangte man auf die Wege nach Hochheim, Mainz und Wicker. Im Jahre 1818 wurden beide Pforten, also Untere und Obere Pforte, bei Abbruch versteigert, das heißt, die Menschen kauften nicht das Bauwerk, sondern die Steine, aus denen die Türme mit den Pforten errichtet waren.

Wie viele andere Straßennamen hat auch die Grabenstraße den ihren zu Recht. Hier lief der Graben entlang, der zusammen mit der Ortsmauer die Bewohner vor Eindringlingen und Überfällen schützen sollte. Bereits 1764 war mit der Niederlegung, dem Abriß, der Ortsmauer begonnen worden. Die Gräben wurden eingeebnet. Nach 1820 baute man dann die ersten Häuser in der heutigen Grabenstraße.

 

(30) Fayence-Fabrik (westliche Hauptstraße):

Im Haus Hauptstraße 42 war ab 1765 die Flörsheimer Fayence Fabrik. Hier wurden also die feinen Keramikwaren gefertigt, für die Flörsheim so bekannt ist, daß man das Markenzeichen, nämlich „FFF, 1952“ mit in das Stadtwappen übernommen hat. Die Flörsheimer Fayence Fabrik entsteht aufgrund eines Vertrages des Kartäuser-Klosters in Mainz und der künftigen Pächter. Für die Produktion benötigten die Pächter aber noch die Verleihung eines Privileges durch den Landesherrn, den Kurfürsten. Damit verbunden war unter anderem die Zollfreiheit für die Einfuhr der notwendigen Rohstoffe und die Ausfuhr der hergestellten Produkte, außerdem Einfuhrverbote für Konkurrenz-Erzeugnisse. Zeitweise waren in der Flörsheimer Fayence Fabrik 60 Arbeiter beschäftigt, für die damalige Zeit eine beachtliche Anzahl.

 

Mikwe (Hausnummer 55):

Wenn man die Hauptstraße entlang geht, kommt man an der Hausnummer 55 vorbei, einer Hofanlage mit drei Fachwerkwohnhäusern und überdachtem Hoftor. Die beiden Wohngebäude an der Hauptstraße sind giebelständig mit Krüppelwalm, beide mit massiv erneuertem Erdgeschoß auf Bruchsteinsockel und einem Fachwerkobergeschoß. Das schlichte, konstruktive Rähmfachwerk der Nr. 53 gehört in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Rähm­kon­struktion der Nr. 55 mit gebogenen Streben und profiliertem Kranzgesims in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Das traufständige Haus Brunnengasse 2 mit Satteldach ist ein verputzter Rähmbau mit massivem Erdgeschoß, mit geringem Geschoßüberstand, aus dem 17. / 18. Jahrhundert.

Das Haus hat der Künstler Reinelt gekauft und stellt hier vor allem Raben in verschiedenen Formen her. Anläßlich von Renovierungs- und Aufräumungsarbeiten seit dem Jahre 1983 wurde in dem Haus eine Mikwe entdeckt und bis 1988 auf Grund einer privaten Initiative der Familie Reinelt restauriert. Zu dem 4,80 Meter tief liegenden Tauchbecken führt eine geradlinige steile Steintreppe mit 16 Stufen. Der Treppenhals hat schmiedeeiserne Ösen sowohl am Tonnengewölbe als auch an einem Fasen-Rücksprung des Gewölbeansatzes.

Die Mikwe stammt in ihrer Anlage aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg, vielleicht aber auch erst aus dem 17. / 18. Jahrhundert. Sie war bis um 1838 (1837 bis 1839) in Betrieb. Dann wurde sie im Zusammenhang mit den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert eingeführten Vorschriften der Behörden über die Ritualbad - Anlagen aufgegeben, dann wurde eine neue in der nahen Synagoge erbaut. Zusammen mit dem 1447 ersterwähnten jüdischen Friedhof und der 1718 erbauten Synagoge ist die Mikwe Zeugnis für aktives jüdisches Leben in Flörsheim, das über Jahrhunderte dauerte, bis es in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört wurde. Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde vergleiche die Seite „Juden, andere Orte“.

 

(31) Fachwerkhäuser:

Leute wie Bauern, Handwerker oder Fischer wohnten zumeist in Fachwerkhäusern, die bis­lang einige hundert Jahre überstanden haben. Diese Fachwerkhäuser wurden ohne Baukran und Betonmischmaschine gebaut. Der Maurer legte hier nur für Fundamente, Keller, Sockelaufbau und eventuell am Erdgeschoß Hand an. Der Rest war Sache des Zimmermanns und des Dachdeckers.

An der Größe des Hauses und an der Art des Fachwerks konnte man erkennen, ob der Erbauer wohlhabend war. Je größer das Haus, je schmuckvoller das Fachwerk umso mehr Geld war vorhanden. Ging man im 18. Jahrhundert durch die Straßen und Gassen, sah man bis auf wenige Ausnahmen nur Fachwerkhäuser, allerdings nicht mit farbig gestrichenen Balken und eingefaßten Gefachen.

Heute fallen die restaurierten Häuser durch ihre Farbenpracht jedem ins Auge. Leider gingen viele alte Häuser im Laufe der Zeiten durch Zerfall, mangelnde Unterhaltung oder durch Abbruch verloren. Man schätzte den Wert dieser Bauart eine Zeitlang nicht so sehr wie heute und errichtete lieber neue Häuser aus Stein, als die alten Holzkonstruktionen zu erhalten.

Aber dennoch haben etliche Einwohner der Stadt keine Kosten und vor allem keine Mühen gescheut. Sie haben viel Zeit und Kraft investiert und erhielten wahre Schmuckstücke, so wie auch das Haus in der Hauptstraße

Das Haus Hauptstraße 67 fällt durch vier nebeneinander liegende Fenster in beiden Geschossen auf, da die meisten übrigen Fachwerkhäuser in Flörsheim lediglich drei Fenster in jedem Stockwerk haben. Noch mehr Fachwerkhäuser, die vortrefflich restauriert sind: Nr. 57 und Nr. 53 / 55.

 

(32) La Fayence:

Für seine feine, gehobene Küche ist das „La Fayence“ mittlerweile bekannt. Aber der Gebäudekomplex mit Wintergarten ist auch ein gutes Beispiel für die Sanierung von Altbauten mit optisch angepaßten Neubauten. Im älteren Haus war über viele Jahrzehnte eine Metzgerei.

Das Restaurant erhielt seinen Namen in Anlehnung an die Flörsheimer Fayence Fabrik, die sich ja in der Nachbarschaft befand.

 

(33) Altes Rathaus (Hauptstraße 41/43)::

Etwa hundert Meter weiter trifft man auf die größte noch erhaltene Flörsheimer Hofreite. Die ursprüngliche Bedeutung ist nicht bekannt, doch ist anzunehmen, daß es sich um den Wirtschaftshof eines Klosters gehandelt hat, erbaut etwa Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Anlage, die ursprünglich von der Haupt- bis zur Grabenstraße reichte (Stadtmauer und Graben), ging 1878 in den Besitz der Gemeinde über.

Das Hauptgebäude wurde erbaut im 17./18. Jahrhundert als stattlicher Gasthof, eine Fachwerkanlage mit Herrenhaus, Nebengebäude, Toranlage und tonnengewölbten Kellerräumen. An dem hohen Erdgeschoß und dem wuchtigen Fachwerk erkennt man, daß beim Bau dieses Hauses nicht gespart werden mußte

Links - also dort, wo heute das Heimatmuseum untergebracht ist - hatte der Verwalter des Wirtschaftshauses seine Wohnung. Von 1878 bis 1918 war hier das Flörsheimer Rathaus (Hauptstraße 43). Es fällt vor allem durch seine Dachform auf. Abweichend von anderen Häusern im Ort wurde hier kein Sattel- sondern ein Walmdach errichtet, auf dem zu früheren Zeiten noch ein Dachreiter saß. Der Keller des Hauses wurde 1988 zum „Flörsheimer Keller“ umgebaut, einem Kulturtreff mit Bühne für Kleinkunst. Das rechte Gebäude ist einfacher und diente als Gesindehaus des Wirtschaftshofes.

Zur Hofreite gehörte ursprünglich noch eine Scheune, die aber 1882 abgerissen wurde. Hier wurde zwei Jahre später die sogenannte „Grabenschule“ errichtet, heute Verwaltungsgebäude der Stadt Flörsheim am Main.

 

(34) Scharfes Eck:

Der Name weist auf den Standort des Hauses hin, nämlich direkt an der Ecke von Hauptstraße und Pfarrer-Münch-Straße. Es war das Frühmeßner-Haus und wurde wie das Alte Rathaus und das Patrizier-Haus in der Obermainstraße in der Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut und zu Beginn der Altstadtsanierungsmaßnahmen umfassend restauriert. Genau wie das Alte Rathaus hat auch das Scharfe Eck ein Walmdach und hebt sich durch eine besondere Struktur im Fach­werk hervor, die aussieht, als würde ein Mann die Arme heben. Diese Gebälkform nennt man „Wilder Mann“.

 

(35) Marktplatz:

Heute ist der gepflasterte Platz um die St. Gallus-Kirche herum der Marktplatz. Hier findet jeden Freitag der Wochenmarkt statt, im Advent der Weihnachtsmarkt, der Frühlings- und Töpfermarkt breiten sich bis hierhin aus und auch das Sommerfest hat auf diesem Platz seinen schon fast traditionellen Standort. Im 18. Jahrhundert allerdings, als Flörsheim nur ein kleiner Marktflecken war, mit wenigen Straßen, von Mauern umgeben, wurde der Markt wahrscheinlich in der Hauptstraße abgehalten. Die zurückgesetzten Häuser gegenüber der Kirche lassen den Schluß zu, daß hier der Umschlagplatz für Waren aller Art gewesen sein kann.

 

(36) Synagogengasse:

Hier stand von 1718 bis 1938 die Flörsheimer Synagoge (das Gotteshaus der Juden). Die Synagoge mit gut erhaltenen Darstellungen von Psalmen (Psalm 29) an der Giebelinnenwand gilt als die älteste im Nassauer Gebiet. Die erste Erwähnung eines Juden in Flörsheim datiert aus dem Jahr 1290. Einen ersten urkundlichen Hinweis auf die jüdische Gemeinde in Flörsheim gibt es im Jahre 1448. Es wird in einem Eintrag des Flörsheimer Gerichtsbuches ein Judenfriedhof erwähnt.

Den neuen jüdischen Friedhof gibt es seit dem Jahr 1666. Man findet ihn, wenn man auf der Straße nach Hochheim fährt und im Stadtteil Keramag gegenüber der Falkenbergstraße nach Norden fährt (zweiter Weg nach dem Schild „Chamäleon“). Dieser Friedhof beweist, so komisch das auch klingen mag, ein aktives jüdisches Leben in Flörsheim, denn dort wo Menschen leben, begraben sie auch ihre Toten.

Einen Betsaal gab es bereits im 17. Jahrhundert. Er befand sich bis 1672 in einem jüdischen Privathaus. Im Jahre 1672 brannte dieses Haus jedoch ab. Vermutlich wurde in der Folgezeit ein anderer Betsaal in einem jüdischen Privathaus eingerichtet. Das Gemeindehaus aus dem 17. Jahrhundert ist noch vorhanden.

Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts bemühten sich die Flörsheimer Juden um den Bau einer Synagoge. Im Jahre 1710 konnte ein Grundstück erworben werden, auf dem in den folgenden Jahren eine Synagoge erstellt wurde. Sie ist am Sabbat Nachamu des Jahres 1718 (13. August 1718 = 16. Aw 5478) eingeweiht worden. Im Jahre 1852 brach in der Synagoge ein Brand aus, der jedoch gelöscht werden konnte. Freilich sind alte Urkunden, vor allem das Memor­buch der Gemeinde, dabei zerstört worden. 

Am Sabbat Nachamu des Jahres 1918 (20. Juli 1918 = 11. Aw 5678) wurde das 200jährige Bestehen der Synagoge in Anwesenheit des Bezirksrabbiners Dr. Adolf Kober aus Wiesbaden feierlich begangen. Im Jahre 1927 wurde die Synagoge umfassend renoviert und erneut eingeweiht.

Am Tage nach der Reichspogromnacht (10. November 1938) wurde sie jedoch derart stark beschädigt, daß sie kurze Zeit später abgerissen werden mußte. Von der ehemaligen Synagoge steht heute noch eine Außenmauer in der Synagogengasse.

Seit 1968 erinnert ein Gedenkstein an die Synagoge mit der Inschrift: „Hier stand von 1718 - 1938 die Synagoge der jüdischen Gemeinde Flörsheim am Main. Zur Erinnerung an den 250. Jahrestag der Errichtung und anläßlich der 30. Wiederkehr des Tages der Zerstörung dieses Gotteshauses wurde von der Bürgerschaft der Stadt am 9. November 1968 dieser Gedenkstein gesetzt“. Damals wurden 52 jüdische Bürger vertrieben oder ermordet. Ihnen soll nun mit Namenstafeln an der ehemaligen Synagoge ein ständiges Mahnmal gesetzt werden, kündigte der Bürgermeister an. 

 

(37) Hauptstraße (östliche Hauptstraße):

Die Hauptstraße ist sozusagen die jüngste Straße, die innerhalb der bis 1767 existierenden Mauern bebaut wurde. Es gibt viele renovierte Fachwerkhäuser, die auf eher größere landwirtschaftliche Gehöfte schließen lassen, wobei in den Seitengassen die Häuser kleiner sind und einst von Handwerkern, Tagelöhnern und Kleinbauern bewohnt wurden. Die Namen der Seitengassen bezeichnen zum Teil handwerkliche Berufe. Und es war tatsächlich so, daß in der Schustergasse ein Schuster und in der Seilergasse ein Seiler gewohnt hat.

In der Hauptstraße, im Bereich zwischen Gallus-Kirche und Obermainstraße, findet man in den Häusern Nr.11 und 12 und 2 schöne Beispiele von Fachwerkkunst. Das Haus Nr. 2, das mit 1665 datiert ist, zählt somit zu den ältesten vorhandenen Wohnhäusern Flörsheims. Auf der gegenüberliegenden Seite, verdeckt durch eine große Toreinfahrt und Fabrikanbauten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, steht ebenfalls ein Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert. Eine Datierung über dem Kellergewölbe trägt die Zahl 1661. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts sind dessen Besitzer nachweisbar. Im Jahre 1740 wird der Frankfurter Herr von Uffenbach erwähnt. Von ihm kaufte es 1758 der kurmainzische Rat Freiherr von Gall. Im Jahre 1800 erwarb es dann der damalige Oberschultheiß Martin Neumann, der es 1825 seinem Schwiegersohn Oswald Weilbächer vermachte. In der Familie Weilbächer blieb das Anwesen bis 1896; dann ging es in den Besitz des Fabrikanten Noerdlinger über, der es mit den schon erwähnten Anbauten erweiterte.

 

(38) Alte Kirchschule:

Die 1764 erbaute Alte Kirchschule hatte Platz genug für zwei Klassenräume und eine Lehrerwohnung. Gegenwärtig wird sie als Trauraum, für Empfänge der Stadt und für Sitzungen des Magistrats genutzt. Nach dem Bau der (neuen) Kirchschule diente die Alte Kirchschule etwa 60 Jahre lang als Wohnhaus.

 

(39 ) Kirchschule:

Als Flörsheim wuchs und immer mehr Kinder in die Schule gingen, wurden die Grabenschule (1884) und die (neue) Kirchschule (1899) gebaut. Jeweils vier Klassen waren darin untergebracht. Im Jahre 1912 kam dann noch die Riedschule dazu. Alle drei waren Volksschulen, vergleichbar einer Mischung aus der heutigen Haupt- und Realschule, an der man aber schon nach acht Schuljahren einen Abschluß hatte. Mit dem Bau der Gesamtschule (Graf-Stauffen­ berg-Schule) 1968 wurde die Riedschule zur Grundschule, und die Graben- und Kirchschule wurden zu anderen Zwecken genutzt. Gegenwärtig befindet sich in den Räumen der Kirchschule die Finanzverwaltung der Stadt Flörsheim.

 

(40) Pfarrzentrum St. Gallus:

Das Pfarrgemeindezentrumwurde 1977 anstelle des früheren Pfarrhauses und Pfarrhofes gebaut und beherbergt unter anderem die Wohnung des Pfarrers, das Pfarrbüro und im großen Bau natürlich Gruppenräume, Kegelbahn und einen großen Saal für Veranstaltungen oder Vereine.

 

(41) St. Galluskirche:

Aus Urkunden aus dem 14. Jahrhundert geht hervor, daß die Flörsheimer Kirche und die umliegenden Gebäude festungsartig ausgebaut waren. Im Jahre 1332 gebietet Kaiser Ludwig der Bayer seinen Vasallen „... daz ir dann den Bischof von Trier (Balduin von Luxemburg) bitend, daz er das hus zu Vlersheim, daz er gebowen hat abbreche...“. Im Jahre 1336 wird er deutlicher: „... das ir mit gewalt für den vorgenannten Baw ze Flörsheim ziehent und den abbrechent und die graben ouch füllet und zu werfen heizzet und iuch des dheinerlei sache lazzent irren wan wir mit nichte wollen, das der baw, der da geschehen ist fürbas lenger beleib...“.

Der burgartige Ausbau in Flörsheim hatte dazu gedient, die Stadt Mainz von der Versorgung aus Frankfurt abzuschneiden und sie so gefügig zu machen. Der 1346 noch einmal unter Heinrich von Virneburg verstärkte Bau wurde erst in der Mainzer Stiftsfehde von 1462 zerstört. Zwei Kontrahenten kämpften dabei um den Mainzer Erzbischofsstuhl. Flörsheim, das auf seiten Diethers von Isenburg kämpfte, war von dessen Gegnern erobert worden: Die „Burg“ wurde dem Erdboden gleichgemacht.

Eine Kirche ist an diesem Platz seit 1184 belegt, wobei vermutet wird, daß hier bereits Ende des 7. Jahrhunderts ein Gotteshaus stand. Über Kirchenbauakten rekonstruierbar ist ein Kirchenbau aus der Zeit 1664 - 1666, der im Jahre 1706 noch durch einen Kirchturm ergänzt worden ist. Diese kleine Kirche drohte aus den Nähten zu platzen, da die Einwohnerzahl Flörsheims ständig stieg. Also beschloß man, eine größere Kirche zu bauen.

Man baute das Langhaus der heutigen St. Gallus-Kirche um die alte Kirche herum, bis die Außenmauern bis unter das Dach fertig waren. Erst dann riß man die kleinere Kirche ab. Zwischen 1766 und 1780 kam es dann zum Bau der jetzigen Kirche, einem typischen Beispiel für ländliche spätbarocke Kirchenbaukunst im Mittelrheingebiet. Mit ihrem Bau wurde im Mai 1766 begonnen, wobei der Glockenturm 1706 schon fertiggestellt. Richtfest feierte man 1768. Endgültig fertiggestellt wurde das große Bauwerk nach dem Innenausbau erst im Jahr 1780, und am 9. Juli 1780 konnte die Kirche dann schließlich eingeweiht werden.

Für eine Gemeinde wie Flörsheim mit einer Einwohnerzahl von 1.200 Menschen Ende des 18. Jahrhunderts übertrifft die St.- Gallus-Kirche in ihren Ausmaßen die übliche Größe einer Dorfkirche um einiges. Der große Bau im typischen Barockstil des Mittelrheins stellt eine imponierende Leistung dar.

Die St.- Gallus - Kirche ist ein Saalbau ohne Querschiff und ohne Kreuzgang. Sie wurde in Ost - West - Richtung erbaut, das bedeutet, der Hochaltar liegt im Osten, der Haupteingang im Turm im Westen. Sie hat feine Stuckdekoration und drei große Deckengemälde aus der Zeit ab 1769 und bedeutende Altäre.

Mit dem Blick auf den Hauptaltar sieht man links (also nach Norden hin) die Pietà und rechts (nach Süden hin) die Kanzel. Auch in der Pfarrkirche gibt es natürlich wieder Hinweise auf die Pestzeit, zum Beispiel durch die Figuren der Pestheiligen Sebastian und Rochus und eine Szene aus der Pestzeit im unteren Teil des Hauptaltares.

Beeindruckend ist aber auch die im Jahre 1809 von der Kirchengemeinde erworbene Barockorgel. Sie stammt aus der Karmeliterkirche in Frankfurt und wurde 1709 von dem Mainzer Orgelbauer Dahm geschaffen. Diese Orgel umrahmt nicht nur musikalisch die Gottesdienste, sondern ist auch ein bedeutendes Instrument für die Gallus - Konzerte, die seit 1981 stattfinden.

Der Glockenturm weist eine Höhe von 45,5 Metern auf und seine Form ist nicht mehr ganz die ursprüngliche. Als die Kirche 1906 ein neues Geläut erhielt wurde es zu eng für fünf Glocken. Also hat man den Turm erweitert und mit Dachgauben ausgebaut. Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Mai 1942 die vier größten Glocken eingezogen und für die Waffenproduktion eingeschmolzen. Im Herbst des Jahres 1948 weihte man dann wieder vier neue Glocken ein und hängte sie im Turm auf. Zum 300. Jubiläum des Verlobten Tages 1966 wurde die größte Glocke, die Jubiläums-Glocke gegossen. Sie hat ein Gewicht von 2731 kg. Im Vergleich dazu die kleinste Glo>Durch das südliche Portal, also in Richtung Main, gelangt man direkt auf den ehemaligen Kirchhof. Aber auch hier herrschte irgendwann einmal Platzmangel, und man verlegte den Friedhof 1817 außerhalb der Stadtmauern, dorthin wo heute der Rathenauplatz und der Kindergarten St. Michael sind. Einige Zeit später legte man den Alten Friedhof in der Jahnstraße und noch später den neuen Friedhof am Ende der Riedstraße / Philipp-Schneider-Straße an.

 

Obermühle:

Von Flörsheim fährt man dann weiter in Richtung Hochheim bis zur Obermühle auf der rechten Seite. Die Flörsheimer Mühlen beginnen mit der 1699 erbauten Wiesenmühle. Die Obermühle (heute Traisermühle) wurde vermutlich Anfang 1600 erbaut. Sie schrotete und mahlte - wie die meisten Mühlen am Wickerbach - Getreide, das die Bauern der umliegenden Ortschaften anbauten. Während ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert der Einsatz von industriellen Großmühlen den „kleinen“ Mühlen zunehmend den Garaus machte, wurde das Müllerhandwerk auf der Obermühle noch bis 1972 betrieben. Das durch den Mühlgraben fließende Wasser des Wickerbaches treibt heute eine Wasserturbine an, die  Strom erzeugt und die Mühle mit Elektrizität versorgt.

Ganz in der Nähe befand sich die Untermühle, nach dem Namen einer Müllerfamilie auch Engelsmühle genannt. Die Flörsheimer Taubersmühle, 1370 erstmals in einem Dokument erwähnt, hat den Namen von einem der ersten Besitzer, Claus von der Tauber. Die Hopfenmühle wurde erstmals 1445 in einem Gerichtsbuch genannt. Oberhalb des Wickerbaches geht man nun n ach Nordwesten.  Zuerst kommt man zum sogenannten  Hexenberg.

 

„Hexenberg“:

Westlich des Weges steht ein1750 aufgestelltes Kreuz, wo mehrere Dutzend Menschen dem Hexenwahn zum Opfer gefallen sind. Die Inschrift des Kreuzes am Fuß des vom Volksmund so bezeichneten Hexenberges lautet: „Anno 1750 hat Gott zu Ehren dieses Kreuz lassen aufrichten der Johann Kol und Anna Gertruda Kolin sein Hausfrau, Flörsheim Anno 1750.“ Die

Inschrift auf der großen Gedenktafel  lautet:  „Zum Gedenken an die Frauen und Männer aus Flörsheim, Weilbach und Wicker, die als Hexen und Zauberer zum Tode verurteilt und in den Jahren 1595 - 1630 ihr Leben lassen mußten oder denunziert, verhaftet und gefoltert worden sind ihre Heimat als Verfolgte verlassen mußten.“  Außerdem sind die Namen aller Opfer aufgeführt.

 

Naturschutzgebiet „Wickerbachaue“:

 Der reizvolle Landstrich zwischen den Flörsheimer Stadteilen Wicker und Keramag / Falkenberg wird von der einheimischen Bevölkerung auch als „Flörsheimer Schweiz“ bezeichnet. Er weist aufgrund seiner Geologie, seines Reliefs, des Klimas sowie der historischen Landnutzung seltene und sensible Landschaftsbereiche auf: die Mager- und Sandrasenfluren. Sie sind Teil des 1998 ausgewiesenen Naturschutzgebietes „Wickerbachaue“ und beherbergen eine Vielzahl seltener, gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Um den Lebensraum etlicher „Sandspezialisten“ - unter ihnen viele verschiedene Wildbienen - zu sichern wurde der Sandweg entlang der Regionalparkroute abschnittsweise in seinem ursprünglichen Zustand belassen!

 

Wiesenmühle:

Jenseits des Wickerbachs, der an der Wiesenmühle vorbeifließt, sind noch  Reste des Kaste­ller Landwehrgrabens zwi­schen den einstigen Territorien von Mainz und Eppstein zu  sehen. Etwa 30 Meter der Befestigungsanlage aus dem 15. Jahrhundert, die aus einem Graben mit bepflanztem Erdwall bestand, wurden restauriert. Eine Streuobstwiese und Wildblumenflächen rahmen den historischen Grenzpunkt ein. Über einen 100 Meter langen Bohlenweg kann man  die Niederwiesen des Wickerbachs queren,  wo sich Amphibien und Wasser liebende Pflanzen entfalten.

An die frühere Aufgabe der Wiesenmühle erinnern nur noch der Name und die Jahreszahl 1699 am Eingangsbogen. Statt der Mühlräder klappert schon seit vielen Jahren das Geschirr eines Ausflugsrestaurants (ohne Autoanfahrt!). Echten Zulauf findet der Müller erst, seit die Routen des Regionalparks an ihrem Kapellchen nebst Wiesenmühle vorbeiführen. Tausende von Radfahrern und Wanderern legen seither an der exponierten Stelle eine Rast ein, packen Stullen aus oder genießen einfach den Blick über die Reb - und Obsthänge zwischen Flörsheim und Hochheim bis weit über die Mainebene. Von der Wiesenmühle steigt man auf dem eigens ausgebauten Weg hinauf zur St. Anna-Kapelle.

 

St. Anna-Kapelle:

Die Anlage wurde neu gestaltet. Eine Mauer aus Kalkbruchstein faßt den Platz vor der Kapelle ein, der mit Basalt gepflastert ist Schweiz thront sie über Rebhängen. Drei mal drei Meter im Grundriß klein, doch von großer ideeller Bedeutung. Und das schon seit Jahrhunderten: Im Jahre  1715 ließ der Müller Hans- Jacob Kiefer das St.- Anna –Kapell­chen als Bet- und Andachtsstätte nahe seiner Wiesenmühle im Wicker­bachtal erbauen. Die Kerze auf dem Altar im Inneren wirft seither ihr mattes Licht auf eine Kopie des Bildnisses der heiligen Anna, eine „Anna Selbdritt“, ein Dreierbildnis der Marienmutter Anna mit Maria und dem Jesuskind. Im Jahre 1724 übernahm Johann Edmund Gedult zu Jungenfeld, seines Zeichens Weihbischof von Mainz, die Wiesenmühle samt St.-Anna-Kapelle. 5000 Gulden zahlte er dafür.

 

Eisenbaum:

Von der Anna-Kapelle aus sieht man schon den Eisenbaum: Die Installation der Hofheimer Künstlerin Ingrid Hornef besteht aus sieben Fernrohren, die alle auf die Mülldeponie Wicker gerichtet sind. Als Kontrast bettete sie in den Ausblick berühmte Bauwerke wie die Akropolis ein und schuf damit spannungsreiche „Tele – Visionen“ zwischen Schein und Realität, Edlem und den Zeugnissen der Wegwerfgesellschaft.

Auf einer Schautafel wird gezeigt, daß man eine gentechnisch veränderte Pappel am äußeren Erscheinungsbild nicht erkennen könnte, ob ein solcher Baum gentechnisch verändert oder natürlich ist. Pappeln sind bevorzugte Objekte gentechnischer Versuche. Zum Beispiel, um schnelleres Wachstum, einen größeren Anteil an Zellulose oder Resistenz gegen Schädlingsbefall zu erzeugen. Der Eisenbaum aber ist so gestaltet, daß ihn jedermann sofort als Kunstprodukt erkennt: Als eine begehbare Skulptur, von Architekten entworfen und von Ingenieuren konstruiert, kann man ihn betrachten.

Der Eisenbaum soll zum Nachdenken anregen: Der Eingriff der Gentechnik ist unsichtbar.

Es gibt viele Argumente für und gegen Gentechnik. Auf der einen Seite die Hoffnung auf neue Medikamente und neue ertragreiche Pflanzen und andererseits die Furcht vor unkalkulierbaren ökologischen Risiken und ökonomischen Abhängigkeiten etwa von Saatgutfirmen.

Mit der Gentechnik ist die Frage, was ist natürlich, was ist Natur, immer schwerer zu beantworten.

Der stählerne Baum lehrt Demut An der Baumskulptur zeigt sich, welche unglaublichen Ingenieurleistungen die Natur in Jedem lebenden Baum verwirklicht. Und diese Ingenieurleistung ist nur ein Aspekt des wunderbaren Phänomens Baum: Seine Chemie und Physik, der Stoff. und Wassertransport von und zu den Ästen - bei den höchsten Bäumen über 115 Meter gegen die Schwerkraft - und vor allem die Fotosynthese, mit Hilfe der Baum sich selbst aus Luft, Wasser und Sonnenlicht schafft und Sauerstoff produziert. ist ein unglaublich wirkungsvoller und in mancher Hinsicht immer noch rätselhafter Prozeß. Und nicht zuletzt: Bäume und Pflanzen schaffen damit die Voraussetzung, daß alle anderen Lebewesen - auch die Menschen - auf der Erde atmen, sich ernähren, also existieren können

Bäume sind die größten Lebewesen, die es auf der Erde gibt. Sie können über 100 Meter

hoch werden. Bäume sind auch die ältesten Lebewesen. Nicht weit vom Flörsheimer stählernen Baum steht in Reinborn bei Idstein im Taunus eine Linde, die auf annähernd 1000 Jahre geschätzt wird. Der älteste lebende Baum der Erde, eine „Grannenkiefer“, ist etwa 4700 Jahre alt und steht in Kalifornien. Man denke nur, was in dieser Zeit alles passiert ist: Als Mainz von römischen Legionären gegründet wurde, waren diese Bäume schon über 2000 Jahre alt.

Wenn man wissen will, was der Baum über sich selbst zu sagen hat, dann steigt man auf die Plattform, nehmen sich zehn Minuten Zeit und hören zu! Aus Solarzellen auf drei seiner Blätter bezieht der Baum die Energie für die Tonanlage über die man seine Stimme hören kann. Je nach Sonnenstand mal mehr mal weniger - und nachts schweigt er.

 

Kalksteinbruch Falkenberg:

Auf dem Weg nach Süden liegt östlich der ehemalige Kalksteinbruch Falkenberg. In der Umgebung von Hochheim am Main, Flörsheim und Wicker stehen - von jungen Lockersedimenten verdeckt - Tone und Tonmergel an, die im „Tertiärmeer“ des Mainzer Beckens während des Oligozäns (vor rund 30 Millionen Jahren) abgelagert wurden. Mit dem ausgehenden Oligozän (vor rund 24 Millionen Jahren) änderte sich im Zuge eines neuen Meeresvorstoßes die Sedimentation hin zu Kalken und Kalkmergeln. Kalksteine prägen heute als Härtlinge die Landschaft, wie auch hier am Falkenberg.

Bei Falkenberg wurden die Kalke durch Störungen kleinräumig in den Untergrund eingesenkt und waren daher besser vor Abtragung geschützt, während sie in der Umgebung bereits überwiegend abgetragen sind. Ab dem Jahre 1911 wurden die Kalklager durch die Firma Dyckerhoff AG abgebaut.

Die häufig vorkommenden fossilen Gehäuse der Schneckengattung Cerithium zeigen gemeinsam mit anderen Fossilien, daß die Kalke in einem mäßig salzigen (brackigen) Gewässer entstanden sind. Nach den häufig zu findenden Schneckengehäusen wurden die Schichten lange Zeit als Cerithien - Schichten bezeichnet.

Neben gebankten Kalksteinen findet man im Steinbruch auch massige Kalke, die Strukturen mit knubbelig - blumenkohlartigen Oberflächen bilden. Es sind Algenriffe. Sie werden von Cyanobakterien (Blaugrünalgen) gebildet, die Sedimentpartikel mit ihrem Schleim einfangen. Notwendig dafür ist ein hohes Strömungspotential, wie es an der Abhang - Kante zum Oberrheingraben vorhanden war. Vergleichbare Algenriffe sind heute aus West-Australien (Shark Bay) und in den Bahamas bekannt.

Geschützt durch Kavernen in den Algenriffen konnten Gehäuse von Landschnecken gut erhalten bleiben. Schon im 19. Jahrhundert war der Steinbruch für seine mit etwa 100 Arten sehr reiche Landschneckenfauna berühmt, so daß man die Algenriffkalke von Hochheim am Main ursprünglich als „Landschneckenkalke“ bezeichnete. Im Gegensatz zu den Brackwasserschnecken lebten die Landschnecken nicht an Ort und Stelle, sondern wurden durch Gewässer von der nahen Küste eingeschwemmt. Inzwischen wurde der Steinbruch zur Typlokalität dieser Schichten definiert. Sie führen den Namen „Hochheim-Formation“.

 

Kalkbrennöfen:

Vorbei an der Obermühle stößt man auf die Ende der neunziger Jahre freigelegten Kalkbrennöfen aus dem frühen 18. Jahrhundert. Von einem überdachten Steg kann man die für Hessen einzigartige Anlage einsehen. Viel ist nicht mehr zu sehen vom alten Kalkputz, den sich die Flörsheimer bis Anfang des vorigen Jahrhunderts als Fassadenverkleidung aus dem nahegelegenen Kalkbrennofen geholt haben. Umso besser kommen die Überreste  des jahrzehntelang verschütteten Ofens zur Geltung. Als Demonstrationsobjekt aus vorindustrieller Zeit und historische Attraktion im Regionalpark Rhein - Main wurde die Anlage mit ihren drei Brennkammern von 1997 bis 1998 freigelegt und im vorgefundenen Originalzustand konserviert. Eine Jahrhundert - Entdeckung für den leitenden Archäologen Klaus-Michael Schmitt aus Hattersheim: Nirgendwo sonst im Land sind Kalk- und Ziegelbrennöfen in derart gutem Zustand erhalten und entsprechend auch Brennverfahren und Ziegelproduktion für Laien so einfach nachzuvollziehen.

Damit Letzteres auch aus der Nähe geht, die erhaltenen Brennroste, Bodenpflasterungen, Brennkammerverkleidung und sonstigen technischen Details eingehend betrachtet werden können, ließ die Regionalpark Rhein – Main - Gesellschaft eine begehbare Dachkonstruktion aus Glas und Stahlgitter über den Ofen errichten, die aus allen Winkeln in alle Winkel blicken läßt. Die Kalkbrennerei zwischen Flörsheim und Hochheim hat nach Ansicht von Fachleuten eine lange Tradition. Schon die Römer sollen hier Kalkstein verarbeitet haben, erste archivarische Hinweise finden sich für das Jahr 1589. In den bis heute erhaltenen Öfen wurde vermutlich Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals Kalk gebrannt. Für diese Zeit steht der Flörsheimer Johann Jakob Gottron als Eigentümer der Ziegelhütte mit Kalkerei in den Büchern. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahm der Flörsheimer Heinrich Martini die Anlage, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Familienhand blieb - und in  Betrieb. Mit der S-Bahn kann man wieder zurückfahren, entweder durch die Weinberge nach Hochheim oder (etwas kürzer) nach Flörsheim.

 

 

Regionalparkroute

Von  Eddersheim bis Okriftel zieht sich ein Grünzug, der für die Regionalparkroute genutzt wird. Diesen Teil kann man sich an sich nur mit dem Fahrrad vornehmen, wie ja auch die ganze Route für die Radfahrer gedacht ist. Ein Vorschlag für Autofahrer findet sich am Schluß. Beschrieben wird aber  jetzt der Grünzug in Richtung Ost nach West:

Die Regionalparkroute beginnt am Mainufer in Okriftel. Wenn man mit der Bahn kommt, steigt man an der S-Bahn-Station Hattersheim aus und fährt über die Voltastraße nach Osten zum Hessendamm, auf diesem und auf der Mainstraße nach Süden und weiter über die Gartenstraße zur Jahn - Allee. Dort links bis zum Schwarzbach und dann nach links nach Norden über den Bornemühlweg zum Wehr am Schwarzbach. Über die Betthoven- und Händelstraße kommt man zur Mainstraße in Höhe des Friedhofs. An diesem geht man nördlich vorbei und dann weiter nach Norden zum Rosarium (nicht zu verwechseln mit dem Rosengarten in Hattersheim am Ende der Mainzer Landstraße).

 

Rosarium:

Die Anlage knüpft  an die dortige Tradition des Schnittrosen-Anbaus an. Inmitten der Anlage wird eine von Kletterrosen bewachsene Pyramide während der Rosenblüte wie ein Leuchtfeuer die Aufmerksamkeit der Regionalparkbesucher auf sich lenken. Die Zahlen lassen schon vorm ersten leibhaftigen Eindruck staunen: gut 6500 Rosenstöcke, mehr als 100 Sorten, und das alles auf 16.000 Quadratmetern. Doch selbst die blühendste Fantasie bleibt hinter der Wirklichkeit zurück, die sich im Hattersheimer Rosarium eröffnet. Richtungsweisend und zur Einstimmung auf die königliche Blüten-Oase führt vom Friedhof im Stadtteil Okriftel eine Rosenbaumallee auf den prachtvollen Rosengarten zu. Ein standesgemäßes Entree für die Anlage, die als Pilotprojekt Hattersheim-Flörsheim-Hochheim 1997 eröffnet wurde.

Rosenbäumchen, Kletterrosen, Bodendecker, Buschrosen, Rosenstauden, Kartoffelrosen, Apfelrosen, Teerosen, Windrosen, Zuchtrosen, Wildrosen. Schneeweißchen und Rosenrot haben hier zahllose Schwestern in zahllosen Farben bekommen, die Bänke umsäumen, Holzpyramiden überziehen, Rundbögen umranken, zu dichten Hecken wuchern, Tümpel und Seen umstehen, sich meterhoch gen Himmel recken oder mit Hunderten von Blüten den Boden bedecken.                       

Beim Spaziergang durch die Farben- oder Blütenpracht erleben selbst Kenner noch ihr Rosenwunder, denn im Rosarium wachsen längst auch Neuzüchtungen der Gunst eines großen Publikums entgegen. Mit dem Namen „Rosarium Hattersheim“ ist eine neue Apfelrosensorte gar zum Markenbegriff der Anlage geworden.

Die Idee mit dem Rosengarten entlang der Regionalparkroute von Hattersheim nach Flörs­heim haben die Sulzbacher Landschaftsarchitekten Hanke, Kappes und Heide gefunden als Andenken an den einst blühenden Rosenanbau der Hattersheimer.

 

Nach Westen geht es dann über die Wasserwerk - Allee (Jugendstil - Wasserwerk), dort links und unter Bahn durch, nach links in den Hahnenpfad und dann  nach rechts in den Jörn­pfad. Vom Obstbaumrondell geht die Speierlingsallee zum Nußbaumquartier, ein von einer niedrigen Trockenmauer gefaßter Platz. Ihn ziert die große Skulptur eines Rabenvogels ziert und er wird von 28 Walnußbäumen beschirmt. Von hier hat man einen schönen Ausblick über die neue Wiesenlandschaft und das Naturschutzgebiet bis nach Bad Weil­bach.

 

Rabe

Der Rabe ist sein Markenzeichen, Leitmotiv seines Kunstschaffens. Einen Raben schuf der Flörsheimer Künstler Thomas Reinelt denn auch, um ihn als erstes Kunstwerk im Regionalpark Rhein-Main aufzustellen. Genauer, inmitten eines Nußbaumquartiers, am Ende einer frisch gepflanzten Speierlingsallee im Regionalpark-Projektgebiet bei Hattersheim. Am 7. Mai 1998 war das, seither prangt der drei Meter hohe silberglänzende Aluminium-Rabe auf einem Natursteinsockel, als würde er darauf lauern, wann ihn die jungen Bäumchen um ihn herum endlich überragen.

Das Kunstwerk vereinigt zwei eng verschmolzene Symbole in sich: Zum einen steht der realistisch dargestellte Rabe für den Wert und die Kraft der Natur, zum anderen für das menschliche Wirken, für das Auf- und Abbauen, Zusammenfügen und Verbinden. Um dies zu verdeutlichen, hat Reinelt eines der Rabenbeine als kristallartig angeordnete, geometrische Form geschaffen. Die Figur verkörpert nun mit einem Bein die Kraft und Unzerstörbarkeit der Natur, mit dem anderen die Schaffens - und Einflußkraft des Menschen.

Daß der Rabe steht, wo er steht, ist mehreren Unternehmen aus den umliegenden Städten zu danken, die den Kauf des Kunstwerks gesponsert haben.

 

Weilbacher Kiesgruben:

Es geht dann immer weiter auf Nebenwegen nach Westen bis nach Bad Weilbach. Südlich liegen die ehemaligen Weilbacher Kiesgruben, heute ein Naturschutzgebiet. Hier hat sich die reiselustige Kreuzkröte („bufo calamaita“) niedergelassen und lockt Artgenossen, um sie mit ihren grünen Augen zu bezirzen. Die Kreuzkröte steht auf der Roten Liste gefährdeter Tiere, weil ihre Lebensräume schwinden. Überraschenderweise sind einige von den jungen Hüpfern in den Weilbacher Kiesgruben entdeckt worden. Diese gehören zur Deponie im Flörsheimer Stadtteil Wicker.

 

Am Kastengrund:

Auf der etwa 120.000 Quadratmeter großen Fläche ist eine Landschaft entstanden, die von Feldgehölzen und Baumgruppen gegliedert wird - in ihrem Charakter einem englischen Landschaftspark ähnlich. Die Wiesen werden von Landwirten zum Heumachen genutzt. Dieses Gelände bildet in seiner extensiven Nutzung einen Puffer zwischen dem bestehenden Naturschutzgebiet „Weilbacher Kiesgruben“ und den ackerbaulich genutzten Flächen. Weiter geht es über den Hain, den nach rechts gebogenen Weg um Weil­bach und über die Bundesstraße 519 und ein Stück nach Norden und dann  über die Autobahn nach Bad Weilbach. 

 

 

 

Autofahrt entlang der Regionalparkroute

Die Regionalparkroute mit ihren drei oder vier Enden im Westen ist mit dem Fahrrad nur zu bewältigen, indem man von Delkenheim zum Silbersee fährt und von dort nach Hochheim; dann läßt man nur das Stück zwischen Kriegergedächtnisstätte und Wiesenmühle aus. Deshalb wird hier noch einmal eine Auto- und Spaziergängerroute beschrieben, die die wichtigsten Stationen berührt. Diese sind auf der Fahrradtour beschrieben.

Wer das Rosarium besuchten möchte, fährt von Frankfurt kommend über das Krifteler Dreieck hinaus bis zur Anschlußstelle Hattersheim. Auf der Hattenheimer Straße dann nach Süden, auf der Mainzer Landstraße nach Osten und am Hessendamm nach Süde,  über die Bahn bis an den Ortsrand von Okriftel, wo rechts der Parkplatz des Friedhofs ist und von wo es zum Rosarium geht.

Wer aber das Rosarium auslassen will, beginnt in Bad Weilbach. Man verläßt die A 66 an der Anschlußstelle Hofheim nach Süden. Im Ort Weilbach macht die Straße einen Rechtsknick. Bald danach geht es rechts in die Schloßstraße und zum Weilbacher Schloß. Fast am Ortsende teilt sich die Durchgangsstraße. Man fährt nach links auf die Rüsselsheimer Straße Richtung Flörsheim. Von dieser geht es rechts ab in eine Platanenallee nach Bad Weilbach. Links ist das ehemalige Kurhaus, nach rechts geht es in den Faulbrunnen­weg. Die Natronquelle liegt in dem Park links, die Lithionquelle rechts kurz vor der Autobahn (siehe Datei „Bad Weilbach“). Man muß dann wieder zurück nach Weilbach und fährt nach links ab nach Wicker. Dort macht man einen Rundgang durch den Ort und läuft zur Flörsheimer Warte  (siehe Datei „Wicker“). Wieder zurück in Wicker fährt  man jetzt Richtung Hochheim. Links liegt die Straßenmühle. An der Deponie fährt man zunächst geradeaus, am Ende der Deponie auf der linken Seite steht die Installation „Nahtstelle Müll“. Von dort fährt man wieder ein Stück zurück und dann nach rechts Richtung Hochheim; am Biomassekraftwerk rechts ist die Kletterwand.

In Hochheim geht es dann links weiter und an der Frankfurter Straße wieder links. Im Stadtteil Keramag geht es am Schild „Chamäleon“ links ab zu den Kalkbrennöfen. Dort kann man parken oder noch ein Stück weiter oben an der Obermühle. Jetzt geht es zu Fuß weiter vorbei an dem Hexenkreuz auf der linken Seite und dem Naturschutzgebiet Steinbruch Falkenberg.

An der Gabelung geht man links zur St. Anna-Kapelle und zur Wiesenmühle. Auf dem Rückweg nimmt man die linke Route zum Eisenbaum. Dann geht es wieder zurück zum Auto. Jetzt fährt man nach Flörsheim hinein und biegt am Ende der Hauptstraße nach rechts ab in die Obermainstraße, um am Mainufer zu parken. Von hier aus macht man einen Rundgang durch Flörsheim.

Über Eddersheim kommt man nach Okriftel, fährt aber jetzt weiter  nach Sindlingen und dort nach links in die Westenberger Straße und wieder links in die Hoechster-Farben-Straße auf die B 40 a und entweder zum Krifteler Dreieck oder zum Schwanheimer Knoten und zur A 3.

 

 

Okriftel

Der frühere Name „Acruftele“ tauchte das erste Mal in der Schenkungsurkunde von 1103 auf. Aber auch wenn dies die Erstnennung Okriftels ist, siedelten die Menschen schon früher an dieser Stelle. Die Lage direkt am Main ist günstig. Als Transportweg, zum Handel und auch als Nahrungsquelle ist der Main ideal und macht diese Stelle besonders attraktiv. Dies beweisen zahlreiche jungsteinzeitliche Funde, die auf erste Ansiedlungen ab 4000 vCh weisen. Ebenso wurden ein römischer Bauernhof und ein Friedhof aus der Zeit der Merowinger gefunden. Das läßt auf eine dauerhafte Besiedlung schließen.

Von 1547 bis 1803 war Okriftel als einziges Dorf im Umland nicht unter der Herrschaft des Kurfürstentums Mainz, sondern gehörte zum Fürstentum Isenburg. Zusätzlich zu den unterschiedlichen Herrschaftshäusern kamen noch die unterschiedlichen Glaubensrichtungen hinzu: Das Kurfürstentum Mainz war katholisch geprägt und die Isenburger hingen im Gegensatz dazu dem evangelischen Glauben an. Kein Wunder, daß es immer wieder zu Streitigkeiten mit dem „Ausland“ kam. In einem Fall stritten sie sich um einen Bereich, etwa wo heute das Hattersheimer Kleingartengelände ist. Das Gelände sollte, so war es 1468 beschlossen worden, sowohl von den Okriftelern wie auch von den Hattersheimern genutzt werden. Nach 250 Jahren Streitereien wurde der Bereich dann 1713 geteilt und mit Grenzsteinen befestigt.

Die Städte Wiesbaden und vor allem Frankfurt zeigten im 20. Jahrhundert ein starkes Interesse an dem Gebiet. Um Integrationsplänen entgegenzuwirken, schlossen sich Hattersheim, Eddersheim und Okrif­tel 1972 zur Stadt Hattersheim zusammen. So entkamen sie der Eingliederung zu Frankfurt.

 

Sagen, Vermutungen und Spekulationen zur Herkunft des Namens Okriftel

„Kriftheim“ oder „Okriftingen“ wären wohl zeitgemäßere Ortsname für dieses fränkisch geprägte Gebiet gewesen. Denn mit „heim“ oder „ingen“ enden viele der umliegenden Gemeinden und Städte. Die Herkunft des untypischen Namens „Okriftel“ ist nicht eindeutig geklärt, jedoch gibt es einige Ansätze und Vermutungen dazu. Das erste Indiz liefert der Schwarzbach, welcher durch Okriftel fließt. Verfolgt man seinen Verlauf, stößt man auf einige Namensvetter. Die Gemeinden „Kröftel“ und „Kriftel“ liegen ebenso an diesem Flüßchen. Es wird vermutet, daß früher der Schwarzbach „Kröftelbach“ genannt wurde. Die Namen Kröftel, Kriftel und Okriftel wurden dann gewählt, um zu verdeutlichen, daß alle am Kröftelbach liegen. Das sollte die Orientierung erleichtern. Ein weiterer Ansatz beruht auf dem Aspekt, daß Okriftel älter als die anderen Gemeinden ist und daher keinen fränkischen Namen bekommen hat. Okriftel könnte keltischer Herkunft sein.

Die Okriftler gaben sich mit diesem Erklärungswirrwarr allerdings nicht zufrieden und liefern ihre eigene Begründung. Die volkstümliche Sage wird wie folgt erzählt: Durch ein schweres Unwetter stieg der Schwarzbach an, überflutete Teile von Kriftel und riß ganze Häuser mit sich. Ein altes Mütterchen, das an der Stelle des heutigen Okriftels stand, sah die Häuser und rief entsetzt: „Oh, Kriftel“. Der Sage nach fischte sie die Häuser aus dem Schwarzbach und die Menschen siedelten sich daher an dieser Stelle an.

 

Die versilberte Eiche

Ein Denkmal wollten die Okrifteler ihrer großen Eiche setzen, als sie sie 1938 auf ihr Gemeindewappen einfügten - ohne natürlich zu ahnen, daß einige Jahrzehnte später wirklich nur noch das Wappen vom einst stolzen Baum kündet. Das Wahrzeichen Okriftels, das früher auf dem so genannten „Dallas“ (Dorfplatz) stand, ist nun nur noch versilbert auf dem Wappen zu bewundern. Im Jahre 1954 mußte sie gefällt werden - nach zahlreichen Bauten und Aufschüttung an der Straße war sie erstickt. Legenden um das Alter und die Größe der Eiche gibt es viele. So versuchte der Gärtner und Feuerwehrmann Georg Stiehl das Alter des Baumes, nachdem er gefällt wurde, anhand seiner Jahresringe zu schätzen. Da der Stamm stark zersplittert war, mußte er sein Werk bei etwa 360 gezählten Jahresringen beenden.

Die Eiche am Rande des Dallas, unmittelbar dort, wo heute das Rathaus steht, war Knotenpunkt sowohl für die Bewohner wie auch für Besucher. Die Okrifteler trafen sich dort, um zu schwatzen oder einfach nur beieinander zu sitzen. Reisende kamen immer, egal welchen Weg sie wählten, an diesem Platz vorbei, da sich die Hauptstraßen nach Hattersheim und Sindlingen dort gabelten. Nun ist die Eiche nur noch versilbert auf schwarzem Grund auf dem Wappen zu sehen. Diese Farben sind aber nicht zufällig gewählt worden. Das Isenburger Wappen hatte ebenfalls diese Farben. Es war silbern mit zwei schwarzen Querstreifen.

 

Okriftel als Lagerplatz von Sinti und Roma

In den frühen fünfziger Jahren kamen regelmäßig Sinti und Roma nach Okriftel. Sie saßen nachts am Feuer, sangen ihre Lieder und waren nach ein paar Tagen wieder verschwunden. Die Nazi-Diktatur war vorbei und Sinti und Roma wagten es wieder, während ihrer Reisen auf Okrifteler Gemarkung Station zu machen. Wenn ihre Kinder für einige Tage in die Schule kamen, wollte niemand neben ihnen sitzen. Aber wirklich gestört habe die Anwesenheit der Familien niemanden. Sie waren ja auch irgendwie immer ein Attraktion.

Außerdem waren die Okrifteler längst an das Zusammenleben mit den Sinti und Roma gewöhnt. Schon seit dem 19. Jahrhunderts nutzten Zigeunerfamilien die Gemeinde am Main als Lagerplatz. Wo genau sie damals ihre Zelte aufschlugen, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Sicher ist aber, daß sich einige Zigeunerfamilien in Okriftel niederließen. Sie fanden Arbeit und integrierten sich in die örtliche Gemeinschaft. Die Familien Keck und Eskoles waren über mehrere Generationen im Ort vertreten.

Ein gewisser Josef Hack, der besser, unter dem Namen „Hareseppel“ bekannt war, trug schließ­lich maßgeblich dazu bei, daß die Zigeuner im Ort sogar einigermaßen populär wurden. Er tauchte irgendwann um die Jahrhundertwende in Okrif­tel auf, schloß sich der Familie Keck an und übernahm die Lebensgewohnheiten der Zigeuner. Als virtuoser Harfenspieler und Sänger war der „Hareseppel“ in der ganzen Region bekannt und beliebt. Das führte dazu, daß sich die Okrifteler mit ihm und der Lebensart der Zigeuner identifiziertem. Noch heute sind die älteren Bürger  geschmeichelt, wenn sie die „Zigeuner aus Okriftel“ genannt werden.

Der „Hareseppel“ wurde 70 Jahre alt und starb 1930 im Höchster Krankenhaus. Damit entging er einem Schicksal, das die übrigen Okrifteler Zigeunerfamilien ebenso wie die Juden während des Zweiten Weltkriegs erleiden mußten. Ab 1942 wurden sie von den Nazis ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht und dort umgebracht. Von den etwa 20 deportierten Sinti und Roma überlebte nur eine einzige Frau. Sie lebte nach ihrer Befreiung in Darmstadt. Seit dem ließen sich nie wieder Zigeuner in Okriftel nieder Die durchreisenden Familien blieben seit den sechziger Jahren auch aus (Anmerkung: „Hare“ bedeutet „Zigeuner“).

 

Der Fortschritt kommt

Gepflasterte Wege, eine Kanalisation, das Rathaus und ein Volksbad brachten die Cellulose-Fabrik und deren langjähriger Inhaber Philipp Offenheimer der Stadt. Jedoch hatten 152 Menschen durch diese Fabrik im Nationalsozialismus eine schwere Zeit. Sie wurden wegen des Mangels an Arbeitskräften im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiter nach Okriftel gebracht.

Der Übergang von Landwirtschaft zur Industrie begann 1873, als die Fetthütte gegründet wurde.

Die bedeutendere Rolle in der Geschichte Okriftels sollte allerdings erst die 1885 errichtete Cellulose-Fabrik spielen. Schon 1886 übernahm der Geschäftsmann Philipp Offenheimer die Fabrik und baute sie weiter aus. Offenheimer wurde zum großen Wohltäter der Stadt. Viele der Okrifteler fanden Arbeit in der Fabrik und die Landwirtschaft wurde zunehmend in den Hintergrund gerückt. Durch Offenheimer kam der Fortschritt in die Stadt. In den Jahren 1929 /  1930 erbaute er ein großes Rathaus für Okriftel und finanzierte auch das Volksbad mit. Ebenso verdanken ihm die Okrifteler die Kanalisation, die Straßenbeleuchtung und die Pflastersteine. Im Okrifteler Wäldchen ließ er hübsche Alleen einrichten und pflanzte exotische Bäume, die teilweise heute noch dort stehen.

Nach Philipp Offenheimers Tod 1930 kamen auf seine Nachfolger Sohn Ernst und Schwager Dr. Siegfried Bloch schwere Zeiten zu. Durch das nationalsozialistische Regime wurden die beiden Juden gezwungen, in die USA zu emigrieren. Die Firma mußten sie den Nationalsozialisten überlassen. Als der Krieg begann, mangelte es schnell an Arbeitskräften, da nach und nach alle Männer eingezogen wurden. Ersetzt wurden diese durch Zwangsarbeiter, die unter primitiven Verhältnissen in einem Lager lebten. Nur in Ausnahmefällen kam ein Kontakt zwischen den Zwangsarbeitern und den Okriftelern zustande. Sie begrüßten die Entwicklungen nicht, aber sie unternahmen auch nichts dagegen.

Doch zur 900-Jahr-Feier sollen diese Zeit und die damaligen Verhältnisse nicht übersehen werden. Alle 152 Zwangsarbeiter wurden durch eine Originalliste der Fabrik identifiziert und zu einem Treffen im November eingeladen. Organisator dieses Treffens, ist der Förderverein der Heinrich - Böll-Schule. Es haben nicht alle zugesagt und der Teil, der sich entschlossen hat zu kommen, hat sehr gemischte Gefühle, wieder nach Okriftel zurückzukehren.

Die Cellulose-Fabrik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an Ernst Offenheimer übertragen. Dieser hatte einen Rückerstattungsantrag gestellt. Schnell verkaufte er die Fabrik aber dann an die Phrix AG. Diese hatte große Pläne mit der Fabrik und erweiterte sie 1951 / 1952 enorm. Rund 90 Prozent der Okrifteler haben zu dieser Zeit in der Fabrik gearbeitet und es gab auch viele von außerhalb, die hierher gependelt sind. Doch Phrix geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und mußte die Fabrik 1967 an die BASF verkaufen. Der Konkurrent BASF nutzte die Gunst der Stunde und kaufte die Cellulose-Fabrik auf - um sie 1970 zu schlie­ßen. Ein Konkurrent weniger, so lapidar wurde über das Schicksal der Traditionsfabrik und ihrer Arbeiter geurteilt.

 

Das Glas zum Jubiläum

Jedes Glas Apfelwein erinnert mit dem Jubiläumsbecher an die 900-Jahr-Feier im Jahre 2003.

Die Stadtverwaltung Hattersheim bietet dieses besondere Glas, ideal für Apfelwein, mit dem Okrifteler Wappen und dem Schriftzug „900 Jahre Okriftel“ für alle Liebhaber an. Zwei Euro kostet das Apfelweinglas und es kann an einigen Verkaufsstellen erworben werden: In Okriftel gibt ihn in der Verwaltungsstelle, bei Getränke Eisenhauer und im Papierladen Rummel. In Hattersheim kann man es in der Drogerie Becker und im Stadtpunkt erwerben. Die Verwaltungsstelle Eddersheim und Lebensmittel Reuter bieten in Eddersheim das Jubiläumsglas zum Verkauf an.

 

 

Nauheim

Heimatvertriebene brachten nach dem Krieg die Kunst des Instrumentenbaus mit. Viele Vereine pflegen das orchestrale und gesangliche Brauchtum. Das 1987 eröffnete Heimatmuseum verfügt über eine umfangreiche Sammlung historischer Blechblasinstrumente.

Über die Bahnhofstraße, die Mühl- und Schulstraße kommt man zur Grundschule, in der das Museum untergebracht ist. Nach rechts geht es in den alten Ortskern um den Heinrich - Kaul - Platz. Das hübsch renovierte frühere Rathaus aus dem späten 16. Jahrhundert nahmen die umliegenden Hauseigentümer zum Anreiz, sich den Sanierungsbemühungen um die historische Bausubstanz anzuschließen. Geplant ist ein Rundweg, an dem steinerne Klangkörper den Bezug zur örtlichen Musikinstrumenten- Fertigung herstellen.

 

Das im Jahre 1882 errichtete und 1910 erweiterte Bahnhofsgebäude an der 1857 erbauten „Hessischen Ludwigsbahnstrecke“ Darmstadt - Mainz besteht aus einer gut erhaltenen Sandsteinfassade mit Hintermauerung. Im Hauptgebäude ist ein trockener Gewölbekeller untergebracht. Zu diesem führt eine  schmale, mit Sandstein ausgelegte, halbgewendelte Treppe. Zweiflüglige Kastenfenster im stehenden Format sowie feste Holztüren, teilweise zweiflüglig, dominieren die Fassade. Ein etwa 20 Grad geneigtes Dach mit Pappverschindlung schließt das zweistöckige Gebäude nach oben hin ab. Der Charakter des Bahnhofs sollte auch nach der Restrukturierung nicht verlorengehen, deswegen wurde darauf geachtet, daß die wertvolle, historische Bausubstanz erhalten blieb.

Im Jahre 1193 erwarb die Gemeinde das Bahnhofsgebäude von der Bahn-AG zu einem Preis von rund 240.000 DM mit der Absicht, das Gebäude einer sinnvollen Verwendung zu zuführen.  Im Jahre 1996 Schloß der Fahrkartenverkauf für immer seine Pforten, das Gebäude war letztlich nur noch Symbol einer über 140-jährigen Geschichte der Verbindung Bahn - Gemeinde Nauheim. Die Umbaumaßnahmen zu einem Jugendzentrum, unterstützt durch den Rhein-Main-Verkehrs­verbund (RMV) mit dem eigens hierfür aufgelegten Stationsentwicklungsplan (STEP), wurden 1998 abgeschlossen. 

 

 

Trebur

Erstmals haben Archäologen in Südhessen die 400-jährige Geschichte einer spätrömischen Kleinfestung lückenlos dokumentiert. In Trebur bei Rüsselsheim legten Studenten der Universität Frankfurt Reste einer Festung aus dem Jahr 370 nCh. sowie Gräber aus den folgenden Jahrhunderten frei. Nach den bisherigen Erkenntnissen diente die Anlage mit kleinem Hafen bis zum Ende der Römerzeit um 430 der Sicherung der Rheingrenze. Dort sollen Patrouillenschiffe stationiert gewesen sein, wie sie vor einigen Jahren in Mainz ausgegraben wurden. Die etwa zehnköpfige Mannschaft des Forts bestand wahrscheinlich aus Burgundern, den römischen Bündnispartnern. Sie wurden später von elbgermanischen Gruppen überrannt. Um 500 übernahmen dann die Franken das Gebiet. Zum Beleg verweisen die Archäologen auf das Grab eines fränkischen Adeligen. Die Beilagen von zwei Schwertern, einer Lanze und Reitsporen lassen auf einen bedeutenden Mann schließen. In weiteren Gräbern jüngerer Zeit wurden keine Beigaben mehr gefunden. Das ist ein Zeichen dafür, daß die Christen Einzug gehalten haben. Das Ende der etwa Fußballfeld großen Anlage kam voraussichtlich im neunten Jahrhundert. Das Mauerwerk wurde komplett abgetragen. Die Wissenschaftler vermuten, daß es für den Bau der Königspfalz im nahe gelegenen Trebur verwendet wurde, die 829 erstmals urkundlich erwähnt ist.

Die Kaiserpfalz Trebur war wichtiger Stützpunkt im Pfalzensystem der fränkischen und deutschen Herrscher, bis zum Hochmittelalter gleichrangig mit Mainz, Frankfurt, Worms und Ingelheim. Das „palatium tribur“ befand sich im umwehrten Kirchenbezirk. Es muß eine Anlage riesigen Ausmaßes gewesen sein, die den Hofstaat mehrerer Herrscher aufnehmen konnte. Der erste Besucher war König Ludwig der Fromme, der am 14.10.829 kam. Mindestens 57 Aufenthalte von Regenten lassen sich bis 1077 nachweisen. In diesem Jahr mußte Heinrich IV. von Trebur aus den „Gang nach Canossa“ antreten.

Die Pfalz ging 1234 an die Grafen von Katzenelnbogen über. Sie wurde teils geschleift, teils ging das Mauerwerk in geistliche und weltliche Bauten ein. Auch in der barocken Laurentiuskirche befinden sich noch karolingische Steine. Eine römische Weiheinschrift befindet sich am Kirchturm, etwa 2,90 Meter über dem Boden: „Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses und der Göttin Virodacti haben der Ort der Nidenser und die Einwohner des vicus Augsut (anus) aus öffentlichen Mitteln (das Bauwerk) errichten lassen“. Es könnte sich auch um ein Weihegeschenk an die Göttin handeln, wohl eine Muttergöttin.

In der Kirche befindet sich ein Standbild Luthers mit einer Gans.

Auf der Groß-Gerauer-Straße kommt man zur Hauptstraße, biegt links ein und kommt zum Rat­haus von 1577. Dahinter, im Gasthaus „Zum Erker“, kann man Spargel schlemmen, dem typischen Produkt der Gegend. Ursprünglich mündete hier der Neckar in den Rhein. Das Gebiet ist im Gespräch für einen Fließpolder für Hochwasser, um das Rheintal zu entlasten.

 

Nekropole:

Die Nekropole (Gräberfeld) von Trebur ist das bisher größte Gräberfeld des mittleren Neolithikums und wurde als bislang einziges sowohl von der Hinkelstein als auch der Großgartacher-Kultur belegt. Spektakuläre Befunde und umfangreiche Beigabenensembles lassen Unterschiede zwischen Mann und Frau, Arm und Reich sowie zwischen den beiden Kulturen erkennen.

 

Die nach ihrer charakteristischen Tonware kurz als Linienbandkeramik bezeichnete erste Bauernkultur Mitteleuropas bricht nach mehr als einem halben Jahrtausend zusammen. Sie wird in Südwestdeutschland von der sogenannten Hinkelstein-Kultur abgelöst, die ihren Namen der Fundstelle „Am Hinkelstein“  auf der rheinhessischen Gemarkung Monsheim verdankt. Hierauf folgt die Großgartacher Kultur, benannt nach dem forschungsgeschichtlich bedeutsamen Großgartach (Landkreis Heilbronn). Absolut- chronologischen (C14) Daten zufolge dürfte Hinkelstein 5.100 vCh beginnen, Großgartach etwa um 4.700 vCh enden. Bis vor kurzem beruhten die gesamten Kenntnisse zum Hinkelsteiner Bestattungswesen auf Grabungen, die der Arzt Carl Kochl um die Jahrhundertwende in der Umgebung von Worms durchgeführt hat. Die bisher bekannten Gräber der Großgartacher Kultur kamen vor allem im Elsaß zutage, auch sie im Rahmen von Altgrabungen.

Die ersten vier Gräber der Nekropole von Trebur (wurden 1939 bei der Anlage eines Kabelgrabens angeschnitten. Eugen Schenkel, der das Gräberfeld 1971 wiederentdeckt hat, konnte fünf weitere Bestattungen bergen. Da die Nekropole durch die Landwirtschaft bereits in Mitleidenschaft gezogen und dadurch weiterhin massiv bedroht war, führte das Landesamt für Denkmalpflege Hessen unter Leitung von Dr. Hoher Göldner, in zwei Kampagnen der Jahre 1988 und 1989 ihre vollständige Ausgrabung durch. Die zugehörige Siedlung der Großgartacher, vielleicht auch der Hinkelstein - Kultur, dürfte. nach Lesefunden zu urteilen, nur wenige hundert Meter entfernt zu suchen sein.

 

Zwei Kulturen - eine Nekropole: Das auf hochwasserfreier Flüche zwischen Altarmen des Mains und des Neckars gelegene Gräberfeld besteht aus inngesamt 137 Bestattungen. von denen 79 zur Hinkelstein Kultur und 58 zur Großgartacher Kultur gehören. Letztere umgehen auf allen Seiten die Hinkelsteiner Gräber, was dafür spricht, daß die beiden Kulturen die Nekropole nacheinander belegten. Die meisten Hinkelstein - Gräber drängen sich im Zentrum des Gräberfeldes zusammen und sind nur ein bis zwei Meter voneinander entfernt, ein Befund, der eine Überdeckung mit runden Hügeln ausschließt. Da aber kein Grab ein anderes stört, muß mit einer oberirdischen Kenn­zeichnung der Grabstellen gerechnet werden. Im Allgemeinen handelt es sich um Körperbestattungen. Ausnahmen sind drei Brandgräber - darunter die erste Hinkelsteiner Brandbestattung

sowie drei Kenotaphe. d.h. Leer- oder Scheingräber mit Beigaben- aber ohne Skelett. In zwei Großgartacher Gräbern lagen Neugeborene, die man mit einem umgedrehten Gefäß, einer sogenannten Zipfelschale, abgedeckt hatte.

Die anthropologische Geschlechtsbestimmung erlaubt es, spezifische Beigaben oder Bei­ga­ben­ensembles zu identifizieren, die nur oder überwiegend Frauen bzw. Männern mitgegeben wurden. Auf dieser Grundlage lassen sich in einem zweiten Schritt auch anthropologisch nicht bestimmbare Bestattungen einem der beiden Geschlechter zuordnen. Demnach wurden in den Gräbern beider Kulturen gleich viele Männer und Frauen beigesetzt. Mit nur etwa zehn Prozent sind hier dort die Kinder unterrepräsentiert, die demnach mehrheitlich eine von der Erdbestattung abweichende Behandlung erfahren haben.

 

Unterschiede in Ausrichtung und Haltung: Alle Hinkelsteiner Toten sind konsequent mit dem Kopf nach Südosten, mit den Füßen nach Nordwesten ausgerichtet. Genauso wurde die eine Hälfte der Großgartacher Toten beigesetzt, die andere jedoch genau umgekehrt, also mit dem Kopf nach Nordwesten. Diese Ausrichtungen innerhalb des Großgartacher Totenrituals erfolgten jedoch nicht geschlechtsspezifisch. Dagegen zeigt sich, daß Kinder mehrheitlich mit dem Kopf im Südosten, Alte deutlich häufiger mit dem Kopf nach Nordwesten bestattet wurden.

Unterschiede zeigen sich auch in der Haltung der Toten. Mit ausgestreckten Armen und Beinen wurden mehr als drei Viertel der Frauen der Hinkelstein - Kultur bestattet, aber nur ein Viertel der Männer, die sich ansonsten durch unterschiedlich angewinkelte Arme auszeichnen. In der folgenden Großgartacher Zeit wandelt sich das Bild: Ausgestreckte Gliedmaßen sind nun eher für die Männer charakteristisch, dagegen kommen angewinkelte Arme bei beiden Geschlechtern vor. Während die Hinkelsteiner Bestattungssitte also von einem weitgehenden Gegensatz in der Haltung männlicher und weiblicher Toter geprägt ist, läßt sich dieser Dualismus für die Großgar­ta­cher Zeit nicht mehr feststellen. Nur bei einem Hinkelsteiner Toten, der auch sonst Besonderheiten aufweist, finden sich leicht angehockte Beine. Es dürfte kein Zufall sein, daß gerade diesem Mann ein Gefäß mitgegeben wurde, das einen Adoranten zeigt, eine stark stilisierte menschliche Figur mit erhobenen Armen.

 

Dechsel, Feuerzeug und Pfeilbewehrung: Bei allen Bestatteten der Nekropole von Trebur fanden sich Beigaben. Vier von fünf Hinkel­steiner Männergräbern enthielten Steinbeilklingen mit hohem oder flachem Querschnitt, Überbleibsel von geschäftet mitgegebenen Dechseln. Seltener wurden durchlochte Stücke aus metamorphem Gestein mitgegeben, die wohl als Spaltkeile dienten. Mit ihrer Hilfe hat man - vor der Erfindung der Säge - sogenannte gerissene Bretter hergestellt. Vielen Hinkelsteiner Männern waren auch Silexkernsteine mitgegeben worden, die sekundäre Klopfmarken aufweisen. Zusammen mit mutmaßlichen Pyritknollen, die in Form eisenhaltiger Konkretionen überliefert sind, dürften sie als Schlagfeuerzeuge gedient haben; hinzudenken muß man Zunderschwäimnte, präparierte Baumpilze, die als Gluthalter dienten.

Wohl nicht zufällig liegen Pyrit und / oder Klopfstein in der Regel am rechten Arm der Männer. Auch die Beigabe sonstigen Silexmaterials blieb den Männern vorhehalten. Am häufigsten handelt es sich dabei um einfache Klingen, charakteristisch für Hinkelsteine, sind die sogenannten Trapeze, die als querschneidige Pfeilbewehrungen dienten. Im Vergleich mit der Vorgängerkultur fällt die relative Armut an Beilklingen in den. Großgartacher Männergräbern auf, lediglich Spaltkeile wurden ebenso häufig mitgegeben. Wie Silexartefakte allgemein, erscheinen jetzt auch Klopfer nur noch selten.

Nachweise von Pyrit fehlen gar vollständig. Das gleiche gilt für Pfeilspitzen, allerdings liegt ein dreieckiges, flächig retuschiertes Exemplar Großgartacher Form als Oberflächenfund vom Gelände des Gräberfeldes vor. Es zeigt alle Merkmale von Hitze - Einwirkung und könnte für die Existenz weiterer, durch den Pflug zerstörter Großgartacher Brandgräber sprechen. Cha­rakteristisch für die Inventare der Großgartacher Männergräber sind beschliffene Roteisensteinknollen, mit deren Hilfe Farbstoff gewonnen wurde. In den Hinkelsteingräbern von Trebur fehlt Rötel vollständig. Geräte aus Tierknochen und Geweih wurden den Männern beider Kulturen nur gelegentlich mitgegeben.

Ganz anders wurden die Frauen beider Kulturen ausgestattet. Kennzeichnend sind vor allem Geräte aus Sandstein, besonders Bestandteile von Bandmühlen in Form sogenannter Läufer und Unterlieger - erstere wesentlich häufiger - daneben Reib- und Schleifsteine, Schleifplatten usw. In keinem Fall scheint eine vollständige Getreidemühle beigegeben worden zu sein, eine Beobachtung, die auf den symbolischen Charakter dieser Sitte von Teilbeigaben verweist. Analog zu den Verhältnissen bei den Männern wurden auch die Großgartacher Frauen mit weniger Steingeräten ausgestattet als ihre Hinkelsteiner Vorgängerinnen. Schleifsteine werden nun gar nicht mehr beigegeben.

Daß hingegen Silices nun auch Frauen ins Grab begleiteten, zeigt exemplarisch die bislang singuläre Beigabe einer Sichel, Bestandteil des reichsten Großgartacher Inventars. Außer den beiden schneidenden Einsätzen, importierter Plattenhornstein aus den Silexgruben des bayerischen Abensherg - Arnhofen (Kreis Kelheim) hat sich auch das Birkenrindenpech mit den Abdrücken der Holzschäftung und der Klingen erhalten. Eine weitgehende Rekonstruktion der Sichel ist daher möglich.

Keramik fand sich bei allen Bestatteten, in den Hinkelsteiner Gräbern vor allem Kümpfe. in den Großgartachern am häufigsten Bauchknickgefüße. Charakteristisch für die Inventare - besonders der Frauen beider Kulturen -  sind unverzierte dickwandige Töpfe einfacher Form. Es liegt nahe, sie als Kochtöpfe zu interpretieren, da die den Frauen vorbehaltenen Mahlsteine ebenfalls zur Lebensmittelverarbeitung dienten. Zum keramischen Spektrum gehören sodann Schalen - vor allem Zipfelschalen, weniger häufig Fußschalen - sowie verschiedene Flaschenformen. Die Großgartacher Gräber lieferten vielfach auch ovale Schalen.

Der außergewöhnlichste Beigabentvp der Hinkelstein - Gräber ist Fleisch in Form ganzer Brustkorbhälften von Rindern, mit denen man am Schluß des Beigabenrituals Kopf und Oberkörper des Toten, seltener dessen Beine und Füße bedeckte. Darüber hinaus fanden sich in zahlreichen Hinkelsteiner Gräbern die Knochen beigegebener Keulen von Rindern, Schafen, nur einer eindeutigen Ziege, von Haus- und Wildschwein, aber nur einmal vom Rothirsch. In einigen Fällen waren ganze Schafe, seltener Schweine beigegeben worden, jedoch ohne Kopf und Füße. Den Männern wurde mehr Fleisch mitgegeben als den Frauen. Besonders bemerkenswert ist, daß Schweinefleisch - die Inventare einer Frau und eines Mädchens ausgenommen - den Männern vorbehalten blieb. Die Frauen erhielten entsprechend häufig Schaffleisch mit auf den Weg.

Ob das Schweinefleisch in den Männergräbern lediglich ein geschlechtsgebundenes Totenritual widerspiegelt, oder ob sein Verzehr schon im Alltag den Männern vorbehalten war, wird sich kaum je klären lassen. Der Treburer Befund erinnert an die Rolle des Schweins bei Papua-Stämmen Neuguineas: Die Tiere leben dort mit den Frauen und Kindern zusammen, die sie füttern und verhätscheln; wird eines geschlachtet, sind es jedoch die Männer, die die besten Stücke unter sich aufteilen, während die Frauen sich mit dem begnügen müssen, was übrigbleibt.

 

Schmuck aus Muscheln, Zähnen, Kalkstein: Aus etwa der Hälfte aller Gräber kam Schmuck zutage. Eine charakteristische Form sind Hirschgrandeln, in den Hinkelstein - Inventaren jedoch vielfach als Imitationen aus dem Perlmutt der im Neolithikum noch vorkommenden Flußmuschel Margaritifera auricularia. Sie sind die häufigste Schmuckform in den Hinkelsteiner Männergräbern. In der Regel waren die Grandeln Bestandteile von Hals ketten. Eine Besonderheit des Hinkelsteiner Frauenschmucks, in drei Gräbern belegt, sind Gürtelbesätze aus Hirschgrandeln. Der wertvollste Besatz dieser Art stammt aus dem reichen Grab 63 und bestand aus mindestens 230 Hirschgrandeln. Da der (männliche) Hirsch nur zwei solcher Oberkiefereckzähne besitzt, kostete also allein dieser Schmuck 115 Tieren das Leben.

Zum selben Gürtel gehörte eine große, am Schloß doppelt durchbohrte Spondylusmuschel als Schließe. In der ganzen Nekropole kommt diese Schmuckform nur einmal vor, in linienbandkeramischen Gräberfeldern begegnet sie häufiger. Doppelt durchbohrte Flußmuschelschalen der Art Margaritifera auricularia, auf Höhe der Hüfte getragen, waren Bestandteil der Frauentracht beider Kulturen. Die kleinen, einfach gelochten Muscheln waren teils rezent, teils fossil und stammen aus dem Mittelmeer oder dem Atlantik (Glycymeris) bzw. aus dem Tertiär des Mainzer Beckens (Corbicula convcea).

Zylindrische Spondylus-Perlen, Scheibenperlen aus Perlmutt (Margaritifera auricularia) sowie rezente, röhrchenförmige Scaphopoden aus dem Atlantik oder dem Mittelmeer kommen nur in den Hinkelstein - Inventaren vor. Hingegen lieferten die Gräber beider Kulturen zylindrische Perlen aus Kalkstein und fossile, gelochte Schneckengehäuse aus dem Tertiär des Mainzer Beckens. Meist handelt es sich bei diesen Schmuckformen um Teile von Halsketten. Durchbohrte Eberzahnlamellen wurden in beiden Kulturen sowohl am Hals wie am Arm getragen. Dagegen sind durchlochte Eckzähne von Hund, Fuchs, Dachs und Wildkatze als Bestandteile von Halsketten eine Besonderheit der Großgartacher Kultur.

Die Inventare der Hinkelsteiner Kindergräber sind geschlechtsspezifisch, es lassen sich also archäologisch Bestattungen von Jungen und Mädchen unterscheiden. Bei den Großgartacher Kindern handelt es sich entweder generell um Mädchen, oder den Knaben wurden kennzeichnende „männliche Beigaben“ vorenthalten. In beiden Kulturen erhielten die Kinder umso mehr Beigaben, je älter sie bei ihrem Tod waren. Gemessen an den Erwachsenen, wurden sie gut ausgestattet, möglicherweise eine Folge des relativ hohen Status dieser Minderheit von Kindern, die regulär beigesetzt wurden.

Die Großgartacher Beigabenensembles sind deutlich ärmlicher als die Inventare der Hinkelstein-Kultur. Die Hinkelsteiner Männer wurden wiederum reicher ausgestattet als die Frauen, wobei man einschränkend berücksichtigen muß, daß sich Gegenstände aus organischen Materialien wie Gewebe, Körbe oder Holzgeräte nicht erhalten haben, Beigabenensembles daher ärmlicher wirken können, als sie ursprünglich waren. Die „männlichen“ und „weiblichen“ Inventare der Großgar­tacher Kultur unterscheiden sich jedenfalls weniger deutlich voneinander.

 

Frauen und Männer getrennt - und nebeneinander: Innerhalb der Hinkelstein-Nekropole zeichnen sich Gruppierungen von weiblichen und männlichen Bestattungen ab, davon abweichend waren an seiner Peripherie zwei gemischte Gruppen von jeweils vier Bestattungen auszumachen. Diese Gräber fallen durch ihre gute Erhaltung und parallele Ausrichtung auf. Hierdurch grenzen sie sich deutlich von den umgebenden Bestattungen ah. Dabei verdient die eine Gruppe mit je zwei Männer- und Frauengräbern (63 und 67 bis 69) besonderes Interesse.

Die beiden Männergräber sind die bestausgestatteten der ganzen Nekropole. Ihre Inventare bestehen unter anderem aus einem hohen und einem flachen Dechsel, einem Keil sowie fünf Silices. In das Frauengrab 63 gehören (beide wurden oben schon erwähnt) der Grandelbesatz und die Spondylusmuschel. Die beiden Männergräber sind untereinander und mit zwei benachbarten Bestattungen durch das Verzierungsmotiv des „liegenden Bäumchens“ verbunden, das auf der Keramik der übrigen Gräber fehlt. Eine dieser benachbarten Bestattungen steht wiederum durch ihren Grandelbesatz mit dem reichen Frauengrab 63 in Beziehung.

Die beiden gemischtgeschlechtlichen Gräbergruppen lassen, da sie im Gegensatz zu den Frauen- und Männerbereichen in der Nekropole stehen und durch auffällige Verzierungsmotive miteinander verbunden sind, an Familien oder Sippenverbände denken. Soweit Grabinventare Rückschlüsse auf die soziale Stellung der Bestatteten zulassen, dürfte sich in den Gräbern 63 und 67 - 69 eine Sippe mit gehobenem Status oder von hohem Ansehen fassen lassen.

Gleiches gilt für eine benachbarte Gruppe von drei reichen Männergräbern, deren je drei durch identische Ausrichtung und die Beigabe sonst nicht vorkommender Geweihsprossen miteinander verbunden sind. Diese besonders reichen Gräber wurden alle im Süden bzw. am südlichen Rand der zentralen Hinkelsteiner Gräbergruppe angelegt. Im Großgartacher Teil der Nekropole lassen sich - vielleicht von einer Ausnahme abgesehen - keine entsprechenden Gruppen von Männer- oder Frauengräbern erkennen, auch kaum Gruppierungen, die sich aufgrund anderer gemeinsamer Merkmale ergeben.

 

Die Hinkelsteiner Gesellschaft - nach Geschlechtern gegliedert: Die Aufteilung der Hinkelsteiner Nekropole in spezielle Bereiche für beide Geschlechter, die Unterschiede der Körperhaltungen von Frauen und Männern, die Ausstattung nur der letzteren mit Schweinefleisch, dies alles spricht für eine deutliche Gliederung der Gesellschaft in einen männlichen und einen weiblichen Teil, zumindest im Totenritual. Die qualitativ unterschiedlichen Beigabeninventare dürften die Arbeits- und Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern widerspiegeln. Ein höherer Status der Männer läßt sich vielleicht aus den reicheren Inventaren und der etwas stärkeren Eintiefung ihrer Gräber erschließen.

 

Teilweise Umkehr des Totenrituals: Das Totenritual der Großgartacher Zeit wirkt eher egalitär: Frauen und Männer werden nicht mehr getrennt voneinander bestattet, der Unterschied im Reichtum der Inventare ist weniger stark ausgeprägt, und die Gräber sind gleich tief. Die Veränderungen in Körperhaltung und Fleischbeigabe sind Ausdruck einer regelrechten Umkehrung des Hinkelsteiner Totenrituals. Sie manifestiert sich besonders deutlich darin, daß im Vergleich zur Hinkelsteiner Orientierungssitte die Hälfte der Toten nun genau anders herum beigesetzt wird.

So zeigen sich in der Nekropole von Trebur Unterschiede zwischen den beiden Kulturen nicht nur in materieller Hinsicht (wie in der verzierten Keramik), sondern auch im Totenritual und wohl auch im sozialen Bereich. Vieles läßt auch die Kontinuität der Entwicklung erkennen, nicht zuletzt die Tatsache, daß die Hinkelstein-Nekropole in der Großgartacher Zeit weiterbelegt wurde. Kontinuität auf der einen, bewußter Traditionsbruch auf der anderen Seite kennzeichnet also das Verhältnis der beiden Kulturen.

 

 

Bischofsheim

Seit ungefähr 150 Jahren waren und sind Eisenbahnen unerläßliche Transportmittel. Relikte der aufgegebenen Schienenstrecken formen die Kulturlandschaft mit. Besonderes Zeugnis ist die denkmalgeschützte Eisenbahnlandschaft von Bischofsheim im Kreis Groß - Gerau. Bischofsheim entwickelte sich von 1904 an zum Eisenbahnverkehrsknoten im südlichen Rhein – Main - Gebiet. Bis zu 1.000 Bahnbedienstete arbeiteten hier in Wartung, Reparatur und am Güterbahnhof. Zwei 50 Meter lange und von Zwangsarbeitern gemauerte Unter­suchungsgruben aus dem Zweiten Weltkrieg sind Reste des früher riesigen Werkes, das die in Reparatur befindlichen Loks vor Bombenschäden schützen sollte. Heute hat die Bischofs­heimer Eisenbahnlandschaft Aufnahme in die Route der Industriekultur Rhein - Main gefunden.

 

 

Groß - Gerau

Wissenschaftler haben  2011 Spuren eines frühen Militärlagers der Römer in Hessen entdeckt. In der Nähe von Groß-Gerau, Ortsteil Wallerstädten, stießen sie auf Reste eines Kastells, das von den vierziger bis siebziger Jahren des ersten Jahrhunderts nach Christus bestand. Es sich handelt um eine der wichtigsten Fundstätten noch vor Errichtung des Limes und noch älter als das Kastell in Gernsheim.  Das Lager war ein festes, im Unterschied zu anderen, die nur einige Zeit bestanden. In dieser Gegend haben in Mainz stationierte römische Soldaten immer wieder militärische Übungen abgeleistet.

Besonders froh sind die Archäologen, wenn sie einen Brunnen entdecken. Wenn diese aufgegeben wurden, wurden sie danach als Abfallgruben benutzt. Das macht sie für die Erforschung der Lebensverhältnisse besonders attraktiv. Die Archäologen fanden Hinweise auf Gräben und Brunnen und stießen auf Waffenverzierungen sowie auf Münzen und Scherben. Über 1000 Funde sind aus der Ackeroberfläche geborgen worden.

Das Lager dürfte lediglich durch einen befestigten Erdwall geschützt worden sein. Hier ist ja   ein steinarmes Gebiet. Die Römer haben deshalb Fachwerk- und Holzbauten errichtet.“ An dem Militärplatz dürften sich rund 500 Soldaten aufgehalten haben, ebenso noch 500 Zivilpersonen. Das Truppenlager habe etwa 30 bis 40 Jahre bestanden. Warum die Soldaten weggingen, ist unbekannt. Bei ihnen handelte es sich den Archäologen zufolge um Männer aus unterworfenen Völkern. Diesen ist nach Ablauf einer 25jährigen Dienstes das römische Bürgerrecht zugesprochen worden.

Der Bereich um Groß-Gerau ist auch wegen des nur rund 20 Kilometer entfernten Mainz ein bevorzugtes Suchgebiet. In den vergangenen zehn Jahren wurden immer wieder Entdeckungen gemacht. Die Zahl der Fundstellen habe sich auf etwa 200 fast verzehnfacht.   Zu den Funden gehört auch eine Miniaturstatue der Göttin Minerva.

 

 

Rüsselsheim

Man fährt von  der Autobahnabfahrt Rüsselsheim Süd über die B 519 in die Stadt, nach Querung der B 43 nach rechts in Richtung Festung / Museum östlich des alten Ortskerns. Eine Parkmöglichkeit besteht östlich des Stadtparks (sonntags frei).

 

Geschichte:

Die Kalkblöcke am Falkenberg hat schon die XXII. Legion für ihre Bauten genutzt. Die Entstehung Rüsselsheim dürfte ins 6. Jahrhundert fallen. Der Frankenführer Ruzillo wird als Gründer der Stadt bezeichnet. Er hat sie zu beiden Seiten der Aschaffenburger Straße angelegt. Ein freier Platz in der Mitte diente als Versammlungsstätte, Grenzgräben wurden angelegt.

Spätere Besitzer waren die Herren von Münzenberg, Falkenstein und Katzenellenbogen (aus der Obergrafschaft Katzenellenbogen entwickelte sich das Großherzogtum Hessen). Anfang des 15. Jahrhunderts wurde das Amt Rüsselsheim gebildet, das bis 1821 bestand. Im Jahre 1479 kam die Burg Rüsselsheim an Hessen, und 1491 kam es zu einem Vergleich mit Kurmainz. Landgraf Wilhelm II. legte die Wallbefestigung an, sein Sohn Philipp errichtete vier Ecktürme und eine Vorschanze an der Zugbrücke. Im Schmalkaldischen Krieg widerstand die Burg im Jahre 1547 den Anstürmen des kaiserlichen Generals Büren. Im Jahre 1689 sprengten die Franzosen die Festung in die Luft.

 

Opel -Villen:

Ein Blick entlang des Mains lohnt sich. Nach Osten sieht man zunächst die Opel -Villen. Die Opel-Villen als Ort der Begegnung und Zentrum für zeitgenössische Kunst füllen sich mit Leben. Als erste Ausstellung sind im Jahre 2003  „Zitronen“ von Diether Ritzert zu sehen. Auch gibt es nun Gastronomie. Bei schönem Wetter können Besucher von der neuen Terrasse auf den Main blicken, aber noch stört die Dammsanierung den Blick.

Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Bürger sind am Samstag in die Ludwig - Dörfler - Allee geströmt, um bei Teil eins der Eröffnung der Opel - Villen dabei zu sein. Sie nutzten die Möglichkeit, durch die 1916 im Jugendstil erbaute und nun sanierte Villa Wenske zu flanieren und an Führungen teilzunehmen.

Die kleinere der beiden Villen ist benannt nach dem ehemaligen Fabrikdirektor Wilhelm Wenske und beherbergt nun ein italienisches Café-Restaurant und im Obergeschoß ein Trauzimmer. Zugänglich ist nun auch der gläserne Anbau, der die beiden Villen verbindet, sie behindertengerecht erschließt und in dem sich auch die Sanitäranlagen befinden.

Im Verbindungstrakt gibt es einen Gang, den Kulturamtsleiter Kurt Röder Spielraum nennt und in dem am Samstag eine Ausstellung mit zwei Dutzend Werken des 1987 mit 60 Jahren verstorbenen Rüsselsheimer Malers Diether Ritzert eröffnet wurde. Ritzert war 1986 der erste Kulturpreisträger der Stadt. Die nun gezeigten Werke drehen sich um das Thema „Zitrone“. Kurator Uwe Wenzel erläuterte im Beisein von Ritzerts Frau Elisabeth die gegenständlichen Ölbilder und Druckgraphiken, in denen er auch eine Verbindung und einen Vorgeschmack auf die erste große Ausstellung sieht: In der Herrenhaus genannten größeren Opel-Villa, die Fritz von Opel 1931 im Bauhaus-Stil erbauen ließ, werden von Ende September an Werke der expressionistischen Künstlergruppe „Brücke“ zu sehen sein. Der zweite Akt erfolgt zuvor am 23. Mai, wenn es im Trauzimmer die ersten standesamtlichen Eheschließungen geben wird.

Die Villen  haben eine wechselvolle Geschichte, die den Krieg überdauerten, danach Krankenhaus, Standesamt und Amtsgericht waren.  Die Stadtverordneten beschlossen 1998 die notwendige Sanierung der Häuser. Für diese 1,5 Millionen Euro teure Aufgabe wurde 2001 die Stiftung Opel - Villen gegründet, finanziell getragen von der Stadt und dem Automobilkonzern Opel.

Die Opel -Villen sind wichtig für die Zukunft und Identität von Rüsselsheim, um von einem verschlafenen Arbeiterdorf zu einer modernen selbstbewußten Stadt zu werden.

 

Festung:

Dann geht man zur Festung der Grafen von Katzenelnbogen aus dem 15. Jahrhundert. Diese kann man von außen besichtigen durch einen Rundgang durch den Graben. Innen ist bemerkenswert das gotische Tor. Außerdem gibt es im Hof Neubauten für das Museum. Das Museum fußt auf Sammlungen eines 1905 gegründeten Heimatvereins. Es zeigt anhand von Funden, ausgewählten Objekten, Kunstwerken und Textdokumenten Schwerpunkte in der Entwicklungsgeschichte  der Stadt an: so die Zeit der fränkischen Landnahme bis zum Bau der Festung; die Festung selbst, dargestellt durch Pläne, Urkunden, Modelle; vorindustrielle Technik und natürlich Rüsselsheim im Zeitalter der Industrialisierung (1830 – 1945), der Wandel zum Fließband am Beispiel Rüsselsheimer Firmen, vor allem dem Opelwerk.

 

Stadtpark:

Dann geht es weiter durch den Stadtpark, durch das Türchen in der Mitte. Man kommt zu einer Vogel - Voliere und dann zu einem Tempel in der Mitte des Parks. Dieser ist im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt und birgt immer wieder Überraschungen. Rechts von dem See kann man eine Pyramide entdecken. Zwischen Bäumen versteckt ist ein Parkwärterhaus.

 

Fußgängerzone:

Vom westlichen Ausgang geht man durch die Schäfergasse bis zur Mainstraße. Nach links kommt man über den Marktplatz mit der barock - klassizistischen Kirche zur Fußgängerzone.

Seine erste Kirche erhielt Rüsselsheim im Jahre 1514. Sie stand südlich der Festung, fiel aber wohl einem Brand zum Opfer. Deshalb wurde die in Trebur abgebrochene St. Albanskirche  wieder vor dem Schloß in Rüsselsheim aufgebaut, brannte aber auch 1524 ab. Auch eine auf dem Marktplatz neue errichtete Kirche brannte ab. Die Wetterfahne auf dem alten Pfarrhaus trägt die Jahreszahl 1609 und die Gestalt des Hl. Alban. Eine hölzerne Figur Albans ist im Flur des alten Pfarrhauses aufgestellt. Er hält sein Haupt in der Hand, weil er nach seiner Hinrichtung in Mainz noch bis nach Rüsselsheim gelaufen sein soll.

Die Bevölkerung des benachbarten Haselach, wo auch eine Burg stand, besuchte die Rüsselsheimer Kirche bis 1618, als der Ort kurmainzisich und wieder katholisch wurde. Die 1593 neu erbaute Kirche bestand bis 1790. Dann wurde die jetzige Kirche errichtet. Die katholische Kirche wurde 1903 geweiht.

Nach links kommt man zum Löwenplatz und durch die Löwengasse zum Friedensplatz. Hier geht man erneut in den Stadtpark, geht aber jetzt mehr durch den südlichen Teil. Kurz vor der Parkschule steht eine künstliche Ruine. An der Straße steht das Amtshaus (früher Palais, heute Ordnungsamt).

Die Weiterfahrt geht über die Frankfurter Straße und entweder über die B 43 nach Frankfurt, oder nach Süden über die Ringstraße zum Stadtteil Haßloch. Doch ein Besuch der Horlache lohnt sich nicht.

 

Grenzstein:

Hoheitliche Grenzen trennten Land und Leute. Schon in der Antike wurde das Recht auf Grund und Boden, Nutzung oder auch die Besteuerung mit Grenzen und Grenzsteinen als Markierungszeichen festgelegt. Nachdem sich die Besiedelung nördlich der Alpen im Hochmittelalter immer mehr verdichtete, wurden natürliche Grenzmarkierungen wie Bergrücken, Flüsse, Straßen oder Einzelbäume immer mehr von beschrifteten Grenzsteinen abgelöst.

Ein schönes Beispiel bietet ein Grenzstein aus dem Jahr 1716 am Loogweg im Rüsselsheimer Wald. Der Grenzstein ist einer von mehreren entlang des Loogweges („loog“ stammt von messen), der die großherzoglich genehmigte Grenze in einer Waldgemeinschaft zwischen Rüsselsheim und Mörfelden-Walldorf markierte.

 

Mörfelden -  Walldorf

Neu-Isenburg-Zeppelinheim

Auf der Hinfahrt besucht man Zeppelinheim. Über die Autobahnabfahrt Frankfurt - Süd kommt man auf der B 44 nach Zeppelinheim. Nach der Abfahrt muß man gleich wieder nach rechts abbiegen (die Straße geradeaus führt zur Autobahnauffahrt an der A 5). Die Hauptstraße besteht aus einer breiten Allee, nach rechts geht es zum Zeppelinmuseum. Durch den Forsthausweg und die Kapitän   - Lehmann-Straße sind es nur wenige Schritte hinüber zum Zeppelinmuseum in einem Nebenbau des Bürgerhauses. Das halbrunde, bis zum Boden reichende Dach und die Außenfassaden sind dem Rumpf eines Luftschiffs nachgebildet, die Stahlrohr- Fachwerkbinder im Inneren dem Tragewerk aus Leichtmetallringen und Längsträgern.

Im überaus kenntnisreich gestalteten Zeppelinmuseum hält man die Erinnerung an die „Könige der Lüfte“ wach. Die spektakuläre Geschichte der Starrluftschiffe ist untrennbar verbunden mit dem Lebenswerk des Grafen Ferdinand von Zeppelin, dem es erstmals im Juli 1900 gelungen war, sein Konstruktionsprinzip „lenkbarer Ballons“ erfolgreich zu testen. Auch nach seinem Tod 1917 ging die Entwicklung stürmisch weiter, gipfelte in Arktisfahrten, Weltumrundung und transatlantischem Liniendienst.

Man erhält eine Vorstellung von den Ausmaßen und der Bauweise der Luftschiffe. Die Ausstattungsgegenstände von Passagier- und Besatzungsräumen geben eine Ahnung von dem bis dahin allenfalls in der ersten Klasse der Ozeandampfer erreichten Reisekomfort. Die erhöhte Tragfähigkeit erlaubte es bei „LZ 129“ statt der Gondel den Innenraum als Fahrgastbereich zu nutzen. Der gewonnene Platz kam der Geräumigkeit der mit fließend kalt und warm Wasser ausgestatteten Zweibettkabinen zugute. Man tafelte im Speisesaal von edlem Porzellan, lauschte dem Pianisten am Leichtmetallklavier oder promenierte entlang der Aussichtsdecks. ja, man leistete sich die Herausforderung eines hermetisch abgeschlossenen Rauchersalons.

Im Jahre 1938 hatte man die „Deutsche Zeppelin-Reederei“ von Friedrichshafen in das meteorologisch und verkehrstechnisch begünstigte Frankfurt verlegt. Für die Bediensteten der Luftfahrtgesellschaft wurde eigens eine selbständige (heute zu Neu-Isenburg gehörende) Gemeinde gegründet: Sie konnte nur „Zeppelinheim“ heißen und die Straßen nach verdienten Luftschiffkapitänen benannt werden. Ehemalige Besatzungsmitglieder waren es auch, die hier ein sehenswertes Museum schufen. Anhand von frei schwebenden Modellen unter der Decke und zahllosen Originalexponaten vom Steuerrad bis zum verschmorten Wecker aus dem Wrack der „Hindenburg“ werden noch einmal Triumph und Tragik eines Sonderwegs der Luftfahrt lebendig.

Vermutlich wäre aber auch ohne die Katastrophe von Lakehurst 1937, bei der der 245 Meter lange „LZ 129 Hindenburg“ explodierte, die Ära der Zeppeline zu Ende gegangen. Im Vergleich zum Flugzeug waren sie zu langsam, zu teuer, zu witterungsabhängig. Endgültig besiegelt wurde das Ende der ersten Luftschiffära im Jahre 1940 mit dem Abwracken des letzten Himmelsgiganten und dem Abriß der zugehörigen Hallen auf dem Frankfurter Rhein - Mai - Flughafen.

Ganz aktuell hängt übrigens auch schon ein Modell des „NT“ im Museum. In der Formgebung unterscheidet sich das nach neuester Technologie gebaute Luftgefährt kaum von seinen Ahnen. Den luxuriösen Reisekomfort vergangener Tage - Kabinett, Speisesaal, Raucherzimmer oder Promenadenumgang - wird es freilich nicht bieten. Das Museum wird von Nachkommen der 1938 in Zeppelinheim angesiedelten Bediensteten der „Deutschen Zeppelin-Reederei“ ehrenamtlich geleitet. Durch ihre Schilderungen gewinnen die Modelle und Exponate zusätzliche Authentizität (die in Frankfurt I und II beschriebenen Wandertouren im Gebiet von Zeppelinheim lohnen nicht).

 

Walldorf

Auf der B 44 fährt man dann weiter bis in Höhe des Walldorfer Badesees. Dort biegt man rechts ab in die Aschaffenburger Straße. Nach Überqueren der Bahnlinie biegt man nach links ab in die Farmstraße. In der Platanenstraße geht es nach rechts und dann wieder links in die Flughafenstraße. Man kommt am Rathaus und dem Friedhof vorbei. Am Ende der Flughafenstraße biegt man rechts ab in die Langstraße zur Kirche.

Walldorf entstand auf dem Boden des Hofes Gundheim, der zwischen dem Gundhof und Mörfelden lag. Landgraf Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt (1678 - 1739) siedelte hier im Jahre 1699 waldensische Glaubensflüchtlinge aus den Savoyer Alpen an. Daraus entwickelte sich gegen allerlei Widerstände das heutige Walldorf. Der Name Walldorf spielt nicht auf die Waldenser selbst an, es war einfach das „Dorf im Wald“.

Mit der „Declaration“, einem Vertragswerk zur freien Religionsausübung in deutscher und französischer Sprache, Steuerbefreiung und anderen Privilegien, schloß er sich den Fürstenhäusern an, in deren Gebieten hugenottische oder waldensische Glaubensflüchtlinge Zuflucht fanden. Es waren vor allem mittellose Bergbauern und einige Handwerker, denen der Landgraf Chance bot, auf einer Rodungsinsel im dichten Forst Dreieich zu siedeln.

Eine einfache Skizze des Waldenser Pfarrers Jaques Papon von 1702 gibt die Siedlungsanfänge wieder. Danach standen sich in der Langstraße je sieben Fachwerkhäuser geradlinig gegenüber mit rechtwinklig angesetzten Querstraßen. Die Dorfmitte bildeten eine Kirche und das Pfarrhaus. An diese Anfänge erinnern das Gotteshaus, der Waldenserhof und links eine restaurierte Fachwerkhofreite von 1717, in der das Heimat- und Waldensermuseum seine stilvolle Bleibe hat.

Die Bewohner des südlich gelegenen Mörfelden wachten wie auch der mainzische Weiler Gundhof eifersüchtig darüber, daß sich die Siedler in Walldorf auf ihre zugewiesenen Parzellen beschränkten. Ein Jahrhundert benötigten die Waldenser, bis sie von Nachbarn akzeptiert worden waren.

Geradeaus geht es weiter bis auf die Hauptdurchgangsstraße. Über Okrifteler Straße und Nordring kommt man wieder in die Aschaffenburger Straße. An der Farmstraße biegt man nunmehr links ab in die Farmstraße, an deren Ende man rechts in der Nordendstraße im Industriegebiet parkt.

 

Radtour durch den Wald:

Mit dem Fahrrad geht es weiter. Zunächst geht es wieder zurück durch die Farmstraße und die Aschaffenburger Straße und über die Bundesstraße 44 (einen Weg weiter nördlich gibt es wegen der Eisenbahnlinie nicht, es sei denn, man überquerte ungesichert sie Schienen). Doch jetzt geht es geradeaus in den Wald. Wo links eine Industrieanlage liegt, biegt der Weg etwas nach rechts und führt zu einer Antennenanlage der Amerikaner. Am Tor biegt man rechts ab in den Waldweg und kommt zum Bürgermeisterstein auf der rechten Seite. Er erinnert an den Bürgermeister Peter Jourdan, der am 18. August 1876 „durch ........... erschossen wurde“. Wahrscheinlich stand hier „durch Mörderhand“, aber die Schrift ist herausgemeißelt.

Am nächsten größeren Weg bei der Schutzhütte geht es nach links und dann wieder nach rechts auf den R 8. Er führt über die Autobahn zum Stadtteil „An den Eichen“. Schon an der Schutzhütte biegt man links ab (Straße „An den Eichen“) und kommt zum Forsthaus Mörfelden. Dort geht es nach rechts auf einem Naturlehrpfad und um den Oberwaldsee und den Schnepfensee, von denen aber kaum etwas zu sehen ist. Die Mülldeponie dagegen ist nicht zu übersehen, auch wenn sie begrünt wird. Am Anglersee links vorbei kommt man zum Hotel „Express“ an der Bundesstraße B 486, die überquert wird. Links liegt das Naturfreundehaus, rechts der Campingplatz Mörfelden.

Immer geradeaus kommt man am ehemaligen Forsthof Mörfelden vorbei zum Bombruchsee. Der Weg südlich des Sees ist sehr schmal und holprig und von Abbrüchen bedroht, führt aber an einer schönen Wiese vorbei. Einfacher ist wahrscheinlich der Weg nördlich des Sees, aber noch im Wald. Auf jeden Fall kommt man auf der anderen Seite des Sees zu einer Schutzhütte, an der es nach Süden weiter geht über den Bach. Dahinter geht es erst rechts und dann links weiter und auf dem nächsten breiten Weg wieder rechts. Das ist die Dachsbergschneise, die südlich des Hegbachs nun immer geradeaus führt. Man kommt über die Darmstädter Straße und am Schluß etwas nach rechts zu einem Schienenübergang mit Rufschranke und über die Bundesstraße. Die Nikolauspforte läßt man rechts liegen und fährt über die Landstraße in den Wald.

Nach rechts geht es dann in die Steigbergschneise. Dann muß man aufpassen: An der Kreuzung mit dem Schild „Naturschutzgebiet“ geht es geradeaus in das Naturschutzgebiet „Mönchbruch“ und zum Schützenverein. Man muß schon vor der Wiese links abbiegen und nach Westen weiter fahren auf der Langschneise (Eine andere Möglichkeit ist die südlicher gelegene Alte Rüsselsheimer Straße). Hinter der „Hirtenhäuserschneise“ wird der Weg wieder schlechter und am Ende sogar ein Stück morastig. Aber dann geht es auch nach rechts auf dem Mönchbruchpfad zur „Müller Stube“ und zum Jagdschloß Mönchbruch. Links vor dem Schloß steht ein alter Kilometerstein. Der Weg links am Schloß vorbei führt aber sehr weit nach Westen ab (der Weg am Bach entlang ist nicht befahrbar).

 

Jagdschloß Mönchbruch: Das 1732 erbaute Schloß, das Darmstadts Landgraf Ernst Ludwig errichten ließ, um im Mönchbruch Wild zu jagen, besteht neben dem Wirtschaftstrakt, von der Straße aus zu sehen, im hinteren Bereich aus drei Pavillons.

Das denkmalgeschützte Ensemble gehört heute der Familie Grothe, die dort ein Hotel eröffnen will. Aus dem Wirtschaftstrakt Schlosses wollten die Eigentümer eigentlich Seminar- und Veranstaltungsräume machen. Doch die Statik läßt das im ersten Stock des alten Gebäudes nicht zu. Auch Hotelzimmer brauchten Fluchtwege, die es bisher nicht gibt. Ein dazu notwendiges zusätzliches Treppenhaus würde einen Umbau des Ostflügels des Hauses erforderlich machen. Dann könnte aber der Förderverein sein Info-Zentrum dort kaum mehr unterbringen. Er will im Jagdschloß Mönchbruch mit Blick auf Hessens zweitgrößtes Naturschutzgebiet ein Umwelt- und Kulturzentrum einrichten.

Die Grothes sind deshalb auf die Idee gekommen, nördlich vom Wirtschaftsflügel einen Neubau zu errichten. Der soll den drei Pavillons entsprechen, die es dort früher gegeben hat. Der Neubau soll mit einer Tiefgarage unterkellert sein - doch das bedeutet einen Eingriff in den Wasserhaushalt des Naturschutzgebiets. Die Grothes wollten den Neubau mit zwei Vollgeschossen, historisch belegt ist jedoch nur eines.

Falls keine Einigung mit den Ämtern zustande kommt, werde das Schloß weiter genutzt wie

zur Zeit. Der Wirtschaftsflügel wird an Arbeiter bzw. Firmen vermietet, die auf Baustellen im

Rhein - Main - Gebiet zugange sind.

 

Man fährt auf dem Radweg auf der rechten Seite der Bundesstraße in östliche Richtung bis zum Waldrand. Dort geht es nach links in den Gundweg. Dort steht auch wieder eine Info-Tafel über das Naturschutzgebiet Mönchbruch. Nach einiger Zeit steht rechts ein origineller Wegweiser in Form einer Steinfigur. Der Weg heißt auch „Kaiserallee“ zum Andenken an eine Waldarbeiterin, weil nach dem Krieg die Frauen wieder den Wald aufgeforstet haben.

An einer Kreuzung steht ein Wegweiser, der den Weg geradeaus zum Bahnhof und nach links zum Gundhof anzeigt. Es geht nach links, um den Anglersee herum und dann wieder nach rechts nach Norden. Am Campingplatz Walldorf geht es links herum in die Aschaffenburger Straße und an der Zigeuner-Eiche  vorbei nach rechts zum Gundhof.

 

Gundhof: Hier führte eine uralte Handels- und Heerstraße durch das damalige Sumpfgebiet, die auch die Römer zu nutzen wußten. Es gab nördlich vom heutigen Walldorf bis ins 13. Jahrhundert einen Ort Gundheim mit häufig wechselnden Besitzern, von den Grafen von Münzenberg über die Falkensteiner zum Erzbistum Mainz und gleichzeitig den Isenburgern, bis nach der Säkularisation alles an Hessen-Darmstadt fiel. Heute erinnert allein die Waldgaststätte Gundhof an die einstige Bebauung in diesem Gebiet. Hier wurde schon vor mehr als 200 Jahren Bier gebraut und für den Ausschank Schnaps gebrannt. Seit 225 Jahren wird der Gundhof als Gasthof geführt. Am Gundhof kann man rechts fahren und kommt in die Aschaffenburger Straße

 

Vom Gundhof fährt man erst wieder ein Stück nach Norden und dann wieder nach recht. Nach einiger Zeit kommt man an den Nordrand des Lehrpfades rund um die KZ-Gedenkstätte, ein Außenlagers des Konzentrationslagers Natzweiler im Elsaß. Der Lehrpfad beschreibt auf 16 Tafeln mit Bildern und Zitaten das Leiden jüdischer Frauen aus Ungarn, die auf dem Flughafen eine erste betonierte Rollbahn für das erste deutsche Düsenflugzeug bauen mußten. Am Weg rechts - etwas im Wald - sieht man noch einige Treppenstufen, die zu dem Keller der Lagerküche führten.

Inzwischen ist dort eine richtige Gedenkstätte entstanden. 

Man folgt dem Lehrpfad nach rechts und kommt zu dem Gedenkstein aus dem Jahre 1980. Ein Stück weiter ist dann wieder die Nordendstraße. Zu prüfen wäre noch einmal, ob man nicht doch von der Nordendstraße zum Nordrand des Baggersees kommt. Als ich die Autobahn unterquert hatte, ging es nur westlich der Eisenbahn weiter, und dann kommt man nicht mehr über die Schienen. Laut Karte geht es aber nach der Unterquerung der Autobahn nach rechts und nach Süden und zum See. Nach Südwesten käme man dann auch zu den Industrieanlagen westlich des einen Baggersees. Der Walldorfer Badesee ist übrigens nichts Besonderes, er hat nur an der Südseite viel zu wenig Flachufer. Der Langener Badesee ist da geeigneter.

 

Neutra – Siedlung (Richard-Neutra Straße):

 In den Jahren 1963 / 1964 plante die Bewobau, eine Tochtergesellschaft der „Neuen Heimat“, eine Siedlung mit über 200 Wohnungen. Als Architekten konnte sie Richard J. Neutra gewinnen, den damals weltbekannten und anerkanntesten Fachmann für's Wohnen. Seine großen und kleinen Villen in Kalifornien ebenso wie seine Sozialbauten, etwa in Puerto Rico, hatten wegen des oben genannten völlig neuen Denkansatzes in der Fachwelt für großes Aufsehen gesorgt. In Wall­dorf wurde der gesamte städtebauliche Plan umgesetzt, jedoch entstanden die meisten Bauten nach Plänen der Bauabteilung der Bewobau; nur 42 der Häuser konnten von Neutra und seinem Team realisiert werden. Diese Bauten aber haben eine Kraft und Ausstrahlung, die in ihrer Originalität nicht gegenüber der Zeit ihrer Entstehung zurückbleibt. Noch heute, fast 50 Jahre später, zählen die Neutra-Siedlung Walldorf und die dortigen Bauten Neutras zum Besten, was in dieser Zeit deutschlandweit entstanden ist.

Markante Kennzeichen sind raumhohe Glasflächen, das Vermeiden von kubischen Elementen, das vielzitierte „Spider Leg“ (eine in den Außenraum versetzte Tragstütze) sowie die „Reflecting Pool“ genannten flachen Wasserbecken, in denen sich Sonne, Wolken und Bäume an die Decken der Wohnräume spiegeln (Hilmer Goedeking).

 

In einem Beitrag für die Zeitung „Tagesspiegel“ im April 2010 nannte ihn Susanne Kippenberger „Dr. Haus“: der österreichisch-kalifornische Architekt Richard J. Neutra (geboren 1892), war überzeugt davon, daß Architektur dabei helfen könne, die Menschen glücklicher zu machen.

Weil es nach Neutra so sei, daß wir mit unseren Sinnen und Gefühlen auf unsere Umwelt reagieren, müsse es doch möglich sein, Häuser so zu planen und zu bauen, daß wir uns ein bißchen „heiler“ fühlen, so etwa, wie in einem guten Konzert, in dem wir entspannen und uns ganz bei uns selbst spüren. Der Architekt als Seelendoktor. Für Neutra war Bauen also nicht eine Frage des Budgets, des Stils oder der Kunst, sondern eine Frage nach dem, wie er den Alltag seiner Bauherrn mit methodisch gesicherten Ansätzen, einem Wissenschaftler nicht unähnlich, „heiler“ machen könne. Für seine Methode wählte er den Begriff des „Biorealismus“; es sei wichtig, daß der Mensch sich stets auch als Teil seiner Umgebung wahrnehme. Wer räumlich verarme, verarme und leide auch seelisch. Sein Thema ist die sublime, „seelenerfrischende“ Beziehung zwischen Innenraum und Außenraum, zwischen Handwerk und Natur, zwischen Mensch und Natur.

 

 

Raunheim - Mönchhof

Die Mönchhofkapelle liegt zwischen Schleuse Eddersheim und Autobahnbrücke direkt am Main. Sie wurde 1687 erbaut  als Nachfolgebau einer Kapelle von 1118 und ist versteckt auf einem Friedhof. Im Jahre 2008 wurde sie renoviert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Offenbach Kreis und Stadt

 

Neu-Isenburg

Geschichte:

Neu-Isenburg ist 1699 als Hugenottensiedlung gegründet worden. Südlich von Frankfurt war nichts als Wacholderheide, Wald und Wiesen. Exakt 250 mal 250 Meter mißt dort jenes Grundstücksquadrat, das 1699 der in Offenbach residierende Graf Johann Philipp von Isen­burg 30 französisch-reformierten Familien überläßt. Sie haben den Treue-Eid auf ihn, den Landesherren, geschworen, der ihnen die Religionsfreiheit zusichert und die französische Sprache erlaubt. Die Hugenotten stampfen ihre Siedlung aus dem Boden und legen den Grundstein für Neu-Isenburg. Noch heute ist im Alten Ort die historische Aufteilung zu erkennen: ein Viereck, dessen Diagonalen als Hauptgassen gepflastert sind und sich auf dem Marktplatz schneiden. Sternförmig kommen noch vier kleinere Gäßchen hinzu.

Von der ursprünglichen Bausubstanz ist allerdings fast nichts mehr erhalten - abgesehen von dem ehemaligen Schulhaus. Die Neu -Isenburger hatten schon 1876 das erste Rathaus auf der Mitte des Marktplatzes abbrechen lassen. Die Marktplatzkirche, Zentrum der Evangelisch- Reformierten Gemeinde im alten Ort, wurde - wie auch viele Privathäuser - bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach dem Krieg wieder aufgebaut.

Nach Angaben der Hugenottengesellschaft waren - nachdem der französische König Ludwig XIV. 1685 das Toleranz-Edikt von Nantes aufgehoben hatte - schätzungsweise 200.000 bis 250.000 Hugenotten in alle Welt geflüchtet, etwa 44.000 davon nach Deutschland. Allein nach Brandenburg-Preußen kamen zirka 20.000 Hugenotten, nach Hessen-Kassel 3.800 und ins Rhein-Main-Gebiet 3.400.

Der Blick ins Telefonbuch der Stadt Neu-Isenburg erinnert an die Hugenotten. Typische Namen sind Delzieux, Diacont, Remy und Cezanne. In der Stadt fand der 42. deutsche Hugenottentag statt. Neu-Isenburg - seit 1894 Stadt - hatte 1999 sein 300-jähriges Bestehen gefeiert. Die Evangelisch-Reformierte Gemeinde wird 2002 mit diesem Jubiläum folgen.

 

Rundgang:

Autobahnabfahrt an der A 661 „Neu-Isenburg“, nach links auf die Landstraße einbiegen und gleich wieder rechts nach Isenburg - Nord. An der Wiesenstraße (Einbahnstraße) rechts abbiegen und in die Bansastraße. An deren Ende - am Übergang zum Gravenbruchring - steht im Rechtsknick mit der Hausnummer 29 die Bansamühle.

 

Bansamühle:

Die herrschaftliche Bansamühle am nördlichen Stadtrand Neu-Isenburgs wurde im Jahre 1705 vom Erbauer der Hugenottensiedlung Andreas Löber als Wassermühle am kleinen Luderbach errichtet. Am Eingang des Parks steht noch das Mühlengebäude im ausgehenden barocken Baustil. Doch der Betrieb funktionierte nur nach heftigen Regenfällen reibungslos, was der Mühle schnell den Spottnamen „Blitz-und-Donner-Mühle“ einbrachte.

Im Jahre 1766 kauften die Frankfurter Bankkaufleute Conrad und Johann Matthias Bansa das Anwesen mit dem weitläufigen Gelände drumherum und richteten es sich als Landsitz ein. Die Familien Goethe, Willemer und Brentano gingen dort ein und aus. Doch 1860 war auch diese glanzvolle Ära im Rampenlicht des gesellschaftlichen Lebens der Frankfurter Gesellschaft beendet. Die Bansamühle wechselte fortan mehrfach Besitzer und Funktion und war unter anderem lange Zeit ein  beliebtes Ausflugslokal.

Im Jahre 1974 kaufte die Stadt Neu-Isenburg das Anwesen. Sie ließ die Mühle dank einer Stiftung des Bansa-Familienverbandes 1976 abtragen und leicht versetzt von Grund auf neu hochziehen. Zum 300- jährigen Jubiläum Neu - Isenburgs 1999 sorgte die Stadt dafür, daß die Mühle innen renoviert und auch das Drumherum hergerichtet wurde. Das örtliche Standesamt hat dort ein Eheschließungszimmer eingerichtet. Außerdem werden in der Mühle Lesungen und Konzerte veranstaltet.

Die barocke Gartenanlage des Landsitzes ist 1998 wieder angelegt worden, in absehbarer Zukunft soll die angrenzende Wiese als Landschaftspark gestaltet werden, der Verbindung in die freie Landschaft der Erlenbachaue schafft. Zunächst will man den Teich entschlammen und verschönern. Das Buschwerk und einige Bäume sollen verschwinden, um eine freundlichere Atmosphäre zu schaffen. An einer Uferseite soll eine Holzterrasse entstehen, die auch einen guten Blick auf die Insel mitten im Weiher gewährt. Als Blickfang soll eine Skulptur aufgestellt werden. Das gesamte Wegenetz soll so ausgebaut werden, daß die Spaziergänger stets trockenen Fußes durch den Park lustwandeln können. Wohl den größten Aufwand erfordert das Freilegen des Luderbachs, der bislang in einem Rohr den Park unterquert.

In der Bansastraße fährt man dann wieder zurück und geradeaus in die Pfarrgasse. Am Anfang links steht die alte Schule von 1703. Die Straße führt zum Marktplatz, nach rechts geht es zur Kirche, links steht unter anderem das Gasthaus „Grüner Baum“. Nach links geht es durch die Hirtengasse wieder heraus aus dem alten Stadtkern.

 

Das alte Schulhaus (Pfarrgasse 29):

Graf Johann Philipp von Isenburg, der den hugenottischen Flüchtlingen 1699 zwecks Gründung einer neuen Colonie Grund und Boden gab, stellte 1703 Holz und Steine für das erste Schulhaus zur Verfügung. Die Gemeinden sammelten in den Niederlanden, England und Deutschland Geld. Die Hugenotten sprachen lange Jahre Französisch. Von 1818 an wurde elf Jahre lang zweisprachig unterrichtet, bis Französisch als Amtssprache aufgegeben wurde.

Das älteste Haus in der Stadt ist nicht das schönste, doch es soll bald schöner werden. Die Eigentümerin des ersten Schulhauses von Neu-Isenburg - 1703 erbaut - will das unter Denkmalschutz stehende Gebäude bald modernisieren.

Die Besitzerin hat großes Interesse am Erhalt des Gebäudes und ist geschichtlich interessiert sei. Wenn sie an das von ihren Vorfahren erbaute Haus denkt, falle ihr nicht sofort die Geschichte der hugenottischen Glaubensflüchtlinge ein, sondern sie habe mehr die Zeiten vor Augen, als ihre Familie eine Wäscherei in dem Haus hatte, sagt sie. Kerstin Lillack (Jahrgang 1964) hat Geschichte studiert und arbeitet freiberuflich als Dokumentarin. Die Neu – Isen­burgerin denkt darüber nach, das alte Haus für die Bürger zu öffnen. Zwei Räume im Erdgeschoß des ehemaligen Schulhauses wolle sie örtlichen Vereinen zur Verfügung stellen. Herbert Hunkel hört das gern und versichert: „Wir geben auch Geld”.      

 

Frankfurter Würstchen

Die einzig wahre Würstchenstadt ist nicht Frankfurt am Main, sondern das benachbarte Neu - Isenburg. Es bleibt aber beim „Frankfurter“, das heute in Neu-Isenburg von den Firmen Hans Wirth und G.A. Müller produziert und nicht nur nach Frankfurt, sondern global exportiert wird - stets paarweise in Folien oder Konservendosen mit mehrsprachigen Beschriftungen, damit beim Heißmachen (maximal acht bis zehn Minuten) auch ja nix schief geht.

Denn werden die Würstchen im Natursaitling richtig gekocht, platzen sie auf Original Frankfurter - im Unterschied zu profanen Bockwürstchen ist der starke Rauchgeschmack wie bei Aal typisch - bekamen schon 1893 bei der Weltausstellung in Chicago einen Preis. Man ißt das Würstchen aus der Hand mit etwas Meerrettich. Ein Brötchen als Beilage ist nicht verpönt, doch der Genuß von Frankfurtern mit Senf soll getrost den Touristen in Sachsenhäuser Äppelwoikneipen überlassen bleiben. Markenzeichen eines 15 bis 20 Zentimeter langen Frankfurters ist eine Wurstmasse, die zu 100 Prozent aus magerem Schweinefleisch besteht. In den USA haben die Frankfurter einiges durchmachen müssen, bis sie in die Klemme geraten sind - als äußerst fragwürdige „Hot Dogs“ mit Zwiebeln, gehackten Gurken und Synthetik­soße in matschigen Brötchen.

Ursprünglich stammen die Frankfurter natürlich aus Frankfurt. Die Schweinemetzger bildeten einst eine Elite unter den Fleischern, die in den Gassen an der Schirn ihrem Gewerbe nachgingen. Erst im späten 19. Jahrhundert bekam die Zunft die Erlaubnis, vor die Tore Frankfurts auszuweichen. So entwickelte sich Neu - Isenburg zur heutigen Heimat der „Original Frankfurter Würstchen“, wie es in einer Chronik der Firm Wirth heißt. Daß im frühen 20. Jahrhundert weltweit Frankfurter nachempfunden wurden, machte dem hiesigen Gewerbe zu schaffen. Sogar Wiener - deren Hersteller das Rezept vom Main mit an die Donau brachten - hießen zunächst Frankfurter. Bis das Kammergericht Berlin 1929 urteilte, daß nur ein im Wirtschaftsgebiet Frankfurt am Main produziertes Würstchen den Namen Frankfurter tragen darf. Im Jahre 1955 wurde das höchstrichterlich bestätigt.

 

 

Dreieich

Buchschlag:

Zuerst standen nur drei bis vier Häuser in der Gartenstadt Buchschlag. Sie sollten eine Art von idyllischem Ruhesitz sein für Menschen, die im Leben mehr als ihre Pflicht getan hatten und nun inmitten des Waldes ruhig und zufrieden ihre Tage beschließen sollten. Unter den Händen dieser ersten Siedler entstanden Häuser im gleichen Baustil: Das Giebeldach mit den roten Ziegeln war tief herabgezogen, das obere Stockwerk umfassend. Erker und Veranden verzierten das untere Geschoß. Der Eingang war überdacht, ringsum war Garten. Es stand nicht Haus an Haus, sondern Zaun an Zaun. Das alte Baugelände sah eine Grundstücksgröße von 1000 Quadratmeter vor, in der Eigenheimsiedlung im Osten waren es 600 bis 700 Quadratmeter.

 

Sprendlingen:

Wenn man Einheimische nach einer historischen Ruhbank in Sprendlingen fragt, erntet man nur Kopfschüttel. Dabei steht die beiden einzigen Ruhbänke in der Dreieich in Sprendlingen. Wenn man von Norden  auf der Frankfurter Straße in den Ort kommt, steht  die eine Ruhe gleich auf der westlichen Seite der Straße etwas nördlich der Einfahrt zur Wohnstadt Hirschsprung. Früher stand sie weiter südlich an der Frankfurter Straße, damals noch außerhalb der Ortslage (andere Information: auf der gegenüberliegenden Straßenseite). Sie wurde 1967 beim Ausbau der B 3 in die Parkanlage am Hirschsprung versetzt. 

Zwischen die beiden hohen Pfosten wurde 1969 eine Sandsteinplatte eingesetzt. Auf der Vorderseite dieser Platte ist eine Bronzetafel angebracht, welche die Bezeichnung „Hirschsprung“ erläutert: „Vor Zeiten, als die Jagd im Reichsforst Dreieich noch in hoher Blüte stand, soll hier ien Hirsch, der von Jagdhunden verfolgt wurde, sich durch einen Sprung über einen beladenen Heuwagen gerett et haben. Im Sprendlinger Stadtwappen ist dieses Ereignis festgehalten.“

Auf der von vandalistischen Zeitgenossen leider verschmierten Rückseite der Platte wird die Funktion einer „Ruhe“ beschrieben: „Dieser Stein diente in früherer Zeit als Ruhebank und zum Abstellen von Kiepen und Körben. 1967“. Auf dem oberen Querbalken steht auf der Rückseite „Aufgestellt 1967 vom Verkehrsverein der Stadt Sprendlingen e.V.“

Die andere Ruhe steht auf der Ostseite der Offenbacher Straße, die in nordöstlicher Richtung aus Sprndlingen herausführt. Wenn man sie aufsuchen will, fährt man an der Maygbachstraße nach links und dann nach rechts in diei Offenbacher Straße. Dort steht sie gleich in Höhe der Sportplätze. Sie hat eine bewegte Historie: Sie stand bis in die sechziger Jahre an der Westseite der Offenbacher Straße in Sprendlingen, wo sie durch Straßenbaumaßnahmen gefährdet war (ein altes Bild ist noch vorhanden). Sie wurde daraufhin im Jahr 1970 an den Parkplatz an der B 3 zwischen Sprendlingen und Langen versetzt. Dort stand sie inmitten von Lastwagen und vermüllten Abfallkörben, bis sie auf Initiative der „Freunde Sprendlingens“ an den jetzigen Standort versetzt wurde. Eine gute Entscheidung.

Auf der Inschrift las man zunächst die Jahtreszshl „1736“ und einige Namensgraffiti. Diese Jahreszahl passt natürlich nicht zu der Erklärung, dass diese Ruhen unter Napoleon aufgestellt worden sind. Im Mai 2014:machte aber Herr Miller darauf aufmerksam, dass es sich bei der Inschrift sich wohl nicht um „1736“, sondern um „1835“ handelt. Die Bögen von der „8“ seien noch gut zu erkennen. Dem Steinmetz sei wohl das Gravurwerkzeug ausgerutscht.

Die Frankfurter Straße führt auf die Alberusstraße. Diese führt zum Kirchplatz mit der Erasmus- Alberus-Kirche. Dieser war ein Freund Luthers und Reformator der Dreieich und von 1528 -  1539 erster evangelischer Pfarrer in Sprendlingen. Von der gotischen Vorgängerkirche befindet sich noch der Rest eines Portals in der Westwand. Die Kirche wurde 1716 - 1718 umgebaut. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche und eines Königsguts geschah 880. Westlich der Kirche steht das Pfarrhaus, das 1778 - 1780 als gräfliches Forsthaus erbaut wurde.

 

 

Wenn man von Norden kommt, fährt man an der Stelle, wo die Straße nach rechts abbiegt, geradeaus in die Alberusstraße. Diese führt zum Kirchplatz mit der Erasmus - Alberus -Kirche. Dieser war ein Freund Luthers und Reformator der Dreieich und von 1528 -  1539 erster evangelischer Pfarrer in Sprendlingen. Von der gotischen Vorgängerkirche befindet sich noch der Rest eines Portals in der Westwand. Die Kirche wurde 1716 - 1718 umgebaut. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche und eines Königsguts geschah 880. Westlich der Kirche steht das Pfarrhaus, das 1778 - 1780 als gräfliches Forsthaus erbaut wurde.

Von der Alberusstraße geht nach  Osten die Hellgasse ab. An ihrem Ende, schon an der Schulstraße, steht rechts der Bauerhof Hausnummer 15. In dessen Keller befindet sich ein Mikwe, ein jüdisches Ritualbad.  Das Auffinden, die Freilegung und das Sichern der Sprendlinger Mikwe ist den „Freunden Sprendlingens“ (Verein für Heimatkunde e.V.) zu verdanken: Laut Angaben der Eigentümer eines Hauses in der Hellgasse wurden bei einem Umbau hebräische Buchstaben in einem Türbalken festgestellt. Während eines Gespräches fiel dann das Wort „Judeloch“ mit dem Hinweis auf die Hofreite Hellgasse 15 - 17. Wie sich herausstellte, war auch dem Besitzer, Fritz Schäfer, dieser Name von seinen Eltern her bekannt.

Mit der Erlaubnis von Schäfer fingen die „Freunde Sprendlingens“ (Verein für Heimatkunde e.V.) im Juni 1979 an, dort zu graben. Durch einen Einstieg von etwa 75 mal 75 Zentimeter wurden 11 Kubikmeter meist schlammiger Morast mit einer Unzahl von Keramikscherben und sonstigem Abfall nach oben geschafft. Nach 175 Arbeitsstunden war die als Kartoffelkeller und später als Hausmülldeponie genutzte Mikwe wieder freigelegt. Ihre Größe beträgt 340 mal 235 Zentimeter, ihre Gewölbehöhe 168 Zentimeter. Sie ist überwiegend aus Naturbruchsteinen gebaut, mit einer kleinen als Lichtquelle dienenden Öffnung im Deckengewölbe. Das eigentliche Tauchbecken erreicht man über sieben Stufen. Es ist 130 mal 110 Zentimeter groß und hat eine Tiefe von 143 Zentimetern. Das Alter des Bauwerks wurde auf etwa 300  - 350 Jahre geschätzt; es wurde also im 17. Jahrhundert erbaut.

Der erste urkundliche Hinweis auf jüdische Bürger in Sprendlingen stammt zwar schon aus dem Jahre 1563. Doch weder bei den von den „Freunden Sprendlingens“ befragten, im Ausland lebenden Sprendlinger Juden noch in den Judenmatrikeln des Stadtarchivs wurde etwas gefunden, was bereits auf eine alte jüdische Gemeinde hinweisen würde. Der größte Einschnitt im Leben der hiesigen Bevölkerung war der Dreißigjährige Krieg, und nach ihm lebten in Sprendlingen nachweislich nur noch fünf Familien, worunter sich keine jüdische Familie mehr befand. Es wäre denkbar, daß die damaligen Juden abgewandert oder umgekommen sind und die später neu zugezogenen Juden nichts von ihren früheren Glaubensbrüdern und der noch vorhandenen Mikwe erfuhren.

 

Dreieichenhain:

Wenn man von Westen kommt, fährt man aber erst um die Burg und den Weiher herum zu einem Parkplatz außerhalb der Stadtmauer. Durch das Untertor kommt man zu den Resten der Wasserburg Hain, einst Verwaltungsmittelpunkt des Reichsforstes und späteren Wildbannes Dreieich. In der Burg befinden sich die Kirche, das Dreieichmuseum und der Burggarten. Am Tor steht das Amthaus.

Schon die Römer könnten hier gesiedelt haben, denn in der Mauer des viereckigen Turms wurde ein römischer Grabstein gefunden. Unmittelbar hinter dem Eingang zur Burgruine, dem ehemaligen Stammsitz der Herren von Hagen in der Dreieich, befindet sich an der rechten Seitenwand ein verschleppter und sekundär vermauerter römischer Grabstein mit Inschrift, die in der Übersetzung lautet: Den Schattengöttern für Quintius Liberalis, der 51 Jahre gelebt hat, und für Proximonia, seine noch lebende Gattin, haben die Kinder, die Liberalinii, Juvenis und Juventina und Maternus und Faustus und Tibernalis dem unvergleichlichen Vater (den Grabstein) zu setzen besorgt“. Unter der Inschrift ist ein Rechteck abgesetzt, in das deutlich die Umrisse eines liegenden Kreuzes eingemeißelt sind. In gleicher Größe ist im oberen Teil des Steins ein Rechteck abgeteilt. Das aus Mainsandstein gehauene Grabdenkmal war bis um 1600 im oberen Teil des viereckigen Burgturms eingemauert. Möglicherweise fand es vor seiner Einmauerung als Altarvorsatzstein (Pre­della) Verwendung, wobei das Kreuz eingemeißelt wurde. Dem Schriftcharakter nach gehört die Inschrift in die 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts nCh. Der ursprüngliche Standort des Steines ist unbekannt.    

 

Die Burg Hayn war jahrhundertelang der Mittelpunkt des kaiserlichen Reichsbannforstes „Dreieich“. Im 12. Jahrhundert wurde das Reichsforstamt von der Familie von Hagen (vom Hayn) versehen. Das Schloß wurde „Hagen“ genannt und war durch einen Graben von dem Ort getrennt.

Unterm Rasen des Hainer Burggartens, dort, wo die große Birke wurzelt und die Ränge der Naturbühne ansteigen, liegen die Relikte eines vor tausend Jahren gemauerten zweistöckigen Gebäudes: das Haus des Kaisers. Der Archäologe Karl Nahrgang hatte 1925 den Grundriß freigelegt und im Grabungsreport als Absteigequartier der Kaiser während der Zeit ihrer Jagden in der Dreieich identifiziert: Ein wuchtiges Rechteck-Fundament von 9,75 mal 11,25 Meter  und Mauern von 1,10 Meter Dicke. Dazu fanden  sich Gemäuerreste   und vermoderte Holzbalken,Reste von Vorsprüngen, Rundbogentüren, Treppen, Vor- und Seitenanbauten und ein  Balkon. Nahrgangs Einschätzung: Vom Grundrißschema und vom Typus her stand hier eindeutig ein zweistöckiges fränkisches Herrenhaus.

Dessen Überreste sind von den Forschern beschrieben, aufgelistet, kartografiert und dann - vor jetzt 78 Jahren - wieder zugeschüttet worden. Roger Heil will sie nun ein zweites Mal freilegen, richtig restaurieren lassen und das Haus des Kaisers zugänglich machen.

Im 13. Jahrhundert kam der Ort zum größeren Teil an Falkenstein, zu einem Sechstel an Graf Reinhard von Hanau. Im Jahre 1418 brachten die Grafen von Ysenburg Burg und Stadt zum größten Teil an sich, Hanau –Münzenberg behielt ein Sechstel. Die Ysenburger hatten aber oft Streit mit Frankfurt, dem ein Teil des Reichswaldes gehörte. Im Jahre 1710 kam Hayn durch Tauschvertrag in den alleinigen Besitz der Ysenburger, ein Teil des Wildbanns verblieb jedoch den Hanauern.

 

Schaut man auf den Stadtplan von Dreieichenhain, in dem bis Mitte vorigen Jahrhunderts kein Haus außerhalb der Stadtmauer gebaut wurde, wirkt der Ortskern heute im Verhältnis zu den angrenzenden Neubaugebieten so winzig wie ein Apfelkern. Jedenfalls gibt es die Ursprungszelle noch mit ihren ineinander verschachtelten Fachwerkhäuschen.

Das Museum, das 1910 mit zwei Ausstellungsräumen eröffnet wurde und seit 1956 in einem eigenen Gebäude im Burggarten untergebracht ist, sammelt geologische, archäologische und volkskundliche Gegenstände der Landschaft Dreieich. Die in einem Raum des Untergeschosses ausgestellten römischen Objekte stammen aus umliegenden Fundplätzen sowie aus den Beständen des Hessischen Landesmuseums Darmstadt.     

 

Götzenhain:

Stangenpyramide:

Von Dreieichenhain fährt man in Richtung Götzenhain. Nach links geht ein Feldweg „Auf der Hub“ ab. Er führt zu der Stangenpyramide westlich der Deutschen Flugsicherung mit ihren Antennenanlagen. Die Pyramide besteht aus 450 verleimten Rundhölzern, alle akkurat 24 Zentimeter im Durchmesser und von 0,65 bis sechs Metern Länge. Sie stehen auf einem Kiesfeld von 18 mal 24 Metern zur Pyramide in Reih und Glied. Die Installation hat 650.00 Mark gekostet, die die Frankfurter Flughafengesellschaft im Frühjahr 2000 als Attraktion an der Regionalparkroute spendierte.

Was soll das Gebilde mitten im Gelände, wo nichts ist außer Wiese und den Antennen ?  Landschaftsarchitekten aus Neu - Isenburg haben die Pyramide entworfen. Wer sich Zeit nimmt für die Pyramide, begreift allerdings schnell, weshalb das Objekt stehen muß, wo es steht: Ein schmaler Mittelgang durch das Stangenfeld rückt die Frankfurter Skyline vor dem Taunuskamm ins Blickfeld - und offenbart das grandiose Panorama, das sich just an dieser schmucklosen Stelle eröffnet. Kinder brauchen diese Sichtachsen-Nachhilfe nicht, um die Stangenpyramide auf Anhieb zu lieben: Zwischen dem Stelenlabyrinth läßt sich vortrefflich Fangen und Verstecken spielen.

 

Südlich von Götzenhain  zwischen Götzenhain  und Offenthal liegt das Schloß Philippseich mit Fasanerie. Der Ausflug zur Stangenpyramide läßt sich auch mit einem Besuch des Hofguts Neuhof (Golfplatz, nördlich von  Götzenhain) oder durch den Isenburger Wald verbinden. Der Radweg der Deutschen Fachwerkstraße und die Hessische Apfelwein- und Obstwiesenroute führen zudem daran vorbei.

 

Römischer Gutshof mit Kalkbrennofen:

Etwa 800 Meter nördlich der Landstraße auf halbem Weg zwischen Götzenhain und Dietzenbach liegt in der Flur „Am Kirchbornweiher“(„Lichteichen“) eine größere römische Siedlungsstelle. Bei Ausgrabungen, die 1917 und 1930 hier durchgeführt wurden, kam unweit der Kirchbornquelle ein römischer Kalkofen zum Vorschein. Es handelte sich um einen Kuppelofen mit kreisrundem Brennraum von 5,10 Meter innerem Durchmesser und 0,73 Meter Mauerstärke. Der Innenraum war ausgefüllt mit Plattenkalkbruchstücken und verhärteter Kalkmasse. Die Brennraumöffnung (Schnauze) lag nach Süden und wurde von einem falschen Gewölbe überkragt. Der Schnürraum (Küche) war von zwei 0,45 Meter breiten Wangenmauern begrenzt.

In der Mitte des ummauerten Raumes konnte ein Pfostenloch festgestellt werden, das vermutlich zur Aufnahme eines die Überdachung tragenden Holzpfostens diente. Der Brennraum (Feuerkammer) war in den anstehenden Boden eingetieft. Offenbar in der Höhe der nicht mehr vorhandenen Ofentenne (Himmel) befand sich nördlich und nordöstlich des Ofens eine Pflasterlage, die wohl das ursprüngliche Gehniveau anzeigte. Der Aufbau des Götzenhainer Ofens läßt sich mit Kalköfen, die im Rheinland ausgegraben und deren Funktionsweise dort erforscht wurde, vergleichen.

Nur 70 Meter nordwestlich des Kalkofens wurde 1967 das Fundament eines Wohnhauses freigelegt, zu dem vermutlich weitere Gebäude und der Kalkofen gehörte; wahrscheinlich handelte es sich um einen römischen Gutshof (villa rustica), der seinen zu Bauzwecken benötigten Kalk an Ort und Stelle aus dem anstehenden Plattenkalkstein herstellte und darüber hinaus das Kalkbrennen als Nebenerwerb betrieb. Das auf einer leichten Geländekuppe gelegene Gebäude mit einer Größe von 15,40 mal 11,60Meter hatte in der Nordwest- Hausecke einen etwa 2,50 mal 2,30 Meter großen Kellerraum. Einige Pfostengruben und in Nord-Süd-Richtung verlaufende Pfosten­gräbchen lassen die Inneneinteilung des Gebäudes erkennen. In der südwestlichen und nordöstlichen Hausecke lag jeweils eine Feuerstelle, die von Kalksteinen kreisrund eingefaßt war. Die Funde, vor allem Keramik, stammen aus der Mitte des 2. Jahrhunderts nCh bis ins 3. Jahrhundert nCh. Es ist anzunehmen, daß die Villa erst mit dem Limesfall um das Jahr 260 nCh verlassen wurde. Wie es scheint, fanden die Besitzer noch Zeit, ihre Habe in Sicherheit zu bringen.         

 

 

Langen

Im Ortskern steht ein klassizistisches Rathaus und einige schöne Fachwerkhäuser gibt es noch. Daneben aber stehen Hochhäuser. Es gibt eine südliche Ringstraße und eine nördliche Ringstraße als Umgehung des Ortskerns. Geplant ist der Bau einer Grillhütte in Anlehnung an das historische Wingertshäuschen.

 

Schloß Wolfsgarten

An 361 Tagen im Jahr läßt seine Königliche Hoheit, der  Landgraf von Hessen niemanden in den Park seines Jagdschlosses Wolfsgarten in Langen. Oft lädt er sich Gäste ein, von europäischem Hochadel, zum Beispiel Windsors, Hohenlohes, Welfen. Der riesige, verwun­schen wirkende Park, den ein Vor­fahr Moritz, der Großherzog Ernst Lud­wig, um die Jahrhundertwende anlegen ließ, verbirgt alles vor den Augen und Oh­ren der Bürgersleut. Von außen kann man nichts sehen. Deshalb sollte man nur an zwei Wochenenden im Mai, wenn der Rhododendron blüht, das Schloß und den Park besuchen (Öffnungstage unter Schloß Wolfsgarten + Langen im Internet nachsehen, Samstag und Sonntag von 10 – 18 Uhr).

Dann darf das gemeine Volk gegen einen Wegezoll von 2,50 Euro das Tor passieren. Begründet wurde die Tradition von Prinzessin Margaret von Hessen und bei Rhein, einer Verwandten des englischen Königshauses, die Schloß Wolfsgarten bis zu ihrem Tod 1997 bewohnte.

Diese letzte Darmstädter Prinzessin hat Landgraf  Moritz von  Hessen - Cassel adoptiert, so daß das hessische Landgrafenhaus wieder vereinigt ist und seinen Sitz in Wolfsgarten hat.

Wenigstens einmal im Jahr sollte der 67 Hektar große Park der Öffentlichkeit zugänglich sein. die Eintrittsgelder für einem guten Zweck gespendet.

Man fährt auf der Autobahn über das Frankfurter Kreuz nach Süden und in Langen ab. Durch den Wald geht es bis zum Wegweiser Egelsbach und dort rechts ab. Parken kann man an der Straße (auf der Ostseite ist es meist nicht so voll).

Das ganze Schloß mit den weitläufigen Grünanlagen wirkt in dieser Atmosphäre irgendwie verwunschen, wie ein Ort, an dem die Zeit schon vor vielen Jahren stehengeblieben ist. Efeu wächst entlang der Mauern.  Begeh­bar ist der große englische Garten mit uralten Solitärbäumen und Hainen., Skulp­turen und Brunnen, wuchtige Hecken und wilde Blumenwiesen mit Statuen und Amphoren bestückt, Laubengänge,  Spaliergärten und Barockbeeten in den Höfen.

Vom Eingangstor geht man zunächst auf das Schloß zu und kurz vorher nach rechts um das Schloß herum zu dem Prinzessinnenhäuschen, die Attraktion des Parks. Es wurde 1902 erbaut von dem Jugendstil ‑ Architekten Joseph Maria Olbrich für die damals siebenjährige Elisabeth von Hessen und bei Rhein im Park, eine filigrane Villa im Puppenstuben – Aussehen, ein Spielhaus wie für die sie­ben Zwerge mit einer vergoldeten Krone auf dem Dach.

„Es war einmal, so fing das Märchen an, doch aus den Kinderworten wurde That und dieses Häuschen ist nun immer mein, und für mich selbst erbaut im Jahre 1900 zwein“ steht über der Eingangstür des kleinen Hauses zu lesen. Innen gibt es zwei Zimmer: einen Salon mit kleinen Sitzmöbeln und kunstvollen Wandschränken, eine Küche, in der die kleinen Tassen mit dem Initial „E“ sorgfältig an der Wand aufgehängt sind. Die zwei Räume haben eine  Höhe von 1,90 Meter.

Hausherrin war die 1895 geborene Prinzessin Elisabeth. Sie starb jedoch jung, im Alter von acht Jahren, an Schar­lach (oder Typhus). „Mein Sonnenschein“, wehklag­te der Vater, der bis 1918 regierende letzte Großherzog von Hessen‑Darmstadt. 

Im Hintergarten von Elisabeths Häuschen steht heute eine ganze Reihe von kleinen Grabsteinen, über die sich mancher Besucher wunderte. Molly, Kerry, Chantu und Bonifazius sind die Namen, die auf den Mini‑Grabsteinen stehen: Die adligen Bewohner des Schlosses haben hier ihre Möpse begraben.

Man geht dann weiter um das Schloß herum zum Teehaus, hinter dem noch eine Garage und en Bungalow für ein Rot-Kreuz-Treffen steht. Dann führt der Bogen weiter zu den Seerosenteichen in der Südwestecke des Parks. Man kann sie ganz umrunden oder über die Brücke gehen. Dann umrundet man weiter das Schloß, geht an der Gabelung nach rechts und dann wieder im rechten Winkel nach links. Links am Weg stehen besonders schöne rote Rhododendron.

Dann geht der Weg nach rechts ab zu der Kapelle mit Gedenktafel für Mitglieder der Fürstenfamilie. Auf dem weiteren Weg sieht man rechts die Russische Kapelle im Blockhausstil und kommt dann zu der  fast tausend Jahre alten Eiche.  Von dort geht man nun in den Schloßhof hinein.

Der Schloßbau mit Turm, Frei­treppe und Stallungen wurde erbaut als Jagdschloß des Landgrafen Ernst Ludwig. Baumeister war Remy de la Fosse in den Jahren 1722 bis 1724. Betreten können die Besucher das Schloß und die dazugehörigen Gebäude allerdings nicht. Sie werden zur Zeit von Landgrafen von Hessen und seiner Familie bewohnt.

 

Koberstadt

Auf der Autobahn 661 fährt man bis zur Abfahrt Langen und fährt in Richtung Dieburg und dann nach links in Richtung Dreieichenhain. Man parkt gleich rechts auf dem Parkplatz östlich des Naherholungsgebiets. Von dort geht es weiter auf dem Götzenhainer Weg und dann nach rechts  auf der Breiten Haagwegschneise weiter. Die Bundesstraße wird gequert und un­mittelbar vor dem Waldparkplatz schwenkt man nach rechts und dann bald wieder nach links auf den Dammweg.

Er führt zunächst zur Koberstädter Hütte und dann zum Koberstädter Falltorhaus. Es wird gesagt, der Name sei ein allge­meiner Begriff für einstige Zollhäuser, in denen Reisende Wegegeld zahlen mußten, das zum Unterhalt der Überlandstraßen verwendet wurde. Mit Falltor bezeichnete man aber auch Wildgatter, die ein Überwechseln des Wildes verhindern sollten und sich dazu automatisch schlossen (von selber zufielen).

An der Stelle, wo heute das Kober­städter Falltorhaus steht, hatten die Ysenburg ‑Ronneburger im 16. Jahrhundert mit dem Bau ihres Schlosses begonnen, bis sie dann schließlich den Platz auf der Höhe der Kelsterba­cher Terrasse verzogen. Der Sage nach soll hier einst ein heidnischer König regiert haben, dessen Stadt mit ihren Bewohnern untergegangen sei. Noch immer streiche der König nachts in Hirschgestalt durch den Wald und bringe Wanderer vom rechten Weg ab.

Nach einer anderen Sage erregte der Lebensstil der Bewohner der Koberstadt den Unwil­len Gottes. Er schickte sie deshalb in den Untergang. In der Überlieferung wird be­hauptet, daß die rote Färbung des Erd­reiches rund um Langen vom Blut der Be­wohner der Koberstadt herrühre. Heute weisen in dem dichtbepflanzten Waldstück zwischen Langen und Sprendlingen keine sichtbaren Spuren mehr auf die Existenz einer Stadt hin. Aber das Gelände mit seinen hohen alten Bäumen heißt noch heute „Kober­stadt“.

Weiter geht es immer nach Süden. Mna kommt an einem Gedenkstein für einen Naturschützer vorbei zum Naturschutzgebiet Hegbachaue. Kurz vor dem Heg­bach steht die Joachim - Lütke­mann ‑ Hütte. Man fährt über den Bach und nach rechts in die Parkschneise, die nachher Hanauer - Stein - Schneise heißt. Etwa zwei Kilometer läuft sie geteert nach Westen. Die Speier­hügelschneise wird gequert, links geht die Feldschneise ab. Wenn das Gelände etwas zu fallen beginnt, geht es nach rechts in die Dreischläger Allee (Schild nur links). Links ist Bannwald, rechts Naturwaldreservat

 

Wieder über den Hegbach geht es auf das Forsthaus „Krause Buche“ zu (das aber offiziell auch „Forsthaus Koberstadt“ heißt). Vor dem Forsthaus geht es nach rechts weiter bis zur Speierhügelschneise (Schild nur rechts). Dort fährt man wieder links und quert die Brandschneise. Wenn man schon diese Wiese sieht und den Lärm der Autobahn hört, geht es nach rechts auf die Knippelswiesenschneise (Schild nur rechts)(Der Weg links um den Eselswog existiert nicht, es gibt aber einen Trampelpfad, der schräg links von der Knippel­wiesen­schneise durch den Egelswog führt). An der Höllschneise geht es wieder links, an der Autobahn entlang zum Forsthaus Koberstadt. Dort fährt man halbrechts zwischen den Gebäuden hindurch. Auf diesem Weg und vor allem auf dem Weg, der östlich des Forsthauses zu dem Parkplatz führt, gibt es viele Eßkastanien.

In der Senke kann man nach rechts hinauf gehen auf den St. Albanusberg. Hier lebten vor  zweiein­halbtausend Jahren im Dreieck zwischen Langen, Egelsbach und Messel keltische Siedler. Auf einer kleinen Anhöhe ist das Zen­trum der Kultur der Hügelgräber. Zwischen den Bäumen und unter dem Laub verborgen liegen dort die keltischen Vorfahren der Langener begra­ben. Sie fürchteten Götter wie die Urmut­ter Danu, Og, den Riesen, oder Gowan, den Schmied.

Ihre Gräber sind von der Anhöhe aus nicht zu sehen. Sie wurden vor über hundert Jahren von dem Archäologen Friedrich Kofler geöffnet und auf ihren Inhalt untersucht. Unter den Hügeln aus Erde und Steinen ‑ teils mit einem Durchmesser von knapp 18 Metern ‑ fanden sich neben den Toten auch Gefäße aus Keramik und Schmuckstücke aus Kupfer und Zinn, einige verziert mit Bernsteinperlen. Nachbildungen dieser Stücke sind heu­te im Dreieicher Heimatmuseum zu be­sichtigen. Die Originale lagerten im Darmstädter Lan­desmuseum und wurden im Zweiten Welt­krieg bei einem Luftangriff zerstört.

Man kreuzt die Bundesstraße und fährt auf die Straße nach Dreieichenhain. Man biegt noch einmal nach links ein in das Naherholungsgebiet Mühltal. Zunächst fährt man die gepflasterte Straße entlang, dann nach rechts in Richtung Merzenmühle. Vor der Mühle geht es links ab zum Paddelteich und um diesen rechts herum und wieder zurück auf dem Weg zum Parkplatz

Auf dem Rückweg kann man noch dem Ort Dreieichenhain einen Besuch abstatten.

 

 

Offenbach

Tradition und Moderne, Kultur und Bildung, Uferlandschaft und Stadtgarten: Das Kulturkarree verbindet Sehenswürdigkeiten und herausragende Institutionen, aber auch die Stadt mit ihrem Fluß, dem Main. Hier studieren hinter der Renaissance-Fassade des Isenburger Schlosses Designer und Künstler. Das Büsingpalais ist heute repräsentatives Tagungszentrum, aber auch Sitz der Stadtbibliothek und des Klingspor-Museums. Eine ehemalige Schnupftabakfabrik, der Bernardbau, beherbergt das Haus der Stadtgeschichte mit Museum und Archiv. Im Büsingpark genoß einst der junge Goethe die Gesellschaft seiner Verlobten Lili Schönemann. Die erste deutsche Erfolgsautorin, Sophie von La Roche, lebte nahe des Parks von 1786 bis zu ihrem Tod 1807. Der Metzlersche Badetempel und die Französisch-Reformierte Kirche mit ihrem Pfarrhaus sind Kleinode Offenbacher Baukultur.

 

Geschichte:

Offenbach ist ein früher Siedlungsplatz. Römer, Alemannen und Franken lösten sich nacheinander ab. Unter Karl dem Großen war es eine der 36 Windhuben des Reichsforstes Dreieich. Es war ein Fischer- und Bauerndorf. Erstmals wurde es 977 (oder 970) erwähnt, war aber bis in die Reformationszeit so unbedeutend, daß es nur Untergemeinde der Kirche von Mühlheim war.

Über den Ort am Nordrand des Forstes Dreieich waren die Herren von Hagen als Vogt eingesetzt. Sie nannten sich später nach dem von ihnen erbauten Schloß „Münzenberg“, erloschen aber 1255 im Mannesstamm. Offenbach fiel an Philipp von Falkenstein, der das Dorf 1372 aber an Frankfurt verpfändete.

Von 1486  bis1815 war Offenbach  die Residenz der Grafen von Isenburg. I  Im Jahre 1500 wurde Offenbach durch einen Vergleich mit dem Grafen von Hanau (Tausch mit Besitzungen in Bischofsheim) der Gerichtsbarkeit des Bornheimer Zentgerichts entzogen. Die Reformation wurde durch die Grafen von Ysenburg eingeführt. Graf Reinhard förderte zunächst die Lutherischen, sein Enkel Wolfgang Ernst ging 1597 zum reformierten Bekenntnis über.

Im Dreißigjährigen Krieg wollte Wolfgang Heinrich den Ort befestigen, aber der Kurfürst von Mainz ließ die Befestigungen wieder abtragen, weil Frankfurt keine Befestigungen in seiner Nähe zu dulden brauchte. Später wurde Wolfgang vertrieben, weil er sich auf die Seite der Gegner des Kaisers gestellt hatte. Doch die Schweden setzten ihn wieder ein. Aber nach der Schlacht bei Nördlingen schenkte der Kaiser den Ort an den Landgrafen von Hessen. Erst 1642 erhielt Ysenburg wieder seine Besitzungen zurück.

Die Enkel Wolfgang Heinrichs teilten das Land: Wilhelm erhielt Birstein mit seinen Landesteilen, Johann Philipp erhielt Offenbach. Er holte Juden und französische Hugenotten nach Offenbach und entwickelte es zur Stadt. Im Jahre 1698 erfolgte die erste Aufnahme von Hugenotten, mit Privilegien durch Graf Johann Philipp.

Um 1700 war der Anfang der Lederindustrie und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Im Jahre 1718 starb die Linie Isenburg-Offenbach aus und die Birsteiner Linie kam zur Erbfolge. Im Jahre 1718 wurde die französisch - reformierte Kirche geweiht. Ab 1744 dürfen sich die Grafen sogar als Fürsten bezeichnen. Der aufgeklärte Fürst Wolfgang Ernst von Isenburg - Birstein verzichtet auf die Residenz im Isenburger Schloß und zieht mit seiner Familie in großbürgerliche Wohnhäuser in der Frankfurter Straße.

Im Jahre 1794 hebt Fürst Wolfgang Ernst II. die Leibeigenschaft in seinem Gebiet auf. Im Jahre 1815 nach dem Wiener Kongreß kommt die Stadt vorübergehend unter österreichischer Verwaltung und 1816 zum Großherzogtum Hessen. Die Schiffsbrücke am Schloß aus dem Jahre 1819 wurde 1887 durch eine feste Brücke ersetzt. Von 1828 - 1836 und wieder seit 1949 war Offenbach eine Messestadt. Im Jahre 1848 erfolgte die erste Gasbeleuchtung und Eröffnung der Lokalbahn Frankfurt-Offenbach. Im Zweiten Weltkrieg gab es mehrere Bombenangriffe, der schwerste mit Zerstörung der Altstadt am 20. Dezember 1943. Seit 1954 sind die Bundesmonopolverwaltunng und seit 1957 der Deutsche Wetterdienst in Offenbach ansässig.

 

Rundgang:

Der Rundgang beginnt am Parkplatz an der Carl-Ulrich-Brücke (von Frankfurt her fährt man über die Brücke, dann gleich links in die Mainstraße hinein und erst ein ganzes Stück weiter nach links auf den Parkplatz. Man fährt auf einer Einbahnstraße hinein und auf einer Einbahnstraße wieder hinaus). Aus dem einst industriell genutzten Offenbacher Hafen an der Brücke soll sich ein völlig neuer Stadtteil entwickeln, der Wohnen und Arbeiten, Kunst, Kultur und Freizeit miteinander verbindet und in dem einmal mehr als 10.000 Menschen leben werden.      

 

Synagoge :

Man geht zunächst in die Kaiserstraße. An der Ecke Goethestraße rechtssteht das Capitol, heute ein Veranstaltungsort, früher aber die Synagoge, die 1954 an die Stadt verkauft wurde. Die heutige Synagoge mit Gemeindezentrum steht seit 1956 fast gegenüber in der Kaiserstraße 109.

 

Büsingpark:

An der Nordostecke der Kreuzung Kaiserstraße / Berliner Straße beginnt der Büsingpark. Hier steht zunächst auf einer Erhöhung ein kleiner Rundtempel (Monopteros), der einmal für Musikaufführungen gedacht war. Nach links geht es in die Berliner Straße. Bei den Wasserspielen erinnern zwei Stelen (Säulen) an die „Grillenhütte“ der Schriftstellerin Sophie Laroche, Großmutter der Dichterin Bettina Brentano.  Sophie La Roche geborene Gutermann wird am 6. Dezember 1730 In Kaufbeuren als Älteste von 12 Geschwistern geboren. Nach dem Tod der Mutter geht sie ein Verlöbnis mit einem italienischen Arzt ein, das später auf Drängen des Vaters gelöst wird. Sie wird in den Pfarrershaushalt Wieland nach Biberach an der Riß zur Erziehung gegeben. Dort erfolgt die Verlobung mit ihrem „Seelenfreund“ Christoph Martin Wieland.

Auf einem Teenachmittag lernt sie den kurmainzischen Hofrat Georg Michael La Roche kennen. Nach wenigen Tagen macht er ihr einen Heiratsantrag, welchen sie annimmt (Wieland hat sich in der Zwischenzeit in der Schweiz in eine junge Witwe verliebt). Sophie La Roche bekommt vier Söhne und zwei Töchter, von denen die bekannteste Maximiliane ist, genannt „Maxe“, die spätere Ehefrau von Peter Anton Brentano, Die Familie La Roche lebt in Ehrenbreitstein, hier verkehrt Goethe zeitweilig.

Unter dem Namen von Christoph Martin Wieland wird ihr erster Roman „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ 1771 veröffentlicht, der ihren Ruhm als Schriftstellerin begründet. Goethe schickt ihr 1774 das Manuskript des Briefromans „Die Leiden des jungen Werthers“ zur ersten Begutachtung.

Georg Michael La Roche wird 1775 der Adelstitel verliehen - von nun an nennt sich die Familie von La Roche. Nachdem ihr Ehemann als Kanzler entlassen wurde, findet die Familie Unterkunft in Speyer. Sophie von La Roche veröffentlicht 1783 - 1784 die erfolgreiche Zeitschrift „Pomona für Teutsch­­­lands Töchter“ womit sie teilweise den Familienunterhalt finanziert. Eine Vielzahl von Romanen, Erzählungen und Reiseberichten folgen. Familie von La Roche zieht 1786 nach Offenbach in die Domstraße 23 („Grillenhütte“). Erstdrucke ihrer Schriften erfolgen in der Offenbacher Druckerei Weiß und Brede in der Frankfurter Straße.

Frau Rat Goethe flüchtet im Juli 1796 aus dem von Franzosen belagerten Frankfurt zu Sophie von La Roche nach Offenbach. Clemens und Bettine Brentano (die Enkelkinder von Sophie von  La Roche) verbringen Teile ihrer Jugend im Haus der Großmutter.  Das Haus von La Roche wird im zweiten Weltkrieg teilzerstört und später abgerissen. Eine Stele erinnert heute im Büsingpark (an der Berliner Straße) an den Standort. Sophie von La Roche stirbt am 18. Februar 1807 in Offenbach.

 

Französische Reformierte Kirche:

Am Büsingpark steht auch das Sheraton - Hotel und nördlich davon das Parkbad. An der Ecke Berliner Straße / Herrnstraße sieht man die Französische Reformierte Kirche.  Ab 1699 wurden in Offenbach Hugenotten, evangelische Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, aufgenommen. Im Jahre 1717 wurde der Grundstein für die Kirche gelegt, 1718 fand in ihr der erste Gottesdienst statt. Die Kirche ist ein schlichter Saalbau, über dem Portal das Isenburger Doppelwappen angebracht. Sie dient als Versammlungsraum, um Gottes Wort zu hören, zu beten und das Abendmahl zu feiern. Ihr Innenraum ist äußerst schlicht gehalten.

Das Wappen der Gemeinde erinnert an eine dramatische Flucht. Das Wappen im Kirchenraum - eine Kopie des im Zweiten Weltkrieg verbrannten Originals - verdeutlicht die Gemütsverfassung der einstigen Glaubensflüchtlinge: „Domine serva nos perimus“ (Herr, rette uns, wir gehen zugrunde).

Aus dem Dreißigjährigen Krieg geht die Grafschaft geschwächt hervor. Die Einwohnerzahl wächst im 17. Jahrhundert kaum. Johann Philipp von Isenburg, geboren 1655 in Offenbach, gibt dem kriegsverheerten Landstrich einen Impuls mit einer liberalen Einwanderungspolitik. Als bekennender Calvinist erlaubt er ab 1698 / 1699 die Niederlassung hugenottischer Glaubensflüchtlinge und stattet sie mit Privilegien aus. Im Jahre 1699 gründet sich die französisch-reformierte Gemeinde. Ihre Mitglieder genießen das Recht auf Selbstverwaltung, freie Religionsausübung nach ihrer französischen Kirchenordnung, bauen eine eigene Kirche sowie eine Schule und wählen Pfarrer und Lehrer frei.

Im Jahre 1703 folgt eine zweite Ansiedlungswelle hugenottischer Flüchtlinge. Mit der zweiten Siedungswelle ist der Fortbestand der Gemeinde gesichert.  Es sind überwiegend Gewerbetreibende und Handwerker: Wollweber, Strumpfwirker, Hutmacher und Goldarbeiter. Sie lassen das 800 - Seelen - Dorf Offenbach zu einem größeren, nicht mehr allein bäuerlich geprägten Ort anwachsen. Ende des 18. Jahrhunderts existieren mehr als 50 Manufakturen, zumeist im Textilbereich. Der Erfolg ist durch die Nähe zur Reichsstadt Frankfurt begründet: Das Handelszentrum bietet einen Kapital- und Absatzmarkt für Offenbacher Produkte.

Mit der Zuwanderung der Hugenotten ist in der bürgerliche Gemeinde Offenbach eine Alt-Gemeinde  und eine Neu-Gemeinde entstanden. Erst am 1. Januar 1824 werden beide Teile rechtlich zu einer einzigen Stadtverwaltung  vereinigt. Mit Peter Georg d'Orville wird der Nachfahre einer hugenottischen Einwandererfamiie erster Bürgermeister. Zu diesem Zeitpunkt sind die Hugenotten längst in der heimischen Bevölkerung aufgegangen. Der letzte französischsprachige Gottesdienst wird 1828 gefeiert.

Seither liegt der Akzent der französisch  - reformierten Gemeinde weniger auf dem Verständnis als französische, sondern auf dem Dasein als reformierte Gemeinde. Dennoch sind im kirchlichen Leben, besonders im Psalmengesang, in den Abendmahlsbräuchen oder in der Bildlosigkeit des Gotteshauses, aber auch in der Verwaltung der Gemeinde durch ein Presbyterium (Kirchenvorstand), viele hugenottische Traditionen erhalten geblieben. Die zentrale Position der Kanzel verdeutlicht, daß das Bibelwort im Mittelpunkt des Gottesdienstes und des Gemeindelebens steht. Die moderne Gemeinde zählt rund 230 Mitglieder, wobei deren Zahl seit Gründung der Gemeinde stets mit wenigen Hunderten zu bemessen war. Unter den Mitgliedern sind noch vier bis fünf französische Namen.

Im Gegensatz zu anderen ist die französisch - reformierte Gemeinde keine Wohnsitzgemeinde, sondern eine Bekenntnisgemeinde mit einem Einzugsbereich über die Offenbacher Stadtgrenzen hinaus. Die einstmals ebenfalls schlichte Fassade der Kirche erhält erst im Jahr 1874  / 1875 ihre aufwendigere neobarocke Gestalt. Durch Bomben 1943 beschädigt, wurde die Kirche 1947 wieder hergestellt. Das Kirchlein behauptet sich heute an zentralem Standort gemeinsam mit dem 2009 umfassend sanierten Pfarrhaus gegen die moderne Büroarchitektur in seiner Umgebung. Das Pfarrhaus in der Herrnstraße gelangt 1775 als Vermächtnis der Pfarrerswitwe Anna Maria Romagnac in den Besitz der Gemeinde.

Stadtkirche:

An der Südseite der Berliner Straße steht das neue Rathaus von 1971 (72 Meter hoch). Hinter dem Rathaus steht die Evangelische Stadtkirche. Der Grundstein zu der Kirche wurde 1739 gelegt. Sie war 1748 fertiggestellt, ihr Turm erst im folgenden Jahr. Die Baumeister  waren  Johann Wilhelm Beck, Johann Fleischmann  und Johann Hartmann Leipolt. Die Kirche ist ein  einfacher rechteckiger Saalbau mit dreiseitigem Chorschluß; über dem Eingangsportal sieht man das Isenburger Wappen. Die Kirche brannte 1944 aus und wurde bis 1949 unter Veränderung von Fassade und Innenraum wieder aufgebaut.

 

Büsingpalais:

Auf Herrnstraße geht man nach links und kommt zum Büsingpalais von  1780. Es wurde von den Fabrikaten Bernard und d’Orville für die Zwecke ihrer Tabakfabrik gebaut (Schnupftabak!). Als es 1921 zum Rathaus wurde, hat man es Büsing - Palais genannt. Es diente bis 1943 als Rathaus, brannte dann aber nach dem  Bombenangriff aus. Die Seitenflügel wurden wieder aufgebaut. In ei­nem Flügel ist das Klingspormuseum (Nr. 80, gegründet 1953) mit Büchern, Einbänden, Buchillustrationen. Der Name kommt von den beiden Brüdern Karl und Wilhelm Klingspor, die im Jahr 1900 Anstöße zur Erneuerung der Schriftkunst gaben. Im nördlichen Flügel befindet sich die Stadtbücherei. Dazwischen ist das „Büsingtor“, ein schmiedeeisernes Kunstwerk.

 

Stadtarchiv:

Rechts ist das Stadtarchiv: Eine ehemalige Schnupftabakfabrik, der Bernardbau, beherbergt das Haus der Stadtgeschichte mit Museum und Archiv.

Lilihäuschen:

An der Straße „Linsenberg“ beginnt der Lilipark mit dem „Lilihäuschen“. An sich handelte es sich um den Metzlerschen Badetempel. Im Volksmund erscheint der klassizistische Bau aber immer noch als Ort, wo Johann Wolfgang von Goethe mit seiner Verlobten Elisabeth „Lili“ Schönemann den Sommer des Jahres 1775 verbrachte, obwohl der Bau erst 17 Jahre  (? Nach anderer Angabe: 1798) später errichtet wurde.

Der bekannte Offenbacher Komponist und Musikverleger Johann André war vielfach gern gesehener  Freund des Paares, der bis tief in die Nacht hinein „unterrichtend, meisternd, ausführend“ Lilis Klavierspiel begleitete und die angenehme Gesellschaft der Verlobten genoß. Goethes frühes Werk „Erwin und Elmire“ entstand hier, André komponierte die Musik dazu. Goethe arbeitete hier auch am „Faust“, eine Gedenktafel weist darauf hin. 

Noch zwei Jahre vor seinem Tod schrieb Goethe an einen Vertrauten über die noch im selben Jahr von ihm beendete Beziehung: „Sie war die erste, die ich tief und wahrhaft liebte, und vielleicht war sie auch die letzte!“ Die Wissenschaft sagt allerdings, daß Goethe hier irrte, das treffe vielmehr auf Friderike Brion zu.

Das mit größtem Luxus der Ausstattung erbaute Badehaus lag früher direkt am Main. Errichtet wurde es für den Frankfurter Bankier Friedrich Metzler, der in diesem vornehmsten Teil der werdenden Stadt seinen Alterssitz genommen hatte. Das Gartenhäuschen, in dem sich die Liebenden tatsächlich trafen, befand sich ungefähr dort, wo der Eckpavillon des Gartens die Herrnstraße mit der Mainstraße verbindet. Nach der Sanierung durch einen Privatinvestor (2006 - 2007) erhielt der Badetempel einen Anbau mit Wohnung und Atelierräumen. Mehrmals im Jahr wird er für den Publikumsverkehr geöffnet.

 

Schloßkirche:

Man geht dann nach Osten und sieht rechts den Rest des Turms der ehemaligen Schloßkirche. An der Stelle einer bereits 1270 urkundlich erwähnten Pfarrkirche - die 1700 niedergerannt war  - wurde 1700 - 1703 ein barocker Neubau errichtet und der 1709 gegründeten deutsch - reformierten Gemeinde zugewiesen. Einen Glockenturm erhielt die Kirche erst 1713. Durch Bomben wurde sie 1943 bis auf den Turmstumpf zerstört. Der Ausbau der Turmruine zu einer Wohnung durch einen Privatmann war im Gespräch, wurde aber bisher nicht verwirklicht.

In der längst verschwundenen Baumwollfabrik neben der damaligen Schloßkirche stand einst die erste Dampfmaschine Hessens. Der wohlhabende Besitzer wohnte in der Nähe in einem Fachwerkhaus nach Schweizer Art, das sich in diesem Industriegebiet seltsam ausgenommen haben muß.

 

Schloß:

Man kommt an die Nordseite des Isenburger Schlosses. Im 15. Jahrhundert erlangen die Isenburger die Herrschaft über Offenbach und erheben den Ort im 16. Jahrhundert zu einer Residenz. An der Stelle des Isenburger Schlosses stand eine Wasserburg von 1448, von der im heutigen Schloß noch das Erdgeschoß mit dem Rundbogenfries und die halbrunden Vorbauten (Überreste der alten Flankentürme) erhalten sind. Trutzig zeigt sich das Schloß zum Main hin, wehrhaft und abweisend.

Auf diese Burg folgte dann ein Schloß, das 1556 begonnen wurde und 1559 fertig wurde, so daß die Residenz von Birstein nach Offenbach verlegt werden konnte. Dieses Schloß brannte 1564 ab, von ihm ist im heutigen Schloß die Nordseite mit Ausnahme des obersten Geschosses erhalten.

Das heutige Schloß wurde 1569 - 1578 unter Graf Reinhard von Isenburg erbaut. Nach der Inschrift über einer Tür am Eckturm wurde es 1572 vollendet.

Ein Merianstich von 1642 zeigt die ursprüngliche Dachlandschaft mit allerlei Türmen und Zwerchhäusern, die erst im 18. Jahrhundert verschwinden, als das Gebäude um ein Geschoß aufgestockt und ein Mansarddach aufgesetzt wird. Das Gebäude ist an sich Teil einer Vierflügelanlage, deren weitere Ausführung jedoch unterblieb.

Man geht um das Schloß herum auf die Südseite und sieht, daß es ist eines der schönsten Renaissancebauten ist, besonders die Hoffassade mit den zweigeschossigen Laubengängen und den kunstvollen Turmportalen. Der wehrhaft wirkenden Mainfront des langgestreckten Rechteckbaus entspricht auf der Hofseite eine in Loggien aufgelöste, zwischen zwei Treppentürme eingespannte Architektur. Hier sind die Wappen der Isenburger und Verwandten zu sehen. In der Mitte der Südfront steht der Epitaph der Familie von La Roche, um 1800 im Stil des Klassizismus aus rotem Main-Sandstein gefertigt. Ursprünglich auf dem Kirchhof St. Pankratius in Offenbach-Bürgel aufgestellt  wurde er 1928 in den Arkadengang des Isenburger Schlosses versetzt. Auf dem Epitaph aufgeführt sind die Namen: Georg Michael Edler von La Roche, Franz Wilhelm von La Roche (Sohn) und Sophie von La Roche (geborene Gutermann). Der reiche baukünstlerische Schmuck stammt vermutlich von Conrad Büttner aus Büdingen. Nach Kriegsbeschädigungen wurde das Schloß 1952 /  1953 in dem äußeren Gesamtumriß des 18. Jahrhunderts wiederhergestellt.

Das Schloß hatte einst Seitenflügel. Beim Ausschachten einer Neubaugrube für die „Hochschule für Gestaltung“  kam eine Brücke ans Licht. Rätsel gibt eine gleichfalls entdeckte Mauer aus grauem Kalkstein auf, die möglicherweise von der einstigen Wasserburg stammt.

Adelssitz ist das Schloß seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr, weil die Fürstenfamilie von Isenburg-Birstein komfortablere Wohnhäuser in der Stadt vorzieht und im Schloß die Verwaltung der Ländereien ansässig bleibt.

Seit etwa 1820 werden die Räume höchst unterschiedlich genutzt: als Wohnungen, Buntpapierfabrik, Buchdruckerei, Schriftgießerei und als lithographische Werkstätten. Von einem Puppenmacher und von Näherinnen ist die Rede. Auch einer der ersten Fotografen in Offenbach unterhält im Isenburger Schloß sein Atelier. Im Erdgeschoß nutzen Turner ab Mitte des 19. Jahrhunderts den Saal, auch der Turnunterricht für die Realschüler findet dort statt.

Im Jahre 1900 gibt die vom Konkurs bedrohte Fürstenfamilie das Schloß zur Versteigerung frei. Neuer Eigentümer ist das Großherzogtum Hessen, das die dringend notwendige Renovierung veranlaßt. Im Jahre 1907 findet im Obergeschoß unter städtischer Regie die Volkslesehalle, ein Vorläufer der Stadtbücherei, ihr neues Domizil.

Die Nationalsozialisten mißbrauchen die herrschaftliche Kulisse im Mai 1933 für die Verbrennung mißliebiger Bücher aus dem Bibliotheksbestand. Der Zweite Weltkrieg hinterläßt das Isenburger Schloß als Ruine - schwer getroffen beim Luftangriff im Dezember 1943. Nach dem detailgetreuen Wiederaufbau in den fünfziger Jahren nutzt die Stadt das Gebäude als Jugendzentrum. Nach zweijähriger Umbau- und Sanierungsphase bezieht die Hochschule für Gestaltung im Jahr 2000 das Gebäude.

Rechts (nach der Straße zu) ist eine Gedenktafel für Alois Senefelder (1771 - 1834), Erfinder der Lithographie, der zeitweise in Offenbach wohnte. Links am Schoß sind die großen Mainhochwasser von 1687, 1764 und 1845 markiert.

 

Schloßstraße:

Unter dem Torbogen der Hochschule für Gestaltung kommt man auf die Schloßstraße. Hier stand früher die Krafft’sche Tabakfabrik. Auf der Ostseite steht das Haus Nummer 25, ein klassizistisches Wohnhaus, eine der wenigen erhaltenen historischen Bauten der ganzen Altstadt. Ein Flügel des originalen Holztores, der halbverbrannt die Bombennächte  überstanden hat, sollte in der Nische an der Ostseite des Hauses installiert werden, aber das ist bisher nicht erfolgt. An der Stelle des DGB-Haus am Französischen Gäßchen stand das Bezirksgefängnis, in dem der spätere hessische Ministerpräsident Carl Ulrich wegen seiner aufrührerischen sozialistischen Zeitungsartikel einsitzen mußte

 

Wilhelmsplatz:

Geradeaus geht es in die Straße Marktplatz. Dort links kommt man über die Bieberer Straße kommt man zum Wilhelmsplatz, wo heute der Markt stattfindet. Hier steht das Denkmal des „Streichholzkarlche“. Vom Wilhelmsplatz geht man wieder zurück zur Straße Markplatz, ein Stück nach Norden und dann links in die Fußgängerzone in der Frankfurter Straße.

 

Ledermuseum:

Dort findet man in der Nummer 86 das  Deutsche Ledermuseum mit Schuhmuseum. Es wurde 1917 gegründet 1917 und ist das größte und umfassendstes Spezialledermuseum der Welt. Die volkskundliche Abteilung im zweiten Stock zeigt die Lederverarbeitung in Afrika, Nordamerika und am Polarkreis. Im ersten Stock ist das Schuhmuseum mit Schuhen aus der Römerzeit bis heute (zum Beispiel die Turnschuhe von Joschka Fischer und die Fußballschuhe in Uwe Seeler und Sepp Mayer), Dort ist auch eine Schuhmacher und eine Polstererwerkstatt. Im Erdgeschoß ist eine Gerberwerkstatt mit Bucheinbänden zu sehen.

Etwa ab 1770 entwickelte sich Offenbach aus den bereits ansässigen Buchbindereien und aus dem Riemen- und Sattlerhandwerk die Leder- und Galanteriewarenindustrie. Neu in Offenbach war, daß man nicht nur nebenbei und auf besondere Bestellung, sondern für den überregionalen und schon bald für den internationalen Markt, produzierte. Der Übergang von der Einzel- zur Serienproduktion war vor allem durch die Nähe zum Handels- und Messeort Frankfurt begünstigt.        

Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche neue Gebrauchsgegenstände für den täglichen Bedarf: das Lederportemonnaie mit Metallrahmen verdrängte die bisher gebräuchlichen Lederbeutel und perlbestickten Börsen. Die Damenhandtasche wurde als modisches Zubehör zur Kleidung entdeckt. Der Lederkoffer und die Lederreisetasche lösten die unhandlichen Reisetruhen der Postkutschenzeit ab und waren geeigneter für die neuen Fernreisemöglichkeiten mit der Eisenbahn. Die Stadt Offenbach erlebte im 19. Jahrhundert einen beispiellosen Aufschwung, den sie vor allem dem Ledergewerbe verdankte. In keiner anderen deutschen Stadt wurde so viel Leder erzeugt und verarbeitet.   

Rund um Offenbach gibt es Lohwälder. Diese  Landschaftsbezeichnung leitet sich von mittelalterlichen Eichenwäldern ab, in denen die Rinde der Stieleichen abgeschält wurde, um damit Leder zu gerben. Auch Blätter und Holz wurden genutzt. Da sich in Offenbach schon ab 1770 ein Zentrum der Lederwarenherstellung ansiedelte gab es einen großen Bedarf an Gerbstoffen. der zur Entstehung von Lohwäldern führte

 

Kaiser – Friedrich - Quelle:

Links in der Straße ist die Kaiser - Friedrich - Quelle (Mineraltrinkwasser, mit Entdeckung 1888 entstand die Idee von „Bad Offenbach“, die aber bald wieder aufgegeben wurde). Ganz im Westen hinter dem Kaiserlei - Kreisel ist der Deutsche Wetterdienst. In der weiter südlich gelegenen Parkstraße befinden sich das Stadtmuseum und der Dreieichpark.

 

Lehrpfade

Das Kulturkarree:

01  Messe Offenbach Kaiserstraße 108-112

02  Capitol, Goethestraße 1-5

03 Deutsches Ledermuseum / Schuhmuseum Offenbach, Frankfurter Straße 86

04 Rosenheim-Museum, Parkstraße 60

05 Galerie im Turm (EVO), Eingang Goethering

06 Caritasverband Offenbach e. V. Platz der Deutschen Einheit

07 Staatliches Schulamt, Platz der Deutschen Einheit

08  Rathaus, Berliner Straße

09 Stadthaus, Berliner Straße

10 Metzlerscher Badetempel, Herrnstraße 100

11 Stadtbibliothek, Herrnstraße 84

12 Kinder- und Jugendbücherei, Herrnstraße 59

13 Büsingpalais, Herrnstraße

14 Klingspor-Museum, Herrnstraße 80

15 Pfarrhaus Französisch-Reformierte Kirche, Herrnstraße 43

16 Haus der Stadtgeschichte - Museum, Herrnstraße 61

17 Haus der Stadtgeschichte - Archiv, Herrnstraße 61

18 Evangelisches Dekanat Offenbach, Ludo-Mayer-Straße 1

19 Hochschule für Gestaltung, Schloßstraße 31

20 Jugendkunstschule, Herrnstraße 61

21 Volkshochschule, Berliner Straße 77

22 Evangelische Familienbildungsstätte, Kirchgasse 17

23 Frieda – Rudolph - Haus (Café und Veranstaltungsort)

24 Isenburger Schloß

25 Ostpol, Hermann - Steinhäuser Straße 43-47

26 Musikschule Offenbach am Main e. V., Hermann-Steinhäuser Straße 41

27 Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum, Sandgasse 26

28 Sparkasse Offenbach, Berliner Straße 46, OF-Info-Center

29 RMV-Mobilitätszentrale, Salzgäßchen

30 Theater im t-raum, Wilhelmstraße 13

31 Theateratelier Bleichstraße 14

32 Salon 13 / Bund Offenbacher Künstler, Kaiserstraße 13.

 

Die Apfelweinroute

Rund 30 Kilometer Straßen und Wege in Offenbach zählen zur Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute. Sie sind mit dem roten Apfel - Logo gekennzeichnet. Es symbolisiert die lange und innige Verbindung zwischen der Stadt, der Region und ihrem Stöffche. Bereits die Germanen kelterten ihren „Ephiltrank“ (Apfeltrank). Ab dem 16. Jahrhundert wurde der Apfelwein in den Wohnstuben der Weinbauern (Häcker) ausgeschenkt. Die Route verbindet typische Apfelweinlokale, Keltereien und Streuobstwiesen. Sie lädt ein, regionale Spezialitäten in gemütlichen Gärten zu genießen.

 

Die Route der Industriekultur

Das industriekulturelle Erbe der Region zeigt sich unübersehbar in ehemaligen Fabriken, Verwaltungsgebäuden und Arbeiterwohnungen. Unternehmen von Weltrang haben hier gewirkt und ihre Spuren hinterlassen, auch und gerade in Offenbach. Den Schatz an lebendigen Zeugnissen des produzierenden Gewerbes wieder zugänglich und erlebbar zu machen, ist das Anliegen der „Route der Industriekultur Rhein -  Main“.

Hugenotten- und Waldenserpfad

An das kulturelle Erbe der Hugenotten und Waldenser erinnert der 1.800 Kilometer lange Wanderweg, der von Frankreich bis nach Bad Karlshafen reicht. Über knapp 16 Kilometer verläuft die Route durch Offenbach. Verschiedene Stationen dokumentieren den entscheidenden Einfluß hugenottischer Glaubensflüchtlinge auf die Entwicklung der Stadt.

Von Neu - Isenburg her kommend führt der Weg durch die Innenstadt und weiter zum Main in Richtung Mühlheim. Stationen sind unter anderem die Kirche der französisch - reformierten Gemeinde, die Ende des 17. Jahrhunderts gegründet wurde, und das Isenburger Schloß.

Hugenottenorte in Offenbach

  9 Waldcafé Hambachtal

10 Waldgaststätte Rosenhöhe

11 Apfelwein-Klein

12 Stadtcafe (Frieda-Rudolph-Haus)

13 Wochenmarkt

14 Markthaus am Wilhelmsplatz

15 Tafelspitz & Söhne

16 Bürgerhaus Rumpenheim

 

Hugenottenorte in Offenbach:

Französisch - Reformierte Kirche

Französisch - Reformiertes Pfarrhaus

Musikhaus Andre

Gedenkstein Büsingpark

Büsingpalais (ehemalige Bernard  - d'Orvillesche Schnupftabakfabrik)

D ' Orvillesches Puppenhaus (im Haus der Stadtgeschichte)

Ehemalige Textilfabrik André (Standort) am Isenburger Schloß.

 

Der Grünring vom Main zum Main:

Der Grünring vom Main zum Main, seit dem Jahr 2000 Teil des Regionalparks RheinMain, bietet auf einer Strecke von 17 Kilometern mitten in der Stadt Naturerlebnisse. Als Landschaftsband umschließt er die Kernstadt: vom Main am Kaiserlei zum Main bei Bürgel. Die teils alleenartigen Wege verbinden Stadtgärten wie den Dreieichpark im Westen und den Leonhard - Eißnert - Park im Osten. Sie führen an renaturierten Bachläufen vorbei zu Aussichtspunkten und Orten aktiver Freizeitgestaltung wie Wetterpark oder Kletterpark.

 

Der Industriebahnweg:         

Die Gleise der Industriebahn sind längst demontiert. Einst versorgten hier Güterzüge zwischen der Sprendlinger Landstraße und dem Lämmerspieler Weg Offenbacher Betriebe, seit 1996 ist der Industriebahnweg eine beliebte Strecke für Fußgänger und Radler. Der ehemalige Bahndamm ist Teil der Route der Industriekultur und bietet interessante Informationen zur Offenbacher Wirtschaftsgeschichte.

 

Die Klimaroute:

Globale Zusammenhänge vor Ort sichtbar machen: Das ist die Idee einer Route zum Thema Klimawandel (Climate Change, kurz: C-Change). Im C-Change-Projekt werden lokale Maßnahmen im Flußraum des Mains ins Verhältnis gesetzt zu globalen Veränderungen. So wird die Brücke zu anderen Regionen der Erde geschlagen, denn durch das Wasser ist die ganze Welt umfassend vernetzt. Der Weltwasserkreislauf kommuniziert über Ströme, Flüsse, Bäche und Meere, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag. Der Main ist ein kleines Puzzleteil in diesem weltweiten Netz.

Im Rahmen des EU - geförderten Projekts haben Studierende der Hochschule für Gestaltung fünf Stationen am Offenbacher Mainufer entwickelt. Vier davon führen an den Indus auf dem indischen Subkontinent, an den Yukon in Nordamerika, an den türkischen Fluß Kizilirmak und an den Tajo, der durch Spanien und Portugal fließt.

 

Ziele am Rand von Offenbach
Kaiserlei:

Er geistert als Europas größter Verkehrskreisel durch die Gazetten, lehrt jeden Führerscheinanfänger das Fürchten. In seinem Zentrum sagten sich lange Zeit die Karnickel gute Nacht, der Ring drumherum fungiert als Autokarussell im Dauerbetrieb. Kaiserlei - der Name ist für viele Bewohner der Region Synonym für den Kreisel. Nur Ortskundige wissen, daß damit der Offenbacher Stadtteil rund um den Betonring gemeint ist.

Und noch weniger bekannt ist, daß der Name an den Kalkfelsen erinnert, der wie eine Zunge von der Frankfurter Seite her in den Main ragte. Er brachte manchen Lastkahn auf dem Weg von Würzburg nach Aschaffenburg zum Kentern -  leichte Beute für den hungrigen rothaarigen Nix, der dort Jahrhunderte mit seinen beiden Söhnen hauste. Der Einzug der Technik vertrieb den Nix samt Anhang. Im Jahre 1852 wurde der Kaiserleifelsen gesprengt, um die Fahrrinne zu begradigen. Die Reste räumten die Arbeiter 50 Jahre später bei der Kanalisation des Mains oberhalb der Frankfurter Stadtgrenze beiseite.

Nicht nur zu Wasser wuchs der Verkehr. Auch zu Lande mußte die Infrastruktur den Bedürfnissen angepaßt werden. Nach siebenjähriger Planungszeit begannen im Jahr 1964 die Arbeiten an dem Kreisel mit europarekordverdächtigen 250 Meter Durchmesser. Noch als Provisorium hatte er im Dezember bereits seinen Ruf als Unfallschwerpunkt und Alptraum eines jeden Autofahrers weg. Mit Ampeln, Verkehrspolizisten, Radarkontrollen und Verkehrsschildern versuchte die Ordnungsbehörde, das Chaos zu lindern. Erfolglos. 220 Unfälle registrierte die Offenbacher Polizei im Jahr 1969 am Kaiserleikreisel, Bagatellfälle nicht mitgerechnet.

Die Inbetriebnahme des Kreisels fand kaum Beachtung. Die ebenfalls 1964 eröffnete Kaiserlei­brücke, deren Realisierung ein halbes Jahrhundert gedauert hatte, stahl ihm die Schau. Vermutlich waren die Offenbacher auch nicht sonderlich stolz auf das häßliche Rondell, das allerhöchstens Motorradfahrern Lustgewinn verspricht. Die Brücke hingegen wurde als schönste und technisch interessanteste Bogenbrücke in Europe gefeiert. Mit ihren 35,80 Meter Breite übertraf sie wesentlich die nur 21 Meter breite Großbrücke zwischen Deutschland und Dänemark.

Der Autowahn ging weiter. Im Jahre 1972 übergab der hessische Verkehrsminister Heinz Herbert Karry die Hochbrücke über dem Kreisel dem Verkehr. Die Pläne für eine Untertunnelung des Kreisels oder eine Kabinenbahn legten die Kommunalpolitiker ad acta. Zumal ein Jahr später ein S – Bahn - Anschluß in Aussicht gestellt wurde. Ein Hirngespinst blieb auch die Bepflanzung des Inneren des Kreisels, in dem bis zum heutigen Tag nichts als Unkraut und Brombeerhecken wuchern.

 

Wetterpark Offenbach:

Zum Wetterpark kommt man über die B 43. Entweder fährt man von der Autobahnabfahrt Offenbach - Taunusring nach Osten und nah der zweiten leichten Linksbiegung recht ab in die Goerdeler Straße oder über Mühlheim bis zur Unteren Grenzstraße und dann in die Rhönstraße (Verlauf der B 43) und links ab in die Goerdeler Straße (Hinweisschild „Wetterpark“). Ziemlich am Ende der Straße ist rechts der Parkplatz. Von dort muß man noch ein Stück laufen. Man darf aber nicht den ganz rechten Weg gehen, weil der zur Schule führt. Vielmehr geht man durch den Lehrpark und an seinem Ende an der Straße (verlängerte Buchhügelallee) etwas nach links. Westlich der Tennisplätze, südlich des Buchhügels, ist dann der Wetterpark, parallel zu der von Nordosten und Südwesten verlaufenden Straße in Richtung Weserstraße.

Alle reden vom Wetter. Aber kaum jemand weiß, wie Hagelschauer oder Stürme entstehen und wie man sie gar vorhersagt. Antworten auf solche und ähnliche Fragen sollen Spaziergänger im Wetterpark am Buchhügel finden können. Neben der Stadt Offenbach sind der Deutsche Wetterdienst sowie der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt / Rhein-Main beteiligt.

Der Magistrat hatte im Dezember 2003 die Errichtung eines Wetterpfades befürwortet. Am 22. Januar 2004 beauftragte die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat, eine Rahmenvereinbarung mit dem Planungsverband abzuschließen, um das Projekt Wetterpfad zu realisieren. Am 19. Februar 2004 teilte der Magistrat mit, der Stadt entstünden durch das Projekt jährliche Folgekosten in Höhe von 16.800 Euro. Im Juni schlossen die Stadt, der Planungsverband und der Wetter

dienst eine Rahmenvereinbarung.

Der Wetterpark Offenbach, der Anfang Juni 2005 eröffnet wurde, ist als Erholungsanlage und Ausstellung im öffentlichen Landschaftsraum konzipiert, mit dem Ziel der Darstellung und Erklärung von Wetterphänomenen. Auf einer Fläche von etwa 20.000 Quadratmetern werden dem Besucher die Aspekte des Wetters und seine Erscheinungsformen anhand von Objekten und erläuternden Grafiken dargestellt.

Als Standort haben sich die drei Kooperationspartner auf ein Gelände am Buchhügel, zwischen Buchhügelallee und Weserstraße, geeinigt. Ein Teil der ehemaligen Stadtgärtnerei ist in die Anlage einbezogen worden. Die Gesamtkosten betrugen 400.000 Euro, von denen die Stadt Offenbach 41.000 Euro übernommen hat. Zudem stellte sie das Gelände zur Verfügung. Die restlichen Kosten wurden von der Europäischen Union (EU) und vom Planungsverband getragen. Die EU honoriert mit ihrem Zuschuß in Höhe von 200.000 Euro die Idee, das Image Offenbachs als Wetterstadt weiter zu fördern. Die Förderung erfolgt im Rahmen von Interreg IIIB - Programm Sustainable Open Spaces (SOS). Der Lead Partner ist die Niederlande.

Das Konzept des Wetterparks sieht vor, Besucher auf einfache Weise in die Beobachtung komplexer Wetter  - Zusammenhänge und die wissenschaftlichen Hintergründe einzuführen. Die sinnliche Wahrnehmung wird an den Exponatstationen durch eine Aufforderung zu aktiver Beobachtung oder Interaktion ergänzt. Dies macht den Besuch auch für Familien mit Kindern oder Schulklassen interessant, die den Wetterpark in ihr Lehrprogramm aufnehmen können.

Der Wetterpark ist Teil des Grünrings vom Main zum Main, der auf der Trasse der ehemaligen Südumgehung vom Kaiserlei über das Lauterborn zum Buchhügel und weiter zum Kuhmühlgraben vorhandene Landschaftsräume verbindet und unerschlossene Landschaftsteile zugänglich macht. Der Landschaftsraum auf dem Buchhügel soll langfristig als Grünraum mit besonderer Qualität für Erholung und Unterhaltung aufgewertet werden. Um dieses Ziel zu erreichen und langfristig zu sichern, wurde für den gesamten Buchhügel ein Freiraumentwicklungskonzept entwickelt, in dem der Wetterpark einen zentralen Stellenwert hat.

Außerdem ist der Wetterpark Teil des Regionalparks Rhein  - Main, dessen Ziel es ist, Freiräume für Erholung und Belüftung im gesamten Ballungsraum zu sichern und miteinander zu verbinden. Der Wetterpark ist ein weiterer Trittstein entlang der Regionalparkroute, die sich durch das gesamte Rhein – Main - Gebiet zieht.

Das Thema Wetter in Offenbach zur Förderung der lokalen Identität und Werbung zu nutzen, ist durch den Hauptsitz des Deutschen Wetterdienstes vor Ort gegeben. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) finanziert eine vollautomatische Meßstation, die Teil des weltweiten Wetternetzes ist und in das Besuchsprogramm des Wetterparks einbezogen wird. Zusätzlich betreibt der Deutsche Wetterdienst einen Phänologischen Garten, der zur Beobachtung des Klimas dient.

Der Themenpark ist mit Ausnahme des eingezäunten Meßfeldes des DWD überall uneingeschränkt öffentlich zugänglich. Er hat daher den Charakter einer öffentlichen Parkanlage.  Durch den Wetterpark zieht sich von der Buchhügelallee bis zur Weserstraße ein etwa 1,80 Meter breiter einfacher Kiesweg und verbindet die einzelnen Ausstellungsexponate miteinander. Die Eingänge werden durch Fahnenstangen mit einem „Windsack“ gekennzeichnet. Vom Weg führen Stege zu den Exponaten mit Grafik- und Texterläuterung. Abseits der Stationen bleibt das landschaftliche Erscheinungsbild unangetastet.

 

Exponatstationen und Themen: (vom Eingang Buchhügelallee)

Pavillon Meßstation mit den Inhalten:

Erläuterung der Meßstation und ihrer Instrumente

Darstellung der Meßwerte und Prognosen / Warnungen (auf Display)

Selbstdarstellung Aufgabengebiete DWD

Gewitter

Erläuterung Entstehung Gewitter und Darstellung der Kraft von Blitzen

Luftdruck

Entstehung von Hoch und Tief durch das Gewicht der Luft

Atmosphäre

Atmosphäre als Ort des Wettergeschehens, Zusammensetzung der Luft, Aufbau der Atmosphäre

Wind

Erklärung wie Winde entstehen und die Einteilung in der Beaufortskala

Sonne

Die Sonnenenergie als Motor des Wetters

Wie entsteht Wärme und dem Einfluß der Temperatur auf Wetterphänomene?

Der Sonnenstand entscheidet über Jahreszeiten und Tag / Nacht- Unterschiede

Wetter

Was ist Wetter?

Wie entstehen die Wetterphänomene?

Diagramme typischer Wetterläufe

Niederschlag

Das Wasser im Wetterkreislauf

Niederschlagsformen

Aktuelle Messung der Niederschlagsmenge

Phänologie / Klima

Das Wetter beeinflußt Pflanzen und Leben

Klimaforschung durch Beobachtung des Pflanzenwachstums

Klima / Klimageschichte

Wetterverläufe in großen Perioden (Eiszeit...)

Klimaschwankungen am Beispiel der Apfelblüte in Geisenheim seit 100 Jahren

Wolken

Wie eine Wolke entsteht und wieviel sie wiegt

Vorstellung der Wolkenarten

Wetteraussicht

Sicht: wie entsteht Dunst und wie wird sein Grad bestimmt

Wetterlagen: Aus welcher Himmelsrichtung sind welche typischen Wetterlagen zu erwarten und warum?

Kontakt: ESO Service-Telefon: 069/8065-4545, http//www.wetterpark-offenbach.de
(Weitere Informationen und eine genaue Anreiseskizze für Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und Benutzer Öffentlicher Verkehrsmittel).  Der Wetterpark ist eine öffentliche Parkanlage und in der Zeit von 8:00 bis 22:00 Uhr zu besichtigen. Adresse: Buchhügelallee 400, 63071 Offenbach. Der Eintritt ist frei. Der Themenpark ist so aufgebaut, daß die Stationen ohne Erläuterungen oder Führungen verständlich sind.

 

Der alte Schlachthof an der  Buchhügelalleee:

(„o die Rhönstraße im Süden Offenbachs in den Spessartring übergeht, geht nach Norden die Buchhügelalle ab. Nach dem Abzweig Erlenbuchstraße kommt der ehemalige Schlachthof)

Bei der Umwidmung des alten Schlachthofes in Offenbach ging kein Schritt ohne die Bauforschung, das heißt: die Erfassung der historischen Baukonstruktionen, der Baubefunde, die Prüfung des Bau- und Materialzustandes, maßnahmenorientierte Bauvoruntersuchung und die Klärung, ob die neue Nutzungsplanung auch denkmalgerecht sein würde. Dies alles stellen die Kernaufgaben der Bauforschung dar.

Im Jahre 1904 wurde das Schlachthofareal in Betrieb genommen. Die beispielhafte Industrieanlage mit insgesamt 14 Gebäuden war damals mit modernster Technik ausgestattet und wurde als absolut zukunftsweisend angesehen: Strom und Energie lieferte eine eigene Dampfkesselanlage, eine Eisfabrik konnte täglich 17 Tonnen Blockeis herstellen, und die Wasserversorgung wurde durch einen eigenen Wasserturm gesichert. Sehr hübsch und ansehnlich ist die Durchgestaltung aller Fassaden der Anlage in verschiedenfarbigem Klinker (ockerfarbenem und rostrotem Back­stein) in historisierenden Formen. Dunkle Basaltsockel und rote Sandsteingesimse und -gewände gliedern die Gebäude.

Gelegentlich sind die Eingänge mit aufwendiger Verdachung mit Fachwerk und glasierten Ziegeln dekoriert. Im Mittelpunkt des Schlachthofgeländes steht die 15 Meter breite und 100 Meter lange Verteiler- oder Verbindungshalle, von einem gewölbten Glasdach überspannt, die die Schlachthallen und das Kühlhaus verband. Einige Architekturelemente, wie etwa die Fenstergewände, sind sorgfältig aus Formsteinen gearbeitet. Die Triforien sind teilweise verglast, Rautenfriese und Granitsäulen mit Würfelkapitellen im neoromanischen Stil ausgebildet (nach Sonja Bonin).

Bedenkt man, daß dies ein ganz auf Funktionalität konzentriertes Bauwerk ist, dann verblüffen besonders das große Schmuckbedürfnis und die oft pittoreske Gestalt mancher Gebäude - die wundersame, gleichwohl genuine Architektursprache der Erbauungszeit. Diese architektonische Manifestation der Epoche macht die Anlage (neben weiteren Kriterien) schützenswert.

Nach der Schließung des Schlachthofes lobte die Stadt Offenbach 1990 einen Investorenwettbewerb aus, mit der Vorgabe, ein Wohn- und Gewerbequartier zu projektieren und dem Quartier eine städtebauliche Neuordnung zuzuführen.  Das ist fast eine Gratwanderung, denn für die denkmalgeschützten Gebäude sollte einerseits eine zeitgemäße Nutzung gefunden werden, andererseits mußten sich Wohnquartiere und Geschäfte in den Baubestand behutsam einfügen. Zusätzlich sollte ein Angebot an Kultur und Freizeit ein neues Zeichen setzen. Das später umgesetzte Entwicklungskonzept für das etwa 40.000 Quadratmeter große Areal zwischen Buchhügelallee und Erlenbruchstraße stammt von dem Frankfurter Büro Albert Speer & Partner.

Heute finden wir auf dem ehemaligen Schlachthof - Gelände Büros, Lofts, ein Vier  -  Sterne  - Ho­tel und eine Bar, in der ehemaligen Maschinenhalle ein Restaurant und in einem früheren Stall­gebäude Wohnungen. Das Kesselhaus ist integriert, die Eisfabrik und das Kühlhaus wurden einer attraktiven Ladennutzung zugeführt, und der ehemalige Kleinviehstall sinnigerweise in einen Kindergarten umgerüstet. Durch die dominante Verteilerhalle, die nun als kultureller Treffpunkt und Geschäftszentrum eine besondere Rolle übernommen hat, wirkt das gesamte Bauwerk sozusagen als „Herz“ des neuen Stadtquartiers. Die Neubauten, die vor allem für die Wohnnutzung konzipiert wurden, ergänzen mit feinem Gespür den Altbaubestand und bilden in ihrer Ausformung (in Kubatur und konsequenter Geschoßhöhe) ein harmonisches, städtebauliches Ensemble von großer Qualität und mit viel Atmosphäre.

Das Schlachthofviertel grenzt im Westen an eine Kleingartenzone, die das Areal großzügig im Vorfeld eingrünt. Der parkartige Charakter des Umfeldes ist zweifellos ein zusätzlicher Reiz dieses neuen städtebaulichen Gebildes.

 

Freizeitgelände in Osten Offenbachs:

Hier finden sich verschiedene Freizeitgebiete. Über die Mühlheimer Straße, Untere Grenzstraße und Bieberer Straße (B 448) kommt man zum Leonhard - Eißnert - Park mit Minigolfanlage und Hochseilgarten („Abenteuerspielplatz“). Die Bierbrauerstraße ist nur für Anlieger, also an sich nicht zum Parken gedacht.

 

Schneckenberg:

Zum Schneckenberg muß man (wenn man von Norden kommt) schon gleich nach Unterquerung der Eisenbahn nach links in den Lämmerspieler Weg einbiegen und dann unbedingt nach links unter der Eisenbahn hindurch und dann wieder nach rechts in die Straße Schneckenberg. Dort sind kurz hinter dem „Kulturzentrum Schneckenberg“ ein kleiner Parkplatz und das Tor zu dem „Freizeitgelände Schneckenberg“. Das Tor ist allerdings verschlossen und der ganze Berg mit einem Zaun umgeben. Nur einmal im Jahr im September zum „Deponiefest“ ist der Zugang möglich. Oder man muß einen Termin vereinbaren bei: OVO e. V. - Verwaltung und Organisation „Am Schneckenberg“, Geschäftsstelle: 1. Vorsitzender Klaus Keller, Seligenstädter Straße 43, 63073 Offenbach / Main , Telefon  069 89 90 67 49. E-Mail: ovo97@arcor.de.

Hier bestanden bis 1962 die Kalkwerke Grix. Sie wurden 1874 gegründet. Aus der Zeit des Kalkabbaus stammt auch die häufig genutzte Bezeichnung „Schneckenberg“.  Sie entstand, da sich im Kalkgestein viele fossile Überreste von Schnecken fanden. Nach Schließung des Kalkwerkes 1962 bot sich das Gelände förmlich als Ablagerungsstätte an. Der Firmenname Grix ist als Bezeichnung der „Deponie Grix erhalten geblieben.

In den Jahren 1963 bis 1970 diente die Grube des Kalksandsteinbruchs der Stadt Offenbach als Ablagerungsplatz von überwiegend Haus- und Industriemüll, einschließlich Flüssigabfällen. Von 1970 bis 1982 wurden zur Aufschüttung nur noch Bauschutt, Sperrmüll und nicht brennbare Abfälle angeliefert und verarbeitet. Es  sammelten sich zwischen 1963 und 1983 rund 2,6 Millionen Kubikmeter Abfälle. Aber 1982 bis 1987 fanden erste Sanierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen statt. Zum Untergrund hin wurde die Deponie abgedichtet. Anlagen zur Entgasung des Deponiekörpers wurden errichtet.

Auf Grund neuer Erkenntnisse und Verfahrensweisen im Bereich Dichtungs- und Entwässerungsverfahren fand eine zweite Sanierungsmaßnahme statt. Auf der inzwischen mit Gras bewachsenen Halde wurde 1987 bis 2009 eine Oberflächenabdichtung (eine sogenannte „Kapillarsperre“) zur Verhinderung von Wasserdurch­sickerungen des Deponiekörpers errichtet. Im Jahre 2010 begann die Nachsorgephase. Alle von der Deponie ausgehenden Emissionen werden durch die RMN überwacht.

Mit 176 Meter ü.N.N. ist der Schneckenberg die höchste Erhebung der Stadt Offenbach und übertrifft somit in seiner Höhe auch den angrenzenden Bieberer Berg. Das Volumen des 10 bis 18 Meter tiefen Kalksteinbruchs beträgt 0,65 Millionen Kubikmeter, das Volumen der Aufschüttung 1,75 Millionen Kubikmeter. Die Höhe ab der Sohle ist 56 Meter. Aktuell finden Überlegungen und Planungen zur weiteren Nutzung des Geländes statt.

Damit aber auch in Zukunft vom Deponiekörper keine Gefahr für Umwelt und Gesundheit ausgeht,  ist es wichtig, daß die durchgeführten Sanierungsmaßnahmen sowie der Betrieb der vorhandenen Anlagen vor Fremdeinwirkung geschützt werden. Aus vorgenannten Gründen ist auch eine weitere Bebauung des Deponiekörpers nur eingeschränkt möglich. Vorstellbar sind zum Beispiel eine Flächenfotovoltaikanlage und / oder aber ein Kultur- und Lehrpfad.

 

 

 Offenbach-Bieber

Fachwerkhaus Rathausgasse 2:  Der Zustand war leider nicht sehr gut. Es handelte sich um ein einfaches Arbeiterhäuschen, welches um 1800 errichtet wurde. Das Fachwerk aus Nadelholz befand sich teilweise in sehr schlechtem Zustand. Das ließ sich damals nur erahnen, weil Umbauten und Verkleidungen so zahlreich waren. Es hatte einen nicht zu großen Garten, ein kleines Nebengebäude, einen alten Brunnen, eine alte Stadtmauer als Grundstücksgrenze und die Raumaufteilung und Größe des Hauses war ausreichend.  Der Dachstuhl war beschädigt, die Schwellenbalken verrottet, Originaleinbauten wie Fenster, Zimmertüren, Treppe fehlten und waren schlecht ergänzt worden. Der Garten war verwildert, die Stadtmauer mit Zement verputzt und der Brunnen mit Bauschutt gefüllt.

Das Ehepaar Hiltner  beschloß trotzdem das Haus zu kaufen! Während der nächsten zwei Jahre steckten sie Unmengen an Arbeit und Energie in das Haus. Unzählige Baucontainer mit Bauschutt, Holz und Grünschnitt verließen unser Grundstück. Der Zimmermann und der Maurer / Lehmbauer hatten viel Arbeit und bewirkten wahre Wunder. Es ging von Etappe zu Etappe. Die Schwellenbalken wurden ergänzt, das Fachwerk ausgebessert, der Dachstuhl wurde repariert und neu eingedeckt. Das Obergeschoß wurde zum Teil neu verschiefert und Sprossenfenster eingesetzt.

Im Jahre 2006 konnten sie  einziehen, obwohl einiges noch nicht ganz fertig war. Der örtliche Heimatverein spendierte im gleichen Jahr die Kronenabdeckung für die restaurierte Stadtmauer. Im Jahre 2007 erhielt das Ehepaar den Denkmalschutzpreis der Stadt Offenbach. Im Jahre  2008 war auch das kleine Nebengebäude saniert, in der sich heute die Werkstatt für Möbelrestaurierung befindet. 

 

 

Rumpenheim

Das Dorf Rumpenheim:

Schon im Jahre 770 besaß das Kloster Lorsch hier Güter und pflanzte Weinreben an. Das Dorf kam an die Herren von Münzenberg, die die Hanauer Dynasten mit Rumpenheim belohnten. Diese gaben den Ort an andere Rittergeschlechter, von denen eins den Namen „von Rumpenheim“ führte und aus der Wetterau kam. Petrus von Rumpenheim wird 1430 erwähnt. Das Dorf wurde 1622 von den Spaniern unter Spinola verbrannt. Im Jahre 1769 kaufte Landgraf Karl von Hessen-Cassel das Dorf. Rumpenheim war nach der Landseite hin von einem wehrhaften Mauerzug umgeben, durch den zwei Tore führten. Von der Ummauerung bestehen noch wenige Überreste. Nach dem Umbau des alten Hofguts zum Schloß wurde das Hofgut am Westrand des Ortes (Mainkurstraße, heute Eigentumswohnungen).

 

Übersicht:

 

  770

Frühe Nennung eines Weingartens zu Rumpenheim im Lorscher Codex

14. Jahrh.

Eine Pfarrei am Ort wird genannt

1526

Konrad Demuth predigt lutherisch

1541

Reformation: Jakob Klein wird als evangelischer Pfarrer von den Fürsten von Hanau in  Rumpenheim eingesetzt

1596   

Die Grafschaft Hanau wird calvinistisch - reformiert (sog. Zweite Reformation)

1639   

Im 30jährigen Krieg wird Rumpenheim von spanischen Truppen geplündert

1680

Errichtung eines Herrenhauses am Mainufer mit Garten durch Johann Georg Seiffert von Edelsheim (heutiger Mittelteil des Haupttrakts)

1736   

Das Gebiet von Rumpenheim fällt an die Landgrafen von Hessen - Kassel

1756  - 1761  

Bau der heutigen Schloßkirche als Rumpenheimer Pfarrkirche (das jetzige Kirchengebäude). Die mittelalterliche, vermutlich romanische Kirche war eingestürzt

1770   

Erste Erweiterung des Herrenhauses um zwei seitliche Anbauten durch Prinz Karl und Landgräfin Marie. Vergrößerung des Gartens

1787 / 1788

Bau der Seitenflügel unter Landgraf Friedrich (ab 1803 Landgraf). Gleichzeitige Umgestaltung des Gartens in Anlehnung an englische Landschaftsgärten mit Staffagebauten

bis 1811 

Ausbau des Schlosses zur Dreiflügelanlage. Verlegung des Ortskerns nach Westen

1804 / 1805

Bau der Ecktürme an der Mainfront, des Uhrturms und eines dritten Stockwerks an der Mainseite. Damit erhält das Schloß seine heutige Gestalt

1800 / 1802

Bau des Mausoleums (Mittelteil)

1818

Lutherisch - calvinistische Union in Hanau (Kurfürstentum Hessen)

 

 

 

Schloß:

Rumpenheims Aufstieg zur zeitweiligen Residenz begann 1674 mit dem Landhaus des Hanauer Kammerpräsidenten Georg Seiffert von Edelsheim. Wahrscheinlich besaß bereits dieser 1680 auf hochwassersicherem Gelände erbaute Sommersitz einen Garten, der sich auf der Ostseite an das Herrenhaus anschloß. Es war Keimzelle der späteren Residenz, die heute noch mit ihren Umfassungsmauern im „Corps de Logis“ (dem Mittelteil des Schlosses) erhalten ist. Bald kam der Besitz an Hanau zurück und fiel 1736 als Erbe an Hessen-Kassel.

 

Landgraf Friedrich I. (1747 -  1837) wurde durch seine acht an in- und ausländische Höfe verheirateten Kinder zum „Großvater Europas“. Doch nach dem Übertritt des Erbprinzen Friedrich II. zum katholischen Glauben trennte sich 1755 die Landgräfin Marie (eine geborene Prinzessin von Großbritannien und Tochter von König George II.) von diesem und nahm 1763 in Hanau ihren Wohnsitz, um dort die Regentschaft für ihren ältesten Sohn auszuüben.

Im Jahre 1768 erwarb ihr zweiter Sohn Carl die Edelheim’schen Güter in Rumpenheim und stellte sie seiner Mutter zur Verfügung. Die Landgräfin verbrachte ihre Sommermonate ab 1769 nicht mehr in Schloß Philippsruhe, sondern in den fürstlichen Gemäuern am südlichen Mainufer in Rumpenheim.

Karl und seine Mutter Landgräfin Marie erweiterten 1770 das Herrenhaus um zwei seitliche Anbauten und vergrößerten den Garten. Diese Anbauten kann man noch an der Mainfront erkennen, noch besser aber im Innenhof, wo noch zwei kleine Türme angedeutet sind. Von 1787 bis 1788 wurden zwei Seitenflügel direkt an das Schloß angebaut.

Von 1804 bis 1805 wurden die beiden erhöhten Ecktürme (Pavillons) an der Mainfront errichtet. Dazu der Uhrturm und ein drittes Stockwerks. Damit erhält das Schloß seine heutige Gestalt.  In Verbindung mit dem Uhrturm auf dem mittleren Hauptgebäude und der längs des Kranzgesims hinziehenden Attika verhelfen die Pavillons der im Ganzen schlichten dreigeschossigen Uferfassade zu einer gewissen architektonischen Wirkung.

Entsprechend der Herkunft der Landgräfin Maria erhielt der Rumpenheimer Sommersitz englische Gartenarchitekten. Im Jahre 1780 erhielt das Schlößchen zwei seitliche dreiachsige Anbauten und auf der Rückseite die für eine kleine Hofhaltung notwendigen Ökonomie- und Nebengebäude sowie eine Vergrößerung und Verfeinerung des Parks mit verschiedenen Lustbauten. Der Garten wurde im anglo - chinoisen Stil umgestaltet, vielleicht auch erweitert und mit verschiedenen Staffagen ausgestattet.

Nach den Tod der Landgräfin 1772 verkaufte Landgraf  Carl gegen Ende 1780 Rumpenheim an seinen jüngeren Bruder Friedrich, Begründer der nicht - regierenden Seitenlinie Hessen-Rumpenheim. Landgraf Friedrich baute das Schloß weiter aus. Er kaufte Bauernhöfe hinzu und umgab das Schloß mit einem großen Garten. Die 1756 erbaute Kirche kam dadurch in den Bereich des Schloßgartens.

Obwohl Friedrich bis 1794 als Gouverneur der Festung Maastricht in niederländischen Diensten stand, ließ er bereits im Januar 1781 Schloß und Garten zeichnerisch aufnehmen und eine Erweiterung planen. In kurzer Zeit wurden die beiden Seitenflügel angefügt und 1787 als Gelenk zwischen diesen und dem Mittelbau ein Pavillon eingepaßt und 1788 ein Uhrturm  aufgesetzt. Er ließ ein drittes Geschoß auf der Mainseite und das Mausoleum (in dem zeitweise ein Architekt wohnte) erbauen.

Gleichzeitig vergrößerte er den Garten beträchtlich nach Osten und Süden durch sukzessive Geländekäufe, wofür die ursprünglich dort befindlichen Hofreiten sowie das Pfarr- und Schulhaus des Dorfes Rumpenheim niedergelegt und weiter westlich neu errichtet werden mußten. Eine Gouache belegt das Aussehen des Schlosses um 1790, dessen Äußeres sich baulich später nur noch geringfügig mit der Aufstockung des mainseitigen Mansarddaches zu einen dritten Geschoß verändern sollte. 

Dagegen wurde der Garten immer wieder im Zeitgeschmack überformt. Nach dem Tod von Friedrich 1837 übernahmen es insbesondere seine beiden Söhne Georg und Friedrich, Rumpenheim weiter auszugestalten und die Gärten zu verschönern. Die Anlage einer Wasserleitung ermöglichte ab 1850 die Inbetriebnahme von Springbrunnen. Im Jahre 1857 konnte durch den Ankauf von 4 Hektar Gelände mainaufwärts die Gartenfläche nahezu verdoppelt werden.

Das Schloß wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Treffpunkt der Fürstlichkeiten aus aller Welt. Hier promenierten Kaiser Franz Joseph von Osterreich, die Könige von Sachsen, Bayern und Hannover anläßlich des Frankfurter Fürstentages 1863. Die Besucher kamen gerne, weil es in dem „Familienschloß“ auch familiär zuging. Die Verwandtschaft - die bis nach England und Dänemark reichte - kam gern nach Rumpenheim.

Der Abglanz der hessischen Landgrafen hat Rumpenheim einen „gewissen Wohlstand“ und viel Aufmerksamkeit verschafft. Etwa, wenn für die Hochzeit der Prinzessin Elisabeth mit dem Erbprinzen von Anhalt 1884 die Generalüberholung des ganzen Hauses anstand. Oder im gleichen Jahr zur Trauerfeier für Landgraf Friedrich Wilhelm. Im „Grünen Saal“ aufgebahrt unter der Ehrenwache seiner Offiziere, zwischen Kerzen, Ordenskissen, täglich mehr Blumen, schien das Defilee der Trauergäste nicht zu enden.

Großereignisse waren auch seit Landgraf Friedrich die „Familientage“ fürs Volk, begehrter Anlaß zur „Adelsschau“ und für die Geheimpolizei höchste Wachsamkeitsstufe. Von einem dieser Feste holten sich Griechen im Jahre 1863 gleich ihren neuen König nach Athen, Friedrichs Enkel Wilhelm von Schleswig - Holstein - Glücksburg. Letzter monarchischer Besucher war Kaiser Wilhelm II. zum Geburtstag seiner hessisch verheirateten Schwester Margarethe im  Jahre 1898.

Die landgräfliche Familie bewohnte Rumpenheim regelmäßig bis 1902. Preußen hatte kein Interesse an der südmainischen Exklave und trat Rumpenheim an Hessen-Darmstadt ab. Der Ort wurde 1942 nach Offenbach eingemeindet. Im Zweiten Weltkrieg erhielt der Mittelteil des Schlosses im Jahre 1943 Bombentreffer und brannte aus und ist seitdem eine Ruine. Ist auch sein Schloß seit fast 100 Jahren verwaist hat es die kulturelle Ausstrahlung auf den Ort nicht eingebüßt. Im Jahre 1965 gingen Schloß und Park von der Kurhessischen Hausstiftung in den Besitz der Stadt Offenbach über, ohne daß allerdings Klarheit über die künftige Nutzung dieser ehemals feudalen Residenz bestanden hätte.

Immer noch ist die Sorge um seine Zukunft groß, seitdem es die Stadt als Besitzer an Pläneschmieder in Erbpacht gab, die es weiter brachliegen lassen. Obschon Schloß, Park und Kirche seit 1921 unter Denkmalschutz standen, begann sich in einem 1973 durchgeführten Wettbewerb abzuzeichnen, daß an ihrer Stelle Wohnhochhäuser die künftige Mainsilhouette bestimmen sollten. Nur durch die Gründung einer Bürgerinitiative und deren engagierten Einsatz über Jahre ließ sich der drohende Abbruch verhindern.

Seit 1985 sind die Seitenflügel des Schlosses sowie der ehemalige Marstall (westlich und parallel zu dem westlichen Seitenflügel)  zu Wohnungen ausgebaut worden, wobei im Äußeren der Zustand der Zeit um 1805 wiederhergestellt ist. Es scheint, daß der Wiederaufbau des Corps de Logis bevorsteht. Im Jahre 2004 wurden die Eigentumswohnungen im Mittelbau samt Uhrturm fertig. Bleibt noch die vielleicht sensibelste Aufgabe zu lösen: die Rettung von Garten und Park.

Das Rumpenheimer Schloß wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise bis auf die Außenmauern zerstört und nicht wieder aufgebaut. Die umgebende Idylle ist geblieben: ankernde Boote, unter den schattigen Weiden geduldig auf den Biß wartende Angler, plaudernde Alte auf den Bänken vor den ehemaligen Kutscher‑ und Dienerhäuschen, fröhliche Runden im Gasthaus  „Schiffchen“ und spielende Kinder im verwilderten Park, den einst 32 Gärtner pflegten.

 

Das Gartenkunstwerk:

Die im 17. und 18. Jahrhundert an einen Sommersitz gestellten Ansprüche lassen vermuten, daß schon das 1680 in Rumpenheim  errichtete Landhaus einen Garten hatte. Die auf der Nordseite, zum Main hin gelegene Terrasse ließ sich dafür nutzen, ebenso wie der sich östlich anschließende Geländestreifen, der vom Schloß durch einen Graben getrennt und nur über eine Brücke zugänglich war. Solange allerdings genaue Unterlagen fehlen, ist man, was Größe und Aussehen dieses Gartens betrifft, auf Spekulationen angewiesen. Zweifellos war es eine formale Anlage nach französischem Vorbild, die sich vorzüglich auf flachem und nicht sehr ausgedehntem Gelände verwirklichen ließ.

Rumpenheim ist geradezu ein Lehrbeispiel dafür, wie ein Garten seit dem 18. Jahrhundert von seinen wechselnden Eigentümern verändert worden ist, aber dennoch immer darauf geachtet wurde, daß ältere Teile mit vielleicht wertvollem Gehölzbestand oder Erinnerungswert so integriert wurden, daß sie die insgesamt modernisierte Anlage bereicherten. Der älteste bis jetzt bekannte Plan, 1781 datiert, Bestandsaufnahme und Planung zugleich, zeigt Gartenanlagen, die entsprechend ihrer Bestimmung und Lage zum Schloß unterschiedlich gestaltet sind. Trotz der geradezu schon fast manisch zu nennenden Schnörkelung und Mäandrierung der Wege im größten Teil des Lustgartens im Stil des späten Rokoko, schimmert durch das gesucht unregelmäßige Wegenetz ein früherer formaler Garten hindurch, dessen Spuren sich an einigen Achsen und Plätzen noch festmachen lassen.

Der Plan von 1781 stellt noch den Zustand der Zeit der Landgräfin Marie dar, die schon durch ihre Herkunft mit frühen englischen Landschaftsgärten vertraut war und gleichzeitig Einflüsse anderer hessischer Gärten, so vor allem den Park von Wilhelmshöhe bei Kassel im Zustand der Veränderung durch ihren Gemahl, den Landgrafen Friedrich, als Inspiration für Rumpenheim benutzen konnte. Der noch erhaltene Monopteros  - eine typische  Staffage englischer Landschaftsgärten  - ging auf sie zurück, worauf das Kurhessich - großbritannische Allianz­wappen im Scheitel der Stuckkalotte hindeutet.

Ihrem Sohn Friedrich, der englische Landschaftsgärten aus eigener Anschauung kannte, gelang es, in seiner kleinen Residenz durch gezielte Geländearrondierungen  einen Garten zu schaffen, dem man zwar auf den Plänen  die Entstehung in verschiedenen Abschnitten durchaus noch ansieht, dessen einzelne Teile jedoch so geschickt miteinander verklammert waren, daß sie sich dem zeitgenössischen Spaziergänger als großzügige Anlage mit einer Vielzahl unterschiedlich geladener Stimmungsträger präsentierten. Die in Hirschfelds „Theorie der Gartenkunst“ im 5. Band (1785, pp. 323/4) vorgebrachte Kritik an Rumpenheim, daß dort nämlich noch einiges zur Verbesserung des Gartens getan werden könnte - namentlich müßten die „noch übrigen alten Hecken“ niedergerissen und die „Verteilung des großen Gebüsches in schönere Gruppen bewerkstelligt werden“ - gilt gewiß nicht mehr für die Anlage Friedrichs.

Noch in ganz barocker Attitüde hatte er die seine Planungen störenden Dorfbauten niederlegen und die Bewohner durch neue Gehöfte an anderer Stelle entschädigen lassen. Selbst der Kirchhof mit seinen sentimental - pittoresken Grabsteinen war in die Gesamtgestaltung mit einbezogen. Der Bau eines Familien  -  Mausoleums, bald nach 1800, in unmittelbarer Nähe der Kirche mit passender Trauerbepflanzung aus Eiben, ist denn auch gekonnte Umsetzung von garten - theoretischem Gedankengut der Zeit. Zahlreiche Anekdoten belegen Friedrichs Interesse an Hortikultur und Botanik

Nachdem sich die politisch Verantwortlichen bewußt geworden waren, welches bedeutende Gartenkunstwerk endgültig zu verschwinden drohte, war der erste Schritt in die richtige Richtung die Beauftragung eines Landschaftsarchitekten mit der Bestandsaufnahme des Garten- und Naturdenkmals Rumpenheim. Erst jetzt und durch intensive Archivforschung wurde das ganze Ausmaß des Schadens sichtbar: Die Gesamtkontur des Gartens war verwischt, seine Beziehungen zur ebenfalls als Kunst - Landschaft zu verstehenden Umgebung gestört, das für die Erlebniswirkung eines Landschaftsgartens unabdingbare differenzierte Wegenetz überwachsen und verschüttet, der Artenreichtum des Gehölzbestandes durch falsche oder unterlassene Pflege zurückgegangen, die Balance zwischen offenen, hellen Parkwiesenflächen und geschlossenem, dunklerem Waldhintergrund schon lange aus dem Gleichgewicht geraten und die meisten Staffagen entfernt, zerstört oder von Vegetation überwuchert.

Obwohl Übereinkunft insoweit erzielt werden konnte, daß oberstes Prinzip aller Bemühungen um Schloßgarten und -park das Bewahren des noch vorhandenen Bestandes sein muß und dessen neuerliches, schrittweises Einbinden in ein gestaltungs- und pflanzenartenreicheres Konzept (ein Plan um 1900 gibt hierzu verläßlich Auskunft), werden sich noch an manchen Detailfragen Konflikte entzünden. Ein heutiger, der Öffentlichkeit zugänglicher Park wird grundsätzlich ganz anders benutzt und beansprucht, als dies in einer nicht öffentlichen und nur einem exklusiven Besucherkreis vorbehaltenen Anlage der Fall ist.

Im Park gibt es einen Tanzpavillon oder Theaterpavillon. Wo noch ein Haufen Steine liegt (nordöstlich der Kirche) war früher ein künstlicher Felsen, auf dem ein Vogelhaus stand. Das Mausoleum wird heute als Veranstaltungsstätte genutzt. Die fürstlichen Gebeine hat man hinter der Kirche in einem Grab beigesetzt.

Da der Schloßpark eine von vielen Offenbacher Grünanlagen ist und vom städtischen Garten- und Friedhofsamt unterhalten wird, werden auch Vereinfachungen und Reduzierungen gegenüber dem Zustand um 1900 unumgänglich sein (In Rumpenheim waren in landgräflicher Zeit zwölf Gärtner tätig).

Erste Zeichen für eine Wende zum Besseren sind erkennbar: Im Innenhof des Schlosses ist das ovale Rasenbeet des frühen 19. Jahrhunderts wieder angelegt, die Bürgerinitiative Rumpenheim erhielt vom Landgrafen Brunneneinfassungen und die Monogrammvase zur Aufstellung im Park. An Plänen auf der Grundlage des dokumentierten historischen Bestandes wird gearbeitet.

Mit viel Eigenhilfe sind wenigstens die Schloßflügel und Nebenbauten als Wohnungen wieder­ erstanden und wohlgehegt. Vom Hessenbesitz blieb noch hinter der Kirche ein Fleckchen exterritorial, Grablege für 17 Landgrafen, Prinzen, Prinzessinnen. Daß deshalb der jetzige Hessenchef, Landgraf Moritz, sich manchmal mit Gärtnern für die Grabpflege blicken läßt, vermerken Rumpenheimer gern mit einem Anflug von Hochgefühl.

 

Kirche:           

Am 13. August 1756 legten die Rumpenheimer den Grundstein für ihre Evangelisch - Refor­mierte Rokoko - Kirche - aus eigener Kraft. Schon zu Luthers Zeiten, im Jahre 1526, hatten die Bewohner kirchliche Dinge selbst in die Hand genommen und gegen den Willen der Obrigkeit die Reformation eingeführt. Das alte Kirchengebäude war 230 Jahre später zu klein geworden. In der neuen Kirche von 1756 trafen sich durch die Jahrhunderte Bauersleute und Handwerker mit den Grafen aus dem Schloß und ihren königlich - kaiserlichen Gästen zu Predigt und Abendmahl.

 

Das Äußere:

Der Rundgang beginnt außen am Chor der Kirche, der im Süden an der Parkmauer zur Schloß­gartenstraße liegt. Dort ist die Grablege des Hauses Hessen - zu - Rumpenheim: Landgraf Friedrich erweiterte zwischen 1781 und 1811 das Schloß Rumpenheim. Bis 1964 standen die Särge im fürstlichen Mausoleum nördlich der Kirche.

Der Turm im Norden der Kirche gegenüber vom ehemaligen fürstlichen Mausoleum ist 32,10 Meter hoch. Die vier Glocken sind 1952 nach dem Krieg wieder eingeholt worden. Über der Eingangstüre im Turm ist das Wappen des Hauses Hanau angebracht. Darunter lautet die lateinische Inschrift:  „Unter der Regierung Wilhelms VIII., des Fürsten von Hessen und Hanau, des frommen Vaters des Vaterlandes, ist dieses Haus, welches der Pflege der reineren Religion geweiht ist, im Jahre 1756 erbaut worden.“

Die „reinere Religion“ bezeichnet die reformiert - calvinistische Linie der evangelischen Reformation gegenüber der lutherischen Konfession. Jean Calvin aus Genf vertrat eine sehr strenge Form des evangelischen Glaubens, bei dem kein Bilderschmuck zugelassen war. Ein am Wort orientierter Gottesdienst mit einer ausführlichen Predigt war typisch dafür. Heute gehört die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau einer Union von lutherischen und calvinistischen Gemeinden an.

Im Eingangsbereich der Turmhalle ist auf die Opfer der Weltkriege durch die Jahreszahlen 1914 - 1918 und 1939 -  1945 verwiesen. Über dem Zugang zum Kircheninnern steht die Jahreszahl der Grundsteinlegung 1756.

 

Das Kirchenschiff:

Im Innern der Kirche fällt die helle und freundliche Farbgebung auf. Im Jahre 1994 wurde die ursprüngliche blaue Farbgebung wieder hergestellt. Jüngere Ausmalungen und Schriftzüge aus dem 20. Jahrhundert wurden entfernt. In den sogenannten Pfarrständen im Chor saß der gewählte Kirchenvorstand. Früher gab es solche Verschläge für die unbeobachtete Teilnahme der Schloßbediensteten an beiden Wänden unter den Emporen. Unter der Orgelempore sind die Logen der Fürsten. Der Kronleuchter stammt aus….

Der Altar: Unter der Kanzel liegt die Bibel auf einem Altartisch aus Holz. Die im Kirchenraum ungewöhnliche Nähe von Altar und Kanzel, die für den evangelischen Kirchenbau typisch ist, führte in der Kunstgeschichte zum Begriff des „Kanzelaltars“.

Der silberne Kruzifixus ist eine Stiftung des Landgrafen Alexander von Hessen aus dem Jahre 1889. Dazu gehört das silberne Abendmahlsgeschirr mit Kelch, Weinkanne und Brotschale. Es wurde 1851 von Prinz Georg von Hessen gestiftet, wie auch das silberne Taufgeschirr: Zur Taufe wird eine Taufschale auf den Altar gestellt, dazu eine Wasserkanne.

Die Kanzel: Das Wort Gottes soll im Mittelpunkt der Versammlung der christlichen Gemeinde stehen. In der Schloßkirche wird das deutlich durch die gewaltige Kanzel, die alle Blicke auf sich zieht. Die Fensteröffnung hinter der Kanzel wurde noch in der Bauzeit zugemauert, als sich ein Stifter für den Schalldeckel gefunden hatte.

Das Innere der Schloßkirche ist ein typisches Beispiel für die Konzentration des Gottesdienstes auf die Predigt des Evangeliums im reformiert - calvinistischen Geiste der Reformation, in dem dieser Kirchenraum 1756 / 1761 eingerichtet wurde.

Der einzige Kirchenschmuck ist an der Kanzel zu finden: auf dem Schalldeckel sitzt ein goldener Vogel, der seinen langen Hals zur Brust neigt. Es soll einen Pelikan darstellen. Von diesem Vogel wird erzählt, daß er in der größten Not sich selbst mit dem Schnabel Verletzungen beibringt, um seine Jungen zu füttern - in der christlichen Kunst ein Symbol für das Selbstopfer Christi.

Unten an der kelchartigen Kanzel hängt eine geschnitzte Weinrebe: Sie verweist auf das Abendmahl in Brot und Wein, mit dem sich die Gemeinde Tod und Auferstehung Jesu vergegenwärtigt.

Die Paramente, die in den vier Gottesdienstfarben weiß, rot, violett und grün an Kanzel und Altar  als Antependien hängen, wurden in den neunziger Jahren von Herbert Aulich geschaffen.

Die Empore: Die erste Orgel wurde 1776 in die Schloßkirche gestellt, war aber nach etwa einem halben Jahrhundert unbespielbar geworden. Bei der Hochzeit mit der Enkelin des Landgrafen Friedrich von Hessen, Adelheid von Anhalt, stiftete 1851 der Herzog Adolph von Nassau - später Großherzog von Luxemburg  - der Rumpenheimer Kirche eine Orgel.

Erst im Rahmen der jüngsten Orgelüberholung hat sich die Herkunft der Orgel geklärt: Der Orgelbauer hieß Friedrich Voigt aus Igstadt in Nassau. Die Orgel hat eine bewegte Geschichte: 50 Jahre nach der Stiftung wurde ein Register der Frankfurter Paulskirche in die Orgel eingebaut, 1917 mußten die wertvollen Prospektpfeifen für die Rüstungsindustrie abgegeben werden. Es ist geplant, die Zinnpfeifen zu restaurieren. Im Jahre 1955 wurde die Orgel völlig umgestaltet, was nicht zu sehen ist, aber zu hören war: Aus einem dunklen Gesamtklang der Orgel wurden durch Umbau von zehn Registern ein heller, obertöniger Klang, der sich damals für die neu entdeckte barocke Orgelmusik eignete. Im Jahre 2003 wurde die Orgel nach gründlicher Erforschung ihres Innern in den vom Orgelbauer entworfenen ursprünglichen Klang zurückgeführt. Hinter der Orgel auf der Empore ist in der Decke eine Holzverschalung zu sehen. Die fünf Meter hohen Holzorgelpfeifen (Violonbaß 16`) ragten bis 1955 in den Dachstuhl hinein.

Zum Jubiläum „250 Jahre Schloßkirche” erschien ein Jubiläumswein. Der Kirchenvorstand hat die Reben im Rumpenheimer Weingarten selbst gelesen. Der örtliche Winzer hat den Rivaner im Holzfaß ausgebaut.  Einmal im Monat und zu hohen christlichen Feiertagen wird der Jubiläumswein zur Heiligen Mahlfeier im Gottesdienst der Gemeinde gereicht. Wer genau hinschaut, kann an der Kanzel der Schloßkirche eine geschnitzte Rebe entdecken. Urkundlich wurde ein Rumpenheimer Weingarten schon im Jahr 770 nach Christi Geburt erwähnt. Seit 1998 werden Müller - Thurgau - Reben aus Rumpenheim gekeltert und als Wein angeboten.

 

 

Weg von Rumpenheim nach Offenbach

 

Die Fähre:

Die Fähre, schon im Jahre 770 in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch erwähnt und in nachfolgenden Besitzwechseln des Kammergutes Rumpenheim stets als obligat dazugehörig gefordert, gleitet noch heute hinüber und herüber, lautlos, um Autos, Fahrräder, Camper, Schüler, Angler, Sportler und Ausflügler überzusetzen. Die Fähre wird von Udo Dill als Familienbetrieb betrieben. Im Jahre 2008 waren die Gutachter des Wasser- und Schiffahrtsamtes Aschaffenburg vor Ort und haben die Neuerungen an seiner Fähre begutachtet. Alles ist in Ordnung, ab sofort durfte er wieder bis 2,60 Meter Wasserhöhe übersetzen - zuvor waren nur 2,10 Meter erlaubt.

„Wir haben die Seile und die Befestigung der Oberstrommastanlage verstärkt“, erklärt Dill. Zudem sei das Gierseil, das die Fähre mit dem Hochseil verbindet, von zwölf auf 16 Millimeter verstärkt worden. Udo Dill ist glücklich über diese Freigabe, bis 2,60 Meter Wasserhöhe fahren zu dürfen. Aufgrund der vorherigen Einschränkung auf 2,10 Meter mußte er im Januar und Februar jeweils eine Woche den Fährbetrieb aussetzen, im März und April waren es ins­gesamt sogar acht Wochen. „Das war für uns absolut existenzbedrohend“, erklärt Dill.

Die Investition, um die Fähre für eine Wasserhöhe von 2,60 Meter zuzulassen, beläuft sich auf einen fünfstelligen Betrag. Dennoch ist Dill überzeugt, daß sich diese Investition gelohnt habe. Die nächste Prüfung steht erst wieder in sechs Jahren an. Die Stammkunden wird die Nachricht freuen, sie können wieder wie üblich einmal hin und einmal zurückfahren, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Für ein Auto ist ein Euro und 50 Cent für ein Rad zu zahlen.

Fußgänger 30 Cent.

Die Fähre, der Landgrafen „fliegende Brücke“, war immer wichtig für das Schloß, die ohne Gasthaus nicht denkbar ist. Das „Schiffchen“ steht hier seit dem 18. Jahrhundert, äußerlich sich treu geblieben, innen neuerdings fein geschniegelt, aber immer noch mit üppigen Portionen und den Offenbachern allein einen Spaziergang wert.

Unterhalb des Gasthauses geht es am Main entlang. Am Ende der Kleingärten geht es nach links und dann wieder rechts neben dem Damm entlang auf der Teerstraße bis zum Schult­heisweiher, zu dem man nach links einbiegt.

 

Mainbogen Rumpenheim:

Die Firma Schultheis begann 1928 mit dem Kiesabbau im Bürgel / Rumpenheimer Mainbogen. Durch die  Auskiesung entstanden mehrere Seen, die vom Grundwasser, gespeist wurden. In den sechziger Jahren war, als der Kiesabbau aufgegeben wurde, der Schultheis ‑ Weiher viel größer als heute. Damals begann man, den See zu verfüllen. Im Jahre 1975 verhinderte dann die Stadt Offenbach durch einen Bebauungsplan, daß weiterhin Erdmassen in den See gekippt werden konnten und rettete so den Schultheis ‑ Weiher. Die Lkw‑Ladungen, die nicht mehr in den See geschüttet werden durften, waren die Grundlage für die Hügel am Nordufer des Sees.

Der ehemalige Baggersee „Schultheisweiher“ wurde rekultiviert,  um im Naturschutzgebiet Freizeitaktivitäten zu erlauben. Die Natur und der Mensch ergreifen Besitz. Aufgelassene Kiesgruben sind kein Niemandsland: Auf Brachflächen setzt sofort Spontanvegetation ein. Seltene, extreme Standorte, wie Steilufer, Land - Wasser - Wechselzonen, Trockenbereiche, feuchte Mulden und Erdhügel, sind Lebensräume für spezielle Pflanzen und Tiere, die ‑ auf diese besonderen Lebensräume angewiesen ‑ in unserer Kulturlandschaft nur noch selten vorkommen oder gar vom Aussterben bedroht sind. Feuchte Mulden bieten Lebensraum für Kröten, Frösche und Molche. Diese wiederum sind eine wichtige Nahrungsquelle für verschiedene Vogelarten. Auf Kiesbänken brüten Flußregenpfeifer, in Trockenzonen tummeln sich Käfer und Insekten. Im Schultheisweiher konnten sich die Dreikantmuschel und die Große Teichmuschel besonders gut entwickeln. Von beiden ernähren sich verschiedene Wasservogelarten.

Aufgrund seiner geographischen Lage im Kreuzungspunkt zweier wichtiger Vogelzuglinien wurde der Schultheisweiher zu einem bedeutenden Rastplatz für nord - eurasische Wasserzugvögel, die hier ihre Nahrung finden und ‑ je nach Art und Witterung ‑ eine kurze Rast auf dem Weg nach Süden einlegen, oder auch den ganzen Winter über bleiben. Immer wiederkehrende Gäste sind vor allem Entenarten, wie Reiher‑, Tafel‑, Löffel‑, Schell‑, Moor‑ und Pfeifenten, Taucherarten wie Hauben‑, Zwerg‑, Rothals‑, Schwarz‑ und Prachttaucher sowie Kormorane und Fischadler. Zu den Tierarten, die in ihrem Bestand gefährdet sind, gehören der Fußuferläufer, der Steinschmätzer, das Braunkehlchen, die Beutelmeise, der Kiebitz, das Rebhuhn und der Fasan.

Schon in den dreißiger  Jahren, also noch während des Kiesabbaus, kamen die ersten Badegäste zum Schultheis‑Weiher. Später nahmen Angler die Ufer in Besitz. Tauchsportler trainierten im See. Segler und Windsurfer drängten sich auf dem Wasser. Auf dem Gelände wurde gezeltet, gelagert und Feuer angezündet. Es entwickelten sich chaotische Zustände. Die Erholungssuchenden kümmerten sich wenig um die Besonderheiten der Natur. Meist ohne es zu wissen, zertrampelten sie wertvolle Pflanzen und störten oder verdrängten selten gewordene Tiere. Sie hinterließen Abfall und Müll. Und mancher entsorgte hier sogar sein Auto oder seine Couchgarnitur.

Der Umlandverband Frankfurt und die Stadt Offenbach am Main haben sich deshalb ab 1981 der Gestaltung und Herrichtung des Bürgel/  Rumpenheimer Mainbogen angenommen und ihn unter Wahrung seiner Funktionen für Klima, Natur‑ und Landschaftsschutz sowie der landwirtschaftlichen Nutzung zu einem relativ naturbelassenen Gebiet für die ruhige Erholung entwickelt.

Vor allem ging es dabei um die Reparatur eines Landschaftsschadens, die Rekultivierung des Sees im Zentrum des Erholungsgebiets. Der Kiesabbau hatte rechteckige, sich an dem Zuschnitt der Grundstücke orientierende Wasserflächen hinterlassen, mit steilen Ufern und kahlen Böschungen. Diese wurden wieder harmonisch in die Landschaft eingegliedert. Dazu waren Geländemodellierungen und gezielte Initialpflanzungen erforderlich. Die Maßnahmen wurden in einem bundesweiten Ideen‑ und Realisierungswettbewerb entwickelt.

Die Bauarbeiten begannen im September 1983. Insgesamt wurden 125.000 Kubikmeter Erde bewegt, 180.000 Bäume und Sträucher sowie 11.000 Wasserpflanzen gepflanzt. Im Sommer 1984 war der Sandstrand schon soweit hergerichtet, daß hier wieder gebadet werden konnte. Im Jahre 1985 stand dann auch die Badeterrasse bereit. Man hatte die Kaimauer, auf der früher der Ladekran lief, dazu umgebaut. Die Arbeiten an der Ufer‑ und Geländemodellierung an der südlichen Seeseite dauerten noch bis Frühjahr 1986. Im Sommer 1987 konnte dann der Badebetrieb offiziell beginnen, nachdem Sanitäranlagen errichtet und Informations‑ und Hinweistafeln aufgestellt waren.

Im Norden wurde etwa die Hälfte des Gebietes als Bereich abgegrenzt, in dem sich die Natur ungestört entwickeln kann. Er ist an Land durch Zäune und im See durch eine Bojenkette von dem übrigen Gelände getrennt und darf von den Besuchern nicht betreten werden.

Durch seine Lage im Kernbereich des Ballungsraumes zwischen den Städten Frankfurt am Main und Offenbach am Main ist der Bürgel / Rumpenheimer Mainbogen mit seinem 115.000 Quadratmeter großen Badesee zu einem beliebten naturnahen Freizeitgebiet geworden. Das Baden ist nur vom 1. Mai bis zum 15. September gestattet. Surfen und Segeln konnten nicht erlaubt werden. Sandstrand und Liegewiese wurden so angelegt, daß die abgeflachten Ufer einen bequemen Zugang zum See gestatten und auch Kinder und Nichtschwimmer sich ins Wasser wagen können. Die alte Kaimauer der Kranbahn wurde zu einer attraktiven Badeterrasse umgebaut. Von hier aus hat man einen schönen Ausblick über die Landschaft und den See. Umkleidekabinen und Kiosk sucht man deshalb hier vergebens. Duschen und Toiletten sind aber selbstverständlich vorhanden.  Ein etwa zweieinhallb Kilometer langer Rundweg führt um den See, mal direkt am Seeufer entlang, dann durch Felder und Wiesen. Vom Hoch­wasserdamm hat man Einblick in das Naturschutzgebiet und eine schöne Aussicht über das weitläufige Mainvorland.

Fest angestellte Aufsichtskräfte und freiwillige Helfer von Vereinen und Verbänden helfen den Erholungssuchenden, diese „Spielregeln“ zu beachten. Zwar können Verstöße mit einem Bußgeld geahndet werden, doch ist dies in der Regel nicht erforderlich. Fast immer reichen Hinweise der Aufsicht aus.

 

Jüdischer Friedhof:

Auf dem jüdischen Friedhof in Bürgel wurden bereits im 17. Jahrhundert die Toten der jüdischen Gemeinden Bürgel, Offenbach und Mühlheim am Main beigesetzt. Der Friedhof wurde 1821 und 1842 erweitert und mit einer Mauer umgeben, die mit Hilfe einer Spende von Dr. Elsaß aus Kopenhagen, dessen Eltern aus Bürgel stammten, finanziert werden konnte. Der älteste Teil des Friedhofes wird der östliche Teil sein, in dem keine Grabsteine mehr erhalten sind. Von 1840 bis 1874 fanden etwa 130 Beerdigungen statt. Auch nach der Eingemeindung Bürgels nach Offenbach wurde der Friedhof weiterhin benutzt (mindestens bis 1938). Während des Zweiten Weltkrieges befand sich auf dem Friedhofsgelände eine Flakstellung. Möglicherweise wurden dadurch die älteren Gräber zerstört. Die Friedhofsfläche umfaßt 26,59 Ar.

 

Bürgel:

In der Bürgerstraße  (vom Main ausgehend östlich des Damms) befindet sich die Synagoge.  In Bürgel bestand bis 1938 / 1940 eine zeitweise große jüdische Gemeinde. Erstmals werden Ende des 16. Jahrhunderts Juden am Ort genannt: In Bonn und Friedberg wird ein Rabbi Moses von Bürgel (R. Mose ben Jisai oder Josef Bürgel) genannt. Er soll 1575 in Bürgel geboren sein und nach 20-jährigem Wirken in Friedberg am 5. Oktober 1643 gestorben ist. Im Jahre 1603 wird die Bürgeler jüdische Gemeinde in einer Liste der damals erhobenen „Türkensteuer“ erstmals erwähnt. 

Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Zahl der jüdischen Familien am Ort zu (Mitte des 17. Jahrhunderts 10 Familien). Mitte des 18. Jahrhunderts gab es etwa 25 jüdische Familien am Ort.  Um 1800 waren es etwa 40 jüdische Familien und 1905 gab es 149 jüdische Einwohner. Zur jüdischen Gemeinde in Bürgel gehörten auch die in Mühlheim und Dietesheim lebenden jüdischen Familien. Ab 1887 bildeten diese eine eigene Gemeinde mit Sitz in Mühlheim.

Im Jahre 1933 lebten noch etwa 60 jüdische Personen in Bürgel in etwa 15 Familien. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 haben weitere jüdische Personen den Ort verlassen. Im Jahr 1939 wurden noch 27 jüdische Einwohner gezählt. Im Jahre  1942 wurden drei jüdische Bewohner in das Ghetto Theresienstadt deportiert, neun weitere Personen in die Vernichtungslager nach Polen.

 An Einrichtungen bestanden eine Synagoge, eine jüdische Schule, ein rituelles Bad (1781 genannt) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorsänger und Schochet tätig war. Im Jahre 1837 wird als Lehrer in Bürgel Elias Birkenstein genannt (zuvor Lehrer in Battenberg und Battenfeld). In den Jahren vor 1895 war ein Lehrer Feuchtwanger am Ort. Letzter Lehrer der Gemeinde war von 1895 bis 1923 Abraham Weinberg. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Offenbach am Main. 

Zur Geschichte der Synagoge: Zunächst war ein Betraum vorhanden, der sich in einer Stube im „Falltor“ (einem Torturm) der Ortsbefestigung befand (am östlichen Ende der Bürgerstraße).  Im Jahre 1824 wurde eine Synagoge in der Bürgerstraße (frühere Borngasse) erbaut und eingeweiht. Im Jahre 1856 wurde das Gebäude renoviert. Auch nach der Eingemeindung Bürgels nach Offenbach fanden in der Bürgeler Synagoge Gottesdienste statt. Im Jahre 1924 konnte das 100-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert werden. Die Synagoge hatte zuletzt 66 Plätze für Männer und 38 für Frauen. 

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Das Gebäude wurde im Jahr 1939 zwangsweise verkauft. Den Kaufvertrag unterzeichneten der Kaufmann Leo Grünebaum und der Metzgermeister Salomon Reiß. Im Jahre 1943 wurde das Synagogen­gebäude durch eine Luftmine schwer beschädigt. Nach 1945 wurde das Gebäude zu einem privaten Wohn­haus umgebaut. 

Ursprünglich aus der Synagoge der Gemeinde stammt eine 1767 von dem damals in Bürgel lebenden jüdischen Ehepaar Leiser und Breinle Wimpfe der Gemeinde gestiftete Menora (sieben­armiger Leuchter). Sie ist aus Kupfer hergestellt und sehr kunstvoll gearbeitet. Im Jahre 1913 wurde sie von Dr. Siegfried Guggenheim (Offenbach, später Flushing, New York) erworben und in Amerika dem Jewish Museum in New York zur Verfügung gestellt. Dort erwarb sie David Ben Gurion, als er anläßlich seines Staatsbesuches in den USA ein geeignetes Geschenk für Präsident Truman suchte und ihm die Menorah am 8. Mai 1951 überreichte. Auch Präsident George W. Bush wurde bei einem Empfang zum Chanukka - Fest im Dezember 2008 die Menora aus Bürgel präsentiert und die erste Kerze wurde durch Professor Yariv Ben - Eliezer, einen Enkel von David Ben Gurion, entzündet. 

Unter den jüdischen Vereinen der Gemeinde ist neben den Wohltätigkeitsvereinen vor allem der jüdische Gesangverein „Concordia“ zu nennen. Er wurde 1866 zunächst als Synagogen­chor­verein gegründet, um „den Gottesdienst in der Synagoge zu heben“. Später nahm der Chor mit weltlichem Gesang auch an Sängerfesten teil (Fahnenweihe 1868).

Aus Bürgel stammte der Kantor Isaac Eberst (auch Juda Eberscht genannt; Vorfahren aus der Rhön oder aus Eberstadt). Er wurde 1779 hier geboren und heiratete ein Mädchen aus der Bürgeler jüdischen Familie Schlesinger. Ebersht nahm später den Namen „Offenbach“ an. Sein Sohn Jacques Offenbach wurde 1819 in Köln geboren und wurde ein berühmter Operetten­komponist. Dieser war der Vetter der damaligen Inhaber des Café Schlesinger (Ecke Schifferstraße / Mainstraße). Das Gebäude stand bis nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Spezialität des Cafés war das sogenannte „Judenplätzchen“, ein Gebäck mit Mohn in Untertassengröße. Letzter Inhaber war der Schwiegersohn Schlesingers mit Namen Reinwald.

 

Carl-von-Weinberg-Steg:

Nach Fechenheim führt der Carl-von-Weinberg Steg. Die jüdischen Brüder Carl und Arthur führten lange das Chemiewerk Cassella, Ernährer des halben Frankfurter Ostens. Ihren Reichtum setzten sie - wie viele ihrer Zeit - auch großzügig für Wohltaten ein. Das schützte den Mitbegründer der Frankfurter Universität, Arthur von Weinberg, nicht vor der Nazi - Verfolgung. Er erlag einer Krankheit in der Haft.

Arthur von Weinberg wurde geboren am 17. August 7860 in Frankfurt. Er studiert Chemie, Physik, Mathematik und Altphilologie in Straßburg und München und promoviert 1882. Ein Jahr später wird Arthur von Weinberg Teilhaber und technischer Leiter der Firma Cassella. Im Jahre 1908 läßt er die Villa Buchenrode in Niederrad errichten. Sie wird 1944 zerstört. Im Ersten Weltkrieg ist von Weinberg Reserveoffizier. Aufgrund seines sozialen Engagements wird er zahlreich geehrt: Im Jahre 1927 bekommt er die silberne Plakette der Stadt Frankfurt, 130 wird er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. 1932 bekommt er die Goethe‑Medaille des Reichspräsidenten.

Nach 1933 ist Arthur von Weinberg auf Druck der Nationalsozialisten gezwungen, seine Wirt­schaftsämter niederzulegen. Im Jahre 1938 muß er seine Villa an die Stadt verkaufen. Er verläßt Frankfurt und zieht zu seiner Tochter noch Oberbayern. Anfang Juni 1942 wird er dort verhaftet. Im Alter von 81 Jahren wird er in das Durchgangs-­ und Konzentrationslager There­sienstadt verschleppt. 1943 im März stirbt er dort an den Folgen einer Operation.

(Eine Rundtour findet sich unter Maintal, Wanderwege).

 

 

Mühlheim am Main

Die Wurzeln unserer Stadt reichen weit zurück. Bereits die Jäger der Altsteinzeit hinterließen Spuren ihrer Kultur in Dietesheim und Lämmerspiel. Gefunden wurden u.a. Abschlagstücke aus Chalzedon aus der Zeit um 50.000 vCh. Das 1985 eröffnete Stadtmuseum Mühlheim gehört dank seiner Konzeption, bei der das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz Pate stand, zu den modernsten Museen der Region. Auf rund 180 Quadratmeter Fläche zeigt es die Funde, die die 1966 von Günter Meyer gegründete vor- und frühgeschichtliche Arbeitsgruppe Mühlheim entdeckt und in ständigem Kontakt mit der Wissenschaft geborgen und restauriert hat. Die Funde umfassen einen Zeitraum von mehr als 50.000 Jahren - von der „Werkzeugfabrik“ der Neandertaler bis zum Römischen Imperium - mit Schwerpunkt Ältere und Jüngere Bronzezeit.

Die Radnadeln hielten einstmals das Gewand einer wohlhabenden Dame im Schulter- und Brustbereich zusammen. Die Herstellung dieses Bronzeschmucks, der am Stück gegossen wurde, setzt metallurgische Spezialkenntnisse und andere Berufszweige wie Metall-Bergbau, Metallhandel und Kohlenbrennerei voraus. Diese Schmuckstücke dürften zu ihrer Zeit so kostbar gewesen sein, daß sich nur wenige ein solches Stück leisten konnten.

 

Die Jüngere Bronzezeit oder Urnenfelderkultur

Der Name stammt von der Sitte dieser Menschen, ihre Toten zu verbrennen und die Asche in teilweise sehr großen Tongefäßen auf regelrechten Friedhöfen beizusetzen. Die Produktion so großer Stücke setzte umfangreiches Fachwissen voraus. Daraus läßt sich auf berufliche Spezialisierungen und fortgeschrittene Arbeitsteilung in dieser Kultur schließen.

Wichtige Versorgungs- und Handelswege führten durch Mühlheim. Zu Zeiten der römischen Besatzung war das die römische Heerstraße von Frankfurt - Heddern­heim nach Steinheim und Seligenstadt. Vermutet wird, daß die fruchtbare Mainaue auf beiden Seiten der Rodaumündung von den Römern bis in das dritte Jahrhundert systematisch landwirtschaftlich genutzt wurde. Im Mittelalter verlief eine der großen Kauffahrtstraßen von Augsburg und Nürnberg in die Messestadt Frankfurt über Mühlheim.

Doch erst die Mühlen machten die Stadt zu einer florierenden Ansiedlung. Am Höhepunkt dieser Entwicklung gab es zehn Mühlen an Rodau und Bieber. Die Brückenmühle - die einzige noch funktionierende Mühle der Stadt - liegt unmittelbar südlich der Rodaubrücke. Schon in den Kirchenbüchern des 18. Jahrhunderts heißt sie „molendinum supra pontem“ - die Mühle oberhalb der Brücke. Der mündlichen Überlieferung nach wurde sie um 1545 erbaut, doch erfolgte ihre früheste urkundliche Erwähnung erst 1576 als „des Schultheißen Mühl“. Mit „zwei Maltern drei Simmern Korn“ war die Brückenmühle abgabenpflichtig an die Kellerei Steinheim und damit dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz. Indirekt genannt wurde sie schon 1551 in einem speziellen Verzeichnis, das zur Eintreibung einer Sondersteuer aufgestellt wurde, um ein Reichsheer gegen die von Südosten vordringenden Türken finanzieren zu können.

 

Geschichte:

Der Ort wurde als „Meielsheim“ im  Jahre 793 erstmals erwähnt, Mühlheim 815, Dietesheim 1013 und Lämmerspiel 1290. In der Konkursmasse eines Adelsgeschlechts fanden sich die Dörfer um Mühlheim im Jahr 1425 wieder. Die schlechte Ertragslage kleinerer Grundherrschaften zwang auch die Herren von Eppstein, Teile ihrer Besitzungen, so auch das gesamte Amt Steinheim mit Mühlheim, Dietesheim, Lämmerspiel und Meielsheim, an den kapitalkräftigeren Kurfürsten von Mainz zu verkaufen.

Meielsheim, bisher ein kleines Dorf südlich von Mühlheim, wurde ebenfalls in diesen Jahrzehnten Opfer der allgemeinen Agrardepression. Es verschwand von der Landkarte und seine Bewohner zogen nach Mühlheim. Meielsheim war sozusagen Mühlheims erste Eingemeindung und dies schon im 15. Jahrhundert.

Elendszeiten besonderer Härte standen für Mühlheim am Übergang von agrarischer Wirtschafts­weise zur industriellen Fertigung. Mit dem Auftakt der Napoleonischen Kriege wurde Mühlheim aus seinem ländlich barocken Schlaf gerissen. Verschärfte „Großherzoglich Hessische“ Steuern, Gemeindeverschuldung,  Überbevölkerung, Arbeitslosigkeit, Kleinstgewerbe bestimmten das Bild in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neue und weiter verbreitete Formen der Armut werden zum Alltag, begrenzte Auswanderung ist die Folge. Mühlheims Lage zwischen den großen Städten ermöglichte es aber, daß diese Entwicklung schneller als andernorts  abgefangen  werden konnte.

Gründerzeitlich explodierten die Nachbarstädte Offenbach und Hanau nach 1870 / 1871: Als unmittelbare Folge entwickelte sich in Mühlheim die Baumaterialförderung als auffälligster Wirtschaftszweig. Basaltförderung,  Zementsteinfabrikation, Kiesabbau und Ziegelei waren die Branchen, die sich durch Nachfrage der großen Städte ergaben. Damit war Mühlheim in der Lage, eine eigene wirtschaftliche Dynamik zu entwickeln, die Arbeitskräfte am Ort binden konnte. Nachgeordnete Dienstleistungen wie die Lohnwäscherei für Frankfurter Kunden blieben Nebenerscheinungen.

Auf dem Weg zur Stadt befand sich das noch immer dörflich geprägte Mühlheim, als es zum Standort großer Industriebetriebe wurde. Im Jahre 1880 eröffneten die Farbwerke A. Leonhardt die industrielle Phase Mühlheims, als deren Folge die Stadt zur überregionalen Arbeitsstätte und einem Ort mit wachsender Arbeiterbevölkerung wurde. Neben der chemischen Industrie: Farbwerk, Gummi-Werk, Kunstlederfabrikation und Gerbereien wurde es auch zum Standort der Metallindustrie.

Ein barsches Verwaltungsschriftstück aus nationalsozialistischer Feder machte 1939 die hessische Landgemeinde Mühlheim, durch unfreiwilligen Zusammenschluß mit Dietesheim, zur Stadt im Rechtssinne, nachdem die ökonomischen Voraussetzungen zur Verleihung der Stadtrechte bereits lange vorausgegangen  waren.  Mühlheim blieb damit selbständig und wurde nicht wie Bürgel, Rumpenheim und Bieber zu einem Stadtteil von Offenbach.

Von der günstigen geographischen Lage profitieren die Stadt und ihre Einwohner nach wie vor in beeindruckender Weise. So konnten in Mühlheim auch Zeiten mit besonderen Härten am Übergang von der agrarischen Wirtschaftsweise zur industriellen Fertigung schneller als andernorts abgefangen werden. Geradezu explosionsartig entwickelte sich die Wirtschaft in den  Jahren nach 1870 nach dem Bau der Eisenbahn 1871. Diese dynamische Wirtschaftsentwicklung setzte sich in Mühlheim nach dem Zweiten Weltkrieg fort und hält bis heute an.

Nach der Wirtschaftswunderzeit, die dem Zweiten Weltkrieg folgte, wandelte sich die Wirtschaftsstruktur Mühlheims erneut. Die großen industriellen Arbeitgeber, die noch wesentlich den  wirtschaftlichen   Aufschwung getragen hatten, gaben ihren Industriestandort Mühlheim in den siebziger Jahren auf (Stahl-Schanz, Dienes, „Poron“, „Pelzbude“, Basalt- und Kieswerke, Lederfabriken). Stattdessen wuchs eine breite Palette mittelständischer Betriebe. Die Sogwirkung von Offenbach, Frankfurt und Hanau blieb ebenfalls bestimmend, so daß der Anteil der Mühlheimer Bürger, die dort arbeiteten, wuchs. Die Stadt wurde 1977 als Folge der Gebietsreform um die Gemeinde Lämmerspiel erweitert.

 

Mühlenwanderweg Mühlheim:

Unmittelbar neben dem Rathaus der Rodaustadt steht der Müllerborsch. Der steinerne Geselle weist auf  längst vergangene Zeiten hin: Auf den Ursprung der Gemeinde Mühlheim am Main.

Die Ursprünge der Stadt am Main symbolisiert bis beute die letzte noch intakte Mühle: die Brückenmühle, deren beeindruckendes Mühlrad sich noch immer dreht. Die renovierte Mühle an der Rodau ist die letzte von einstmals zehn Mühlen, die an Main und Rodau klapperten und denen Mühlheim seinen Namen verdankt.

Der Name Mühlheim ist wie alle Orte auf „heim“ fränkischen Ursprungs und bedeutet etwa Ort der Mühle“. Die Urzelle des Ortes war ein einzige Mühle, die wahrscheinlich lange bevor mit der Lindenmühle 1352 die erste Mühle urkundlich erwähnt worden ist, an der Stelle der späteren Dorfmühle im Zentrum des Ortskerns stand. Später standen in der Gemarkung Mühlheim an der Rodau und  dem Bieberbach bis zu neun Mühlen. Jedoch klapperten diese neun Mühlen nicht zur gleichen Zeit. Sie wurden bei Bedarf gebaut, liefen einige Müllergenerationen und verfielen wieder.

Dabei war es überhaupt nicht einfach, eine Mühle zu bauen, denn das war im Hoch- und Spätmittelalter juristisch an den Besitz von Land gebunden. Nur Grundherren, also der Adel und der Klerus kamen als Erbauer In Frage. Es muß allerdings dazugesagt werden, daß die Grundherren auch die einzigen waren, die damals das erforderliche Kapital zum Bau und zur Unterhaltung einer Mühle aufbringen konnten.

Die Mühlen wurden zunächst gegen einen Pachtzins, der anfangs in Naturalien, später zunehmend in Geld entrichtet werden mußte, auf Zeit verpachtet. Der Müller konnten die Mühlen weder vererben noch verkaufen. Für die Instandhaltung waren die Grundherren verantwortlich

Dieses Pachtverhältnis änderte sich Mitte des 16. Jahrhunderts, als die Grundherren dazu übergingen, die Mühlen in Erbpacht zu vergeben. Nun konnten  die Müller die Mühlen tauschen, vererben oder veräußern, sofern die Obereigentümer - die weiterhin den Grund und Boden besaßen  - ihr Einverständnis gaben. Diese neuen Rechte der Müller waren jedoch mit der Pflicht verbunden, die Mühlen selbst instand zu halten und auch die Kosten hierfür zu übernehmen. Offenbar war letzteres den Grundbesitzern, deren Rechte sich nun auf die Einnahme der jährlichen Pachtabgaben und eine Entscheidungsbefugnis bei eventuell auftretenden Streitigkeiten beschränkte, zu teuer geworden.

Die Pflicht zur selbständigen Instandhaltung  war mit zwei neuen Anforderungen an das Müllerhandwerk verbunden.  Zum einen wurde es sinnvoll und möglich, längere Zeiträume in die wirtschaftliche Kalkulation  (Abschreibung von Investitionen, Vererbungsmöglichkeiten) mit einzubeziehen. Der Wechsel zur Erbpacht am Übergang des Spätmittelalters zur Renaissance machte den Müller vom abhängigen Pächter zum selbständig kalkulierenden Unternehmer. Zudem ist zur Instandhaltung einer Mühle ein erhebliches Maß an technischem Verstand und handwerklichem Können erforderlich. Auf die Müller dieser Zeit zurückblickend schreibt ein englischer Ingenieur 1861: „Das ganze mechanische Wissen des Landes fand in den Müllern seinen Mittelpunkt!“'

Die Pachtabgaben der Mühlheimer Mühlen waren am Ende des 16. Jahrhunderts im Vergleich zu anderen Gemeinden, die keine geistlichen  Herren hatten, gering. Aus diesem Grund dürfte diese Zeit die wirtschaftliche Hochphase der Mühlheimer Müller gewesen sein. Die Zeit der Blüte wurde durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen, in dessen Verlauf die meisten Mühlen zerstört wurden und die meisten Müller abwanderten, vertrieben oder getötet wurden, so daß sich um 1650 nur noch eine ehemalige Müllerfamilie im Kirchenbuch findet. Die Grundbesitzer waren froh, daß Zugewanderte die zerstörten Mühlen wieder aufbauten und der Pachtzins wieder auflebte. Die wirtschaftlich besten Zeiten aber waren Ende des 17. Jahrhunderts endgültig vorbei.

Neben der zunehmenden Konkurrenz um 1720 kamen zu den sieben vorhandenen Mühlen zwei weitere hinzu. Es war vor allem die Auflösung der klassischen Dreifelderwirtschaft im 18. Jahr­hundert, die zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Müller beitrug. Die Mühlen verloren  den Anschluß an die technische Entwicklung ihrer Zeit. Um 1890 arbeiteten die meisten von ihnen noch genauso wie im Mittelalter.

Die schon seit Ausgang des 18. Jahrhunderts unter großem Kapitaleinsatz in den Städten errichteten Dampfmühlen mit Walzenmahlwerk waren den alten Wassermühlen mit scheibenförmigen Mühlsteinen hinsichtlich Leistung, Kapazität, Produktivität, Qualität des gemahlenen Mehls, Unabhängigkeit des Standortes und Unabhängigkeit von natürlichen Einflüssen (Hoch-, Niedrigwasser) schon weit überlegen.

Als Ende des 19. Jahrhunderts diese Mühlen durch die noch moderneren Mühlen mit Benzin- oder Elektromotoren abgelöst wurden, hatte auch die letzte Stunde der Mühlheimer Mühlen endgültig geschlagen. Zwischen 1890 und 1910 wurde eine nach der anderen stillgelegt. Nur die Brückenmühle erfuhr durch den Einbau eines Walzenmahlwerks und einer halbautomatischen Siebanlage 1910 eine technische Modernisierung, die sie den Ersten und Zweiten Weltkrieg überdauern ließ.

Von den Gebäuden der ehemals vorhandenen Mühlen, die im Folgenden kurz beschrieben

werden, sind heute nur noch die der vier unteren Rodaumühlen zu sehen.

 

Mainmühle:

Die Mainmühle war die jüngste aller Mühlen, und die erste, die wieder aufgegeben wurde. Im Jahre 1717 erbaut, war die Mainmühle schon 1810 nicht mehr Im Mühlenverzeichnis enthalten. Möglicherweise ist sie einem der zahlreichen Hochwasser im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Wahrscheinlich ist aber, daß sie wegen ihrer ungünstigen Lage (wegen des Hochwasserrückstaus aus dem Main konnte fast den ganzen Winter nicht gemahlen werden) um 1780 aufgegeben und an den Unterlauf der Bieber verlegt wurde.

 

Kretzermühle:

Einen ersten urkundlichen Hinweis auf die Mühle findet man 1497. Man vermutet, daß sie ursprünglich nicht als Mahlmühle erbaut wurde, da sie im gesamten 18. Jahrhunderts in den Seligenstädter Klosterrechnungen als Schleifmühle geführt wird. Von 1638 bis 1842 war die Mühle im Besitz der Familie Zahn. Bereits 1719 war neben dem gewöhnlichen Mahlgang zum Kornmahlen auch eine Vorrichtung zum Schälen von Hirse vorhanden. Im Jahre 1842 ging die Mühle an Ferdinand Kretzer, dessen Bruder Paul die Mühleinrichtung zur Erzeugung von Farben benutzte. Im Jahre 1843 kam noch ein Ofen zum Branntweinbrennen hinzu, der aber zwischen 1879 und 1896 wieder aufgegeben wurde. Bereits 1907 war die Mühle außer Betrieb. Es war kein Mühlrad mehr vorhanden und der damalige Besitzer hatte sich eine kleine Wäscherei eingebaut. Danach diente die Mühle nur noch zu Wohnzwecken.

 

Lindenmühle:

Die Lindenmühle wird 1352 als erste Mühle von Mühlheim urkundlich erwähnt. Ab 1490 sind zahlreiche Pächter und Besitzer - meist Erbengemeinschaften - urkundlich belegt. Die Lindenmühle war 1867 die beste der Mühlheimer Mühlen, an die auch ein Bäckereibetrieb angegliedert war. Sie war mit zwei Wasserrädern, zwei Kanälen und Schleusen sowie einem Mühlbett mit zwei Gängen, Kammrädern und Kasten ausgestattet.

Aufgrund der allgemeinen technischen Fortentwicklung verlor sie ab 1876 immer mehr an Wert. Um 1890 wurde der Mühlenbetrieb eingestellt. Im Jahre 1920 war die Mühle Bestandteil einer Schlosserei, in der die Wasserkraft zum Eisensägen benutzt wurde. Im Jahre 1924 wurde sie wegen des Baus des Rodaudammes stillgelegt. Die Obergeschosse blieben weiterhin als Wohnräume erhalten, die alten Wirtschaftsräume wurden staatliches Materiallager. Im Jahre 1951 kam die Mühle wieder in Privathand und diente seither zu Wohn- und Gewerbezwecken. Die Stadt Mühlheim wurde 1986 Eigentümer und vergab das Anwesen 1988 in Erbpacht.

 

Dorfmühle:

Der Zeitpunkt ihrer Erbauung ist unbekannt, doch läßt ihre Lage im Dorfzentrum vermuten, daß sie wesentlich älter ist als ihre erste urkundliche Nennung 1490. Durch die ständigen Kriegszerstörungen und die großen Menschenverluste durch die Pest wurde von 1632 bis 1638 kein Getreide geerntet und die einzelnen Mühlen standen in hartem Konkurrenzkampf.  Dagegen war die Dorfmühle 1755 wiederum die einzige Mühle mit zwei Mahlgängen, was auf wirtschaftliche Erholung und einen hohen Beschäftigungsgrad hinweist. Ab 1881 erfolgte eine allmähliche Vergrößerung des Wohntraktes auf Kosten der Mühleneinrichtung. Im Jahre 1894 wurde die Mühle stillgelegt, später erfolgte der Umbau zum Wohnhaus.

 

Brückenmühle:

Die Mühle wurde 1576 erstmals urkundlich erwähnt als „des Schultheißen Mühl“. Mit „zwei Maltern drei Simmern Korn“ war die Brückenmühle abgabenpflichtig an die Kellerei Steinheim und damit dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz. Indirekt genannt wurde sie schon 1551 in einem speziellen Verzeichnis, das zur Eintreibung einer Sondersteuer aufgestellt wurde, um ein Reichsheer gegen die von Südosten vordringenden Türken finanzieren zu können.

Von 1687 bis 1855 befand sich die Mühle in Besitz der Familie Faller. Nach zwischenzeitlich wechselnden Inhabern wurde sie 1871 von der Familie Krebs erworben, die sie technisch modernisierte. So wurde eine eigene Anlage zum Trennen von Kleie vom Mehl und kurze Zeit später eine Vorrichtung, die das Getreide zwischen Metall - Walzengängen zerkleinerte und so einen wesentlichen höheren Feinheitsgrad des Mehls ermöglichte, eingebaut. Durch Elevatoren, die Vorläufer der heutigen Fließbänder, wurde das geschrotete Getreide transportiert. Die Kapazität dieser Anlage war um ein Mehrfaches höher als die der alten Steinmahlgänge, so daß auch das nächtliche Aufstehen entfiel, um Getreide in den Trichter nachzuschütten. Die Mahleinrichtung ist noch in mahlfähigem Zustand enthalten. Außerdem gibt es noch einen Quetschstuhl für Hafer und einen Schrotgang für Futtergetreide, die auch heute noch genutzt werden. Die Brückenmühle steht unter Denkmalschutz.

 

Straßenmühle (Reutersmühle):

Der Erbauungszeitpunkt der Mühle und die damaligen Obereigentümer sind unbekannt. Vermutet wird eine Zugehörigkeit zum Stift St. Peter in Mainz. Auf einer kurmainzischen Landkarte von 1550 ist sie als einzige Mühle draußen auf dem freien Feld dargestellt. Wechselnde Besitzer und Leerstände ließen die Mühle verfallen, bis sie 1713 von Hans Völper (Felbert) von der Deutschherrnmühle in Frankfurt wieder aufgebaut wurde.

Im Jahre 1755 befand sich abermals alles in baufälligem Zustand. In den folgenden 50 Jahren wurde sie wieder aufgebaut und um eine Ölmühle ergänzt. Die Reutermühle war die am höchsten besteuerte Mühle dieser Zeit, bei der jedoch im ausgehenden 19. Jahrhundert ein deutlicher Wertverfall zu beobachten war. Um 1900 war sie schon mehr eine Gastwirtschaft als ein Gewerbeunternehmen. Hinter der stark verfallenen Mühle lag ein Gärtchen, in dem sich alltäglich Mühlheimer Prominenz und auswärtige Gäste bei Handkäse und Bier trafen. Im Jahre 1907 war die Mühle außer Betrieb. Von den alten Mühlenbauten hat sich keine Spur erhalten. Sie befanden sich an der Stelle, an der heute die Gebäude der Schreinerei Noll stehen.

 

Hildebrandsmühle (Weißkopfmühle):

Die Mühle wurde 1576 mit dem Namen „Holzmühle“ zum ersten Mal urkundlich erwähnt und war der kurmainzischen Kellerei in Steinheim tributpflichtig. Im Jahre 1755 wurde das Anwesen beim Mühlenprotokoll als baufällig und die wirtschaftliche Lage als sehr schlecht angegeben. Den späteren Besitzer Peter Hillebrand fand man Anfang 1810 ertrunken unter dem Rodau-Eis, sein Erbe Martin Hillebrand starb 1830 als „Müller auf der Weißkopfmühle an Verstopfung“.

Nicht zuletzt wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse wechselten häufig die Mühlenbesitzer. Zwischen 1868 und 1896 investierte die Familie Schmidt viel in den Mühlenbetrieb, dennoch war ein Wertverfall unvermeidbar. Im Jahre 1896 wurde die gesamte Anlage von der Firma Eppstein aus Frankfurt - Niederrad aufgekauft und bis 1909 als Gerberei genutzt. Von der ursprünglichen Mühle ist heute nichts mehr vorhanden, lediglich der Straßenname „An der Hildebrandsmühle“ in dem heutigen Wohngebiet erinnert noch an sie.

 

Rickertsmühle (an der Bieber):

Im Jahre 1709 erbauten Christoph Kraus und seine Frau Appolina, geborene Würth, die Mühle, die auch Teufelsmühle genannt wurde und führten sie zusammen mit dem ebenfalls protestantischen Müllerehepaar Andreas und Sophie Bach. Als Lutheraner waren sie zu jener Zeit Außenseiter der Gesellschaft. Nach dem Tod der Witwe Kraus 1728 scheint die Mühle längere Zeit weder bewohnt noch in Betrieb gewesen zu sein, denn im Steinheimer Mühlenprotokoll von 1755 ist sie nicht aufgeführt. Im Jahre 1780 wurde eine neue Mühle errichtet, die bis 1838 im Besitz der Familie Rickert blieb. Im Jahre 1852 soll sie als Knochenmühle gedient haben, vielleicht wurde auch Leim hergestellt. Zwischen 1853 und 1856 brannte die Mühle ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Im August 1974 fand man bei Baggerarbeiten auf der Sohle des alten Biebermühlgrabens den  oberen Mühlstein aus dem Mahlwerk der Rickertsmühle mit der eingehauenen Jahreszahl 1582. Der ehemalige Standort der Mühle ist heute Bestandteil der Wohnsiedlung Markwald.

 

Seipelsmühle (an der Bieber):

Am 23. August  1574 erwarb Paulus Burkhardt die „Holzbrücker Mühle an der Bieber“, die 1576 im Salbuch des Amtes Steinheim die „Neue Mühl“ genannt wurde. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Mühle stark zerstört und lag noch fast 20 Jahre nach Kriegsende brach. Im Jahre 1755 wurde die Mühle beim Mühlenprotokoll als baufällig und die wirtschaftliche Lage als schlecht festgehalten. Im Jahre 1880 hatte sie sich wieder zu einem beachtlichen Anwesen mit zwei Mahlgängen und zwei Wasserrädern entwickelt. Wegen des großen Gefälles war die Mühle auch die einzige in Mühlheim, die einen oberschlächtigen Antrieb besaß (das Wasser lief von  oben auf das Mühlrad).

Im Jahr 1884 übernahmen die Brüder Seelmann aus Offenbach die Mühle und ersetzten die alten Mühlräder durch eine Turbine. In den folgenden Jahren erfolgte ein zunehmender Umbau der alten Mühlenanlagen in Fabrikbetriebe verschiedener Sparten. Nachdem eine Hutfabrik, eine Schleiferei und eine Stockfabrik bestanden hatten, errichtete die Firma Mayer und Sohn aus Offenbach 1905 eine Gerberei. Wegen der mit dem Ersten Weltkrieg verbundenen Rezession wurde die Gerberei jedoch aufgegeben und das Gelände verpachtet, zuletzt an die Poronwerke, die 1968 abbrannten. Heute stehen Wohnhäuser an der Stelle, wo die Seipelsmühle stand.

 

Lämmerspieler Mühle (bei der Kirche):

Nach den vorhandenen Urkunden besaß Lämmerspiel nur eine einzige Mühle, die neben der Kirche lag. Soweit bekannt, war die Mühle immer im Besitz des Klosters Seligenstadt und in Erbpachten den jeweiligen Müller verliehen. Im Jahre 1490 erfolgte die früheste urkundliche Erwähnung in einem Rechnungsbuch der Seligenstädter Abtei. Die Mühle ist jedoch mit Si­cherheit älter. Beim Mühlenprotokoll von 1755 wurde sie als reine Mahlmühle mit nur einem einzigen Mahlgang angegeben. Im Jahre 1884 kaufte Nikolaus Karg die Mühle.  Er war ein protestantischer „Mühlenarzt“, also einer, der bei Bedarf Mühleneinrichtungen reparierte. Um die Rentabilität des Betriebes zu erhöhen, wurde 1887 ein Bäckereibetrieb angegliedert und um 1900 nahm die Witwe von Nikolaus Karg noch einen Handel mit „Landesprodukten und denaturiertem Viehsalz“ auf. Das Anwesen wurde 1914 an die katholische Kirche in Lämmerspiel verkauft. Nachdem es eine Zeitlang als Lagerraum gedient hatte, wurde das Gelände später teils für die Erweiterung des Kirchengebäudes, teils zur Errichtung von Bauten wie zum Beispiel des Jugendzentrums der katholischen Pfarrgemeinde verwendet.

 

 

Rundgang durch Mühlheim:

Nach Überquerung des Mains kommt man über die Fährenstraße in die Ludwigstraße. Nach rechts biegt man dann ab in die Heinestraße. Man kommt über den Ludwigsplatz in die Uh­landstraße. Vor der Rodau fährt man nach links, über die Friedensstraße und links an der Post vorbei unter Eisenbahn und Lämmerspieler Straße hindurch.

Hier ist man schon auf dem ,,Mühlenwanderweg“. Mühlen sind das überkommene Wahrzeichen der Stadt. Schon der Name spricht für sich. An Rodau‑ und Bieberbach standen früher bis zu zehn Mühlen, die unter ihren adligen und klerikalen Grundherren über Jahrhunderte klapperten. Die Einführung der Kartoffel aber brachte die Mühlen in Bedrängnis. Als dann noch die Dampfmühlen hinzukamen, hatte für die Mühlen an der Rodau zwischen 1890 und 1919 die letzte Stunde geschlagen. An die meisten Mühlen erinnern lediglich Gedenksteine auf ihrem einstigen Standort, einige sind in Teilen ihrer Bausubstanz noch in Wohngebäuden erhalten.

Der befestigte Weg nimmt seinen Verlauf durch den lichten Wiesengrund. Vor den Hochhäusern fährt man erst bis zum Müllerweg, dann nach rechts über die Rodau und am anderen Ufer wieder ein Stück zurück bis zur Einmündung der Bieber und dann nach links in das Wiesental der Bieber.

Auch hier standen verschiedene Mühlen: Die Seipelsmühle ist erstmals 1574 erwähnt und stand an der Stelle der Wohnblocks. Auch die Rickertsmühle etwas weiter oberhalb ist heute Teil der Siedlung Markwald. Sie wurde 1709 erstmals erwähnt und 1780 neu gebaut; ein später  gefundener Mühlstein trug die Jahreszahl 1582.

Der Weg entlang der Bieber trifft dann auf die Ulmenstraße. Dort fährt man ein Stück nach rechts und dann wieder nach links auf der anderen Seite der Bieber weiter. Allerdings nicht sehr weit, denn der Weg geradeaus verläuft sich im Wiesengelände. Man biegt nach rechts ab und fährt durch den Wald bis zum Bieberer Weg. Dort geht es links weiter bis zur Kastanienallee. Diese fährt man ein Stück nach links weiter und biegt dann gleich wieder nach links ab. Dieser Weg führt wieder zur Bieber.

Vorher macht man aber noch einen Abstecher nach rechts zur „Käsmühl“. Den Namen gab der Volkswitz, nachdem der Besitzer Adam Ball im Jahre 1763 zwei vorbeiziehenden Handwerksburschen einen Handkäs als Almosen gegeben hatte und die sich auf ihrem Weg nach Bieber allenthalben über die „Käsmühl“ lustig gemacht hatten. Das Mühlrad dreht sich schon lange nicht mehr in der Bieber. Aber die Ausflugsgaststätte ist wieder geöffnet.

Wieder zurück an der Bieber kreuzt man diese und fährt auf dem linken Weg weiter, auf der Häuser - Weg - Schneise. Am zweiten Weg (Wegweiser Mühlheim) geht es auf geteertem Weg nach links in die Neue Schneise und die Forsthausschneise. Am Ortsrand rechts liegt der See­rosenweiher, links das Ausflugslokal „Zum Forsthaus“, Forsthausstraße 67, ein  gutbürgerlichen Ausflugslokals. Es ist eine Familiengaststätte in dritter Generation, begonnen 1928 im tiefsten Markwald  neben dem Forsthaus. Wer verreiste damals schon? Man ging im Wald spazieren, trank sein Schöppche und vesperte in der Heckenwirtschaft. Man hat die Qual der Wahl aus einer reichhaltigen Speisekarte. Zusätzlich gibt es unter der Woche einen preiswerten Mittagstisch. Ein Schlachtessen wird am Donnerstag angeboten. Freitags werden Haxen gegrillt. Täglich sind selbstgebackene Kuchen und Torten zu haben. Öffnungszeiten: ab 11 Uhr, Dienstag Ruhetag.

Auf der Forsthausschneise geht es weiter bis zum Müllerweg (der Wegweiser Mühlenwanderweg zeigt nach links, aber diese Strecke kann man sich sparen, weil man auf dem Hinweg ja schon an der Bieber die Hinweisschilder auf die Mühlen gelesen hat). Man fährt wieder über die Rodau und biegt wieder auf den Weg östlich des Baches ein, den man schon auf dem Hinweg benutzt hat.

Kurz vor dem Kinderspielplatz erinnert ein Schild an die Hildebrands- oder Weißkopfmühle von 1576. Nach Unterquerung der Eisenbahnlinie fährt man nun nach links über die Rodau und rechts weiter zur Friedensstraße, wo links ein Denkmal steht, das die Arbeit der Müllerburschen würdigt.

Jenseits der Friedensstraße geht es westlich der Rodau am Bürgerpark entlang.  Rechts sieht man die bekannte Gaststätte „Alte Wagnerei“. Bald kommt man auch zur „Brückenmühle“, der einzigen Mühle im heutigen Ortszentrum, die Urzelle des Ortes. Schon im Jahre 815 wurde sie im Zusammenhang mit dem Kloster Seligenstadt erwähnt. Durch den Einbau eines Walzwerks konnte die Mühle überdauern. Antonie Krebs, letzte Müllerin der Stadt, hat das Mühlrad von Fachleuten aus dem Erzgebirge nachbauen lassen. Im Gebäude sind alle technischen Stufen der Müllerei erhalten, vom „altdeutschen Mahlgang“ bis zum elektrischen „Walzstuhl“. Bis in die sechziger Jahre blieb das (elektrisch) betriebene Mahlwerk intakt. Das Wasserrad mit frisch erneuerten Holzschaufeln. ist das einzige erhaltene im Kreis Offenbach. Seit 30 Jahren liegt auch diese Mühle brach. Sie ist aber die letzte noch funktionierende Mühle. Doch nur am „Mühlentag“ zu Pfingsten wird zu Schauzwecken Korn gemahlen, aber täglich (außer bei Frost) das Mühlrad in Bewegung gesetzt. An der Mühle geht es etwas nach rechts und dann wieder links durch die Bahnhofstraße. Ab der Dietesheimer Straße geht es nach links zum Museum an der Einmündung der Marktstraße.

 

Museum:

An der Einmündung der Marktstraße in die Dietesheimer Straße steht das Alte Rathaus am Markt. Es wurde 1786 als Gasthaus „Zum Goldenen Engel“ erstellt, aber  zu Schule und Rathaus umfunktioniert. Nach grundlegenden Umbauten wurde es zum Museum für kunst- und kulturgeschichtliche Ausgrabungsstücke aus dem Mühlheimer Raum, einem der wichtigsten spätpaläolithischen Fundstätten Mitteleuropas. Das Mühlenmuseum wurde allerdings nach kurzem Dasein eingemottet.

Seitdem ein Mainfischer 1909 unverhofft ein schwarzes Steinbeil an Land zog, war der Ehrgeiz kundiger Heimatforscher geweckt. Auf weitere mehr oder weniger zufällige Funde folgten mit Beginn der sechziger Jahre systematische Grabungen. Die schon in den zwanziger Jahren geborgenen Steinreste von Faustkeilzurichtungen werden auf etwa 40 000 vCh datiert. Diese Artefakte stehen im Mittelpunkt der auch didaktisch und pädagogisch sehr gut gestalteten vorgeschichtlichen Abteilung im Stadtmuseum. Funktion und Zuordnung von Faustkeilen, Schabern, Schlagwerkzeugen oder Speerspitzen werden ausführlich erläutert.

Große Bildtafeln veranschaulichen den Lebensstil der prähistorischen Kulturen, Pläne und Karten lokalisieren die Fundstellen, Tafeln ermöglichen die zeitliche Einordnung. An die große Auswahl von Werkzeugteilen aus der sogenannten Federmesserkultur reihen sich Funde aus der Jungsteinzeit, der Bronze- und Eisenzeit. Stein-, Baum-. Kisten-, Hocker- und Urnengräber werden in Illustrationen und durch ihre Grabbeigaben dargestellt – ausgezeichnet gelungen in einem gläsernen Schneewittchensarg.

Nicht zufällig rasteten die Jäger und Sammler im Mühlheimer Raum oder wurden, wie die sogenannten Bandkeramiker, ganz seßhaft. Hier fanden sie das begehrte Chalzedon­gestein, das sich gut bearbeiten läßt und messerscharf ist. Viele der steinzeitlichen Funde wurden um die höchste Erhebung der Gemarkung, den 130 Meter hohen Gailenberg, gemacht, der sich als Beobachtungsposten oder zum Fischfang eignete. Der Main war damals nicht nur ungleich breiter, sein Bett lag auch 30 Meter höher.

 

Kirche Sankt Markus:

In der Schenkungsurkunde Kaiser Ludwigs an seinen Verwalter und Biographen Einhard aus dem Jahre 815 wird noch nicht von einer Kirche in Mühlheim gesprochen. Die erste steinerne Kirche stammt wohl aus dem Jahre 1239, erwähnt wird sie 1356, von ihr steht noch der Turm. Die heutige Kirche wurde  1876 erbaut und durch einen modernen Bau erweitert. Sie hat zwei Nebenkapellen und noch einige alte Schnitzfiguren. Das Äußere wie das Innere der Kirche wurden mehrfach verändert, zuletzt 2001, um sie den Platzbedürfnissen der Gemeinde und liturgischen Verhältnissen anzupassen.

 

Abtshof:

Nur wenige Schritte von der St. Markuskirche entfernt stehen westlich in der Pfarrgasse Nr. 10 und 12 zwei sorgfältig renovierte Fachwerkhäuser, die zum ältesten Baubestand der Stadt gehören, heute Gasthaus „Alt Mühlheim“. Die beiden Gebäude gehörten der Benediktinerabtei Seligenstadt und bildeten den sogenannten Fron- oder Abtshof, mitunter auch Klosterhof genannt. Von diesem Hof aus kontrollierten die Hofschultheißen jahrhundertelang die Bewirtschaftung der klösterlichen Ländereien in Mühlheim und der näheren Umgebung. An dem kleinen Haus mit den vorgestellten Säulen an der Ostseite des Platzes ist eine Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus und an die frühere Synagoge in der Friedrichstraße (Verlängerung der Marktstraße nach Süden).

 

Mühlenwanderweg:

Man geht wieder rechts an der Kirche vorbei und links an der Rodau auf dem Mühlenwanderweg weiter. Dort stehen Hinweistafeln auf die Dorfmühle (1490), die Lindenmühle (1352)

(das Untergeschoß in Bruchstein, darüber Fachwerk, die einzige erhaltene Mühle neben der Brückenmühle), die Kretzermühle (die nur noch als Skizze vorhanden ist, aber sehr idyllisch gewesen sein muß) und am Ende des hohen Dammes die Mainmühle von 1717, die wahrscheinlich von Hochwassern weggespült wurde und 1780 an den Unterlauf der Bieber verlegt wurde. Über den Mainuferweg geht es wieder nach rechts zur Fähre.

Man kann diesen Rundgang auch erweitern: Am Anfang durch einen Besuch der Steinbrüche und am Ende durch einen Besuch Rumpenheims.

 

 

Dietesheim:

Der Ort  verfügte über kein Fließwasser, das eine Mühle hätte treiben können. Daher verlegten sich die Dietesheimer auf die Mainfischerei neben der allgemeinen dörflichen Feldwirtschaft. Die Mainfischerei war ein Spezialgewerbe, das seit dem Mittelalter als Zunft organisiert ist.

Die Dietesheimer, liebevoll auch „Basaltköpp“ genannt, haben ihre Eingemeindung vom 1. April 1939 nie richtig verwunden und sind nach wie vor stolz auf ihre Eigenständigkeit, die sich bis zum Jahr 1013 zurückverfolgen läßt. Damals wurde der Name Dietesheim zum ersten Mal urkundlich erwähnt, als Heinrich II. seinen Besitz in Dietesheim mit dem Kloster Lorsch tauschte. Die Pfarrkirche St. Sebastian ist in der Kirchstraße im Westen des Ortes (mit dem schlanken Turm). Älter ist die Kirche in der Untermainstraße mit der geschwungenen Haube. Eine dritte Kirche ist die  St. Wendelinus-Kapelle am Alten Friedhof. Sie wurde 1450 erstmals urkundlich erwähnt. Sie wurde immer wieder restauriert und zuletzt 1987 neu geweiht. Die Kapelle ist aus Basaltstein gebaut, ihr Vorbau ist aus Holz. Im Inneren befindet sich heute eine Statue des HI. Wendelinus. Der früher im Innern aufgestellte „Anna - Selbdritt - Altar“ steht heute in der Dietesheimer Pfarrkirche St. Sebastian.

 

Lämmerspiel:

Der Name Lämmerspiel erschien erstmals in der Schenkung eines Johannes und seiner Verwandten Antonia aus Meielsheim an das Kloster Patershausen aus dem Jahr des Herrn 1289  Dem Kloster wurde eine Meielsheimer „curia“ (ein Bauernhof) übertragen. Für die Lämmerspieler Geschichte interessant ist die Namensliste der Zeugen, denn darunter war Johannes „decanus de Lymmirsburo“ (Dekan von Lämmerspiel). Johannes war nicht nur Pfarrer von Lämmerspiel, er war eine bedeutende Persönlichkeit in der Region, denn im zehnten Jahrhundert übertrugen die Bischöfe den sogenannten Archidiakonen räumlich begrenzte Zuständigkeitsbereiche, um eine wirksamere Ausübung der kirchlichen Gerichtsbarkeit zu erreichen. Zwischen den Archidiakonaten und den Pfarreien hatte man im Bistum Mainz noch eine weitere Instanz geschaffen, die Archipresbyteriate oder Landkapitel. An der Spitze eines solchen Landkapitels stand der „decanus“ oder „archipresbyter“.  Als weitere Schreibweisen des Ortsnamens sind unter anderem überliefert Limmersbure, Lymmersbuhl, Limmerspüell. Um etwa 1750 wurde Lämmerspiel gebräuchlich. Die weitverbreitete Ableitung von spielenden Lämmern hat also mit dem Ortsnamen nichts zu tun.

 

Im Mühlheimer Naturschutzgebiet „Mayengewann von Lämmerspiel“ östlich von Lämmerspiel konnte durch die sukzessive Rodung einer standortfremden Hybridpappelgruppe und die Entfernung von Pappel - Jungwuchs die wertvolle, orchideenreiche Flachland - Mäh wiese in ihrer Entwicklung gefördert werden.

Die Gesamtfläche des Wiesen- und Waldgebiets in Größe von sieben Hektar genießt inzwischen als FFH-Gebiet europäischen Schutzstatus. Auch die umgebenden, lediglich unter allgemeinem Landschaftsschutz stehenden Wiesen im Osten von Lämmerspiel sind dank ihrer überwiegend extensiven Mäh- und Weidenutzung sehr artenreich.

Der artenreiche Eichen - Ulmenwald ist umgeben von extensiv genutzten Flachland-Mäh­wiesen, nämlich Feuchtwiesen, Magerrasen und Großseggenbeständen. Hier gibt es seltene Pflanzengesellschaften trockener bis frischer bzw. wechselfeuchter Standorte. Hier finden sich traubige Trespe, Fuchs-Segge, Breitblättriges Knabenkraut, Gewöhnliche Natternzunge, Kleines Knabenkraut und Pfirsichblättriges Veilchen.

Die Naturschutzbehörde konnte mit engagierten Naturschützern vor Ort in einer erstmals in dieser Form im Kreis Offenbach praktizierten Umsiedlungsaktion die Teilpopulation einer seltenen Orchideenart vor der Zerstörung durch Baggertätigkeit gerettet werden. Die betroffenen Knabenkräuter wuchsen just inmitten des neuen Baugebietes an der Stauffenbergstraße, das sich inzwischen in der Erschließungsphase befindet.

Dazu kommt eine reichhaltige Insektenfauna mit seltenen Schmetterlingsarten, vor allem Ameisenbläulinge (Dunkler Wiesenknopf - Ameisenbläuling, Heller Wiesenknopf - Ameisen­bläu­ling). Seltene Tiere sind Springfrosch, Grasfrosch und Taufrosch sowie Neuntöter (Brutnachweis),  Rotmilan und Grauspecht als Nahrungsgast.  Die Pflegepläne sehen eine extensive Wiesennutzung vor, auch bei derzeitigen Brachflächen. Eichenwald und Obstbäume sollen erhalten bleiben, standortfremde Pappeln, Fichten und Kiefern entfernt werden.

 

Steinbrüche Dietesheim:

Wenn man über die Dörnigheimer Schleuse kommt, fährt man erst ein Stück in Richtung Steinheim und dann im Rechtsbogen zur Bundesstraße. Dort ein Stück links und an der Fußgängerampel über die Straße in Richtung Erholungsgebiet. Die Straße führt unter der Bahn hindurch. Danach geht es nach links zum Erholungsgebiet. Am Vereinsheim Concordia geht es rechts zur ehemaligen Lederfabrik. Man fährt aber links weiter Richtung Grüner See. Hinter dem Anglerheim geht es rechts weiter auf den Rabenlohweg. Dieser führt westlich am Vogelsbergsee vorbei. Am Ende geht es links weiter. An einer Sitzgruppe kann man noch ein Stück weiter fahren und dann rechts auf die Ulrich - Schneise, auch wenn der Weg am Anfang nicht sehr gut ist. Man kann aber auch an der Sitzgruppe wieder zurückfahren, entweder auf dem breiten Weg oder immer nahe am Ufer entlang (dann muß man allerdings an einer Stelle über eine Treppe steil bergan steigen). Ziel ist auf jeden Fall die Brücke über den Canyon.  Hinter dieser Brücke

geht es links ab und man kommt wieder auf den Rabenlohweg, auf dem man nach rechts abbiegt, damit man wieder zum Anglerheim kommt. Wenn man diese Rundfahrt andersherum machen will, muß man aufpassen, daß man auf dem Rabenlohweg hinter der „artificial family“ links auf den Spatzenweg abbiegt.

Vor 40.000 Jahren wohnten hier bereits Menschen in einer Siedlung, die als eine der ältesten in Hessen gilt. Geologisch betrachtet liegt das Erholungsgebiet in der Hanau ‑Seligenstädter Senke. Es wird angenommen, daß die Basaltdecke des „Maintrapp“ vor 13,5 Millionen Jahren ‑ im Miozän ‑ entstanden ist. Hier, wo eine nordsüdlich verlaufende Verwerfung auf das sich senkende Hanauer Becken stieß, konnte Lava in zwei Schüben bis zur Erdoberfläche empor dringen. Da­zwischen liegt eine lehmige, fettige Trennschicht mit Kohle - Einlagerungen. Die beiden Lavaströme und die Trennschicht sind heute noch sehr gut zu erkennen: Die untere Basaltschicht setzt sich aus sechseckigen Säulen zusammen, während die obere aus Platten besteht. Darüber befindet sich eine Schicht aus verwittertem Basalt und Flußschotter des Mains.

Seit 1830  wurde hier Basalt abgebaut, Pflaster‑ und Schottersteine handgeschlagen über Generationen. Im Jahre 1865 ließ die Familie Krebs erstmals Basalt mit der Hand abbauen und mit Loren zum Main transportieren. Der Name des Frankfurter Sees zeigt, daß neben Privatfirmen auch die Stadt Frankfurt sich in Dietesheim bediente.

Der Basaltabbau hat die Landschaft nachhaltig verändert. Wo früher große, ruhige Wälder waren, entstanden Steinbrüche mit zum Teil gefährlich steil abfallenden Wanden. Die Wunden, die dabei im Erdreich entstanden, waren winzig im Vergleich den riesigen Löchern der maschi­nellen Ausbeutung von 20 Jahren. Um 1900 begann die industrielle Nutzung der Steinbrüche. Das Grundwasser leitete man mit Pumpen in den Main. Man ließ auch Schotter industriell anfertigen. Nachdem die Verwendung von Pflastersteinen aber immer mehr zurückging, wurde der Steinbruch 1982 stillgelegt. Die jahrelangen Detonationen hatten die Häuser der Anrainer gefährlich erschüttert und waren letztlich der Grund zum Aufgeben der Steinbrüche, obgleich die Basaltvorkommen nach vierstufigen Vulkanausbrüchen vor fünfzehn Millionen  Jahren unerschöpflich scheinen.

Bis 1982 konnten die Besucher auf der Sohle der Steinbrüche durch die abenteuerliche Landschaft mit ihren steil aufragenden, zerklüfteten Felswänden spazieren gehen. Nach der Beendigung des Basaltabbaus wurde das Grundwasser nicht mehr abgepumpt und es entstand eine große Wasserflache. Diese wildromantische Seenlandschaft zog mehr und mehr Badegäste an. Sie drängten sich an den wenigen flachen Uferzonen. Im Winter kamen Jugendliche zum Schlittschuhlaufen. Nachdem die Steinbrüche voll Wasser liefen, nahmen Angler die Ufer in Besitz. Dies gilt auch für die beiden Kiesseen im Norden des Erholungsgebietes, den Han­steinweiher und den Neuen See mit ihren dichten Schilfgürteln entlang der flachen Ufer. Kletterer, Badende, Reiter und Spaziergänger beschädigten die Uferbereiche mit den seltenen Pflanzen, vernichteten die Anpflanzungen und verdrängten die Tiere, die hier neue Lebensräume gefunden hatten. Nach einem Ausflugstag blieben Müll und Unrat zurück, für den sich niemand verantwortlich fühlte. Einigen diente das Gebiet gar als Müllkippe: Sie entledigten sich ihres Autos im See oder luden ausgediente Möbel und Bauschutt ab.

Um die Ansprüche der Erholungsuchenden im Rhein - Main ‑ Ballungsraum mit den Schutzinteressen dieses einzigartigen Biotops in Einklang zu bringen, war eine ausgewogene Gestaltung des Gebietes notwendig. Zusammen mit der Stadt Mühlheim hat der Umlandverband Frankfurt anschließend das Areal innerhalb von elf Jahren zu einem Erholungsgebiet ausgebaut. Die etwa 61 Hektar vom Basaltabbau in Anspruch genommene Fläche wurde mit insgesamt 120.000 neuen Bäumen, überwiegend Eichen und Buchen, aufgeforstet. Schon von Dietesheim her lockt eine Allee die Spaziergänger in das Erholungsgebiet; dazu wurden 98 Ahornbäume gepflanzt. Fast 7.000 vorwiegend stachelige Sträucher wie Schlehen, Wildrosen und Brombeeren sollen allzu neugierige Besucher davon abhalten, den sensiblen Naturbereichen zu nahe zu treten. Das gesamte das Gelände  mißt 150 Hektar, davon 25 Hektar Wasserfläche.

Es entstand ein attraktives Ausflugsziel. Neben einem Bereich am Eingang wurde auf einer Waldlichtung eine große Grillanlage mit Spielplatz und Toilettengebäude errichtet. Auch viele Mühlheimer Vereine feiern hier gerne ihre größeren Feste. Im Eingangsbereich befinden sich auch die Parkplätze, so daß das übrige Erholungsgebiet nicht durch Autos beeinträchtigt wird. Am Grünen See ist ein Gartenlokal. Auch die Gelände von Kleintier‑ und Hundezuchtvereinen befinden sich hier. Fünf Angelseen, die von den örtlichen Vereinen genutzt werden, schließen sich daran an. Wegen der schmalen Uferbereiche und der gefährlichen Steilwände kann das Baden und das Bootfahren nicht gestattet werden. Auch das Angeln ist nur an den kleineren Seen im Norden und im Westen des Gebietes möglich.

 

Felswände, teilweise zehn bis zwanzig Meter hoch, ragen aus dem klaren Wasser auf. Säulenbasalt, antiken Säulentrommeln gleich, rahmen den Vogelsberger See ein. Von seiner Krone und der Aussichtsplattform über dem Oberwaldsee erfaßt das Auge die Mainniederung ebenso wie Altkönig und Feldberg.

Im Zentrum des Erholungsgebietes liegen die beiden großen  Basaltseen. Vom Eingangsbereich im Nordwesten führt der rund 2,5 Kilometer lange Rundweg die Besucher um den Vogels­berger See. Mit dem Bau dieses Pfades, der sich an vielen Stellen an der Bruchkante entlang schlängelt und schöne Ausblicke auf die Seen gewahrt, wurden Schutzhütten und Rastplätze errichtet. Nur einmal führt die Strecke hinunter und verläuft auf einem Steg über eine Feuchtwechselzone, in der sich allerhand Kleingetier tummelt. Am Canyon, der den Vogelsberger See vom Oberwaldsee trennt, wurde der Rundweg mit einer rund 30 Meter langen Stahl  - Brücke geschlossen.

Im Osten liegt der Oberwaldsee, der seiner natürlichen Entwicklung überlassen bleibt. Er wurde wegen seiner für die Region einmaligen Flora und Fauna 1989 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Um die Tierwelt hier nicht zu stören, führen die Wege abseits des Sees durch den Wald. Nur an zwei Aussichtspunkten können interessierte Besucher die Besonderheit des Gebietes erleben, einmal einen von steilen Felswänden begrenzten, völlig geschlossen erscheinenden See und an der anderen Steile sich weit hinziehende enge Wasserläufe, die sich zu kleineren Seen erweitern.

Fünf neue Feuchtbiotope wurden angelegt. An den Ufern wurden vier Flachwasserbereiche geschaffen und als Röhrichtzonen mit Rohrkolben, Schilf und Schwertlilien bepflanzt. Zwei ökologisch eher bedeutungslose Wiesen wurden durch Abgraben in Feuchtwechselzonen umgewandelt. Über eine dieser Zonen führt der Rundweg, damit der Besucher von einem Steg aus die einmalige Fauna und Flora erleben kann.

 

Die Natur versucht mit Macht aufzuholen, seit die letzten Sprengungen 1981 verstummt sind.

Aufgelassene Steinbrüche stellen einen einmaligen Lebensraum für Pflanzen und Tiere dar. Sogar an den nackten und steilen Basaltwänden mit wenig Verwitterungskrume setzt die Spontanvegetation ein. Dies gilt auch für die angrenzenden Steilhänge mit Trockenbereichen. Auf den Land - Wasser - Wechselzonen konnten sich Pflanzengesellschaften entwickeln, wie das gefährdete Sumpfweidenröschen, die Sumpfsternmiere, der Roßkümmel und die weiße Seerose.

Flora und Fauna fühlten sich in den aufgelassenen Brüchen wohl. In den Klüften und Höhlen der Seilwände richteten sich Turmfalken und Fledermäuse häuslich ein. In überschwemmten Böden schlugen Sumpfweidenröschen, Sumpfsternmiere, der Roßkümmel sowie die weiße Seerose Wurzeln. Bunte Eisvögel flattern umher. Die flachen Uferbereiche sind Laichgebiete für Fische und Lebensraum für seltene Libellen und Wasservögel. In den feuchten Mulden im angrenzenden Wald fanden bedrohte Froscharten, Kröten öder Molche Unterschlupf. Von den Ufern sind vier sogenannte Flachwasserbereiche mit Röhricht, Rohrkolben, Schilf und Schwertlilien zu bewundern. Käfer und Insekten, wie  der selten gewordene Sandlaufkäfer und die Grabwespe, bevorzugen trockene Sandböden.

Nach dem Ausbau schlossen Umlandverband und Kommune ein Vertrag zur Unterhaltung des Refugium: Seither zahlen die Partner jeweils jährlich 30.000 Euro, um das Natur‑ und Landschaftsschutzgebiet, das Besucher aus der gesamten Region anzieht, in Schuß zu halten. Die Trägerschaft muß jetzt allerdings neu geregelt werden: Folge des Ballungsraumgesetzes, das den Planungsverband nur noch bis Ende 2002 als Mitbetreiber der überörtlichen Freizeiteinrichtung vorsieht. Als Geschäftsstelle des Rates der Region sei es deshalb die Pflicht des Planungsverbandes, Vorschläge für eine künftige Trägerschaft zu unterbreiten.

Mühlheims Verwaltungschef Müller wäre bereit, auch allein die Trägerschaft für das Dietesheimer Naherholungsgebiet zu übernehmen. Ein Zweckverband erfordert doch einen hohen Verwaltungsaufwand. Seine Kollegen Seib (Obertshausen) und Müller (Hanau) präferieren dagegen eher die Integration in den Regionalpark. „Die Steinbrüche sind in der ganzen Region bekannt, da sollten sie auch in den Park eingegliedert und darüber finanziert werden“, sagt Seib.

 

Radtour: Mühlheim - Offenbach - Fechenheim - Rumpenheim – Mühlenwanderweg.

siehe Seite „Maintal, Wanderwege“.

 

Von Steinheim nach Großauheim

Die Wanderung führt nach Steinheim, Klein ‑ Auheim und Großauheim, Orte, die bis 1802 zum Kurstaat Mainz gehörten und in denen der katholi­sche Einfluß bis heute deutlich spürbar ist. Dieses linksmainische Gebiet ist im Zuge der Gebietsreform im Jahr 1974 an Hanau gefallen.

Am Steinheimer  Bahnhof unterquert man die stark befahrene Bundesstraße B 45 am besten mit Hilfe des S- Bahn ‑ Zugangs und wendet sich ansch­ließend nach links. Dem Mainuferweg folgt man stromaufwärts. Man passiert zuerst Klein ‑ Steinheim, das jahrhundertelang selbständig war und erst 1942 mit Groß ‑ Steinheim zwangswei­se zur Stadt Steinheim vereinigt wurde. Der Blick fällt auf die katholische St.‑ Nikolaus ‑ Kirche, jahrhundertelang auch Pfarrkir­che für die Großauheimer.

Groß ‑ Steinheim wird von dem Schloßbau dominiert. Ansch­ließend kann man einen Blick auf das Maintor werfen, durch das schon Dürer gezogen sein soll. Unter der Linde vor dem Tor tagte das Zehntgericht. Durch den Abriß der Illert ‑ Fabrik hatte man einen freien Blick auf die Stein­heimer Befestigungsanlagen, aber inzwischen  wurden  dort vier  große  Wohnhäuser errichtet.

Groß ‑ Steinheim verdankt einen Teil seiner Bedeutung dem Basaltfelsen, der im Main eine Furt nach Hanau geschaffen hat. Der Basaltuntergrund zwang den Main, vor dem Hindernis noch einen Bogen zu schlagen, der zu eng war, um die großen „Euro­paschiffe“, die im Schub­verbund bis 180 Meter lang sein kön­nen, passieren zu lassen: Also wurde ein Durchstich vorgenom­men, die alte Schleife bildet heute ein Biotop.

 

Um einen Blick auf Klein ‑ Auheim werfen zu können, setzt man   ab der Autobahnbrücke die Wanderung auf dem oberhalb des Mains gelegenen Hochwasserdamm fort. Das Erstaunliche an Klein ‑ Auheim ist, daß es zu den wenigen kleinen Orten zählt, die in diesem Jahrhundert einen Arbeitsplatzüberschuß aufwei­sen konnten. Neben vielen Kleinbetrieben ‑ hauptsächlich Dia­mantschleifereien ‑ lag das an drei Großbetrieben, die sich im Ort angesiedelt hatten: die Hessischen Gummiwerke, bekannt als „Gummi ‑ Peter“, an den Bauerwerken, in denen jährlich über 4.000 Fahrräder produziert wurden, und an der Druckerei Illert, die in Klein ‑ Auheim hauptsächlich Etiketten herstellte. Von dem Damm aus erkennt man, daß diese industrielle Blütezeit lang zurückliegt.

Der Damm wurde im Jahr 1882 errichtet, er war es, der den industriellen Aufschwung des Ortes erst möglich gemacht hat. Denn vor dem Dammbau war Klein ‑ Auheim regelmäßig von schweren Hochwasserkatastrophen heimgesucht. Dafür konnte man in trockenen Sommern nach Hanau zu Fuß den Fluß durchwaten.

Fast gleichzeitig mit dem Damm wurde die Eisenbahn von Hanau in Richtung Odenwald gebaut. Prominentester Fahrgast war der Großherzog, der einmal im Jahr mit der Odenwaldbahn von Darmstadt kam und dann mit der Kutsche vom Klein ‑ Auhei­mer Bahnhof zur Jagd in die Fasanerie gebracht wurde.

 

 

Südlich von Steinheim

Von der Steinheimer Mainbrücke fährt man etwa 1,8 km in Richtung Mühlheim. Rechts geht die Straße „Zur Römerbrücke“ ab. Sie führt zu der Stelle am Main, wo die Römer am Ende des 1. Jahrhunderts eine Holzbrücke über den Main gebaut. Heute ist dort die Gaststätte „Nizza“. Etwa 800 Meter weiter gegenüber dem Schloß Philippsruhe gab es eine Furt durch den Main.

Man biegt aber nach links vor einer weißen Kalksandsteinmauer ein an dem Schild „Offenbacher Straße 102 – 124“ und parkt dort. Man unterquert die Bahnlinie Hanau ‑ Frankfurt und gelangt an das westliche Ende der Steinheimer Pfaffenbrunnenstraße.

Eine Pestkapelle befindet sich neben dem Haus Pfaffenbrunnenstraße 131. Davor eine Pietà von 1709 mit sehr einfacher, aber ausdrucksstarker Darstellung.

Dort geht es links von der Trafostation an der Schranke hinein in den Wald. Links ist ein Teich, der aber relativ trocken liegen kann. Nach dem schmalen Weg kommt man auf die schnurgerade und gut hergerichtete Forstmeister­schneise.

Wo diese nach rechts abbiegt, kommt links der Weg von Möbel - Erbe her dazu. Man biegt aber nach rechts ab bis zu dem Wegweiser, der zu den Steinbrüchen bei Dietesheim weist. Dort gibt es nur einen Weg nach halblinks (nicht zwei, wie auf der Karte dargestellt). An der nächsten Kreuzung geht es links wieder zu Möbel- Erbe, geradeaus zu der Kleingartenanlage und zum Sportplatz.

 

Galgen:

Zwei runde Steinsäulen stehen noch rechts und links des Weges, etwa fünf Meter hoch aus Bruchsteinbasalt aufgemauert mit einem Durchmesser von 76 Zentimetern und über vier Meter vonein­ander getrennt. Die Säulen sind grün überzogen und von den Baumstämmen kaum zu unterscheiden. Die beiden Säulen waren bei Hinrichtungen durch einen Holzbalken ver­bunden. Bänke laden zum Picknick ein (?).

Der Galgen steht auf der höch­sten Stelle einer langgezogenen Sand­düne. Das Gebiet war früher nicht bewaldet, denn zur Abschreckung sollten Galgen schon von weitem zu sehen sein. Nach einer alten Gemar­kungs­­kar­te stand der Galgen schon 1579. Steinheim war bereits unter den Herren von Eppstein Sitz eines Hochgerichts. Es tagte unter der Gerichtslinde am Maintor und sprach auch Todesurteile aus. Neben anderen schweren Strafen, wie Ertränken und Rädern, war die Hinrichtung mit dem Strange am Hochgericht üblich.

Eine genaue Nachricht haben wir von einer Hinrichtung aus dem Jahre 1734, weil dazu ein neuer Querbalken angebracht wer­den mußte. Zur Zeit der Frankfurter Herbstmesse im Jahre 1732 hatte der vorbestrafte Wegedieb Clo­mann mit einem anderen Dieb mit Namen Lorenz und einer Mittäterin Margarete Will von dem Reisewagen des Handelsmannes Mändel aus Mannheim am Affentor kurz vor Frankfurt einen Koffer, der hinten auf den Wagen gebunden war, abgeschnitten und Geld und Kleider geraubt. Clomann und Margarete Will waren gefaßt worden. Beide saßen seit zwei Jahren in Haft, der Dieb im Verlies des Steinheimer Bergfrieds und die Diebin im Zentgefängnis des Rathauses.

Endlich kam nach zwei Jahren von den weltlichen Räten der Kurmainzer Regierung der Befehl, daß Clomann mit dem Strang hingerichtet, und der Galgen mit einem neuen Querbalken versehen werden sollte. Mit einer feierlichen Zeremonie wurden die Vor­bereitungen für das Anbringen des Balkens getroffen. Acht Tage vor der Hinrichtung zogen die Stein­heimer Zünfte, die Schiffer und Fischer, die Bäcker, die Metzger, die Häfner, die Leineweber und die Schäfer nach dem eine halbe Stunde entfernten Galgen. An der Spitze gingen20 Mann Miliz mit dem Zentgrafen, dem Amtsschreiber und den Schöffen.

Als die Zünfte sich auf der Erhöhung hinter dem Galgen aufgestellt hatten, trat der Zentgraf vor und gab mit einem Beil den ersten Schlag auf den neuen eichenen Galgenbalken im Namen des Kurfürsten von Mainz, den zweiten Schlag im Namen des Domkapitels und den dritten im Namen der kurfürstlichen Gerichtsräte. Dann folgten die zwölf Schöffen des Amts und der Zent Steinheim und führten den Beilhieb im Namen des Oberamtmanns, im Namen des Amtskellers und sämtlicher Schöffen. Nach diesen schlugen die Meister sämtlicher Zünfte den Balken an. Diese feierliche Handlung wurde auch mit einem Hammer in derselben Reihen­folge an den beiden steinernen Säulen vollzogen. Darauf zogen die Zünfte zu einem Umtrunk nach dem Stadtwirtshaus, während eigens dazu bestimmte Handwerksleute zurückblieben und den Holzbalken auf den beiden Steinsäulen befestigten.

Am 19. September 1734 fand die feierliche Verurteilung in dem Rat­haus auf dem Marktplatz statt. Sämtliche Zünfte aus dem Amte waren zu der feierlichen Gerichtsverhandlung entboten worden. Im unteren Raum des Rathauses saßen der Amtsschreiber und die Schöffen: Johann Hamann, Daniel Bauer und Henne Wagner von Obersteinheim, Peter Vollert von Niedersteinheim, Peter Spahn von Dietesheim, Jörg Vetter von Mühlheim, Marzellin Kaiser von Bieber, Endres Roth von Lämmer­spiel, Kaspar Sattler von Rembrücken, Philipp Ricker von Weißkirchen, Peter Wenzel von Hainstadt und Niklas Bauer von Klein ‑ Auheim. Die Zünfte hatten sich mit Fahnen und Abzeichen ihres Gewerbes vor dem Rathaus aufgestellt. Vor dem schwarz verhängten Richtertisch, auf dem ein Kruzifix stand und ein Stab lag, stand der Angeklagte Clomann.

Der Zentgraf eröffnete das Gericht und fragte den ältesten Schöffen, ob es Zeit, Ort und Recht sei, das Gericht zu hegen. Als die Frage bejaht war, verlas der Amtsschreiber folgende senten­tia (Urteil): „In der Inquisitions ‑ Sachen (Klagesache) contra Johann Adam Clomann und Mar­garetha Willin wird auff die an Churfürstlich ‑ Maintzische weltliche Herrn Räthe von allhiesigem Ambt nach und nach erstatteten Berichte und beyge­schlossen gewesene proto­colle von dannen anhero ergangenen Befehl von Zent­graffen und Schöpffen des hieselbstigen Chur­fürstlichen Land‑ und Zentgerichts hiemit zu recht erkandt, daß erwehnter Adam Clomann, weillenn er nach langem hartnäckigenn Leugnen endlich eingestanden hat, wie er in Anno 1732 wehrender damaliger Frankfurter Herbst ‑ Meß ‑ Zeit mit beyhillff eines sicheren fremden Purschens Nahmens Lorenz von Gießen, ohnweit Sachsenhausen vor dem soge­nannten Affentor, einen Coffre von einer von Darmstadt nacher Frankfurt ge­kommenen Chaise abgeschnitten und das darinn gefundene Geld ad 1137 Gulden nebst anderen Effecten und Kleidungen mit der coninquisitorischen (mitange­klagten) Margaretha Willin und berührten Lorenz getheilet habe. Daß diesem also sey, sich bey der von den Kauffmann Nahmens Mändel von Mannheim wegenn des in dem Coffre befindlich gewesenen bahren Geldes und effecten Übergebenenn und in Gegenwart der Inquisiten beschwohrenenn Specification geäußert hat. Anhebens dieser Clomann ohnangesehenenn der zum zweytenmahl ex capite funti vorher empfangenen Correktion und verrichteter Schantzenarbeit sich annoch in drey unterschiedlichen Diebstahlen sich betretten lassen, folglich als ein incorrigibler und habitualer Dieb sich die Todes ‑ Straff zugezogen hat, ihn zu wohlverdienter Straff, andern aber zum abscheuli­chenn Exempel mit dem Strang vom Leben zum Tode zu bringen. Groß ‑ Steinheim, den 18. Septembris 1734. Der Zentgraf: von Reuß. Die Schöffen“.

Die Schöffen und der Zentgraf hatten sich schon vor der Verlesung des Urteils erhoben. Nun ergriff der Zentgraf den Stab, der vor dem Kruzifix zwischen zwei brennenden Kerzen lag, zerbrach ihn, warf ihn dem Angeklagten vor die Füße und löschte die Kerzen aus.

Darauf wurde die Angeklagte Margaretha Will von dem Prangerstein vor dem Rathaus von dem Schergen gelöst und zu dem Angeklagten Clomann gebracht, denn „sie sollte eine halbe Stunde am Pranger stehen, darauf mit dem coninquisitorischen Adam Clomann, um die Todesstraff an ihm vollziehen zu sehen, an das hohe Gericht (den Galgen) hinausgeführt werden, diesem nach dreymahl umb selbigen mit Ruthen gestrichenn, und nach dessen Vorgang gebrandmarket, endlich der hohen Ertzstifftlichen (Mainzischen) Lande für ewig verwiesenn werden“. Die Angeklagte mußte jetzt einen Eid, die Urfehde, ablegen, nach dem sie ihre Strafe für gerecht ansah und sich dafür nie an der Landesherrschaft, an den Behörden, an den Schöffen oder an einem anderen Untertanen rächen und nie mehr die Mainzischen Lande betreten werde.

Vor dem Rathaus stellten sich die Zünfte auf. Der Scharfrichter und seine Schergen nahmen den Verurteilten in Empfang. Die Landmiliz be­gleitete die Verbrecher, die an Handschellen von dem Scharfrichter und seinen Gesellen geführt wurden. Dann folgten Zentgraf und Schöffen. Der Zug bewegte sich durch die Langgasse, an der Kirche vorbei, von deren Chortürm­chen das Armesünderglöckchen ertönte, durch das Obertor und Pfortenfeld auf dem Dietesheimer Weg nach dem Richtplatz. Dort starrten die beiden runden Säulen in die Höhe mit dem Querbalken, von dem ein Strick zur Erde herabhing. Pater Battoni, der Pfarrer von Stein­heim, betete kniend die Sterbegebete. Der Zentgraf gab das Zeichen, ein Trommelwirbel ertönte und der Scharfrichter waltete seines Amtes.

Nachdem der Verurteilte hochgezogen war, wurde seine Mitschuldige Margaretha Will in den Kreis um den Galgen geführt, der Rücken ent­blößt und von einem Schergen unter Rutenschlägen dreimal um den Galgen geführt. Dann wurde sie mit einem erhitzten Stempeleisen, welches das Kurmainzer Rad trug, gebrandmarkt. Während den Körper des gehängten Weg­diebs die letzten Zuckungen durchbebten, wurde die Gebrandmarkte vom Henker nach Steinheim an den Main geführt, wo sie übergesetzt und drüben am roten Stein auf Hanauer Gebiet freigelassen. Der Gehängte wurde auf dem Schindanger begraben. Jedes Zunft­mitglied erhielt im Stadtwirtshaus auf Kosten des Amtes Steinheim ein halbes Maß Wein und für einen Kreuzer Brot.

Vom Galgen fährt man weiter bis zu einem Querweg. Auf diesem geht man ein Stück links und dann gleich wieder rechts. So kommt man wieder auf die schnurgerade Forstmeisterschneise. Sie führt direkt an die westliche Seite des Silbersee“

 

Silbersee:

Der See ist ein ehemaliger Steinbruch aus der Zeit, als in diesem Gebiet Basalt gebrochen und zu Pflasterstei­nen verarbeitet wurde. Der See reicht (anders als auf der Karte dargestellt) bis an den Weg heran. Der alte eiserne Förder­turm ist nicht mehr zu sehen. Aber im Wald links steht ein Steinturm, der wohl auch mit dem Steinbruch zusammenhängt. Über den Parkplatz kommt man zur Straße Steinheim - Lämmerspiel. Etwas rechts - links versetzt geht es auf der anderen Seite. Links sieht man am Ende der Wiese das Schild des Naturschutzgebietes.

 

Rauhensee:

Um das breitblättrige Knabenkraut zu schützen, hat die Stadt Hanau nach lan­gen Verhandlungen eine 2000 Quadrat­meter große Wiese zwischen Steinheim und Lämmerspiel erworben. Die intensi­ve landwirtschaftliche Nutzung hat die Zierpflanze äußert rar werden lassen, auch wenn sie auch sonst noch in der Umgebung zu finden ist. Denn die Orchidee ge­deiht nur auf Feuchtwiesen, die erst spät im Jahr gemäht und nicht mit Kunstdün­ger behandelt werden dürfen. Entspre­chend wird das Areal an einen extensiv wirtschaftenden Landwirt verpachtet und

 (Rauhensee und Amerikafeld, siehe: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 88 - 90).

Auf einem geteerten Weg geht es weiter zum Häuser Weg. Diesen erreicht man an der Anlage des Geflügelzuchtvereins Steinheim - Nord. Im spitzen Winkel geht es nach rechts auf dem Häuser Weg wieder in den Wald. Der Weg knickt etwas nach links ab und geht bis zum Fried­hof in Hausen. Dort biegt man im rechten Winkel nach links ab (nicht geradeaus).

Wo die lange Schneise kurz vor der Bundesstraße 45 endet und links der Radweg R 4 abbiegt geht es im spitzen Winkel nach rechts auf dem Alten Weiskircher Weg bis zur Gaststätte „Kreuzung“.

 

„Kreuzung“.

Um das Jahr 1900 herum übernahm die Familie Bayer das ehemalige Straßenwärterhäuschen, das damals direkt am Knotenpunkt der Straßen Seligenstadt ‑ Offen­bach und Hanau ‑ Dieburg lag. Die Zeiten, in denen es hier „Fernfahrerfrühstück“ gab, sind lang vorbei. Als die jetzt durch ein Brückenbauwerk abgelöste Tannenmühl ‑ Kreisellandschaft an der B 45 errichtet wurde, war es aus mit der zentralen Lage an der „Kreuzung“, später ging die direkte Zufahrt durch den Ausbau der B 448 verloren.

Über die Bundesstraße geht es zur Gaststätte „Tannenmühle“.  Die Traditionsgaststätte bietet ihren Gästen Hausmannskost zu günstigen Preisen. Stammgäste schwören auf die Hähn­chen, die frisch zubereitet werden, damit sie immer schön knu­sprig sind. Die Attraktion sind die vielen Tiere, die die Familie Germain hält. In zehn Volieren kann man Vögel und Sittiche beobachten, Gänse und Enten wuseln mit ihren gelbflauschi­gen Jungen frei im Biergarten herum.

Im spitzen Winkel fährt man zurück zur Bundesstraße und an dieser entlang unter dem ersten Kreisel hindurch und ein Stück neben der Landstraße nach Hainstadt her. Wo der Radweg endet, geht es nach rechts und dann wieder nach links auf die „Frankfurter Schneise“. Diese heißt im östlichenTeil „Leintrittschneise“. Wo diese endet, geht es links weiter und dann wieder rechts.

Man quert eine Wiese mit zwei Bachläufen, ein Naturschutzgebiet. Der Weg biegt nach links. Zwei Informationstafeln am Weg erläutern den Verlauf der früheren Mainarme. Man fährt dann rechts und kommt auf den Triebweg. Auf diesem fährt man weiter bis zu einer Wegspinne. Geradeaus geht es zur Gaststätte „Tannenhof“ (wie bei jedem Wallfahrtsort ist die Gaststätte nicht weit).

 

Liebfrauenheide:

Zur Liebfrauenheide geht es halbrechts ab zur Wallfahrtskirche mit dem Brunnen. Obwohl seit 1802 „weltliche“ Herren das Sagen haben, ist der katholische Einfluß in dem ehemals main­zi­schen Gebiet um Klein ‑ Krotzenburg unverkennbar. Ausdruck dieser religiösen Verwurzelung ist bis heute die Liebfrauenheide. Die kleine Wallfahrtskapelle, mitten im Klein  ‑  Krotzenburger Wald, war und ist an Wallfahrtstagen Ziel zahlreicher Pilger: Dreifaltigkeitssonntag nach Pfing­sten, Sonntag nach Mariä Heimsuchung (2. Juli) und Sonntag nach dem „Tag der Sieben Schmerzen Marias“ (15.September).

Die Kapelle steht inmitten eines Waldes an der Stelle, an der nach dem Dreißigjährigen Krieg ein Schäfer ein Marienbild in der Höhle eines Eichbaumes gefunden haben soll.  Ein aus Holz geschnitztes, farbig gefasstes Gnadenbild aus der Zeit um 1620 ist das Ziel der Wallfahrer, die zur Liebfrauenheide pilgern. Das Original wird in der Pfarrkirche zu Klein ‑ Krotzenburg aufbewahrt und an den Wallfahrtstagen zur Kapelle gebracht. Mitte des 17. Jahrhunderts begann die Verehrung und die Wallfahrt zur „Schmerzhaften Mutter Gottes“.  Die erste Kapelle wurde 1736 erbaut.

Im Jahre 1753 war es der Stadt Dieburg zuviel. Waren früher an Mariä Geburt über 10.000 Wallfahrer zum Muttergottesheiligtum nach Dieburg gekommen, so haben nach dem Aufkommen der Liebfrauenwallfahrt bei Klein ‑ Krotzenburg die Besucher­zahlen so stark abgenommen, daß sich 1753 nur 4.000 in Die­burg einfanden. Die Dieburger schrieben in ihrem Protestschreiben an den Mainzer Bischof, die Wunder von Klein - Krotzenburg seien noch nicht einmal von einer richtigen Kom­mission untersucht worden. Lediglich die „angenehme Laag“ der Kapelle sei es, die besonders die jungen Leute von Dieburg abzöge.

Die Dieburger hatten Erfolg: Der Erzbischof verbot 1755 die Wallfahrten zur Liebfrauen­heide. Als Bischof Ketteler 100 Jahre später versuchte, die Wallfahrt neu zu beleben, stieß er bei dem Klein - Krotzenburger Pfarrer Klein auf heftigen Wider­stand: „Es gibt jetzt schon ledige Personen, die in den Wald gehen, nicht aus Verehrung der heiligen Gottesmutter, son­dern um im Wald zusammen zu kommen“, antwortete Klein ablehnhend auf die bischöfliche Anregung.

Erst sein Nachfolger setzt sich für den Bau einer neuen Kapel­le ein. Diese wurde 1868 durch den Mainzer Bischof von Ketteler eingeweiht. Dieser predigte 1869 vor über 10.000 Arbei­tern über das Verhältnis von Arbeitswelt und Religion. Ketteler vertrat dabei Positionen des Arbei­ter­stands: Erhöhung des Arbeitslohns nach dem „wahren Wert der Arbeit“, Verkürzung der Arbeitszeit, Verbot der Kinderarbeit und der Fabrikarbeit für schulentlassene Mädchen. Ein Teil seiner Forderungen wurde später Grundlage der Sozialge­setzgebung.

 

Für den Rückweg fährt man den gleichen Weg zurück, fährt aber geradeaus in Richtung Hainstadt. Wo der Weg endet geht es aber auf einem schmalen Durchlaß nach rechts in die Danziger Straße. Auf dieser fährt man links weiter, auch wenn nur noch ein schmaler Weg zwischen den Wohnblöcken bleibt. Schließlich geht es noch einmal rechts und man kommt auf die Königsberger Straße, auf der man nach links zur Landstraße nach Offenbach kommt. Auf dieser fährt man ein Stück nach links und biegt beim Bauhof Kohl nach rechts in die Straße  „Am Brünnchen“. Der Weg führt nach rechts in den Wald. Man fährt etwas halblinks immer geradeaus bis zum Naturschutzgebiet „Am Woog von Hainstadt“. Dort geht es rechts - links versetzt weiter an dem Schild „Fasanerie, Haupttor“.

 

„Alte Fasanerie“:

Der Name „Alte Fasanerie“ des Wildparks Klein - Auheim stammt aus dem 17. Jahrhundert.

Die Jagdleidenschaft des Mittelalters und der neueren Zeit hatte auch die geistlichen Fürsten er­griffen. Die Mainzer Kur­fürsten, die jährlich für ein bis zwei Monate im Schloß Steinheim ihren Sommer­sitz hatten, hatten in der Nähe des alten Schönfelds, der Märkerdingstätte der Klein ‑ Auheimer Mark und der Wildhufe des Dreieicher Wildbannes, ein Jagdhaus errichten lassen, die „Fasanerie“.

Die Untere Fasanerie war die alte Fasanerie. Sie umfaßte 15 Hektar Wald und 22 Hektar Wiesen und Äcker. Zur Zeit des Kurfürsten Franz Lothar von Schönborn (1695 ‑ 1729) war der Palisadenzaun der Fasanerie zum größten Teil verfallen, so daß die Fasanen nicht mehr gehegt werden konnten und von Füchsen und anderem schädlichem Wild ge­fressen wurden. Es wurde deshalb im Jahre 1705 der Befehl zur Neueinfriedigung gegeben.

Er ließ deshalb im Jahre 1705 eine Fasanerie auf rund 40 Hektar Wiesengelände anlegen. Im Amorbacher Wald wurde das Holz ge­schlagen, nach Miltenberg gefahren und von dort nach Steinheim geflößt. Rund 600 eichene Stämme waren abzufahren. Über 1.200 Fuhren wurden zur Neueinfriedigung und zum Haus­bau benötigt. Später wurde die untere Fasanerie umgeben von einer älteren, weitgehend zerfallenen Mauer. Ihr oberer Teil wurde als „Steinbruch“ für die neue Mauer verwendet.

Die untere Fasanerie (seit 1981 unter Naturschutz) litt aber sehr unter dem stets wiederkehrenden Hochwasser. Deshalb ließ der zu diesem Zeitpunkt residierende Erzbischof Johann Karl Friedrich von Ostein 1746 die „Obere Fasanerie“ erschließen. Sein Wappen kann man in Rokokoform noch in der oberen Fasanerie an der West- ­und Ostmauer sehen. Im Zuge der Errichtung der unteren Fasanerie wurde auch das ansehnliche, heute noch stehende Jagdhaus errichtet. Über der Osttüre ist das Wappen von Lothar Franz von Schönborn angebracht. Die vom eigens angestellten Fasanenmeister gut genährten Vögel konnte er von da an bequem erlegen, bevor er 1729 starb. Im 19. und 20. Jahrhundert war hier die Forstdienststelle und die Wohnung des Försters.

Das rund 107 Hektar (andere Angabe 122 Hektar) große Gelände wurde um 1750 mit einer rund 3,8 Kilometer langen Basaltsteinmauer eingegrenzt. Der Kurfürst ließ fünftausend Fuhren Basaltsteine anfahren und in Frondiensten die  Mauer errichten. Die Untertanen des Amtes Steinheim und der Zent Bachgau (Groß ‑ Ostheim ‑  Obernburg) mußten dazu Hand‑ und Spanndienste leisten. Als Ausgleich hatten die Steinheimer Amtsuntertanen im Jahre 1778 bei der Anlegung des „Schönen Busches“ bei Aschaffenburg Frondienst zu leisten.

Am Haupteingang war bis nach 1880 ein Chronostichon (eine Zeitinschrift in Versen) vorhanden. Die Inschrift besagte, daß im Jahre 1752 die Fasanerie unter dem Oberjägermeister von Schleifras neue Anpflanzungen erhielt. Ein Wappen trägt folgende Unterschrift: „lohannes frIDerlCVS CaroLVs prlnCeps eLeCtor In hoCXVIrlDarlo WoLVpe IVbet VtILI Ivngere“. Aus den großen Buchstaben ergibt sich auch die Jahreszahl 1752.

Die ursprünglich fast ohne Mör­tel errichtete Mauer ist in einem ganz unterschiedlichen Erhal­tungszustand. Anfänglich sind die defekten Stellen recht primitiv mit Zement zugeschmiert. Dann sieht man an der Westseite die Mauer teil­weise in ihrem ursprünglichen Zustand und kann die recht fein geschichteten Steine bewundern. Auf der Ostseite hat der Zahn der Zeit viele Breschen in das Mauerwerk geschlagen, die nicht renoviert sind. Diese offenen Stellen geben einen guten Einblick in die Bauweise. Die Außenseite wurde mit relativ klei­nen, regelmäßigen Steinen gemauert ‑ der Zwischenraum zwischen den Außenschalen mit recht groben Steinen gefüllt. Sie steht heute unter Denkmalschutz und bil­det die Einfriedung des Wildparkes.

Nachdem 1803 die Fasanerie durch den Reichsdeputationshauptschluß an den Landgrafen von Hessen - Darmstadt, Großherzog Ludwig I., fiel, wurde sie bis Ende des Ersten Weltkrieges als Hofjagdrevier für Dam-, Reh- und Schwarzwild genutzt. Über den damaligen Volksstaat Hessen gelangte die Fasanerie nach 1945 im Wege der Rechtsnachfolge in das Eigentum des Lan­des Hessen und ist nun der hessischen Landesforstverwaltung unterstellt.

Die günstige Lage im Ballungsgebiet Frankfurt - Offenbach-Hanau führte dazu, daß das Gelände mit kommunaler Unterstützung zu einem Wildpark umgestaltet und im Jahr 1967 der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Im Jahre 1967 wurde der völlig heruntergekommene Wildpark von einem Förderverein über­nommen, der dem Park zu großer Beliebtheit bei der Bevölkerung verhalf. Die alte Mauer wurde instand gesetzt. Fünfzehn Kilometer Wanderwege wurden in diesem ausgedehnten Gelände angelegt. Ziel der Einrichtung ist es, den Menschen Wild- und Vogelarten näher zu bringen, die im hiesigen Raum heimisch waren und sind. Gehalten werden sie dazu unter annähernd natürlichen Bedingungen.

Höhepunkt für die zwei Fördervereine - einer kümmert sich mehr um den Wildpark, der andere um Museum - war die Eröffnung des rund 1,5 Millionen Mark teuren Forstmuseums im August 2001. Das Land Hessen, die Flughafenbetreibergesellschaft Fraport und die Fördervereine stemmten die Finanzierung, während die Deutsche Stiftung Umweltschutz eine zunächst versprochene Fördermillion plötzlich verweigerte.

 

Das Forstmuseum am Eingang des Parks befand sich früher in Biebergemünd - Bieber und wurde im Jahre 2001 in die Alte Fasanerie verlegt. Bei jährlich 150.000 Besuchern im Wildpark würde ein großer Personenkreis davon profitieren. Auch die fachliche Betreuung wurde als Argument für den Standort Hanau aufgezählt. Konzept und Ausstattung sind nicht auf die Jagd, sondern fast ausschließlich auf die Waldbewirtschaftung zugeschnitten, schwerpunktmäßig auf den Spessart. Schautafeln dokumentieren den Raub­bau im Wald in jener Zeit, als Bieber In­dustriestandort war und Hunderte von Menschen mit Baumstämmen die Stollen in den Erzbergwerken abstützten und Holz in Glashütten verfeuerten. Baumstämme, Tierfelle, eine Zeichnung der Schwanheimer Hute - Eichen und ein Wolf sind  zu sehen. Exponate wie Nivellierinstrumente und Winkelspie­gel zeugen von der Wiederaufforstung. Uniformen und Erntemaschinen ergänzen die Sammlung.

Eine Besonderheit ist der Baumkalender ganz links hinten. Die 21 Baumarten bestimmen den Jah­resverlauf (die in der keltischen Zahlenmystik heiligen Zahlen drei und sieben miteinander multipliziert ergeben 21). Davon bestimmen vier Bäume jeweils nur einen Tag ­21. März (Frühlingsanfang) die Eiche, 24. Juni (Sommeranfang) die Birke, 23. September (Herbst­anfang) der Olivenbaum, 22. Dezember (Winteranfang) die Buche. Alle anderen Baumarten ‑ mit zwei Ausnahmen ‑ dominieren jeweils eine Dekade, das heißt ein Drittel eines jeweiligen Tierkreiszeichens, aber auch genau die oppositionelle Dekade. Die Kiefer zum Beispiel bestimmt die erste Dekade Fisch (19. bis 28. Febru­ar) als auch die erste Dekade Jungfrau (21. August bis 2. September). Die beiden Ausnahmen sind Pappel und Nußbaum. Pappel umfaßt die Zeiten 4. bis 8. Februar und 1. bis 14. Mai sowie 5. bis 13. August. Der Nußbaum regiert die Tage vom 21. bis 30. April und vom 24. Oktober bis 11. November. Wer zum Beispiel in der Zeit vom 15. bis 24. Mai oder vom 12. bis 21. November geboren wurde, ist den Eigenschaften der Eßkastanie zuzuordnen.

 

Es gibt Wildpark-Rallyes für Kindergruppen oder Kindergeburtstage, Tierpatenschaften und eine Gaststätte mit Spielplatz. Rund 350 Tiere aus 35 Arten leben derzeit in den Freigehegen und Volieren. Pro Jahr strömen rund 150.000 Besucher in den ganzjährig geöffneten Park mit seinem 15 Kilometer langen Wegenetz. Es wird empfohlen, nach rechts zu beginnen, weil hier die Dichte der Tiere größer ist, und den größeren Rundweg (gekennzeichnet mit dem Fuchs). etwas abgewandelt zu wählen

Nach dem Besuch des Forstmuseums geht man nach rechts. Gelegenheit zur Rast bietet ein Pick­nickplatz im Eingangsbereich mit vielen Bänken, Holzspielgerät und einer Grillstelle. Das das 1994 entstandene Informationszentrum ist nur für Lehrveranstaltungen vorgesehen wie Wildpark - Schule (Beobachtung und Lernen vor Ort), Führungen, Vorträge, Sonderveranstaltungen, Projekttage und Projektwochen.

Es folgen die Parkplätze für die Mitarbeiter und den Bauhof. Rechts sind  Volieren für die Pflegestation. Hier kann man zum Beispiel schon Fasane sehen. Rechts gibt es dann noch einen Streichelzoo mit Ziegen, ein Buntes Hausschwein mit einem Wildschwein, das von Hand aufgezogen wurde, Esel, Rhönschaf und Thüringer Waldziege.

Man sollte in diesem Bereich aber unbedingt nach links in die zweite Reihe gehen. Dort trifft man zunächst auf eine runde Voliere mit einem Kolkraben, der „Jakob“ sagt, wenn man einzelnen an den Käfig herantritt (bei mehreren Personen krächzt er nur). Hinter dem Raben ist links das Gehege für die Waschbären und Marderhunde. Rechts sind  verschiedene Eulen zu sehen. Wenn man ein Stück weiter geht, kommt man zu den Füchsen, die aber nur schwer im Gelände auszumachen sind; auch der Dachs zeigt sich nicht einmal den Pflegern, holt sich aber immer sein Essen.

Die Vogelhäuser sind besetzt mit Falken, Fasanen, Grau‑ und Silbergänsen, Stockenten und Milanen, wurden am Eingang errichtet. In einer Ausstellungshütte kann sich der Besucher anhand von reichem Anschauungsmaterial über die Lebensweise  der einheimischen Vögel informieren oder sich mit einem Hebeldruck eine gewünschte Vogelstimme aus einer Musikbox vorzwitschern lassen.

Der Hauptweg führt an der Mauer entlang zum Steinheimer Tor (zusätzlicher Eingang an Sonntagen). Dort geht es nach links. Rechts sind  zunächst Wildschweine, dann ein Elch. Links stehen Störche und Sitka - Hirsche. Die anschließenden Rothirsche pflegen sich zu verstecken. Dann kommen die drei weißen Wölfe, die von Hand aufgezogen wurden und in der Wolfsheulnacht zu hören sind. Im nächsten Gehege links ist ein dunkler Wolf, der gern auf einer Platte auf einem Steinhaufen liegt. Inzwischen ist ein weiteres Rudel weißer   Wölfe hinzugekommen

Mit dem Fernglas und etwas Geduld lassen sich die Waldbewoh­ner entdecken. „Der Mensch muß die Tiere suchen, sie sollen ihm nicht präsentiert werden“, ist das Motto des Fördervereins, auch auf die Gefahr hin, nichts zu erspähen, wenn sich Wolf und Luchs ins Dickicht zurückgezogen haben. Doch meist lohnt sich die Aus­dauer. Immer zu Gesicht bekommt man die Publikumslieblinge, die Wild­schweine, die sich zu Hunderten im Schlamm suhlen und morgens ungeduldig auf ihr Futter warten, das die Besucher an der Kasse gekauft haben. Auch Dam‑ und Rotwild, Auerochsen, Wisente und etliches Kleinvieh einschließlich der schönen Pfauen lassen sich bewundern.

Rechts sind  dann wieder Wildschweine, ehe es nach links am Wolfszaun entlang zu den Luchsen auf der rechten Seite geht. Auch sie sind nur schwer auszumachen und verbergen sich gern hinten den Gesteinsbrocken. Am Ende dieses Weges sind rechts die Falknerei und dahinter der Hochseilgarten.

Dann geht es wieder links herum nach Norden. An der nächsten Kreuzung kann man nach rechts gehen zum Gesteinsgarten und dem Barfußpfad: In einem Halbkreis liegt der kleine Pfad unter den großen, schattigen Bäu­men. Von Holzbalken umrahmt sind die Naturmaterialien wie große Hüpf­kästchen beim Himmel ‑ und‑ Hölle ‑ Spiel hintereinander aufgereiht. Ein Fach ent­hält Moosflächen, ein nächstes abgerunde­te Holzpfähle, große Kieselsteine, Kiefernzapfen, Waldlaub oder schlichte Erde, Rindenmulch oder kleine Steinchen. Mit blo­ßen Füßen sollen Besucher/innen die Mate­rialien mit geschlos­senen Augen ertasten ‑ und so ihre Sinne für die Natur schärfen. Die Kinder oder die Erwachsenen sollen sich ganz ihrer Begleitperson anvertrauen und sich führen lassen. So hat der Natur­tastpfad für sie auch einen sozialen Aspekt.

Auf dem Hauptweg weiter gibt es rechts Auerochsen und links Wildschweine. Man geht bis fast an die Mauer und dann links herum. Am Weg rechts stehen Auerochsen. Links sind  Wisente, die im Jahre 2007 durch die Blauzungenkrankheit sehr dezimiert wurden. Frei herum laufen im Gelände Enten.

 

Ab 2013 kam es zu Umbaumaßnahmen am in die Jahre gekommenen Eingangsbereich.

Besonders die Kassen - Situation soll verbessert werden. Wie bereits in vielen Museen oder Zoos üblich, soll zudem ein eigener Wildpark-Shop in den Eingangsbereich integriert werden. Damit entspricht man dem Wunsch vieler Besucher. Hier werden beispielsweise Holzspielzeuge, Bücher, Kalender, Fotos oder T-Shirts angeboten. Auch der Toilettenbereich wird erneuert. Neben dem hiesigen Wildpark gibt es im Land Hessen noch zwei weitere, einen in Edersee und einen in Weilburg, doch die glückliche Lage in der Metropolregion Rhein - Main lockt bei weitem die meisten Besucher an.

Von vornherein stand jedoch fest, daß der Neubau sich lückenlos in die Umgebung einfügen müßte. Die Vorgaben betrafen neben dem Umgang mit Holz auch den Denkmalschutz und einer bereits vorhandenen Bausubstanz. Als Sieger aus dem Anfang September in Kassel vorgenommenen Gutachterverfahrens, das neben Hessen - Forst und dem Wildpark auch von dessen Förderverein, der Stadt Hanau und Architekturprofessoren bewertet wurde, ging das Oppenheimer Architekturbüro Hochberg + Neff hervor. Das Konzept sieht für die Wirtschaftsgebäude ein alles überspannendes Flachdach vor, das an einen mehrbeinigen Tisch erinnert. Unter diesem können dann die einzelnen Funktionen des Gebäudes als untergestellte Kuben flexibel angeordnet werden.

 

Der Himalaya, ein Weinberg, Eichenwälder, die Heide - die neuen Fasanengehege im Wildpark „Alte Fasanerie“ in Klein-Auheim sind verschiedenen Landschaftsformen nachempfunden. Nach einjähriger Bauzeit eröffnete im Jahre 2012  Forstamts- und Wildparkleiter Christian Schaefer die komfortablen Unterkünfte für die historischen Namensgeber der „Alten Fasanerie“ offiziell. Für  120.000 Euro entstanden die fünf Volieren, die einen weiteren Anziehungspunkt für die jährlich rund 200.000 Besucher bilden sollen.

„Die alten Gehege stammten noch aus den 70er Jahren und waren baufällig.  Die neue Voliere ist wirklich artgerecht und erleichtert zudem die Arbeitsbedingungen der Tierpfleger. In die Finanzierung des Baus ist auch das Vermächtnis des Frankfurters Ludwig Römbke eingeflossen, der dem Wildpark 36.000 Euro hinterlassen hatte.

Der Ausstellungs- und Gehege-Experte Uwe Dreyer konzipierte die „Fasanenwelt “. Das Besondere daran: Über einen hinteren Gang lassen sich die Hühnervögel auch aus einer anderen Perspektive beobachten. „Dem Besucher sollen verschiedene Blickwinkel gezeigt werden“, erläuterte Dreyer, der selbst Erfahrung in der Aufzucht und Haltung von Fasanen hat. Die jetzt noch existierenden Gitternetze im rückwärtigen Bereich sollen in wenigen Wochen sogar entfernt werden, um einen freien Blick auf die Lebenswelt der Fasane zu bieten.

Im ersten Gehege ist der Satyr - Tragopan untergekommen. Die Art stammt aus der Region Nepal und Tibet, deshalb ist sein Zuhause der Landschaft am Himalaya nachempfunden. Auch wenn die Tiere unter freien Himmel gehalten werden, stehen ihnen doch auch ein Dach und andere Rückzugsgebiete zur Verfügung.

Der hierzulande bekanntere Jagdfasan lebt jetzt in einer Art Weinberg. Das paßt gut, denn er braucht immer was zum Verstecken. Hoffnungen auf einen eigenen Wildpark - Wein mußte Christian Schaefer eine Absage erteilen. „Die ersten Weintrauben haben die Fasane schon aufgefressen“, so Uwe Dreyer schmunzelnd. Zu der Idee für den Weinberg ließ sich der Gehegeexperte gar von den Römern inspirieren. „Sie brachten uns schließlich den Wein und die Fasane“, sagte er. Besonders farbenfroh anzusehen ist der Goldfasan mit seinem prächtigen Gefieder. Ein beliebtes Tier bei den Besucher und recht zutraulich. „Der frißt den Kindern sogar aus den Händen“, verriet eine Tierpflegerin.

Die neuen Gehege wurden von den Besuchern bereits neugierig in Augenschein genommen. Demnächst gibt es noch mehr zu sehen. Dreyer arbeitet an einem Diorama über die Aufzucht und die historische Bedeutung von Fasanen. Daß es den bunten Feldvögeln in ihren neuen Heimen gut gefällt, bewies, daß zwei von ihnen bereits Eier gelegt haben. Zur Freude der Besucher, direkt am hinteren Gehegerand, so daß Neugierige einen Blick in das Nest werfen können. In der „Fasanenwelt“ darf man sich demnächst also vielleicht über Nachwuchs freuen. Uwe Dreyer ist stolz auf sein Werk. „So etwas ist in Deutschland einmalig“, sagte er.

Alte Fasanerie, siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 100.

 

Klein-Au­heimer See:

Vom Haupteingang der Fasanerie fährt man nach rechts hinunter zum Klein - Au­heimer See. Diesen kann man links umrunden und  am Holzbrücker Weg zunächst auf dem Radweg an der linken Seite in Richtung Klein - Auheim fahren und dann nach links zur Brücke über die Bundesstraße 43 a. Schöner ist aber der Weg rechts um den See herum und dann zur Brücke über die Bundesstraße.

 

Hellenhütte:

An der Offenbacher Landstraße beim Hellenwäldchen liegt die Hellenhütte, ein beliebter Aus­flugsort der Steinheimer. Unter der viele Jahr­hunderte alten Eiche hat man einen herrlichen Blick auf die saftigen Wiesen des alten Main­betts zu unseren Füßen, auf die buntfarbigen Fluren der Klein ‑ Au­heimer Gemarkung und auf das weite Maintal, das mit seinen Dörfern und Auen von den blauen Höhen des Spessarts eingerahmt wird.

Die Hellenhütte war von altersher eine Ziegelei, die den in unmittel­barer Nähe gefundenen Ton zu Backsteinen, Ziegeln und Röhren ver­arbeitete. Die Ziegelei besteht auch heute noch, hat aber als Kleinbetrieb gegenüber den Großbetrieben einen schweren Stand. Seit 140 Jahren ist die Hellenhütte im Besitz der Familie Rachor.

 

Wasserturm:

Nach rechts geht es dann weiter ins reizvolle Hellenbachtal. Man wirft einen Blick auf den 49 Meter hohen Wasserturm, der zwischen 1936 und 1938 von dem Darmstädter Architekten Erich Minder erbaut wurde. Man kommt vorbei an einem Teich und einer Mariensäule  (beide auf der rechten Seite). Kurz vor Steinheim fährt man um die Kneippanlage herum. Nach links geht es in die von Eiff  - Straße. An der Darmstädter Straße geht es etwas links  - rechts versetzt weiter  durch das Steinheimer Neubaugebiet. Wo die Straße endet geht es links in den Gailingsweg, unter der B 43 a hindurch und an Möbel-Erbe vorbei in die Senefelder Straße.

 

Ame­rikafeld:

Links liegt das „Ame­rikafeld“. Für den Namen gibt es verschiedene Erklärungsversuche, zumal  es auch in anderen Gemeinden solche Namen wie „Amerika“ und   „Rußland“ gibt. Es könnte sein, daß  man damit die weit entfernten  Äcker bezeichnen wollte. Nach anderer Theorie kommt der Name daher, daß die Äcker früher Leuten gehörten, die nach Amerika ausgewandert sind. 

Das Amerikafeld., ein unter Naturschutz stehendes Trockenrasengebiet mit seltenen Orchideenarten und Eidechsen, das außerdem ein Lebensraum für Neuntöter, Blauracke und Pirol ist.  Das Areal wirkt zunächst unscheinbar. Versteckt hinter hohen Bäumen liegt das Flora - Fauna - Habitat - Gebiet der Stadt Hanau. Durch die Holzabsperrungen wird sichergestellt, daß die Wiesenflächen nicht betreten werden. Auf den trockenen Sanddünen wachsen auf 4.000 Quadratmetern diverse Magerrasen unterschiedlichster Ausprägungen - und damit zunehmend seltener werdende Pflanzenarten.

Die Weideflächen haben in gleich doppelter Hinsicht europäische Relevanz. Zum einen sind sie Zeugen einer nach der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren stattgefundenen Vegetation. Zum anderen ist das Amerikafeld dank der Einhaltung europäischer Naturschutznormen ein Natura - 2000 - Areal, also ein Teil des Schutzgebiet - Netzes der EU. Noch bis Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde das Areal von der Stadt als Ackerland genutzt, ehe es 1995 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde.

Das Amerikafeld bietet eine besondere ökologische Nische. Dank des nährstoffarmen und trockenen Bodens seien Rückzugsgebiete für seltene Tierarten, darunter die Zauneidechse oder die blauflüglige Ödlandschrecke, vorhanden. Die Bäume der Streuobstwiesen beheimaten den Steinkauz, während liegendes Totholz vor allem Insekten anlockt.

Entgegen geläufiger Vermutungen werden Naturschutzgebiete jedoch nicht sich selbst überlassen. Das wäre hinsichtlich der Artenvielfalt grob fahrlässig. Würde man hier auf Dauer nichts unternehmen, würde der Magerrasen schon bald einem dichten Waldgebiet weichen.

Im Sinne der Artenvielfalt ist es beispielsweise wichtig, den Magerrasen nicht zu hoch wachsen zu lassen. Eine der essentiellen Maßnahmen stellt die Beweidung durch Schafe dar. Das Abfressen der Gräser durch Nutztiere ist die natürlichste und schonendste Form der Wiesenpflege. Anders als ein Rasenmäher sorgen die Tiere am Ende für unterschiedlich hohe Halme. Manche Teile lassen sie sogar gänzlich stehen. Dadurch entsteht eine unregelmäßige Wiesenfläche, die ideale ökologische Bedingungen schafft.

In regelmäßig neu abgestecken Koppeln grasen die Schafe nach und nach die gesamte Fläche ab. Um dies zu erreichen, arbeitet Hessen Forst mit Schäfer Armin Bergmann und seiner Frau Angela aus Mömbris zusammen Für rund vier Wochen im Jahr werden knapp 360 Rhönschafe sowie Koburger Fuchsschafe zum Amerikafeld transportiert. Ein sehr umständlicher Transport, der sich lohnen muß.

An Familie Bergmann schätzt Hessen Forst vor allem die seit vier Generationen weitergetragene Erfahrung bezüglich der Pflege und Absicherung der Schafe. Inzwischen ist es schwer geworden, gute Schäfer zu finden. Das Geschäft ist knallhart. Trotz hohem Arbeitsaufwand bleiben am Ende oft nur geringe finanzielle Handlungsspielräume. Aus diesem Grund schließen auch immer mehr Betriebe ihre Pforten. Gleichzeitig trägt der Schäfer bei der Beweidung ein hohes Risiko: Wenn die Herde aufgeschreckt wird, flüchtet sie. Es ist schon vorgekommen, daß Schafe auf nahegelegene Autobahnen oder Schnellstraßen gerannt sind. Bei den dadurch entstehenden Schäden muß dann natürlich ein Schuldiger gefunden werden, der bezahlt (02.07.2016 HA).

 

Rückweg:

Im Wald fanden sich zahlreiche Hügelgrä­ber, deren Be­stattungsbeigaben teilweise im Mu­seum des Steinheimer Schlosses gezeigt werden. Aber vom Weg aus sind sie nicht zu sehen. Man kommt wieder zu demWegweiser „Dietesheimer Seen“. Hier zweigt man aber nicht rechts ab auf die Forstmeisterschneise (auf der man gekommen ist), sondern fährt in Richtung des Weg­weisers (Dieser Weg führt durch den östlichen Rand der Seenlandschaft: an der Straße „Am Grünen See“ auf dem unbefesdtigten Weg geradeaus zu der Eisenbahn­unterfüh­rung und zur Bundesstraße und dort rechts bis zur Abzweigung zur Schleuse nach links). Nach der Schranke biegt man wieder rechts ab. Vor der Eisenbahn geht es wieder rechts ab in die Pfaffen­brunnenstraße

 

Radtour  Dietesheim - Lämmerspiel - Mühlheim 2010 (15,5 Kilometer) 

auf Seite „Maintal, Wanderwege“

 

Zur Stadt Steinheim vergleiche Hanau, Steinheim.

 

Obertshausen

Aufgrund ihrer günstigen Lage konnte sich die Stadt Obertshausen zu einem industriellen Schwerpunkt der Lederwaren- und metallverarbeitenden Industrie entwickeln. Von der wechselhaften Geschichte ihrer im 9. Jahrhundert erstmals erwähnten Stadtteile Hausen und Obertshausen zeugen nur noch vereinzelte Fachwerkhäuser und freigelegte Mauerreste und Fundamente einer Turmburg „Burg im Hain“ aus dem 11. Jahrhundert.

Die ehemals selbständigen Gemeinden Hausen und Obertshausen wurden im Jahre 1977 zur Gemeinde Obertshausen zusammengeschlossen. Obertshausen wurde im Jahr 1979 die Stadtrechte verliehen. Heute zählt die Stadt rund 25.500 Einwohner.

 

Schwimmbad „Atlantis“: 

Ausfahrt Obertshausen, parallel zur A 3 Richtung Industriegebiet Hausen dann Beschilderung. Öffnungszeiten: Mo - Fr 9 - 23 Uhr, Samstag 9 - 24 Uhr, Sonntag 9 - 22 Uhr. Zwei Stunden kosten 4 €, Familien 12, 19 und 26 €.

 

Hausen:

Hochbruch, siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 92.

 

 

Heusenstamm

Erste urkundliche Erwähnungen in einem Eppsteinischen Lehensbuch verzeichnen 1211 Burg und Dorf „Huselstam“, das später „Husinstam“, im 15. Jahrhundert auch „Heussenstain“ genannt wird. Nach den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges wurde Heusenstamm 1637 wieder mit 120 Einwohnern besiedelt. Im Jahr 1661 verkauften die inzwischen zu Reichsgrafen auf­gestiegenen Herren von Heusenstamm die Besitzung an den Freiherrn Philipp Erwein von Schön­born. Er ließ 1663 -  1668 das neue Schloß auf dem Vorhof der alten Burg errichten.

Wie sich im Laufe der Jahrhunderte innerhalb einer Gemeinde die Gewichte, gewissermaßen von Achse zu Achse, verlagern können, dafür bietet Heusenstamm ein gutes Beispiel. Pulsiert heute das Leben in der geschäftigen Frankfurter Straße, stellte früher die Schloßstraße im alten Stadt­kern die Verbindung zwischen den drei ansehnlichsten Bauwerken Heusenstamms her. „Es ist keine Übertreibung”, stellte einmal der Kunsthistoriker Georg Dehio fest, „in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ... hat die Familie Schönborn für die Baukunst mehr vollbracht als irgendein weltlicher Fürst der Zeit.”

In der Tat, viele der besten Beispiele deutschen Barocks gehen auf die rastlose Bautätigkeit dieses ursprünglich aus dem Hintertaunus stammenden Geschlechtes zurück. Über hundert Jahre, zwischen 1642 und 1756 besetzten die Schönborner nicht weniger als 14 geistliche Fürstenthrone im süddeutschen Raum. Mit jedem neuen Amt schienen sie sich zu einer einzigartigen Bau- und Sammelleidenschaft zu steigern. In den Schönbornern nagte ein familienspezifischer „bau­wurmbh“, für dessen Umsetzung sie mit Balthasar Neumann über einen kongenialen Meister verfügten. Nur hierzulande haben die Schönborner fast keine bedeutsamen Bauwerke hinterlassen - mit einer Ausnahme. Ausgerechnet im kleinen Heusenstamm südlich von Offenbach finden sich gleich drei Objekte, die mit dem Namen Schönborn verbunden sind, nachdem diese auf dem Kaufwege den Stammsitz der Ritter von Heusenstamm 1661 erworben hatten.

Die Einwohnerzahl war bei Verleihung der Stadtrechte 1959 auf 6.000 angestiegen und liegt heute bei etwa 20 000.

 

Triumphbogen:

Von der Frankfurter Straße betritt man durch den verkleinerten Triumphbogen in den Ortskern.

Der Torbau an der Frankfurter Straße erinnert an einen Besuch von Kaiser Franz  I.und seines Sohns Joseph im Jahre 1764, die auf der Fahrt zur Königswahl in Frankfurt eine Woche Gäste im Heusenstammer Schloß der Familie von  Schönborn waren. Während letzterer in Frankfurt gewählt wurde, mußten sie sich entfernt in Heusenstamm aufhalten.

 

Kirche St. Cäcilia:

Die von 1739 an gebaute Kirche ist ein feines, aber vergleichsweise kleines Werk des Barock­baumeisters Balthasar Neumann. Sie gilt als wichtiges Übergangswerk zu seinen Meister­schöpfungen in Vierzehnheiligen und Neresheim. Sie wurde im Auftrag der Gräfin Maria Theresia von Schönborn als Begräbnisstätte für ihre Familie erbaut. Die Witwe Anselm von Schönborns, Maria - Theresia, beauftragte Balthasar Neumann, der in Würzburg im Dienst der Schönborns stand, im Jahre 1735 mit dem Entwurf für die Kirche St. Cäcilia. Der bekannte Baumeister wurde ihr von ihrem Schwager, dem Würzburger Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn „ausgeliehen“

In Heusenstamm erkennt man das wichtige, mehrfach variierte Grundprinzip der neumannschen Architektur, die kreuzförmige Verschmelzung eines einschiffigen Langbaus mit einem Zentral­bau wieder, das den Eindruck der Weitläufigkeit erzielt.  Der halb eingestellte Turm an der Portalseite zeigt ebenso seine Handschrift wie die Gestaltung des Inneren, einer Verschmelzung von Längs- und Zentralraum. Sie entfaltet aber vor allem innen eine äußerlich kaum zu ahnende Dekorationsfülle. Die Deckengemälde stammen von Christian Thomas Scheffler und zeigen in einem dreiteiligen Zyklus die Themen Tod, Auferstehung und ewiges Leben. Der fränkische „Kriegs-und Staatsbaumeister . . . geliebt von großen Fürsten wegen seiner Kunst und Erfahrung in der Architektur” hat die Fertigstellung seines Baues nicht mehr erlebt. Er starb drei Jahre vorher  im  Jahre 1753, betrauert im ganzen Schönborn‘schen Machtbereich, der sich über Würzburg bis Bamberg erstreckte.

 

Schönborn‘sches Schloß:

Am Ende der mit Fachwerkhäuschen gesäumten Straße steht das Schönborn'sche Schloß. Die ehemalige Wasserburg geht auf eine Gründung des Eberhard Waro von Hagen - Heusenstamm in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück und wird  1211 erstmals urkundlich erwähnt. Im sogenannten hinteren Schloß sind noch die Reste der alten Burganlage der Ritter von Heusen­stamm zu sehen, deren prominentester Vertreter, Sebastian von Heusenstamm, 1545 bis 1555 Erzbischof und Kurfürst von Mainz war.

Zwei wappentragende Löwen lassen an der Pforte die Ankömmlinge in den symmetrisch barock gestalteten Garten. Dahinter macht sich das Wasserschloß mit seinen Ecktürmen breit. Das in Süddeutschland in kirchlich - weltlichen Machtfunktionen einst einflußreiche Geschlecht derer von Schönborn ließ es ab 1663 aus der früheren Burg errichten.

Zu Anfang des 17. Jahrhunderts zogen sich die Herren von Heusenstamm auf ihre Besitzungen in Österreich zurück, im  Jahre  1661 verkauften sie die Besitzung an den Freiherrn Philipp Erwein von Schönborn. Er ließ zwischen 1663 und 1668 das neue Schloß auf dem Vorhof der alten Burg errichten.

Entgegen der ursprünglichen Planung des Architekten Clemens Hinckh kam jedoch nur die Vorderfront der geplanten Wasserburg zur Ausführung, die kurzen, rückwärtigen Seitenflügel sind erst Ende des 19. Jahrhunderts angefügt worden. Die alte Burg wurde in die Anlage mit einbezogen und über eine Brücke verbunden. So ist hinter dem Schloß noch die Burg der Ritter von Heusenstamm zu sehen, Reste des Wohnturms und Herrenhauses sind erhalten und neu­gotisch verändert.

Durch den Rundbogen des giebelgeschmückten Eingangs fällt der Blick auf den modernen Granitbrunnen im Innenhof. Dahinter ein Neubau, der das nie fertig gewordene Schloß zum Geviert abschließt. Hier führt ein Durchgang zum noch wilden, unzugänglichen Park, zum „Alten Schlößchen” und zum Bannturm. Möglicherweise stammen Teile des Turms noch aus dem 13. Jahrhundert.

Über die Fassade des langgestreckten, kaum gegliederten Renaissancebaus sind 22 Fensterachsen in nahezu gleichmäßiger Reihung verteilt. Beidseitig stehen  Ecktürme mit Schlüsselscharten im Erdgeschoß und geschweifter Haube. Die Frontmitte wird durch ein kleines Zwerchhaus mit geschwungenem Giebel, darunter das Portal mit einer Schreckensmaske im Schlußstein und dem Allianzwappen der Häuser Schönborn und Greiffenclau betont.

Von den Außenanlagen sind noch Teile der äußeren Umfassungsmauer vorhanden. Der Eingang wird von zwei Sandsteinpfeilern mit einem Löwenpaar das Wappen des Erbauers Philipp Erwein von Schönborn haltend, flankiert. Sein Nachfolger Anselm Franz trieb im 18. Jahrhundert den Ausbau der Residenz voran und ließ einen großen Lustgarten mit Alleen, Teichen und Orange­rien anlegen.

Das Schönborn’sche Schloß, das in mehreren Kriegen seit der französischen Revolution als Truppenquartier und Hospital gedient hatte, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört worden war und nach dem Wiederaufbau zeitweilig von der Post genutzt wurde, ist 1978 von der Stadt auf­gekauft und als Rathaus erweitert worden. Durch moderne Anbauten wurde der Gebäudekomplex zu einer Vierflügelanlage erweitert.

Klagte schon sein Erbauer, Philipp Erwein von Schönborn, er sei „wegen des Heusenstammer Bauhwes ganz ausgesekkelt“, erlaubte ein ähnlicher Engpaß eines späten Nachfahren 1977 der Stadt, das Renaissancewasserschloß zu übernehmen. Mit erheblichem Aufwand hat sie bis 1985 zu ihrem Rathaus erweitert.

Zehn Jahre später stand die Restaurierung der Fassaden an, zu dem auch Reste der früheren Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert gehören. Der Putz bröckelte und das ehedem strahlende Weiß hatte unter saurem Regen und den Industrieabgasen, ziemlich gelitten. Allein vier Schichten eines atmungsaktiven Spezialputzes wurden schließlich aufgelegt, um das 300 Jahre alte Palais künftig besser vor den Emissionen aus Auspufftöpfen und Industrieschloten zu schützen. Dazu war der alte Mainsandstein völlig freigelegt worden. Als Farbe wählten die Sanierer ein blendendes Weiß, das sie mit dem kräftigen Rot der ehemals sichtbaren Sand­steinpartien um die Fenster, die Türen und an den Ecken der stattlichen Außenmauern kon­trastieren ließen.

Ausgebessert wurde auch das Dach und zwei Erker neu eingedeckt. Im rückwärtigen Bereich der Anlage um den historischen Bannturm wurde eine halbhohe Brüstung abgesenkt und rund um das hintere Schlößchen ein 800 Quadratmeter großer Platz bepflastert. Dort sollen kleine Feste stattfinden oder historische Märkte. Zu Füßen des uralten Bannturms werden schon lange Freilichtaufführungen geboten.

Interessenten für Heusenstamms Geschichte und früheres Aussehen werden an Werktagen auch außerhalb der Sprechzeiten in die erste Etage des Rathauses hinaufgelassen, um Fotodokumen­tation, Schloßmodell und Geschichtstafeln zu studieren.

 

Von dem Anfang des 18. Jahrhunderts angelegten Garten sind heute nur noch Teile des Lustgartens, zwei Wasserbecken und die Blumenrabatten am Schloß Schönborn erhalten. Der dazugehörige „herrschaftliche Forst“ mit seiner Allee, dem Forstteich und dem runden Platz am Ende der Allee wurden schon vor rund 100 Jahren durch den Bau der Eisenbahnlinie vom Park getrennt. Durch den S- Bahn - Bau werde diese Trennung noch verstärkt. Schon seit mehreren Jahren arbeitet die Stadt Heusenstamm mit dem Planungsverband an dem Ziel, den Heusen­stammer Park in den Regionalpark einzugliedern.

Die beiden Teile des Parks sollen zwei jeweils selbständige Landschaften werden. Der Forst westlich der Bahnlinie soll nach den überlieferten Plänen wieder als englischer Landschaftspark hergerichtet werden. Entlang der Schneise wird das Unterholz ausgelichtet und links und rechts des Weges wird jeweils ein Wiesenstreifen freigelassen, so daß die Schneise wieder zur Allee wird. Wege, die nach dem historischen Achsensystem angelegt sind, sollen wieder zum Spa­zieren­gehen an den Teichen und Wiesen einladen. Herrschaftlich wie früher sollen auch die Eingänge zum Park aussehen: großzügige Plätze, von Natursteinmauern begrenzt, mit Löwen auf den Pfeilern der Tore. Der barocke Schloßpark soll nur geringfügig verändert werden. Um die Blickachse vom Schloß  um Platz an der Alten Linde zu betonen, sollen Sandstein - Obelisken aufgestellt werden.

 

Heusenstamm ist aber auch ein Revier für Naturfreunde. Nicht nur wegen der Pfauenzucht. Auf Ferienreise zu Frankreichs Prunkschlössern war dem Rathaus - Hausmeister die Idee gekommen, ein Schloß sei nicht vollständig ohne diese Prachtvögel. Mit dem ersten Pärchen hatte die Stadt allerdings kein Glück. Der Hahn wurde von einem Hund gerissen, die Henne eine Beute des Fuchses. Inzwischen werden Hennen und ein Hahn in einer Voliere gehalten.

In freier Wildbahn, aber von Vogelschützern auch vor störenden Menschen behütet, hat eine Reihe inzwischen sonst selten gewordener Vögel am See im Naturschutzgebiet am Goldberg ein wildwucherndes Refugium. Neben Kiesgruben, die noch ausgebeutet werden, ist der See in wenigen Jahren romantisch verlandet, ideal auch für Wasservögel.

Rechts vom Schloß gelangt man bald wieder durch den Wald zum nächsten See. Dieser Angelweiher gehört schon zu Obertshausen, ein Baggersee, zum Erholungsgebiet rekultiviert. Vom künstlichen Rodelberg hat man einen Überblick über die weiteren Sehenswürdigkeiten, die am Rückweg durch die Stadt liegen.

 

Patershausen: siehe Jügesheim

 

 

Heusenstamm - Rembrücken:

Wenn man von Heusenstamm nach  Osten in Richtung Rodgau - Hainhausen fährt, kommt man nach Rembrücken. Südlich der Straße (Wegweiser „Alte Schule“) steht die Kirche „Mariae Opferung“. Der Eingang ist an der linken Seite. Die Kirche steht aber nicht nur im räumlichen Mittelpunkt des Heusenstammer Stadtteils, auch im Mittelpunkt des dörflichen Lebens soll sie stehen. Denn die 50 Sitzplätze seien - obwohl die Bänke wirklich unbequem sind - immer noch zu wenig für die 1.000 Mitglieder starke Gemeinde. Etwa 250 Personen kann man wirklich zu aktiven Gemeindemitgliedern zählen.

Auf den ersten Blick erscheint Mariä Opferung dem Betrachter als Barockkirche, auf den zweiten Blick entpuppt sie sich anhand der Bausubstanz als neobarockes Haus. Die Kirche wurde 1925 anstelle der alten Kapelle gebaut, die hierfür abgerissen und deren Steine beim Neubau ver­wen­det wurden. Dies ist einem Hauruck - Verfahren nach dem Ersten Weltkrieg geschehen.

Und was auf den ersten Blick wie ein Druckfehler anmutet, ist ein Zeugnis des Rembrücker Fleißes: Am 3. Juni 1925 wurde die viel zu kleine, 1756 erbaute Kapelle Mariä Opferung abgerissen und am 18. Oktober des gleichen Jahres die neu erbaute Kirche eingeweiht. Der neobarocke Baustil war damals modern. Die Menschen wollten die Schrecken des Krieges vergessen und sich mit der üppigen Bauweise ein Stück des Himmels auf die Erde holen. Leider hat es finanziell wirklich nur für ein kleines Stück Himmel gereicht. 31.000 Mark kostete der ganze Bau nach der Inflation. Damals war das eine Menge Geld. Diesen Betrag brachten die Rembrücker Christen ganz alleine und ohne Zuschüsse auf. Allein bei den Verwandten in den Nachbarkommunen wurde gesammelt.

Das einzig echte Stück barocker Kunstgeschichte in Mariä Opferung ist der Hochaltar aus dem Jahr 1690. Der wurde von einer reichen Bauernfamilie gestiftet, die ihn der Gemeinde Ober-Roden abgekauft hatte. Die Kaufsumme ist aber nicht überliefert. Ansonsten ist hier alles Zeitgeist und vieles selbst gebaut - auch die Bänke. Die Blenden zur Verzierung kamen erst vor einigen Jahren dazu.

 

 

Dietzenbach

Die erste Erwähnung des Ortes „dicenbah“ erfolgte in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Patershausen (auf Heusenstammer Gebiet) um 1220. Darin überträgt Puphridus, Pfarrer in Preungesheim - bestrebt „Frömmigkeit zu üben“ -  dem Kloster einen Hof und Wiesen in „dicenball“. Doch Dietzenbach ist nachweislich älter. Der älteste Kern des Dorfes liegt an einer kleinen, dem Wingertsberg noch  vorgelagerten Anhöhe und ist - wie die Endung „-bach“ und das St. Martinspatrozinium zeigen - in der fränkischen Siedlungsperiode von 561 bis 686 nach Christus entstanden.

Kaiser und Könige haben den Ort nie besucht:  Glanzvolle Zeiten gab es hier nicht, wohl aber

Durchzüge von Truppen, Zerstörungen, Plünderungen, die Pest. Im Jahre 1634  tobte der Dreißigjährige Krieg gegen Land und Leute, klagt die Kirchenchronik: „Da sind wir zu Dietzenbach durch schwitischs Kriechsvolck vertrieben worden und in vier Jahren niemant hatt können hir wonnen. Es sindt in unser gemein damals 75 Man gewest. Es ist selbigen Wintter die Kirchen abgebrenntt worden und das ganss Dorf bis auf 16 heuser und 6 scheuern.“ Nur ein harter Menschenschlag konnte hier überleben und, zäh am Bewährten festhaltend und fest in der lutherischen Konfession verankert, den Kampf um das tägliche Brot führen.

Im Heimatmuseum steht ein großes Stadtmodell, das das Bild Dietzenbachs im 19. Jahrhundert zeigt. Es läßt im Kern noch das ursprünglich oval angelegte Haufendorf des Mittelalters erkennen. Dieses besaß zum Schutz vor Feinden und auch wilden Tieren einen tiefen Graben und eine dichte Hecke, ein Gebück. Im Zusammenhang mit einem Gerichtsfall entstand im Jahre 1572 eine Art Faustskizze, die älteste erhaltene Ansicht des Dorfes. Demnach gab es zwei Dorfeingänge, die Niederpforte und die mit einem Turm gesicherte Oberpforte, davor jeweils ein Falltor. Wer in das Dorf hinein wollte, mußte zunächst einen Schlag und dann die eigentliche Pforte passieren. Zusätzlich gab es noch einen erst Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissenen Wehrturm, der auch als Gefängnis diente und als letzte Zuflucht den ursprünglich frei stehenden Turm der Kirche.

 

Heimatmuseum:

Das Heimatmuseum zeigt einen Querschnitt auf von Funden frühester keltischer Besiedlung, in diesem Raum bis hin zu Gegenständen aus Leben und Arbeit der Dietzenbacher im vergangenen Jahrhundert. Das Ganze wird von einem kleinen restaurierten Fachwerk - Wohnhaus aus dem Jahr 1765 umrahmt und steht inmitten des Altstadtkerns in enger Nachbarschaft zum Alten Rat­haus und zur Alten Schule.

Es werden die Wohnverhältnisse um 1900 gezeigt, eine an das Haus angesetzte Großgerätehalle stellt bäuerliches Arbeitsgerät vor und im Erdgeschoß des langgestreckten dreistöckigen Neubaus wartet die historische Abteilung auf Entdeckung. Der Gang durch die Ausstellung ist so strukturiert, daß der Gast die Entwicklung von den ersten Siedlungsspuren in der Vorgeschichte bis zur Stadt an ausgewählten Exponaten nachvollziehen kann.

Zu den Attraktionen der Ausstellung zählen die reichen Funde aus der vorgeschichtlichen Besiedelung. Unter anderem sind drei Gräber in den Boden eingelassen und mit begehbaren Glasplatten abgedeckt, die zeigen, wie die historischen Grabstätten aussahen, als sie gefunden wurden. Das im Osten Dietzenbachs an der so genannten Russenhütte zu Tage getretene Gräberfeld ist hervorragend erforscht.

Römische Töpferwaren zeugen davon, daß dieses Gebiet auch in der Römerzeit schon besiedelt war. Vermutlich gab es hier einen, vermutlich sogar zwei Gutshöfe (villa rustica) genannt. Es gibt Hinweise auf Speisegewohnheiten und antike Feinschmeckerrezepte. Wer Lust bekommen sollte, selbst einmal römisch zu kochen - kein Problem: Am Ausgang gibt es das Kochbuch des Apicius zu kaufen, eines wahren Meisters seines Faches.

In Dietzenbach wurde sogar ein richtiger Schatz gefunden. Karl Knecht, der stellvertretende Vorsitzende des Heimatvereins, fand 1966 einen Trinkbecher aus Ton mit vielen Silbermünzen der vermutlich zwischen 1350 und 1360 vergraben worden war. Anfangs hielt ich diesen Gegenstand für einen Stein, beim näheren Betrachten erkannte ich, daß es sich um ein Gefäß handelte und beim ersten leichten Aufkratzen der Öffnung fielen mir schon die ersten Münzen entgegen. Insgesamt barg der Becher 194 Heller.

Um 1900 lebten erst 2207 Menschen im Ort, als Bauern Arbeiter und Handwerker. In diese Welt führt im Heimatmuseum eine kopfsteingepflasterte alte Dorfstraße hinein. Aber Vorsicht. Zwar liegen da nicht mehr Kuhfladen herum (wie es eben früher so war),  jedoch ist die Straße holprig und hervorragend geeignet, mit genagelten Schuhen aus ihr Funken zu schlagen, eine Lieblingsbeschäftigung der Dietzenbacher Jugend von anno dazumal. Zu sehen sind Fotos vom alten Ort, seinen Häusern, seinen Menschen, komplett eingerichtete Werkstätten aus Dietzenbach: Schuster, Bäcker, Sattler, Wagner, Glaser und Schreiner, Zeugnisse soliden Handwerks, des Fleißes und der Biederkeit.

Dietzenbach hatte in den dreißiger Jahren - da lebten hier etwa 3.000 Menschen - sage schreibe zwei Kinos, die bei guten Gelegenheiten „gestoppte voll“ waren. Als zu Beginn Vorstellung des Films „Bis früh um Fünfe“ einige junge Leute mit riesigen Brotpaketen zum Kino kamen, antworteten sie auf die Frage nach dem Grund für diesen Proviant: „Ei, der Film gieht doch bis morje froih um Fünf!“ Ein noch funktionsfähiger Vorführapparat aus dem Kino „Löwen-Lichtspiele“ entdeckt der Besucher im Heimatmuseum, ebenso wie drei Filme über die Stadt, die in einen kleinen Fernsehraum abgespielt werden können. Sie zeigen das Feuerwehrfest 1928, ein Turnfest von 1956 und das Sägewerk Knecht in der heutigen Zeit.

Im Museum wird auch dokumentiert, was die Dietzenbacher im Ersten und im Zweiten Weltkrieg erlebten. Vor allem ein versehentlicher Luftangriff in der Nacht vom 20. / 21. September 1941 ist viel Bewohnern noch tief in Erinnerung. Bitter war auch das Los der Kriegsgefangenen, wovon nicht nur ausgestellte Kleidungsstücke, sondern auch Tonbandberichte zeugen. Der historische Rundgang im Museum endet mit einer Fotomontage, die die Entwicklung von Dorf zur modernen Stadt mit ihren etwa 34.000 Einwohnern aus mehr als 100 Nationen zeigt. Sie soll ein Zeichen sein für unverwüstlichen Lebenswillen, ein Symbol für die Zukunft.

Das zweite Museum ist etwas ungewöhnlich, aber auch aufs engste mit der Geschichte und dem regen Vereinsleben der Stadt verbunden: ein Feuerwehrmuseum. Was in dem restaurierten alten Feuerwehrgerätehaus mit Schlauchturm an Exponaten zusammengetragen ist und übersichtlich dargeboten wird, läßt so manches Männerherz höher schlagen. Zum einen die Darstellung der hundertjährigen örtlichen Feuerwehrgeschichte durch Uniformen, Helme, Löschgeräte der verschiedenen Epochen, vom Ledereimer über die Handspritze zum Opel - Blitz LF - 8 mit Magirusaufbau, zum anderen faszinierende Ausstellungsstücke, die aus den verschiedensten Ländern kommen ebenso wie Kinderspielzeug zum Thema Feuerwehr. Keinen Platz gefunden hat hier die Sammlung „Plakat und Feuerwehr“. Sie kommt mit Hunderten von Postern wirkungsvoll in den Gängen der neuen Feuerwache Mitte zur Geltung

 

Aussichtsturm (im Südwesten):

Wenn man von Götzenhain in Richtung Dietzenbach fährt, biegt man an der Kreuzung nach links ab in Richtung Dietzenbach. An der Jungfernwingertstraße geht es links ab zum Aussichtsturm mit 115 Stufen. Mit dem Aussichtsturm auf dem Wingertsberg ist eine kühne, 33 Meter hohe Seil-Stabkonstruktion aus Stahl entstanden, die zum Wahrzeichen Dietzenbachs werden könnte. Auf einer Spindel, um die sich die Treppe windet, sind drei Ringe angeordnet: die Aussichtsplattform auf 21 Meter Höhe, das Speichenrad vier Meter darüber - es ist Teil des Tragwerks und über acht Stahlseile mit dem Fundament verbunden - noch einmal vier Meter höher ist ein „Windrad“ angeordnet. Die drei Ringe sind jeweils azentrisch übereinander gelagert. Um den dünnen Turmmast schraubt sich eine Gitterspirale nach oben, bis zu drei exzentrisch gelagerten Stahlringen, die wie überdimensionale Radspeichen um den dünnen Turmmasten zu kreisen scheinen - wobei das oberste Rad tatsächlich rotiert, während sich die unterste beim Aufstieg als absolut feste Plattform erweist.

Der Frankfurter Architekt, Professor Wolfgang Rang, hat seinem Entwurf deshalb den Namen „Ballett der Bewegungen“ gegeben, wobei sich das Windrad je nach Windstärke tatsächlich bewegt. Der Aussichtsturm ist auf der höchsten natürlichen Erhebung im Kreis Offenbach, dem Wingertsberg, entstanden.

Je 200.000 Mark spendierten das Land Hessen und die Fraport, den Rest des 835.000 Mark teuren Projekts bezahlten der frühere Umlandverband Frankfurt und die Stadt Dietzenbach. Zur vollkommenen Illusion schwereloser Schwebebewegungen wird nun noch ein Sponsor für die künstlerische Farbbeleuchtung gesucht, die der Lichtkünstler Thomas Emde für den Turm entwickelt hat. Dabei übersetzt eine kleine elektronische Steuereinheit die Drehungen des obersten Rades in ständig wechselnde Farbstrahlen für die bewegende Vorstellung an Dietzenbachs heraus­ragend­ster Stelle.

Vom Aussichtsturm fährt man wieder hinunter und in den Ort hinein. Am Kreisel geht es rechts und dann gleich wieder rechts in die Darmstädter Straße. Man kommt zum Heimatmuseum in einer alten Hofreite und einem Neubau und mit dem Teufel vorne an der Straße (geöffnet Sonntag von 15 - 18 Uhr).

 

 

Rödermark  Ober - Roden

Im alten Ortskern von Ober - Roden steht heute die mächtige katholische Pfarrkirche Sankt Nazarius, ein in neugotischem Stil errichteter Bau mit 52 Meter hohem Spitzturm, der als „Dom des Rodgaus“ das Ortszentrum überragt. Er wurde in den Jahren 1894 - 1896 von dem Frankfurter Architekten Josef Röder erbaut. Das mit dem Chor nach Norden ausgerichtete Gotteshaus steht an der Stelle eines alten Kirchenbaus, der geostet war. Über dessen Aussehen geben zwei Fotoplatten sowie Aufrißpläne in den Bauakten Auskunft, die es bereits zuließen, die Bauphasenabfolge des alten Kirchenbaus zu erstellen. Das älteste Denkmal Ober - Rodens  - die Grabplatte des im Jahr 1393 verstorbenen Pfarrers Johannes Schank, die von dem Anbau eines Chores berichtet - spielt dabei eine Rolle. Sie weist nach, daß der auf den Bildern zu erkennende gotische 5/8 - Schulabschluß anstelle eines älteren, wohl rechteckigen Chores errichtet worden war, der vor das Jahr 1393 zurückgehen muß.

Durch archäologische Ausgrabungen, die zwischen 1985 und 1991 durchgeführt wurden, ließ sich die weitere Baugeschichte klären. Nach allem, was sich chronologisch anführen läßt, dürfte es sich beim ersten Bau um eine Holzkirche karolingischer Zeit handeln, die vermutlich gegen Ende des 8. oder zu Beginn des 9. Jahrhunderts durch eine Steinkirche ersetzt wurde. Diese besaß eine Gesamtlänge von 25 Metern, die Breite des Kirchenschiffs betrug 8,80 Me­ter. Von diesem Steinbau ausgehend, kann mit Hilfe der Grabungsbeobachtungen die spätere Abfolge der einzelnen Kirchenbauphasen nachgezeichnet werden. Der alte Rechteckchor wurde vor 1393 durch einen gotischen Chor mit 5 / 8-Abschluss ersetzt. Im Jahr 1517 - belegt durch ein Baudatum - erweiterte man die Kirche um den Anbau des nördlichen Seitenschiffes. Die Kirche behielt ihr Aussehen bis zum Dreißigjährigen Krieg. Damals wurde sie nieder­gebrannt. Ende des 17. Jahrhunderts aber wieder instand gesetzt und anschließend bis zu ihrem Abriß im Jahr 1894 genutzt.

Die Grabungsergebnisse lassen sich mit der urkundlichen Überlieferung bestens verbinden. Zwei Urkunden aus dem Lorscher Codex aus den Jahren 786 und 903 benennen ein Nonnen­kloster in Roden. Der kleine Nonnenkonvent konnte sich aber aus politischen Gründen nicht sehr weit entwickeln. Dies ist wohl der Grund dafür, daß sich auch seine weitere bauliche Entwicklung in Grenzen hielt und seit dem Abbruch der alten Kirche 1894 keine sichtbaren Zeugnisse mehr vorhanden sind. Wie die Grabungen auf den der Kirche benachbarten Grund­stücken zeigten, war das kleine Kloster nicht auf jungfräulichem Gelände, sondern innerhalb einer bis in das 6. Jahrhundert zurückreichenden fränkischen Siedlung errichtet worden, die sich offenbar über die ganze hochwasserfreie, eiszeitliche Sanddüne erstreckte, die den Kirchenhügel von Ober - Roden bildet (Egon Schallmayer).

 

„Thomashütte“:

Mit dem Auto ist die Anfahrt etwas umständlich. Man muß von der B 45 an der Abfahrt Eppertshausen abfahren und wird dann im Dreieck weit durch den Wald geführt, ehe man wieder an die Bundesstraße herankommt und neben ihr in Richtung Thomashütte fahren kann.

Hier im nördlichen Odenwaldvorland mit seinen reiche Vorkommen an Ton, den schon die Römer abgebaut haben, entstanden im Mittelalter bedeutende Töpferzentren von über­regionaler Bedeutung, über das ganze Land verstreut. Im vergangenen Jahrhundert drehten sich in Urberach noch in jedem zehnten Haus die Töpferscheiben. Aber auch die Herstellung von Baukeramik war üblich, beispielsweise da Brennen von Ziegeln, wie es in der Thomas­hütte von 1698 auch mit Erlaubnis von Graf Philipp Reinhard zu Hanau betrieben wurde. Dazu gehörten auch Landwirtschaft und der Unterhalt einer Herberge für Reisende, Fuhrleute und Pferde. Unübersehbar leuchtet das Weiß der Häusergruppen von Scheunen und Stallun­gen herüber, zum Teil noch mit Ziegeln der einstigen Brennerei gedeckt, die ihren Betrieb erst nach 225 Jahren in den zwanziger Jahren eingestellt hat.

 

 

Rodgau – Jügesheim

Am Ein­gang des Gehöfts Patershausen findet sich eine Grabplatte der Elisabeth Brendel von Homburg, Frau des Martin von Heusenstamm und Mut­ter des Sebastian von Heusenstamm. Er war Schultheiß von Frankfurt um 1508.

Eine Hinweistafel gibt erschöpfend Auskunft: „Ursprung Benediktiner­kloster, seit 1252 umgewandelt in Zister­zienserkloster; aufgehoben in der Refor­mationszeit 1561; von Maria Theresia von Schönborn 1741 gekauft und zu Wirt­schaftsgebäuden umgestaltet; Übergang mit Feldern und Wäldern in Eigentum der Stadt Hausenstamm 1970.“

Doch der Hof ist nicht nur Relikt der Vergangenheit: Von hier aus wird Land­wirtschaft betrieben, ein Demeterhof in Bioland‑Quali­tät. Man betreibt Viehzucht und hat eine eigene Schlachtung. Der Hofladen bietet Leckeres feil (donnerstags von 15 bis 19 Uhr und freitags von 9.30 bis 12 Uhr). Klar, daß auch selbstgemachte Brat­wurst und ebensolcher Apfelwein kre­denzt wird ‑ im Garten unter uralten Bäumen, allerdings nur an Sonn‑ und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr und nur bei schönem Wetter.

In der Schreinerei findet sich noch eine alte Säule. Sie ist allerdings nicht aus der Klosterkirche, denn sie ist von 1752, als es schon kein Kloster mehr gab. An der Nordwand ist ein gotsicher Bogen, der ein Rest des alten Klosters sein könnte (Durchgang zum Kreuzgang?).

 

 

Mainhausen

Mainhausen hat mit seinen Ortsteilen Mainflingen und Zellhausen etwa 8.400 Einwohner.

Sehenswürdigkeiten sind der klassizistische Kirchenbau St. Kilianus, Hügelgräber und die Mainbrücke.

 

Mainflingen:

In Mainflingen kann man im Bereich der Kirche auf den Mainuferweg stoßen. Hier spannt sich eine Fußgänger‑ und Radfahrerbrücke über den Main, die Kilianusbrücke von 1989. Sie verbindet Hessen (Mainflingen) und Bayern (Dettingen) und ersetzt eine alte Fährverbindung über den Main.

Vor der Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 lagen auf dem Mainufer bei Mainflingen 50.000 Franzosen gegenüber der „Pragmatischen Armee“ mit 16.000 Engländern, 16.000 Hannoveranern, 20.000 Österreichern und 6.000 Hessen unter Führung des englischen Königs Georg II. Der Kampf, den die „Pragmatische Armee“ für sich entschied, forderte etwa. 5.000 Tote und Verwundete.

 

Mainflinger Seen:

Am Main entlang geht es zum Naturschutzgebiet Mainufer Mainflingen. Südlich des Ortes liegen die Mainflinger Seen, wo in der sechziger und siebziger Jahren Kies abgebaut. Danach füllten sich die Gruben mit Wasser. Die beiden nordwestlichen Becken werden als Bade‑ und Anglersee genutzt, der südliche Teil ist seit 1977 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Dies ist die ehemalige Bong‘sche Tongrube: Seit 1933 wurden die beiden hier liegenden Tongruben von der Firma Bong erschlossen. Das Luftbild zeigt die beiden Bong'schen Tongruben. Während in der linken heute noch Ton abgebaut wird, sollte die rechte nach der Stillegung zu einer Giftmülldeponie umfunktioniert werden. Dies konnte durch engagierte Proteste verhindert werden. In Kürze soll hier ein Naturschutzzentrum entstehen. Der Weg um die Seen herum - vor allem entlang der Bundesstraße - ist sehr schmal. Man kann aber nördlich der Bong’schen Tongrube abbiegen in die Seestraße (die an dieser Stelle mit dem Auto nicht erreichbar ist) und wieder nach Mainflingen und zum Auto zurückkehren.

 

Sendefunkstelle:

Westlich davon liegt die Sendefunkstelle Mainflingen. Seit den neunziger Jahren dient die Anlage auch zur Ausstrahlung des Programms des Evangeliumsrundfunks. Das Gelände hat eine Vorgeschichte: Hier befand sich ein geheimes Flugfeld der deutschen Luftwaffe, das im Zweiten Weltkrieg genutzt wurde. Heute gibt Mainflingen ganz Europa die Zeit vor. Über Langwellensender wird das Signal der Atomuhr in Braunschweig verbreitet. Die hochkomplexen Atomuhren, unter ihnen die Masterclock CS2, sind auf Jahre so vorprogrammiert, daß sie den Langwellen-Sender DCF77 in Mainflingen dazu veranlassen, die richtige Zeit europaweit zu verbreiten. Selbst wenn in der entsprechenden Nacht deutschlandweit der Strom ausfällt, geht die korrekte Zeit nicht verloren. Die geräuschlosen, supergenauen Uhren laufen in diesem Fall mit Hilfe einer Batterie oder eines Generators weiter.

Über die Mainflinger Sendemasten für Langwelle wurde Anfang 2006 das Zeitzeichen DCF77, das Signal der Europäischen Funkrundsteuerung (EFR) DCF49 verbreitet. Derzeit wird das DGPS ‑ Signal DCF42 gesendet, das von der Deutschen Telekom AG in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie betrieben wird und hochgenaue Positionsbestimmungen ermöglicht.

Die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) 1980 im „Gesetz über die Zeitbestimmung“ als gesetzliche Hüterin der Zeit bestimmt und ist damit für die Umstellung der Uhren auf Sommerzeit am letzten Märzwochenende zuständig. In der Nacht selbst muß man aber gar nicht viel tun. Eigentlich können gar keine Pannen passieren. Trotzdem wird ein Mitarbeiter in der Nacht zum Sonntag seinen Funkwecker kontrollieren, ob er tatsächlich um 2 Uhr früh auf 3 Uhr vorspringt und die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) anzeigt.

 

Grasbrücke:

Südlich der Autobahn liegt noch ein lohnendes Ziel: Auf der Bundesstraße 469 nach Aschaffenburg muß man noch vor der Autobahn links abbiegen zum Gasthaus Schwalbennest und zur Waldrandsiedlung. Nachdem man unter der Autobahn hindurch geht, biegt man wieder links ab, dem Wegweiser „Schwalbennest“ folgend. Rechts von der Gaststätte stehen zwei Hinweisschilder auf die Grasbrücke. Diese liegt hinter den Schildern, wenn man über die Wiese und etwas nach links in den Wald geht (der Weg abwärts führt zur Gersprenz­mündung).

Die Brücke überspannt einen Bach, der in die Gersprenz mündet, aber bei Trockenheit kein Wasser führt. Auf der ältesten bekannten Darstellung von 1594 erscheint sie mit dem Namen „Krafftsbrücke“. Der jetzige Bauzustand der Rundbrücke aus großen behauenen Steinen stammt aus der Zeit nach ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg. Es ist zwar schwer festzustellen, wie alt die Brücke wirklich ist. In einer im September 2001 vom Geschichts- und Heimatverein Mainhausen herausgegebenen Schrift „Die Grasbrücke“ wird dazu Dr. Schopp, Historiker aus Seligenstadt, zitiert. Er gibt in seinem Büchlein über das Seligenstädter Geleitswesen einen Anhaltspunkt darüber und schreibt: „Im 30jährigen Krieg wurde die Anlage zerstört. Brücke und Schlag lagen bis 1656 ruiniert“. Es ist also möglich, daß die Brücke aus diesem Jahr stammt.

Die Brücke markierte die Grenze zwischen der Zent Seligenstadt und dem Zehntbezirk Bachgau (heute bayerische Grenze). Sie war ein Übergang über einen alten Grenzbach und führte über die „Bachgauer Landwehr“, die das Stockstädter Gebiet einschloß und den Zehntbezirk Seligenstadt nach Süden hin begrenzte. Landwehren bestanden meist aus einem Graben, hier der natürliche Bachgraben, einem Wall und einem undurchdringlichen Gestrüpp aus Dornenhecken. Man benötigte Landwehren für die Abgrenzung der Zehntbezirke, von Feldmarken und zur Kontrolle der Verkehrswege. Später büßten sie diese Bedeutung ein, wurden abschnittsweise noch als Viehzaun benutzt und gepflegt und verschliffen sich später gänzlich in der Landschaft.

Die herausragende Bedeutung erhielt dieses Bauwerk, durch das Geleitswesen. Die Brücke war Teil der heute nicht mehr existierenden und durch Kiesabbau und Mülldeponien auch in Spuren nicht mehr auffindbaren „Alten Strasse“. Die Grasbrücke liegt also an der alten Messegeleitstraße von Augsburg / Nürnberg nach Frankfurt. Über sie mußten die Kaufleute ziehen, um zur Messe nach Frankfurt zu gelangen, das heißt: Sie war damals ein viel benutzter Verkehrsweg. Mit dem Bau von Brücken wurde das Überqueren eines Gewässers wesentlich erleichtert. Die Grasbrücke aus dem Mittelalter ist eine solche historische Brücke.

Um die Kaufmannszüge vor Wegelagerern, Räubern und Plünderern zu schützen, wurde das Geleit eingeführt. Die Grasbrücke war in der Reisezeit mit Bauern des Zehntbezirks Seligenstadt besetzt. Auf der Brücke wurden die Züge von sichernden Reitern abgeholt und bis zum Verlassen des Seligenstädter Gebietes bis zum Schlag oberhalb von Hainstadt begleitet. Der „Faut“ (ehemaliger kurfürstlicher Beamte) aus Seligenstadt übernahm mit seinen Leuten den Geleitschutz durch das Gebiet. In Hainstadt übernahm dann die Steinheimer Zent das Geleit für den Zug.

An der Brücke wurde auch der „Mainzoll“ des Klosters Seligenstadt erhoben. Hier begann bzw. endete das „Fischrecht“ der Seligenstädter Fischerzunft. Man kann dann noch einmal um die Wochenendhaussiedlung herumfahren und auf dem gleichen Weg wie auf der Hinfahrt wieder zurück zur Bundesstraße.

 

Häuser - Siedlung:

Von der Bundesstraße zweigt bald links ein Weg ab. Wenn man an der ersten Abzweigung nach links fährt kommt man an den Hügelgräbern vorbei. Dann kommt wieder ein breiterer Weg und dann der zweite Weg links führt zur Häuser-Siedlung. Das Häuser Schlößchen steht mit einer nahe gelegenen Wüstung in Verbindung, dem „Zellerhof“. Beide Siedlungen seien abgebrannt.

Der Legende nach hätten die Bewohner vom Zellerhof und die vom Häuser Schlößchen eine neue Siedlung errichtet, wobei sie bei der Namensgebung die Namen beider Vorgängerdörfer verwendeten. Daraus sei das nahe gelegene Zellhausen entstanden. Urkundlich ist es seit 1329 als „Cellhusen“ belegt. Die mit dem Schlößchen in Verbindung stehende Siedlung „Husen“ ist 1238 erstmals erwähnt. Im Jahre 1829 durch geführte Ausgrabungen brachten Fundament und Straßenpflaste