Rhein  - Main

 

Rhein

 

Koblenz

Die Stadt wurde im Jahre 9 vCh von dem römischen Feldherrn Drusus gegründet. Die Römer nannten sie  „Castrum ad confluentes“ = „Lager am Zusammenfluß“, weil hier die Mosel in den Rhein mündet. Aus dem  „confluentes“ wurde dann mit der Zeit „Koblenz“.  Die Stadt hat eine reiche Geschichte:  Schon im 5. Jahrhundert war hier ein fränkischer Königshof.

Kaiser Karl der Große war in Koblenz und hielt dort Gerichtstage. Kaiser Heinrich II. schenkte im Jahre 1018 die Stadt den Erzbischöfen von Trier.  Und so mancher Kurfürst lebte lieber in Koblenz als in Trier.

Nach 1688 erhielt die Stadt ein barockes Gepräge. Dann wurde sie Ende des 18. Jahrhunderts französisch, schließlich fiel sie an die Preußen. Noch im 19. Jahrhundert galt die Stadt als stärkste Festung Deutschlands. Doch das verhinderte nicht, daß Koblenz in zahlreichen Kriegen immer wieder nahezu dem Erdboden gleichgemacht wurde. Aber immer wieder ist die Stadt neu erstanden. Auch nach 1945 baut e man fast alle historischen Gebäude trotzig wieder auf.

Der alte Kern der Stadt liegt an der Mosel, von der Moselmündung bis zu der Stelle, wo schon die Römer eine Brücke geschlagen hatten und wo heute noch die mittelalterliche Balduin­brücke auf kräftigen Pfeilern ruht. Mit 13 Bögen wurde sie im Jahre 1343 unter Kurfürst Balduin errichtet. Aber im Jahre 1975 wurde sie umgebaut, so daß sie heute nur noch zehn Bögen hat.

Die Kurfürstliche Burg (auch „Alte Burg“ genannt) steht gleich bei der Brücke. Sie wurde um 1260 begonnen, die Hauptbauzeit war von 1276 bis 1289. Aber so richtig  fertig wurde sie erst im 17. Jahrhundert, als sie noch einmal stark verändert wurde. Die zwei Rundtürme mit  ihren Zwiebelhauben verleihen ihr ein barockes Aussehen. Außerdem hat der viereckige Bau eine ornamentreiche Wendeltreppe.

Wenige Schritte ostwärts findet sich rund um den Florinsmarkt das vielleicht schönste Bauensemble der Stadt: Die zweitürmige ehemalige Stiftskirche St. Florin steht auf römischen Fundamenten und wurde Anfang des 12. Jahrhunderts erbaut. Sie hat zwei niedrige Türme und eine romanische Westfassade, die schön gegliedert ist. Nach vielen Zerstörungen enthält sie nur noch wenige originale Ausstattungstücke. aber im Seitenschiff eine Reihe wertvoller gotischer Glasgemälde.

Neben der Kirche stehen drei Gebäude, die zusammen das Mittelrhein - Museum bilden: Der alte Adelssitz „Bürresheimer Hof“ aus der Zeit um 1650, das ursprünglich gotische Alte Kauf- und  Danzhaus aus dem 15. Jahrhundert (das seine heutige Form 1724 erhielt) sowie das ehemalige Schöffenhaus von 1530. Hier gibt sehenswerten Sammlungen mittelrheinischer Kunst vom 15. bis 19. Jahrhundert (Di-Sa 10.30-17. So und Fei 11-18 Uhr).

Sehenswert in der Stadt sinastor – Dom von  836 (heutige Form 1208), die Liebfrauenkirche  aus dem  12. Jahrhundert), die Stiftskirche aus dem  12. Jahrhundert), das Rathaus, ehemaliges Jesuitenkolleg und das Stadttheater und das ehemalige  kurfürstliche Hoftheater mit Innenarchitektur nach Versailler Vorbild.  An der Kreuzung Altengraben / Marktstraße stehen die „Vier Türme“: Hofbaumeister Sebastian setzte 1689 an die Kanten der vier Eckhäuser kunstvoll verzierte Hauserker, die sich mit ihrem reichen Schmuck gegenseitig zu übertrumpfen suchen.

Wo Rhein und Mosel zusammenfließen, liegt das Denkmal  „Deutsche Eck“. Es heißt so, weil dahinter das Deutschordenshaus steht. Der Deutsche Orden gründete hier 1216 seine erste Komturei am Rhein. Der stattliche Renaissancebau diente einst dem Ritterorden als Spital. In den Bauten des Deutschherrenhauses ist seit 1922 eine umfangreiche Sammlung moderner französischer Kunst untergebracht, die der mittlerweile verstorbene Aachener Kunstmäzen Peter Ludwig, ein gebürtiger Koblenzer, seiner Heimatstadt - sehr zu deren Freude - vermacht hat.

Umstrittener war dagegen die Wiedererrichtung des pompösen Bronzedenkmals Kaiser Wilhelm I. von 1897, das in den letzten Kriegstagen noch zerstört worden war. Doch seit September 1993 reitet Wilhelm nun wieder in Siegerpose hinaus zu der Stelle, an der Rhein und Mosel sich vereinen.

Zwei Kilometer vom Deutschen Eck rheinaufwärts steht das riesengroße kurfürstliche Residenzschloß, größter und reinster klassizistischer Bau am Rhein. Mit seinen Rondellen und seinem streng gegliederten Park greift es weit in die Koblenzer Neustadt hinein. Es wurde in den Jahren 1780 bis 1786 von Sebastini unter dem letzten Kurfürsten Clemens Wen­zeslaus erbaut, der auch lieber in Koblenz wohnte als in Trier. Zuvor hatten die Kurfürsten auf der Festung Ehrenbreitstein auf der gegenüberliegenden Rheinseite residiert.

Daneben  bei der Pfaffendorfer Brücke  hat man ein  „Weindorf“ eingerichtet. Seine alten Fachwerkhäuser stehen unmittelbar am Rhein unter mächtigen Kastanienbäumen versteckt.

Die Fachwerkhäuser sind allerdings nicht alt, sondern ein Nachbau von 1925. Aber in dieser romantischen Umgebung finden sich gern die Touristen ein und geraten schnell in Stimmung.

 

 

Ehrenbreitstein

Gegenüber von Koblenz auf der östlichen Rheinseite liegt auf 118 Meter Höhe die Festung Ehrenbreitstein. Ein Besuch lohnt sich allein schon wegen der wunderbaren Aussicht auf  Rhein, Mosel und ins weite Land. Ehrenbreitstein galt im 19. Jahrhundert als eine der stärksten Festungen in Europa. Wegen ihr wurde Koblenz auch schon als die „Militärhauptstadt Deutsch­lands“ bezeichnet. In der Tat ist sie des Landes größte Garnison, vielerlei militärische Ämter und Einrichtungen konzentrieren sich hier.

Schon vor mehr als 2000 Jahren ging es um die Absicherung des Moselübergangs an der römischen Heerstraße von Mainz nach Köln. Bereits um 1000 entstand hier die erste Burg, die im Laufe der Jahrhunderte zu einer uneinnehmbaren Feste ausgebaut wurde. Die heutige Anlage errichteten die Preußen 1817 - 1828. Die Bauten in schlichten, kubischen Formen passen sich in ihren wuchtigen Maßen dem stufenförmigen Gelände an, die Hauptgebäude wirken monumental. Diese Festung baut sich aus einer Vielzahl einzelner Komplexe auf. Besonders reizvoll ist der barocke Marstall.

Im Festungsbereich befinden sich neben zwei Gastronomiebetrieben das Landesmuseum Koblenz  (Staatliche Sammlung technischer Altertümer), die Festungskirche, das Ehrenmal des Deutschen Heeres und die Jugendherberge Koblenz. Andere Teile des Festungswerkes können von außen besichtigt werden. Von oben gibt es vom Festungshof aus eine grandiose Aussicht auf Koblenz, in das Rheintal und bis weit in die Eifel hinein.

 

 

Lahnstein

Am Fuß des Festungsberges stehen als Reste einer kurfürstlichen Residenz der ehemalige Marstall und das barocke Dikasterialgebäude (Verwaltungsgebäude). In der Altstadt gibt es historische Häuser, unter anderen das alte Rathaus und einen kurfürstlichen Zehnthof. Auch die Gedächtnisstätte im Geburtshaus der Mutter des Komponisten Ludwig van Beethoven ist zugänglich. Im geschichtsträchtigen „Wirtshaus an der Lahn“ ist auch Goethe eingekehrt.

Im Ortsteil Niederlahnstein ist sehenswert die Johanniskirche aus dem 12. Jahrhundert. Außerhalb des Stadtkerns am Rheinufer finden sich Reste der - heute leider verschütteten - römischen Befestigungsanlage (Hinweistafel). Auf einem Bergsporn erbaut ist die Allerheiligenbergkapelle auf den Resten einer Einsiedelei aus dem 17. Jahrhundert.

Auf der anderen Lahnseite erhebt sich Burg Lahneck über der Stadt. Hinter den Bahnanlagen steht die Martinsburg mit Teilen aus dem 13. und 14. Jahrhundert.  Umfangreiche Reste der Stadtmauer und der Mauertürme sind zu sehen. Außerdem gibt es die Kirche St. Martin aus dem 12. und 14.  Jahrhundert und das Rathaus aus dem 16. Jahrhundert.

Auf der Höhe erstreckt sich ein modernes Kurzentrum. Um die wildromantische Rupperts­klamm am Stadtrand zu erkunden, bedarf es der Qualitäten eines Bergwanderers.

 

Man kann ins romantische Mühlental fahren mit dem Turm der ehemaligen Wasserburg. Ziel kann auch sein Koblenz - Arenberg mit einer Wallfahrtskirche und einer ungewöhnlichen Parkanlage (Darstellungen aus der Welt der Bibel).

Ehrenbreitstein steht im Mittelpunkt des Feuer- und Lichterzaubers „Rhein in Flammen“, das jedes Jahr am zweiten Wochenende im August Zehntausende von Menschen und Hunderte von Schiffen ans Deutsche Eck lockt und bis nach Braubach reicht.

 

Braubach / Marksburg

Der Ort zählt zu den ältesten Ansiedlungen am Rhein. Winkelhakenförmig um den Fuß des Burgbergs errichtet, verbindet der alte Stadtkern mit seinen Gäßchen, Winkeln und Fachwerkhäusern den mittelalterlichen Eindruck eines Rheinstädtchens mit der Schönheit der Landschaft. Die in Teilen noch gut erhaltene Stadtbefestigung aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. führt noch den Burgberg hinauf, denn die Marksburg war in die Bewehrung einbezogen.

Einen Eckpfeiler der Stadtbefestigung bildete der Turm der ehemaligen Pfarrkirche St. Barbara aus dem 14. Jahrhundert. Außerdem blieben neben beträchtlichen Teilen der Wehrmauer der „Pangrafenturm“, das „Obertor“ mit Turm und die Reste von vier Schalentürmen erhalten. Auch die romanische Friedhofskapelle St. Martin, die Philippsburg von 1568 und im mittelalterlichen Stadtkern zahlreiche schöne Fachwerkhäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert sind sehenswert. Wenn man entlang des unterhalb gelegenen mittelalterlichen Ortskerns fährt und das historische Obertor passiert und auf der L 335 nach rechts in Richtung Dachsenhausen fährt, zweigt nach einigen hundert Metern rechterhand bei einem Parkplatz der schmale Fahrweg zur Marksburg ab.

 

Am Ausgang von  Kestert tauchen halblinks am Hang die Burgen Sterrenberg und Lieben­stein auf. Wohl keine andere Burg am romantischen Mittelrhein ist von so vielen Geschichten, Sagen und Legenden umwoben wie diese beiden, im Volksmund „die feindlichen Brüder“ genannt. Im Kern sind alle diese Geschichten gleich: Zwei Brüder sollen sich - je nach Sage aus Neid, Mißgunst oder Eifersucht - zerstritten und nach dem Leben getrachtet haben, weshalb sich die von ihnen bewohnten Burgen „feindlich“ gegenüber stehen. Beflügelt wird die Phantasie noch durch die Tatsache, daß sich zwischen den beiden Wehrbauten zwei Schildmauern und ein Halsgraben befinden. Trotzdem - alles Sage und Legende!

Sterrenberg, die flußabwärts gelegene ältere der beiden Burgen, war vor 1100 Reichsburg und gehörte ab 1195 den Reichsministerialen von Bolanden. Kurfürst Balduin von Trier (1307 - 1354) erwarb sie Mitte des 14. Jahrhunderts. Die von Bolanden zogen daraufhin auf die jüngere Burg Liebenstein, ursprünglich Vorburg von Sterrenberg. In den meisten dieser Sagen und Legenden spielt auch eine angebliche Schwester der beiden feindlichen Brüder und das am Fuße des Burgbergs gelegene Kloster Bornhofen eine Rolle. Mit dem Wahrheitsgehalt verhält es sich aber wie oben.

Tatsache ist, daß eine Kapelle seit 1224 und ein Gnadenbild seit 1289 erwähnt werden. Die heutige Wallfahrtskirche wurde 1435 geweiht. Die im späten 17. Jahrhundert angebaute Gnadenkapelle mit einer Pietà des 15. Jahrhunderts wurde vom Trierer Erzbischof Hugo von Orsbeck gestiftet. Er war es auch, der 1679 Kapuziner zur Betreuung der Wallfahrer einsetzte. Heute kümmern sich Franzis­kaner um den Pilgerstrom. Der Weg zu den Burgen und zur Wallfahrtskirche führt unter der Bahn hindurch rechts ab in Richtung Dahlheim / Lykers­hausen.

 

Lang erstreckt sich der Ort Kamp stromabwärts. Von seiner reichen Geschichte künden mehrere Adelshöfe und Fachwerkbauten aus verschiedenen Jahrhunderten. Das ehemalige Flößer- und Schifferdorf ist heute eine bekannte Fremdenverkehrsgemeinde im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal.

 

Sehenswert in dem flußabwärts gelegenen kleinen Ort Filsen ist neben mehreren gut erhaltenen Fachwerkhäusern vor allem das reizvolle alte Rathaus von 1611, das als Rest der alten Ortswehr die Dorfstraße torartig überbrückt. Ausgangs Filsen windet sich der Rhein in einer steilen, S-förmigen Schleife, dem sog. „Bopparder Hamm“ (hamus = Haken), an dessen Ende sich die schöne Flußfront des Ortes Osterspai erstreckt.

 

Die Marksburg gilt als eine der schönsten und bekanntesten Burgen Deutschlands und wird von rund 200.000 Gästen jährlich besucht. Die einzige unzerstörte Höhenburg am Mittelrhein stammt aus dem 12. - 14. Jahrhundert und ist seit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1231 bis heute ununterbrochen bewohnt. Seit 1900 ist der mächtige Trutzbau Eigentum und Sitz der Deutschen Burgenvereinigung, die sich der Dokumentation, wissenschaftlichen Bearbeitung und denkmalpflegerischen Betreuung von rund 30.000 Burgen und Schlössern im deutschsprachigen Raum verschrieben hat. Die Marksburg beherbergt die größte burgenkund­liche Bibliothek Europas. In der „Schatzkammer Deutschland“ wird sie wie folgt beschrieben: „Das Burgleben des Mittelalters wird lebendig in den als Museum hergerichteten Innenräumen der Burg, in Kemenate, Rittersaal mit Toilette aus damaliger Zeit, Kapelle, Waffen- und Rüstkammer und in der Burgküche mit Kamin von 1350, mit Kupfergefäßen und Tonkrügen. Eine Seltenheit ist das Burggärtlein mit mittelalterlichen Heil- und Gewürzkräutern und Zierpflanzen“.

 

 

Boppard

Kaum eine Stadt kann ihre Entwicklung von der Römerzeit über Spätantike und Frühmittelalter bis zur Neuzeit anhand ihrer historischen Bausubstanz derart lückenlos belegen wie das linksrheinische Boppard. Schon die gewaltigen Bruchsteinmauern der römischen Festung „Bodobrica” aus dem 4. nachchristlichen Jahrhundert geben der Gemeinde außerordentlichen Rang. Das Bauwerk sicherte mit drei Meter dicken Mauern und 28 Türmen, von denen zwei vollständig erhalten sind, auf einer Fläche von fast fünf Hektar eine der wichtigsten römischen Siedlungen am Rhein. Es sind noch bis zu 10 Meter hohe Türme und Mauern vorhanden, es handelt sich um die besterhaltene römische Kastellmauern in Deutschland.

Die Ausdehnung entspricht weitgehend dem heutigen Altstadtkern. Auch nach dem großen Alamannen- und Frankensturm ind en Jahren 406 / 407 wurde das festungsartige Kastell weiter genutzt. So konnten 30 Gräber aus fränkischer Zeit nachgewiesen werden. Unter „Schneewittchensärgen” sind drei davon dort zu besichtigen. Von der mittelalterlichen Stadtbefestigung sind Tore und lange Mauerzüge erhalten, erbaut auf Fundamenten der römischen Festung.

Und nicht zuletzt der Fund eines frühchristlichen Taufsteins aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts deutet auf die Weiternutzung der römischen Fundamente unter geänderten kulturellen Vorzeichen. Über dem heute in der Vorhalle sichtbaren Taufbecken aus dem 5. Jahrhundert und dem dazugehörigen Kirchlein erwuchs die romanisch - gotische St.- Severus-Kirche. Ihre Doppelturmfassade mit Stufenportal aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts verleiht Boppard zusammen mit den Türmen der heute als Stadtmuseum genutzten kurtrierischen Festung sein unverwechselbares Ortsbild.

Die katholische Pfarrkirche St. Severus (vor 1225) ist eine spätromanische Emporenbasilika, der Chor ist von 1236, das Kruzifix um 1230 entstanden (eins der bedeutendsten . Werke Staufischer Holzplastik am Mittelrhein). Die katholische Kirche des ehemaligen Karmeliterklosters (1319 – 1454) ist turmlos, hat aber eine wertvolle Ausstattung: geschnitztes Chorgestühl (um 1460), barocker Hochaltar (1699), Wandmalereien (1407), 15 Totenschilde und Grabdenkmäler.

Die Kurtrierer Burg ist im Kern aus dem 14. Jahrhundert und eine ehemals von Wassergräben umgebene Tiefburg: Nach dem Brand von 1499 wurde sie verstärkt. Sie hat runde Ecktürme und einen Bergfried als Wohnturm. Im Obergeschoß ist eine Kapelle mit wertvollen Fresken aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Heute ist die Burg das Stadtmuseum, unter anderem mit einer Thonet - Möbelausstellung.  Der Stadthof der Familie von Schwalbach ist aus dem  15. Jahrhundert, der Eltzer Hof von 1566.

Nach dem Bummel durch die Altstadt läuft man die Rheinpromenade stromabwärts und stößt bald auf die Markierung mit der weißen Ziffer 37 auf grünem Grund. Sie geleitet ein Stück an der B 9 entlang, ehe der Weg links unter den Bahngleisen hindurchführt. Jetzt kann der Aufstieg über fast 100 Stufen durch die sogenannte „Bopparder Hamm“ beginnen.An dem amphitheatrisch geformten Schieferhang gedeihen einige der besten Rieslinge im gesamten Mittelrheintal. Die imponierende Sicht von den Rebenterrassen über das Rheintal wird dann erst einmal unterbrochen. Es folgt der steile Abstieg ins tief eingeschnittene Petersloch. Nach einem Wirtschaftgebäude mitten im Wald  muß man wieder in den Berggang schalten.

Über Serpentinen geht es hinauf auf den Jakobsberg, wo den Wanderer ein gehobenes Hotel - Restaurant erwartet. Es entstand auf den Fundamenten eines 1157 von Kaiser Friedrich I. gegründeten Klosters. Der Hotelzufahrt folgt man nur kurz nach links. Bald steht man wieder im Wald, dort aber etwas im Stich gelassen von der Markierung 37. Deshalb ist Folgendes zu beachten: An einem Fünf - Wege - Stern orientiert man sich in Richtung „Rhens -Brodendorf”, jedoch nicht an der nächsten Gabelung mit der Anzeige „Jugendzeltplatz / Schauren” und auch nicht an dem späteren Linksabzweig „Panoramaweg“ (P).

 

Wenn das Schild „Vierseenblick” sowie die Markierungen roter Rhombus und schwarze Ziffer 19 auftauchen, erhält man damit zusätzliche Hilfestellung. Vollends auf der richtigen Seite ist man im Geleit des weißen R (= Rheinhöhenweg), nachdem der Pfad stramm bergab führend die Engelseiche erreicht hat. Ohne Umschweife führt das neue Zeichen zum Höhepunkt dieser Wanderung, dem landschaftlichen Vexierspiel am „Vierseenblick”. Von diesem Aussichtspunkt betrachtet, wirken die Rheinschleifen zwischen Boppard und Braubach wie vier nicht miteinander verbundene „Seen”.

Nur wenige Meter weiter bietet sich am Gedeonseck abermals ein spektakulärer Ausblick - hier vor allem auf das an der engen Flußwindung gelegene Boppard. Zum Schluß fliegt einem förmlich die Stadt zu, sofern man den bis Ende Oktober geöffneten Sessellift zur Überwindung der steilen Flanke an der Bopparder Hamm benutzt. Buchstäblich über Stock und Stein kann man aber auch, dem „R” folgend, den Abstieg zu Fuß riskieren oder weniger gefährlich die Zufahrt zu den beiden Gaststätten am Gedeonseck und dem „Vierseenblick” benutzen (Rhein-Main, 265).

 

 

St.  Goar / Burg Rheinfels

Heute liegt St. Goar mitten in Rheinland - Pfalz, auf halber Strecke zwischen Bingen und Koblenz. Fast vergessen ist, daß hier früher über Jahrhunderte „Hessen“ die Wacht am Rhein hielt. Der Ort selbst war dabei weniger von Interesse, war gewissermaßen nur eine Dreingabe.

Viel Platz zur Ausdehnung blieb da auch später nicht. Auf schmalem Grundriß drängen sich die Häuser. Neben der Rheinpromenade und der Uferstraße ist gerade noch Raum für zwei Parallelgassen

Der Ursprung des Städtchens geht zurück auf einen Einsiedler, der Mitte des 6. Jahrhunderts hier lebte. An seinem Grab entstand ein Kloster, aus dem sich bereits unter den Karolingern eine kleine Siedlung entwickelte. Obwohl nie offiziell mit den Stadtrechten ausgezeichnet, gelangte der Ort im Mittelalter durch die zahlreichen Wallfahrten zu hohem Wohlstand und verfügte über Privilegien wie Markt, Gericht und Zoll.

Die Fußgängerzone führt durch eine Galerie teutonischer Souvenirs, die ein offensichtlich un­ausrottbares Bedürfnis nach romantischen Klischees befriedigen - von der „größten freihängenden Kuckucksuhr Deutschlands“ bis zum „größten Bierkrug der Welt“ (1,50 Meter hoch). Die unvermeidlichen Begleiterscheinungen des Rheintourismus mag man andererseits als Zeichen dafür werten. daß in St. Goar zusam­menkommt, was die Rheinromantik eigentlich ausmacht: Burgen. Kir­chen, Wein, Dampferfahrten und ein Mythos wie aus dem Sagenbuch.

 

Pfarrkirche:

Das heutige Bild des Städtchens wird durch die ehemalige Stifts- und heutige evangelische Pfarrkirche geprägt. Sie wurde bereits im 7. Jahrhundert gegründet. Von ihr sind aber keine Reste erhalten. Von einem salischen Neubau im späten 11. Jahrhundert überstand die Krypta den großen Brand des Jahres 1137. Der Chor mit frühgotischem Maßwerk im Mittelfenster entstand um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Der Bau des spätgotischen Langhauses wurde 1444 begonnen und 1469 vollendet. Um 1100 erfolgte die Umwandlung der Kirche in ein Chorherrenstift, das bis zur Einführung der Reformation 1527 zur Abtei Prüm gehörte.

Die dreischiffige Hallenkirche besitzt eine reiche Ausstattung, darunter unter anderem eine gotische Kanzel, eine vollständig erhaltene dekorative und figürliche Ausmalung aus der Zeit zwischen 1469 und 1479 und mehrere Grabdenkmäler aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Der 1583 verstorbene Landgraf Philipp II. von Hessen - Rheinfels wurde mit seiner Gemahlin in der Stiftskirche zu St. Goar beigesetzt. Ihre großartigen Renaissance - Epitaphe fügen sich in die reich ausgestattete spätgotische Hallenkirche ein. Deren vollständig erhaltene, flächenfüllende Wand- und Deckenmalereien sind am Rhein ohne Beispiel.

Burg Rheinfels:

Sichtbarster Ausdruck der neu gewonnenen Stärke der Grafen von Katzenelnbogen war und blieb Burg Rheinfels, die größte und mächtigste der Rheinfestungen. Graf Diether V. von Katzenelnbogen ließ sie 1245 auf einem Felssporn oberhalb des Städtchens St. Goar auf dem linken Rheinufer errichten. Mit ihrer Hilfe war es ihm möglich, Zoll von den rheinaufwärts fahrenden Schiffern zu kassieren. Die Schiffe wurden mit Seilen oder Ketten gestoppt, die Waren kontrolliert, erfaßt und tarifiert, dann waren die entsprechenden Abgaben zu zahlen. Ein äußerst einträgliches Geschäft, das den Katzenelnbogenern viele Tausend Goldgulden im Jahr einbrachte und sie bis zum Aussterben des Geschlechts 1479 zu einem der reichsten Adelshäuser in Deutschland werden ließ.

Nur zehn Jahre nach der Errichtung von Burg Rheinfels erhöhte Graf Diether den Zoll, obwohl er erst kurz zuvor dem Rheinischen Städtehund beigetreten war. Diesem Bündnis  - das nur drei Jahre von 1254 bis 1257 existierte - gehörten 59 Städte an, unter anderem Mainz, Worms, Oppenheim, Bingen, Frankfurt und Köln, aber auch Zürich, Aachen, Bremen, Lübeck und Nürnberg. Ziel ihres Zusammenschlusses war es zum einen, Konflikte zu vermeiden und durch eine eigene Kriegsflotte den Handelsverkehr auf dem Rhein zu schützen. Daneben wollten die Mitglieder des Bundes aber auch die etwa dreißig verschiedenen Rheinzölle abschaffen, über die sich die Händler allenthalben bitter beklagten. Diese Forderung paßte allerdings gar nicht zu den Plänen des Grafen Diether, der die Baukosten für seine Burg wieder hereinholen wollte. So kam es zum Bruch mit dem Rheinischen Städtebund, der Truppen nach St. Goar schickte, um den widerborstigen Grafen in seine Schranken zu weisen und Burg Rheinfels zu besetzen. Doch die hielt stand.

Von der Spitze des Torturms aus sieht man auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins die Burg Katz, die die Grafen von Katzenelnbogen um 1370 errichten ließen. Dadurch wurde es möglich, auch von den rheinabwärts fahrenden Schiffen Zoll zu verlangen - den St. Goarer Doppelzoll nannten das die wenig erfreuten Zeitgenossen. Etwas weiter flußabwärts erkennt man außerdem Burg Maus, eine Gründung des Erzbischofs von Trier, eines Rivalen der Katzenelnbogener. Burg Katz gehört heute einem japanischen Millionär, auf Burg Maus ist ein Adler- und Falkenhof untergebracht.

Die umfangreichsten Neu- und  Umbauten auf Burg Rheinfels ließen die hessischen Landgrafen vornehmen, die 1479 die Besitztümer der Grafen von Katzenelnbogen geerbt hatten. Unter ihnen wurde die Burg zu einem repräsentativen Residenzschloß umgestaltet. Im Zuge dessen entstand übrigens gegen Ende des 16. Jahrhunderts auch der große Weinkeller, der mit einer Länge von 24, einer Spannweite und Höhe von je sechzehn Metern als der größte

freitragende Gewölbekeller in Europa gilt Die Mauern sind an einigen Stellen knapp vier Meter dick. In dem Keller befand sich früher ein gemauertes Weinfaß mit einem Fassungsvermögen von etwa 200.000 Litern. Vor zehn Jahren wurde der Keller umfassend renoviert und in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Seither dient er als Veranstaltungsort für Konzerte, Theateraufführungen und Firmenfeiern.

Im 14. Jahrhundert entstand ein mehr als 50 Meter hoher Bergfried, von dem aus man weit in den Taunus und den Hunsrück blicken konnte - das war Rekord in Deutschland. Von dem Turm ist heute leider nur noch der Stumpf zu sehen. Anderes hat sich besser erhalten oder wurde wieder aufgebaut, so daß man die Entwicklung der Rheinfels von einer mittelalterlichen Höhenburg zu einer neuzeitlichen Festung gut nachvollziehen kann.

Die beeindruckendsten der erhaltenen Teile der Kernburg sind der dreistöckige Palas, auch „Darmstädter Bau“ genannt, der zur Renaissancezeit aus Fachwerk mit spitzen Giebeln bestand, der nördliche Wohnbau mit einem rheinseitigen Eckrundturm und einem hofseitigen Treppenturm, in dem heute das Burgmuseum untergebracht ist, und der Torturm, durch den man die ganze Anlage betritt.

Die hessischen Grafen waren es aber auch, die seit der Wende zum 16. Jahrhundert die starken vorgelagerten Festungswerke rund um die Rheinfels errichteten. Damit zeigten sie zunächst, daß sie die Zeichen der Zeit erkannt hatten: Die Erfindung des Schießpulvers und der Einsatz von Kanonen machten die mittelalterlichen Burgen verwundbar. Nicht ahnen konnten die Hessen zu jener Zeit freilich, daß sie selber einmal nicht nur Angegriffene, sondern auch Angreifer sein würden. Denn nach dem Tod des berühmten Landgrafen Philipp des Großmütigen 1567 und der Teilung der Grafschaft Hessen entbrannte zwischen den beiden hessischen Häusern Kassel und Darmstadt ein heftiger Streit um die Burg. Besonders während des Dreißigjährigen Krieges, als die Kasseler auf der Seite der protestantischen Union, die Darmstädter auf der Seite des katholischen Kaisers kämpften, lieferten die beiden Häuser sich blutige Kämpfe um die Burg Rheinfels.

Schon die Katzenelnbogener hatten aus ihr eine der mächtigsten Festungen am Rhein gemacht, die alle Belagerungen erfolgreich überstand. Die verschiedenen hessischen Linien, in deren Besitz die Burg wechselweise ging und um die sie sogar Krieg un­tereinander führten, bauten sie schließlich zu einer der größten und schönsten Bollwerke im Reich aus. Ein Gemälde von Dilich aus dem Jahre 1607 zeigt ein herrliches Renaissanceschloß mit rot gestriche­nen Fachwerkbauten, einer Fülle von verschwenderischen Giebeln, Erkern, Türmchen und Gauben. Solch leicht verwundbaren Luxus konnte man sich nur erlauben, weil potentielle Angreifer mit einer tiefgestaffelten Abfolge von Zwingern und Vorwerken auf Distanz ge­halten wurden.

Nach dem Ende des Krieges 1648 schlossen die verfeindeten Verwandten dann einen Vergleich, durch den die Burg Rheinfels und die Stadt St. Goar zwischen ihnen geteilt wurden. Ein Jahr darauf machte Landgraf Ernst von Hessen - Rheinfels - Rotenburg, Sohn des Landgrafen Moritz von Hessen - Kassel, Rheinfels zu seiner Residenz und ließ die Festungsanlagen noch einmal verstärken. Die erhaltenen Wehrgänge sind heute noch begehbar. Das gilt auch für die unterirdischen Minengänge, die bis weit vor die Burg getrieben worden waren, unter anderem um Sprengladungen unter den Truppen der Angreifer zünden zu können. Die Tunnel sind frei zugänglich, allerdings nicht beleuchtet, so daß man eine Taschenlampe mitbringen sollte, und sehr niedrig, was sie vor allem für Kinder interessant macht.

Die Verstärkung der Bollwerke auf der Bergseite der Burg unter Landgraf Ernst verhinderte 1692, daß die Franzosen  - die unter dem „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. versuchten, die westlichen Teile des deutschen Reiches zu erobern - Rheinfels einnehmen und das Mittelrheintal besetzen konnten. Mit nur 4000 Mann verteidigte Graf Görtz, General des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel, die Burg als letzten deutschen Stützpunkt gegen ein Heer von 28.000 französischen Soldaten. Obwohl Ludwigs Truppen mit sechzig Kanonen tagelang in die Burg hineinfeuerten, mußten sie schließlich ohne Erfolg abziehen. Als einzige linksrheinische Burg überstand Rheinfels den Ansturm der französischen Truppen 1692 / 1693. Nur 4000 Verteidi­ger trotzten damals einer Obermacht von rund 28.000 Mann.

Kampflos aufgegeben und größtenteils gesprengt wurde die Anlage erst 1796. Jetzt nahten die Franzosen abermals, diesmal im Namen der Revolution und so zahlreich, daß sie die Festung kampflos eroberten. Wie fast alle Burgen am Rhein zerstörten die Franzosen auch die Rheinfels: Im Jahre 1796 wurden die vorgelagerten Festungswerke gesprengt, 1797 auch das Schloß und der Bergfried.

Der nahe Loreleyfelsen wird es nicht gewesen sein, der die Katzenelnbogener Grafen bewogen hatte, zur Mitte des 13. Jahrhunderts am Übergang der Hunsrückstraße zum Taunus eine mächtige Zollburg zu erbauen. Im Gegenteil: Die Verheißungen der blondgelockten Sirene auf dem Felsen müssen sich ausgesprochen geschäftsschädigend für die Einnahmen der Katzenelnbogener ausgewirkt haben. Manche Hoffnung auf reiche Abgaben zerschellten da schon vor dem Passieren von St. Goar.

Genügend Kapitäne werden die Fährnisse der Loreley aber noch umschifft haben. Anders hätte das aus dem Taunus stammende und aus bescheidensten Verhältnissen aufgestiegene Katzenelnbogener Grafenhaus nicht innerhalb von 400 Jahren zu einem der reichsten deutschen Geschlechter werden können. Am Rhein. der wichtigsten Handelsstraße Europas. besaß es zwischen Gernsheim und Düsseldorf ein Dutzend lukrativer Zollstätten. Allein an der Burg Rheinfels über St. Goar betrugen die Einkünfte zusammen mit der gegenüberliegenden Schwesterburg „Katz“ rund 10.000 Gulden im Jahr (zum Vergleich: ein Pferd kostete damals 20 Gulden). Mit diesem Geld bauten die Katzenelnbogener nicht nur eine Kette von Burgen am Mittelrhein. an der Bergstraße und im Odenwald, die von der Befestigungskunst her wie auch architektonisch - teilweise durch Eindrücke, die die Grafen auf Reisen nach Palästina sammelten - immer auf dem neuesten Stand waren.

Darüber hinaus alimentierten die heimlichen Herren am Mittelrhein auch die Kurfürsten und Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier mit großen Summen. Allein der Mainzer Erzbischof stand im 15. Jahrhundert mit 100 000 Gulden bei ihnen in der Kreide. Das verpflichtete. Vermutlich nur dank des Mainzer Einflusses am Hofe gelang es dem letzten männlichen Vertreter der Katzenelnbogener Grafen Philipp die Rückgabe („Heimfall“) der Reichsgrafschaft an die Krone zu verhindern, nachdem sich abzeichnete. daß er ohne Sohn bleiben werde. Es fügte sich, daß der hessische Landgraf Heinrich III. beim Ableben Philipps 1479 mit der Erbtochter Anna vermählt war. Eine größere und reichere Mitgift hat Hessen zuvor und danach nie mehr erhalten. Die eher unbedeutende, auf Mittel- und Nordhessen beschränkte Landgrafschaft griff nun weit nach Süden aus und ihren Nachbarn tief in die Taschen. Ohne den territorialen und finanziellen Zugewinn hätte Hessen beispielsweise in der Reformationszeit keine so bedeutende Rolle spielen können.

Sichtbarster Ausdruck der neu gewonnenen Stärke war und blieb Burg Rheinfels. Schon die Katzenelnbogener hatten aus ihr eine der mächtigsten Festungen am Rhein gemacht, die alle Belagerungen erfolgreich überstand. Die verschiedenen hessischen Linien. in deren Besitz die Burg wechselweise ging und um die sie sogar Krieg untereinander führten, bauten sie schließlich zu einer der größten und schönsten Bollwerke im Reich aus. Ein Gemälde von Dilich aus dem Jahre 1607 zeigt ein herrliches Renaissanceschloß mit rot gestrichenen Fach­werkbauten, einer Fülle von verschwenderischen Giebeln, Erkern, Türmchen und Gauben. Solch leicht verwundbaren Luxus konnte man sich nur erlauben, weil potentielle Angreifer mit einer tiefgestaffelten Abfolge von Zwingern und Vorwerken auf Distanz gehalten wurden. Als einzige linksrheinische Burg überstand Rheinfels den Ansturm der französischen Truppen 1692/93. Nur 4000 Verteidiger trotzten damals einer Obermacht von rund 28 000 Mann. Kampflos aufgegeben und größtenteils gesprengt wurde die Anlage erst gut 100 Jahre später.

Umfangreiche Sicherungsarbeiten haben der Burg seit Mitte des letzten Jahrhunderts außer den Türmen weitgehend ihre frühere Substanz zurückgegeben. Bis in die letzten Ecken der verwinkelten Weitläufigkeit. auf den Bastionen und Schildmauern darf herumgeklettert und in das riesige Tonnengewölbe des Kellers mit seinen stockdunklen Minengängen hinabgestiegen werden. Ein kleines Burgmuseum vermittelt anhand von Modellen, Karten, Alltagsgegenständen und Waffen noch einen Abglanz der großen Zeit der Veste und ihrer Besitzer. Einer von Ihnen, der 1583 verstorbene Landgraf Philipp II. von Hessen - Rheinfels wurde mit seiner Gemahlin in der Stiftskirche zu St. Goar beigesetzt. Ihre großartigen Renaissance - Epitaphe fügen sich in die reich ausgestattete spätgotische Hallenkirche ein. Deren vollständig erhaltene, flächenfüllende Wand- und Deckenmalereien sind am Rhein ohne Beispiel.

 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts standen am Rhein fast nur noch Ruinen. Viele wurden dann aber im Zuge der in dieser Zeit einsetzenden „Rheinromantik“ ganz oder teilweise wieder aufgebaut. Die Reste der Rheinfels wurden 1812 von den Franzosen an einen St. Goarer Händler verkauft. Nachdem die Ruine eine Zeitlang Steinbruch zum Bau der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz gewesen war, kaufte sie 1843 Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., und bewahrte sie vor weiteren Zerstörungen. Seit 1925 ist sie im Besitz der Stadt St. Goar. Umfangreiche Sicherungsarbeiten haben der Burg seit Mitte des letz­ten Jahrhunderts außer den Türmen weitgehend ihre frühere Sub­stanz zurückgegeben.

Ein kleines Burgmuseum vermittelt anhand von Modellen, Karten, Alltagsgegenständen und Waffen noch einen Abglanz der großen Zeit der Veste und ihrer Besitzer. Bis in die letzten Ecken der verwinkelten Weit­läufigkeit, auf den Bastionen und Schildmauern darf herum­geklettert und in das riesige Tonnengewölbe des Kellers mit seinen stockdunk­len Minengängen hinabgestiegen werden.

Nur wenige Schritte weiter gibt es ein ganz anderes Schatzhaus zu bestaunen. das „Deutsche Puppen- und Bärenmuseum“. Trotz der Titulierung „deutsch“ erhebt das aus einer Privatsammlung hervorgegangene Museum keinen Anspruch auf Systematik. Bei 2000 Pup­pen und 700 Bären, unter ihnen fast vollständige Serien mit Käthe - Kruse- und Schildkröt-Puppen sowie Steiff - Tieren, kommen auch Sammler auf ihre Kosten. Museumsinitiatorin Eleonore Goedert geht es aber in erster Linie um die Liebe zum Spielzeug. Da haben dann auch schon mal zerdrückte Püppchen und abgeliebte Bären ihr letz­tes Zuhause gefunden. inmitten von schmucken und teilweise sehr wertvollen Artgenossen. Der Museumsladen am Eingang ist eine wahre Fundgrube für jeden, der sich ein Stück Kindheit bewahrt hat. Dort fehlt es an nichts für die komplette Puppenstubeneinrichtung. Es gibt jede Menge Kleidchen und Ersatzteile für Puppen (notfalls repariert Frau Goedert in der angeschlossenen Puppenklinik selbst) – und natürlich Bären in allen Größen.

 

 

Loreley

St. Goarshausen hat ein altes Fachwerk - Rathaus  von 1532. Von der Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert sind zwei Türme erhalten. Die  Burg Katz (nicht zu besichtigen) wurde um 1372 erbaut (1353 bis um 1380) durch Graf Johann III. von Katzenelnbogen. Im Jahre 1806 wurde sie zerstört und 1896 – 1898 wieder aufgebaut; sie hat einen hohen Palas und einen mächtigen Bergfried. Im Stadtteil Wellmich steht die katholische Pfarrkirche St. Martin aus dem  14. Jahrhundert, eine gotische Hallenkirche mit Fresken aus dem 14. oder 15. Jahrhundert.

 

Deutschlands meistbesungener Felsen wird besungen in dem berühmten Gedicht von Heinrich Heine, das von Friedrich Silcher vertont wurde: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin, ein Märchen aus uralten Zeiten, das geht mir nicht aus dem Sinn....“. Die besungene Dame und der in den Strom ragende schroffe Felshang symbolisieren bis heute den Inbegriff der Rheinromantik. Und dabei handelt es sich nicht einmal um eine der zahlreichen alten überlieferten Sagen und Legenden, sondern um eine 1801 vom Koblenzer Dichter Clemens Brentano erfundene und in seinem Roman „Godwi“ erschienene Geschichte. Ihren angestammten Platz auf dem Felsengipfel hat die Loreley übrigens längst aufgegeben. Sie sitzt heute ein paar hundert Meter weiter stromabwärts auf der Spitze der Mole des Winterhafens. Von einem links der Straße gelegenen Parkplatz führt ein Fußweg zu ihr hin.

Vom Bahnhof läuft man an der Rheinpromenade von St. Goarshausen zunächst gegen die Fließrichtung des Stromes. Vorbei an einem mittelalterlichen Turm, in dem ein kleines Weinmuseum untergebracht ist, geht es kurz darauf links ab in die Forstbacher Straße mit der Richtungsanzeige „Lore­ley”. Diesem folgt man erst einmal auf Gehwegen, dann auf den Banketten der Fahrbahn. Nach einer weiten Rechtskurve kann man links ausweichen und dem Forstbach auf einem schmalen Pfädchen folgen. Vorsicht ist geboten, Blätter und glatte Felsstufen verlangen auf dem rutschigen Terrain erhöh­te Aufmerksamkeit.

Nachdem man an der Straßeneinmündung von Patersberg angelangt und die Loreley - Zu­fahrtsstraße diagonal gequert hat, setzt sich der schmale Weg an der anderen Hangseite hinauf nach Heide fort. Hier tritt auch das Zeichen für den Rheinhöhenweg, ein „R“, hinzu. Oben angelangt, leitet es sicher am Rande der Neubausiedlung Heide entlang. Zu be­achten ist der scharfe Rechtsknick an den letzten Häusern, denen sich eine kurze Waldpartie anschließt. Kaum die Bäu­me hinter sich gelassen, heißt es nach Linksabzweig geradeaus über das offene Loreley - Plateau laufen. Gewiß könnte man auch von hier darauf zusteuern, aber man kann den Bogen etwas erweitern, um einen Weinlehrpfad mit einzube­ziehen.

Weiterhin marschiert man durch die Felder bis zum Rechtsabzweig in Richtung Leiselfeld. Wenn kurz darauf das „R“ links abführt, geht es ohne Markierung den befestigten Weg bei leichtem Gefälle weiter geradeaus. Mit der bald von links auftauchenden Markierung „RP“ schlendert man über ei­nige Serpentinen bis kurz vor das einsam liegende Gehöft Leiselfeld. Dort biegt man rechts in Richtung Loreley ab.

Erst noch über Wiesen, dann durch Wald und frühere Wein­bergsterrassen kommt man zu einem Weinlehrpfad. Neben Erläuterungen zu den bevorzugt angebauten Sorten - Ries­ling, Kerner, Spätburgunder - wird daran erinnert, wem die Rebenherrlichkeit am Rhein zu verdanken ist: natürlich den Römern. Per kaiserlichen Befehl wurden im 3. Jahrhundert die Legionäre ausdrücklich dazu angehalten, die Wärme spendenden Uferflanken mit Weinstöcken zu bepflanzen.

So eingestimmt, nähert man sich der Loreley. Voraus erkennt man das am Eingang zur Freilichtbühne liegende Be­sucherzentrum, das mit Architektur und Konzeption den „Mythos Loreley” in seinen naturkundlichen, kultu­rellen und vor allem literarischen Zusammenhang stellt.

Nach links kommt man zur Felsspitze, wo die blonde Maid mit ihrem Sirenengesang einst die Rheinschiffer ins Verderben gestürzt haben soll. Nur: Zu se­hen ist nichts von ihr. In Denkmalform sitzt der Deutschen liebste Sagengestalt fernab an der Spitze eines Schutzhafens. Eine Treppe - Zugang etwa auf halbem Wege zwischen Aus­sichtspunkt und Freilichtbühne - führt über hundert Meter hinunter zum Flußufer. Die mäch­tige Ruine von Burg Rheinfels über St. Goar vor Augen, kommt man auf dem Treidelpfad direkt am Wasser oder ent­lang der Straße auf einem Fußweg zurück (Rhein-Main, 261).

 

Besucherzentrum:

„Eine Stunde vor Abfahrt des Floßes fuhr der Wahrschauer mit einer rot ‑ weiß gewürfelten Flagge los, um allen Schiffsverkehr wahrzuschauen, das heißt zu warnen. Außerdem sorgte er dafür, daß die Brücken geöffnet wurden und der vorgesehene Liegeplatz freigehal­ten wurde.“ Die Tücken der Flößerei auf dem Rhein und vieles über Flußlandschaft und Kulturgeschichte erfahren Aus­flügler im Loreley ‑ Besucherzentrum, das  Jahren oberhalb von St. Goars­hausen als Projekt der Weltausstellung Ex­po 2000 eröffnet wurde.

Ein begehbarer Reiseführer, der von den Ursprüngen der Landschaft bis heute erzählt und mit interaktiven Installatio­nen, Exponaten zum Anfassen, mit Schau­vitrinen, Kopfhörern, Multimedia‑Statio­nen und Leselupe den Mittelrhein mit dem sagenumwobenen Loreleyfelsen auf faszinierende und spielerische Weise er­schließt.

Mit leuchtenden Augen betrachtet der kleine Junge das Bild der rotflügligen Öd­landschrecke, die sich bis heute in den Schieferhalden wohl fühlt, und bewundert die Zeichnung des Großen Mausohrs, einer Fledermausart, die im Bergwerkstol­len lebt. „Gibt es die wirklich noch hier?“ Während er die Bilder über Fauna und Flo­ra anschaut, tönt das altbekannte Lied „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“, durch den Ausstellungsraum. Nebenan künden Flaschenetiketten von der einsti­gen Bedeutung des Weinbaus, dem viele Winzer Ende des 19. Jahrhunderts den Rücken kehrten, um fortan ihr Brot im Stein­bau zu verdienen. Heute sind die Wingerte im Mittelrhein zwischen Trechtingshau­sen bei Bacharach und Oberdollendorf bei Bonn nur noch auf ungefähr 600 Hektar bestockt.

Der vielbesungene Rhein, der die Men­schen mit Fischen und mit Trinkwasser versorgte, war lange Zeit bevorzugter Rei­se‑ und Transportweg, freilich kein unge­fährlicher. Die Verengung des Rheins ober­halb des 180 Meter hohen Loreleyfelsens, die Strudel und die engen Kurven sowie das Binger Riff machten die Gebirgsstrecke zu einem heiklen Abschnitt, und die Steuermänner waren auf Lotsen angewie­sen. Zwischen 1964 und 1976 wurde die Fahrrinne ausgebaut, moderne Navigati­onstechniken mit Echolot und Radar er­möglichen heute sogar nachts eine sichere Rheinpassage. Die Kehrseite der Medaille: 1988 schloß in Kaub die letzte und größte Lotsenstation am Mittelrhein, und die Lot­sen verloren ihren Job.

Zuerst kamen die Künstler, dann die Engländer. Als William Turner zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Gemälde von sei­ner Rheinreise in London zeigte, gab es für seine Landsleute kein Halten mehr: Sie eil­ten zum „Rhine River“ und begründeten den Rheintourismus. Zunächst schwärm­ten junge romantische Dichter, etwa Clemens von Brentano und Heinrich Heine in Romane und Gedichten vom „Vater Rhein“ .Dann wurde der Fluß vom aufkommenden Nationalismus vereinnahmt. Ernst Moritz Arndts Parole „Teutschlands Strom, aber nicht Teutsch­lands Gränze“, steht für diese Variante einer Rheinroman­tik.

Geblieben ist über die Jahrhunderte hin­weg der Mythos: Mit Hexen, Nixen und El­fen sah der Volksglaube seit ewigen Zeiten den Loreleyfelsen verzaubert. Im Mittel­punkt des Besucherzentrums befindet sich denn auch der kreisförmige Mythos­raum, dessen Außenwände blau angestri­chen sind ‑ die Farbe des Wassers. Hier wird das Entstehen der Legende bis hin zu ihren Klischees dargestellt ‑ einschließlich einer Kitschecke, in der die scheuß­lichsten Souvenirs ausgestellt sind. Wie sehr unheimliche Echos, gefährliche Stru­del und dunkle Wasser die Fantasie der Menschen zu allen Zeiten anregte, verdeut­licht mit spannenden Multimedia‑ Effek­ten und den Sirenengesängen der Loreley eine Tonfilmschau.

Halbkreisförmig wird man dabei von der Geologie des Rheinischen Schiefergebirges über Weinbau, Schiffahrt und Tourismus in einen abgedunkelten Multimedia - Raum ge­führt. Wie sich Clemens Brentano auf dem Hintergrund mittelalterlicher Sagenstoffe vom Wortklang „Lure = Rau­schen / Echo und „Ley = rheinisch für Fels zu seinem Kunst­märchen anregen ließ und daraus Heines unsterbliche Weise wurde („Ich weiß nicht, was soll es bedeuten"), wird hier mit modernsten visuellen Mitteln aufbereitet. Manches wird da entzaubert, zugleich aber eine neue Qualität geschaffen.

Das Besucherzentrum ist Teil des neu gestalteten Natur‑ und Landschaftsparks, der sich als besondere Attraktion des künf­tigen Weltkulturerbes Mittelrhein ver­steht. Rund um den Loreleyfelsen wurden Wege und Lehrpfade angelegt, die immer wieder aufs Neue einen spektakulären Blick auf das Rheintal eröffnen.

Das Besucherzentrum auf der Loreley in St. Goarshausen ist täglich geöffnet: bis zum 31. Oktober von 10 bis 18 Uhr und vom 1. November bis 31. März von 11 bis 17 Uhr. Der Eintrittspreis beträgt einen Euro.

 

St. Goarshausen / Burg Katz und Maus

Schmal und lang zieht sich das Städtchen den Rhein entlang. Mittelpunkt des alten Stadtkerns, der sich hakenförmig um den Burgberg spannt, ist der kleine malerische Marktplatz mit dem historischen Fachwerk-Rathaus von 1532. Begrenzt wird die Altstadt von den beiden hohen Ecktürmen der ehemaligen Stadtbefestigung von 1324. Von der Stadtmauer (14. Jahrhundert) sind zwei Türme erhalten. Bekannt war der Ort schon im Mittelalter, denn der Minnesänger Marner ließ in seinen Liedern hier den Nibelungenschatz ruhen.

Am Ortsende von St.Goarshausen geht es auf der B 274 in Richtung Limburg/Nastätten ab. Auf der Höhe erstreckt sich malerisch der Ort Patersberg mit seiner romanischen Kirche aus dem 12. Jahrhundert und einigen alten Fachwerkhäusern. Von hier oben bietet sich ein großartiger Blick auf die Burgen Rheinfels, Katz und Maus. Nur wenige hundert Meter entfernt erheben sich rechts der B 274 die Ruinen der Burg Reichenberg über der kleinen gleichnamigen Talsiedlung.

 

Die  Burg Katz (nicht zu besichtigen) wurde um 1372 erbaut durch Graf Johann III. von Katzenelnbogen. Im Jahre 1806 wurde sie zerstört und 1896–98 wieder aufgebaut.

 

Beeindruckend, ja fast drohend, erheben sich die umfangreichen Reste der Burg Maus. Die Burg hieß ursprünglich Peterseck. Die heute gängige Bezeichnung Maus erhielt sie wegen ihrer geringeren Größe und Machtposition gegenüber Burg Katz und den Grafen von Katzenelnbogen. Von den Trierer Erzbischöfen im 14. Jahrhundert (1353 bis um 1380) erbaut, war sie zeitweise auch deren Residenz. Im Jahre 1689 wurde sie erstört und 1900–06 wieder aufgebaut; sie hat einen hohen Palas und einen mächtigen Bergfried. Burg Maus zählte zu den modernsten Burgen ihrer Zeit. Unter anderem verfügte sie über große Sitznischen an den Fenstern und Heizmöglichkeiten in allen Gebäudeteilen. Zusammen mit St. Goarshausen, dem gegenüberliegenden St. Goar und der Feste Rheinfels lässt sie bis heute ein wenig von der einstigen Macht derer von Katzenelnbogen erahnen.

Im Stadtteil Wellmich steht die katholische Pfarrkirche St. Martin aus der Mitte des 14. Jahrhunderts mit wehrhaftem Westturm, eine gotische Hallenkirche mit Fresken (14. oder 15. Jahrhundert). Mehrere alte Fachwerkhäuser und die Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung säumen Weg.

 

 

Oberwesel

Die ehemals Freie Reichsstadt, heute gerne als „Stadt der Türme und des Weines“ bezeichnet, bietet mit der Schönburg, ihren Kirchen und der fast vollständig erhaltenen Stadtbefestigung eines der eindrucksvollsten historischen Ortsbilder am Mittelrhein. Und das trotz zahlreicher Kriegszerstörungen und Stadtbrände seit dem 16. Jahrhundert sowie zahlreicher Veränderungen und umfangreicher Neubauten, vor allem der Eisenbahnlinie im 19. und 20. Jahrhundert.

 

 

Kaub

Der Ort ist eine der bedeutendsten Weinbaugemeinden am Mittelrhein. Der Pfalzgrafenstein (die Pfalz bei Kaub) im Rhein, Burg Gutenfels und die befestigte Stadt waren früher wegen des gefürchteten Rheinzolls eine ausgesprochene Wehrstätte. Der Anblick der Befestigungsanlagen dürfte manchem Zeitgenossen, der vielleicht ursprünglich anderes im Sinn hatte, die Zahlung des Zolls erleichtert haben. Den besten Eindruck davon erhält der Besucher von der anderen Rheinseite aus.

Der Zollbetrieb für die Rheinschiffahrt begann 1326 mit dem sechsgeschossigen, fünfeckigen von König Ludwig dem Bayern erbauten Turm, an dem die Besucher nun ehrfürchtig empor schauen. Damals stand er noch allein auf dem wasserumspülten Fels, deshalb die stromaufwärts gerichtete scharfe Mauerspitze als Wellen- und Eisbrecher. Doch sogleich erhoben sich massive Proteste seitens des Klerus, der am Rhein zahlreiche Zollburgen unterhielt und der weltlichen Konkurrenz ein Dorn im Auge war.

Über Jahrhunderte hatte die Pfalz nur die eine Funktion: alle Vorbeifahrenden zu schröpfen, so arg, daß sich sogar ein leibhaftiger Papst (Johannes XXII.) in einem Schreiben zur Charakterisierung der Praktiken zu einem „verdammt“ hinreißen ließ. Daß dem Kirchenoberhaupt die maßlosen Zölle Vorwand gaben, den Zollnehmer. König Ludwig von Bayern. 1327 zu bannen, steht auf einem anderen Blatt.

 

Wie ein steinernes Schiff trotzt er seit Jahrhunderten dem Rhein: der Pfalzgrafenstein bei Kaub. Schier unerreichbar liegt diese mächtige mittelalterliche Zollstation auf einer kleinen Felseninsel mitten im Strom. Für ein paar Stunden allerdings läßt im Sommer eine Personenfähre, im Winter die Autofähre, Besucher hinüber, normalen Wasserstand vorausgesetzt. Etwas orientierungslos stolpern diese über Fels und Stein der Zollburg zu, die aus der Nähe noch wuchtiger wirkt als vom Ufer, erklimmen die hohen Stufen zum einzigen Eingang und betreten unter dem gefährlich spitzen Eisenfalltor den engen Innenhof

Bis zu zwölf Meter hoch türmten sich in kalten Wintern noch bis zu Beginn unseres Jahrhunderts die Eisberge vor dem „Bug“ der Pfalz. Die Zerstörungen waren dabei so erheblich. daß 1607 die gesamte Frontpartie mit dicken Steinquadern verstärkt werden mußte. Zugleich diente sie als Geschützbastion. Die für den Abzug des Pulverdampfes in das Dach gebrochenen Gauben vervollständigten dabei jenes belebte Umrißbild, das späteren Generationen zum Inbegriff der Rheinromantik wurde. Deshalb 1340 die Umbauung des Turms mit der zwölf Meter hohen, sechseckigen Ringmauer mit zwei übereinander liegenden Wehrgängen als Schutz. Mit Erfolg, denn tatsächlich wurde der Pfalzgrafenstein ebenso wie die Marksburg bei Braubach nie zerstört.

Am Pfalzgrafenstein fehlt nichts: nicht der hochaufragende, von einer welschen Haube gekrönte Turm, nicht die Ringmauer mit hölzernen Anbauten (sogenannte Auslug - Erkern) und pittoresken Turmaufsätzen, nicht die farbig abgesetzten Rundbogenfriese, Schießscharten und Fenstereinfassungen. Im Innenhof überraschen dann auch nicht mehr Arkaden und verspielte Fachwerkumgänge.

Eisenklammern halten die riesigen Steinquader an der scharf zulaufenden Spitze des Pfalzgrafenstein zusammen. Darüber der pfälzische goldene Löwe mit dem Wappenschild. Heute nur schwer vorstellbar, daß ihm 1850 bei schwerem Eisgang das Schwert aus der rechten Pranke gerissen wurde.

Durch den von Spätrenaissance ‑ Arkaden umrandeten Innenhof kommt man entlang der überdachten Wehrgänge mit den Verteidigungserkern für die Geschütze schließlich zum großen ehemaligen Kanonenstand neben den Aufenthaltsräumen der Zöllner sowie den dicken Turm hinauf

Dennoch hält der Kern nicht ganz, was der romantische Mantel verspricht. Spartanisch ging es auf der Pfalz zu. Da mag die Feuerstelle im Wehrgang den Zöllnern wenig geholfen haben. Bewohnt war diese Zollfestung nie, abgesehen voll der Hauptmannwohnung an der Nordspitze mit Küche, kleinen Räumen und fantastischen Ausblick. Nicht zu vergessen die Gefangenen, die im stockdunklen Verlies auf einem Holzfloß vegetierten, das sie bei Hochwasser vor dem Ertrinken rettete.

Fast behaglich dagegen die spärlich möblierten Wohnräume für 20 Zöllner, die hier mit dem Hauptmann ihren Dienst versahen. Alle Räumlichkeiten hochwassersicher im „Bug‑ oder Heck“ untergebracht, auch im Innenhof fehlen nicht die Abflußrinnen. Länger als an anderer Stelle am Mittelrhein wurde hier Zoll kassiert, erst als das Herzogtum Nassau 1866 preußisch wurde, verließen die Zollbeamten endgültig den Pfalzgrafenstein. Bis in die sechziger Jahre wurde die Pfalz als Signalturm für die Rheinschiffahrt genutzt.

Burg Pfalzgrafenstein: Öffnungszeiten 1. Oktober bis 30. November, 1. Januar bis 31. März von 9 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr, 1. April bis 30. September von 9 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr. 60 Minuten vor Schließung letzter Einlaß. Im Dezember und am ersten Werktag der Woche geschlossen. Erwachsene 4 Mark, Kinder 1 Mark 50. Fähre nur von der Kauber Seite zum Pfalzgrafenstein, Telefon 0171 / 3310375. Erwachsene 3 Mark Kinder 2 Mark.

 

In der Neujahrsnacht 1813 / 1814 waren die Augen Europas auf Kaub gerichtet, als der preußische Generalfeldmarschall Blücher mit seiner Schlesischen Armee auf der Verfolgung Napoleons in einer einzigen Nacht den Rhein überquerte. Diese logistische Meisterleistung wäre ohne die Hilfe der ortsansässigen Schiffer nicht möglich gewesen.

Wer mit dem Vorsatz, einem der dramatischsten Kapitel der jüngeren europäischen Geschichte nachzuspüren, gezielt Kaub ansteuert. dem vermag die kalte Jahreszeit den authentischsten Eindruck der damaligen Umstände zu geben. Steht man fröstelnd am Rheinufer. lassen sich die Strapazen fast physisch nachempfinden, denen die Soldaten zum Jahreswechsel 1813 / 1814 ausgesetzt waren: Der Schnee glitzert im Mondschein der sternklaren Nacht, vereinzelt treiben Nebelschwaden über dem gespenstig ruhigen Wasser, als die preußische Vorhut von Kauber Schiffern über den Strom gesetzt wird.

Über 60.000 Soldaten, Tausende Pferde und viele Geschütze wälzten sich über 71 schwankende Pontons zum rettenden Inselchen des Pfalzgrafenstein und weiter auf die damals französische Rheinseite, dem flüchtenden Napoleon und einem Teil seiner Armee hinterher.

Blitzschnell hat die Avantgarde linksrheinisch einen Brückenkopf gebildet - jetzt kann das anlaufen, was als eines der spektakulärsten Husarenstücke in die (Militär-) Geschichte eingegangen ist: Der für Freund (die Alliierten)  und Feind (die Franzosen) völlig überraschende Vorstoß der Schlesischen Armee unter dem preußischen Feldmarschall Blücher in Verfolgung des geschlagenen Napoleons.

Mit letzter Kraft und gerade noch 80 000 Mann hatte sich Bonaparte nach der verheerenden Niederlage von Leipzig im Oktober 1813 bei Mainz über den Rhein retten können. In drei Säulen stieß die großenteils aus Russen bestehende preußisch - schlesische Armee nach. In Mannheim und Koblenz konnte der Übergang leicht und relativ gefahrlos geschehen, doch wie den tief eingeschnittenen Mittelrhein überqueren, der bis heute an keiner Stelle überbrückt ist.

Daß Kaub zum Ausgangspunkt dieses Bravourstückes wurde, hängt mit dem mitten im Strom liegenden Pfalzgrafenstein zusammen. einer ehemals kurpfälzischen Zollburg. Ihr Standort auf einer etwa 100 Meter breiten Insel erlaubte die Zweiteilung der Pontonbrücke. Ohne diesen natürlichen Brückenpfeiler wäre der Übergang vermutlich nicht möglich gewesen. Begünstigt wurde die Aktion außerdem vom damals noch eisfreien Rhein. Wenige Tage später, und große Schollen hätten jeden schwimmenden Untersatz zermalmt.

Es entsprach dem legendären Ruf des „Marschall Vorwärts“, Gebhard Leberecht Fürst Blücher von Wahlstatt, noch aus der mißlichsten Lage eine Tugend zu machen. Schon Wochen vor dem für Anfang Januar 1814 festgesetzten Rheinübergang zogen russische Pioniere in die Kauber Wälder, um das Holz für insgesamt 71 Pontons zu schlagen. Bespannt waren die Gebilde mit geteertem Segeltuch. Am Neujahrstag wurden sie wie eine überdimensionierte Muschelkette über den Rhein gelegt. Aber weil man gegen den Rat der Kauber Schiffer zu kleine Anker genommen hatte, riß sie. Neun Stunden dauerte der Zwangsaufenthalt: die ausgeklügelte Logistik nach den Plänen Blüchers und seines Generalstabschefs Gneisenau, wonach 60.000 Mann mit 15 000 Pferden und knapp 200 Geschützen durch das enge Kaub und über das Wasser geführt werden sollten, drohte zu scheitern. Dank Blüchers persönlichem Einsatz in vorderster Linie blieb das Chaos aber aus. Kaum zu glauben: Innerhalb einer Woche war die Armee - zu der noch eine größere Zahl an Verwundeten und ein vielköpfiger Troß kamen - ohne weitere Zwischenfälle über die schwankenden Planken ans andere Ufer gelangt. Der Weg nach Paris war - fast - frei.

Welch vergleichsweise noch harmlosen Entbehrungen ein Städtchen wie Kaub auf sich nehmen mußte, kann man sich bei einem Blick aus den Fenstern des Museums vorstellen: Mit ohrenbetäubendem Lärm muß sich der Heereswurm tagelang durch die enge Metzgergasse gequält haben. Zu Hunderten nächtigten die Soldaten in den kleinen Häuschen. Sämtliche Vorräte wurden beschlagnahmt, alles was nicht niet- und nagelfest war - einschließlich Scheunentore und Weinstöcke - wurde als Feuerholz verbrannt. Die Anerkennung kam später: Für ihr Verständnis und ihre Unterstützung dankte Blücher 1815 den Kaubern in einem original erhaltenen Brief.

 

So wie Blücher die Pfalz sah, so sieht man sie noch heute. Im Wesentlichen blieb auf dem Pfalzgrafenstein alles beim Alten, der Zustand des 14. Jahrhunderts ist noch gut zu erkennen.

Heute immer noch ohne elektrisches Licht, ohne Toilette. Düster vor allem die Treppen an trüben Tagen, wenn die Kälte in den Mauern festsitzt

Bis heute künden in der Stadt zahlreiche Zeugnisse von diesem Ereignis, unter anderem das Denkmal des Marschalls am Rheinufer und ein Museum in seinem damaligen Hauptquartier in der Metzgergasse. Wundersam erscheint der vollständige und originale Erhalt der Räumlichkeiten, in denen Blücher für drei Tage zum Jahreswechsel 1813 / 1814 in Kaub Quartier genommen hatte. Die im ersten Stock des damaligen Hotels „Zur Stadt Mannheim“ liegenden Zimmer konnten schon zur Hundertjahrfeier des Rheinüberganges 1913 in ein kleines Museum verwandelt werden, das sich später unter der Regie des ehrenamtlich wirkenden, mit profundem Wissen ausgestatteten Bruno Dreier zu einer echten Fundgrube entwickelt hat. Seit seinem Ausbau 1977 darf das Museum in Anspruch nehmen, sich als einziges in Westdeutschland den Befreiungskriegen im Allgemeinen und dem Leben Blüchers im Besonderen zu widmen.

Vor dem Hintergrund der erhaltenen Leinwandtapete von 1780 wird das Zeitpanorama der Erhebung gegen Napoleon im Schicksalsjahr 1813 anschaulich und differenziert anhand von Originalbelegen und zeitgenössischen Aussagen dokumentiert. Die Rheinüberquerung selbst ist in einem großen Zinnfiguren - Diorama nachgestellt. Orden, Waffen und Uniformen dürfen da nicht fehlen, aber auch bedrückende Zeugnisse über die Kehrseite „großer“ Zeiten: Seuchen, Verwundungen. Hunger, Requirierungen und Verwüstungen.

 

Im Volkenbachtal liegt der Hof Sauerberg  Kurz dahinter etwa 250 Meter vom Weg liegt die Burgruine Sauerburg aus dem 14. Jahrhundert. Bergfried und Bastionen aus dem 17. Jahrhundert sind noch vorhanden.  Ehemals  war sie Burg der Grafen von Sickingen, von den Franz von Sickingen (1481 -1521) der bekannteste war.  Er war der Führer der Reichsritterschaft, Anhänger Luthers, Beschützer der Reformatoren.

 

 

Bacharach

Bacharach ist der Hauptort des sogenannten „Viertälergebiets“, zu dem die Dörfer Rhein­diebach, Oberdiebach, Manubach und Steeg gehören. Es war im Mittelalter ein einheitlicher Rechts- und Pfarrbezirk, gehörte ursprünglich dem Reich, kam aber schon im 11. Jahrhundert an das Erzbistum Köln. Die von Köln eingesetzten Vögte - als erster wird 1135 ein Goswin von Stahleck genannt - sagten sich von ihrem Lehnsherrn los und wurden 1142 zu Pfalzgrafen erhoben, so daß Bacharach zum Herzstück der „Pfalz bei Rhein“ wurde.

Die Stadt  hatte eine günstigen Lage am Ausgang des sogenannten „Binger Lochs“ mit seinen gefährlichen Felshindernissen: Hier wurden die Rheinschiffer gezwungen,  ihre Fracht in Bacharach zu stapeln und auf Wagen umzuladen. Die Ware wurde in Kähnen und kleinen Booten angeliefert, gelagert und dann auf größere Schiffe umgeladen, für die erst ab hier die Fahrt flußabwärts möglich war. So genoß das Städtchen einen für die damaligen Gegebenheiten weltweiten Ruf als Handels-, Umschlags- und Lagerplatz vor allem für Weine aus der Pfalz und dem Rheingau.

Ein einträgliches Geschäft für die Gemeinde und das Haus Wittelsbach, das hier fernab seiner angestammten Lande über sechs Jahrhunderte Fuß fassen konnte. Erst mit dem Ende des Alten Reiches und spätestens mit der Sprengung der Felsen vor Bingen 1850 sank Bacharach in jenen Zustand pittoresken Verfalls, von dem sich Hugo und viele der Rheinromantiker so angezogen fühlten.

Von der reichen Stadtgeschichte künden zahlreiche steinerne Zeugen. Darunter unter anderem eine der besterhaltenen Stadtbefestigungen am Mittelrhein, die evangelische. Pfarrkirche aus spätstaufischer Zeit. Der alte Weinort ist von einer teilweise begehbaren Ringmauer (um 1350) mit 9 von ehemals 16 Wehrtürmen umgeben. Unter den zahlreichen alten Fachwerkhäusern ragen heraus der Alte Posthof aus dem  16. Jahrhundert, das Alte Haus von  1568 und das Haus Sickingen aus der Zeit um 1420.

Die evangelische Pfarrkirche St. Peter aus dem  11.bis  14. Jahrhundert ist eine dreischiffige Emporenbasilika im Übergangsstil von Romanik zur Gotik. Sie ist eines der ungewöhnlichsten Gotteshäuser am Rhein. Den beengten Platzverhältnissen entsprechend, mußte das Kirchenschiff höher als lang errichtet werden. Durch den eingezogenen Turm und umlaufende Galerien im Inneren nach Vorbild des Limburger Domes blieb die proportionale Harmonie dennoch meisterlich gewahrt. Sie enthält mittelalterliche Fresken und Grabdenkmäler. Die katholische Pfarrkirche St. Nikolaus ist von 1688 bis 1745

 

Die über der Stadt thronende Burg Stahleck wird  1135 erstmals genannt.  Sie das Bollwerk der Pfalzgrafen zur Beherrschung des Stromes. Gleichzeitig riegelte sie das Steeger Tal mit der alten Straßenführung auf den Hunsrück ab. Stahleck zählte im 12. Jahrhundert zu den führenden Rheinburgen und spielte im Interessenbereich der Hohenstaufen, Pfalzgrafen und Kölner Erzbischöfe eine wichtige Rolle. Im Jahre 1194 fand in ihren Mauern die heimliche Vermählung der Agnes von Hohenstaufen mit Heinrich (Sohn Heinrichs des Löwen) statt, womit die langjährige Fehde zwischen den Staufern und den Welfen beendet wurde. Die Burg wurde1689 von den Franzosen zerstört. In den Jahren 1925 - 1927 und 1965 -1967 wurde sie  vorbildlich wieder aufgebaut. Heute befindet sich hier  eine der am schönsten gelegenen Jugendherbergen Deutschlands.

Als heutiges Wahrzeichen gilt aber nicht die Burg, sondern die Wernerkapelle, die - obwohl Ruine - zu den Hauptwerken der rheinischen Hochgotik zählt. Seine Entstehung verdankt dieses Kleinod gotischer Baukunst dem Rassenwahn: 1287 fand ein Bauer auf einem Feld in der Nähe der Stadt die Leiche des Knaben Werner, der wahrscheinlich einem Sexualmord zum Opfer gefallen war. Schon bald beschuldigte man die Juden, den Knaben getötet und sein Blut für rituelle Zwecke verwendet zu haben. Über die darauf einsetzende Judenverfolgung heißt es im um 1300 niedergeschriebenen „Gesta Treverorum“: „So wurden die Menschen dieser Gegend nah und fern von Wut ergriffen und wüteten grausam gegen die unglücklichen Juden!“

Die Kapelle dürfte schon bald nach dem Tod des Jungen begonnen worden sein. Schon 1293 wurde ein erster Altar geweiht. Als offizielles Entstehungsdatum gilt das Weihejahr des Ostchores 1337, tatsächlich vollendet war das Bauwerk aber erst 1428. Zerstört wurde die Kapelle 1689 bei der Sprengung der Burg durch die Franzosen. Im 18. Jahrhundert wurde die Kapelle durch Erdrutsch teilweise zerstört, seitdem ist sie stimmungsvolle Ruine.

 

Wohl kaum ein anderes Städtchen am Mittelrhein ist häufiger besungen und beschrieben worden als Bacharach. Allen voran wird da Victor Hugo zitiert, der von dem „märchenhaften Ort”, wie er in seinem berühmten Reisebuch „Le Rhin” schreibt, ganz verzaubert war. Vieles vom damals Gesehenen besitzt noch heute Gültigkeit, eher dürfte das Gesamtbild noch schöner geworden sein. Die geschlossene Fachwerksubstanz ist fein herausgeputzt, die alten Wehrmauern und Türme sind teilweise wieder begehbar, und aus den Ruinenresten der „efeuumsponnenen Verzahnungen“ von Burg Stahleck wurde nach ihrer Umwandlung zu einer Jugendherberge in den zwanziger Jahren eine Feste ganz nach dem Geschmack romantischer Ritterfantasien.

Geblieben ist natürlich auch der Wein, der in den steilen Lagen enger Taleinschnitte ringsum wächst. Schon im Mittelalter waren die hiesigen Tropfen begehrt. Den früheren Wohlstand verdanken die Bacharacher freilich nicht allein den Reben. In einem Trinklied aus dem Jahr 1628 heißt es: „Zu Bacharach am Rhein, zu Würzburg an dem Stein, zu Klingenberg am Main, hab’ ich in meinen Tagen, gar oftmals hören sagen, soll’n sein die besten Wein!“

 

 

Trechtings­hausen

Das Morgenbachtal im Binger Wald, wie der östliche, zum Rhein steil abfallende Teil des Hunsrücks genannt wird, gilt als das schönste weit und breit. Besonders im unteren Abschnitt wird der Morgenbach zum Wildwasser, das sich im tiefen, engen Waldtal seinen Weg bahnt. Am oberen Rand ragen Schiefer  - Quarzit - Felsen empor, teilweise ausgewiesen für Kletter­übungen des Deutschen Alpenvereins. In diesem Naturschutzgebiet ist sogar Damwild ange­siedelt, das sich auch gelegentlich dem Wanderer zeigt. Und wie es sich für einen Ausflug am Rhein so gehört, wird das Erlebnis der  Naturromantik noch durch die Burgenromantik gesteigert.

Sehenswert ist hier die katholische Pfarrkirche St. Clemens (1823-25) mit zwei spätgotische Plasti­ken. Die Friedhofskapelle (Klemenskapelle) ist die ehemalige Pfarrkirche (Ende 12. Jahrhundert), eine kleine spätromanische Pfeilerbasilika. Die Ortsbefestigung mit Tor und zwei Türmen ist erhalten.

Burg Reichenstein überragt mit ihrem düsteren, lang gestreckten Mauerwerk den Ort. Sie ist eine der größten und stärksten Festungen am Rhein, eine Wohnanlage ohne Bergfried, heute Hotel, Restaurant und Museum. Neben Waffen, Rüs­tungen und Jagdtrophäen birgt sie eine Sammlung von etwa 300 gußeisernen Ofenplatten aus mehreren Jahrhunderten. Der Rittersaal ist zugleich Ahnengalerie. Die Anfänge der Burg sollen bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. Einen un­rühmlichen Namen hat sie sich als Raubritternest im 13. Jahrhundert gemacht. Kaiser Rudolph von Habsburg konnte es erst nach vierjähriger Belagerung 1282 aushungern (1253 und 1282 zerstört). Der Burgherr und seine Kumpanen wurden an der Klemens­kapelle enthauptet. Mehrmals zerstört, aber wegen ihrer stra­tegischen Bedeutung immer wieder aufgebaut, verfiel Rei­chenstein, durch verbesserte Waffen bedeutungslos gewor­den. Die Adels- und Industriellenfamilie Kirsch - Puricelli ließ das Gemäuer - bemerkenswert originalgetreu -1899 im neugotischen Stil wieder aufbauen.

 

 

Binger Wald

Auf der A 60 fährt man bis Bingen-Ost und von dort in Richtung Stromberg  / Weiler. Vorsicht in Bingerbrück: Bei der Abfahrt von der Schnellstraße muß man zweimal kurz hintereinander die Vorfahrt beachten. Nach links geht es dann durch eine Unterführung nach Weiler. Geparkt wird auf dem Dorfplatz. Die Tour ist etwa 17 Kilometer lang, geht aber oft über schmale Steige und hat fünf bissige Anstiege. Der Ausgangspunkt liegt 252 Meter hoch, es geht hinunter bis auf 143  Meter bei Burg Rheinfels, und dann wieder auf 378 Meter. Aber dazwischen sind noch weitere Absteige und Anstiege, so daß insgesamt eine Höhendifferenz von 668 Metern zu überwinden ist. Die längste Steigung ist im Morgenbachtal mit etwa zwei Kilometern.

Rechts an der Kirche vorbei geht es dann in die Hildegardisstraße und weiter in den Heilig – Kreuz  - Weg. Hier beginnt ein Kreuzweg mit einfachen Stationen. Links ist eine Gedenktafel für den ehemaligen jüdischen Friedhof. Der Weg führt gerade aus in den Wald hinein und hinauf bis zum Belle - Kreuz, das zum Gedenken an eine gleichnamige Familie im 19. Jahrhundert errichtet wurde (Peter und Maria Bell 1811 und Mathias Bell III. 1915). Dort kreuzt auch eine Römerstraße.

Von dort führt ein Trampelpfad zwischen den nördlichen und östlichen Arm der Kreuzung steil hinab zur Straße, die zum Forsthaus Heiligkreuz führt. Hier steht eine Informationstafel „Erlebnispfad Binger Wald“, der für Kinder gedacht ist. Auf einen Teil der Tafeln trifft man auch auf dem weiteren Weg.

Am Forsthaus geht man links vom Giebel vorbei in Richtung des Wegweisers „Schweizerhaus“ (überhaupt sind in diesem Gebiet die Wege gut markiert). Die Einkehrgaststätte  „Schweizerhaus” ist der ehemalige Jagdsitz von Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen nahe der von ihm wieder aufgebauten Burg Rheinstein. Ei­nen schöneren Platz für sein Jagdhaus hätte Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen nicht finden können. Der Fußweg hinab zur Burg ist allerdings sehr schmal, bietet aber bald herrliche Ausblicke auf das Rheintal nach Bingen und Assmannshausen. Man kommt auch an einen alten viereckigen Turm, von dem aus man eine gute Sicht nach drei Seiten hat, auch auf die nahe Burg Rheinstein. Man befindet sich hier auf dem Soonwaldsteig, dem (roten) Rheinhöhenweg und dem Eselsweg.

 

Die um 1260 erbaute Mainzer Zollfeste Burg Rheinstein wurde nach 1825 als erste Burg am Rhein durch den Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen wieder aufgebaut im romantisch, neugotischen Stil. Man kann gotische Hangburg nur betreten, indem man im Zickzack etwa 200 Meter  hinunter steigt zur Zugbrücke. Nach Entrichtung des „Zolls“ (Eintritt) darf man nach Belieben durch die neugotische Kapelle, Höfe und Räume streifen, Glasmalereien aus vier Jahrhunderten, Rüstungen, eine Steinschleuder oder die Sammlung antiker Möbel in Augenschein nehmen. Von Wehrgängen und den höchsten Zinnen genießt man dabei herrliche Blicke ins Rheintal.

 

In Höhe der Burg geht ein Zickzackweg steil nach oben in den Wald. Nach einiger Zeit sieht man von oben die Burg Reichenstein. Sie ist eine der größten und stärksten Festungen am Rhein, eine Wohnanlage ohne Bergfried, heute Hotel, Restaurant und Museum. Neben Waffen, Rüs­tungen und Jagdtrophäen birgt sie eine Sammlung von etwa 300 gußeisernen Ofenplatten aus mehreren Jahrhunderten. Der Rittersaal ist zugleich Ahnengalerie. Die Anfänge der Burg sollen bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. Einen un­rühmlichen Namen hat sie sich als Raubritternest im 13. Jahrhundert gemacht. Kaiser Rudolph von Habsburg konnte es erst nach vierjähriger Belagerung 1282 aushungern (1253 und 1282 zerstört). Der Burgherr und seine Kumpanen wurden an der Kle­mens­kapelle enthauptet. Mehrmals zerstört, aber wegen ihrer stra­tegischen Bedeutung immer wieder aufgebaut, verfiel Rei­chenstein, durch verbesserte Waffen bedeutungslos gewor­den. Die Adels- und Industriellenfamilie Kirsch-Puricelli ließ das Gemäuer - bemerkenswert originalgetreu - im Jahre 1899 im neugotischen Stil wieder aufbauen.

Links sieht man noch die Ruine Falkenburg. Am Hang gegenüber kann man sehr gut an der Oberflächengestalt erkenne, daß das Gelände hier felsiger wird. An dieser Stelle ist der Felsensteig auf dem Rheinsteig zwischen Assmannshausen und Lorsch. Ein Stück weiter steht man dann am Rand des Morgenbachtals.

 

Das Morgenbachtal im Binger Wald - wie der östliche, zum Rhein steil abfallende Teil des Hunsrücks genannt wird - gilt als das schönste weit und breit. Besonders im unteren Abschnitt wird der Morgenbach zum Wildwasser, das sich im tiefen, engen Waldtal seinen Weg bahnt. Am oberen Rand ragen Schiefer  - Quarzit - Felsen empor, teilweise ausgewiesen für Kletterübungen des Deutschen Alpenvereins. In diesem Naturschutzgebiet ist sogar Damwild angesiedelt, das sich gelegentlich dem Wanderer zeigt.

Unterhalb der Burg Reichenstein mündet der Morgenbach bei Trechtingshausen in den Rhein. Das Bemerkenswerte daran: Von seiner Quelle bis zur Mündung überwindet der Bach einen Höhenunterschied von 365 Metern - und das bei einer Länge von nur fünf Kilometern. Die Folge ist ein enges Kerbtal mit zum Teil schlucht- und beinahe klammartigem Charakter. Mächtige Felspartien und steile Wände brechen zum Tal hin ab - ein Naturwunder, das dem berühmten Mittelrheintal fast die Schau stiehlt. Bekannt sind die Felsen des Morgenbachtals unter Alpinisten und Freeclimbern. Die Wände aus Quarzit bieten Kletterrouten aller Schwierigkeitsgrade.

Bei schönem Wetter ist an den Quarzitfelsen mächtig was los. Kletterer aus dem gesamten Rhein -  Main - Gebiet testen hier ihre Künste und bereiten sich für den „Ernstfall“ in den Alpen oder anderen Gebirgen vor. Natürlich ist das Morgenbachtal auch für den einfachen Wanderer äußerst reizvoll und fernab der Felswände an sonnigen Tagen ein ruhiges Fleckchen Erde. Die linksseitigen Felshänge des Unterlaufs gehören zu den schönsten und schwierigsten Klettergebieten in Rheinland-Pfalz.

 

Ein etwa 160 Hektar großes Gebiet im Umfeld des Morgenbachtals, inklusive des als Stecke­schlääfer - Klamm bezeichneten Seitentälchens, wurde im Jahr 1984 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das geschah nicht zuletzt deshalb, weil es ein Paradebeispiel für die typische Talentwicklung der steilen, kurzen Kerbtäler ist, die vom Hunsrück zum Rhein hin entwässern.

In seinem Quellbereich noch als breites Muldental angelegt, entwickelt sich das Morgenbachtal anschließend zum breiten V- oder Kerbtal, das talabwärts in ein enges Kerbtal mit hohen Einzelfelsen aus Quarzitschutt übergeht. Das Tal liegt in der geologischen Struktur des so genannten Assmannshäuser Sattels. In seinem Kern treten die ältesten Schichten des Unterdevons (etwa 400 Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung) zu Tage. Dazu gehören die „Bunten Schiefer“  aus rötlichen bis violetten Tonschiefern und die Taunusquarzite, die als mächtige Felsbastionen von der Erosion herauspräpariert wurden und dem Tal seinen unverwechselbaren Charakter verleihen.

 

Das Naturschutzgebiet Morgenbachtal ist eines der schönsten Rheinseitentäler mit urwüchsigem Baumbestand, großen Felsregionen, Blocksteinhalden und einem herrlichen Bachlauf. Schon im 19. Jahrhundert studierten Landschaftsmaler hier das faszinierende Wechselspiel von Licht und Schatten in den bizarren Felsformationen.

In dem etwa 170 Hektar großen Gebiet finden sich naturnahe Schlucht- und Auenwälder. Aber auch Trockenhangwald, Hangschutt- und Sukzessionsflächen sowie Quellfluren stellen schutzwürdige Lebensstätten zahlreicher wildwachsender Pflanzen- und wildlebender Tierarten dar. Sie sind die Heimat von seltenen Arten wie Wasseramsel, Eisvogel, Gebirgsstelze, Wildkatze, Wanderfalke und Haselhuhn.

 

Geographie: Der Bach entsteht durch den Zusammenfluß mehrerer Quellarme in etwa 500 Meter Höhe im Binger Wald im südöstlichen Hunsrück. Das Waldtal wird mit der Richtungsänderung nach Norden eng und klippenreich, da es nun, wie auch der hier parallel laufende Rhein, die Gesteinsstrukturen des Rheinisichen Schiefergebirges und wesentlich widerstandsfähigeren Grauwackebänken und Quarzirgängen fast rechtwinklig schneidet. Die wechselnde Gesteinsfestigkeit führt zur Bildung der vier Morgenbach-Wasserfälle und der zahlreichen hoch ragenden Felsformationen in den westlichen Talhängen. Nach einer Rechtsbiegung öffnet sich das Tal bei der Burg Reichenstein unvermittelt zum Mittelrheintal

Flora und Fauna: Das Morgenbachtal ist fast vollständig bewaldet und weist besonders an den felsigen Hängen am Unterlauf viele  Neiderwaldbestände auf. Am Ufer stehen vor allem Weiden und Erlen. Grauireiher und Stockenten sind dabei  die häufigsten Wasservögel im Bachtal.

Touristisches: Das Morgenbachtal gilt als eines der schönsten Seitentäler des Rheins, ein gut ausgebauter Wanderweg begleitet den Bach im Unter- und Mittellauf und führt dabei vom Rhein zum einen auf die Höhe des Hunsrücks be Wakdalgesheim und zum anderen zum Schweizerhaus hoch über dem Rheintal.

Die drei kleineren Wasserfälle sind durch den Wanderweg gut erreichbar, nur der größte ist derzeit lediglich hörbar (auf gesperrtem Privatgelände, einstige Ausflugsgaststätte).

 

Aber zunächst muß man noch auf einem schmalen Steig an der Wand entlang ins Tal hinabsteigen. An einem Drahtseil kann man sich festhalten. Dann geht auf einem guten Forstweg aufwärts, immer vorbei an den Wasserfällen. In der Mitte des Tals folgt man dann dem Wegweiser „Haus Waldfrieden - Gerhardshof“ nach rechts. Noch immer geht es mächtig voran. Wenn man dann an eine Wiese kommt, sieht man rechts schon das Haus Waldfrieden mit dem danebenliegenden Reiterhof Gerhardshof liegen. Der Hof wurde 1604 erbaut und war seit 1709  im Besitz der Familie Diel. Heutiger Besitzer ist die Familie Bruynck. Die Gaststätte ist Montag und Freitag geschlossen.

Vom Gerhardshof geht es nach Westen hinab ins Tal und zur Waldgaststätte „Forsthaus Jägerhaus“. Hier steigt man ab zum Beginn der „Steckeschlääferklamm“. Auf Betreiben des früheren Verbandsbürgermeisters Josef Kollay wurde ab 1971 die Klamm von den Weilerer Wanderfreunden „Die Steckeschlääfer“ ausgebaut und mit 16 Holzstegen über den Haselbach gangbar gemacht. Der Name „Steckeschlääfer“ stammt von den Wanderern, die ihre „Stecke“ (Stöcke) über den Boden „schlaafe“ (schleifen). Im Einverständnis mit dem Forstamt schmückte damals Franz Kellermeier die Klamm mit 46 Schnitzereien aus.

Weil die meisten Holzarbeiten im Laufe der Jahre eingewachsen waren, hat der Schnitzkreis der Heimatfreunde e.V. Weiler  (Franz Kellermeier, Werner Kropp, Rudi Männer, Rolf Massoth, Willi Mörschbach und Hans Werner) die erneute Ausgestaltung der Klamm mit phantasievollen Schnitzarbeiten übernommen.

Die Masken und Karikaturen, weitgehend ausgearbeitet oder dem natürlichen Wuchs folgend, wurden nur dort angebracht, wo den Bäumen möglichst wenige Verletzungen entstanden.

Im August 2006 waren 66 Schnitzereien zu erkennen, mehr oder weniger versteckt. Jedes Jahr am 1. Mai findet hier ein Frühlingsfest statt. Der Reinerlös dient der Instandhaltung und dem weiteren Ausbau der Steckeschlääferklamm.

 

Die Klamm führt zu einer geteerten Straße, wo mehrere Wege zusammenkommen. Im spitzen Winkel zu dieser  Straße geht links ein Weg ab, der zur „Villa Rustica“ führt (siehe unten).

Ein Stück weiter auf diesem Weg kommt man zur Hängebrücke. Diese schwankt beträchtlich. Man betritt sie besser nicht mit zu vielen Personen. Wenn man wieder über die Brücke zurückgeht, kommt man auf dem Forstweg auch wieder nach Weiler. Sonst steigt man hinab zum Forsthaus Heiligkreuz, dann rechts ein Stück die geteerte Straße entlang und dann steil rechts hoch auf schmalem Pfad zum Belle - Kreuz und links nach Weiler.

 

Villa Rustica: Ein römischer Gutshof im Binger Wald

Das Grundstück im Binger Wald wird seit langem „Altes Kloster“ genannt. Obwohl vollständig mit Wald bedeckt, deuteten Unebenheiten und auffällige Steinansammlungen auf Ruinenreste. In früheren Zeiten konnte man sich darunter nur eine alte Klosteranlage vorstellen. Seit dem letzten Jahrhundert haben sich dann im Rahmen aufblühender Altertumsforschung immer wie­der private Ausgräber mit der Ruinenstätte beschäftigt und ihr schließlich die richtige Deutung gegeben: Es handelt sich um eine römische Gutsanlage aus den ersten Jahrhunderten nCh.

Doch trotz aller bisherigen Untersuchungen konnte von der Ruinenstätte bisher nur eine vage Vorstellung entwickelt werden. Eine Testgrabung der Archäologischen Denkmalpflege 1989 führte zu der Erkenntnis, daß nur im Rahmen großflächiger Ausgrabungen die historische Bedeutung vollständig erfaßt werden könnte. Aufgrund der damals angefertigten umfangreichen Dokumentation (Pläne, Fotos, Vermessungen und Beschreibungen) ist nun als Teil des Erlebnispfades neues Leben in der Anlage entstanden. Das Gelände in der Umgebung der Grabungsfläche von 1989 wird seit 1999 ausgegraben und untersucht.

Waren damals Reste des Badegebäudes erforscht worden, so gilt die weitere Ausgrabung jetzt den anderen Baulichkeiten dieser villa rustica (Herrenhaus, Scheune, Remise. Gesindehaus usw.). Die Größe von 3,5 Hektar der Anlage zeigt an, daß hier mehr produziert wurde. als für die Eigenversorgung nötig war. Es handelte sich um Viehzucht, Feldbau, Waldwirtschaft und handwerkliche Produktion, wie die bisherigen Ausgrabungen geklärt haben. Die Produkte dürften auf den nahegelegenen Märkten Bingen, Bad Kreuznach und vielleicht Mainz verhandelt worden sein, wenn nicht sogar einiges auf Rheinschiffe verladen wurde. Da der Gutshof direkt an der großen Römerstraße liegt, wird man auch als Straßenstation die Produkte vor Ort abgesetzt haben.

Ob hier ein römischer Veteran oder ein zu Wohlstand gekommener einheimischer Kelte der Gutsherr war, weiß man noch nicht. Auf jeden Fall wird die Anlage ein Stützpunkt der Roma­nisation gewesen sein.  Gutshöfe dieser Größe mit all ihren einzelnen Baulichkeiten sind zur Zeit im näheren Umland noch nicht bekannt. Erst im Trierer Land kennt man derartige Anlagen aufgrund besserer Forschungssituation. Kleinere römische Gutshöfe konnten dagegen in Rheinhessen alle ein bis zwei Kilometer flächendeckend lokalisiert, aber noch nicht erforscht werden.

Auch wenn die Anlage heute mitten im Wald steht (in römischer Zeit muß sich hier eine große Rodungsinsel befunden haben), wird sie bei weiterer Ausgrabung für die Region zu einer Art Musteranlage für das römische Landleben werden. Die villa rustica im Binger Wald ist ein typischer römischer Gutshof, wie er von etwa 80 Prozent der damaligen Bevölkerung bewohnt und bewirtschaftet wurde. Die Grabung bietet die Gelegenheit, Einblick in das normale Leben der damaligen Bevölkerung zu gewinnen. Ziel dieses Projektes ist es, schon mit der Ausgrabung diese Geschichte zu verlebendigen und sie für die Heimatgeschichte und die Wissenschaft als Erkenntnisquelle zu erschließen.

Wenn  durch Konservierung und Restaurierung die Anlage als dauerhaft sichtbares Denkmal hergerichtet wird, so erhält der Erlebnispfad unter dem Motto „Kultur in der Natur“ eine attraktive zusätzliche Station und darüber hinaus die Binger Region einen weiteren Publikumsmagneten.

Es wurden Sicherungsarbeiten am Herrenhaus durchgeführt: Die Mauern werden vorübergehend zur Sicherung in Erde gepackt. das Gelände wird entwässert, dann wird Stück für Stück ein Schutzdach errichtet, das die Form der damaligen Zeit sichtbar macht und schließlich werden die Mauern wieder freigelegt und saniert. Parallel dazu werden die Rekonstruktio­nen auf dem Gelände ausgebaut, um einen Eindruck des Lebens in der Antike zu vermitteln. Am Waldrand rechts wurde ein Lehmofen rekonstruiert.

 

Welche Gründe gab es dafür, mitten im Wald eine Villa Rustica anzulegen?

• Es gab auf der Hochfläche fruchtbare Böden, die für den Ackerbau bestens geeignet waren.

•Es gab genügend Wasser. Der Kreuzbach war noch nicht angezapft und führte mehr Wasser. Zudem heißt das Gebiet heute noch Sulg, was für eine besonders feuchte Gegend spricht. So war es einfach, Zisternen und Brunnen anzulegen.

• Die Nähe des Waldes eignete sich für den Holzabbau, denn die Römer hatten großen Bedarf an Holz. Zudem konnte der Wald für die Schweinemast, Imkerei und Köhlerei genutzt werden,

• In dieser Gegend wurden schon immer Erze für die Eisenverhüttung abgebaut. Es ist durchaus möglich, daß Eisen verarbeitet wurde, wenn auch noch keine Öfen gefunden wurden.

• Die Villa Rustica lag auf einer großen Rodungsinsel und bot dem Hausherrn eine beeindruckende Sicht bis in den Rheingau.

• Vor allem war das Gehöft direkt an die Römerstraße angebunden. Diese verband die beiden wichtigen Hauptstädte Mainz (Moguntiacum / Provinz Obergermanien) und Köln (Colonia / Provinz Untergermanien) direkt miteinander und hatte bei Rheinbällen eine bedeutende Abzweigung nach Trier.

 

Warum bauten die Römer solche Anwesen?

• Während der Spätantike existierten in dieser römischen Provinz nicht die heutigen Dorfstrukturen und ihre dichte Verbreitung. Es gab eine andere Siedlungsstruktur. So gab es wenige Städte, die meist mit Militärlagern (Kastellen) verbunden waren. Dazwischen gab es flächendeckend alle drei bis vier Kilometer größere und kleine römische Gutshöfe. Die nächsten Gutshöfe dieser Villa Rustica, von denen wir wissen, lagen in Wald - Erbach, Warmsroth, Mün­ster - Sarmsheim, und Bingen - Kempten.

• Diese Gutshöfe produzierten immer mehr als für den Eigenbedarf notwendig war. Mit dieser Überproduktion wurden die Kastelle und Städte versorgt und reger Handel betrieben. Oft waren diese Gutshöfe im Besitz von ehemaligen Legionären oder von zu Geld gekommenen Ein­heimischen, die nach Art der Römer lebten. Daneben gab es aber auch staatliche Domänen, die besonders für die Versorgung der Beamten und Soldaten zuständig waren und oft sehr prachtvoll ausgestattet waren.

• Auch wenn der römische Staat sehr hochstehend organisiert war und eine florierende Wirtschaftsform hatte, war das ursprüngliche Ideal den Bauern und des Landlebens ungebrochen. Daher besaßen auch hochstehende Beamte und Persönlichkeiten eine Villa Rustica.

 

Grabungsgeschichte der Villa Rustica:

• Der römische Gutshof im Binger Wald war durch alle Jahrhunderte hindurch bekannt. Ob er nach dem Weggang der Römer im 5. Jahrhundert noch genutzt wurde ist unklar. Der Name „Altes Kloster“ könnte auf eine Neunutzung hinweisen, ist aber reine Spekulation. Sicher ist nur, daß diese Ruine über Jahrhunderte als Steinbruch genutzt wurde.

• Seit etwa 200 Jahren wurde immer wieder in der Ruine gegraben. Das wissen wir aus alten Aufzeichnungen, Berichten von Einheimischen und Funden bei der jetzigen Grabung (zum Beispiel Bierflasche, Pfeife).

 • In den Jahren 1764  bis 1782 lebte und wirkte Professor Johann Adam Gärtler in Bingen. Er deutete die Anlage im Distrikt „Sulg“ als Mauern römischen Ursprungs. Er vermutete hier fälschlicherweise das römische Kastell.

• Im Jahre 1771 taucht in der Trautnerschen Karte vom Binger Wald die Bezeichnung „Alt Closterfundament“ auf. Im 19. Jahrhundert ist immer wieder partiell gegraben worden, leider ohne Berichte und Aufzeichnungen.

• Im Jahre 1910 fertigt Harry Franke aus Bingen eine erste Planskizze vom Areal der Villa Rustica an. Vermutlich wurden gerade die Arbeiten für den Bau der Seilbahntrasse vom Bergwerk Amalienhöhe zum Rhein aufgenommen. In den dreißiger Jahren wurde dieser Plan von Dr. Sehrens, Leiter des Römisch - Germanischen Museums in Mainz, überarbeitet. Am  8. August 1912 wird die Drahtseilbahn der Gewerkschaft Dr. Geier in Betrieb genommen. Die Trasse durchschneidet das Areal der Villa Rustica. Beim Bau wurden vermutlich Gebäudeteile eingeebnet oder gar zerstört. Im Jahre 1929 fand man einen „fachmännisch“ angelegten Grabungstrichter unbekannten Ursprungs.

• In den Jahren 1934  / 1935 wurde die Kaltwasserstraße gebaut. Dabei wurden große Mengen Steine aus der Villa abgetragen und beim Straßenbau verwendet. Heinrich Bell aus Weiler ließ sich Funde von den Bauarbeitern geben und erreichte einen Stop der Abbrucharbeiten.

• Im Jahre 1960 fand auf Initiative von Heinrich Bell eine Begehung des Ruinenfeldes mit Fachfachleuten statt, leider ohne Konsequenzen.

• Im Jahre 1974 fanden unter der Leitung von Rudolf Engelhard drei Grabungstage als Veranstaltung des Volksbildungswerkes Bingen am Hauptgebäude statt. Die Initiative wurde nicht fortgesetzt.

• Im Jahre1988 führte das Archäologische Landesamt für Denkmalpflege unter der Leitung von Dr. G. Rupprecht eine Testgrabung am vermuteten Hauptgebäude durch. Hierbei wurde die Badanlage freigelegt.

• Seit dem 14. Januar.1999 wird die Villa Rustica in einem Beschäftigungsprojekt des Internationalen Bundes (IB) unter Anleitung des Archäologischen Landesamtes (Dr. Gerd Rupprecht) systematisch ausgegraben. Ziel ist die umfassende Erforschung des Gutshofs und die touristische Erschließung der Villa im Zusammenhang mit dem Erlebnispfad Binger Wald.

Dem Internationalen Bund (IB). Freier Träger der Jugend-. Sozial- und Bildungsarbeit e.V., ist es gelungen, verschiedene Partner zusammenzubringen, um das Grabungsprojekt unter seiner Trägerschaft zu ermöglichen.

-  Die Arge Mainz - Bingen fördert Arbeitslose über Arbeitsgelegenheiten mit Qualifizierung.

- Die Stadt Bingen beteiligt sich mit Sach‑ und Baukosten

- Das Land Rheinland - Pfalz (Ministerium für Jugend, Soziales und Gesundheit) fördert Qualifizierungs- und Personalkosten mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfond (ESF).

 -Die archäologische Denkmalpflege Mainz, leitet und berät die Grabung und Sanierungsarbeiten und wertet die Ergebnisse systematisch aus.

- Der Förderverein „Villa Rustica - Binger Wald“ e.V. unterstütz das Projekt und leistet Öffentlichkeitsarbeit

Somit ist es dem IB möglich, bis zu 15 Menschen zu beschäftigen. Sie werden von einem Fachanleiter und einer Sozialpädagogin intensiv betreut. Sie werden sozial stabilisiert, beruflich beraten, fachlich angeleitet und individuell qualifiziert (Grund- und Teilqualifizierungen). um sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Hierzu dienen auch betriebliche Praktika, die der Orientierung und der Bewerbung dienen.

Das ganze Jahr über ist die Gruppe mit Grabungs- und Sicherungsarbeiten beschäftigt. Von April 1999 bis Oktober 2003 wurde das Hauptgebäude ausgegraben. Seitdem werden die Sicherungsarbeiten durchgeführt. Stück für Stück wird so über mehrere Jahre für den Besucher ein Einblick in unsere antike Vergangenheit geschaffen.

 

Kultur in der Natur:

Der ehemalige römische Gutshof ist als lebendige Station in den 1998 eingeweihten neuen Erlebnispfad integriert. Besucher, die archäologische Arbeit vor Ort beobachten möchten, sind während der Grabungssaison von April bis Oktober jederzeit willkommen. Nach Absprache bieten wir Gruppen- und Einzelführungen sowie Aktionstage (zum Beispiel) für Schulklassen an. Das Grabungsteam ist an stetigem Austausch mit der Öffentlichkeit interessiert und informiert Sie gern über den Grabungsfortschritt, neue Funde sowie künftige Planungsschritte. In den Sommermonaten bieten wir für interessierte Einzelbesucher regelmäßige Führungen an

Im Binger Wald, dem Erholungsraum des Rhein - Nahe - Dreiecks, ist für Naturfreunde und Kulturtouristen vieles zu entdecken:

• keltische Hügel- und Fürstengräber, sowie Ringwallanlagen

• intakte Teile einer Römerstraße

• die Burgen im Rheintal

• das Industriedenkmal Amalienhöhe

• und nicht zuletzt der Erlebnispfad mit der Villa Rustica

Alles zusammen, auf engstem Raum, ermöglicht das Eintauchen in die Siedlungs- und Kulturgeschichte der letzten 4000 Jahre.

Informationen und Terminabsprachen: Dr. Karl Ludwig. IB Bingen, Gaustraße 18,

Telefon 06721-34212.

 

Mit dem Auto fährt man nach Waldalgesheim und folgt am Ortsausgang Richtung Stromberg dem Schild „Bingerwald / Forsthäuser“. Parken kann man das Fahrzeug auf dem Parkplatz Bodmannstein und folgt dann der Ausschilderung „villa rustica“. Ein Waldweg führt vorbei an der Lärchenwiese (Grillhütte) zum Grabungsgelände. Der Fußweg vom Bodmannstein bis zur Villa Rustica beträgt rund 500 Meter.

 

 

Bingen

Die 50 Kilometer zwischen Bingen und Koblenz sind wie eine Fahrt durch ein einziges, 50 Kilometer langes Freilichtmuseum beiderseits des Stromes. Der Landstrich zählt mit seinen Burgen, Städten und Kirchen zu den schönsten Gegenden Europas, was ihm letztlich auch die Anerkennung als „Weltkulturerbe“ durch die UNESCO eingebracht hat.

Die Städte Bingen und Rüdesheim liegen wie Wächter beiderseits des Eingangs zur tiefen Schlucht des Mittelrheintales, dem sogenannten „Binger Loch“. Beide Städte waren bedeutende Stützpunkte des Erzbistums Mainz und bildeten mit den Burgen Klopp und Ehrenfels eine militärisch starke Tal- und Flußbarriere.

 

Die im 13. Jahrhundert erbaute Burg Klopp gilt als das Wahrzeichen von Bingen. Sie steht vermutlich dort, wo schon die Römer in der Zeit des Drusus (38 - 9 vCh) ein Kastell errichtet hatten.  Sie ruht also auf römischen Fundamenten, wahrscheinlich ist auch ihr 52 Meter tiefer Brunnen römischen Ursprungs. Die Burg war Sitz von Burgmannen des Erzbischofs von Mainz, später des Domkapitels. In ihren Mauern wurde am 23. Dezember 1105 Kaiser Heinrich IV (1050 - 1106) von seinem Sohn, dem gerade mal neunzehnjährigen Heinrich V (1086 - 1125) gefangengenommen und einige Monate später in Ingelheim zur Abdankung gezwungen. Zweimal, 1689 und 1711, wurde die Anlage zerstört.  Heute ist das 1875 - 1879 wieder errichtete Bauwerk Sitz der Stadtverwaltung.

Im angrenzenden Turm befindet sich das Bingener Heimatmuseum mit beachtlichen Fundstücken, darunter das aus einigen Dutzend Einzelteilen bestehende Ärztebesteck eines römischen Chirurgen mit Instrumenten aus dem 2. Jahrhundert nCh. Auch als Aussichtspunkt eignet sich die Burg hervorragend. Weit schweift der Blick über Rhein, Nahemündung und die umliegenden Höhen, auf denen die Trauben von vier Weinanbaugebieten - Rheinhessen. Mittelrhein -Rheingau und Nahe - heranreifen.

 

Sehenswert in Bingen sind außerdem:

  • Katholische Pfarrkirche St. Martin: Sie steht auf den Fundamenten eines römischen Tempels.  Erbaut wurde sie um 1410  im gotischen Stil mit romanischen Teilen.  Sie hat eine zweischiffige spätgotische Halle aus der Zeit von  1502 bis 1505. Die früh­  - salische Krypta ist aus dem  11. Jahrhundert), Baldachinaltar  von 1768. Außerdem hat die Kirche eine und reiche mittelalterliche Plastik
  • Alte Nahebrücke („Drususbrücke“): Die  um das Jahr 1000  entstandene Brücke ist  die  älteste mittelalterliche Brücke Deutschlands. In einem Pfeiler befindet sich eine der ältesten Brückenkapellen Deutschlands.
  • Rheinkran, Holzkonstruktion um 1550.
  • Rochuskapelle auf dem Rochusberg: Sie  wurde 1666 während der Pest gestiftet, 1794 zerstört, 1814 und 1895 erneuert.

Rochusberg:

Als junger Mann von 23 Jahren erlebt Goethe den Rheingau erstmals bei einer Schiffspartie auf einer Yacht von Ehren­breitstein nach Frankfurt. „Und obschon dies an sich sehr langsam ging, so ersuch­ten wir noch überdies den Schiffer, sich ja nicht zu übereilen. So genossen wir mit Muße der unendlich mannigfaltigen Ge­genstände, die, bei dem herrlichsten Wet­ter, jede Stunde an Schönheit zuzunehmen schienen.“

Trotz der Eloge auf die herrliche Gegend läßt Goethe 42 Jahre vergehen, bevor er den Rheingau im Zusammenhang mit einer Badekur in Wiesbaden gründlich bereist. Goethe ist bereits ein gesetzter Herr von 65 Jahren, als er das muntere Treiben der Sankt ‑­ Rochus ‑ Wallfahrt zu Bingen im August 1814 beschreibt. An diesem Tag wird das Fest zum ersten Mal seit 24 Jah­ren wieder gefeiert. Die strategisch wichti­ge Hügelkuppe war lange durch französische Truppen besetzt gewesen, das Kirch­lein stark zerstört worden.

Erst nachdem Napoleon 1813 in der Völ­kerschlacht bei Leipzig vernichtend ge­schlagen wurde, war in Mitteleuropa eine über zwanzigjährige Kriegszeit beendet. Das Rheinland ist wieder deutsch gewor­den fleißige Handwerker bauen in kürzes­ter Zeit die Wallfahrtskapelle wieder auf, die neu geweiht wird. Der Festtag beschwört große Gefühle herauf, die weit mehr als reli­giöser Natur sind. Tau­sende tummeln sich auf der großen Wiese mit Blick auf das Bin­ger Loch, den Mäuseturm und das gegen­über liegende Rüdes­heim. Buden und Zel­te sorgen für das leibliche Wohl, der Wein fließt in Strömen. Goethe erweist sich als spendabel und gibt bei der Malerin Luise Seidler ein Bild des Heiligen in Auftrag, der zum Dank unverkennbar die Züge des jungen Goethe trägt.

Seit Goethes Besuch am 15. August 1814 hat sich auf dem Rochusberg über Bingen auf den ersten Blick nicht viel verän­dert. In „Dichtung und Wahrheit” beschreibt er ihn als Hügel nahe dem Rheinstrom, wo einstmals Meer war: „Es läßt sich als Vorgebirg in den alten höheren Wassern denken. An seinem östlichen Ende sieht man eine Kapelle, dem heiligen Rochus gewidmet, welche soeben vom Kriegsverderben wieder herge­stellt wird. An seiner Seite stehen noch die Rüststangen.”

Schon bei der Anfahrt durch den rechtsrheinischen Rhein­gau oder das gegenüberliegende Mainzer Becken ist der Bergrücken mit der Kapelle an der Spitze weithin erkennbar. Mit dem Auto fährt man in Bingen über Mainzer-, Rochusstraße und Rochusallee hoch. Bahnreisende oder Schiffspassagiere finden Wanderwege nach oben, die mit jedem gewonnenen Meter Höhe überwältigendere Aussichten bieten.

Vor 30 Millionen Jahren soll sich hier der Strom den Weg durch die Felsen gebahnt haben, so daß das Meer abfloß. Aus den zurückgebliebenen Schlämmen und Schwemmsand bildeten sich Schiefer und Quarzite, die einen guten Wein hervorbringen. Am Schliff in den Steinwänden ist heute noch zu erkennen, wie hoch der Meeresspiegel einst reichte. Die Mee­resbran­dung kerbte sich ein. Der Amateurgeologe Goethe hielt sich denn auch zuerst unten mit dem Sammeln von Gesteinsproben auf, ehe er mit Scharen von Wallfahrern den damals ziemlich waldarmen Berg erklomm. Heute ist die Höhe ein großer Waldpark.

Die Kapelle im „wohlhäbigen katholischen Kirchenstil”, die der Dichter oben antraf, ist nicht mehr die heutige. Nachdem den Rhein aufwärts bis nach Frankfurt die Pest mit der Schiffahrt einge­schleppt worden war, hatten die Binger sie zu bauen gelobt, wenn sie selbst verschont blieben, und hatten sie dem Pestheili­gen Rochus gewidmet. Allein das Vorhaben sollte schon das göttliche Strafgericht abwenden, als welches die Seuche galt.

Statt der vom Blitz zerstörten alten Kapelle nimmt seit 1895 ein Musterbeispiel der Neugotik die Stelle ein. Im Inneren sind jedoch Altäre, Bilder, Plastiken aus dem 16. und 18. Jahrhundert überkommen, darunter ein Gemälde des früheren Kirchleins und ein Kuriosum: Goethe in Gestalt des Kirchenpatrons. Der Legende nach hat Rochus im 14. Jahrhundert in Italien hinge­bungsvoll Pestkranke gepflegt, bis er selbst infiziert aus der Stadt gewiesen wurde. Er wäre umgekommen, hätte nicht ein kleiner Hund ihn mit stibitztem Brot versorgt. Seitdem wird der Heilige immer mit dem Hündchen dargestellt, das einen Laib Brot apportiert.

Wer heute an einem Frühlingssonntag von Bingen aus hinauf zur Kapelle kurvt, trifft den Ort viel beschaulicher an. Die Kirche mit dem prunkvollen Außenchor strahlt frisch renoviert in der Sonne. Nur wenige Schritte sind es von der Kirche zum Aussichtspunkt Goethe ‑ Ruhe mit Blick über den Rhein. Doch das Panorama ist heute fast zugewachsen. Wer Rüdesheim richtig erkennen will, muß auf eine Bank steigen und den Hals recken, denn eine mächtige Kastanie drängt sich ins Bild. Der Bück nach Süden auf den Strom mit seinen Lastkähnen und Inseln bis nach Mainz ist dagegen frei.

 

Der Außenchor der Kirche geht in einen Park, wie in einen Naturdom über. Zu den Wallfahrten herrscht hier ein ähnliches Gedränge, wie unser Dichter es erlebt haben muß. Ihm ist ein Aussichtstempel auf den Rhein gewidmet, einer Gruppe von Wallfahrern, die bei einer Überfahrt kenterten und ertranken, eine Gedächtnistafel. An der „Laterne” vorbei streift der Blick über Weinhänge ins Naheland. Linkerhand im Kloster der Obla­tenpatres kann man um eine Kirchenführung bitten, denn ge­wöhnlich ist - nach etlichen Diebstählen - der Blick nur durch gesicherte Gitter möglich.

Angesichts der Naheniederung geht es vorbei am Weintor der Westseite des Berges und seinem Kaiser - Friedrich - Turm zu. Überall sind Rastplätze, auch ein Grillplatz, auf leichter Anhöhe mit wiederum herrlicher Aussicht. Während Kinder sich lieber auf dem Bolzplatz austoben wollen, mögen die Erwachsenen den Turm besteigen und nun auch noch den Blick in sich aufnehmen, der bisher verborgen war: Auf Bingen und die Nahe, die an der schönsten Stelle oberhalb des Mäuseturms in den Rhein mündet.

Wer danach einkehren will, kann das vielleicht noch in den gerade passierten „Tennis - Terras­sen” tun, wo der Rundblick inbegriffen ist. Sonst gibt es beim Abstieg nach einem Aus­sichtsschlenker über das Rondell auf dem Scharlachskopf in Bingen genügend Lokale. Wieder kann man sich dabei an Goethe erinnern, der auf dem Rochusberg über die Trinkfreudigkeit selbst der Kinder staunte und belustigt die Geschichte von dem trinkfreudigen Pfaffen vernahm, der für seine Predigten wider die Trinklust bekannt war. Nur so viel erlaubt der Herrgott seinen Schäfchen, wie ihnen bekömmlich sei. Ihn selbst, so brüstete er sich aber, habe der „grundgütige Gott gewürdigt”, ein „seltener Fall” zu sein, der sich täglich acht Maß (16 Flaschen) „mit gutem Gewissen” einflößen dürfe. Dann wohl bekomm's!

 

Burg Ehrenfels  und Mäuseturm:

Burg Ehrenfels am anderen Rheinufer wurde 1215 von den Grafen von Bolanden im Auftrag des Mainzer Erzbischofs Siegfried errichtet. Die Burg diente ausschließlich der Zollerhebung zu Lande und zu Wasser. Auf einem Merian - Stich aus dem 16. Jahrhundert sieht man noch, daß zur Burg ein ganzer Gebäudekomplex zählte, der sich bis zum Rheinufer hinzog. Zu den Zollgebäuden gehörte auch der am anderen Ufer gelegene sogenannte „Mäuseturm“.

Victor Hugo schauderte es auf seiner Rheinrei­se 1840 bei diesem Anblick des Turms im Strom. Hatte ihm doch sein deutsches Kindermädchen mehr als einmal die gruselige Geschichte von Hatto, dem hartherzigen Erzbischof von Mainz, erzählt, den die Mäuse bei le­bendigem Leib auffraßen. Die Sage bringt den Turm mit dem Mainzer Erzbi­schof Hatto II. (968 - 970)  in Verbindung, der schon in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts lebte und als geiziger und grausamer Tyrann geschildert wird. Als nach einer Belagerung die Bevölke­rung unter großer Hungersnot litt, die Scheuern und Fruchtspei­cher des Erzbischofs aber voll waren, zogen die Hungernden Hilfe erbittend zu Hatto.

Offenbar auf das Ersuchen der Leute eingehend, beorderte er die Bittgänger zu einer großen Scheune, wo sie mit Brot versorgt werden sollten. Hatto aber hatte die Menschen in eine grausame Falle gelockt: Als alle Brotholer in der Scheune waren, ließ der Erzbischof das Tor blockieren und rings um die Scheune Brände legen. Das Gewimmer und die gellenden Schreie der Eingeschlossenen ließen Hatto kalt. Er spottete noch dazu und deutete die Todesangstrufe der Menschen als das „Pfeifen der Kornmäuse”.

Aber die Schadenfreude sollte ihm bald vergehen: Aus der Asche der Verbrannten, so erzählt die Sage weiter, seien unzäh­lige Mäuse hervorgekommen, die den Erzbischof ständig scha­renweise verfolgten. Um sich den grauen Nagern zu entziehen, flüchtete Hatto auf eine Rheininsel und ließ in aller Eile einen hohen Turm bauen, der seine künftige sichere Behausung sein sollte, den Mäuseturm. Aber Wasser sowie Turm bildeten für die Mäuse kein Hindernis, sie überwanden beides und sorgten für eine gerechte Strafe: Sie fraßen den hinterhältigen Hatto lebendigen Leibes. Womit die Herkunft des Namens Mäuse­turm hinreichend erklärt sein dürfte. Allerdings nur der Fabel nach.

 

Historisch verhält es sich etwas anders. Der Turm war ursprünglich ein Aussichts-  und Wartturm der kurmainzer Zollburg Ehrenfels am rechten Rheinufer aus der Zeit vor 1350, weil man von dort aus den Rhein wegen einer Flusskrümmung nicht nach beiden Seiten einsehen konnte. Er hieß also ursprünglich Mauth­turm, weil darin ein Mauth- beziehungsweise Zollhaus untergebracht war. Mauth ist germanischer Herkunft und bedeutet Warenzoll, Mauthner hieß der Zöllner. Nachdem beide Wörter aus dem deutschen Sprach­schatz verschwunden waren und man sich unter einem Mauth­turm nichts mehr vorstellen konnte, machte die Volksphantasie schließlich den Maus- oder Mäuseturm daraus.

Im Jahre 1855 wurde der Turm mitten im Rhein neugotisch erneuert und diente noch eine Weile als Signalstation für die Rheinschifffahrt. Seit der Entschärfung des klippenreichen Binger Lochs vor einem Jahrzehnt ist die Signalanlage überflüssig geworden und wurde demontiert. Heute ist der schlanke Turm mit seinen gezackten Türmchen einzig noch vielbeachtetes Symbol der alten Sage mit den Mäusen und wird des nachts in Bonbon­farben angestrahlt.

 

„Ach hätt’ ich nur den Zoll am Rhein, vorbei war'n alle Plagen!“ So heißt es in einem mittelalterlichen Lied. Der Rhein war zur damaligen Zeit einer der wichtigsten Handelswege im Reich. Vor allem im engen Mittelrheintal, das von schwer passierbaren Höhen umgeben war, gab es so gut wie keine wirtschaftliche Alternative zum Schiffstransport. Tatsächlich kann der Zoll am Mittelrhein in seiner Bedeutung für die jeweiligen Landesherrn nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Klartext: Für den, der ihn erhob, kam der Rheinzoll einer Lizenz zum Gelddrucken gleich!

Bis weit ins Hochmittelalter war die Zollerhebung allein das Recht der deutschen Könige und es bestanden zwischen Bingen und Koblenz nur zwei Zollstellen. Überliefert sind die Zölle von Boppard (10. Jahrhundert) und Koblenz (11. Jahrhundert). Beide befanden sich in königlicher Hand. Natürlich blieben die lukrativen Einnahmen, die mit der Zollerhebung verbunden waren, den Territorialherren nicht verborgen. Diese wollten von dem Kuchen auch etwas abhaben und errichteten seit Beginn des 13. Jahrhunderts eigene Zollstellen.

Sie stießen damit auf den erbitterten Widerstand des Königs und des Rheinischen Städtebundes, der 1254 / 1256 deshalb sogar einen Zollkrieg führte. Letztendlich aber vergebens. Im Jahre 1301 startete König Ludwig der Bayer einen letzten erfolglosen Versuch, die Zollerhebung durch die Territorialherren zu verhindern. Das hatte zur Folge, daß es ab Anfang des 14. Jahrhunderts zwischen Mainz und Köln zwölf Zollstellen gab, davon alleine 7 (!) auf den rund 50 Flußkilometern zwischen Bingen und Koblenz. Der Zoll wurde so zur bedeutendsten Finanzquelle der regionalen Herrschaften im 14. und 15. Jahrhundert. Vom Mainzer Erzbistum ist zum Beispiel  bekannt, daß es alleine mit seiner Zollstelle in Oberlahnstein 15.000  bis 20.000 Gulden jährlich einnahm. Das war mehr als alle Abgaben der Untertanen zusammen. Dabei sind die Zolleinnahmen von Burg Ehrenfels, die Mainzer Erzbischöfe kassierten nämlich an zwei Stellen, noch nicht berücksichtigt.

Die Höhe der Zollabgaben war unterschiedlich. Überliefert ist, daß in Bacharach 10 Prozent und in Kaub 16 Prozent des Warenwertes erhoben wurden. Durch alte Unterlagen belegt ist, daß sich der Warenwert wegen der zu entrichtenden Zölle zwischen Burg Ehrenfels und Koblenz um 75 Prozent verteuerte. Von den Zahlungen befreit waren fremde Zollherren, königliche Hofbeamte, Pilger und Geistliche. Sie mußten zwar wie alle anderen Reisenden an der Zollstelle stoppen, waren aber im Besitz eines Geleitbriefs, der den Zöllnern vorzuweisen war.

Man weiß heute ziemlich genau, wie sich eine mittelalterliche Zollverwaltung personell und logistisch zusammen setzte: An der Spitze stand der Zollschreiber, der oft der jeweiligen Zollherrenfamilie angehörte. Ihm unterstellt waren der Beseher mit zwei bis drei Zollknechten als Helfer sowie militärisches Personal in unterschiedlicher Stärke. Eine besondere Vertrauensstellung hatte der Beseher inne. Ihm oblag nämlich die Taxierung der Ware und die Festsetzung der zu zahlenden Zollgebühr. Logisch, daß er in dieser Tätigkeit manchem Bestechungsversuch durch die Kaufleute ausgesetzt war. Entlohnt wurden die Zöllner mit einem Gehalt, kostenloser Sommer- und Winterdienstbekleidung und Naturalien. Die Zollverwaltungen logierten in Zollburgen, -häusern oder -türmen direkt am Fluß. Zu ihren logistischen Einrichtungen zählten Schiffsanlegestellen, Kaimauern und Lastkräne.

 

 

Insel Rettbergsaue

Zwischen Mainz-Mombach und Wiesbaden -  Schierstein liegt mitten im Rhein die Rettbergs­aue. Große Teile dieser 65 Hektar großen, 3 Kilometer langen und bis zu 300 Meter breiten Insel, die teilweise von Auwald bedeckt ist, stehen seit 1978 unter Naturschutz. Ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen sind heute sich selbst überlassen.
Dank dieser Entwicklung ist die Vogelwelt der Rettbergsaue trotz der Belastung durch die Autobahnbrücke, die über sie hinwegführt, recht artenreich. Der Nachtigallenbestand ist ungewöhnlich groß, und es existiert eine Graureiherkolonie. Zu der schützenswerten Vogelwelt der Insel gehören auch Schwarz- und Rotmilan, Hohltaube, Kleinspecht und Pirol, die sämtlich auf der Roten Liste stehen.
Die Rettbergsaue ist zugleich ein stark besuchtes Naherholungsgebiet. Es gibt Sandstrände, einen Grillplatz, zwei Campingplätze, einen Kinderspielplatz, mehrere Tischtennisplatten, einen Bolzplatz und auf der Schiersteiner Seite das gemütliche Insel - Café.

Man kann den Besuch der schönen, autofreien Rheininsel in eine 4 Kilometer lange Rundtour einbinden. Es geht zunächst vom Schiersteiner Hafen mit der Fähre zum Westteil der Rett­bergs­aue. Dann wandert man die 1,5 Kilometer zum Ostteil hinüber. Von dort fährt man mit der Fähre nach Biebrich, und zum Schluß geht es auf dem Fahrradweg in der Rheinaue zum Schiersteiner Hafen zurück.
Öffnungszeiten: April - Oktober täglich 8 - 20 Uhr | freier Eintritt | Tel. 0611 24551 (Biebrich), 0611 24508 (Schierstein).| Info: aus Naturschutzgründen sind Hunde nicht erlaubt |
Insel - Café auf der Rettbergsaue | Tel. 0611 9279898 | Mai-Okt täglich geöffnet ab 10.30 Uhr

 

Nierstein

Welcher Ort am Rhein darf sich mit dem Prädikat „größte Weinbau treibende Gemeinde” schmücken? Einer der berühmten Namen, Bacharach, Rüdesheim, Worms oder Brei­sach am Kaiserstuhl? Es ist das rheinhessische Nierstein süd­lich von Mainz. Mehr als 1000 Hektar sind von Reben be­stockt - das ist fast so viel, wie noch am gesamten Mittelrhein angebaut wird. Und tatsächlich, die Gemeinde scheint förm­lich im Wein zu schwimmen. Kein Wald und kein Feld un­terbricht das Rebenmeer.

Die Großlage „Roter Hang“ verweist durch ihren Namen auf die außergewöhnliche Geologie, der Nierstein seinen flüssigen Reichtum verdankt. Der gesamte Hang besteht aus rotem Tonschiefer, dem so genannten Rotliegenden, einer Formation aus der Permzeit vor 250 Millionen Jahren. Das mineralreiche Gestein begünstigt aber nicht nur die Wein­qualität.

Es ist auch ein hervorragender Konservator früher Lebensspuren. Die meisten Funde an Saurierfossilien oder Haifischzähnen hat der Privatsammler Arnulf Stapf gemacht. Daraus erwuchs eine der größten paläontologischen Samm­lungen in Deutschland. Im Alten Rathaus können die nach Alter und Klassen geordneten Schätze aus 570 Millionen Jah­ren bewundert werden, darunter einzigartige Raritäten wie die ältesten Insektenspuren („Trittsiegel") Europas oder der 270 Millionen Jahre alte „Urlurch”, eines der ersten Tiere mit fünfgliedrigen Extremitäten.

Sehenswert ist die evangelische Kirche mit dem Chorturm aus dem 12. Jahrhundert und dem Langhaus (1782 -  1787) inmitten alter Kirchhofbefestigung mit gotischem Rundturm und romanischem Tor. Die katholische Pfarrkirche St. Kilian - auch Bergkirche genannt - hat einen romanischen Chorturm mit Zwiebelhaube aus dem 18. Jahrhundert und Langhaus von 1772 - 1774. Das Alte Rathaus (1838) ist heute Paläontologisches Museum. Das Sironabad ist ein unterirdisches Quellenheiligtum des keltisch - römischen Göttin Siro­na.

 

Ingelheim

Bei Ingelheim ist der Rhein mit 900 Meter breit und hat damit seine größte Breite. Es gibt ein Strandbad und einen Jachthafen. In Ingelheim ist das größte Kirschenanbaugebiet Deutschlands. Ende September wird in Ober - Ingelheim die Rotweinkönigin gewählt. Außerdem ist Ingelheim  eine Hochburg des Spargelanbaus (besonders gut im Sportlerheim).

Von der Autobahnabfahrt Ingelheim - Ost fährt man in den Ort hinein und dann links hoch nach Unter - Ingelheim entsprechend der Schilder „Altes Rathaus, Kaiserpfalz“. Parken kann man in der Straße westlich des Alten Rathauses. Im Rathaus ist ein Museum, das aber nur werktags am Vormittag geöffnet ist. Es gibt aber einen Wanderweg, der zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Ingelheims führt.

Die Kaiserpfalz Karls des Großen liegt östlich des Alten Rathaus in  der Saalgasse. Die Pfalz, von Kaiser Karl projektiert und von seinem Sohn, Ludwig dem Frommen vollendet, erreichte die Ausdehnung antiker Groß­bauten. Hier wurde 788 der Prozeß gegen Tassilo von Bayern geführt, hier wurde der einzige Gold - Denar Karls des Großen gefunden. Viele Häuser der Stadt sind aus den Steinen der Pfalz gebaut. Mittelpunkt der Anlage war die Aula, der Reichssaal, in dem sich Könige und Kaiser trafen, sowohl die glanzvolle Synode unter Otto dem Großen von 948 als auch die Versammlung, als Kaiser Heinrich IV. von seinem Sohn 1105 zum Abdanken ge­zwungen wurde.

Kaiser Barbarossa verwandelte die Pfalz in einen „wehrhaften Stützpunkt“ und veränderte damit das Gesamtbild der Anlage grundlegend. Mauerreste und Teile der Saalkirche stam­men aus dieser Zeit. Auf einer Holzrelieftafel ist die Gesamtanlage rekonstruiert. Auf einer Wendeltreppe kann man auf die Mauer steigen und auf das Hauptgebäude der Pfalz sehen. Man kann aber auch noch von der Längsseite her in das Innere gehen. Der befestigte Raum um die Pfalz wird „Saal“ genant, die Mauern wurden erst später um die Pfalz gebaut. Im  Jahre 1689 wurde die Pfalz eingeäschert.

Weiter östlich liegt die Saalkirche. Südlich davon das „Karlsbad“, eine unterirdische Brunnenanlage (kein Bad) und der Saalbrunnen. Östlich der Saalkirche stehen Reste des Hei­desheimer Tors. Daran schließt sich südlich an die Stadtmauer. An ihr geht man entlang bis zum Zuckergerbtor (mit Kräutergarten) und dem Eckturm „Bolander“.

Wenn man die Straße westlich des Alten Rathauses entlang fährt, kommt man zur Katholischen Remigiuskirche, ein einfacher Barockbau von 1739, mit reich gegliedertem romanischem Turm.

Ein Stück weiter wendet man und fährt in der Einbahnstraße wieder nach Osten. Nach rechts geht es zum Krankenhaus, dort wieder rechts und dann links hoch entlang der Weinberge nach Ober - Ingelheim zur Burg mit der Evangelischen Burgkirche mit Deckengemälden. Die Kirche entstand Mitte des 15. Jahrhunderts anstelle einer romanischen Vorgängerin. Adelsgeschlechter aus Ingelheim erkoren sie zu ihrer Grab­lege. In der Nähe der Kirche ist ein Weingut, das schöne geschnitzte Fässer im Keller hat.

Durch den Gehauweg kann man einen Abstecher in die Weinberge machen. Man kommt zum kleinen Burgberg mit Baumgruppe und Mauerresten. Der nächste markante Punkt ist ein freier Platz mit Kelter und Kruzifix. Hier geht es nach links und kurz darauf noch einmal nach links.

Durch die Burganlage fährt hinein nach Ober - Ingelheim, an der zentralen Kreuzung geht es links zum alten hessischen Amtsgericht. Man fährt aber gerade aus ins Selztal und über den Bach. Am Kreisel zeigen Wegweiser zwei Möglichkeiten: „Haus Waldeck“ führt auf den

den Westerberg („wüster Berg“, weil wenig Regen). Dort steht der Bismarckturm. Man überquert den Rheinhöhenweg, um links versetzt  auf einem Graspfad und nochmals links die Verbindung zur Waldecker Straße herzustellen, die sich in engen Kurven hinanwindet. Man kommt zu „Brausers Berghütte“(Säfte aus eigenen Obstplantagen) oder zum Restaurant Waldeck. Der Bismarckturm hat 124 Stufen.

Oder man fährt Richtung  „Schloß Westerburg“. Dieses  ist ein Weingut, das 1900 von Heinrich von Opel gekauft wurde. Es gibt aber keine Autostraße zwischen beiden Ausflugszielen, nur einen Feld- und Radweg.

Im Selztal am Rande Ingelheims ist die Eulenmühle, ein Reiterhof mit artgerechter Haltung. Durchs Tal führt ein schöner Radweg (Frankfurt II, Seite 263).

In der Umgebung stehen links den Laurenziberg, ein Wallfahrtsort, dann Ober- und Nieder-Ingelheim  In der Nähe weithin sichtbar der Bismarckturm.

 

 

Heidesheim

Nur wenige Schritte vom Bahnhof Heidesheim entfernt, ragt das Wahr­zeichen der Gemeinde auf, die 17 Meter hohe Turmburg Windeck, einst Mittelpunkt einer ausgedehnten Wehranlage, um 1209 als Wasserburg im Umkreis der ruhmreichen Ingel­heimer Kaiserpfalz entstanden. So trutzig, mußten Bauwerke wohl errichtet sein, um nicht wie die meisten anderen des Ortes in seiner langen Geschichte durch häufige Über­schwemmungen hinweggespült zu werden.

Durch die Bahnhofstraße kommt man zum Ortsmittel­punkt, an dem Mainzer und Linger Straße abzweigen, rechts der großen katholischen Kirche mit barocker Schau‑ und Portalfront in die Römer‑, Oberdorfstraße und halbrechts in den Wackernheimer Weg. Wenn dieser auf die Wackernheimer Straße trifft, findet man erstmals die Markierung R und schließt sich ihr unmittelbar rechts am Haus Nr. 21, einen kaum sichtbaren Wiesenpfad hinauf, an. Weiter leicht stei­gend zwischen Obstbäumen, später auch mit Reben‑ und Obststücken abwechselnd wie während der gesamten Wan­derroute, ist man schnell über dem Ort.

Man schaut hinüber zum auffälligen Gebäude der ehemaligen Schloßmühle am Karlsbach, einem schmucken kleinen Renaissanceschloß, dessen Anfänge auf die gleichen Ritter von Winternheim zurückgehen, die die Burg Windeck erbauten und schon bald nach hier übersiedelten. Zur Öl‑ und Getrei­demühle wurde die Anlage erst im vergangenen Jahrhundert. Ein Industriemäzen verhalf dem Schloß zu seinem neuen alten Gesicht.

Auf dem Weinbergweg erreicht  man fast die Höhe des Ra­benkopfes. Der Hinweis „Naturdenkmal“ in einem steinigen Gelände gilt auch den Höhlen. In einer von ihnen soll einst Karl der Große mit seinem Jagdgefolge vor einem Gewitter Schutz gesucht haben. Essend und trinkend soll die Ge­sellschaft das Unwetter abgewartet haben und später noch manches Ge­lage darin gefeiert haben. Die Höhle soll den Namen „Karlsgrotte“ gekommen haben. Aus Sicherheitsgründen sei sie nicht zugänglich. Ortskundige stellen allerdings klar, daß es eine  solche Höhle nicht gibt. 

Statt in die Tiefe schweift der Blick in die Ferne, über den Rheingau jenseits des Stromes zum Rheintaunus. Der Radius wird noch vergrößert nach Kreuzen der Straße Mainz ‑ Ingel­heim mit Erreichen des höchsten Punktes dieser Gegend (228 Meter).

Doch was weitaus mehr fasziniert ist die Landschaft diesseits des Rheines zur Zeit der Kirschblüte. . Zu Zehntausenden reihen sich die Kirschbäume an­ein­an­der. Ein Kirschblütenmeer tut sich alljährlich in der Rheinnie­derung zwischen Heidesheim und Ingelheim auf. Während hier oben noch meist die hochstämmigen Veteranen mit weitausholenden Kronen dominieren, ist man unten im Tal längst zur Bepflanzung mit kleinwüchsigen Neuzüchtungen übergegangen, die zwar alle sieben bis Jahre erneuert werden müssen, aber weitaus ertragreicher sind als die mühsam über Leitern erreichbaren großväterlichen, hier bald nur noch in der Literatur existierenden Schattenspender.

Das „R“ leitet einen asphaltierten Weg zwischen Rebenzeilen nach Ingelheim hinunter, auf die malerische Burgkirchenanlage zu, Grablege der Ingelheimer Adelsgeschlechter seit dem 15. Jahrhundert inmitten eines mittelalterlichen Wehrfriedhofs. An dieser Stelle verläßt uns das Zeichen. Man wendet sich rechts in den Gehauweg, seine Fortsetzung Rotweinstraße, von der Turnerstraße rechts in die Mainzer Straße und links zum Rathausplatz mit Altem Rathaus.

Zwischen Zanggasse und Zuckerberg läuft man geradeaus in die Heidesheimer Straße und damit aus Ingelheim hinaus, in dieser Jahreszeit sicher nicht, ohne zum Spargelessen eingekehrt zu sein. Hauptsächlich Spargelfelder neben Reben und Obststücken bestimmen denn auch diesen Feldabschnitt auf Heidesheim zu. An der Wegegabelung mit steinernen „Ruhe“, an der einst die Marktfrauen ihre Kiepen und Körbe absetzten, wendet man sich links, an einer mächtigen Schwarzpappel vorbei, und findet durch Berndes ‑ Allee und Binger Straße zum Bahnhof zurück (Elvira Klein, Frankfurt I, Seite 259).

Herr Schaub aus Heidesheim teilter 2010 dazu mit, daß er nicths von diesen verschütteten Höhlen wisse. Er vermutet eher, daß es sich um eine Volkssage handelt, die im Zusammenhng mit der Pfalz in Ingelheim (Karl der Große)  entstanden ist.

 

Gau-Algesheim

Hier steht das  Schloß Ardeck. Das Rathaus ist um 1480 auf spätgotischem Erdgeschoß erbaut.  Der Graulturm als Teil der Stadtbefestigung ist nach 1355erbaut. .

 

Budenheim

Hier steht  weithin sichtbar das Schloß Waldthausen. Im Hintergrund ist der Aussichtsturm auf dem Leniaberg, mit einer guten Wirtschaft mit großem Garten.

 

 

Mainz

Auf mehr als 2000 Jahre bewegte Geschichte blickt rheinland-pfälzische Landeshauptstadt zurück. Kanzler, Erzbischöfe und Johannes Gutenberg prägten sie genauso wie das rheinische Temperament seiner Einwohner und seit 1961 das Zweite Deutsche Fernsehen auf dem 200 Meter hohen Lerchenberg.

Bereits um 38 vCh gründeten die Römer am Zusammenfluß von Rhein und Main ein Militärlager. 25 Jahre später wurde „Moguntiacum“ erstmals urkundlich erwähnt. Strategisch wichtig, da am Schnittpunkt alter Völkerstraßen. Blieb Mainz auch im Mittelalter. Im 8. Jahrhundert machte der Hl. Bonifatius Mainz zum Sitz seines Erzbistums und legte damit den Grundstock für den weiteren Aufstieg der Stadt. Fortan residierten Erzbischöfe und. ab dem 10. Jahrhundert auch Erzkanzler im „Goldenen Mainz“. Repräsentative Bauten entstanden, darunter im 11. Jahrhundert der Dom. Und auch die reichste und wichtigste jüdische Gemeinde Europas siedelte sich in Mainz an.

Als zwischen 1452 und 1455 Johannes Gensfleisch zum Gutenberg die nach ihm benannte Gutenberg-Bibel zum ersten Mal in lateinischer Sprache druckte, waren die Erzbischöfe schon längst zu weltlichen Kurfürsten aufgestiegen. Das 17. und 18. Jahrhundert bescherte Mainz unter den Erzbischöfen von Schönborn eine weitere Blüte sowie zahllose, bis heute erhaltene barocke Gebäude. Mittlerweile leben in der Landeshauptstadt fast 200.000 Einwohner, die sich in der Altstadt mit ihren pittoresken Gassen und Winkeln, faszinierenden Fachwerkhäusern, sakralen Bauten und den vielen Weinstuben genauso wohl fühlen wie die zahlreichen Besucher.

Mainz gehörte zu den wichtigsten Außenposten des römischen Reiches im Norden, war zeitweise Frontstadt des römischen Reiches, zentraler Verwaltungssitz für die Provinz Germania superior, die sich von Koblenz bis zum Genfer See erstreckte. In Mainz prallten die Kulturen der Römer und der Germanen aufeinander. Das römische Mainz war Drehscheibe zwischen der römischen Kultur und dem „Babaricum“, dem Land der Barbaren.

Im Jahre 346 ist erstmals ein Bischof in Mainz beurkundet. Der heilige Bonifatius hat mit der Übernahme des Bischofsstuhls die über tausendjährige Epoche des „Goldenen Mainz“ einleitet. Und außerdem ist da ja noch Gutenberg, der Erfinder der Druckkunst, der von den Amerikanern gekürter „Mann des Jahrtausends“.

Mainz gehörte zu den wichtigsten Außenposten des römischen Reiches im Norden, war zeitweise Frontstadt des römischen Reiches, zentraler Verwaltungssitz für die Provinz Germania superior, die sich von Koblenz bis zum Genfer See erstreckte. In Mainz prallten die Kulturen der Römer und der Germanen aufeinander.

In Mainz wurde die erste feste Brücke über den Rhein gebaut, und in Mainz wurde bei Bauarbeiten in der Innenstadt ein Heiligtum des Volksglaubens entdeckt, eine Opfer- und Kultstätte. Als dies wieder verschüttet gehen sollte - wie so viele Römerrelikte der vergangenen Jahrhunderte in Mainz - da gründete sich die „Initiative Römisches Mainz“, um das römische Erbe zu bewahren, zu pflegen und zu fördern. Die Initiative legte zum Tag des offenen Denkmals 2001 einen kleinen Führer mit dem Titel „Streifzüge durch das sichtbare römische Mainz“ auf. Die zeigte die „Römersteine“, die Relikte einer alten Wasserleitung, die das Heerlager auf dem Kästrich versorgte, den Drusus­stein, steingemauerte Erinnerungsstätte an den Heerführer Drusus, Stiefsohn des Kaisers Augustus, der in Mainz starb.

Die römische Wasserleitung soll zumindest in zwei Bögen rekonstruiert werden, um eine Vorstellung von der Baukunst der Römer und ihrem handwerklichen Können in der Grenzstadt Mainz zu geben. Aber nicht immer sind es die großen Monumente, um die sich Geschichten ranken.

Im Isis-Tempelbezirk fand man eine kleine Tonfigur - eindeutig als Mann ausmachen. Diese Figur war rituell zerbrochen und wie bei einem Voodoo-Zauber durchstoßen und gedreht gebettet. Für die Archäologen ist klar - eine verwünschte Person. Ein Rätsel mehr im Mainzer Boden.

Römisches Andenken, das sind auch solche Terrakotta-Figuren aus dem einmaligen heiligen Bezirk römischer Volksgläubigkeit in Mainz.

Wie schwer es ist, gute Ideen umzusetzen, zeigt der Südbahnhof in Mainz, der wie ein lange vergessener, abgenutzter und vernachlässigter Bahnhalt aussieht, aber bald modernisiert werden soll. Der Bahnhof soll künftig „Mainz - Römisches Theater“ heißen, um auf den einmaligen Theaterbau hinzuweisen. Denn als die Bahn im späten 19. Jahrhundert durch Mainz gebaut wurde, da führten die Gleise mitten durch die Theateranlage.

Das Stadtmarketing hat sich bislang stets des eingefahrenen Stadtbildes bedient: Karneval statt Römer. Dabei verfügt Mainz über eine Vielzahl interessanter Plätze mit römischer Vergangenheit und manchmal neu zu konzipierender musealer Präsentation - vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) bis zum Römerschiffmuseum (Museum für antike Schiffahrt). In einer neuen Einkaufspassage in der Innenstadt („Römer-Passage“) kommt noch eine „Taberna Archaeolo­gi­ca“ hinzu - Info-Bar für den „Heiligen Bezirk“ mit direkten Einblick in den Isis-Tempel. Die Römer sollen wieder stärker ins Bewußtsein der Stadt rücken und warten darauf, als Werbefaktor neu entdeckt zu werden.

 

Rundgang:

Schiffahrts-Museum:

Mainz-Süd empfiehlt sich der Einstieg ins Schiffahrts-Museum für die 1981 geborgenen Schiffe. In ihren originalen Resten eher unscheinbar, dafür als Nachbauten umso beeindruckender, liegen die Boote in den lichtdurchfluteten Hallen der ehemaligen Großmarkthalle. Ein mit 32 Ruderern besetztes Boot ist fertig, während an einem zweiten, vermutlich mit Pfeilgeschützen bestückten Boot vor den Augen Besucher gewerkelt wird.

Was sich nicht aus den Holzfunden erschließen läßt, bildet man an antiken Reliefs nach, die jedes Detail von Takelage oder Steueranlage festhalten. Neben Repliken geben zahlreiche Bildnisse, Grabmäler, Karten, Inschriften und ausführliche Texttafeln einen umfassenden Einblick in das römische Flottenwesen.

Vermutlich hatten die fünf im Flußsediment konservierten Rheinschiffe nie ernsthafte Feindberührung. Sie dürften bei der Katastrophe zum Jahreswechsel 406 / 407, als mehrere germanische Stämme in breiter Front den Rhein überschritten, noch vor dem Feindeszugriff versenkt oder schon zuvor abgewrackt worden sein (Museum für antike Schiffahrt, Neutorstraße 2 b, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr).

 

Römisches Theater:

Vom Schiffsmuseum geht man vorbei an einem Parkplatz, unterquert die Bahnhofsgleise Mainz-Süd. In Römischer Zeit befand sich hier ein Amphitheater - Ort der jährlichen Drusus-Staats­gedenkfeiern. Es hatte eine Bühnenbreite von 42 Metern und einen 116 Meter breiten Zuschauerraum mit 10.000 Plätzen - das nachweislich größte römische Bühnentheater nördlich der Alpen.

Allein dieser Bau unterstrich die zentrale Rolle, die das römische Mainz einst hatte. Das Theater sollte im 19. Jahrhundert schon einmal ausgegraben werden. Seit 1999 wird es nun von vielen freiwilligen Helfern freigelegt. Die Helfer melden sich zu Wochenend- oder Ferienschichten und begeistern sich für die Geschichte unter dem Stadtboden.

Vorher war von dem ganzen Theater nichts zu sehen, da lag eine Straße darüber. Als im 17. Jahrhundert die Zitadelle gebaut worden war, wurden nämlich die Überreste des Theaters zugeschüttet oder weggeräumt, um von den Stellungen aus ein freies Schußfeld zu haben. Erst beim Bau der westlichen Eisenbahnverbindung 1884 tauchten die Mauerreste wieder auf. Die Bauherren des Bahnhofs gewannen aber gegen die Archäologen. Als die Bahn durch Mainz gebaut wurde, da führten die Gleise mitten durch die Theateranlage. Auch bei neuerlichen Grabungen 1914 ist das Interesse an dem Theater schnell erloschen.

Marianne Grosse, Bau- und Denkmalpflegedezernentin von Mainz, will das Bühnentheater nun Schritt für Schritt wieder herrichten lassen. Erst ein richtiger Zaun, dann eine erste Stuhlreihe, dann erste Aufführungen, schließlich mehr Bänke, bis wieder 500 Menschen in dem halbrunden Bau sitzen können - so lautet der Plan. Möglich seien Theaterstücke oder Tanzabende unter freiem Himmel oder auch Open-Air-Kino. Der Intendant des Mainzer Staatstheaters, Markus Müller, hat sich die Überreste des Bauwerks schon auf eine mögliche Nutzung hin angeschaut. Der Ort sei aber „sehr anspruchsvoll“, sagt eine Sprecherin vorsichtig. Der Sandboden sei schwierig, und die Züge im angrenzenden Bahnhof seien laut.

Die Gleise verlaufen direkt an den Relikten des Theaters entlang - genau dort, wo einst die Bühne stand. „Wir wissen bis heute nicht, wie hoch das Bühnenhaus war“, sagt Gerd Rupprecht, der über viele Jahre hinweg Landesarchäologe von Rheinland - Pfalz war. Wahrscheinlich aber mußten die Zuschauer in den ersten Reihen nach oben schauen. Das ganze Theater dürfte sich mehrere gewaltige Stockwerke nach oben erstreckt haben, bis zum Giebeldach der Lutherkirche am angrenzenden Hügel. „Und darüber Sonnensegel“, sagt Rupprecht.

Da es der Wunsch Roms war, auch in den Provinzen das römische Gedanken- und Kulturgut zu präsentieren, dürften auch dort die großen Tragödien aufgeführt worden sein. Doch in Mainz wurde nicht nur Theater gespielt. Mainz war damals ein politischer Wallfahrtsort für Germanien und Gallien. Einmal im Jahr kamen in der Hauptstadt der römischen Provinz Obergermanien hohe Würdenträger zu einer Versammlung zusammen - und im Theater fanden sie alle Platz. Es wäre also historisch gesehen gar nicht abwegig, das Theater auch für Bürgerversammlungen zu benutzen.

Zur Zukunftsmusik gehört auch, daß der Südbahnhof so gestaltet wird, daß aus den vorbeifahrenden Zügen ein Blick in das Theaterhalbrund möglich ist. Der Südbahnhof in Mainz soll künftig „Mainz - Römisches Theater“ heißen, um auf den einmaligen Theaterbau hinzuweisen.

 

Drususstein:

Welche Bedeutung die Römer dem strategisch so günstigen Platz gegenüber der Mainmündung zumaßen, vermag man am sogenannten Drususstein zu ermessen. Das granatenförmige Monument steht heute an der linken hinteren Ecke der Kurmainzer Zitadelle aus dem 17. Jahrhundert.

und geht nach rechts hinauf über den Zitadellenweg in den Festungsbereich. Für den im Jahre 9 nCh bei einem Pferdesturz tödlich verletzten populären Feldherrn Drusus errichteten seine Soldaten das gewaltige Denkmal von 30 Meter Höhe an exponierter Stelle. Damals wie heute bieten sich hervorragende Aussichten über das vieltürmige Mainz in den Rheingau und ins Untermaingebiet. - Von den römischen Friedhöfen ist nur erhalten der „Eichelstein“ an der Südspitze der Zitadelle, ein runder Grabturm auf vierseitigem Steinsockel.

Aquädukt:

Man verläßt die Zitadelle durch den Hof einer Wirtschaftsschule, überquert eine tiefgeschnittene Straße und hält sich uns am Eisgrubweg links. Weiter folgt man der Straße „Am Gautor“ nach links, die am Fichteplatz in die „Obere Zahlbacher Straße“ übergeht. Mit dem Universitätsklinikum zur Rechten, läuft man bis zu ihrem Ende. Dort heißt es rechts in den „Zahlbacher Steig“ abbiegen, dessen scharfer Linkskehre man bis zum Ausgang folgt. Etwa 50 Meter danach spaziert man über einen unscheinbaren Fußweg rechts abwärts, um gleich wieder, nach dem Queren der „Unteren Zahlbacher Straße“, leicht bergan zu gehen.

Das Legionslager für zwei Legionen auf 36 Hektar Fläche reichte vom Kästrich (oberhalb der Kupferbergstraße, durchschnitten von der B 40) bis zu den Universitätskliniken, aber heute ist davon nichts mehr zu sehen. Seit 92 nCh lag hier die „Legio XXII primigenio pia fidelis“, ihr Name ist auf vielen Inschriften zu finden. Nur vom Aquädukt gibt es noch verwitterte Pfeiler („Römersteine“) im Zahlbachtal (am Zahlbacher Steig), die ursprünglich 30 Meter hoch waren.

Die höckerartigen Gebilde am Rand des Weges sind Reste des einstmals 30 Meter hohen Aquädukts. Bei nur einem Prozent Gefälle wurde das kostbare Naß von Finthen („ad fontes“) zu einem zentralen Verteiler im Lager transportiert. Aus der täglichen Fördermenge von gut 6.000 Kubikmetern läßt sich auf die Einwohnerzahl von etwa 12.000 Einwohnern im antiken Mainz schließen.

Am Ende der 58 verbliebenen Pfeiler kommt man zur Albert- Schweitzer-Straße. Von ihr läßt man sich nach rechts die Richtung weisen bis zum Hauptfriedhof. Auf seiner ganzen Länge kann er durchschritten werden. Besonders beeindruckend sind die Ehrenmale der in Mainz stationierten Garnisonen neuerer Zeit und etwa in der Mitte, die Grabstätten mit Gruft der Sekt-Dynastien.

Am Haupteingang hält man sich links durch die „Untere Zahlbacher“ und die „Binger Straße“ bis hin zum Hauptbahnhof. Man läuft weiter zur Straße „Große Bleiche“ und zum Mittelrheinischen Landesmuseum und zum Römisch-Germanische Zentralmuseum.

„Arbeitsteilig“ bietet man im Landesmuseum die römischen Funde von Mainz aus (Grabsteine, Denkmäler, Büsten, Viergöttersteine, Altäre, Reliefs oder Schmuck), während man sich im Zentralmuseum auf die Übersicht über die gesamte römische Geschichte und weitere Hochkulturen konzentriert (Mittelrheinisches Landesmuseum, Große Bleiche 49-51, dienstags 10 bis 20Uhr, mittwochs bis sonntags 10 bis 17 Uhr. Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Ernst-Ludwig- Platz, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr). Zwischen den beiden Sammlungen stehen die Kopien eines reich gearbeiteten Dativius – Victor - Bogens aus dem 3. Jahrhundert einer um 60 nCh zu Ehren Neros errichteten Jupiter - Säule.

 

Holzturm:

Am Rhein entlang kommt man zum Hilton-Hotel II, links der Rheinstraße, hier wurden die Römerschiffe bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt, Repliken markieren die Stelle. In der Rheinstraße stehen der „Holzturm“ aus dem 15. Jahrhundert und der „Eiserne Turm“ aus dem 13. Jahrhundert, beides Reste der ehemaligen Stadtbefestigung. Der 1366 erstmals erwähnte Holzturm steht an der Nahtstelle zwischen der Altstadt und der im 13. Jahrhundert in den Mauerring einbezogenen Vorstadt. Der Name Holzturm leitet sich von dem nahe gelegenen Holzmarkt ab. In der Neuzeit diente der sechsgeschossige Turm als Gefängnis. Der wohl bekannteste Gefangene war der legendäre Räuberhauptmann Johannes Bückler, besser bekannt als Schinderhannes. Die Zeit bis zur Vollstreckung der gegen ihn verhängten Todesstrafe im Jahre 1803 verbrachte er im Holz­turm.

Sehenswert sind in Mainz die schönen Rheinkais mit den alten Toren, der Hafen, die Stadthalle mit Terrasse und einem 6000 Personen fassenden Saal, guter Gastwirtschaft usw. Der Rheinhafen lag nordwestlich des Stadtkerns am Dimesser Ort südwestlich des heutigen Zoll- und Binnenhafens.

 

Augustinerkirche:

An der Weintorstraße geht man links zum Augustinerkloster und zur Augustinerkirche. Diese ist ein Saalbau, der von 1768 - 1772 erbaut wurde. Der rote Sandsteinbau sowie seine Innenausstattung blieben im Zweiten Weltkrieg nahezu unversehrt. Dem Besucher bietet sich so ein Blick auf die ausladende barocke Prachtentfaltung im Originalzustand. Die großen, lichten Deckenmalereien mit der Verherrlichung des Lebens des Heiligen Augustinus fertigte der Maler Johann Baptist Enderle an.

Die Himmelsgasse führt auf die Augustinerstraße, und erst nach rechts und dann nach links kommt man die in die Straße „Kirschgarten“: Die alten und sehr schmalen Fachwerkhäuser in diesem Viertel südlich des Doms zeigen, wie es früher in Mainz ausgesehen haben muß. Das Backhaus „Zum Treppchen“ und der Marienbrunnen mit Marienstatue sind nur zwei der prägenden Erscheinungen dieses Stadtteils.

 

Dom:

Über die Augustinerstraße und den Leichhof kommt man zum Dom, einer der drei großen Kaiserdome am Rhein. Kurz nach 975 wurde mit dem Bau dieses Domes begonnen. Bereits 1975 feierte das Bistum „1000 Jahre Mainzer Dom“. Damals galt es als historisch ziemlich gesichert, Erzbischof Willigis habe schon 975 mit dem Bau der riesigen Kirche begonnen. In der Zwischenzeit ist die Forschung jedoch mit einem konkreten Datum wie 975 zurückhaltender geworden. Immerhin bietet die Überlieferung ein anderes exaktes Datum: „Am 29. / 30. August des Jahres 1009 ist der von Willigis erbaute Dom kurz vor oder nach der Weihe einem Brand zum Opfer gefallen.

Er wurde im Jahre 1009, einen Tag vor seiner Einweihung, durch ein Feuer zerstört. Seine Wiederherstellung und endgültige Einweihung ließ dann bis zum Jahr 1036 auf sich warten. Nach Sturmschäden und einem weiteren Brand 1081 folgte eine bis 1137 dauernde Erneuerung. Das war auch gleichzeitig das Ende der romanischen Bauperiode des Doms. In die Zeit der Gotik fielen einige Erweiterungen, wie die an das nördliche und südliche Seitenschiff anschließenden Kapellenreihen und die Errichtung des östlichen Vierungsturmes. Auch sein westliches Pendant wurde damals bis auf 82,5 Meter erhöht. Insgesamt hat der Dom heute sechs Türme.

Auch nach dem Wiederaufbau des Domes und seiner Weihe im Jahr 1036 brachen immer wieder Feuer aus - insgesamt siebenmal brannte er in 1000 Jahren ab. Aber auch von Beschießungen und Bombardements sowie von der Nutzung als Stall und Soldatenlazarett berichten die Historiker.

Den Erbauern des Doms hatte vermutlich die St. Peterskirche in Rom als Vorbild gedient. Das Mainzer Wahrzeichen erhielt die aufwendigste Ausstattung aller deutschen Bischofskirchen. So lang wie ein Fußballfeld und so hoch wie ein Mammutbaum bildete der sechstürmige Dom lange das Zentrum der größten Erzdiözese Europas. Neue Generationen bauten immer wieder um: Mittlerweile prägen alle großen Stilepochen von der Frühromanik über die Gotik und die Renaissance bis zu Barock, Rokoko und Historismus die Bischofskirche. Könige wurden hier gekrönt und Erzbischöfe begraben. Heute ist der Dom Mittelpunkt eines Bistums mit 790.000 Katholiken, das zu einem Drittel in Rheinland-Pfalz und zu zwei Dritteln in Hessen liegt.

Sieben Königskrönungen fanden im Laufe der Jahrhunderte im Dom statt und immerhin 45 Main­zer Bischöfe und Erzbischöfe wurden im Dom bestattet. Die Bischofskirche des Erzbischofs von Mainz, der zugleich Erzkanzler des Deutschen Reiches war, sollte die Bedeutung des Mainzer Bischofs für Kirche und Reich deutlich machen.

Der Dom ist die Kathedrale, die Bischofskirche. Im Westchor, in der Achse des Domes, befindet sich die „Kathedra“, der Platz des Bischofs beim feierlichen Gottesdienst. Denn für die Feier des Gottesdienstes (vor allem der Eucharistie und des Stundengebetes) wurde dieser Kirchenraum geschaffen. Der Ostchor war dem Heiligen Stephan, der Westchor aber dem Heiligen Martin geweiht

Kunstgeschichtlich bedeutsam sind die vielen Grabmäler, die man vor allem an den Pfeilern findet. Sie sind eine Dokumentation der Grabmalskunst vom 13. bis um 19. Jahrhundert. Sie zeigen aber auch die geschichtliche Bedeutung der Mainzer Erzbischöfe als „Königsmacher“: Der Erzbischof von Mainz zählte zu den sieben Kurfürsten, denen die Wahl der deutschen Könige (und damit des römischen Kaisers deutscher Nation) oblag, bis dieses Deutsche Reich in den Wirren der Französischen Revolution unterging.

Viele der Grabdenkmäler aus dem 11. bis 20. Jahrhundert sind an Säulen und Mauern der Kirche und des Kreuzganges angebracht oder befinden sich seit 1928 in der neuen Krypta unter dem Westchor. Allein schon diese Porträtgalerie kirchlicher Würdenträger macht den Dom zu einer außergewöhnlich interessanten Sehenswürdigkeit.

Besonders wertvoll ist für uns das Grab von Bischof Ketteler (gestorben 1877) in der Marienkapelle. Es hält für uns die Erinnerung an den Bischof wach, der sich in Deutschland als erster mit den sozialen Fragen umfassend beschäftigt hat. Auf ihn geht in wesentlichen Teilen die Soziallehre der Kirche zurück.

Vielleicht ist auch Gelegenheit, sich auch die verborgenen Schätze der Kathedrale anzusehen. In der Krypta unter dem Westchor befindet sich die Grablege der letzten Bischöfe von Mainz. Die Ostkrypta, nach Erzbischof Bardo benannt, ist dem Gedächtnis der heiligen Männer und Frauen geweiht, die eine besondere Beziehung zum Bistum Mainz hatten. Ihre Reliquien werden in einem kostbaren Schrein aufbewahrt. Die Gotthard-Kapelle, ehemals Palastkapelle des erzbischöflichen Hofes, ist dem stillen Gebet reserviert.

Das Hauptschiff ist stets geöffnet, Kreuzgang, Krypta usw. werden vom Küster gegen Trinkgeld geöffnet. Genauer anschauen sollte man sich auch die einzelnen Portale. So sind die bronzenen Türflügel am nördlichen Marktportal bereits im 11. Jahrhundert gegossen worden.

 

Auf dem Marktplatz vor dem Mainzer Dom wurde 1526 der Marktbrunnen errichtet. Er gehört zu den schönsten Renaissancebrunnen in Deutschland. Drei reich ornamentierte Pfeiler tragen das Gebälk, in dem eine Inschrift besagt, daß Erzbischof Albrecht von Brandenburg der Stifter ist. Dreimal in der Woche, wenn rund um den Brunnen herum Marktstände stehen, pulsiert das Leben hier ganz besonders.

 

Gutenberg-Museum:

Am Liebfrauenplatz, dem Dom gegenüber, steht das zwischen 1960 und 1962 zum „Weltmuseum der Druckkunst“ ausgebaute Gutenberg-Museum. Es wurde von Mainzer Bürgern im Jahre 1900 anläßlich des 500. Geburtstags von Johannes Gutenberg gegründet. Seit 1901 ist Mainz auch Sitz der Gutenberg-Gesellschaft. Der ältere Teil des Museums bildet das 1653 bis 1664 erbaute Familienpalais. Das Gebäude wurde später als Gasthof mit dem Namen „Zum Römischen Kaiser“ genutzt. Über dem Eingang ist eine Kaiserfigur zu sehen, die Stuckdecke zieren ein Wappen Gutenbergs und der Stadt Mainz.

Im Museum geben die Sammlungen einen Überblick über die Kunst des Buchdrucks von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Zu den besonderen Schätzen des Museums gehört auch die Rekonstruktion der alten Druckerstube Gutenbergs mit benutzbarer Presse. Hier wird live vorgeführt, wie vor 550 Jahren gedruckt wurde. Daneben gibt es auf den 2700 Quadratmeter Ausstellungs­fläche mittelalterliche Handschriften, historische Drucke. Druckpressen und Setzmaschinen zu bewundern sowie die weltberühmten 42-zeiligen Bibeln Gutenbergs.

 

Rheinstraße:

Nördlich vom Gutenbergmuseum ist die Mailandsgasse. In ihr steht die 1253 erbaute Hospitalkirche zum Heiligen Geist, jetzt eine schön ausgestattete Bierwirtschaft. An der Rheinstraße geht es dann links weiter. Wo die Rheinstraße sich teilt, liegt links das Karmeliterkloster aus dem14. Jahrhundert. Die Rheinstraße geht in die Peter-Altmeier-Allee über. Hier steht links die Deutschordenskommende. Da der Name den Mainzern zu lang ist, nennen sie den stattlichen Bau kurz „Deutschhaus“. In dem Gebäude, dessen Fassade Richtung Rhein ausgerichtet ist, residierte unter anderen Napoleon. Heute tagt hier der rheinlandpfälzische Landtag.

 

Schloß:

Ein Stück weiter steht das kurfürstliche Schloß. Diese zweiflügelige Renaissanceanlage am Rhein entstand zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert. Der dem Rhein zugewandte Ostflügel wurde von 1627 - 1678 erbaut, der Nordflügel entstand von 1687 bis 1752. Früher diente das Schloß Kurfürsten und Erzbischöfen als Residenz, heute beherbergt es unter anderen. das Römisch-Germa­nische Zentralmuseum. Drei Dauerausstellungen widmen sich der Vorgeschichte, der Römerzeit und dem Frühmittelalter. Zu sehen gibt es unter anderem eine Kopie des Papstthrones und Grabbeigaben der Franken.

 

Christuskirche:

Am Eingang der Kaiserstraße steht die Christuskirche. Mit ihrer 80 Meter hohen kupfergedeckten Kuppel steht diese Renaissancekirche am Übergang zur Neustadt. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie fast völlig zerstört, beim Wiederaufbau 1952 fügte man ein Glockenspiel hinzu. Dessen Klänge sind jetzt dreimal am Tag zu hören.

Man geht die Kaiser-Straße ein Stück weiter, biegt dann links in die Bauhofstraße ein und kommt durch die Flachsmarktstraße wie in Richtung Markt. Hinter dem Theater liegt die Römerpassage.

 

Römerpassage:

Die Zivilstadt Mogontiacum lag im heutigen Stadtkern und hatte einen eigenen Mauerring, der an die Kastellmauer anschloß. Nach dem Ende des Kastells wurde die Mauer auf dem Kästrich auf den zum Teil erhaltenen römischen Mauern gebaut. Mit einem einzigartigen Einkaufstempel will die Stadt Mainz Besucher und Touristen anlocken. Die „Römerpassage“ liegt hinter dem Theater in westlicher Richtung. Ein Jahr später als geplant wird im Februar 2003 in der Innenstadt die „Römerpassage“ eröffnet. Der Grund für die Verzögerung waren die Überreste einer fast 2000 Jahre alten römischen Tempelanlage, die bei den Bauarbeiten zum Vorschein kamen. Weil sich kein Geldgeber fand, war lange Zeit unklar; ob das antike Relikt überhaupt ausgegraben werden kann.

Nun ist eine Kombination aus Einkaufsmarkt und antiker Sehenswürdigkeit entstanden, die nach Ansicht der Planer auch Neugierige aus Wiesbaden, Frankfurt und Hanau anziehen wird.

Fast 400 Bauarbeiter arbeiten seit September 2001 auf Hochtouren. Ein Jahr zuvor war der Bau des Einkaufszentrums bis auf weiteres gestoppt worden. Beim Abriß der alten „Lotharpassage“ entdeckten Mainzer Archäologen die Überreste aus der Römerzeit. Sie fanden Hunderte von Öllämpchen und vermuteten im tieferen Erdreich weitere Gebäude römischer Handwerker und Händler.

Wie sich herausstellte, waren die Archäologen auf ein seltenes Heiligtum gestoßen: Eine Tempelanlage für Opfergaben an die orientalischen Göttinnen Isis und Magna Mater aus dem ersten bis vierten Jahrhundert nach Christus. Das nächste der Göttin Isis geweihte und uns durch Ausgrabung bekannte Heiligtum in Ungarn.

Die ägyptische Isis war im Römischen Reich umstritten. Ihr schlechter Leumund rührte aus der Zeit, als Kleopatra den Römern den Kopf verdrehte. Die Pharaonin wurde mit der Göttin Isis gleichgesetzt - das war in Rom verpönt. Hier konnten Kaiser erst nach ihrem Tod zu Göttern werden. Wer sich vorher so verehren lassen wollte, galt als anmaßend und lebte gefährlich. Antonius, der mit der Göttin Kleopatra - Isis verheiratet war, wurde von Octavian zum Staatsfeind erklärt. In dieser Zeit wäre ein Isiskult in Rom undenkbar gewesen. Erst ein Jahrzehnt später führte Caligula (37 bis 41 nCh) das orientalische Gottkönigtum in Rom ein. Mit Vespasian (69 bis 79 nCh) wurden die ägyptischen Götter auch in Rom und den westlichen Provinzen endgültig populär.

Auch aus baulicher Sicht war die Ausgrabung der Tempelüberreste ein Problem. Die Grundmauern mußten um etwa 15 Meter verschoben werden, weil sie nicht vollständig in das Gebäude integriert werden konnten. Ein Platz fand sich im Untergeschoß. Im nachhinein ist man erleichtert, daß für alles eine Lösung gefunden worden ist. Mit der „Römerpassage“ sei etwas Einmaliges entstanden. Rund. 40 Geschäfte, 36 Wohnungen und eine Bürofläche von 4.500 Quadratmetern befinden sich oberhalb des antiken Heiligtums. Die Leute müssen keinen Umweg machen, um sich den Tempel anzusehen, sie kommen bei ihrem Einkauf automatisch daran vorbei.

 

Über eine Treppe geht es hinab in die zweitausendjährige Geschichte der Stadt. Unter einem nachgebildeten Sternenhimmel können die Besucher auf Glasstegen über den Tempel schreiten. An die Wände projizierte, bewegte Bilder, eine spezielle Beleuchtung und imitierte Gerüche von den Opferverbrennungen sollen den Besuchern helfen, in die Welt der Römer einzutauchen.

Erst­mals haben Archäologen eine römische Tempelanlage in Deutschland freigelegt, in der sie auch die Kulthandlungen nachvollziehen können. Im Schatten des Innenhofes richten die Gläubigen kleine Altäre her. Auf einem Stapel Holz werden Datteln, Feigen und Pinienzapfen verbrannt. Der Duft von Räucherwerk durchzieht die heiligen Räume. Nebenan opfern andere den Göttinnen Magna Mater und Isis. Aus der Gaststätte dringt der Lärm eines rituellen Gelages.

So rekonstruieren Archäologen das sakrale Treiben im Mainz der Römerzeit.

 

Ergebnis: Der römische Tempelbezirk bestand vom Ende des 1. bis zum 4. Jahrhundert n.Ch. Er lag an der Hauptstraße, die vom Legionslager auf dem Berg hinunter zur Rheinbrücke führte. Hier lebten sonst Handwerker und Händler. Das Heiligtum war mit einer rechtwinkligen Mauer umschlossen. Im Innern gab es neben zwei Tempelgebäuden und einem Restaurant ein freies Hof­areal, in dem die Gläubigen ihre Opferhandlungen vollzogen. Hier verbrannte man seine Gaben auf einem Altar oder vergrub sie im Boden.

An den meisten Opferstellen fanden sich Unmengen von Asche und darin die immer gleichen Früchte: Datteln, Feigen und Pinienkerne und sogar ein Reiskorn. Keine von diesen Pflanzen wuchs in den unwirtlichen Breiten nördlich der Alpen, Früchte und Samen kamen aus dem Mittelmeergebiet. Südimporte sind etwas absolut Seltenes. Im Tempelbezirk in der Lotharpassage klaubte sie die fremden Früchte zu hunderten aus dem Boden.

Der größte Teil der Opfergaben sind Speisen, doch es gibt auch Gruben, in denen Nichteßbares für die Götter niedergelegt wurde. Gebrannte Tierfiguren aus Ton zum Beispiel, die vermutlich ein echtes Fleischopfer ersetzten. 300 Öllampen zeigen deren wichtige Rolle bei den Brandopfern. Teils verbrannt lagen sie auf den Holzkohleschichten der Altäre. Offenbar hat man die Lichtspender am Ende eines Ritus geopfert. Bei einer neuen Kulthandlung ließ man sie an ihrem Platz auf der Kohle, stapelte neue Scheite darüber und zündete ein Feuer an.

Zum römischen Gottesdienst gehörten auch rituelle Feste. Die Archäologen haben innerhalb des Heiligtums eine Gaststätte ausgegraben: An zahlreichen Herden lagen Geschirr und Weinkrüge in Scherben herum, vermischt mit Essensresten. Die Überbleibsel von mehreren Festgelagen bilden eine dicke Schicht auf dem Fußboden.

Vom Fleisch eines geopferten Tieres bekamen die Götter nur die Eingeweide oder Knochen als Brandopfer. Einen weiteren Anteil erhielt der Priester für seine Dienste, den Rest verspeisten die Gläubigen selbst. Opferfleisch konnte ein Römer problemlos auf dem Markt erwerben. Dann lud er zur Party ins Tempelrestaurant - Mainz besitzt Deutschlands älteste Kult-Kneipe.

Noch zwei Monate vor Ende der Grabung wußte niemand, welche Götter in den Tempeln verehrt wurden. Die Archäologen hatten keinerlei relevante göttliche Zeugnisse gefunden. Dann tauchten zwei in den Boden eingelassene Steinplatten auf. Zwei identisch formulierte Inschriften („Wei­hun­gen zum Wohl der Kaiser, des römischen Volkes und des Heeres“) unterschieden sich nur durch den Namen der Gottheit, für die sie gestiftet wurden: Auf der einen Tafel wurde die anatolische Fruchtbarkeitsgöttin Magna Mater, auf der zweiten die ägyptische Isis geehrt. Magna Mater taucht in Mainz selten auf, Isis war den Wissenschaftlern hier bislang völlig unbekannt.

 

Die Inschriften gehören in die Regierungszeit des flavischen Kaiser Vespasian (69 bis 79 nCh). Auf einem anderen, kleineren Inschriftenfragment im Mainzer Heiligtum wird Vespasian zusammen mit Magna Mater genannt. Mit der Göttin Isis verbindet ihn sowieso ein enges Band: Vespasian war 69 nCh in Alexandria vom Militär zum Kaiser erkoren worden. Die ägyptischen Götter, vor allem das Paar Isis und Serapis, betrachtete er seither als seine persönlichen Schutzgötter. Nach der Eroberung Jerusalems 70 nCh verbrachte er mit seinem Sohn Domitian die Nacht vor dem Triumphzug in Rom im Isis-Heiligtum vor den Toren der Stadt.


Die Archäologin Marion Witteyer hat die Hypothese aufgestellt „Die flavischen Kaiser richten in der Provinz einen Kult ein, der eng mit ihrer Person verbunden ist. Wird hier der Versuch unternommen, eine Dynastie zu gründen?“ Die Flavier stammten aus bescheidenen Verhältnissen. Mit der Stiftung solcher Heiligtümer stellten sie sich unter den besonderen Schutz einer Gottheit und schufen sich so eine göttliche Legitimierung ihrer weltlichen Macht.

Soweit die offizielle Seite des Mainzer Tempels. Neben den anerkannten Kulten sind aber auch Zauberhandlungen belegt, die im Römischen Reich verboten waren. Etliche zusammengerollte Bleitäfelchen zeugen vom Aberglauben des Volkes. Auf ihnen schrieben die römischen Mainzer ihre geheimsten Wünsche auf, rollten sie um einen magischen Gegenstand und vergruben sie bei Nacht und Nebel im Tempelhof.

Die Bleiröllchen aus der Lotharpassage müssen noch restauriert werden, Spezialisten müssen das heute bröckelige Blei vorsichtig auseinander biegen. Das sind so intime Quellen. Da erfährt man die Gedanken einer Person, die sonst völlig verschlossen bleiben. Aus antiken Schriftquellen kennen die Historiker derlei Hokuspokus. Die Zaubersprüche reichen von juristischen Dingen wie „Bestrafe den Dieb!“ bis zu Liebesleid: „Wenn ich sie nicht kriege, soll sie keiner haben!“

Die Archäologin zieht ein erstes Resümee: „Das Heiligtum ist schillernd, da wurden nicht nur die zwei Hauptgöttinnen verehrt. Es war ein Platz, an dem jeder jedem Gott gehuldigt hat“. Das Besondere des Ortes soll sichtbar bleiben. Die Mauern des heiligen Bezirks werden wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückversetzt. In der Lotharpassage soll „Geschichte in Szene gesetzt werden“.

 

Schillerplatz:

Westlich vom Markt geht es auf den Gutenbergplatz. Links liegt das Gutenbergdenkmal. Man kommt über den markierten 50. Breitengrad. Über die Ludwigsstraße geht man zum langgestreckten Schillerplatz. Hier steht nicht nur das Schillerdenkmal, sondern auch der neun Meter hohe Fastnachtsbrunnen mit seinen etwa 200 Bronzefiguren. Auf dem Schillerplatz beginnt und endet auch die so genannte „Fünfte Jahreszeit“ mit der Verkündung der elf Fastnachtsgesetze am 11.11. bzw. am Aschermittwoch mit dem Waschen der leeren Geldbörsen im Brunnen. Zwei Barockpaläste zieren den Platz: im Süden der im 18. Jahrhundert von Freiherr von Ritter zu Grünstein erbaute Bassenheimer Hof, in dem heute das Innenministerium untergebracht ist und im Südosten der Osteiner Hof, ein 1747 - 1752 errichtetes Familienpalais für den Reichsgrafen von Ostein. Vor einem der Palais forderten die Mainzer einst von dem französischen General Rizambeau die Feier der Fastnacht.

 

Stephanskirche:

Rechts an diesem Palais vorbei geht es zur Stephanskirche. Schon von weitem gut zu erkennen ist diese gotische Hallenkirche, errichtet auf dem Stephansberg, einem der höchsten Punkte von Mainz. Die Pfarrkirche St. Stephan ist aus Kalkbruchsteinen gebaut, weiß verputzt, schmückende und tragende Teile in rotem Sandstein abgesetzt. Mit dem achtseitigen Turm und der aufgesetzten Kuppellaterne prägt St. Stephan die Stadtsilhouette mit.

Die heutige, nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaute Kirche wurde um 1350 (Kreuzgang 1499) erbaut. Sie ist die einzige Kirche in Deutschland, die mit Fenstern des jüdischen Künstlers Marc Chagall (1887 - 1985) ausgestattet ist. Die neun blau leuchtenden Glasfenster (sechs im Ostchor, drei im Querhaus) sollen ein symbolisches Zeichen für die Versöhnung zwischen Juden und Christen setzen. Im Jahre 1978 wurde das erste Chagall - Fenster des damals 91-jährigen Künstlers eingesetzt. Das letzte Fenster vollendete Chagall kurz vor seinem Tod im 98. Lebensjahr. Marc Chagall wurde Ehrenbürger von Mainz, die Stadt selbst hat er aber nie besucht.

Doch es ist nicht die Architektur dieses hervorragenden spätgotischen Werks in Mainz, die selbst an tristen Tagen die Besucher in die Kirche lockt. St. Stephan ist einmalig wegen seiner Kirchenfenster, die den Kirchenraum mit einem blauen Licht band umfangen. Es gibt 18 verschiedene Blautöne, die die neun Fenster miteinander zu einer Einheit verschmelzen.

Es war Pfarrer Klaus Mayer, der Chagall als „Meister der Farbe und der biblischen Botschaft“ überzeugte, in St. Stephan ein vielfaches Zeichen zu setzen. Im hohen Alter von bald 90 Jahren begann Chagall sein Werk. Kurz vor seinem Tod - Chagall stand damals im 98. Lebensjahr -wurde das letzte Fenster vollendet und so ein Zeichen von Völkerverständigung und jüdisch-christlicher Verbundenheit geschaffen.

Der Raumeindruck mit dem Grundton Blau wird komplettiert durch Fenster von Charles Marq, der als Seniorchef eines Glas-Ateliers in Reims fast drei Jahrzehnte mit Chagall zusammenarbeitete. Diese Einheit von Kunstwerk, Künstler und Atelier findet sich in der mehr als 1000 Jahre alten Kirche von St. Stephan in Mainz in Vollendung.            

St. Stephan ist montags bis samstags von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr geöffnet - im Dezember und Januar allerdings nur bis 16.30 Uhr; sonntags nur zwischen 14 und 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Termine, Führungen und Gruppenbesuche sind beim Pfarramt St. Stephan (Telefon 0 6131/ 23 16 40 oder Telefax 06131/231646) zu erfragen. Dort gibt es auch Auskünfte über die Fenster-Meditationen, die Klaus Mayer regelmäßig abhält; er hatte den Kontakt zu Chagall hergestellt und gepflegt.

 

Kupferberg-Museum:

Durch die Breidenbacher Straße und dann links den Berg hoch auf der Emmerich – Josef - Straße kommt man zum Kupferberg-Museum. In Mainz liegen die Anfänge der berühmtesten deutschen Sektkellereien begründet. Eine von ihnen die Sektkellerei Kupferberg. Die Kellerei hat in einem klassizistischen Gebäude auf ihrem Firmengelände mitten in der Stadt ein Museum eingerichtet, in dem an sich auf den Spuren der Geschichte des prickelnden Getränks bewegt. Die Sammlung von Sekt- und Champagnergläsern ist einmalig. Nicht minder merkenswert ist der Blick von der oberhalb der Stadt liegenden Kupferbergterrasse.

 

 

Museen:

Dom- und Diözesanmuseum, montags bis mittwochs und freitags 10 bis 16 Uhr, donnerstags 11 bis 17 Uhr, samstags 10 bis 14 Uhr.

Gutenberg-Museum, Liebfrauenplatz 5, dienstags bis samstags 10 bis 18 Uhr, sonntags 10 bis 13 Uhr.

Naturhistorisches Museum, Reichsklarastraße, dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, donnerstags 10 bis 21 Uhr.

In Mainz gibt es das Römisch-germanische Zentralmuseum, das Mittelrheinische Landesmuseum und das Schiffahrtsmuseum.

 

 

Die römische Gräberstraße von Mainz-Weisenau

Einer der wichtigsten Verkehrswege            im frühkaiserzeitlichen Mainz war die Verbindungsstraße zwischen dem Zweilegionenlager und dem Lager m Weisenau, von wo aus sie als Fernstraße weiter nach Süden verlief. Von beiden Zielorten fanden aus fanden seit augusteischer Zeit Bestattungen statt, wobei währenddessen in den langsam schließenden Lücken noch vereinzelt Töpfereibetriebe arbeiteten.

Durch einen Graben wird der Bereich der Toten deutlich vom Bereich der Lebenden - der

Straße - abgegrenzt. Auf der von der Grabung des Landesdenkmalamtes Mainz im Ortsteil

Weisenau untersuchten Fläche kamen 35 nebeneinander liegende Grabbezirke zutage. Große Einfriedungen mit in der Front eingelassenen Grabsteinen schlossen manchmal ein zusätzliches Monument ein. Dazwischen befanden sich weitere Gräber, von denen  einige noch durch Grabsteinfragmente markiert waren, sowie einzelne Verbrennungsgruben, in denen man die Scheiterhaufen für die Einäscherung des Leichnams aufgeschichtet hatte. Ein großer Kremationsplatz mit rund 100 Verbrennungsgruben existierte im Gelände hinter den Einfriedungsmauern im östlichen Teil der Grabungsfläche. Die schlichten Gräber auf der nördlichen Straßenseite lagen in lockerer Reihung, aber gleichfalls nach dem Straßenverlauf orientiert

An dieser Straße befand sich auch eine monumentale Grabrotunde, die wahrscheinlich mit

dem Kenotaph für den 9 vCh verstorbenen Stiefsohn des Augustus, Drusus, identisch ist

Damit und mit der Bedeutung als Militärstraße wird die Wahl dieser Straße für die Anlage

repräsentativer Grabanlagen beerdet gewesen sein.

Die Entwicklung innerhalb des aufgedeckten Befundausschnittes begann in tiberischer Zeit (um 15 nCh) mit der Anlage einzelner Gräber im Westen, während im Osten zur gleichen Zeit Töpfereien in Betrieb waren. Schon nach wenigen Jahrzehnten mußten die Werkstätten den heranrückenden Gräbern weichen. Im 2. Jahrhundert verlor die Gräberstraße zunehmend an Bedeutung, wurde aber bis zu ihrer Auflassung im vierten Jahrhundert weiter belegt.

 

 

Ginsheim - Gustavsburg

Schon am Ginsheimer Altrheinufer überkommt Ausflügler Ferienstimmung. Ruderer und Paddler kreuzen im Altrheinarm, große Wasservögel drehen ihre Runden. Ein res­taurierter historischer Bagger steht am Uferflanierweg, wo sich bis 1984 ein Kies­umschlagplatz befand. Die kleine Fähre bringt Radfahrer und Fußgänger hinüber zur Rheininsel Nonnenaue bei Langenau, auch als Rheinaue bezeichnet. Nach der kurzen Überfahrt geht es am besten mit dem Fahrrad weiter, zunächst auf einem Feldweg etwa zwei Kilometer über die idyllische, kaum erschlossene Rheininsel mit verwirrender Namensviel­falt, denn Inselteile heißen Rabenwörth, Nonnenau und Langenau. Alte Obstbäume und wilde Wiesen ge­hen allmählich in große Raps‑ und Getrei­deäcker inner­halb der Hochwasserdämme über. Weiden und Pappeln begrenzen die Sicht.

Ein Teil der Insel gehörte bis 1972 der Gustavsburger Maschinenbaufabrik MAN, die sie 1917 / 1918 erworben hatte, um für ihre Werkskantine Vieh zu halten und Gemüse, Getreide, Obst anzubauen. Auch heute wird auf dem Hofgut Langenau, des­sen Dächer bald zwischen Bäumen hervor lugen, Landwirtschaft betrieben.

Am Ziel angelangt, sind die Ausflügler meistens beeindruckt vom großzügigen In­nenhof mit Tischen und Bänken für den Gutsausschank, umrahmt von alten land­wirtschaftlichen Sand­steingebäuden. Allein die Scheune von 1850 mit dem weiten Überdach über der Selbstbedie­nungstheke zeugt von bäuerlichem Wohl­stand. Bereits 1357, dem Zeitpunkt einer urkundlichen Belehnung, soll das Hofgut ein respektables Anwesen gewesen sein.

Beliebt bei Besuchern sind die efeube­wachsenen Terrassen mit Blick auf Rhein und Rheinwiesen. Kein Autolärm, nur ge­legentliches Motorbootgeheule unter­bricht die friedliche Stimmung. Lastkähne tuckern vorbei. Auf den breiten Wiesen kann gespielt und getobt werden.

Bei Hitze zieht es alle an den feinen Kiesstrand, wo Kinder Muscheln sammeln oder Schiff­chen aus Rinde, Stöckchen und Blättern bauen können. Wer von den El­tern die Erlaubnis bekommt, badet glück­lich im sanften Fluß ‑ durch die quer ins Wasser gebauten Buhnen ist das Baden in Ufernähe dort gefahrlos. So lagern unter riesigen Weiden Familien mit Kindern und genießen neuerdings Badefreuden im Rhein. Und wer den Weg nicht scheut, kann mit dem Rad weiterfahren bis zum Ende der Insel, wo ein schattiges Restaurant am Ufer noch einmal Erquickung bietet.

Hofgut Langenau, Telefon 06144/2285, geöff­net April bis Oktober 11 bis 23 Uhr, Mon­tag Ruhetag. Fähre Ginsheim‑Nonnenau: 1. April bis 31. Ok­tober Montag bis Freitag 1. Fahrt 9 Uhr, 2. Fahrt 11 bis 12 Uhr, am Nachmittag 14 bis 19 Uhr, letzte Fahrt 22 Uhr, zwischen 19 und 22 Uhr keine Fahrten! Erwachse­ne 1 Euro, Kinder und Fahrräder 50 Cent. PKW‑Anfahrt nur über Trebur: A 60 Abfahrt Rüsselsheim‑Mitte oder A 67 Abfahrt Groß‑Gerau, Richtung Trebur Ortsmitte, abbiegen in die Hauptstraße, am Sport­platz vorbei, Auenweg über Gut Hohenau bis auf die Insel. Parken am Hofgut.

 

Oppenheim

Von 1225 bis 1375 führte Oppenheim den Titel einer freien Reichsstadt. Wie Worms. Speyer und Heidelberg wurde auch sie 1688 im Pfälzer Erbfolgekrieg von französischen Truppen ziemlich zerstört. Dennoch blieb vieles von der einstigen Bausubstanz erhalten, so das gotische Rathaus mit seinen zwei Stufengiebeln, die ebenfalls gotische Michaeliskapelle, das mittelalterliche Gautor oder der in der Renaissance erbaute Geschlechterbrunnen. Wer sich einen wunderschönen Blick über die Stadt, den Rhein und die zahllosen Weinberge rundum gönnen möchte, steigt am besten zu den Ruinen der Burg Landskrone hinauf.

Im Stadtbild überwiegt das barocke Element aus der Zeit des Wiederaufbaus nach der Brandkatastrophe von 1689. Die ursprünglich getrennten Siedlungsbereiche um den ehemaligen Königshof, die Burg und die beiden Märkte wurden erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts rechtlich und durch eine gemeinsame Stadtbefestigung tatsächlich zusammengefaßt. Kaiser Friedrich II. verlieh der Stadt Sonderprivilegien (zwei Großhandelsmessen, teilweise Abgabenfreiheit).

Parken kann man wenn man durch die Stadt am Marktplatz vorbei fährt und dann nach links in die Spitalstraße abbiegt.

 

St.‑Katharinen‑Kirche:

Roter Sandstein und drei mächtige Türme - so präsentiert sich die gotische Katharinenkirche. Oppenheims Blickfang und bedeutendste Sehenswürdigkeit. Von der spätromanischen Basilika aus dem Jahr 1226 sind lediglich die beiden Türme im Mittelteil erhalten. Besonders prächtig ist die der Stadt zugewandte Südseite des Langhauses geraten. Sie übernimmt die ansonsten bei gotischen Kirchen der Westfassade vorbehaltene Funktion der Schaufassade.  Die Katharinenkirche  ist der bedeutendste gotische Kirchenbau zwischen Straßburg und Köln.

Sie wurde gegründet im Zuge der 1226 begonnen Stadterweiterung, im Jahre 1258 wurde sie zur Pfarrkirche der Neustadt, 1317 zum Kollegiatstift erhoben. Der Bau in den vier Abschnitten romanisch ‑ frühgotisch ‑ hochgotisch ‑ spätgotisch. wurde 1439 beendet. Dieses in mehr als 200 Jahren entstandene Gottes­haus dokumentiert die reiche Vergangenheit der einstigen freien Reichsstadt. Mehrmals in Teilen zerschlagen, entstand die Stadt immer wieder neu, selbst nach den Zerstörungen des Drei­ßigjährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges, meist unter größten Entbehrungen der Bevölkerung.

Berühmt ist die Kirche vor allem  wegen ihrer Radfenster Rose und Lilie an der Südseite. In den spitzen Giebeln darüber (wo das Schiefer­dach beginnt) ist - von rechts nach links ‑ das Reifen des Lebens bei Menschen und Pflanzen dargestellt. Jeweils in der Mitte der Giebel: Vom Jüng­ling zum Mann. Jeweils am Rande der Giebel: Von der Knospe zur Rose. Der zweite Manneskopf von links stellt den früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss dar, 1958 ge­staltet (Beispiel für das Alter).

 

Das Innere der Kirche,  von rechts nach links:

  • 1.)  Das Lilienfenster, nach dem Grundriß einer Lilie gestaltet. Im Mittelalter galt sie als Zeichen der Reinheit. Neuverglast 1937. Eine Lutherrose ist in der Mitte. Das mittlere Fenster ist nur farbig gestaltet ohne Motive. Links davon:

2.)  Die berühmte „Oppenheimer Rose“, nach dem Grundriß einer Heckenrose gestaltet; die Rose als Zeichen der Liebe. In der Mitte das Wappen der freien Reichsstadt Oppenheim. Das Glas in den Grundfarben der Gotik: Gold, rot und blau. 90 Prozent altes Glas aus dem 14. Jahrhundert.

3.)  Das Grabmal der Eheleute Johann von Dalberg und Anna von Bickenbach, gestorben 1415. Sie waren ein bekanntes Adelsgeschlecht, das in Oppenheim seinen Sitz hatte.

4.)  Das Reformationsfenster, gestiftet 1889 aus An­laß der ersten großen Renovierung der Kirche, 200 Jahre nach der teilweisen Zerstörung von 1689.

5. )  Grabmal Wolf von Dalberg des Jüngeren (gestorben 1522) und seiner Gemahlin Agnes von Sickingen (gestorben 1517).

6.)  Über dem Altar das Passionsfenster, zum großen Teil aus altem Glas. Rechts davon ein biblisches Fenster, links das Wappenfenster.

7.)  Der Taufstein von 1888 wurde gestiftet von Wilhelm Wallot aus Oppenheim, nach einem Entwurf seines Sohnes Paul Wallot, der den Reichstag in Berlin erbaute.

8.)  Links vom Altar in der Seitenkapelle befindet sich das berühmte Grabmal der Anna von Dalberg, Tochter der Eheleute Dalberg ‑  Bickenbach, ge­schaffen von einem Meister der Spätgotik um 1420 (insgesamt drei Steine).

9.)  Über dem Grabmal zwei Fenster mit der Darstellung der Reformatoren Calvin, Zwingli, Luther und Melanchthon aus dem Jahre 1889. Darüber: Die Austeilung des heiligen Abendmahls und die Trauung Martin Luthers.

10.) Grabmal Wolf von Dalberg (gestorben 1476) und seiner Ge­mahlin Gertrud von Greiffen­klau (gestorben 1502).

11.) Bibelfenster aus dem Jahre 1520. Die Scheiben im Mittelteil zählen zu den kostbarsten Fenstern der Kirche.

12.) Grabmal Friedrich von Dalberg (gestorben 1506) und Katharina von Gemmingen (gestorben 1517).

13.) Darstellung von Gottvater, Maria und dem Jesuskind. Die Fenster dieser Nordseite sind zu 80 Prozent aus altem Glas aus dem  14 Jahrhundert.

14.) Darstellung von sechs biblischen und frühchristlichen Heiligen aus dem 14. Jahrhundert.

15.) In dem Hauptschiff darüber befindet sich das Elisabethenfenster. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, mit gleichem Thema 1962 neu gestaltet. Elisabeth von Thüringen reicht den Armen Brot. Umgeben von biblischen Darstellungen der gött­lichen Barmherzigkeit.

16.) Darstellung des Urteils Salomos (Reste vom 14. Jahrhundert).

17.) Im Obergaden (höchste Stelle in der Mitte der Kirche) Dreikaiserfenster (Wilhelm I., Friedrich Wilhelm, und Wilhelm II.) von 1906.

18.) Das Gebet Jesu Christi in Gethsemane. „Es geschehe dein Wille“ (14. Jahrhundert).

19.) Freitragende Treppe, 13. Jahrhundert.

20.) In der südlichen romanischen Turmhalle das Grabmal des Ritters von Hantstein, kaiserlicher Kriegsrat von Oppenheim, der 1553 starb. Hochrenaissance.

21.) Orgel von 1871, auf der Max Reger und Albert Schweitzer öfters spielten. Renoviert 1959 und 1971. „Spanische Trompeten“ ragen horizontal heraus (?).

22.) Durch das „Verkündigungsportal“ in den Westchor der Kirche. Das Portal zeigt im oberen Teil die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria ‑ und den Satz aus dem Glaubensbekennt­nis: „Empfangen durch den heiligen Geist“.

23.) Im Spitzbogen ist ein Pelikan eingemeißelt, der sich die Brust aufstößt, um mit seinem Blut die Jungen zu nähren. Ein Symbol für das Opfer Christi am Kreuz.

23.) Westchor mit dem Netzgewölbe. Erbaut 1415 bis 1439, zerstört bei der Verwüstung der Pfalz durch die Franzosen, Neueinwölbung 1934 – 1937. Neue Farbverglasung in den nächsten Jahren.

24.) Stadtfenster mit der Darstellung der Geschichte Oppenheims (1980).

25.) Grabmal Eberhard Ludwig von Schmittburg, gestorben 1783.

26.) Grabmal Heinrich zum Jungen und Gisel von Wickers­heim, gestorben 1437.

27.) Grabmal Hans von Wolfskehl, gestorben 1518.

28.) Grabmal Katharine von Kronberg.

29.) Weinbergsfenster  von 1981 (Darstellung biblischer Wein­bergsgleichnisse und der Arbeit des Winzers).

30.) Grabmal des Chorherren Reyrner (gestorben 1477).

31.) Grabmal Wolf Heinrich von Sturmfeder (gestorben 1598) und Gemahlin.

32.) Heilig‑Geist‑Fenster (Farbverglasung 1977).

32a) Evangelistenfenster I  (1988)

33.) Schöpfungsfenster (Farbverglasung 1977).

34.) Christusfenster (Farbverglasung 1977).

34a) Evangelistenfenster II (1986)

35.) Zwei Grabmäler aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

36.) Grabmal des Chorherrn Johannes Droneck (gestorben 1524).

37.) Alte Wasserspeier der Kirche.

38.) Gleichnisfenster (Farbverglasung 1984).

40.) Außen ist noch ein Wasserspeier (Jona) zu sehen.

 

Beinhaus:

Wenn an rechts um die Kirche herumgeht, kommt man zu verschiedenen Kellern, unter anderem mit einem Lapidarium. Vor allem aber steht hier die Michaelskapelle mit einer kleinen Ausstellung von Bibeln und Steinmetzarbeiten, zum Beispiel mit Duplikaten der Köpfe, die die einzelnen Lebensalter darstellen.

Im Erdgeschoß enthält die Kapelle das noch gefüllte Beinhaus, in dem die Gebeine von etwa 20.000 Oppenheimer Bürgern aus den Jahren 1400 bis 1750 und Soldaten des Dreißigjährigen Krieges ruhen. Das Ossuarium wurde wahrscheinlich um 1400 eingerichtet, als ein Teil des kirchlichen Friedhofs dem Anbau des Westchors weichen mußte. Die Gräber wurden damals ausgehoben, die sterblichen Über­reste in das Gewölbe unterhalb der Mi­chaelskapelle auf der Nordseite der goti­schen Kathedrale gebracht.

Die aus der Not geborene Idee machte Schule. Denn auf dem Friedhof um die Katharinen­kirche wurde es langsam eng: Ein Bürgerrecht garantierte den Oppen­heimern, daß sie in der geweihten Erde an oder in der Kathedrale bestattet wer­den – ein Privileg, auf das kein Bürger verzichten mochte. Der Bereich in und um die Katharinenkirche galt als heiliges Land, die Kathedrale als „irdisches Jeru­salem“: Wer hier bestattet wurde, konnte nach der damaligen Vorstellung besonders sicher sein, „am Jüngsten Tag mit von der Partie zu sein“.

Das brachte die Zuständigen in ein Dilemma, das die Einrichtung des Beinhauses löste. Seit 1400 wurden die Gräber nach zehn Jahren Ruhezeit geleert, die Knochen in das Beinhaus, das zum Kirchenbereich gehörte, umge­bettet. Um die Verwesung voranzutreiben, seien die in Leintücher gehüllten Toten flach unter der Erde bestattet worden, in nur 40 Zentimeter Tiefe, ohne Sarg.

Nach Ablauf der Frist blieben Schädel, Becken‑ und Beinknochen übrig, die im Ossuarium zum gruseligen Stapel ge­schichtet wurden. Egal ob Arm oder Reich, Frau oder Mann ‑ jeder Oppenhei­mer, der außerhalb der Kirche bestattet worden war, fand hier seine letzte Ruhe: Am Beinhaus herrschte soziale Gerechtig­keit. Das Oppenheimer Bürgerrecht auf Bestattung auf dem Kirchhof überlebte Reformation und Kurpfälzischen Calvi­nismus. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts setzten die Stadtväter aus hygienischen Gründen dem Brauch und damit der Nut­zung des Beinhauses ein Ende.

Im Jahre 1750 erkannten die Bürger, daß die flach vergrabenen Leichen das Grundwas­ser verseuchten und die Brunnen im unte­ren Teil der Stadt vergifteten. Ein neuer Friedhof vor den Toren der Stadt würde angelegt. Die Lebenden waren dann doch wichtiger als die Toten. Und die aufgeklärten Christen der Neu­zeit hatten sich zudem längst von den kindlich ‑ naiven Auferstehungsvorstellun­gen des Mittelalters verabschiedet.

Der Knochenstapel im Oppenheimer Beinhaus wurde aber nie beseitigt. Während die meisten anderen Ossuarien des Rheinlands aus hygienischen Gründen geräumt und die sterblichen Überreste bestenfalls der Erde zugeführt wurden, blieb das der Katharinenkirche bis heute unangetastet. „Wir halten uns an das alte Versprechen!“ Und so können Besucher der Oppenheimer Katharinenkirche im Beinhaus der Michaelskapelle ein wenig gru­seliges Mittelalter schnuppern ‑ bis zum Jüngsten Tag.

Kathedrale und Beinhaus in Oppenheim, sind täglich im Winter von 9 bis 17 Uhr und im Sommer von 8 bis18 Uhr zu besichtigen. Führungen bietet Küster Betcher täglich, außer montags, nach Absprache, Telefon 06133/92 6685.

 

Für die  weitläufigen Kellera lagen in Oppenheim  gibt es Führungen.

 

 

Burg Landskron:

Über der Stadt erhebt sich die seit dem 15. Jahrhundert „Landskron“ genannte Burg. Sie war durch Wehrmauern mit der Stadtbefestigung verbunden. Als die Staufer sie zum Schutze ihrer Reichsgüter in diesem Gebiet errichteten, war bereits ein umfangreiches Kapitel von Oppenheims Geschichte abgeschlossen, nämlich als römischer Stützpunkt, weingesegnetes karo­lingisches Königsdorf  und Besitztum des Klosters Lorsch. Die Burg wurde 1689 von den Franzosen in Brand gesteckt und der Bergfried des 13. Jahrhunderts sowie die Stadtbefestigung gesprengt. Erhalten sind von der Burg nur noch die Umfassungsmauern des im 16. Jahrhunderts erbauten dreigeschossigen Palas.

 

 

Gernsheim

Römisches Militärlager:

Römerlager mitten in Gernsheimer Wohngebiet entdeckt

Die Geschichte der Römer in Hessen ist um ein Detail reicher. Archäologen der Frankfurter Goethe-Universität entdeckten im Jahr 2014 in Gernsheim im Süden des Landes Reste eines römischen Militärlagers. Es dürfte in etwa die Größe des wieder errichteten und bekannten Römerkastells Saalburg bei Bad Homburg nördlich von Frankfurt gehabt haben, war aber vermutlich nicht so massiv gebaut gewesen.

In Gernsheim war zwischen 70 und 110 nach Christus eine Truppeneinheit mit etwa 500 Mann stationiert. Die Funde - Scherben, Münzen, Reste von Amphoren - wurden in einem noch freien Doppel-Bauplatz entdeckt, der mitten in einem Wohngebiet liegt. Zu den Soldaten könnten noch rund 1000 Zivilpersonen dazugerechnet werden, die aber außerhalb des Militärlagers gelebt haben dürften.

Daß es in Gernsheim Spuren der Römer gibt, war bekannt. Aber so viele Tausende Funde an einer Stelle und das Entdecken des schon lange vermuteten Kastells war schon großes Glück. Die gesamte Größe des Kastells läßt sich aber nicht mehr freilegen. Gernsheim hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg ausgedehnt und dabei viele römische Spuren vernichtet.

Das Kastell befand sich an einer militärisch günstigen Stelle. Die Römer errichteten das Kastell, um in den siebziger Jahren des ersten Jahrhunderts nach Christus den rechtsrheinischen Raum großflächig in Besitz zu nehmen. Hier in der Gegend muß es auch einen Hafen gegeben haben,  der Transport auf dem Wasser war wichtig. Unterstellt war das Kastell der Garnison in   Mainz. Das Kastell in Gernsheim war eine militärische Vorhut, wurde dann aber mit der Entstehung des Grenzwalls Limes überflüssig.

 

Wallfahrtskirche Maria Einsiedel:

In der Nähe liegt die Wallfahrtskirche Maria Einsiedel. Von ihr wird folgende Legende erzählt. Arbeiter fanden das Muttergottesbild in einem Holunderstrauch und brachten es zum Pfarrer, der es in die Kirche stellte. Es verschwand aber immer wieder und war wieder im Holunderstrauch. Da erkannten die Leute, daß an der Stelle des Holunderstrauchs eine Kapelle für da Bild gebaut werden sollte.

 

 

Worms

Straßennamen wie Kriemhild-. Siegfried- und Hagen-Straße, die Nibelungenbrücke oder die in einen Kettenpanzer gehüllte Hagen-Statue am Ufer des Rheins erinnern daran, daß Worms Schauplatz des Nibelungenlieds ist. Jüngste Attraktion zu diesem Thema ist das Nibelungenmuseum, das mit seinem Seh- und Hörturm sowie dem unterirdischen Schatzraum den Mythos der Nibelungen phantastisch-fiktional aufbereitet. Nicht zuletzt trägt auch der Rahmen - die Stadtmauer des 12. Jahrhunderts, ergänzt um moderne Anbauten - zur stimmiger Ausstrahlung des Museums bei.

 

Geschichte:

Nahe der vom Klima begünstigten Bergstraße gelegen, war das Worms der hundert Türme, Kaiserpfalz Karls des Großen, Zentrum des Judentums, Podium Martin Luthers, eine der größten und reichsten Städte des deutschen Mittelalters.

Bei der geschichtsträchtigen Stadt Worms handelt es sich hierbei doch um uraltes Siedlungsgebiet, in dem sich bereits vor 6000 Jahren Menschen niedergelassen haben. Bodenfunde gibt es seit der jüngeren Steinzeit. Unter Augustus 27 vCh der römischen Provinz Germania prima zugewiesen, wurde die Stadt wohl um das Jahr 14 vCh. von Drusus verschanzt zum römischen Kastell. Aus dem umwallten und umtürmten Römerlager wächst die römischen Freistadt (municipium), das römische Worms.

Die Namensformen haben sich gewandelt: Vormatia schon 621, Vuangiona civitas770, Civitas Vanegionum, quae cognominatur Wormacia 771, Wannia 979, Wangia in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, Wormeze 1263, Wormize 1287, Wormesze 1300. Dann schreiben die Urkunden Wormbss, bis seit dem 18. Jahrhundert endlich die heutige Schreibweise durchbricht: Worms.

In der Völkerwanderung kommen Vandalen, Alanen und Sueven, bis endlich um 412 nach Auswanderung des Alemannenvolks die Burgunder den entvölkerten Landstrich zum Wohnsitz und Worms zu ihrer Königsstadt erhoben. Gibich, Godomar, Gislahar und Gundahar werden im 4. und 5. Jahrhundert genannt (siehe auch das Nibelungenlied). Unter Attilas Hunnen brach die Herrschaft 451 wie­der zusammen. Mit Chlodwigs Sieg bei Zülpich (Tolbiacu) im Jahre 496 kam die Burgunderstadt unter die Franken-Herrschaft. Über dem rheinfränkischen Worms wird das Kreuz aufgerichtet.

Der Stuhl des Gaugrafen steht hier. Aber unabhängig von Herzog und Gaugraf und unmittelbar unter dem Könige bestellt die königliche Stadt (civitas regia)  ihren Magistrat sich selber. Bei dem der späteren Pfalz (palatium) ragt der Bischofshochstuhl. Der Hauptkirche des heiligen Petrus schenkt König Dagobert schon etwa um 638 viel königliches Gut in Worms.

Mit dem im 5. Jahrhundert schon zerstörten Mainz hob sich Bedeutung und Besitz des Wormser Bistums. Die Karolinger überschütten Karls des Großen Lieblingsstadt mit Gütern und Gnaden ihrer Königshuld. Zahlreich sind die Reichstage und Maiversammlungen, die der große Karl hier hält. Seine Vermählung mit Fastrada feiert er zu Worms. Von Worms aus bricht der blutige Bekehrungszug zur Weser auf nach Sachsen. Kirchen und Klöster wachsen empor, nämlich Maria­münster 838 und St. Martin gegen Ende des 9. Jahrhunderts. Mauern und Türme werfen rheinaufwärtsfahrende Normanneneinbrüche tapfer zurück.

Schon unter Otto II. und Otto III. hat der Bischof eine Art Aufsichtsrecht über die Stadt angenommen. Dazu erhebt sich Burg und Besitz eines gewaltigen und gewalttätigen rheinfränkischen Herzogsgeschlechtes über Bischofshof und Bürger mitten in der Stadt - Bistum und Bürgerfreiheit gleichermaßen schwer bedrohend - bis endlich unter dem wohlwollenden Heinrich II. der große Burkard (1000 - 1025) durch Tausch und Traktament die Zwingburg in die Bischofshand und Herzog Otto ans dem Stadtbann brachte. Im Jahre 1003 zerstört, baut der Bischof aus ihren Stein­trümmern dem heiligen Paulus eine Kirche, vollendet 1016. Der Kaiser war freigiebig und

begabte das Hochstift ansehnlich reich im Lahn- und Lobdengau und mit dem Wildbann im Föhrhag.  Als Dank  baute er die neue Domkirche, legt eine Dornschule an und gibt seinem Bistum 1024 eine musterhafte Verwaltung und Verfassung.

Der Streit Heinrichs IV. mit dem päpstlichen Stuhl bringt den Brand zum Ausbruch. Während Fürsten und Bischöfe samt der gesamten Klerikerschaft des ganzen Reiches ihren Herrn verlassen, erklären sich einzig und allein die Bürger von Worms vor allem deutschen Volk und Land für ihren Kaiser. Bischof Adalbert von Worms verschließt die Tore. Die treuen Wormser jagen den Gegenkönig davon und ziehen in Wehr und Waffen wohlgerüstet ihrem Herrn entgegen, damit er aus ihrer Menge, ihrem Waffengerät und ihren rüstigen jungen Mannschaften Vertrauen zu ihnen gewinnen möchte. So war die Stadt Worms des länderlosen Kaisers letzte Zuflucht. Der dankbare Kaiser aber vergalt mit reichen Gnadenbriefen diese beispiellose Treue seiner anhänglichen Stadt. Sie selbst errichtete ihm zum ewigen Gedächtnis dessen an der Rheinpforte im Jahr 1074 ein Denkmal.

Wiederum zu Worms beendet 1122 dann das Wormser Konkordat den Kirchenstreit. Auch die Hohenstaufen bewahren der treuen Stadt die Huld römischer Könige und Kaiser. Im Jahre 1156 erteilt Friedrich Barbarossa der rasch emporblühenden Bischofsstadt einen Gunstbrief, der alle alten Freiheiten bestätigt und vermehrt. Auch er weilt gern in ihren stolzen Mauern. Gar mancher Hof und Rat wird hier gehalten. Die wichtigsten geistlichen und weltlichen Reichsangelegenheiten werden dort geredet und gehandelt. Und 1184 wiederum gewährt der Herr im roten Barte seinen getreuen Wormsern Frei-Eherecht und Zollfreiheit zu Frankfurt, Boppard und Goslar, den kaiserlichen Stätten. In Erz gegossen leuchtete lang die eherne Tafel dieses Freiheitsbriefes über der Domtüre am Bischofshof.

Doch mit dem wachsenden Selbstgefühl der Bürger wächst auch der Kampf mit dem Krummstab. Seit 1234 gibt es einen hartnäckiger Streit mit dem Bischof Heinrich II., dem 1233 schon der Vertrag der sogenannten ersten „Rachtung“ (transaktio) ein Ende machen sollte, der sich aber aus diesem neuen Quelle des Zerwürfnisses nun auch zwischen Bürgern und Geschlechtern unter Bischof Eckard 1386 seinen Höhepunkt erreichte. Erst unter Johann von Dalberg (1483 -  1505) kam alles zum Austrag, endgültig allerdings erst 1526. Die Macht des Bischofsstuhles war gebrochen und jede neue Fehde minderte bischöfliche Gewalt.

Ein glänzender Reichstag von 1495 gab dem Reich zu Worms eine Reform der Reichsverfassung, die Kreiseinteilung, das Reichskammergericht, und nach der glücklich beendeten Sickinger Fehde (1513 - 1517)  - die die Stadt an Gut und Geld, Fruchtäckern und Weingärten schwer geschädigt hatte - gibt er ihr eine bürgerlich-politische Verfassung. Im Jahre 1526 endlich der Stadt nun selber in den zwei Ratskammern des Rates der Dreizehner und des äußeren, gemeinen oder abgehenden Rates eine wohlbestellte Stadtverwaltung, die bis zum Untergange ihrer reichsstädtischen Unabhängigkeit auch unverändert beibehalten wurde.

Der fünfte Karl, der auf den 6. Januar 1521 seinen ersten Reichstag nach Worms ausschreibt, erläßt im Namen kaiserlicher Majestät die Vorladung an den kühnen Wittenberger Martin Luther zur Verantwortung seiner neuen Lehre. Am 16. April, um die Zeit des Frühmahls, rollt sein armseliges Rollwägelein zum Martinstor herein zum Johanniterhofe nahe bei dem Schwanen. Am nächsten Nachmittag schon steht er im Bischofshof vor Kaiser und Reich, sechs Kurfürsten, bei vierundzwanzig Herzogen, acht Markgrafen, die Menge anderer Fürsten, Grafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Prälaten, Äbte und Gesandte nicht zu zählen.

Der dritte Eroberungskrieg Ludwigs XIV. hatte schon im Spätherbst 1688 französische Besatzung vor das Tor geführt. Statt der ausbedungenen dreihundert Mann der Übergabe wälzt sich sofort beinah das Fünffache herein. Eine unerhörte Zeit der Not hebt an. Reiter und Musketiere plagen ihre Hausherrn bis aufs Blut. Dragoner und Grenadiere pressen die Bürger bis aufs nackte Stroh. Die Winterquartierbesatzung wird aufs Doppelte gebracht. Der Magistrat wird geprügelt und eingesperrt. Turm, Tor und Mauerring der Stadt gesprengt und geschleift. Vierzig Türme krachen in den Staub. Und im Umfang von vierzehn Wegestunden werden Bauern und Bürger mit Prügeln und Püffen wie das Vieh zusammengepeitscht, um selber von der Frohngeisel umkrallt als Werkzeuge zu fröhnen bei der herzzerreißenden Zerstörung ihrer Herrlichkeiten.

Das Zeughaus wird erbrochen, das alte Stückzeug in den Rhein geworfen. Als die äußere Umwallung dann zerschmettert liegt, werden die inneren Werke hohnlachend zertrümmert. Tag und Nacht krachen die auffliegenden Pulverminen. Und nach dreißig wütenden Minenangriffen fliegt das Mauerwerk des Neuturms in die Luft. Endlich eröffnet am Sonntage vor Pfingsten, am 22. Mai 1689, der Intendant La Fond um neun Uhr abends nach dem Nachtläuten dem schreckensstarren Rat im Münzensaale, daß nach sechs Tagen ihre liebe  Stadt nun selbst ein Raub der Flammen werden müsse, wie der König will.

Umsonst einer rührendsten Bittgänge der ganzen Weltgeschichte: Die kleinen Wormser bitten für ihre Vaterstadt. Alles umsonst: Der König will es. Am 31. Mai (Pfingstsonntag nachmittags), da der Domtürmer eben vier geschlagen, dröhnt ein Kanonenschuß über die Stadt und gibt das Zeichen. Vor der Münze auf dem Markte wirbelt der Trommelschlag, und heulend  stürzt sich mit flammenden Strohfackeln die Brandmörderrotte in die nächsten Häuser. Aus dem „Weißen Schwanen“ steigt dann  die erste Flamme. Und in einer ungeheuren Feuerflut versinkt die Stadt Worms

Mit dem Zerfall des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation im Jahr 1806 ging auch die Stadtfreiheit verloren. Die Russen hielten am 2. Januar 1814 mit dem General von Sacken ihren Einzug. Ein provisorischer Zustand  erweckt die Hoffnung, der Sitz der bayerischen Regierung des Rheinkreises zu bleiben. Anfangs ist man unter einem preußischen Intendanten, später unter dem General-Gouvernement des Mittelrheins und endlich unter österreichisch-bayerischer Administration. Endlich  nun fällt die vielgeprüfte Stadt mit Rheinhessen 1816 durch Beschluß der Großmächte dem Großherzog von Hessen und bei Rhein zu, mit 8326 Bürgern in 963 Wohnstätten. Nach dem französischen Maire Winckelmann besteigt der deutsche Bürgermeister P. Val­cken­berg den Stuhl (1812  - 1837).

 

Rundgang:

Nibelungenbrü>Über die Ernst-Ludwigs-Brücke und durch das Rheintor fährt man in die Stadt. Sie ist die schönste Straßenbrücke über den Rheinstrom. Die historische Brücke bei Worms verbindet das rheinland-pfälzische Worms mit den hessischen Städten Lampertheim und Bürstadt. Sie ist gemeinsam mit der 2005 bis 2008 erbauten Parallelbrücke die einzige Straßenverbindung über den Rhein zwischen Mannheim und Mainz. Die dreibogige Brücke mit neunbogiger Vorlandbrücke und mittelalterlichen Tortürmen wurde am 26. März 1900 in Gegenwart des Großherzogs von Hessen und bei Rhein eingeweiht. Nach ihrer Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie im April 1953 als Deutschlands erste große Spannbetonbrückc wieder in Betrieb genommen. Die Brücke hat eine Länge von 700 Metern zwischen den Widerlagern.  Erhalten sind jedoch nur noch die Zufahrten zur Brücke, der Mittelteil ist aus Beton erneuert. Im Zuge dessen erhielt sie ihren heutigen Namen „Nibelungenbrücke“, zurückzuführen auf das mittelalterliche Nibelungenlied, das zu großen Teilen in und um Worms spielt.

Ein halbes Jahrhundert nach der Inbetriebnahme 1953 sind die zwei Fahrspuren des Kulturdenkmals der steigenden Verkehrsbelastung nicht mehr gewachsen. Denn die B 47 verbindet die linksrheinische Autobahn A 61 mit den rechtsrheinischen Autobahnen A 67 und A 5. Rund 30.000 Fahrzeuge überqueren täglich die Nibelungenbrücke und machen sie zum zentralen Bestandteil eines leistungsfähigen Straßennetzes. Dieses hohe Verkehrsaufkommen erforderte den Bau einer parallelen zweiten Brücke sowie eine umfangreiche Sanierung des bestehenden Bauwerks. Im September 2008 wurde in nur 25 Meter Abstand zur historischen Brücke die neue Rheinquerung eröffnet. Ihre beiden Fahrspuren werden einstweilen im Gegenverkehr genutzt. Künftig aber sollen sie ausschließlich den Verkehr in Richtung Hessen bewältigen, während die historische Nibelungenbrücke nach ihrer Sanierung die Gegenrichtung übernimmt. Die historische Brücke wird derzeit durch die Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung, vertreten durch das Amt Bensheim, grundsaniert. Ab 2012 wird die Rheinquerung dann übe zwei parallel verlaufende Brücken möglich sein.

Die alte Rheinbrücke weist sowohl im Bereich der Strombrücke als auch an den beiden Vorlandbrücken erhebliche Schäden auf. An manchen Stellen ist Beton abgeplatzt, die Übergangs­kon­struktionen sind teilweise undicht, die Gewölbe zeigen Ausbruchstollen Das Sanierungskonzept sieht vor die Vorlandbrücken mit Fahrbahnplatten aus Leichtbeton zu belegen und die Übergangs­konstruktionen sowie die Kappen zu erneuern. Natursteinflächen und Betonteile werden instandgesetzt. Zudem erhält die Brücke eine neue Entwässerung und auf hessischer Seite einen neuen Treppenturm. Die Sanierung ist auf knapp 12 Millionen Euro veranschlagt.

Die Nibelungenbrücke ist nicht nur aus historischen und architektonischen Gründen interessant. Sie beherbergt darüber hinaus eine Kolonie des Großen Mausohrs. Diese streng geschützte Fledermausart soll von den Arbeiten so wenig wie möglich gestört und schon gar nicht vertrieben werden. Deshalb haben die Naturschutzbehörden von Hessen und Rheinland-Pfalz zusammen mit renommierten Fledermaus-Experten und dem für die Sanierung zuständigen Amt für Straßen- und Verkehrswesen Bensheim Maßnahmen entwickelt, die genau  dies sicherstellen sollen. Wenn nach der Sanierung der Verkehr wieder über die Brücke fließt, sollen die Fledermäuse wie bisher ihr Sommerquartier in den Brückenhohlräumen beziehen  können. Die  Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung beweist mit diesem Projekt nachhaltig, daß Unterhaltung und Ausbau des Straßennetzes nicht im Widerspruch zum Naturschutz und zur Artenvielfalt stehen.

Stadteinwärts steht das Gymnasium als markantes Gebäude.  Parken kann man auf dem Parkplatz gleich rechts von der Brücke. Von dort geht man geradeaus in die Stadt durch die Rheinstraße. An einem dreieckigen Platz geht man nach links in die Friedrichsstraße zur evangelischen Friedrichskirche, erbaut 1768 mit reicher Unterstützung von König Friedrich dem Großen von Preußen. Neben der Kirche steht sogenannte „Rote Haus“. Ein Stück weiter steht der Gasthof  „Römischer Kaiser“. Dort geht es links ab zum Paulsplatz.

Pauluskirche:

Die Pauluskirche wurde etwa um das Jahr 1016 von Bischof Burkard aus den Steinen der 1002 zerstörten salischen Herzogsburg erbaut. Von diesem ältesten Bau stammen vielleicht noch die unteren Stockwerke der beiden Türme. Alles andere ist wesentlich jüngeren  Ursprungs. Wiederholt wurde die Kirche durch große Brände zerstört und dann wieder aufgebaut in den Bauformen der jeweiligen Zeit. Ein Umbau erfolgte zum Beispiel im 13. Jahrhundert. Dabei wurden die alten Teile beibehalten und erweitert, so bietet die entstandene und jetzt stehende Kirche einen Überblick über die verschiedensten Baustile und dennoch fügen sich trotz dieses verschiedenen Stil­charakters alle ihre Teile einheitlich zusammen.

Der obere Teil der Türme zeigt die jüngeren romanischen Formen. Ein eigentümlicher Kuppelabschluß schließt die Türme nach oben ab, der bei verschiedenen romanischen Kirchen der Umgebung von Worms angewandt (darunter Hochheim) wohl auf das Bestehen einer Wormser Bauschule hinweist. Es gibt aber auch die Theorie, daß die Kreuzfahrer dieses Bauform aus dem Orient mitgebracht hätten.

Eine ähnliche Bauweise zeigen Minarettürme und Grabbauten der fatimidischen Architektur im Orient des 11. Jahrhunderts, nach der auch die christlichen Bauwerke im Nahen Osten in dieser Zeit meist errichtet wurden. Das ist nach Hans-Jürgen Kotzurs Auffassung auch von dem Kirchenkomplex der Grabeskirche in Jerusalem anzunehmen, ebenso von dem im 11. Jahrhundert dort errichteten Turm der Golgathakirche.

Kotzur sagt: Weltweit einmalig sei das, was Rheinhessen gleich in vierfacher Ausfertigung vorzuweisen habe, wegen der Besonderheit eigentlich ein Weltkulturerbe. Es geht um die Türme in Guntersblum, Alsheim, Dittelsheim und Worms, die so anders sind als alle anderen. Im rheinhessischen Dittelsheim erhebt sich auf quadratisch angeordneten Giebelhäuschen ein achteckiger Aufbau, der von einer Kuppel mit einem steinernen Pfahl an der Spitze überwölbt wird.  „Exotisch fremd“ wirken die Turmbekrönungen, Kuppeln aus einer anderen Welt. Eine Einschätzung, die jeder Betrachter, der in der Landesbankfestschrift „Lebendiges Rheinland-Pfalz“ publizierten Bilder sieht oder die Türme aufsucht, sofort nachvollziehbar.

Erklärungsversuche und Deutungsansätze waren in einer für das Mittelalter historisch unbefriedigenden Bandbreite von rund 200 Jahren angesiedelt. Nun legt Kotzur die Datierung neu fest, gestützt auf neueste dendrochronologische Erkenntnisse (Verfahren zur Bestimmung des Alters mit Hilfe der Jahresringe gefundenen Holzteile). Er ermittelte für Kirchtürme mit orientalischer Anmutung - die der Volksmund schon immer „Heidentürme“ oder „Sarazenentürme“ nannte - einen exakt angenäherten Bauzeitraum zwischen 1100 und 1110. Damit schreibt Kotzur die ungewöhnlichen Bauten nach Zeit nach dem ersten Kreuzzug zu. Es gebe für sie keine andere Entsprechung in Europa, sehe man von architektonischen Elementen der Maurenzeit in Spanien oder der Sarazenen in Süditalien ab.

Im Jahre 1095 hatte Papst Urban zur Befreiung des Heiligen Landes aufgerufen. Im Juli 1099 wurde Jerusalem von den Christen erobert, die ein Blutbad unter Muslimen und Juden anrichteten. Dabei waren auch viele deutsche Kreuzfahrer, die überwiegend aus dem Rheinland und der Gegend um Mainz und Worms kamen. Alles spreche dafür, daß sie nach ihrer Rückkehr die Kirchtürme nach dem Vorbild ihres Zielorts, der Golgathakirche auf dem vermuteten Grabesort Jesu Christi, vollendeten. Die Kuppeln waren ein Zeichen des Sieges über die Heiden und des Dankes für die Eroberung der heiligen Stadt Jerusalem. Zugleich mahnten sie, das Heilige Land in christlicher Hand zu behalten und die t verbliebenen Kreuzfahrer zu unterstützen.

Kotzur vermutet sogar, daß eine Bautruppe zumindest zwei Türme gemauert hat. Aufrisse glichen sich bis auf wenige Zentimeter. Abgesichert ist der Befund durch den „Baumringkalender“, die Jahresringe entdeckter Originalhölzer, die zum Beispiel die Haube von St. Paul in Worms verklammerten. Kotzur vermutet, daß zumindest der Kirchenbau in Worms durch die Kreuzzüge unterbrochen gewesen sei. Bei der Rückkehr der Kreuzfahrer habe man die Türme dann in orientalischer Manier vollendet, um dauerhaft vom Sieg in Jerusalem zu künden.

Die für die katholische St.-Paul-Kirche in Worms gewonnenen Erkenntnisse sind Kotzur zufolge auch auf die übrigen drei evangelischen Kirchen mit „Heidentürmen“ anzuwenden. In der Architektur verschmelzen byzantinische und armenische Traditionen, die an den vier Giebelhäusern sichtbar sind, mit islamisch - fatimidischen Traditionen - erkennbar an der Kuppel. Damit sind erstmals Abbilder orientalischer Architektur auch nördlich der Alpen nachgewiesen worden.

Nun hofft er auf interessante ergänzende Forschungsarbeiten der Historiker, die die bautechnischen Befunde flankieren könnten. Noch gibt es keine Dokumente, die Aufschluß über den Auftraggeber der Turmbauten geben. Noch fehlen Hinweise auf die Handwerker, die eventuell selbst am Kreuzzug teilnahmen. Selbst wenn die Architektur nun enträtselt sein sollte, werfen die „Heidentürme“ weiter neue (Forschungs-) Fragen auf.

Auch im hessischen Wetzlar könnte es ein Beispiel der durch Kreuzfahrer geprägten Kirchenturmarchitektur geben - der so genannte „Heidenturm“ am Dom. Dort müsse eventuell die Datierung neu vorgenommen werden, meint Kotzur, der durchaus die Auffassung vertritt, daß der rheinhessische Bautypus zur Anwendung gekommen sein könne. Die Forschungsergebnisse sind unter www.Irp.de/publikationen als Datei zum Downloaden greifbar.

Nord- und Südturm sind in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts gebaut worden. Material und Konstruktion des Kuppelgeschosses verraten jedoch eine andere Bauzeit. Die Untersuchung der Jahresringe im Gebälk ergab nun, daß die Turmkuppeln zwischen 1100 und 1108 erbaut wurden - direkt nach Ende des ersten Kreuzzuges.

Ein Querbau legt sich vor die beiden Türme, der mit ihnen nicht im Mauerverband steht und zeigt die Übergangsformen zur Gotik, der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Er bildet die Vorhalle der Kirche mit reichern Portal, schöner Fensterrose und einer achteckigen Kuppel mit vorspringendem Treppenturm. Auf der Kuppel sitzt jetzt ein bei der Wiederherstellung der Kirche 1767 -1716 gebautes barockes Dach, denn das Längsschiff wurde1706  – 1716 zu einem barockem Saalbau umgestaltet.

Der schöne Chor gehört einer ein wenig früheren Zeit als die Vorhalle an und zeigt die jüngeren, aber noch rein romanischen Formen der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ein zweistöckiger Kreuzgang schließt sich der auf der Südseite des Chores auf gleicher Höhe mit diesem gelegenen Sakristei an, der der Zeit der Gotik (dem 15. Jahrhundert) angehört. Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammt die kleine Kapelle an der Ostseite des Kreuzganges, mit der gleichzeitig der Treppenaufgang an der Südseite des Kreuzganges angelegt ist. Auf einem Spruchband steht auf einem Bilde des Apostels Paulus an der Türe dieses Aufganges „A. D. N. 3. MCCCCL XXXV. 28. Sept.“

Bei dem großen Stadtbrand 1689 gingen auch das Dach und alles Brennbare in Flammen auf. Erst 1707 konnte aus den Ruinen die Kirche neu erstehen, die 1716 vollendet wurde, wie eine Inschrift in der Kirche angibt. Dabei wurde die frühere dreischiffige Anlage, um Raum zu gewinnen, durch einen weiten, einschiffigen Bau ersetzt, der mit einem Holzgewölbe überspannt wurde. Eine barocke Orgelbühne wurde zwischen den Türmen eingebaut und der ganze Raum, sowie die Kuppel der Vorhalle mit auf die Geschichte des Apostels Paulus sich beziehenden Deckenbildern ausgeschmückt.

Im Jahre 1802 durch ein französisches Konsulardekret aufgehoben, wurde die Kirche 1806 als militärisches Heumagazin verwendet, kam nach dem Übergang der Stadt an Hessen wieder  in den Besitz der katholischen St. Martinspfarrei, und schien - als Tabaks- und Holzmagazin vermietet - ihrer vollständigen Verwahrlosung entgegenzugehen. Doch 1880 bis 1881 wurde sie endlich auf Veranlassung und mit den Mitteln des Herrn Oberst Freiherrn Max von Heyl wiederhergestellt und zu einem Museum eingerichtet, das unter der Verwaltung des Altertumsvereins (Professor Weckerling) als sehenswürdige städtische Sammelstätte alle Kultur- und Kunstreste aus Stadt und Land vereinigt.

Durch ein schönes Portal, einem Abguß der berühmten frühromanischen Bronzetüre am Dom zu Hildesheim des Bischofs Bernward aus dem Anfange des 11. Jahrhunderts (wobei nur deren obere Abteilung weggelassen wurde) kommt man in der Vorhalle. Die Kirche war nur bis 1927 ein Museum. Heute wird sie wieder für Gottesdienste genutzt, angeschlossen ist ein Dominikanerkloster.

 

Nibelungenmuseum (Fischerpförtchen 10):

Durch die Obermühlstraße oder die Bauhofstraße kommt man zur Petersstraße, in die man nach links einbiegt. Dann kommt man zu einem Teil der alten Stadtmauer in der Ludwigstrasse. Auf dem Rheintorplatz Platz davor stand früher das Bismarck-Denkmal von dem Wormser Bildhauer Hirt. Dabei steht die 1870 gepflanzte Friedenseiche.

In die alte Stadtmauer eingebaut ist das moderne Nibelungenmuseum, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr.  Es ist kein Museum, es wird nämlich keine Sammlung zur Schau gestellt, es gibt kein Original und es wird auch nicht geforscht. Vielmehr hat man es zu tun mit einer Art von unterhaltsamer Umkreisung des Heldenepos von den Nibelungen, des Nibelungenlieds, etwa so alt wie die Stadtmauer. Die Mittel der Annäherung gehören in die Gegenwart: bewegte, elektronische Bilder, zusammengefaßt in komplexen Collagen und einem Rundum-Panorama, dazu nicht weniger vielteilige Klangräume, von dem französischen Komponisten Thierry Fournier entwickelt aus musikalischen und sprachlichen Elementen, durchsetzt von Zitaten alltäglicher Lebensgeräusche jeder Art.

Versucht wird hier also die Verbindung des Stoffs der alten, blutigen Geschichte des mörderischen Streits von Brunhild und Krimhild, von Hagen und Siegfried und Gunther, des Kampfs schließlich zwischen den Hunnen des Königs Etzel und den Burgunden mit dem avanciertesten. Instrumentarium der Bild- und Tonerzeugung. Daraus ergibt sich manchmal eher eine irritierende Vergrößerung des Abstands als eine Nähe. Zugleich ist das Verfahren aber auch von unbestreitbarem Reiz.

Um die Anlage  mit: 8,6 Millionen Baukosten ist in Worms acht Jahre lang gestritten worden. Doch ein Bürgerbegehren dagegen wurde knapp abgewehrt. Das im Zweiten Weltkrieg schwer getroffene Worms mit dem Wahrzeichen des romanischen Kaiserdoms in seiner Mitte, ein Gang durch die Stadt läßt das leicht erkennen, ist kein Schauplatz der Moderne. So konnte das Projekt des französischen Architekten und Planers Olivier Auber und seines deutschen Partners Bernd Hoge nur mit großer Mühe durchgesetzt werden. Erwartet werden jährlich 45.000 Besucher - ein Grenzwert, viel mehr werden sich in dem durch relativ schmale Treppen und Gänge erschlossenen Bau kaum bewältigen lassen, nur fünf Personen können sich gleichzeitig in jedem Segment aufhalten.

Es gibt drei Hauptbereiche: einen Sehturm, mit diesem durch einen Wehrgang verbunden einen Hörturm und als dritte Station ein unterirdisches 360 Grad-Panorama, die Architekten sprechen von einem Weltengrund. Untergebracht sind sie in einer Erweiterung der alten Mauer, der zusätzlich sechs spitzgieblige, in Stahlblech gefaßte Pavillons für die Funktionsräume (wie Entree, Cafeteria, Buchladen, Toiletten) vorgesetzt sind. Für den Sehturm mit seinen sieben übereinander liegenden Ebenen, kaum mehr als Absätzen der Wendeltreppe, wird jeder Besucher ausgestattet mit einem individuell steuerbaren Tonband und Kopfhörern. Die Achse, um welche die Treppe sich windet, ist eine als runde Projektionsfläche mit Hunderten von Bildern bespielte Säule, die das goldene Zepter im Schatz der Nibelungen assoziieren läßt, das „Rütelin“ des Epos. Die Medienkünstlerin Ursula Kraft hat sie konzipiert, die Kölner Historikerin Susanne Wernsing das Fotomaterial zusammengestellt.

Die projizierten Bilder und Bildausschnitte beziehen sich, durchaus auch kritisch, auf die Rezeptiongeschichte des Nibelungenlieds. Sie entstammen Fritz Langs Nibelungen-Film wie Wagner-Aufführungen aus Bayreuth, zitieren bis hin zu Walt Disney eine Fülle älterer und neuerer Anverwandlungen und Paraphrasierungen des Stoffs, thematisieren immer wieder auch dessen politische Inanspruchnahme durch den Nationalsozialismus.

Die Struktur dieser Collage läßt sich interpretieren als Reaktion auf die Komplexität des Nibelungenlied - Textes selber, von dem zwar mehr als dreißig Pergament- und Papierhandschriften bekannt sind. Ein Original existiert nicht, die St. Galler Handschrift B gilt als die der Urfassung am nächsten kommende Version. Die Konstitution des in 39 Aventiuren gegliederten 2000 Strophen des Epos ist also selber collagiert: Dem entspricht, gleichsam parataktisch, die Komposition der Bildersäule.

Ihre optische Wahrnehmung wird vom Tonband begleitet von der kommentierenden Stimme Mario Adorfs: Der Schauspieler gibt hier den Part des unbekannten Dichters, damit beginnt der Kom­mentar: „Willkommen in meiner neuen Bleibe“. Die Stimme erzählt dann die Handlung des Heldenliedes nach und berichtet von seiner Entstehung und den mancherlei Deutungen, die es vor allem im 19. und 20. Jahrhundert erfahren hat. Adorf gewinnt Interesse durch einen um Zutrauen bemühten Ton, etwas zunächst Märchenonkelhaftes an seiner Erzählung (verfaßt von Olivier Auber und dem Marburger Germanisten Joachim Heinzle) verliert sich mit der Zeit.                

Über einen Wehrgang auf dem alten Gemäuer wird der Hörturm  erreicht. In den  Scharten kann man überlieferte Stadtansichten von Worms, die älteste von 1550, mit dem Bild der heutigen Stadt vergleichen. Hier kommt auszugsweise das Nibelungenlied selber zur Geltung; vom Band vorgetragen auf mittelhochdeutsch und in einer Übersetzung. Man nimmt dazu Platz in hohen Thronstühlen.

Im Souterrain dann der Weltengrund. Virtuell wird der Besucher, ganz umgeben von einer Rundum - Projektion und umfangen von einem Klangraum, unter die Stadt Worms versetzt. Mit einem Steuergerät kann er selber die Flut von Bildern beeinflussen, die vom Grund aufsteigen wie aus dem Schatz der Nibelungen, den Hagen, dem Mythos zufolge, im Rhein bei Worms versenkt haben soll. Es sind auch wieder die Bilder des Rütelin darunter, in schwebenden Verwandlungen vergrößern und verkleinern sie sich, bilden immer wieder andere Kompositionen.

 

Marktplatz:

Man geht durch das Lutherpförtchen zwischen den alten Türmen, ein Torweg durch die alte Stadtmauer, den Luther auf seiner Flucht benutzt haben soll. Nach links geht es dann über den Fischmarkt zur Hagenstraße und auf dieser nach rechts dann weiter in Richtung zum Dom. Doch zunächst geht es noch einmal rechts ab durch einen Torbogen zum Marktplatz. Der Marktbrunnen ist von 1778.

Östlich steht das heutige Rathaus. Das eigentliche Rasthaus stand aber in der Römerstraße, in deren Zug die frühere römische Meeresstraße gelegen ist, das sogenannte „Stadthaus“. Es wurde 1883 bis 1884 nach den Plänen des Professor Gabriel von Seidl (München) renoviert und enthält einen alten Sitzungssaal mit einem künstlerisch bedeutsamen Wandgemälde von Professor Hermann Preil (Dresden): Die Überreichung des Privilegs von 1074 durch Heinrich IV. an die Vertreter der Wormser Bürger darstellend, gestiftet von Herrn Landtagsabgeordneten Nikolaus Reinhart. Ferner enthält das Stadthaus als sehenswerten Teil das Archiv, dessen Räume Freiherr Heyl zu Herrnsheim durch den Architekten Professor Seidl und den Maler Otto Hupp in München umbauen und künstlerisch ausgestalten ließ. Der Innenraum ist mit heraldischen Malereien, die Wappen der Geschlechter und Beschützer der alten Reichsstadt und deren Klöster darstellend, geschmückt. An dieser Stelle sei auch berichtet, daß auf Veranlassung des Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim die alten Urkunden des Archivs von Professor Boos in Basel geordnet, in drei prachtvollen Bänden veröffentlicht und nach diesen Urkunden die Geschichte der Stadt Worms bearbeitet wurde. Vor dem Rathause wurde an Stelle des alten Lindenplatzbrunnens dem früheren Oberbürgermeister Küchler in dankbarer Erinnerung für sein Wirken zum Wohle der Stadt ein Denkmal errichtet, welches mit hübschen Anlagen umgeben ist. Das Denkmal ist von Bildhauer Hirt, einem geborenen Wormser, modelliert. Im Hofe des Rathauses ist ein  alter Säulengang.

 

Dreifaltigkeitskirche:

Prägend für den Marktplatz ist aber der stattliche Barockbau die Hauptkirche der evangelischen Gemeinde, die evangelische Dreifaltigkeitskirche. Erbaut ist die Kirche 1709 bis 1725 auf der Stelle des Hauptgebäudes der städtischen Verwaltung, der „Münze“. Die Kirche bietet zwar in ihrer Ausstattung nichts künstlerisch Hervorragendes, repräsentiert indessen mit ihren reichen Malereien und in ihrer Architektur die letzte originale Stilform des 18. Jahrhunderts.

Eine Hauptzierde der Kirche ist die ausgezeichnete  im Jahr 1881 erbaute Orgel und das Gemälde von Seekatz „Luther vor dem Reichstage zu Worms“. Dort fanden 1521 zwar die regulären Reichstagsverhandlungen statt, die „Luthersache“ freilich hatte man bewußt abgetrennt und in den Bischofshof, das Quartier des Kaisers, verlegt (heute „Heyls-Hof“). Das kleine Mönchlein sollte im Schatten des sechstürmigen Domgebirges nicht vergessen, daß es in einer der ältesten und wichtigsten Stätten der abendländischen Christenheit weilte.

Am Nordrand des Markplatzes ist der Neumarkt. Nach rechts geht es in die lange Kämmerer­straße, die Hauptgeschäftstraße der Stadt. Wenn man links um die Kirche herumgeht, kommt man zur sogenannten „Münze“, welche von den Franzosen 1689 mit dem größten Teil der Stadt eingeäschert wurde. Außerdem stand dort der „Bürgerhof“, „das schönste Haus der Erde“. Nach rechts geht es zum  Schloßplatz. Mit dem Heyl'schen Schlößchen und dem Park am oberen Rand.

 

 

Der katholische Kaiserdom:

Bekanntestes Gebäude der Stadt ist jedoch der Dom. Er gehört zu den Glanzlichtern der Romanik Deutschland. Überragt wird die um 1200 fertiggestellte doppelchörige Anlage von vier Türmen und zwei Kuppeln. Vor dem prunkvollen nördlichen Kaiserportal sollen laut Nibelungenlied Kriemhild und Brünhild in einer Streit geraten sein.

Fast ungläubig wird im 11. Kapitel der Le­bensbeschreibung über den Wormser Bischof Burchard („Vita Burchardi“) seine größte Leistung, der vollständige Dom - Neubau innerhalb von nur zwei Jahrzehnten zu Beginn des 11. Jahrhunderts, geschildert: „Er legte den Grundstein zu einer Kirche von wunderba­rer Größe. Ihren Bau führte er in wenigen Jahren mit großer Schnelligkeit fast bis zur Vollendung, so daß es schien, als sei sie nicht erbaut worden, sondern wie auf Wunsch plötzlich entstanden.“

Auf den Fundamenten die­ses gewaltigen, rund 100 Meter langen Gotteshauses entstand dann ein Jahrhundert später jener romanische Dom, dessen Türme noch heute weithin sichtbar das südliche Rheinhessen beherrschen. Genau im Jahre 1000 wurde Burchard zum Bi­schof ernannt. Seine Lebensleistung wird im Stadtmuseum gewürdigt. Erst durch ihn wurde das Bistum einer der wich­tigsten Stützpunkte königlicher und kaiserlicher Macht. Sein Denkmal steht vor dem Dom auf dem Domplatz, von wo aus sich der Dom am besten präsentiert.

Der „Kaiserdom“ ist eine spätromanische doppelchörige Basilika an der Stelle einer römischen Basilika und ottonischen Kirche und wurde nach 1150 begonnen und vor 1200 vollendet. Das Südportal mit reichem plastischem Schmuck stammt aus dem 14. Jahrhundert. Mit seinen vier schlanken Rundtürmen und den beiden Vierungstürmen und Chören bildet der Wormser Dom neben dem Speyerer und Mainzer Dom eines der Hauptwerke romanischer Baukunst in Deutschland.

An der Nordseite ist das Kaiserportal“ zu sehen, an der Südseite die Nikolauskapelle. Der Kreuzgang ist abgerissen. Das Innere (Eingang auf der Südseite) ist 135 Meter lang, im Querschnitt 37 Meter breit, die Höhe des Mittelschiffs beläuft sich auf 33 Meter. Die Ausschmückung des östlichen Chores mit Marmor und Gold stammt aus dem 18. Jahrhundert.

In der Anna-Kapelle - gleich rechts wenn man durch das Südportal kommt - ist rechts oben ein Steinbildwerk „Daniel in der Löwengrube“ aus dem 11. bis 12. Jahrhundert eingemauert. Daneben ist die Taufkapelle. Der spätgotische Taufstein ist aus der 1807 niedergerissenen St. Johanniskapelle.

Vor dem rechten Chor ist der Eingang in die Gruft mit Gräbern der Salier seit dem Jahre 950.

Im Hochchor sind als hervorragende Skulpturen erwähnenswert „Das Julianabild“ und ferner „Die gespaltene Zunge“ am Hochaltar, ebenso die reich ornamentierten Chorstühle. An der Wand des nördlichen Seitenschiffes steht der Grabstein der drei fränkischen Königstöchter Embede, Warbede und Willebede aus dem 14. Jahrhundert.

Der Westchor wurde nach 1900 bis auf die Fundamente abgetragen, neu fundamentiert und Stein auf Stein wieder aufgesetzt. Bei der neuen Bodenbelegung im Dom wurden im April 1906 interessante Grabfunde gemacht.

 

Auf der Südseite des Domplatzes steht die Jugendherberge. Dahinter befindet sich die evangelische Magnuskirche, vor 1141 erbaut, eine dreischiffige romanische Basilika, das Mittelschiff ist teilweise karolingisch.

Am Ende des Platzes steht die Andreaskirche, eine. romanische Pfeilerbasilika aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Sie wurde wiederholt zerstört, diente als Magazin und wurde 1929 zum Städtischen Museum umgestaltet. Sie hat ein interessantes Portal und neben der Kirche befindet sich ein sehr schöner Kreuzgang. Am Kreuzgange finden sich herrliche romanische Formen und Kapitäle.

 

Jüdischer Friedhof:

Bis ins 11. Jahrhundert geht die jüdische Tradition von Worms zurück. An der Wormser Synagoge lehrte unter anderen Rabbi Salomo ben Isaak. besser bekannt als „Raschi“(1040 - 1105). Ein nach ihm benanntes Haus dokumentiert die tausendjährige Geschichte der Wormser Juden Die jüdische Besiedelung ist auch auf den Grabsteinen des Friedhofs Heiliger Sand gegenwärtig. Der jüngere Teil der Anlage erlaubt einen Blick auf den Wormser Dom.

Man kommt zum Willy-Brandt-Ring (mit der Neusatzschule) und geht weiter nach rechts zum jüdischen Friedhof (geöffnet). Der Wormser Judenfriedhof „Heiliger Sand“ ist bekanntlich der älteste in Deutschland und nächst dem Prager Friedhof der älteste der Welt. Er hat rund 2000 bis ins 11. Jahrhundert zurückreichende Gräber (bis ins Jahr 1076).

 

Lutherdenkmal:

Man geht dann die Anlagen weiter durch den Willy - Brand - Ring und den Adenauer - Ring. Rechts sieht man den Rest einer römischen Stadtmauer mit zwei Durchgangsbögen und mit altem Fischgrätmuster. Am Sintidenkmal vorbei kommt man zum Lutherdenkmal. Es wurde zur Erinnerung an Luthers mutiges Auftreten im Jahre 1521 als „Weltreformations-Denk­mal“ im Jahre 1868 aus Mitteln der ganzen evangelischen Christenheit errichtet und ist das größte Reformationsdenkmal der ganzen Welt. Es ist eine in Erz gegossene Verkörperung des Liedes: „Eine feste Burg ist unser Gott“. Die Figur Luthers ist das größte und letzte Werk des Bildhauers Rietschel (gestorben 1860), der die Vollendung, des Denkmales selbst nicht mehr erlebte, dessen Fertigstellung durch seine Schüler Donndorf, Kietz und Schilling erfolgte.

Die feierliche Enthüllung des Denkmals fand am 25.Juni 1868 im Beisein König Wilhelms I. von Preußen statt. Die Bausumme belief sich auf nahezu eine halbe Million Mark. Besonders verdient um das Zustandekommen des herrlichen Denkmals haben sich von 1856 -  1868 die Herren Dekan Keim und Dr. Eich gemacht, weshalb auch die Künstler die Genannten am Relief „Luther vor dem Reichstage zu Worms“ porträtähnlich wiedergegeben haben.

Umgeben von zwölf Persönlichkeiten der politischen und theologischen Reformationsgeschichte, steht der überlebensgroße Luther auf erhöhtem Podest, mit dem Kopf gegen den Ort seines Auftretens zum Bischofshof am Dom zeigend. Das ganze Denkmal erhebt sich auf einem durch fünf Stufen erhöhten viereckigen Granit-Unterbau, von dem jede Seite 12,55 Meter mißt. Die Vorderseite des Vierecks ist offen und bildet zwischen den vorderen Statuen den 19,42 Meter breiten Eingang in den inneren Raum. Die drei übrigen Seiten dagegen sind durch drei 1,23 bis 1,57 Meter hohe Zinnenmauern - ebenfalls aus poliertem Syenit – abgeschlossen.

Aus deren Mitte erhebt sich auf 2,18 Meter hohem Syenit-Postament je eine 1,88 Meter hohe sitzende Städtefigur, nämlich: Augsburg mit der Friedenspalme, die trauernde Magdeburg und die protestierende Speyer. Auf der Innenseite der 24 Zinnen sind die Wappen von 24 Städten angebracht, welche für die Reformation gestritten und gelitten haben, nämlich Braunschweig, Bremen, Konstanz, Eisenach, Eisleben, Emden, Erfurt, Frankfurt a.M., Schwäbisch-Hall, Hamburg, Heilbronn, Jena, Königsberg, Leipzig, Lindau, Lübeck, Marburg, Memlingen, Nördlingen, Riga, Schmalkalden, Straßburg, Ulm, Wittenberg.

Aus der Mitte der eben beschriebenen Umgebung erhebt sich das eigentliche Luther- Denkmal. Auf den vorspringenden vier Sockelpfeilern des 5,02 Meter hohen, reichverzierten Hauptpostamentes sitzen vier Vorkämpfer der Reformation, nämlich hinten links der Franke Petrus Waldus (gestorben 1197), hinten rechts der Engländer Johann Wiclif (gestorben 1387), vorn links der Italiener Hieronymus Savonarola (gestorben 1488) und vorn rechts der Böhme Johann Huss (gestorben 1415). Gewissermaßen aus den Vorkämpfern herauswachsend und gleichsam die Krone des Ganzen bildet die alles andere überragende 3,30 Meter hohe Kolossalstatue Luthers, mit dem Postament etwa 8,47 Meter hoch.

Das Hauptpostament besteht aus drei Teilen: dem Untersatz der Sockel von poliertem Syenit und dem unteren und oberen Würfel von ungleicher Höhe und Breite, in Bronzeguß ausgeführt.

1.) Der obere Würfel enthält auf seinen vier Seitenflächen je in Kraftwort aus Luthers Mund und Feder und darunter je zwei Porträtmedaillons von Zeitgenossen, welche vor, mit und nach Luther für die Reformation tätig waren.

a. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ Darunter sieht man die Bildnisse der beiden sächsischen Kurfürsten Johann des Beständigen und Johann Friedrich des Großmütigen; jener links, dieser rechts vom Beschauer.

b. Auf der Rückseite steht die Stelle: „Das Evangelium, welches der Herr den Aposteln in den Mund gelegt hat, ist sein Schwert: damit schlägt er in die Welt, als mit Blitz und Donner.“ Darunter sind die Bildnisse der beiden Ritter Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen: jener links, dieser rechts vom Beschauer.

c. Auf der Seitenfläche zur Rechten Luthers findet man die zwei Stellen: „Der Glaube ist nicht anders, denn das rechte, wahrhafte Leben in Gott selbst.“ „Die Schrift recht zu verstehen, dazu gehört der Geist Christi.“ Darunter die Bildnisse der treuen Gelehrten und Mitarbeiter Luthers, des Justus Jonas und des Johann Bugenhagen; jener links, dieser rechts vom Beschauer.

d. Auf der Seitenfläche zur Linken Luthers stehen die Worte: „Die Christum recht verstehen, die wird keine Menschensatzung gefangen nehmen können. Sie sind frei nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Gewissen.“ Darunter die beiden Schweizer Reformatoren Johann Calvin und Ulrich Zwingli: jener links, dieser rechts vom Beschauer.

2.) Der untere Würfel enthält Basreliefs, welche die Haupttaten aus Luthers Leben veranschaulichen.

a. Auf der Vorderseite: Luther vor dem Reichstage zu Worms am 17. und 18. April 1521.

b. Auf der Rückseite: Anschlag der Thesen an der Schloßkirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517.

c. Zur Rechten Luthers: Das Abendmahl in beiderlei Gestalt, von Luther gespendet, und die Priesterehe: Luther von Bugenhagen getraut.

d. Zur Linken Luthers: Die Bibelübersetzung und die Lutherpredigt.

3.) Der Untersatz oder Sockel zeigt auf seinen vier Feldern die Wappen der fünf deutschen Fürsten und zwei Städte, welche die Augsburgische Konfession unterschrieben und am 25. Juni 1530 dem Kaiser überantwortet haben, nämlich:

a. Auf der Vorderseite: Kursachsen.

b. Zur Rechten Luthers: Anhalt und Brandenburg, jenes links, dieses rechts vom Beschauer.

c. Zur Linken Luthers: Hessen und Braunschweig - Lüneburg, jenes links, dieses rechts vom Beschauer.

d. Auf der Rückseite: Nürnberg und Reutlingen, jenes links dieses rechts vom Beschauer.

 

Bischofshof:

Rechts folgt dann Heyls Hof, Wohnhaus des Reichstagsabgeordneten Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim. Das stattliche Haus von 1884 steht an der Stelle des ehemaligen Bischofshofes, in dem der Reichstag 1521 abgehalten wurde. Bodenplatten im heutigen Heylsgarten markieren den Mauerverlauf und die Stelle, wo der Wittenberger Professor unbeeindruckt von den kurialen und weltlichen Reichsgrößen sein Gewissen über die kaiserliche Aufforderung zum Widerruf stellte.

Der Bischofshof wurde 1504 erbaut und fiel 1689 dem Stadtbrande zum Opfer. Im Jahre 1717 wurde ein neuer Bischofshof erbaut, welcher den früheren Palast an innerer und äußerer Schönheit bei Weitem übertraf. Der Bischofshof wurde 1794 zum zweiten Male von den Franzosen niedergebrannt. Heute ist im Kunsthaus Heylshof ein städtisches Museum

Das Hauptportal am Heyls Hof, von dem Münchener Künstler Gedon „Abschied und Ankunft“ darstellend, ist ein Meisterwerk der Holzschneidekunst. An den Hauptbau schließt sich ein hübscher mit interessanten Altertümern und prächtigen Gewächshäusern gezierter Garten, der dem Publikum täglich von 11 bis 5 Uhr offen steht (Eingang vom Schloßplatz).

 

Obermarkt:

Ein Stück weiter auf der rechten Seite geht es zum Obermarkt, auf dem der „letzte Ritter“ Kaiser Maximilian Turnierspiele veranstaltete. Links das Amtsgerichtsgebäude, ferner das „Wormser Weinhaus“ mit goldenem Pokal auf dem Dache.

Wieder ein Stück weiter steht die Martinskirche, in der erstmals im Südwesten des Reiches Luthers Lehre gepredigt wurde. Die heutige katholische Pfarrkirche St. Martin wird auf Bischof Burkard zurückgeführt. Sie wurde um 1170 begonnen und 1265 vollendet. Durch den Stadtbrand wurde sie stark mitgenommen, danach mehrfach restauriert. Sie hat ein schönes reiches Portal auf der Westseite mit Kelchkapitälen an den Rundsäulen, und reichen Ornamenten. Im Innern gibt es sehenswerte Wandmalereien.

Auf dem Platz steht das Ludwigsdenkmal. Es wurde nach dem Entwurf des Stadtbaumeisters Hofmann errichtet. Die Löwen, der Wasserspeier, Ornament und Bronze-Relief stammen von dem Wormser Bildhauer Hirt  (später Karlsruhe). Das Denkmal gilt dem Andenken des verstorbenen Großherzogs Ludwig IV. von Hessen. Dem mit schönen Anlagen versehenen Ludwigsplatz sind 1899 zwei große Gedenksteine hinzugefügt worden, deren vier Flächen auf Bronzetafeln die Namen derjenigen Wormser tragen, die im Krieg 1870 - 1871 im Feld standen.

Gegenüber dem Hauptpostamt in der Kämmererstraße stehen zwei nachgebildete römische Meilensteine, deren Originale sich im Paulusmuseum befinden. Neben der Post der ehemalige „Wambolder Hof“, jetzt Geschäftshaus Nummer 42. In der Kämmererstraße (nach rechts) stand das Gasthaus „Johanniterhof“ (Nummer 27). An diesem Hause wird zur Erinnerung an den Aufenthalt Luthers daselbst eine Gedenktafel angebracht.

Es geht aber weiter nach lach links in die Kämmererstraße, an deren Ende die Martinspforte steht, durch die Luther in die Stadt und aus der Stadt heraus zog. Hier stand eine Nachahmung des 1699 eingeäscherten alten Stadttores.

 

Alte Synagoge:

Geradeaus geht es weiter in die Judengasse, die dem Verlauf der Stadtmauer folgt, und in dieser nach rechts zur alten Synagoge (Männer Kippa aufsetzen!). Sie wurde 1034 erbaut und 1145 zerstört. Der Neubau ist von 1175. Im Jahre 1938 wurde sie erneut zerstört und 1959 – 1961 wieder aufgebaut.

Wenn man rechts um die Synagoge herum geht, kommt man zur Mikwe von 1185, in die man hinabsteigen kann. Noch ein Stück weiter steht das Raschi-Haus, das seinen Namen nach einem französischen Rabbi Raschi trägt, der eine Zeitlang in Worms gewirkt haben und 1180 in Troyes gestorben sein soll. In dieser Kapelle befindet sich ein die Wand eingelassener steinerner Sitz für den Rabbi Raschi. Dann zeigt man der romanischen Zeit angehörige Gebetbücher für die Festtage in hebräischer Quadratschrift auf Pergament geschrieben und mit Miniaturmalereien versehen, eine Thorarolle, Messingleuchter und anderes. mehr. Die Juden sollen seit Christi Geburt in Worms ansässig sein und wie die Sage geht, ihren Glaubensbrüdern in Jerusalem die Kreuzigung Christi widerraten haben. Heute ist in dem Haus das Judaika-Museum Raschi-Haus untergebracht,

Nach links geht es durch das Raschi - Tor mit einem Stück alter Stadtmauer und dann rechts weiter durch die Nordanlage. In der Wallstraße dann nach links und durch die Nibelungenschule, eine städtische Volksschule, erbaut nach Plänen des vormaligen Stadtbaumeisters Hofmann. Der Bau ist 1900 vollendet und seiner Bestimmung übergeben worden. Nach rechts geht es dann wieder zum Parkplatz.

 

Hagendenkmal:

Von dort geht man noch einmal auf der Rheinstraße entlang der Kieselswiese (früher Bleiche, heute Festplatz, im Volksmund „Juxplatz“) zum Rhein. Vom Hafengebiet erstreckt sich ein Industriegebiet bis zur stattlichen Eisenbahnbrücke überspannt den Rhein. Heute gibt es hier aber viele Ausflugslokale. Hier befinden sich auch die Landungsbrücken der Dampfschiffahrtsgesell­schaften. Man geht ein Stück rheinabwärts bis zum Hagendenkmal. Hier  versucht der Meuchelmörder Hagen von Tronje, das unheilbringende Rheingold im Fluß zu versenken. Am gegenüber liegenden Ufer liegt der sogenannte „Rosengarten“. Stromaufwärts auf dem linken Ufer befindet sich der Floßhafen. Die Einfahrt desselben dehnt sich ungefähr 715 Meter in die Länge und 66 Meter in die Breite. Vom Hagendenkmal dort geht es auf direktem Weg wieder zurück zum Parkplatz.

 

Plan der Stadt Worms, ohne Vororte:

(Die Hauptsehenswürdigkeiten sind auf dem Stadtplan mit den Ziffern  gekennzeichnet):

1. Judenfriedhof

2. Städtisches Spiel- und Festhaus (Rathenaustraße)

3. Museum der Stadt Worms (Andreasstift)

4. Magnuskirche

5. Stadtbibliothek

6. Dom

7.Kunsthaus und Heylshof und Schloßgarten

8. Lutherdenkmal

9. Rathaus und Cornelianum

10. Dreifaltigkeitskirche

11. Martinskirche

12. Stadtmauer am Torturmplatz

13. Pauluskirche

14. Friedrichskirche

15. Synagoge

16. Liebfrauenkirche

17. Lutherkirche (Westlicher Stadtteil).

 

 

Vororte:

Vom Parkplatz an der Rheinbrücke fährt man zunächst nach Norden und biegt hinter der Liebfrauenkirche nach links ein. Die spätgotische katholische Basilika ist 15. Jahrhundert in gotischen Stil mit zwei Türmen aus Kapuzinersteinen erbaut. Im Jahre 1689 ist sie eingestürzt und 1882 wiederhergestellt  Sie wurde im Jahre 1883 restauriert, dank den eifrigen Bemühungen des Pfarrers Reuss. Beachtenswert das Hauptportal mit reichen Ornamenten. Im Innern verdient die Grablegung Christi aus dem 15. Jahrhundert Erwähnung. In der Nähe sind Überreste der Notkirche Amanduskirche (Friedhof Würdtweinstraße, jetzt Anlage)

In der Umgebung der Kirche gedeiht die weltberühmte Liebfrauenmilch. Durch die Weinberge des Weinguts Valckenburg (Gutshof in der Stadt beim Stadtmuseum) geht es nach Westen und dann wieder ins Zentrum bis über den Marktplatz hinaus und rechts in die Alzeyer Straße in Richtung Pfiffligheim.

Nach rechts geht eine Straße ab nach Hochheim. Zwischen Pfiffligheim und Hochheim liegt  die  schön gelegene Restauration „Westendhöhe“ mit herrlichem Blick auf Worms und die Bergstraße. In Hochheim sind bemerkenswert die romanische Bergkirche (mit original erhaltenem Turm) sowie die Kirche am Römergarten.

Dann geht es aber wieder zurück auf die Straße nach Pfiffligheim. An der Durchgangsstraße steht rechts der Lutherbaum, eine Ulme von 1511. Der Sage nach stritten zur Zeit des Beginns der Reformation zwei Frauen über die Lehre Luthers. Die eine war der Lehre Luthers zugetan, die andere dagegen. Während des Streites stieß die erste einen Stock in den Boden und behauptete: So gewiß wie dieser Stock grünen und Äste und Zweige tragen wird, so gewiß wird auch Luthers Lehre ewig fortdauern. Und siehe da, der Stock gedieh, grünte und ward zu einem Riesenbaum, dessen unterer Teil von 11 Mann umfaßt werden kann und die stattliche Höhe von 40 Meter erreichte. Am Vorabend der Kapitulation von Metz, 26. Oktober 1870, fiel der Baum einem furchtbaren Orkan zum Opfer, so daß nur der untere Teil blieb, der durch sorgfältige Pflege erhalten wird. Am Baume ist ein prächtiges Gedicht „Der Lutherbaum“ von Gerok unter Glas und Rahmen angebracht. Vom Baum sind allerdings nur kärgliche Reste vorhanden, ein neuer Baum ist zwischen den Stümpfen gebaut.

Die Straße führt dann unter der Autobahn hindurch nach Pfeddersheim (nach rechts über die Bahnschienen). Dort sind Überreste einer mittelalterlichen Umwallung und Türme vorhanden.

Nordöstlich geht es aus dem Ort heraus nach Leiselheim und nach links nach Herrnsheim. An der Kirche geht es rechts zum Gut Herrnsheim. Es war früher Sitz der Familie von Dalberg und kam nach deren Aussterben in den Besitz des Freiherrn Heyl zu Herrnsheim. Das Schloß wurde 1845 restauriert. Im Jahr 1812 angelegte Parkanlagen mit dem historischen „Schillerturm“ umschließen in weitem Bogen die Schloßgebäude und das stattliche Dorf. Der Besuch des herrlichen Schloßgartens ist dem Publikum gestattet. Bemerkenswert ist auch die herrliche katholische Kirche mit vielen Grabdenkmälern der Familie von Dalberg. In der Nähe des Gutes liegt das Mausoleum der Familie Heyl. Im Ort gibt es auch viele Weingüter.

An der Kirche geht es dann links ab in Richtung Abenheim und dort nach rechts in Richtung Osthofen, an einer schönen Weinbergkirche vorbei. In der Hauptstraße von Osthofen ist rechts eine Gedenktafel für die Synagoge. Am Ortsausgang kurz vor den Schienen geht es links ab zur KZ-Gedenkstätte. Östlich aus dem Ort heraus geht es dann auf die B 9 und nach links nach Oppenheim.

 

 

Speyer

Mit dem Speyerer Dom begann eine neue Epoche der europäischen Architek­tur. Deutlicher noch als mit St. Denis - dem Schöpfungsbau der Gotik - ist mit dem seit 1025 / 1230 durch Kaiser Konrad II. begonnenen salischen Dom eine lange Überlieferung monumentalen Bauens an ihr Ende gelangt und durch ein neuarti­ges, rationales System ersetzt worden, das in der Folge nicht nur den romani­schen Kirchenbau, sondern auch die Gotik entscheidend bestimmt hat. Was aber war so neu?

Nicht das erst um 1100 vollendete Hauptschiff, sondern die acht Meter brei­ten Seitenschiffe sind die Räume, mit denen die ersten entschei­denden Schritte in Neuland getan wur­den: Die Pfeiler und Wände sind nicht mehr glatt und aus einfachen Elementen bestehend, sondern sie sind aus unter­schiedlichen Teilen zusammengesetzt. Zum ersten Mal in einem monumentalen Kirchenschiff wurde unterschieden zwi­schen schweren, wandartigen Pfeilern, die die Rundbögen der Langhausarkaden tra­gen, und schmal vor die Pfeiler gesetzten Halbsäulen, die die dunklen Gurtbögen der Gewölbe abfangen. Die scharf be­grenzten, durch rote Sandsteinbögen ein­gefaßten Kreuzgratgewölbe, die sich als weiße Kappen ausspannen, waren die wa­gemutige Neuerung.

Mit der Einwölbung entstand eine neu­artige Wandgliederung, Zwar hatte es be­reits tonnengewölbte Kirchenbauten gege­ben, doch nie zuvor in der christlichen Ar­chitektur solch breite, über acht Meter sich hinüberschwingende Kreuzgratge­wölbe. Das war im frühen Mittelalter ein konstruktives Wagnis und erforderte einen präzisen Steinschnitt, eine exakte Mauerung und große schwere Quader für die tragenden Teile.

Die Bauhütte war die technische Hoch­schule des Mittelalters. Hier wurden die konstruktiven Erfindungen gemacht. Ein Dom als Kathedralkir­che enthielt die Summe aller Möglichkei­ten der Architektur. Der unbekannte Bau­meister teilte den Raum in Abschnitte, grenzte die fast quadratischen Wölbungen durch dunkle Quaderbögen ab und ad­dierte sie nacheinander in einer langen Reihe über das Seitenschiff hinweg. Die gestreckten Halbsäulen wurden nötig, um die von den Gewölben herabgreifenden Gurtbögen abzufangen und um der neuen Systematik der Raumteilung Ausdruck zu verleihen.

So setzte sich die Gewölberahmung ­nach unten bis in die Senkrechte, bis in die mit den Pfeilern verbundenen Halb­säulen fort. Es entstand ein neuartiger Raum, der nicht mehr von un­gegliedertern Wänden umgeben war, sondern es kam zu einer denkwürdigen Definition und Addi­tion von Raumabteilungen („Jochen“). Das Resultat waren Seitenschiffe, die aus einer Folge von scharf unterschiedenen Jochen gebildet wurden. Sie wurden durch die Halbsäulen und durch die dunklen Gurtbögen der Ge­wölbe herausgehoben. So auch kommt ein stark plastisches Wandrelief zustande.

 

Mit den Speyerer Seitenschiffen wurde dieser konstruktiv gliedernde Baugedanke in vollkommener Klarheit und in mo­numentaler Größe verwirklicht. Es war die wohl bedeutendste Erfindung des mit­telalterlichen Kirchenbaus. Erst der Ver­gleich mit früheren Bauten verdeutlicht das Ausmaß der Neuerung. Eine flache hölzerne Decke benötigte nicht unbedingt Halbsäulenvorlagen. Es genügten einzeln stehende Säulen oder Pfeiler und darüber eine relieflose, völlig flache Wand, in die die Arkaden und Fenster hineingeschnit­ten waren.

Auch noch die gotischen Gewölbekon­struktionen mit ihren Bündelpfeilern ha­ben von dem Speyerer Ursprungsgedan­ken profitiert. Sogar die Streckung der Halbsäulen weit über die Proportionen einer klassischen Säule hinaus war neu und ließ sich mit der Vertikalisierung der Schiffe begründen. Hier setzt die mittelal­terliche Uminterpretation eines klassi­schen Bauelements, der Säule, ein.

Wäh­rend in den tiefliegenden Gewölben der Speyerer Krypta untersetzte Säulen mit ihren Würfelkapitellen noch immer die antiken Proportionen erkennen lassen, mußten sich die Halbsäulen in den Sei­tenschiffen hoch in die Länge strecken, um die Gewölbe zu erreichen. Daraus wurde dann die mittelalterliche Ausdeu­tung der Säule, eine Rundvorlage, später ein gotischer Dienst.

Das Speyerer Gliederungssystem hat in ganz Europa Schule gemacht. Das war nicht nur Anerkennung der Erfindungskraft, die in den Speyerer Dom eingegangen war, sondern auch Wetteifer mit diesem im 11. Jahrhundert höchsten und längsten Bau Europas, der kaiserlicher Dom und kaiserliche Grablege war. Der Speyerer Dom war bereits mit seinen frühesten Bauteilen, der Krypta und den Seitenschiffen, einer der wenigen Schöpfungsbauten der europäischen Architekturgeschichte, so wie St. Denis in Paris die Ankündigung der Gotik und das Florentiner Findelhaus die Anfänge der Renaissance anzeigten.

Bei der Einwölbung der Seitenschiffe ist es nicht geblieben. Einige Jahrzehnte später, seit etwa 1065, wurde in einem zweiten Anlauf sogar das gewaltige Langhaus eingewölbt. Wieder kam es zu Neuerungen, mit dem dieser Monumentalbau auf die gesamte europäische Architektur wirkte: Es entstand das „gebundene System“.

 

Der Judenhof ist das Zentrum und kultischer Mittelpunkt des Judenviertels. Die östliche Außenwand der Männersynagoge ist erhalten. Die Bau­technik ist aus der Zeit um 1100, gemauert mit Kleinsandsteinquadern. In der Mitte ist deutlich an der Mauerflickung die Stelle zu erkennen, an der früher eine kleine Apsis anschloß, die den Schrein für die Heiligen Schriften enthielt. Über der Apsis kleines, gut erhaltenes Rundfenster aus der Erbauungszeit. Darüber Reste eines später einge­bauten gotischen Rundfensters. Rechts und links davon Gewände von später eingebauten gotischen Fenstern zu erkennen. (14. Jahrhundert).

Das Judenbad (1110 ‑ 1120) war ein rituelles Kaltbad (Mikwe) und diente den rituellen Wasch­ungen nach gewissen Zeiten der Unreinheit. Das Judenbad ist eine unterirdische Anlage die zu den monumentalsten Anlagen dieser Art in Deutschland zählt. Wahrscheinlich wurde es von Bauleuten der Dombauhütte erstellt.

Der Zugang erfolgt durch ein Sandsteinportal von Norden in ein ge­radläufiges Treppenhaus, das mit einem Tonnengewölbe versehen ist. Rechts und links vor dem zweiten Portal sind große Nischen mit Sitzbänken. Hinter dem zweiten Portal betritt man nach Durchschreiten des engeren Treppen­laufes den Vorraum des Bades. Dieser Raum, der mit Kreuzgratgewölben überdeckt ist, ist kunst‑ und bauge­schichtlich der bedeutendste Teil der Anlage. In diesen, Bereich befindet sich auch die Umkleidekammer. Vom Vorraum aus führt eine halbrund verlaufende Treppe zum eigentlichen Baderaum. Dieser Raum ist ebenfalls mit einem Kreuzgratgewölbe überdeckt.

 

 

Lampertheim

Über das Mönchhofsdreieck fährt man auf der  A 67  bis Abfahrt Lorsch. Von dort geht es nach Süden nach Hüttenfeld (an der Kreuzung links geradeaus zum Schloß Rennhof, heute litauisches Gymnasium). Von dort geht es nach Westen bis zum Ortsteil Neuschloß  auf der rechten Seite. Hier steht das „kurfürstliche Jagdhaus“, auch „Neues Schloß“ oder „Jagdschloß Lampertheim“ genannt.

 

Schloß Neuschloß

Hier stand eine Niederungsburg, von der aber nichts erhalten ist, weil sie überbaut wurde.

Das Jagdschloß  der Kurpfalz an der Kreuzung dreier wichtiger Straßen wurde erbaut unter Pfalzgraf Friedrich I. dem Siegreichen, der hier  in den Jahren 1465 bis 1468 in seinem Wildbann ein großes Jagdschloß errichten ließ. In. Es wurde anfänglich „Jagdschloß Friedrichsburg“ oder nur „Friedrichsburg“ genannt.

Im Jahre 1496 unterstützte der Kurpfälzische Kurfürst den Herzog Georg den Reichen von Bayern-Landshut, der sein Testament auf Entschloß aufsetzte und seine Tochter Elisabeth - die 1499 Phillips Sohn Ruprecht den Tugendhaften heiratete - zur Erbin bestimmte und damit dem Wittelsbacher Hausvertrag widersprach. In den folgenden Auseinandersetzungen der Bayrischen Fehde wird die Burg 1504 durch die Landgrafschaft Hessen zerstört.

Zwischen 1544 und 1556 wurde es neu aufgebaut und erweitert. Am 4. April 1553 wurde hier die Absage der Kurpfalz und Bayerns an König Ferdinand I. zur Teilnahme am Mem­min­ger oder Egerer Bund verfaßt. Beide Länder schlossen sich stattdessen dem Heidelberger Bund an, einem Zusammenschluß von Fürsten infolge des Zweiten Markgrafenkrieges

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde neben dem Ort Lampertheim das Schloß am 10. Juni 1622 zum zweiten Mal und dann so stark zerstört, daß es nicht wieder aufgebaut wurde. Ein Teilabbruch erfolgte bereits 1701. Nach ersten Zerstörungen und Neu-, Um- und Ausbau wurde das Gebäude  als „Neues Schloß“ bezeichnet.

Im Jahre 1705 wurde das Gebiet wieder uneingeschränkter Besitz des Bischofs von Worms und seit diesem Zeitpunkt vom Ort Lampertheim als Steinbruch benutzt. Das dazugehörende Ackerland wurde zunächst wie bisher verpachtet. Bis um 1800 wurden die Schloßreste fast komplett abgebaut. Im Jahre 1803 fiel das Gebiet an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt.

Die Gemeinde Lampertheim kaufte das Schloßfeld im Jahre 1808 auf. Von 1829 bis 1927 nahm auf dem ehemaligen Schloßgelände die Chemische Fabrik  Neuschloß ihre Produktion auf. Den im Jahre1927 erfolgten Abriß der Fabrikationsanlagen hat neben der ehemaligen Kantine und dem Direktionsgebäude nur der schon zum ehemaligen Schloß gehörige Wirtschafts- und Beamtenbau überdauert. Dieser - ein zweistöckiges Wohnhaus - hatte einen polygonalen Treppenturm auf quadratischem Unterbau. Es bildet heute den Rest jener im 15. Jahrhundert entstandenen prächtigen Anlage.

Die Gemeinde Lampertheim hat das Gebäude schließlich übernommen und in der Nachkriegszeit Wohnungen darin eingerichtet. Auf dem alten Schloßgelände ist seit 1950 eine Siedlung entstanden, die in den folgenden Jahrzehnten in mehreren Bebauungsphasen erweitert wurde und heute ein Stadtteil Lampertheims mit über 1.440 Einwohnern ist.

 

Lampertheim, heute im Dreiländereck von Hessen, Rhein­land-Pfalz und Baden-Württem­berg, gehörte in seiner langen Geschichte zu Worms und der Kurpfalz. Erst 1803 fiel es an Hessen-Darmstadt. Man fährt von Osten hinein in die Römerstraße und dann links in die Wormser Straße und ein Stück Mannheimer Straße, gleich rechts geht dort der Weidenweg ab. Hier ist rechts der Badesee mit Sportzentrum und Hallen- und Freibad. Die Straße führt bis zum Rhein. Eine gute Aussicht auf das Naturschutzgebiet „Biedensand“ hat man aber auch, wenn man auf der Rückfahrt von der Wormser Straße links abbiegt in  die Biedensandstraße. An deren Ende ist ein Parkplatz, von dem man auf den Damm gehen kann

 

Altrheinarm:

Jahrhundertelang hatte Lampertheim im äußersten Südwe­sten von Hessen mit den Hochwassern des Rheins zu kämpfen. Verheerende Überschwemmungen verwüsteten das frühere Dorf und das ganze Ried. Heute bilden der „Lampertheimer Altrhein” mit Wasserarmen und -buchten, Tümpeln, Feuchtge­bieten, Wiesen, Feldern, hohen Bäumen im wasserumschlosse­nen „Naturschutzgebiet Biedensand” ein ideales Freizeitgebiet für Naturstudien, zum Wandern, Radfahren und jeder Art von Wassersport.

Genau seit dem 2. Mai 1802 haben Natur und Mensch gewaltig an dieser Landschaft gearbeitet. Damals „brach der Rhein den Biedensand entzwei”, beschreibt eine Chronik die Inselbildung durch ein Hochwasser. Der Rhein bahnte sich, seine bisherige Schleife abschneidend, ein neues Bett, formte einen Halbkreis. Die neue Wasserführung verlief in unterschiedlicher Breite.

Nach dem ersten Schiffer, der die Befahrung mit seinem Nachen wagte, dem Johann Welsch aus Nackenheim, nennt sich ein See noch „Welsches Loch”. Eine andere Verbreiterung „Fet­terloch” wird  volkstümlich auch „Lüderitzbucht” genannt.

Im Jahre 1879 wurde dem Strom etwas weiter westlich sein heutiges Bett angelegt - zur Regulierung ebenso wie zur Schiffbarmachung für die aufkommende Industrie. Die zurückbleibende Wasseroase wurde bereits seit 1928 naturgeschützt und seit 1969 - wie es auf Tafeln etwas umständlich heißt - als „naturnahe Einheit vom Menschen wenig beeinflußter Lebensgemeinschaften und Landschaftsbilder“ eingerichtet. Das hessische Forstamt, Odenwaldclub und Naturschutzstellen waren daran beteiligt.

Nur der begehbare Rheindamm trennt die Stadt Lampertheim von diesem Altrheinparadies mit seinen hohen Bäumen. Lediglich eine Brücke führt hinein. Bootsfahrer bevölkern fast immer den Wasserarm. Rundwege führen an Reservaten vorbei, wo sich seltene Vögel, Amphibien, Insekten, Pflanzen ungestört entwickeln können und weitgehend Naturzustände herrschen.

Ein Weg endet erst am Ufer des Rheinstromes, den beiderseits ebenfalls Baumriesen säumen. Zwischendurch Felder, Wiesen, Schilfpartien, Büsche. Versteht sich, daß die immer zahlreicher kommenden Besucher aufgefordert sind, die Natur nicht zu stören, nicht zu beschädigen und nicht mit Abfällen zu belasten.

 

Stadtkern:

Wieder zurück in die Stadt: Mannheimer Straße, Wormser Straße., rechts Römerstraße.

Im Altstadtkern findet man manches Fachwerkjuwel:

 Nummer 102: Altes Rathaus und Heimatmuseum, barock von 1739

Nummer 94: Ev. Kirche, „Dom des Rieds“ (oder Kaiserstraße)

Nummer 73: Kath. Pfarrkirche St. Andreas von 1700 - 1731

Ecke Kaiserstraße: Kurfürstliches mainzische Rentamt, 18. Jahrhundert.

 

Das Heimatmuseum (Nr. 21) befindet sich in einem vollständig erhaltenen Gehöft von 1737.

Als typisches altes Riedgehöft in Fachwerk verfügt es noch über Scheunen, Ställe, funktionierende Schmiede und Backhaus. Innen ist es bäuerlich eingerichtet und zeigt Funde aus der sehr weitreichenden Vergangenheit dieses frühen Siedlungsraumes (geöffnet am 1. und 3. Sonntag jeden Monats von 10 bis 12.30 Uhr oder auf Vereinbarung)

Die regionale Besonderheit ist der Tabak- und Spargelanbau. War es früher Tabak, der Lampertheim weithin bekannt gemacht hat, ist diese Sonderkultur längst vom Spargelanbau verdrängt worden. Dank der sandigen Böden im Ried zählt Lampertheim heute zu den bedeutendsten Spargelanbaugebieten Hessens. In Lampertheim legte um 1900 der Lehrer Karl Faustmann erste Spargelfelder an, vermutlich mit Seitenblick auf das benachbarte Schwetzingen, wo um diese Zeit bereits der Handel mit Übersee florierte und das königliche Gemüse auf Passagierschiffen serviert wurde. Doch man holte schnell auf: Prestigeträchtig wurde Lam­pertheimer Spargel im Luftschiff „Hindenburg” zum Diner gereicht. Heute sieht man in der Südwestecke Hessens nur noch vereinzelt herkömmliche landwirtschaftliche Betriebe. Spargel hat Getreideanbau auf den dafür viel besser prädesti­nierten Sandböden abgelöst.

 

In Lampertheim gibt es einen Fährverein „Nibelungenland“, der bis Worms fährt.

 

Umgebung:

Von Lampertheim fährt man nicht nach Bürstadt, sondern über Rosengarten nach Hofheim mit der Pfarrkirche St. Michael aus den Jahren 1747-1754, erbaut von Balthasar Neumann.

Weiter geht es Richtung Bobstadt. Am Ende der Bebauung geht es nach rechts. Vor der

der Eisenbahn geht es nach rechts in die Bensheimer Straße bis zum Mühlgraben. Dort steht der Sackstein, ein Menhir. Von dort fährt man wieder zurück und durch Hofheim und dort nach rechts nach Nordheim und hinter Wattenheim nach links zum Elektrizitätswerks = Atomkraftwerk. Dort links vorbei geht es bis zum Rhein und dann nach links an diesem entlang zum Zullestein (rund 2,5 Kilometer). Ein Zugang ist nur vom Atomkraftwerk her möglich.

 

Zullestein:

Westlich von Lampertheim im Naturschutzgebiet am Rhein liegt Burg Zullestein. Der spätrömische Wohnturm (burgus) wurde beim Bau des Kernkraftwerks Biblis entdeckt. Unweit der Weschnitzmündung lag die staufische Burg Stein von 1232. Darunter lag die karolingische Burg Zullestein. Der karolingische Königshof schied 846 aus dem Reichsgut aus und ging an das Kloster Lorsch.

Darunter wiederum fanden sich und vor allem nordwestlich daneben die mächtigen Mauern einer spätrömischen Festung. Der Grundriß ist wie bei den befestigten Schiffsanlegestellen aus der Zeit Valentians I. (364 - 375) auf dem germanischen Gegenufer des Rheins zur Sicherung der rechtsrheinischen Puffer- und Einflußzone der Römer. Der rechteckige Turm (21 mal 15 Meter) mit zwei Meter dicken Außenmauern hatte drei Stockwerke und ein Satteldach,

 und zahlreiche Schießscharten. An beiden Seiten waren Flügelmauern zu den Ecktürmen (einer steht unter der karolingischen Burg). Von den Ecktürmen gingen zwei Flankenmauern zum damaligen Flußbett der Weschnitz zu einer 42 Meter breiten Landestelle. Der Hafen wurde vielleicht auch für den Transport der Steine aus dem Felsenmeer genutzt.

Die weitere Fahrt geht über Gernsheim, Stockstadt, Goddelau (In der Weidstraße 9 das Büchnerhaus: Durchgangsstraße, rechts Hospitalstraße, gleich links Weidstraße), Erfelden, Bensheimer Hof, Seeheim, Wolfskehlen, Griesheim.

 

 
 

Lorsch

Altenmünster:

Man verläßt den Ort in Richtung Osten auf der Karlsstraße, bis die Weschnitz überquert wird. Nach rechts abknickend geht man an ihr entlang, wechselt das Ufer und folgt nun diesem. Hier taucht auch gleich das Kloster Altenmünster auf. Nur wenige Meter lang ist die schmale lange Saalkirche, mit noch schmälerem Altarraum, der noch eckig ist. Aufgelegt über den ergrabenen Fundamenten zeigen sich heute die Mauerzüge von zwei Fuß Breite über dem Gründungsstandort. Ein Gedenkstein zeigt an, daß hier im einstigen Sumpfgebiet die Urzelle des Klosters Lorsch stand. Die Lage von Kreuzgang und Innenhof ist durch eine Sträucher­markierung zu erkennen.

Im Lorscher Codex wird das Kloster 764 als Schenkung erstmals genannt. In diesem Jahr hatte der fränkische Gaugraf Cancor zusammen mit seiner Mutter Williswinda die Lorscher Abtei gegründet. Dann hat er sie sogleich an Chrode­gang (auch: Ruodgang), Erzbischof von Metz verschenkt, seinen weitläufigen Verwandten.

Mit der Ausdehnung des fränkischen Reiches in den alamannischen Raum beginnt schon vor 733 eine Neubesiedlung und Besitznahme bestehender Siedlungsanlagen im Zuge der Landnahme durch die Franken. In dieser Zeit dürften weite Landstriche zunächst Königsgut geworden sein, das dann als Lehen und später in den Besitz einzelner Familien übergegangen ist. Als nach 750 die Reichsadligen der karolingischen Hausmeier Leitungsfunktionen im Grundgutbereich oder als Gaugrafen übernahmen, wurden die Gebiete nach den Verwaltungs- und Eigentumsverhältnissen in Gaue aufgeteilt.

In diese Zeit fällt also nicht zufällig die Ersterwähnung einer Schenkung im genannten Gau „Pagus Rhenensis“ (Oberrheingau) am Flusse Wisgoz (Weschnitz), mit welcher die Geschichte des Klosters Lorsch eingeleitet wird. Die Urkunde 1 (Vermerk 2) im Lorscher Codex erwähnt am 12. Juli 764 eine Schenkung an „die überaus heilige Kirche des Hl. Petrus und alle übrigen Heiligen, welche errichtet ist in dem Lauresham (Lorsch)...“. durch die Witwe des ersten Grafen im Oberrheingau, Williswinda und deren Sohn, Graf Cancor, an den „genannten Herrn Ruodgang (Chrodegang) bzw. seine Mönche . . ., welche bekanntlich eben da im Kloster wohnen . . .“.

Die Stifterfamilien waren Verwandte des fränkischen Königs Pippin III. (auch „der Kurze“ oder „Kleine“ genannt), welcher von 751 - 768 König der Franken war. Auch Erzbischof Ruodgang von Metz, der Empfänger der Stiftung, war - wie die Stifterfamilie - ein Angehöriger des königlichen Hauses der Arnulfinger, die wir heute Karolinger nennen.

Im Vermerk Nr. 3 berichtet der Codex, daß Ruodgang die Schenkung annahm und die Bit­te der Stifter erfüllte. Er selbst sei jedoch mit den Amtsgeschäften für Kirche und König so überhäuft gewesen, daß er die Verwaltung und Leitung des jungen Klosters seinem Bruder Gundeland (bisher Abt von Gorzia bei Metz) übertrug und ihn mit den Vollmachten in dem Umfang ausstattete, wie sie ihm selber zur Verfügung übergeben worden waren.

Um 765 übernahm Gundeland mit 16 weiteren Mönchen das auf einer Weschnitzinsel gelegene Kloster. Sie sollten die dort nach den Vorgaben des heiligen Benedikt von Nursia leben und arbeiten.  Von da an wird die monastische Besiedlung von Lauresham durch die gewaltige Lorscher Handschrift über Jahrhunderte lückenlos beschrieben. Im Codex wird Altenmünster sodann im Urkundenverzeichnis in den Jahren 779, 1071, 1123 und mehrfach Mitte des 12. Jahrhunderts erwähnt, um danach zu verfallen, als Steinbruch benutzt zu werden und in Vergessenheit zu geraten.

Die erste dokumentierte Grabung auf der Kreuzwiese erfolgte durch Friedrich Kofler im Jahre 1882. Er selbst berichtet, daß seit vielen Jahrhunderten jedwede Spur des Klosters verschwunden und selbst die Tradition nichts mehr wußte von seiner einstigen Stätte zu berichten. Strittig war selbst die Lage, ob auf der Kreuzwiese oder dem dritten Lorscher Klosterstandort, südöstlich des Seehofs, Altenmünster zu suchen sei. Kofler berichtet in den Quartalblättern des historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen im Jahre 1883 sehr anschaulich, wie er nördlich eines Begräbnisplatzes die Überreste eines genau orientierten Oratoriums von 23,10 Meter Länge und 7,50 Meter Breite fand. Interessant ist auch seine Erwähnung, daß schon etwa 50 Jahre vor ihm auf dem Klostergute nicht nur Mauerwerk ausgebrochen, sondern auch Steinsärge gefunden worden seien.

Den Plan von Kofler benutzte auch Heinrich Gieß für seine Grabungen in den Monaten März und April 1910. Er erwähnt, daß die Arbeiten zunächst aufgrund des Kofler’schen Planes von 1883 eingeleitet wurden, wobei der dort angegebene Grundriß der Kirche und des Kreuzgangs wieder festgestellt worden ist. Die Grabung von 1910 diente allerdings nicht zur Bestimmung des Klosters St. Peter zu Altenmünster, sondern der Suche nach Anhaltspunkten für den Standort der Grabkirche der letzten Karolinger. Nachdem der Codex die „ecclesia varia“ (bunte Kirche) zwar erwähnt, ihren Standort aber offen läßt, wurden die Suchgrabungen nach dieser Gruftkirche auch auf das Gebiet der Kreuzwiese mit dem Standort Altenmünster ausgedehnt.

Mit der letzten Jahrhundertwende hatte sich in der Ausgrabungstechnik ein entscheidender Wandel vollzogen. Ausgehend von der Arbeitsweise der vorgeschichtlichen Altertumsforschung hatte man gelernt, in den Schichten des Bodens zu lesen und dessen feine Spuren zu deuten.

Die 1932 von Professor Dr. Friedrich Behn vorgenommene dritte Ausgrabung konnte so die verschwundene Bauanlage von Altenmünster erforschen und wiedergeben. Im Grabungsbericht von 1934 werden der Gang der Grabungen und das Ergebnis für „Das Altenmünster auf der Kreuzwiese“ eingehend beschrieben. Der von Dipl.-Ing. E. Samesreuther erstellte Plan zeigt Grundriß und Typologie des kleinen Klosters. Der Grundriß von Kofler und Gieß wurde in verschiedenen Einzelheiten ergänzt: Die Köpfe der Seitenbauten (Klausurgebäude) sind risalitartig über die Nordfront vorgezogen, Kirche und Kirchenvorraum (Narthex oder Paradies) erhielten im Längen- und Breitenverhältnis andere Dimensionen, der Chor des Kirchenschiffes wird durch einen Lettner oder Spannwandfundament abgeteilt. Die Mauerzüge zeichneten sich im Boden nur noch als Schuttstreifen ab.  Deshalb war die Abdeckung des gesamten Gebietes nötig,  um ein einwandfreies Bild zu gewinnen.

Keine der vorerwähnten Grabungen war auf Landeskoordinaten oder sonstige bleibende Bezugspunkte eingemessen worden. Weschnitzregulierungen, Flurbereinigungen und eine immer intensiver werdende landwirtschaftliche Nutzung ließen den Grabungsplatz innerhalb von 20 Jahren verschwinden. Eine zu Beginn der achtziger Jahre erneut eingeleitete Flurbereinigung für größere Straßenbaumaßnahmen riefen den Heimat- und Kulturverein von Lorsch auf den Plan mit der Forderung, die Flurstücke des ehemaligen Altenmünsters der öffentlichen Hand zuzuteilen und die Stätte dieses Kulturdenkmals auf Dauer sichtbar zu halten. Zur genauen Lagebestimmung und zur Aufklärung der Proportionsdifferenzen in den vorgenannten Grabungsplänen erschien eine Such- und Bestimmungsgrabung unverzichtbar. Immerhin fällt auf, daß der Plan von Kofler und Gieß im Kirchengrundriß - entgegen den Angaben im Kofler­'schen Grabungsbericht - ein Seitenverhältnis der Kirchenwände von 1 : 2 darstellt, der Behn'sche Plan diese aber 1 : 3 wiedergibt. Darüber hinaus wurde auch von Fachleuten wiederholt bezweifelt, ob Altenmünster tatsächlich einen rechteckigen Chor - sogenannte eingeschnürte Apsis - hatte.

Im Einvernehmen mit dem zuständigen Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abteilung für Vor- und Frühgeschichte, wurden vom Heimat- und Kulturverein Lorsch und dem Beauftragten für Bodendenkmäler im Kreis Bergstraße in den Monaten September /  Oktober 1983 zwei Suchgräben angelegt. Die Kirchenaußenwände und die südliche Kreuzgangswand zeichneten sich im Fundamentausbruch mit eingefüllten Mörtel-, Stein- und Estrichresten deutlich im ungestörten Boden ab, die Kreuzgangswand trat dabei sogar in einer Mörtel-Steinschicht, wohl unterste Fundamentlage, zutage.

Die im Lorscher Codex ersterwähnte Kirche wurde zwischenzeitlich von allen Beteiligten für so bedeutend angesehen, daß sich das Landesamt für Denkmalpflege Hessen zu einer Flächengrabung im Chorbereich entschloß, welche im November 1983 durchgeführt wurde und die Ergebnisse der Behn’schen Grabung von 1932 / 1933 bestätigte.

 

Neues Kloster:

Um ihre Existenz brauchten die Lorscher Benediktiner aber schon bald nicht mehr zu fürchten: Chrodegang sandte ihnen nämlich eine wertvolle „Starthilfe“ im Juli 765 die Gebeine des heiligen Nazarius, die ihm Papst Paul I. überlassen hatte. Dese Reliquien galten als so bedeutend, daß sie den Mönchen zahlreiche Schenkungen aus allen Teilen des Landes einbrachten.

Damit erwies sich aber auch laut Lorscher Codex „der verfügbare Raum ... für die Aufnahme einer solchen Menschenmenge und selbst der alltäglichen Besucher” als nicht mehr ausreichend. Es erfolgte eine Neugründung 600 Meter weiter westlich.

Nach der Erhebung zum Reichskloster 774 durch Karl den Großen mit 3.500 Schenkungen wuchs das Kloster Lorsch zu einer der reichsten Sakraleinrichtungen nördlich der Alpen. Die gut sichtbar an der Bergstraße thronende Starkenburg war nur einer der befestigten Plätze, von denen Lorsch geschützt wurde.

Die Abtei Lorsch wurde zu einem der reichsten klösterlichen Zentren in Europa. Ihre Besitzungen reichten schließlich von der Nordseeküste bis in die Schweiz.  Eine der größten Schenkungen erhielt Lorsch übrigens aus der Hand Einhards, des  späteren Biografen Karls des Großen: Er übereignete dem Kloster 819 die Mark Michel­stadt.

Im Jahr 772 schenkte der Lorscher Abt Gundeland (ein Bruder Chrodegangs) das Kloster an Karl den Großen. Das war ein geschickter Schachzug: Von nun an stand Lorsch unter dem Schurz des Königs und genoß eine Reihe von Privilegien, wie etwa Immunität und freie Abtwahl. Dafür mußten die Mönche allerdings jährliche Abgaben entrichten, Soldaten für den Militärdienst zur Verfügung stellen und regelmäßig für den Herrscher und seine Dynastie beten.

Als Königskloster war Lorsch auch fest in das mittelalterliche Lehnsystem eingebunden. Es verwaltete das Land des Königs und übte die Grundherrschaft über die ansässigen Bauernfamilien aus. Der Lorscher Abt gehörte zur obersten Führungsschicht des fränkischen Reiches und war an wichtigen politischen Entscheidungsprozessen unmittelbar beteiligt.

Von den kleinen Klosterkirchen aus vor- und frühkarolingischer Zeit existiert kein Bauwerk mehr. Die immerhin zahlreichen Bauten, die ergraben wurden, befinden sich innerhalb großer Nachfolgebauten oder waren durch solche überholt und vernachlässigt worden. So auch in Lorsch, durch die Neugründung auf der etwa 600 Meter südwestlich von Altenmünster entfernten Düne.

 

Klosterkirche:

Im ersten Jahrzehnt von Karls Regierungszeit wurden vom karolingischen Herrscherhaus zwei Großbauten nach römischem Vorbild vollendet. Die eine dreischiffige Basilika war Saint Denis bei Paris (754 - 775), die andere die Nazarius-Basilika in Lorsch (768 - 774). Von der einst so mächtigen Anlage sind heute noch die karolingische Torhalle, ein Teil der Klosterkirche und einige Umfassungsmauern zu sehen. Von der Klosterkirche, die 774 im Beisein Karls des Großen eingeweiht worden war, steht heute nur noch ein Rest, doch kann man auf dem dahinterliegenden Rasen gut die ursprüngliche Größe erkennen.

Karls Enkel, Ludwig der Deutsche, steigerte die Bedeutung des Klosters durch einen Staatsakt: Mit seiner Grablegung in Lorsch wurde das Kloster zum bedeutenden Bestattungsort. Am östlichen Ende der Freifläche erinnert eine Bodenplatte an die Stelle, an der König Ludwig der Jüngere nach dem Tod seines Vaters Ludwigs des Deutschen im Jahr 876 eine Gruft­kirche („Ecclesia varia“) für seine Familie errichten ließ.  Neben Ludwig dem Deutschen, einem Enkel Karls des Großen, dessen Ostfränkisches Reich zum Vorläufer des späteren Deutschen Reichs wurde, liegen auch sein Sohn Ludwig der jüngere, sein Enkel Hugo und Kunigunde, die Frau des späteren Königs Konrad I., in Lorsch begraben.

Außer dem als Torhalle genutzten Gebäude blieb nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und späteren Abrissen nur noch das 1140 erbaute Mittelschiff der Vorkirche zur romanischen Basilika erhalten. Und das auch nur, weil es die Lorscher Tabakpflanzer als Trockenraum nutzten. Lediglich der Verlauf einer Ligusterhecke läßt die Ausmaße des auf einer Grundfläche von 25.000 Quadratmetern angelegten Klosters erahnen.

Übrigens: Die im Kloster gestorbenen Mönche wurden nördlich der Basilika bestattet - dort, wo seit einigen Jahren ein üppig bepflanzter und sorgsam gepflegter Kräutergarten mit langen Sitzmauern aus Heppenheimer Sandstein zu einer kurzen Verschnaufpause einlädt.

 

Königshalle:

Welche Funktion die frühmittelalterliche Torhalle einmal erfüllt hat, darüber rätseln die Experten bis heute. Eine Variante ist zwar wissenschaftlich entkräftet, aber immer noch schön anzuhören: Die Halle wurde nicht für Karl den Großen erbaut, als dieser 774 als Sieger über die Langobarden aus Italien heimkehrte.

Das kleine, etwa zehn Meter lange Torgebäude des Klosters in Lorsch gehört zu den ausgewiesenen Baudenkmälern, die in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurden. Neben dem Aachener Münster ist es das wohl besterhaltene Gebäude der karolingischen Architektur, im achten Jahrhundert entstanden. Es besteht aus drei gleich hohen Bogenstellungen, denen ein Obergeschoß aufgesetzt ist. Ein steiles, ehemals flach ansteigendes Satteldach bekrönt den kleinen Bau.

Was ihn so kostbar macht, ist seine Fassadendekoration, die einen ausgesprochen klassischen Eindruck hervorruft: Die Halbsäulen mit antik anmutenden Kapitellen vor den Pfeilern der Bogenstellungen, die wiederum das altrömische Kolosseumsmotiv wiederholen; darüber eine dünngliedrige Pilasterordnung Mit perfekten ionischen Kapitellen; schließlich das an islamische Bauten erinnernde Steinmuster in rotem und hellem Sandstein - auch dieses ahmt nicht islamische, sondern klassische römische Vorbilder nach, das sogenannte „opus sectile“, das sich in ähnlicher Form an vielen Bauten in Ostia und an anderen Orten des Alten Roms wiederfindet - ein einzigartiges Gebäude des frühen Mittelalters.

Es gehörte zu einer der größten und bedeutendsten Klosteranlagen der Karolingerzeit. Als Reichskloster wurde es unmittelbar von Karl dem Großen gefördert und von diesem mit reichen Stiftungen ausgestattet. Bei der Einweihung des Klosters, wohl im Jahre 874, war Karl mit seiner Familie anwesend, was wiederum den besonderen Rang des Klosters Lorsch bestätigt.

Die Torhalle, auch „Königshalle“ genannt, ist so gut erhalten, daß man auf den ersten Blick nicht vermuten würde, hier eines der herausragenden Beispiele frühmittelalterlicher Baukunst vor sich zu haben. Allerdings ist noch immer unklar, wann genau die Halle gebaut wurde und welchem Zweck sie diente. Lange dachte man, sie sei zu Ehren des Sieges Karls des Großen über die Langobarden errichtet worden. Doch deutet mittlerweile einiges darauf hin, daß sie erst einige Jahrzehnte später gebaut wurde, wahrscheinlich als Empfangs- und Aufenthaltsraum für den das Kloster besuchenden König.

Wer das Innere der Halle besichtigt - was im Rahmen einer Führung möglich ist - wird mit einem exklusiven Blick auf zum Teil mehr als 1000 Jahre alte Wandmalereien belohnt. Die in mehreren Schichten übereinander liegenden Bilder wurden 1927 entdeckt und in den folgenden Jahren freigelegt, restauriert und ergänzend übermalt.

Das nach allen Seiten frei inmitten eines von Mauern umgebenden Hofs stehenden Torgebäude erinnert an seinen drei beidseitig geöffneten Bogenstellungen wie auch den schmückenden Halbsäulen an einen römischen Triumphbogen. Wie die römischen Kaiser, so sollte auch der deutsche Kaiser mit einem Triumphmonument, der „Königshalle“, als Weltenherrscher geehrt werden. Schon die Freistellung des Gebäudes im Zentrum des ersten Klosterhofs bestätigt den Triumphbogencharakter. Der Kaiser zog in das Kloster ein, durch das äußere Eingangsportal, dann durch das dreiteilige Tor hindurch, weiter durch das Atrium in die Verhalle und von dort in die Kirche hinein und schließlich durch das gestreckte Langhaus zum Chor - ein sich ständig steigender Prozessionsweg bis zum Hochaltar.

Gelangt man in den seitlichen Treppentürmen hinauf in das Obergeschoß, so überrascht die nüchterne, ja antik anmutende Ausmalung. Auf einen quadrierten Sockel erheben sich - ähnlich wie außen - schmale Pilaster, die leeren Wandfelder rahmen. Wiederum kein symbolischer oder bildhafter Hinweis auf kirchliche Inhalte.

Stattdessen scheinen die ionischen Pilaster mit dem breiten klassischen Architrav und den weißen Zwischenfeldern die Renaissance vorwegzunehmen. Deshalb erkennt man in der Lorscher Torhalle jene Formenhaltung, die m an als „karolingische Renaissance“ bezeichnet, also eine Wiederbelebung der Antike lange vor der eigentlichen Renaissance. Der Kaiser bezog sich auf das antike Rom, berief sich auf die römischen Kaiser, deren Machtanspruch er als imperialer Herrscher übernommen hatte.

Im Obergeschoß an der Ostwand findet sich ein Relief mit einem Armteil neben dem Laubwerk eines Baums (Herkules am Baum der Hespiriden). Oberhalb eines Rundbogenfensters das Relief eines römischen Schuhs.

Wie nun jüngste Forschungen ergeben haben, ist dieser gänzlich von profaner Dekoration bestimmte Raum nicht von Anfang an eine „Michaelskapelle“ gewesen, in die er wohl im 14. Jahrhundert verwandelt wurde, sondern eine Bibliothek. Kerstin Merkel hat nachgewiesen, daß die Ausmalung der Ausschmückung antiker Bibliotheksräume entspricht.

Möglicherweise war hier auch (wie Christian Beutler vermutet) das Scriptorium, wo jene kostbaren Codices geschrieben wurden, die zur Klosterbibliothek von Lorsch gehörten. In einer im 9. Jahrhundert dort aufgestellten Liste besaß das Kloster etwa 375 Handschriften, ein kostbarer Besitz, der die Predigten der Kirchenväter ebenso umfaßte wie die Texte antiker Autoren wie Vergil, Cicero und Seneca.

Neben dem repräsentativen Zweck als zeremonieller Ort des kaiserlichen Einzugs war die Torhalle zugleich das reichgeschmückte Schatzhaus der Bücher. Als freigestelltes Gebäude war die Bibliothek sicher vor überspringenden Bränden. Und die die Wendeltreppen an jeweils einer der Seitenflanken sorgten nicht nur für Symmetrie, sondern für einen sicheren Fluchtweg, wenn eine der beiden Türen hätte versperrt sein können.

So erfüllte die Torhalle einen doppelten Zweck: Sie war das kaiserliche Triumphtor wie auch Schreibstube der Benediktinermönche und Aufbewahrungsort  der Pergamentcodices, die ebenso wie die in kostbaren Gefäßen einbeschlossene Reliquien zum Schatz des Klosters gehörte und  -  lange vor Erfindung des Buchdrucks - als handgeschriebene Bücher ein unschätzbares Vermögen darstellte. Für diesen Bücherschatz war der reiche Architekturschmuck der Torhalle gerade gut genug (Heinrich Klotz).

Allen Überlegungen über den Zweck der Halle fehlt die Bestätigung durch einen zeitgenössischen Bericht. In keiner Chronik, die sonst so genau jede Bautätigkeit festhalten, findet sich der geringste Hinweis auf dieses einzigartige Bauwerk.  Schon seit einiger Zeit wird das Bauwerk nicht mehr mit Karl dem Großen in Verbindung gebracht, seit Werner Jacobsen einleuchtend eine Verbindung zur „ecclesia varia“ herstellte, der nach 876 begonnenen Grabkirche für Ludwig den Deutschen und die ostfränkische Karolingerdynastie. Er fand Unterstützung durch Sebastian Scholz, der die Entstehung der Buchstaben SNBMA, die im Inneren der Torhalle unmittelbar auf das rohe Mauerwerk vor dem Verputz aufgemalt wurden, auf Grund ihrer Linienführung in die Mitte des 9. Jahrhunderts oder etwas später datierte. Karl der Große hat die Königshalle also wahrscheinlich nie gesehen.

Auch die Deutung als Triumphtor wurde unwahrscheinlich, seit in Mainz-Kastel die Fundamente des römischen Ehrenbogens des Germanicus (19 nCh) freigelegt wurden, der im 9. Jahrhundert möglicherweise noch stand und als Vorbild diente: Wie die Ehrenbögen dieser Zeit hatte auch der Ehrenbogen des Germanicus  einen überhöhten mittleren Bogen, der seitlich durch niedrigere, schmalere und flach gedeckte Durchgänge flankiert wurde. Die Gleichwertigkeit der drei Lorscher Arkaden im Erdgeschoß fehlte.

Über die Art der Nutzung herrscht keineswegs Einigkeit. Achim Hubel versuchte, das Bauwerk als eine dem König vorbehaltene Halle zu erklären, indem er es mit einem verlorengegangenen Bauwerk neben St.- Emmeram in Regensburg verglich, dessen Charakteristik sich aus den Unregelmäßigkeiten einer jüngeren Bogenreihe erschließen läßt. Hermann Schefers hält eine Kapelle als Teil eines Kapellenkranzes um die Klosterkirche herum für möglich, womit er den mittelalterlichen Gedanken des Kirchenkranzes, der viele damalige Städte umgab, aufgreift.

Zum ersten Mal trug Kerstin Merkel die Idee vor, bei der Königshalle handele es sich um die Bibliothek des Klosters. Sie stützte sich in ihrer Argumentation auf die Ausmalung des Innenraumes mit Säulen mit attischen Basen und ionischen Kapitellen auf gequadertem Sockel und einer flachen Nische, die sich im Obergeschoß in der Mitte der Ostseite befindet und die eine charakteristische Eigenart antiker Bibliotheken gewesen sei.

Man hat daraufhin das Mauerwerk der Nische genauer untersucht und konnte am Wechsel des Sandsteinmauerwerks zu Tuffsteinmauerwerk feststellen, daß sie nicht zum ursprünglichen Bestand gehört, sondern nachträglich eingesetzt wurde.  Dies geschah vielleicht im 12. Jahr­hundert, möglicherweise erst im 14. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Einbau eines Altares.

Ein aufgefundener, reich bebilderter Bericht über die Restaurierungsarbeiten der Jahre 1934 / 1935 zeigt, daß dieser Befund schon damals bekannt war. Hans-Michael Hangleiter konnte während der laufenden Konservierungsarbeiten zusätzlich feststellen, daß die gemalte Säulenstellung keineswegs Rücksicht auf die Nische nimmt, wie Kerstin Merkel annahm, sondern sich mit ihr überschneidet. Damit fallen die wesentlichsten Argumente für eine (auch von Heinrich Klotz behauptet) Nutzung der „Königshalle“ als Bibliothek fort.

Auch die von Christian Beutler vorgetragenen Argumente für die Bibliothek und das Scrip­torium des Klosters in der Königshalle sind wenig überzeugend. Da ist zunächst die Lage der Königshalle zur Kirche. In einer Klosterbibliothek wurden vor allem Bücher gesammelt, die für den Gottesdienst und die geistliche Erbauung gebraucht wurden, sei es am Hauptaltar oder an einem der zahlreichen Seitenaltäre oder für die Lesung im Refektorium bei den Mahlzeiten.

Warum sollte man die Bücher weit entfernt von dort unterbringen, wo sie bevorzugt gebraucht wurden? Trug man die mit vielen Mühen und großer Sorgfalt in vielen Monaten abgeschriebenen und illustrierten, kostbaren Handschriften bei Wind und Wetter, bei strömendem Regen oder im Schneegestöber von der Königshalle über den Hof in die weit entfernte Kirche oder Refektorium? Soweit wir wissen, waren im Mittelalter die Bücher eines Klosters immer in der Nähe des Hauptaltars untergebracht, und dort findet man auch die Bibliothek auf dem berühmten St. Galler Klosterplan, der wie kein zweites Dokument des frühen 9. Jahrhunderts die Gedanken zur baulichen Einrichtung eines Klosters überliefert.

Beutlers zweites Argument, das isoliert stehende Gebäude sei damit gegen überschlagende Flammen geschützt, und zwei gegenüberliegende Treppenhäuser böten bei einem Brand bessere Möglichkeiten der Rettung des in ihm Aufbewahrten, erscheint weniger als karolingischer Baugedanke und Beweggrund, sondern vielmehr dem Protokoll einer modernen Brandverhütungsschau entnommen.

Heinrich Klotz fügt Beutlers Argumenten den Gedanken des reichgeschmückten Schatzhauses der Bücher hinzu. Doch ein Kloster besitzt neben seiner Bibliothek noch größere Schätze, die eines reichgeschmückten Behältnisses bedürfen, und die dringender als Bücher vor einem Brand zu schützen oder aus einem Brand zu retten wären.

Lorschs größter Schatz waren die Reliquien des heiligen Nazarius, deren Übertragung aus Rom nach Lorsch im Jahre 765 der eigentliche Beweggrund der Klostergründung an seiner jetzigen Stelle war. Merkwürdigerweise ist an keiner Stelle erwähnt, wo die Reliquien des heiligen Nazarius niedergelegt waren. Ihr Platz wäre eigentlich in der Hauptapsis hinter dem Hauptaltar zu suchen. Doch Theo Jülich brachte den Gedanken auf, zumindest Teile des heiligen Körpers könnten am Eingang des Klosters aufgestellt worden sein, als Zeichen des überirdischen Reichtums des Klosters. Zwar steht Hilde Claussen diesem Gedanken eher skeptisch gegenüber, da Reliquien gerade in dieser Zeit Gegenstand der Begierde und damit häufig Opfer von Diebstahl waren, doch viele Eigenheiten der Königshalle ließen sich mit einer Deutung als Aufstellungsort von Reliquien erklären.

So wären die beiden gegenüberliegenden Treppenhäuser als Zu- und Ausgang zum Heiligenschrein für die zahlreichen Pilger zu verstehen, eine Wegeführung, wie sie sich für viele frühmittelalterliche Krypten und Emporen - angefangen mit dem Umgang in St. Peter in Rom - als die zweckmäßigste architektonische Lösung erwiesen hat. Die von Matthias Exner vorgeschlagene Deutung der bereits erwähnten Buchstaben SNBM als „Sanctus Nazarius Beatus Martyr“ bezöge sich unmittelbar auf das im Inneren Ausgestellte. Und die innen gemalten Säulen mit ihre ionischen Kapitellen und die außen angebrachten kannellierten Pilaster mit ionischen Kapitellen müßten nicht mit räumlich und zeitlich weit entfernten Beispielen verglichen werden, sondern fänden ihr unmittelbares Gegenstück in einem Sarkophag, der auf seinen Außenseiten mit gleichen kanellierten Pilastern und ionischen Kapitellen verziert ist. Er wurde 1802 auf dem Klostergelände aufgefunden, steht heute im Kirchenrest des Klosters, und es wird angenommen, bei ihm handele es sich um den Sarkophag Ludwigs des Deutschen.

Betrachtet man die Lorscher Königshalle als einen über Bögen aufgestellten, ins Architektonische vergrößerten Sarkophag oder Schrein, so läßt sich auch die unarchitektonische Gestaltung des Obergeschosses mit seinen drei- und sechseckigen Ziersteinen und den spitz endenden Giebeldreiecken über den Pilastern mit ihren ionischen Kapitellen erklären. Walter Haas hat eindrucksvoll die restauratorischen Arbeiten am Sebaldussehrein in Nürnberg beschrieben: Stück für Stück wurden die Beschläge - aufgenagelte Silberplättchen und Silberstreifen - entfernt, bis schließlich der hölzerne Schrein frei lag. Kann nicht diese Idee - ein mit Gold- und Silberbeschlägen und mit Kleinodien geschmückter Schrein des heiligen Nazarius - der Grundgedanke dieser Architektur sein, die durch ihre äußere Kostbarkeit die Menschen über Jahrhunderte hinweg beeindruckte, die den Abbruch des bereits als Baumaterial verkauften Bauwerks verhinderte.

 Man weiß es nicht. Torhalle? Triumphtor? Königshalle? Bibliothek? Scriptorium? Kapelle im Kapellenkranz? Heiligenschrein? Vielleicht ist es auch das ungelöste Rätsel - wie man es aus zahlreichen Fabeln, Märchen und Geschichten kennt - das diesem Bauwerk größeren Reiz und Faszination verleiht als eine möglicherweise recht banale Antwort (Thomas Ludwig, Leiter des Fachgebietes Bauangelegenheiten und Denkmalpflege in der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen).

Die Königs- oder Torhalle wird als das erste frühmittelalterliche Bauwerk bezeichnet, in das mediterrane Ideen der Römer, Griechen, ja orientalischer Paläste, stilvollendet mit einbezogen worden sind. Die Außenwand des dreibogigen offenen Hallenbaus ist mit farbigen Kacheln belegt, verziert mit Halbsäulen, kunstvollen Kapitellen und einem Blattmusterfries. Unter dem steilen Giebeldach befindet sich ein Ein-Raum-Obergeschoß. Kostbare Fresken bedecken die Wände in zwei Schichten, wobei die unterste, die karolingische, von einer freigelegten gotischen noch zum größten Teil verdeckt ist. Erst später wurde in dem Königsraum die Michaelskapelle eingerichtet

 

Hauchdünn trägt Michael Walter die braune Farbe auf. Jeder Pinselstrich muß sitzen, denn der Restaurator malt nicht an irgendeiner Säule. Sein Bild schmückt die weltberühmte Königshalle im hessischen Lorsch. Das Motiv ist wenig spektakulär: In Beinhöhe verläuft ein Band mit zwei Reihen farbiger Quadrate in dunkelblau, hellblau und gelb, darauf steht eine Säulenreihe, auf der wiederum eine Deckplatte ruht. Zwischen den Säulen ist nichts weiter zu sehen als die gelbliche Wand.

Es ist schon ein Wunder, daß das Motiv aus den wenigen Farbresten überhaupt kenntlich gemacht werden konnte. Besucher sehen nicht mehr als ein paar Schmutzreste, die anscheinend schlecht übermalt wurden. Für Restaurator Hans Michael Hangleiter, zu dessen Team Michael Walter gehört, öffnen diese Flecken eine ganze Welt. Seit 1982 untersucht er die Wände. Mit dem Skalpell hat er Farbschicht um Farbschicht abgetragen und unter dem Mikroskop begutachtet, hat Proben chemisch analysiert und den Malstil erforscht.

Mit diesen Methoden hat der Restaurator etliche neue Erkenntnisse über die Malerei zutage gefördert: So waren die Altvorderen keineswegs schlampig. „Sie haben bis zu zehn Farbschichten aufgetragen, um den von ihnen gewünschten Ton zu erreichen“, erklärt Hangleiter. Außerdem malten sie zuerst die Säulen und dann den Zwischenraum aus. Eine eher ungewöhnliche Reihenfolge. Die Kunsthistorikerin Kerstin Merkel aus Kassel wertet das als Indiz dafür, daß in den Wandfeldern detaillierte Ausmalungen geplant waren.

So zieht jedes neue Untersuchungsergebnis eine Vielzahl von Spekulationen nach sich, mit denen die Wissenschaftler dem Gebäude auf die Spur kommen wollen. Die aufwendige Malerei spricht gegen die Theorie, die Halle im Vorhof des Klosters sei die Wohnung eines Wächters gewesen. Die Verzierung paßt schon eher zu einem Gerichtsgebäude, in dem der König bei seinen Visiten Urteile fällte. Doch dafür erscheinen die engen Aufgänge an der Seite nicht repräsentativ genug.

Unbeantwortet ist auch die Frage, wie der Maler auf das Motiv kam. Er hat keineswegs, wie oft behauptet wird, die Säulen im Außenbereich nachgeahmt. Vielmehr erinnert der Säulengang an den Schmuck alter römischer Häuser, solche Villen standen damals noch in der Region um Lorsch. Den Beweis kann jeder in der Königshalle bewundern, die zum Teil aus Steinen römischer Häuser gebaut wurden. Dabei drehten die Arbeiter die „störenden“ Reliefs einfach nach innen und verputzten sie. In einer Aussparung in drei Metern Höhe ist ein solcher Stein freigelegt worden.

Er stammt aus einem größeren Werk und zeigt angeblich einen Teil vom Arm des Herkules.

Der karolingische Künstler hat also das von den Römern importierte „Prinzip der ionischen Ordnung“ gekannt, ist sich Merkel sicher. Allerdings hat er sich nicht an sie gehalten. Ob „aus Absicht oder Unfähigkeit“ wagt die Kunsthistorikerin nicht zu beurteilen. Doch die „Ionische Ordnung“ kam sowieso bald aus der Mode. „Das Kloster war reich, und so wurde oft umgebaut und verändert“, sagt Klaus-Peter Schmid von der Staatlichen Schlösser- und Gartenverwaltung.

Die Säulen wurden erst übermalt, was für Restaurator Hangleiter kein großes Problem darstellt, da diese Schichten gut abzutragen sind. Doch dann wurde die Halle zu einer Michaels-Kapelle umfunktioniert. Die Konstrukteure trugen das Dach ab und ersetzten es durch ein Tonnengewölbe. In die Ostwand schlugen sie ein Loch für den Altar, befreiten fast alle Flächen vom alten Putz und malten neue Motive auf im gotischen Stil: Engels-Chöre, Marientod und Christusdarstellungen.

Auch diese Bilder sind inzwischen verblaßt und zum großen Teil nicht mehr zu erkennen. Hangleiter hat diesen Farbmix genau unter die Lupe genommen und dort tatsächlich noch minimale Reste aus der Karolingerzeit entdeckt. Sie reichten für eine neue Einschätzung aus, wie die Säulen der ursprünglichen Bemalung angeordnet waren.

Nach dem Niedergang des Klosters Mitte des 16. Jahrhunderts stand die Halle lange leer und wäre 1803 fast abgerissen und als Steinbruch für eine Kirche in der Nachbarschaft verwendet worden. Der kunstsinnige Großherzog Ludwig I. von Hessen stoppte das Vorhaben in letzter Minute. Seit dieser Zeit wird das Kleinod gepflegt. Doch Pflege ist der Kunst nicht immer gut kommen. So gab es im vergangenen Jahrhundert drei umfangreiche Renovierungen, bei denen zum Teil mehr zerstört gerettet wurde.

Ausgangspunkt waren die Arbeiten von 1934, mit denen das Gebäude soweit wie möglich in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden sollte. Die Holztüren zwischen Toren kamen heraus. Und ein Aufgang, der bei Straßenbauarbeiten zusammengefallen war, erstand wieder neu.

Auch die Wandmalereien erfuhren eine gründliche Überarbeitung. So wurde der Säulengang neu gemalt und in den Zwischenräumen Bilder dazu erfunden. „Die Restauratoren waren weniger von Wissenschaft geprägt als von Intuition“, bedauert Hangleiter. Hinzu kam, daß sich das verwendete Kasein (Bindemittel aus Quark und Kalk) als untauglich erwies. Das führt mit der Zeit zu Abplatzungen. Deshalb mußte in den fünfziger und siebziger Jahren erneut saniert werden. „Wir haben zuerst die Vibrationen durch den Auto- und Flugverkehr als Ursache vermutet, bis wir die Materialschwäche erkannten.“

Das gab den Auftakt für eine großangelegte Untersuchung, die inzwischen rund 600.000 Euro gekostet hat. Mit Hangleiter wurde ein Restaurator verpflichtet, der bereits auf der Insel Reichenau ein ähnliches Projekt betreute. In seiner mehrjährigen Analyse hat er die Befunde im Maßstab 1:1 auf Pläne übertragen. „Das ist einmalig in Deutschland“, sagt Schmid. Inzwischen sind die Ergebnisse elektronisch erfaßt und so für nachkommende Generationen gesichert.

Danach begann die Konservierung. Hangleiter entwickelte einen speziellen, weichen Mörtel, der sich mit dem karolingischen Mauerwerk „versteht“. Bei früheren Arbeiten wurde darauf keine Rücksicht genommen. Die Folge: Risse und Löcher, die wertvolle Informationen vernichtet haben.

Außerdem erforschte der Restaurator ein flüchtiges Bindemittel, mit dem er die Originalfarben während der Arbeiten schützen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. „Diese Methode wird inzwischen auf der ganzen Welt verwendet“, erklärt er stolz. „Wir haben damit in Lorsch auch Restaurierungsgeschichte geschrieben. Bei der Bearbeitung der weißen Flächen zwischen den Befunden bediente sich Hangleiter der so genannten Trateggio-Technik. Dabei wird auf die Wand eine ähnliche Farbe wie bei dem benachbarten Original mit deutlich sichtbaren Pinselstrichen aufgetragen. So entsteht von weitem der Eindruck einer einheitlichen Fläche, aus der Nähe kann aber jeder sofort erkennen, wo die Grenzen zwischen dem Original und der Bearbeitung verlaufen.

Daß die karolingischen und die gotischen Malereien gerettet werden müssen, war unbestritten. Doch was sollte mit den Werken aus den dreißiger Jahren geschehen? „Der Denkmalschutz will grundsätzlich alles erhalten“, erklärt Schmid das größte Problem. Zur Lösung berief die Schlösserverwaltung eine Kommission mit renommierten Denkmalschützern aus ganz Europa. Diese kam dann schließlich zu dem Ergebnis, die nachgemalten Säulen zu entfernen und durch eine eigene Version, die den neuen Erkenntnissen entspricht, zu ersetzen.

„Die Entscheidung, die Wände wieder zu bemalen, ist uns alles andere als leicht gefallen“, sagt Schmid. „Wir wissen, daß wir damit das Bild in den Lehrbüchern prägen.“ Und ob die Basen und Kapitelle wirklich so ausgehen haben, kann niemand mit Sicherheit sagen, auch wenn Vergleiche mit anderen Malereien in Trier oder Reichenau dafür sprechen. „Natürlich werden wir angefeindet werden“, ist sich Hangleiter sicher und fügt hinzu: „Bei den Restauratoren fressen die Kinder ihre Väter.“ Schließlich waren seine Vorgänger in den dreißiger Jahren auch von ihrer Arbeit überzeugt.

Für die rund 30.000 Touristen, die das Weltkulturerbe jährlich besuchen, macht die Ausmalung Sinn, denn sie könnten aus den bestehenden Farbklecksen nichts herauslesen. Um ihren Blick zu führen, wollen die Museumspädagogen zusätzlich noch Tafeln oder Videoinstallationen aufstellen.

Eine Entscheidung steht in der Königshalle noch aus: Wie kräftig die Farben aufgetragen werden sollen. „Im Original waren die Töne sehr stark. Wenn wir das umsetzen, erschlagen wir die verblaßten Befunde“, erläutert Schmid. Deshalb soll die Neuauflage soll erst mal pastell-farbig bleiben. Im September kommt die Kommission nochmals zusammen und begutachtet das Ergebnis. Wenn sie es dann doch kräftiger will, muß Restaurator Walter nachsitzen. Bis dahin dürfte er das Motiv jedoch im Schlaf auftragen können.

 

Kräutergarten:

Zu einem Kloster gehörte früher ein Kräutergarten wie der Kreuzgang oder das Refektorium. In den autark wirtschaftenden Abteien bildeten nach antiken Vorgaben gezogene Pflanzen die Grundlage der Heilkunst. Ein solcher Kräutergarten ist nun nach jahrelangen Vorbereitungen vom Heimat- und Kulturverein der Gemeinde im Gelände von Kloster Lorsch angelegt worden. Als Vorbild diente das in Latein geschriebene, 150 Seiten starke „Lorscher Arzneibuch” aus dem 8. Jahrhundert. Eine Auswahl von etwa 100 Gewächsen wurde auf einer Gesamtfläche von 200 Quadratmetern gepflanzt. Um Kamille, Mönchspfeffer, Seidelbast oder Rosmarin besser betrachten und das Aroma wahrnehmen zu können, legte man für vier Hochbeete an.

 

Museumszentrum Lorsch:

Die achtvolle Abtei ist wieder auferstanden - in der virtuellen Welt der Computer. Ein Knopfdruck, und man fährt mit einer imaginären Kamera quer durch die Gebäude, taucht in Kreuzgang und Basilika ein. Der „Flug“ über und in das Benediktinerkloster gehört zu den Höhepunkten des neuen „Museumszentrums Lorsch“, das nun eine schmerzhafte Lücke schließt. Bis auf das Lapidarium im Kirchenmittelschiff mußten die Besucher bisher auf eine Sammlung zur Klostergeschichte verzichten. Mit dem Museum wird man jetzt auch wissenschaftlich und in der erläuternden Darstellung dem Rang gerecht, den die Unesco mit der Anerkennung als Weltkulturerbe vorgegeben hat.

Parallel zur Rekonstruktion des mittelalterlichen Klosterlebens gehen seit Jahren die archäologischen Grabungen im parkartigen Gelände der 1556 aufgehobenen Benediktinerabtei weiter. Im Museumszentrum von Kloster Lorsch werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse nach und nach dokumentiert. Wie die einstmals mächtigste Abtei im Karolingerreich vermutlich ausgesehen hat, kann aber auch so nachempfunden werden - in der virtuellen Welt der Computer. Ein Knopfdruck und man „fliegt” mit einer imaginären Kamera durch die Gebäude. Nach Bränden, Zerstörungen und weitgehendem Abriß ist ja außer der berühmten Tor- oder Königshalle kaum etwas von den eigentlichen Bauten stehen geblieben.

Anhand der rechnergestützten Animation von Texten, Karten, Modellen und lebensgroßen Szenen aus dem Leben der Mönche werden grundlegende Informationen gegeben zur Geschichte des karolingischen Großreichs und der Funktion von Kirche und Klöstern für dessen geistige, politische und ökonomische Entwicklung. Daneben kommt die besondere Bedeutung von Lorsch zur Geltung. Das einzigartige „Kataster“ des Lorscher Codex wird ebenso im Faksimile gezeigt wie zwei der bedeutendsten mittelalterlichen Handschriften: das ganz in Goldtinte geschriebene Lorscher Evangeliar und der Lorscher Roulus. Diese Heiligenlitanei gilt als die älteste liturgische Buchrolle des Abendlands.

 

Evangeliar:

Einige ausgesuchte Original-Seiten (Maße 37 mal 27 Zentimeter) des Lorscher Evangeliars von 810 wurde vom 26. Juni bis 18. Juli 1999 im Museumszentrum Lorsch in einer Hochsicherheits-Glasvitrine komplett ausgestellt. Damit kehrten Teile des Prachtbuches nach 442 Jahren wieder an den früheren Aufbewahrungsort zurück.

Das komplette Evangeliar ist mit Ornamenten und Malereien überreich verziert, hat 472  Seiten, ist zehn Zentimeter dick und wiegt inklusive der Elfenbeintafeln des Einbandes16 Kilogramm. Es ist in Goldtinte geschrieben und mit Silber und Purpurfarben beschichtet. Es war einst die kostbarste liturgische Handschrift im Besitz der Reichsabtei Lorsch und zählt auch heute zu den wertvollsten und bedeutendsten Handschriften des abendländischen Frühmittel­alters.

Das kunstvoll illustrierte Evangeliar entstand um das Jahr 810 im Hofskriptorium Karls des Großen in Aachen und wurde vermutlich direkt von dort in die Lorscher Klosterbibliothek geliefert. Dort wurde das Evangeliar feierlich hochgehalten, wenn Papst, Könige und Kaiser zu Besuch weilten und festlich in die Basilika einzogen. Das Buch überstand zwar den Brand, der anno 1090 die Benediktinerabtei mit ihrer damals europaweit wohl am besten ausgestatteten Klosterbibliothek verwüste.

Aber als das Evange­liar im Jahre 1479 neu gebunden wurde, teilten sie flinke Hände wohl in zwei Teile. Knapp 80 Jahre später besiegelte die Reformation das Ende des einst mächtigen Lorscher Klosters: Ein Teil der aufgelösten Bibliothek wurde zunächst in die Heidelberger Hofbibliothek Palati­na gebracht. Dort bediente sich der bayerische Herzog Maximilian, um dem Papst etwas Kriegs­beute zu schenken. So gelangte ein Teil des Evangeliars mit einem Elfenbeinbuchdeckel in die Biblioteca Apostolica Vaticana.

Aber eben nur ein Teil: Denn das reicher dekorierte Stück des Lorscher Buches hatte offenbar ein griechischer Gelehrter zusammen mit einigen anderen Kisten bereits während des Transports nach Rom für sich abgezweigt und weiterverkauft. Im Jahre 1711 galt dieser Rest der Lorscher Handschrift als verschollen. Irgendwann vor 1785 muß zudem die dazugehörige Elfenbeintafel abgetrennt worden sein. Erst bei einer Versteigerung im Jahre 1853 tauchte sie wieder auf, gelangte nach England, wo sie heute zum Fundus des Victoria und Albert Museums in London gehört.

Und die genmalten wie geschriebenen Evangeliar-Teile? Im 18. Jahrhundert kam der Rest in den Besitz des Erzbischofs zu Wien. Der wiederum mußte ihn notgedrungen weiterverkaufen - an den ungarischen Bischof Ignaz Graf Batthyany, der eine renommierte Gelehrtenakademie im heute rumänischen Alba Iulia gründete und das Lorscher Rumpf-Evangeliar in eine wertvolle Bücherei mit 64.000 Bänden einordnen ließ. Die Sammlung blieb bestehen - unter dem sozialistischen Regime als Filiale der rumänischen Nationalbibliothek Bukarest. In den Revolutionswirren vom Dezember 1989 schien es, als sei das Evangeliar verloren gegangen. Bis die Lorscher Volkskundlerin Annemie Schenk 1992 den Schatz in Alba Iulia wiederentdeckte. Seither gibt es rege Kontakte zwischen Rumänien und Lorsch.

Zur Ausstellungseröffnung war Prominenz zugegen: von Leihgeberseite Erzbischof Jorge Maria Mejia, Archivar und Bibliothekar des römischen Vatikan-Museums, sowie der Generaldirektor der Rumänischen Nationalbibliothek, Ion Dan Erceanu. Rom steuert für die Lorscher Exposition sechs goldgefärbte Pergamentseiten (darunter ein Lukas-Porträt und Texte .aus dessen Evangelium, eine Johannes-Abbildung und den Beginn dessen Evangeliums) sowie den hinteren Elfenbeindeckel bei. Aus Siebenbürgen sind ebenfalls sechs Doppelseiten, darunter zwei sogenannte Purpurblätter und ein Matthäus-Porträt, eingetroffen.

Die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen gab schließlich den Auftrag, jede Seite des Bandes in Rumänien zu fotografieren. Ein Luzerner Verlag und die Vatikan- Bibliothek stellten eine Vollfaksimilie-Ausgabe des Evangeliars in einer limitierten Auflage von 333 Exemplaren zum Preis von 35.400 Mark her. Diese wurde bei der Ausstellung mit beiden Elfenbeindeckeln sowie einer Dokumentation des aktuellen Standes der Forschung über das Buch präsentiert. Am.5. und 6. Juli 1999 fand auch eine Fachtagung in Lorsch statt, bei der die Gelehrten Antworten geben sollten, was das Evangeliar als verehrungswürdiges liturgisches Kunstobjekt zur Karolingerzeit aus zeichnet (Jörg Feuck).

 

Museum:

Die jüngere, profane Entwicklung der im Schatten des Klosters entstandenen Gemeinde Lorsch wird in zwei weiteren Abteilungen des Museumszentrums gezeigt. Das bekannte Tabakmuseum hat nach den beengten Verhältnissen im Rathaus einen adäquaten Ort im Eingangsbereich auf der Empore gefunden. Erst jetzt kommt frei stehend die „größte Pfeife der Welt“ richtig zur Geltung. Und endlich hat die volkskundliche Abteilung des Hessischen Landesmuseums von Darmstadt geeignete Räumlichkeiten erhalten. Die Darstellung von Alltag, Brauchtum und Handwerk der vergangenen Jahrhunderte ist nach modernsten visuellen und akustischen Kriterien konzipiert.

Im Schatten der berühmten Lorscher Königshalle haben sich drei Museen unter dem Dach des Museumzentrums zusammengeschlossen. Das Tabakmuseum dokumentiert die Geschichte des Tabakanbaus, der in Südhessen über 300 Jahre betrieben worden ist. In Lorsch wurde erstmals Ende des 17. Jahrhunderts Tabak angebaut. Die letzte Zigarrenfabrik Schloß 1983 ihre Pforten. Die Ausstellung des Heimat- und Kulturvereins zeigt zum Trocknen aufgehängte Tabakblätter, Werkzeuge und Maschinen. Auch Exotisches wie ein Meerschaum - Zigarren­halter oder die Bruyere-Pfeife gehören zu den Exponaten.

Die Alltagskultur in Hessen ist Schwerpunkt des Museums für Volkskunde. Themen sind die holzverarbeitenden Handwerke in den hessischen Mittelgebirgen. Zu sehen ist außerdem volkstümliche Keramik, Ton- und Steinware aus Mittel- und Südhessen.

Die klostergeschichtliche Abteilung, die jetzt den Lorscher Codex zeigt, ist kein Museum im herkömmlichen Sinne, denn die meisten der Exponate sind Nachbildungen, Repliken und Karten. Im Museum erläutern Texte, Karten und großflächige Modelle die engen Verflechtungen zwischen Politik und Kirche, Herrscher und Kloster.  

Die Tabakscheunen in der Nähe von Lorsch an der Straße nach Einhausen sind gerade unter Denkmalschutz gestellt worden. Inmitten der Felder stehen zwei lange, mehrgeschossige Holzscheunen mit Lüftungsklappen zum Trocknen des Tabaks, sie sind kaum zu übersehen. Denn in der warmen Rheinebene mit sandigen, humusreichen Böden wird die ursprünglich m den Anden beheimatete Tabakpflanze seit 300 Jahren angebaut. Wer zwischen Lampertheim, Hockenheim und Schwetzingen offenen Auges unterwegs ist, wird hier und da Felder mit den stattlichen zwei Meter hohen Tabakpflanzen entdecken, deren Anbau, Verarbeitung und Konsum das überregional ausgerichtete Tabakmuseum Lorsch dokumentiert.

Der Tabakanbau war mühsam: Die Tabaksamen winzig klein - 12.000 Samenkörner wiegen gerade ein Gramm - die Pflege der feucht zu haltenden Pflanzen aufwendig, vor allem, bevor es Beregnungsanlagen gab. Geerntet werden die klebrigen, teerigen Blätter je nach Reifegrad von Ende August bis Oktober, und zwar von unten nach oben - alles Handarbeit, wie großformatige historische Fotos zeigen. Bevor es Tabaknähmaschinen gab, saßen Frauen und Kinder stundenlang in geselliger Runde beim Auffädeln, Blatt für Blatt, um die „Bandelieren“ im Trockenschuppen aufhängen zu können.

Auch Verkauf der Rohware, Tabakverarbeitung und -herstellung in örtlichen Zigarrenfabriken werden im Museum dargestellt. Zwar erleichterten im Laufe der technischen Entwicklung Maschinen einzelne Arbeitsvorgänge, gute Zigarren allerdings werden bis heute von Hand gemacht.

Das Zigarrenmachen ist eine Kunst, ein wohlgehütetes Geheimnis ihrer Produzenten. Drei Faktoren seien wichtig für eine gute Zigarre, erklärt Museumsleiter Reinhard Diehl: „Sie muß ein gutes Brennverhalten haben, ihre Asche muß weiß sein und lange gehalten werden.“

Allerdings fehlt, laut Diehl, dem heimischen Tabak die tropische Sonne. Deshalb führten die Zigarrenfabriken bessere Übersee-Tabake ein und mischten den heimischen lediglich bei. Seit 1983 gibt es in Lorsch keine Zigarrenfabrik mehr, die letzte in Lampertheim schloß 1994. Heute gehe der Tabak, überwiegend die Sorte Badischer Burley, in erster Linie an die Zigarettenmarke Rothändle.

Das Lorscher Museum informiert auch über sozialgeschichtliche Hintergründe und überrascht mit einer Vielfalt kultur- und kunstgeschichtlich wertvoller Gegenstände rund um den Tabak, nicht nur zum Rauchen, vielmehr auch zum Schnupfen und Kauen: große Kautabaktöpfe, feinste Schnupftabakdosen aus Silber, Holz, lackiertem Pappmaché, Horn, Muscheln, wohlgehütete Familienerbstücke. Auch Kurioses wie Schnupftabakdosen in Toilettenform oder Treffendes in Form eines Sarges, auf dessen Deckel ein Raucher liegt.

Zu sehen sind Pfeifen aller Art, dabei auch exotische Exemplare wie Wasserpfeifen und einfache Indianerpfeifen. Die wertvollsten Ausstellungsstü>Sogar ein komplettes Tabakgeschäft mit einer Einrichtung von 1903 beherbergt das Museum seit 1999. Im Laufe des 20. Jahrhunderts allerdings hat die lässige, so praktische Zigarette die gemächlicheren und umständlicheren Arten des Rauchens verdrängt. Schließlich ist das Rauchen einer Zigarre ein Ritual von einer Stunde. Doch die Zigarre liegt wieder im Trend, hat Reinhard Diehl gemerkt, denn es sei wieder „in“, das Leben zu genießen, sich bewußt Zeit zum Rauchen nehmen.

Das Tabakmuseum im Museumszentrum Lorsch im Klosterbezirk ist täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet, samstags bis 19 Uhr Erwachsene zahlen drei Euro, Kinder einen Euro. Infos im Internet unter: w-ww.kloster-lorsch.de.

 

Stadt:

Die katholische Pfarrkirche St. Nazarius ist von 1725, der Hochaltar um 1750 entstanden.

Das Rathaus ist von  1715, ein prächtiger Fachwerkbau mit drei Erkern, im Inneren enthält es idealisierende Ausmalungen zum Nibelungenlied. Unter den Fachwerkhäusern ragt die alte Apotheke von 1717 hervor.

 

Unesco-Kulturerbe:

Das ehemalige Lorscher Reichskloster wurde 1991 in die begehrte Liste aufgenommen - als damals einzige historische Stätte in Hessen. Der erste Blick gilt der Königshalle mit ihrer farbigen Fassade und den drei Torbogen. Das prachtvolle Gebäude, das zu den bedeutendsten Relikten karolingischer Baukunst in Deutschland zählt, ist jedoch nur ein Teil jenes Komplexes, der zum Weltkulturerbe der Unesco, gehört. Hinter dem restaurierten Schmuckstück liegt das eigentliche Zentrum des ehemaligen kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Knotenpunkts im frühmittelalterlichen Europa, oder vielmehr: das, was davon übriggeblieben ist.

Von der einst so mächtigen Benediktinerabtei ist nur noch ein romanischer Kirchenrest zu sehen. Mit Hecken und Steinen hat man die alten Umrisse der Klosterkirche markiert, um den Besuchern einen Eindruck vom einstigen Ausmaß der Anlage zu vermitteln. Durch das Studium überlieferter Schriften und durch Grabungen weiß man, daß der Komplex um 1150 seine größte Ausdehnung hatte. Die dreischiffige Basilika, Kreuzgang, Atrium und die Klausurgebäude der Mönche sind als Computersimulation im benachbarten Museumszentrum zu sehen.

Das Kloster Lorsch hat bisher als einziges historisches Baudenkmal in Hessen den Sprung in die Weltkulturliste geschafft. Lediglich die Grube Messel genießt als Weltnaturerbe das gleiche Privileg. Zwar ist das Prädikat nicht mit einer finanziellen Förderung verbunden, doch die prestigeträchtige Auszeichnung gereicht den Kulturstätten alles andere als zum Nachteil: Es ist schon etwas Besonderes, zum Kulturerbe der Menschheit zu zählen, sagt der Kulturreferent der deutschen Unesco-Kommission, Roland Bernecker. Das habe nicht nur eine hohe Attraktivität für Sponsoren und andere Geldgeber, sondern steigere auch die Besucherzahlen. So habe die Altstadt von Lyon nach ihrer Eintragung in die Liste ihre Besucherzahlen um 15 Prozent erhöht.

Zwar kann sich das abseits gelegene Lorsch nicht mit Publikumsmagneten wie den Pyramiden von Ägypten oder der Chinesischen Mauer messen, doch auch das Fachwerkstädtchen hat vom Weltkulturerbe auf seinem Terrain profitiert. In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Besucherzahl verzehnfacht, sagt der Leiter des Museumszentrums, Hermann Schefers. Zwischen 25.000 und 30.000 Menschen lassen sich pro Jahr durch das 1995 eröffnete Zentrum führen, das drei Museen unter einem Dach vereint (Klostermuseum, Tabakmuseum und Museum für Volkskunde). Hinzu kommen all jene, die sich die Königshalle und die Reste der alten Klosteranlage anschauen, ohne das angegliederte Museum zu betreten.

Neben zahlreichen Grabungen rund um die Mauern des alten Klosters hat das Land Hessen seit Mitte der achtziger Jahre kräftig in die Restaurierung der Königshalle investiert. Unter anderem wurden die karolingischen Wandmalereien rekonstruiert, die die Wände im Innern des Torhauses schmücken. In den nächsten drei Jahren gibt es nach Angaben Schefers noch einmal drei Millionen Mark für eine bessere Vernetzung der Einzelangebote am Kloster Lorsch.

 

Zum 1250-jährigen Bestehen - im Jahr 2014 - soll das 764 erstmals erwähnte Kloster besser und deutlicher erlebbar werden. Es wird optisch aufgewertet. Für Investitionen stehen insgesamt zwölf Millionen Euro zur Verfügung, der größte Teil kommt vom Bund.

Da die fehlenden Gebäude nicht mehr aufgebaut werden, wird eine andere Form versucht.

Kern dieser Idee ist ein umgekehrter „Abdruck“. Er wird nicht in den Boden gedrückt, sondern nach oben sichtbar. Das Gelände des Klosters wird mit Rasen überzogen. Dort, wo Gebäude ihren Platz hatten, werden deren Grundrisse im Boden etwa 50 Zentimeter aufgeschüttet. Dies soll einen optischen Eindruck der Klosteranlage vermitteln.

Die wenig ansprechende Ostfassade des Kirchenrests soll dem Ort entsprechend neu gestaltet werden. Der Besucher wird sehen: Hier ist der Rest der Kirche gewesen.

Die aus nachklösterlicher Zeit stammende große Zehntscheune, die in der Nähe der Königshalle und des Kirchenfragments steht, soll zum „archäologischen Schaudepot“ werden - und zwar so anspruchsvoll, daß ein Besuch nur mit Führungen möglich sein wird.

Zu den Projekten gehört auch das unweit gelegene Kloster Altenmünster. Es könnte der Vorläufer des Klosters Lorsch gewesen sein. An einer Seite dieses gesamten Gebietes entsteht ein „Karolingischer Herrenhof Lauresham“; Lauresham ist die alte Bezeichnung für Lorsch. Als eine Art experimentalarchäologisches Freilichtlabor soll dort das Leben im frühen Mittelalter dargestellt werden, mit echten Tieren. „Wir werden zeigen, wie man mit einem Ochsen pflügt“, berichtet Schefers. „Es werden aber keine Akteure in Kostümen herumlaufen.“ Dürr sieht nicht die von Kritikern ins Feld geführte Gefahr eines „Disneylands“, denn: „Der wissenschaftliche Anspruch ist hoch.“  (Joachim Baier).

Das ganze heißt nun „Welterbe-Areal Kloster Lorsch“. Gleich zwei Eröffnungstermine sind in diesem Jahr geplant, am 19. Juli und am 12. September. Am Hauptfestwochenende im Juli feiert Lorsch vier Tage. „In unsere heutige Zeit übertragen wäre das Kloster Lorsch ein religiös orientierter Großkonzern mit hoher ökonomischer und politischer Durchschlagskraft“, meint der Leiter der Unesco-Welterbestätte, Hermann Schefers. Das konnten Besucher sich bisher kaum vorstellen. Von den noch wenigen Gebäude läßt lediglich die erhaben anmutende Königshalle die Bedeutung erahnen. Sie gilt als das besterhaltene Gebäude aus der Karolingerzeit nördlich der Alpen.

Wichtiger Teil der neuen Präsentation: Wo einst Gebäude standen, sind deren Grundrisse mit rund 35 Zentimeter hohen Linien nachgebildet worden, damit die Bauten nachempfunden werden können. Besucher können sich nun auch auf einem drei Kilometer langen Rundweg dem einstigen Kloster nähern.

Ein Hauptbereich ist der Klosterhügel mit Königshalle, Kirchenfragment, Klostermauer und einem neu angelegten Kräutergarten. Dieser Bereich soll im Juli 2014 fertig sein, zusammen mit nahe gelegenen, ähnlich alten Klostergründung Altenmünster. Sie war damals aus Platzgründen bald verlassen worden. Beides - Lorsch und Altenmünster - sind Unesco-Kernzonen.

Neu hinzu kommt der vier Hektar große karolingische Herrenhof Lauresham. Mit reetgedeckten Häusern und Pflugochsen soll dort gezeigt werden, wie das Leben einfacher Leute  und Gutherrenfamilien zu Zeiten Karls des Großen aussah. In diesem „Freilichtlabor“ wird unser Wissen verdichtet in einem Modell - und das heißt Lauresham. „Das ist aber nicht unbedingt so, wie es vor 12000 Jahren  genau war, sondern wie wir und das heute vorstellen!“

Eintritt zahlen müssen Besucher auch künftig nicht. Mit drei Ausnahmen allerdings: die Zehntscheune, die besondere Funde zeige und nun als „Wissensspeicher“ fungiere, das gegenüber liegende Museumszentrum und der Herrenhof Lauresham.

 

Codex:

Der Lorscher Codex wurde vom 7. August bis 30. September 2001 im Museumszentrum Lorsch ausgestellt. Er wird heute in Würzburg aufbewahrt. Geschrieben wurde er jedoch im 12. Jahrhundert im Kloster an der Weschnitz.

Das geschichtliche Gedächtnis der einstigen Abtei verbirgt sich zwischen zwei kräftigen, lederüberzogenen Buchenholzdeckeln. Der erste Teil des Lorscher Codex, der sogenannte „Chronicon Laureshamense“, enthält Auszüge aus fast 4.000 Urkunden, die eine beeindruckende Übersicht über die einstigen Besitzverhältnisse und die Entwicklung des Hausklosters der Karolinger bieten.

Die Überlieferung der zahlreichen Schenkungen an das Kloster wiederum dient heute vielen Städten und Gemeinden als Nachweise ihrer Gründung. Die Besonderheit des Codex liegt darin, daß keine einzige der in ihm aufgelisteten Urkunden im Original erhalten ist.

Der Einflußbereich des 746 erstmals erwähnten Klosters Lorsch reichte von der heute niederländischen Nordseeküste bis in die Baseler Gegend. Die größte Konzentration Lorscher Besitzungen habe jedoch im Rhein-Neckar- Raum gelegen.

Ebenso wie das Lorscher Evangeliar und das Lorscher Totenbuch, das vermutlich 2002 ausgestellt wird, markiert der Lorscher Codex einen Eckpfeiler des Selbstverständnisses des Konvents.

Der (vorübergehende) Umzug des Codex von Würzburg ins Lorscher Museumszentrum ist nichts gegen die Odyssee der Handschrift in den vergangenen Jahrhunderten. Man nimmt an, daß das Buch zusammen mit anderen Archivalien nach dem Tod des letzten Prämon­stra­tenser­propstes im Jahr 1555 nach Heidelberg gebracht worden ist. Aus der Stadt am Neckar, wo die Handschrift von dem gelehrten Hofhistoriker Kurfürst Friedrichs II., Thomas Leodius, benutzt worden sei, ist der Codex Mitte des 17. Jahrhunderts nach Mainz gelangt. Später ist das Verzeichnis, vermutlich in den Wirren der Französischen Revolution, nach Aschaffenburg ausgelagert worden. Doch dann kam das Ende des Alten Reiches und der Codex gelangte ins Staatsarchiv nach Würzburg.

 

Nonnenkloster Hagen:

Weitgehend unerforscht ist die dritte monastische Siedlung im Süden der Lorscher Gemarkung beim ehemaligen „Seehof“. Das Nonnenkloster Hagen - dieser Name wird in der neuzeitlichen Literatur benutzt - tritt in den wenigen urkundlichen Erwähnungen mit den Bezeichnungen zum „Hane“, „Hain“, „Hagen“ und „Hegene“ auf. Minst - der Übersetzer des Codex ins Deutsche - versieht die Abstammungstafel des Abtes Sigehard (Abt von 1167- 1198) auf Seite 46 mit einem besonderen Vermerk: „Uta von Calw, geb. um 1055, 1130 Stifterin von Hegene“. Der Codex nennt Hagen nur zweimal (Urk. 157 und Vermerk 164), was wohl darauf zurückzuführen ist, daß das Nonnenkloster im Lobdengau, die beiden anderen Lorscher Klöster aber im Oberrheingau lagen. So ist auch erklärlich, daß die verbliebene Überlieferung einer Weihe im Jahre 1141 durch den Bischof von Worms erfolgte, da dieser Nachfolger der Gaugrafen des Lobdengaues war. Noch heute ist ein über ein Jahrtausend unveränderter Waldweg erhalten, das sogenannte Lampertheimer Gescheid, der die Gaugrenze bildete

Auf der leichten Bodenerhebung, welche einst die Klosteranlage trug, ist heute nur noch der Rundbau eines Hirtenhäuschens (Bruchhäuschen) zu sehen, das als Unterstand der Pferdehirten aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts stammt. H. Gieß hat im Nachgang zu seinen Ausgrabungen von 1904 durch J. Maier, Heppenheim, im August des gleichen Jahres den Kirchengrundriß zeichnen lassen.

Wertvollste Steinmetzkunst zeigt der im Lapidarium des Hauptklosters zu sehende „Seehofer Sarkophag“, auf dessen Seitenwänden das christliche Kreuz von zwei germanischen Runen (Zeiten- oder Lebensbäume) flankiert wird. Er wird zwischen 600 und 800 nCh. datiert. Sollte Hagen doch der älteste Lorscher Klosterstandort sein?

 

 

Kühkopf - Knoblochsaue

In der Eiszeit floß hier der Rhein in weiten Mäandern - und bis vor schlappen 2000 Jahren war die Gegend noch mit dschungelartigem Auenwald bedeckt. Die Schleife des heutigen Stockstadt-Erfelder Altrheins war einmal das Bett von Vater Rhein. Aber 1828 / 1829 griff der Mensch in die Natur ein: Der Strom wurde im Interesse der Schiffahrt begradigt, der Kühkopf zur Insel.

Bis dahin nämlich dümpelte Vater Rhein noch auf der Kurve der engen Altrhein-Trasse und strömte nicht ziemlich gerade von Worms nach Mainz. Deswegen überquerte hier auch Gustav Adolf während des Dreißigjährigen Kriegs mit dem protestantischen Heer den Rhein und stieß von hier aus erfolgreich in den militärisch gesehen weichen Unterleib des katholischen Mainz vor.

Der Kühkopf liegt im Südwesten des Kreises Groß-Gerau in einem traditionellen Überschwemmungsgebiet des Rheins. Das Gelände wird bis zu zwei Meter hoch überschwemmt. Am Rhein kann sich deshalb nur Weichwald halten (Ulme, Esche), weiter oben dann auch Hartwald (Eiche). In dem weichen Holz gibt es viele Bruthöhlen, die von Spechten  gehämmert werden, aber nachher auch von Meisen und anderen Tieren genutzt werden. Hier gibt es den Roten Milan, Eisvogel, Störche, Stare und Kohlmeisen.

Wie dies alles zu einer ungewöhnlichen Fauna und Flora geführt hat, vermitteln das Modell und vieles mehr im Informationszentrum einen umfassenden Eindruck. Mit Kühen allerdings hat der Name Kühkopf nichts zu tun, sondern stellt vermutlich wegen der Form des Landstrichs eine Verballhornung von „Königskopf“ dar, aus karolingischer Zeit datierend. Der Name Kühkopf entstand aus dem althochdeutschen Wort „Kunigskopf“ (Königskopf) und bezeichnete die Nordwestecke des königlichen Bannforstes Forehahi. Und der Gebietsteil Knoblochsaue wurde nach den Ex-Besitzern, der Familie Knobloch, benannt.

 

Die ersten 20 Jahre hat das Vogelparadies „keine gute Zeit“ gehabt. Vor 50 Jahren gegründet, war zwar schon damals klar, daß sich dort wie an sonst kaum einem anderen Ort am Oberrhein eine Auenlandschaft von europäischer Bedeutung hatte erhalten können. Klar war zudem, daß am Kühkopf ein Vogelreichtum vorhanden war, der den anderer Schutzgebiete bei weitem übertroffen hat und bis heute übertrifft. Doch der Schutztitel dieses Gebietes, schien anfangs das Papier nicht wert, auf dem er stand.

Einer der kritischen Punkte: die Staatsdomäne, die auf dem Kühkopf nach Einschätzung des Forstamtsleiters Henner Gonnermann „wenig beispielhaft wirtschaftete“. Der Pestizid-Einsatz und die gewählten Landbauformen seien ausbeutend „wie in der Wetterau“ gewesen. Das ging nicht konform mit dem Naturschutz. Doch es kam noch schlimmer: Anfang der achtziger Jahre ließ sich auf der Insel sogar noch ein besonders intensiv wirtschaftender Saatzuchtbetrieb nieder. Gonnermann: „Das war der Gipfel des Widerspruchs.“

Auch Autos durften jahrzehntelang in beiden Teilen des Naturschutzgebietes verkehren - heute ist das nur noch in zwei Stichstraßen auf der Knoblochsaue möglich - nachdem die Pächter der Domäne freien Zugang für ihre Maschinen gefordert und durch den Bau einer Brücke bei Stockstadt auch bekommen hatten. Hinzu kamen die Entschlammung des Altrheins und natürlich die ständigen Manöver der Nato-Verbände an den Ufern der Knoblochsaue, wo Militärs Ponton-Bau und Anlandungen übten. Das führte am Ende dazu, daß das erst 1968 von der Deutschen Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz verliehene Prädikat „Europareservat“ für fünf Jahre gleich wieder entzogen worden war,

Von den 749 Naturschutzgebieten mit 38.148 Hektar (1,8 Prozent der Landesfläche) ist das Areal Kühkopf-Knoblochsaue mit 2.370 Hektar das weitaus größte Naturschutzgebiet Hessens - im Durchschnitt sind die Refugien gerade 51 Hektar groß.

 

Schon in den dreißiger Jahren wußten die Fachleute um die Bedeutung von Auen und Vogelreichtum, doch erst 1952 wurde das Gebiet entlang der Altrhein-Schlinge ausgewiesen. Es ist heute zugleich FFH- Gebiet, EU-Vogelschutzgebiet sowie Europareservat. 60 Kilometer Wanderwege erschließen das Dorado, es gilt ein Wegegebot. Zusätzlich sind Tabuzonen in Röhrichten, Alt­armen und Auwälder benannt, um zufälliges Betreten zu verhindern.

Das System hat sich bewährt. Nur zwei Probleme bestehen: die beiden Stichstraßen in der Knob­lochsaue sowie die Schnakenbekämpfung, wie sie von Beginn an erlaubt ist. Oder gibt es noch eins? Nach jeder Hochwasserkatastrophe neu diskutiert wird der Kühkopf als ein technisch gesteuerter Polder (Hochwasserrückhaltebecken). Das wäre das Ende der wilden Natur am Küh­kopf.

Hessens Vorzeige-Naturschutzgebiet, das Europareservat Kühkopf-Knoblochsaue, ist 50 Jahre alt geworden. 265 Vogelarten werden dort gezählt. Charaktervogel ist der Schwarzmilan, der es auf die Fische in der Aue abgesehen hat. Hunderte von Kranichen übernachten auf überschwemmten Wiesen; Hirsch- und Blatthornkäfer sowie die seltene Bechsteinfledermaus leben in den Wäldern, in denen weder Eiche noch Ulme gefällt werden dürfen.

Heute trägt dieser wichtige Knotenpunkt für euroasiatische Zugvögel den Titel wieder, und zu verdanken ist dies dem Schlüsseljahr 1983: Wäre das Hochwasser jenes Sommers nicht gar so heftig ausgefallen, dann würden Naturschützer wahrscheinlich bis heute einen vergeblichen Kampf für mehr natürliche Dynamik auf der Insel und der nördlich angrenzenden Knoblochsaue fechten. Damals brachen die Sommerdeiche, und der Rhein kann die Landschaft seither wieder überfluten, was Intensiv-Landwirtschaft allerdings unmöglich macht. Doch die Kosten für Aufbau der Dämme und Reaktivierung der Drainagen stiegen ins Uferlose. Pacht gegen Investitionen gerechnet ergab: Auch bei sanfter wirtschaftlicher Betrachtung wäre die Deichreparatur unsinnig gewesen.

In diesem Jahr beginnt, was Naturschützer und Wissenschaftler ein „einmaliges Experiment nennen“. 300 Hektar Intensiväcker und Wiesen fielen brach. Was seither auf den 150 Hektar ehemaliger Mais- und Roggenfelder geschehen ist, das lockt heute ein internationales Fachpublikum an. „Das waren blanke Äcker“, vergleicht Naturschützer Gonnermann die Entwicklung, wo heute 15 bis 20 Meter hohe Silberweiden wachsen. „Wie im Lehrbuch“, so beschreibt der Förster die Auwaldentwicklung, zu der auf höher gelegenen Flächen der Insel „interessante Waldgebilde“ aus Eschen, Eichen, Ulmen und Wildobst gehören. Holländer kommen nun zu Besuch, beobachten die Abläufe interessiert, da sie sich auf verlassenen Poldern wiederholen dürfen.

Der Zeit voraus war man auf dem Kühkopf schon länger: Denn mit der Verbannung der Autos im Jahre 1978 war eine bis heute erfolgreiche Besucherlenkung geboren. Wirtschaftswege wurden in Wanderwege umgebaut, ein erster Lehrpfad geplant, ein zweiter zum Thema „Aue“ kam hinzu und ein Besucherleitsystem samt Informationszentrum entwickelt. Es wurden sogar Liegewiesen ausgewiesen: Im Europareservat will man Verständnis für die Besonderheit der Kühkopfauen schaffen.

Besonderheiten hat das Gebiet reichlich: sechs Spechtarten, darunter der rare Mittelspecht. Die Spechte profitieren von der Aufgabe der Forstwirtschaft: 1.000 Hektar Urwald entstehen und mit ihnen viele Brathöhlen. Nur noch gebietsfremde Hybrid-Pappeln dürfen gefällt werden, und auch das nur bis 2005.

Eine 40 Paare große Kormoran-Kolonie sowie 100 brütende Reiher fallen auf, bis zu 3500 rastende Graugänse kann man hier im Winter beobachten: Und 2001 kehrte der Uhu als Brutvogel zurück. Das einst so seltene Blaukehlchen hat sich in dieser Gegend inzwischen fast zum Massenvogel entwickelt. Doch das Erstaunlichste ist wohl die Größe der Schwarzmilan-Population: 62 Paare brüten im Areal, begünstigt durch den Fischreichtum der Gewässer. Eine solche Konzentration ist „enorm“, sie wird in Europa sonst nirgends erreicht.

Seit dem Verzicht auf den Neubau des Damms findet eine für die Wissenschaft äußerst spannende „Sukzession“ (natürliche Entwicklung) in den Wäldern und auf den Wiesen statt. Einen Wiederanschluß derart großer, eingedeichter Flächen an das Überflutungsregime eines Flusses hatte es bis dahin in Europa nicht gegeben. Der Rhein fließt träge im Bereich des Kühkopfs, sein Gefälle beträgt nur 0,07 Promille - es wird nur in den Niederlanden noch geringer. Der Fluß hat also wenig Erosionskraft, er lagert feine Sedimente ab, kennt kaum vegetationsarme Kies- und Sandbänke und ist auch nur von einem schmalen Streifen von Silberweiden und Schwarzpappeln gesäumt.

Dominierende Pflanzengesellschaft sind eher die Hartholzauenwälder des „Querco-Ulmetum“ (Eichen - Ulmen- Auwälder), die auf den höher gelegenen, trockneren Kernzonen des Kühkopfs wachsen. Stieleichen sowie Flatter- und Feldulmen beherrschen den Dschungel an Kühkopf und Knoblochsaue. Diese Wälder haben sich auf beachtlicher Fläche und teilweise in bemerkenswerter Naturnähe erhalten. 250 Jahre alte Stieleichen, die damit vor dem Rheindurchstich keimten, und 150 Jahre alte, an ihrer Altersgrenze angelangte Eschen zeichnen das Gebiet aus.

Eine Urwald-Dynamik beobachten die Wissenschaftler. Wie bedeutsam diese Au-Wälder im internationalen Vergleich sind, zeigt der Wissenschaftler in einer Gegenüberstellung. Viele vergleichbare Au-Wälder in Europa hätten nicht die Qualität des Kühkopfes. Lediglich die Wälder im niederösterreichischen Naturschutzgebiet Marchauen-Marchegg könnten mit dem Kühkopf und der Knoblochsaue konkurrieren.                     

 

„Land unter“ heißt es auf Knopfdruck, und dann versinkt Hessens größtes Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue beinahe wie Atlantis in den Fluten des Rheins. Nein - dies ist kein Katastrophenszenario aus dem südhessischen Ried, sondern Simulation an einem überlebensgroßen Modell. Das steht mitten im landeseigenen Naturschutz-Informationszentrum Kühkopf-Knob­lochs­aue (etwa 200 Meter vom Altrhein-Parkplatz bei Stockstadt) - dem Herz des rund 2400 Hektar großen Refugiums, das sich aus der Altrheininsel Kühkopf und der angrenzenden Knob­lochsaue zusammensetzt. Wegen seiner ökologischen Bedeutung wurde diese Landschaft mit dem Unesco-Prädikat „Europareservat“ ausgezeichnet.

Noch beeindruckender als beim früheren Naturschutzinformationszentrum geriet die modellhafte Demonstration dieser Vorgänge im neuen Umweltbildungszentrum „Schatzinsel“, wo auch sonst alles auf visuelles Begreifen ausgelegt ist. Für die Kehrseite eines Feuchtgebietes steht eine riesige, an der Decke schwebende Stechmücke, die vor allem Mensch und Vieh das Leben schwermacht, während eine lebensgroße Kuhattrappe eben deren Anwesenheit symbolisiert. Erst der Rheindurchstich 1829, der ursprünglich die Hochwasser- und Verlandungsgefahr mindern sollte, erlaubte die großräumige Kultivierung.

Der Ausstellungsraum fand hierfür im einstigen Schafstall des Hofgutes Guntershausen seine sinnfällige Unterbringung. Lange war er vom Abriß bedroht. Gegenwärtig werden unter dem aufwendig restaurierten Gewölbe nicht nur Einblicke in die Lebenszyklen einer Aue und ihre Bedeutung für Tausende Tier- und Pflanzenarten gegeben. Das Ganze ist unterschwellig auch ein Lehrstück des allgemeinen Umdenkens: Wo nach dem Bruch von Sommerdämmen 1983 endgültig die Landwirtschaft und sonstige Nutzung aufgegeben wurden - bis 1994 förderte man sogar Öl - braucht auf Verwertungsinteressen keine Rücksicht mehr genommen zu werden.

Förster sind hier Naturschützer und leisten im Verbund mit zahlreichen Helfern Führungsdienste oder stehen für den individuellen Gang über das sechs Kilometer lange Eiland beratend zur Seite. Im Frühjahr beeindrucken insbesondere die Bärlauchteppiche im Westen sowie das von einigen Beobachtungsständen gut einsehbare Brut- und Laichgeschäft in den Flachwasserzonen am Nordufer.

Teilerneuert wurde nicht zuletzt der im östlichen Bereich verlaufende Auenlehrpfad durch die typische Abfolge von Weich- und Hartholzbeständen, die sich gleichsam als natürlicher Schutzzaun um die sensiblen Röhrichtzonen oder die Streuobstwiesen und Kopfweiden legen. Selbst ihre Pflege obliegt dem Forstamt zur Erinnerung an die Kulturlandschaft Kühkopf.

„Weiche“ Gehölze wie die Silberweiden können bis 300 Tage schadlos im Wasser stehen, immer noch 100 pro Jahr ertragen die typischen Vertreter der Hartholzauen, Eichen, Ulmen und Erlen. In den hohen Bäumen brütet gerne das Symboltier des Kühkopfes, der Schwarz­milan, dessen eleganter Schaukelflug zur Paarungszeit ein Schauspiel für sich ist.

 

Heute geht es auf dem Kühkopf und der Knoblochsaue friedlich und ruhig zu. Inzwischen sind nach vielen Irrungen und Wirrungen fast alle Kraftfahrzeuge aus dem Naturschutzgebiet verbannt, findet kaum noch Landwirtschaft oder, was zeitweilig der Fall war, Erdölförderung mehr statt. Auch ein Wasserübungsplatz der Nato ist verschwunden. Umweltbewußte Besucher sind auf den etwa 60 Kilometer langen Wanderwegen willkommen.

Der Wechsel zwischen Überschwemmungen und Trockenperioden, durch keine Deiche gebremst, ließ eine ungewöhnliche Landschaft entstehen. Hier finden sich Weichholzauen mit bis zu 200 Tagen jährlich im Wasser stehenden Weiden ebenso wie dschungelähnliche Hartholzauen. Seit 1961 ist das Gebiet ein Europareservat für den Vogelschutz, mehr als 260 Vogelarten wurden gezählt. Unter ihnen ist der Schwarzmilan, der Symbolvogel von Kühkopf und Knoblochsaue. Mehr als 40 Gehölzarten und 43 Fischarten gehören ebenso zum Reichtum dieser Landschaft wie etwa 150 malerische Kopfweiden und 2000 alte Obstbäume.

Letztere erinnern an die Zeiten intensiver landwirtschaftlicher Nutzung rund um das bis auf 1580 zurückgehende Hofgut Guntershausen, das in Steinwurfweite vom Naturschutzinformations-Zentrum und seinem umliegenden Naturlehrpfad entfernt liegt. Das Verwalterhaus wird heute von einem gemeinnützigen Trägerverein unterhalten, der hier ein Zentrum für Naturschutz, Umweltpädagogik und Ausstellungen eingerichtet hat. Heute stellt dieses Naturschutzgebiet nach Meinung von Fachleuten den größten zusammenhängenden naturnahen Auenkomplex am Oberrhein dar. Außerdem ist es ein natürlicher Rückhalteraum für Hochwasser.

 

Rundfahrt:

Über die 1965 errichtete Stockstädter Brücke über den Altrhein kommt man auf den Kühkopf. Voraus die „Altrhein-Schänke“ (Ruhetag: dienstags). Nach knapp 200 Metern, in nördlicher Richtung rechts abbiegend, beginnt der Haubentaucherweg (mit einem weißen „H“ markiert), ein anfangs alleenartig mit starken Roßkastanien gesäumter Dammweg. In der Hartholzaue wachsen Stieleiche und Esche, Bergahorn und Feldulme. Mehr als 200jährige Alteichen sind von Eschen ummantelt, darunter Haselbüsche. Ein grünes Dach überspannt unseren Pfad. Rechts dann eine Schutzhütte und die Schinderhannes-Eiche, wo der legendäre Räuberhauptmann gelagert haben könnte. Und häufig am Wegesrand: Hinweise auf Fauna und Flora, man befindet sich hier doch zeitweise auf einem Lehrpfad.

Am Rheinarm zur Rechten wird das Typische der Auenlandschaft sichtbar: Die Weidenstangen wurden bis zum Beginn der vierziger Jahre im Winter geschlagen und als Brennholz verwendet - oder zur Gewinnung von Faschinen (Reisigbündel) für die Sicherung der Böschungen des Stromes. Auffallend beiderseits des Dammweges die für den Auenwald typischen, teils bis in die Baumkronen aufrankenden Schlinggewächse wie Efeu, Waldrebe oder Hopfen.

Bald kreuzt sich unser Pfad mit dem vom Erfelder Steg her kommenden Weg. Linker Hand die Gaststätte Forsthaus Kühkopf (Montag Ruhetag).  Immer dem „H“ nach passiert man eine ausgedehnte Wiesenfläche mit Obstbäumen (Kinderspielplatz) und erreicht das Naturreservat Schlap­pes­wörth mit dem einsehbaren Rheinarm gleichen Namens. Dann ist man im Innern des Auewaldes mit seinen ausgedehnten Schilfflächen zwischen Wanderroute und dem Altrhein.

Am Krönkesarm steigen die Ufer zur gleichnamigen Insel rechts sanft an.

Gleich ein Dutzend Haubentaucher ist zu sehen, diese selten gewordenen, prächtigen Wasservögel. Link der Schwedenfriedhof, wo Gebeine der Gefallenen aus dem schwedischen und spanischen Heere ruhen - und dort ein leibhaftiger Storch.

Dann ist man am Rhein, dem begradigten, auf dem sich Container- und Passagierschiffe, Motor­boote und Kähne drängeln, und dort, wo die Fähre nach Guntersblum ablegt. Welch ein Kontrast zum eben erlebten Urwald. Etwa 1,5 Kilometer lang folgt man parallel dem Stockstadt-Erfelder Rheinarm - wieder unter Pappeln. Am Alten Wörthchen schreitet man sogar auf einem betonierten Wirtschaftweg, der an das Naturreservat Reichertsinsel grenzt.

An der Schutzhütte bei der sogenannten Dicken Eiche folgt der Haubentaucherweg dem Damm in Richtung Hofgut Guntershausen. In Höhe der Königsinsel tritt der Dammweg erneut unmittelbar an den Altrhein heran - wieder Urwald, wieder Lianen. Am Hofgut gilt unsere Aufmerksamkeit dem dortigen Naturschutzinformationszentrum (freier Eintritt). Darin ein Landschaftsmodell von Kühkopf und Knoblochsaue, bei dem auf Knopfdruck Wasser freigesetzt und Winterhochwasser simuliert wird. Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags, samstags, sonn- und feiertags von 9 bis 17 Uhr.

 

Schwedensäule

Der Mantel der Weltgeschichte streifte 1631 das südhessische Ried: In eiskalter Dezembernacht setzte bei Stockstadt und Riedstadt der Schwedenkönig Gustav Adolf mit seinen protestantischen Truppen im Dreißigjährigen Krieg über den Rhein und eroberte von hier aus das katholische Mainz. Einsam steht heute ein zwölf Meter hoher Obelisk am Altrhein bei Riedstadt-Erfelden - die Schwedensäule. Sie erinnert an den Rheinübergang des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf.

Der Stockstädter Heimatforscher und Maler Hans Pehle wurde durch intensives Quellenstudium inzwischen zum Fachmann. Dabei befindet er sich in guter Gesellschaft, hatte sich doch auch Friedrich Schiller dieses Stoffs angenommen, und hielt der berühmte Merian das Ganze in einem Stich fest.

In einer waghalsigen Aktion setzte im Dezember 1631 der auf den Seiten der Protestanten kämpfende Gustav Adolf mit etwa 600 Mann, Pferden und Kanonen im Ried über den um die 300 Meter breiten Rhein. Das Datum der militärischen Meisterleistung sorgt noch heute manchmal für Verwirrung, denn es gibt zwei Terminangaben. Zum einen die des 7. Dezembers nach dem heute allgemeingültigen gregorianischen, damals meist von Katholiken genutzten Kalenders; zum anderen einen Termin zehn Tage später nach dem Julianischen Kalender, den seinerzeit die Protestanten verwendeten.

Der Hauptstrom des Rheins verlief damals - vor dem großen Rheindurchstich 1828 / 1829 für den heutigen Verlauf - im Bett des heutigen Altrheins von Biebesheim im Süden her an Stockstadt und Riedstadt vorbei zum heutigen Hauptbett nach Norden. Die heutige Altrheininsel Kühkopf, gehörte daher 1631 noch zum linksrheinischen katholischen Herrschaftsgebiet. Die Mainzer wußten sehr wohl um die Bedeutung jener Stelle im militärstrategisch gesehen weichen Unterleib ihrer Bischofsstadt und ließen den durch zeitwellig 1.000 spanische Söldner schützen. Die katholischen Truppen wähnten sich sicher und ließen fast alle Boote in der nahen Umgebung konfiszieren oder vernichten, um so eine Rheinüberquerung der Protestanten unmöglich zu machen. Dennoch schätzte Gustav Adolf genau diesen Punkt als entscheidende Schwachstelle der Mainzer Verteidigung ein - und behielt am Ende Recht.

Gustav Adolf selbst nahm am Vorabend der Überquerung, am 6. Dezember, bei einem Späh­truppunternehmen die Szene am Kühkopf in Augenschein: Wenig später wurde es ernst. Durch einen Trick ermöglichten sich die Schweden und ihre Verbündeten den Übergang: In den Tagen zuvor hatten sie an vielen Bauernhöfen im Ried die großen hölzernen Hof- und Scheunentore ausgehängt und diese flach über die wenigen, der Zerstörungswut der Spanier entgangenen Boote gelegt. Auf solch wackeligen Flößen wurde über die bitterkalten Dezemberfluten ans andere Ufer gerudert. Zwei Punkte der Invasion gelten als verbrieft: einer im Süden und einer im Norden, am Hahnensand, wo heute die Schwedensäule steht.

Gustav Adolfs Rechnung ging auf: Die katholischen Truppen auf dem Kühkopf ergriffen ob des gewaltigen Ansturms die Flucht, weil sie fürchteten, die Gegner könnten ihnen im Flaschenhals Kühkopf den Rückzug ins Hinterland abschneiden. Den Schweden gelang es von hier aus wenig später, Mainz zu erobern.

Wie wichtig Gustav Adolf selbst die Rheinüberquerung einschätzte, davon zeugt sein persönlicher Befehl von 1632 zum Bau der Schwedensäule. Auf dem Sockel und der etwa sieben Meter hohen Säule darüber thront ein 1,5 Meter hoher Löwe mit Helm und Krone als Symbol des Schwedenkönigs und seiner Mannen. Mit einem Schwert in den Tatzen deutet der Löwe ans jenseitige Ufer. An die Rhein-Überquerung erinnert am Fuß der Säule eine Tafel in deutscher, englischer und schwedischer Sprache. Bis 1834 wurde das Denkmal auf schwedische Kosten unterhalten, danach vom hessischen Staat. Heute ist die Schwedensäule ein beliebter Ausflugspunkt - auch Station im Elisabeth-Langgässer-Wanderweg durchs Ried (Wochenende 156).

 

 

Goddelau - Erfelden

Eine symbolische Rauminszenierung im Geburtshaus Büchners zeigt den Dichter. leicht vornübergebeugt an einem kleinen Holztisch. Der Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Revolutionär verfaßt Texte, er forscht. Das Fachwerkhaus aus dem Jahr 1665 ist der letzte Originalschauplatz in Deutschland. Die Ausstellung zeichnet Leben und Werk Büchners nach. Gezeigt werden auch Erstausgaben seiner Werke.

Im Erdgeschoß  wohnte einst der Vermieter der jungen Familie, ein Bauer und Schultheiß. Wer in den früheren Wohnraum der Büchners gehen will, steigt von der Ausstellung im Erdgeschoß eine steile Treppe hinauf - und muß wie unten auch dort darauf achten, sich beim Betreten des Zimmers in der Tür nicht den Kopf zu stoßen. Die Wohnverhältnisse vor rund 200 Jahren waren enger, die Menschen kürzer. Büchners wohnten oben - zu dritt in einem Zimmer. 20 Quadratmeter. Hier spielte sich das Leben ab.

Büchner kam dort am 17. Oktober 1813 zur Welt - laut Kirchenbuch morgens um halb sechs -als erstes Kind des Arztes Ernst Karl Büchner und Ehefrau Caroline. Sein Geburtstag war ein Sonntag - und ist ein historisches Datum: Bei Leipzig tobte da gerade die Völkerschlacht, Napoleons entscheidende Niederlage. Die Geburt Georg Büchners ist „das Ziel aller Bemühungen gewesen. Die Eltern sind „glücklich gewesen“. Die Taufe des Knaben ist festgehalten. Büchners Eltern galten als sparsam - aber nicht als streng, sondern voller Hinwendung. Die Kinder durften ihre Eltern duzen. Das war fortschrittlich. Es gab einen liberalen Erziehungsstil. Büchner verbrachte in Goddel­au aber nur seine frühe Kinderzeit. Eine größere Veränderung war 1816 die Berufung des Vaters nach Darmstadt. Nach schon erfolgten Umzügen stand der nächste Wechsel an.

 

Südlich von  Goddelau  liegt das Philippshospital von 1535, gegründet von Landgraf Philipp, heute psychiatrisches Krankenhaus, mit Psychiatriemuseum und Archiv. Hier war Ernst Karl Büchner, der Vater Georg Büchners, als Arzt angestellt.

 

Leheim: (westlich von Griesheim)

Südlich und liegt der Bensheimer Hof, ein großes Hofgut, das sich früher selbst versorgte und alle Handwerker hatte.

 

Worfelden (östlich von Groß-Gerau):

In einer schönen Fachwerkkirche steht die Orgel des Orgelbauers Knaut von 1624, die seitdemunverändert ist. Sie stand zunächst am Hof in Darmstadt, ab 1838 dann in Worfelden. Sie nhat Doppeltasten und eine Tremulant.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Main Westen

 

Hochheim

Seit mehr als 500 Jahren feiert Hochheim im November seinen „Markt” mit Volksfestcharakter. Es spricht für ein intaktes Gemeinwesen, daß dieser auf ein kaiserliches Privileg von 1484 zurückgehende Viehmarkt die Jahrhunderte ohne Unterbrechung überdauert hat.

Im Jahre 1825 wurde von der nassauischen Landesregierung zwischen Hochheim am Main (Großherzogtum Hessen) und Mainz-Kostheim (Herzogtum Nassau)  an der Bundesstraße 40 eine Grenzsäule aus nassauischem Marmor aufgestellt. Nachdem das Herzogtum Nassau 1866 von Preußen annektiert worden war, brachte man die königlich-preußischen Embleme an der Säule an.

Der Altstadtkern präsentiert sich noch in einer Ursprünglichkeit, die erahnen läßt, was andern­orts verloren gegangen ist - die Gassen auf Kutschenbreite ausgelegt, jedes Haus eine kleine Welt für sich. Viele der überwiegend aus dem 18. Jahrhundert stammenden Höfe haben noch die gleiche Funktion: Hinter den Rundbogenportalen wird Wein ausgebaut, heute oft in Verbindung mit einem Gasthof oder einer Straußwirtschaft. Bei einem Bummel durch das Alt­stadtgewinkel vermeint man den jungen Wein im Herbst förmlich zu riechen. Es gibt viele alte Weingutshöfe und viele Fachwerkhäuser aus  dem17. und 18. Jahrhundert.

Der Zutritt zur historischen Altstadt erfolgt durch das Maintor. Die Kirchstraße mündet am „Plan“. Die Ortsbefestigung ist von 1548, ein Torbau an der Kirche ist mit einem Fachwerkhaus überbaut. Das Fachwerk-Rathaus ist von 1698.

Historisch und konfessionell war die „Stadt auf der Höhe” über Jahrhunderte auf das gegen­überliegende Mainz ausgerichtet. Die schöne Rokoko-Madonna, die seit 1770 auf der Mariensäule auf dem Marktplatz „Am Plan“ steht, und vor allem das Wahrzeichen Hochheims, die gleichsam über den Weinbergen schwebende Barockkirche St. Peter und Paul, verweisen auf die enge Bindung. Und deshalb, sagt man hier, streckten sich die Reben nach Südwesten den Mainzer Domtürmen entgegen.

Stolz ragt die Kirche Peter und Paul aus den Weinbergen. Sie ist das Wahrzeichen der Wein- und Sektstadt Hochheim und Ausgangspunkt der Bonifatius-Route auf hessischem Gebiet.

Sie ist die einzige Barockkirche in Hessen mit Fresken. Die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul steht im ehemaligen Wehrfriedhof über dem Main.

Die 1731 geweihte Kirche beeindruckt durch ihre leuchtenden Deckengemälde des Malers Johann Baptist Enderle. Die seit 1996 freigelegten und zum Teil bereits mustergültig restaurierten Fresken gelten als Kostbarkeiten der Rokokomalerei in Hessen, die nur nach einem besonderen Verfahren gerettet werden konnten. Die Kirche ist die einzige Freskokirche Hessens von Johann  Baptist Enderle aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die Kirche hat einen bedeutenden Hochaltar und Kanzel.

Links neben der Kirche liegt das Schlößchen, ehemals Witwensitz der Hessen-Nassauischen Herzöge, samt Staatsweingut des Landes Hessen. 200 Meter weiter in der Aichgasse trennt ein rostiges Gittertor mit dem Frankfurter Adler im Wappen von städtischem Grund - oder besser: vom städtischem Weinberg. Gegenüber versperrt ein mächtiges, grünes Holztor den Zugang in das ehemalige Nonnenkloster. Gebäude und Land des Karmeliter-Ordens waren 1803 im Zuge der Säkularisierung der Stadt Frankfurt zugefallen.

 

Weingut der Stadt Frankfurt:

Mit gut 200 Hektar ist Hochheim die größte Weinbau treibende Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet, prominentester Besitzer ist die Stadt Frankfurt, der davon ein (jetzt verpachtetes) Zehntel gehört. Seit neun Jahren nun führt Familie Rupp aus Alzey das Weingut der Stadt Frankfurt. Auf 30 Jahre wurde der Pachtvertrag geschlossen. Zumindest für diese Zeit bewirtschaftet Winzermeister Armin Rupp mit Sohn Jürgen die etwa 20 Parzellen, die sich von Flörsheim bis Kostheim entlang dem Main erstrecken. Und nicht zu vergessen auch die 1,3 Hektar Land auf dem Frankfurter Lohrberg - dem einzigen Weinberg auf Frankfurter Gemarkung. Immerhin ausgeglichen kommt der Familienbetrieb inzwischen aus dem Wirtschaftsjahr, vorher gab es noch einen Verlust von rund einer Million Mark im Jahr. Damals arbeiteten zwölf städtische Beamte, Angestellte und Arbeiter auf dem Gut. Heute schaffen drei Leute die Knochenarbeit zwischen Rebstöcken und Weinfässern.

Die Presse angesetzt haben die Rupps zuerst mal bei den Kosten. Weniger Personal, weniger Energie, Investitionen nur für das Nötigste. Denn seit die Stadt Frankfurt das Weingut im Jahr 1803 übernommen hatte, war der Betrieb wenig rentabel. So wenig warf das, Weingut mit seinen 25 Hektar fruchtbarem Land für die Stadtkasse ab, daß die Magistratsleute immer wieder erwogen, die Weinberge einfach zu verkaufen. Da sich aber kein Käufer fand, führten die Frankfurter den Betrieb weiter. 191 Jahre lang, bis 1994.

Schön liegt sie, die Hauptdomäne des Weinguts der Stadt Frankfurt - im Main-Taunus-Städtchen Hochheim. Wer mit der Bahn von Frankfurt kommt, dessen Blick fällt zuerst auf die katholische Kirche St. Peter und Paul. Hell strahlt der weiße Barockbau aus dem Jahr 1730 in der warmen Oktobersonne auf dem Südhang. Die Bahnhofstraße fährt leicht nach oben steigend zur Altstadt. Links und rechts neben der Straße liegen Weingärten. Die Turmuhr schlägt Viertel nach zehn. Ein Mann mit blauem Kanister auf dem Rücken erntet Trauben, drei Autos mit polnischem Kennzeichen parken am Bürgersteig.

Bereits seit 1200 Jahren wird in Hochheim Weinbau betrieben, schreiben Stadthistoriker. An den sonnigen Kalkhängen des rechten Mainufers bauten schon die Römer Reben an, später pflegten Geistliche die edlen Pflanzen. Hochheimer Weine genießen Weltruf, nicht zuletzt die englischen Königin Victoria pflegte eine Vorliebe für Hochheimer Tropfen. Mit mehr als 200 Hektar bewirtschaftetem Land gehört Hochheim heute zu den großen Weinproduzenten im Rheingau. Rund 100 Winzer leben in der Gemeinde mit 16.000 Einwohnern ganz oder teilweise vom Ertrag des Weinbaus.

Die Rupps leben von zwei Weingütern, neben dem in Hochheim bewirtschaftet die Familie parallel einen Betrieb in Framersheim. Den Laden dort schmeißt der Großvater, 74 Jahre ist der alt, erzählt Jürgen Rupp. Enkel Jürgen ist erst 30, eine Ausbildung zum Winzer und Wirtschafter hat er gemacht. Seit zehn Generationen ist die Familie dem Wein verbunden. „Es war unser Wunsch, das städtische Gut so zu führen, als sei es unser eigener Betrieb“, sagt Jürgen Rupp. Die Familie habe den Maschinenpark von der Stadt gekauft und halte den Betrieb auf eigene Kosten instand.

Ein Großteil der Weinberge werde maschinell bewirtschaftet, erzählt Jürgen Rupp, nur auf dem Lohrberg werde wegen des steilen Hangs noch mit der Hand geerntet. Insgesamt 180.000 Liter Wein erntet die Familie im Jahr auf den 25 Hektar des Weinguts der Stadt. 70.000 Flaschen füllen die Rupps mit dem edlen Saft für den Selbstverkauf im Frankfurter Römer ab. Den Rest nehmen der Großhandel, Kellereien und Sektindustrie ab. „Es ist unser Vorteil, daß wir den besten Wein für uns behalten können“, sagt Rupp. Mehr als 400.000 Euro erwirtschaftet das städtische Weingut jährlich mit Weißem und Rotem - aber keine roten Zahlen mehr.  Den eigenen Wein mit Adler und Römer auf dem Flaschenetikett verkauft das Weingut der Stadt privaten Weinliebhabern und Gaststätten. Aber auch die Stadtpolitiker kommen nicht zu kurz. 25.000 Flaschen liegen in zwei Gewölbekellern unter dem Römer. Wein, der auch bei offiziellen Empfängen der Stadt ausgeschenkt wird. Mit grünen Gummistiefeln an den Beinen steigt Jürgen Rupp die enge, steile Wendentreppe hinunter in den Keller. Süßlich riecht es dort, in den Fässern gärt der Jungwein. Presse und Rührwerk rumpeln und rattern um die Wette. Ein aufwendig geschnitztes Riesenfaß - „gefügt am Tag der deutschen Einheit 1990“ - liegt schwer neben kleineren Holzfässern.

Im Raum nebenan hat die Moderne das Winzerhandwerk fest im Griff. 15 silberne Edelstahltanks mit Temperaturfühler stehen dort hoch in Reih’ und Glied. „Man muß die Waage halten zwischen Tradition und Technik“, sagt Jürgen Rupp und grinst ein wenig stolz. Dann beugt er sich über den Laptop in der Ecke des Raumes und aktiviert den „Gär-Manager“.

Mit einem Klick zeigt das Computerprogramm dem Winzer die aktuelle Temperatur des Dornfelders in Tank 4. Wo früher Handarbeit und Gefühl gefragt war, regelt heute der „Gär-Manager“ den gesamten Prozeß. „Der ist schneller und präziser“, sagt Jürgen Rupp, „es kann weniger schief gehen“.

Eines kann der „Gär-Manager“ Jürgen Rupp aber nicht abnehmen: das Verkosten des Weines. Der junge Winzer nimmt ein Glas und öffnet einen kleinen Hahn an einem der Fässer. Weiß-trüber Saft fließt heraus. Jürgen Rupp schwenkt das Glas ein wenig, dann nimmt er einen Schluck. Über Zunge durch Kehle und Magen ins Gehirn, wo der Winzer das Urteil fällt. Die Note für den Wein schreibt er auf ein kleines Kärtchen. Und weil er diesen Test mehrmals am Tag machen muß, betont er: „ach der Arbeit fahren wir nicht mehr mit dem Auto.“

Eigene Weinberge besitzen zwar auch andere Großstädte, das Gut der Stadt Frankfurt aber gilt als eines der größten und ältesten. Bis zum Jahr 1802 war das Weingut im Eigentum des Karmeliterordens, der in Hochheim ein Nonnenkloster unterhielt. Mit der so genannten Verweltlichung und dem damit verbundenen Einzug geistlichen Besitzes, fielen Land und Gebäude des Guts vor Jahren der Stadt Frankfurt zu. Auf einer Fläche von 25 Hektar reifen auf zehn Lagen 50 verschiedene Weinsorten. „Domdechaney“, „Hölle“, „Stielweg“ und „Kirchenstück“ heißen die bekannten Riesling-Lagen des früher als Amt geführten städtischen Gutes. Seit 1994 bewirtschaftet die Winzerfamilie Rupp das Weingut der Stadt Frankfurt. Insgesamt 180.000 Liter Wein jährlich ergeben die in den städtischen Weingärten geernteten Trauben. Einen Teil dieser Ernte kaufen Großhandel, Kellereien und die Sektindustrie auf. 70.000 Flaschen im Jahr aber füllt die Winzerfamilie Rupp für das Frankfurter Weingut ab. Die Verkaufsstelle für den edlen Tropfen ist nur im Römer. In der Limpurgergasse 2 kann man montags bis freitags von 9 bis 12.30 Uhr Wein kaufen. Informationen und Bestellung unter der Telefonnummer 069 / 21 23 36 80.

 

In Hochheim am Main befindet sich auch die kleine aber feine Staatsdomäne Hochheim (Hessische Staatsweingüter). Während ihrer fast 800-jährigen Geschichte ging die Domäne 1273 in den Besitz des Mainzer Domkapitels über. Aus jener Ära stammen die Weingärten „Dom­dechaney“: Sie bezeichnen die bekannteste Hochheimer Lage und die zugleich größte zu­sam­menhängende Rebfläche des 17 Hektar großen Staatsweingutes. Auf den tonreichen Mergelböden der Lagen Domdechaney und Kirchenstück wachsen stoffige, körperreiche Weine von bester Qualität.

 

Vogelnest (nördlich von Hochheim)

Hochheim ist ein Endstation der Regionalparkroute im Westen. Nördlich von  Hochheim entstand deshalb die Statiuon „Vogelnest“. Zwischen Hochheim und Delkenheim holt sich die Natur das ehemalige Kiesgrubengelände „Silbersee“ zurück. Sie liefert auch die Vorlage für die Aussichtskanzel „Vogelnest“ im Regionalpark Rhein-Main. In eigenwilliger Konstruktion ließen die Darmstädter Architekten Karle und Buxbaum  um eine Aussichtsplattform acht kreisrunde Ringe aus Brettschichtholz so unregelmäßig wie die Zweige eines Nests ineinander winden. Nicht nur ein konstruktives, sondern auch ein optisches Wunderwerk, das seinem natürlichen Vorbild ziemlich nahe kommt. Das kühne Werk steht auf acht Balken von 25 Zentimeter Stärke, die unregelmäßig wie überdimensionale Mikadostangen zusammenstehen und gewissermaßen die Astgabel für das Aussichtsnest bilden.

Die ausgefallene Idee wurde von einer unabhängigen Jury der hessischen Architektenkammer für den diesjährigen Tag der Architektur als eines der Vorzeigeobjekte ausgewählt. Doch nicht nur der Anblick der Kanzel lohnt, sondern auch der Ausblick von ihr herunter, auf die gefluteten ehemaligen Kiesgruben, die sich allmählich zum wildromantischen Seen-Biotop mausern, in dem sich nicht nur selten gewordene Kröten tummeln, sondern inzwischen sogar wieder Eisvogel beim Fischen gesichtet wurden.

Jetzt geht es wieder nach Süden und am nächsten Abzweig nach Osten zum Spielpark und über die Straße von Delkenheim nach Hochheim und südlich der Seen zur Straße von Mas­senheim nach Hochheim. Weiter ein Stück  nach Nordosten und dann rechts nach Südosten an dem Hauptberg der Deponie Wicker vorbei. Südlich der Straße von Wicker nach Delkenheim ist die Installation „Nahtstelle Müll“:

 

 

Mechtildshausen

Von Hochheim fährt man auf der A 6 71 bis zu m Kreuz Mainz-Kastel, dann nach Norden und rechts nach Mechthildshausen.  Die Staatsdomäne Mechtildshausen bei Wiesbaden-Erbenheim gehört zu den historischen Stätten Hessens. Ihr Ursprung reicht bis in die Karolingerzeit zurück als Versorgungsgut und Gerichtsstätte in einem Reichssondergau, der unmittelbar dem Kaiser unterstand. Als Hochgericht wurden hier Todesurteile gefällt und an Ort und Stelle vollstreckt. Sondergaue dienten der Machtausübung und Kontrolle des Reiches gleichermaßen. Der im Rhein-Main-Gebiet erstreckte sich von der Mainmündung entlang dem Rhein bis Walluf und nördlich entlang dem Limes.

Nicht nur den römischen Grenzwall machten sich die Franken zunutze, auch die von den Römern schnurgerade angelegte „Steinerne Straße“ zwischen Wiesbaden/Mainz und den Kastellen Friedberg, Echzell, die später als bedeutender Handelsweg den Westen mit dem Osten bis Sachsen verband und Wallfahrtsstraße zum Grab der heiligen Elisabeth wurde.

Mechtildshausen verlor als Gerichtsstätte an Bedeutung, nachdem um 1200 die Eppsteiner als Lehnsherren auftraten und damit eine wechselvolle Geschichte begann. Der Hof gehörte schließlich über Jahrhunderte zu Hessen-Darmstadt und ging nach der Gründung Hessens in den Besitz des Landes über. Heute ist die Domäne ein beispielhafter „Biolandbetrieb“, in dem jeder Besucher willkommen ist.

Durch den Torbogen betritt man den riesigen Innenhof, um den sich im Geviert Häusergruppen, Stallungen, Pferdeboxen und Reithalle anordnen. Die Domäne umfaßt heute eine Nutzfläche von 320 Hektar, davon 185 am Ort, der Rest außerhalb liegt als Weiden im Taunus und am Rhein. Durch die Wiesbadener Jugendwerkstatt GmbH als Pächter vom Land Hessen wurde die Umstellung der Produktionsweise nach organisch-biologischen Grundsätzen 1987 begonnen.

Das beinhaltet unter anderem den Verzicht auf mineralische Dünger und auf Giftstoffe in der Schädlingsbekämpfung. Neben dem Ackerbau werden Feldgemüse gezogen. Feingemüse gibt es in Gewächshäusern, Obst in Plantagen. Eine vielfältige Tierhaltung ist wichtiger Bestandteil des Betriebes. Pferde und Reitsport spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Alle Lebensmittel werden auf der Domäne verarbeitet und in Schlachterei, Käserei und Bäckerei und vermarktet, entweder direkt auf dem Hof oder draußen im Naturkosthandel.

Darüber hinaus wird auf der Domäne ein Gästehaus mit vorzüglichem Restaurant für den verwöhnten Gaumen geführt. All Türen der Anlage stehen dem Besucher zur Besichtigung offen. Allein die Geflügelhaltung mit „Wanderhäusern“ in Wiesen, dazwischen weiße Pfauen, gleicht einem Blick in Tierparadies.

Auf der Rückfahrt fährt man wieder zurück bis  Hochheim - Nord und dann nach Osten auf die B 40 und dann nach Norden auf der L 3038 zum links liegenden  Silbersee

 

 

Wicker

Vom Silbersee fährt man wieder zurück zur B 40, auf dieser ein Stück nach Osten und dann gleich links auf der Kreisstraße zur Mülldeponie.

 

Mülldeponie:

Die 85 Hektar große Deponie war früher eine Kiesgrube und erstreckt sich vom Main bis zur Gemarkung Wiesbaden. Im Jahr 1968 begann der Main - Taunus - Kreis, Flächen ausgebeuteter Kiesgruben zwischen Wicker, Hochheim und Wiesbaden-Massenheim zu erwerben, aus denen Materialien für den Bauboom der sechziger Jahre gefördert wurden. Seither sind mehr als zehn Millionen Kubikmeter Hausmüll, Klärschlamm und hausmüllähnlicher Gewerbeabfall verfüllt worden. Jährlich setzt die 110 Mitarbeiter umfassende Rhein - Main Deponie (ZRMD) nach eigenen Angaben rund 40 Millionen Euro um. Seit 1999 ist der Hochtaunuskreis neben dem Main-Taunus-Kreis gleichberechtigter Gesellschafter der RMD. In einem Deponiegaswerk produziert das in Flörsheim angesiedelte Unternehmen 2,5 Kilowatt Strom, der den Eigenbedarf deckt.

Im Biomassekraftwerk werden seit 2004 an die 90.000 Tonnen aufgearbeitetes Altholz verbrannt. Es kann nach Firmenangaben 8.000 Megawattstunden Strom im Jahr erzeugen.

das Biomassekraftwerk steht am Ende des großen Müllbergs im Südwesten. Hier ist eine Kletterwand, 19 Meter hoch und 27 Meter breit, die von vielen Sportbegeisterten genutzt wird.

Die heutige Deponie liegt auf einer leichten Hügelkuppe und umfaßt ein 5,5 Hektar großes Feuchtbiotop, in dem sich viele Tierarten tummeln. Seit 2005 ist die Deponie verfüllt und wird rekultiviert. Es sollen weitere Studien zur Tierwelt folgen, die in den Rekultivierungsplan einfließen. Angestrebt ist, bedrohten Arten das Überleben dauerhaft zu ermöglichen. Ferner soll die Deponie in den Regionalpark Rhein-Main aufgenommen werden als Beispiel eines umweltverträglichen und ökologischen Deponieabschlusses.

Auf den ersten Blick ähnelt die Deponie im Stadtteil Wicker der Main-Stadt Flörsheim einer zerklüfteten Mondlandschaft. Das 85 Hektar große Areal ist besonders menschenfeindlich. Aber ausgerechnet zwischen Müllbergen und Biokompostanlagen gedieh in den vergangenen Jahren eines der wichtigsten Biotope Hessens, das vom Aussterben bedrohte Tiere beheimatet. Die Deponie hat sich beinahe zu einem Paradies für bedrohte und fast ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten gemausert.

Was meist wie ein Fremdkörper in der Natur ist, hat sich bei uns zu einer intakten Stätte für viele Tiere entwickelt. Auf der Deponie mitten im Rhein-Main-Gebiet wimmelt es nur so von seltenen Tierarten. Das haben der hessische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz sowie das Büro für angewandte Landschaftsökologie Hofheim nachgewiesen. Die Studie beschreibt 166 Pflanzenarten, 52 Vogelarten, elf unterschiedliche Tagfalter und Libellen, neun Heuschreckenarten, eine Reptilienart und zwei Amphibienarten - denen es ausgerechnet zwischen Müllbergen und Biokompostanlagen behagt.

Während die Pflanzenwelt aus weitverbreiteten Arten bestehe, macht die Tierwelt der Halden von sich reden. Sie könnten sich zu Hessens größtem Brutgebiet für den Steinschmätzer entwickelt haben. Der Bestand des Vogels hat sich in Hessen seit 1982 um 75 Prozent gemindert - nur noch gut 50 Brutpaare lebten in dem Bundesland. Allein auf der Deponie fühlen sich der Studie zufolge fünf Brutpaare des genügsamen Insektenfressers zu Hause. Der Singvogel mit schiefergrauem Mantel und schwarzer Augenbinde brütet zwischen Steinbrocken und bevorzugt die offenen Böden der Mülllandschaft.

Auch andere rar gewordene Tiere wie die Haubenlerche, das Rebhuhn. Der Grauammer und der Flußregenpfeifer treffen auf günstige Umstände. Vor einiger Zeit haben neun Störche im Feuchtbiotop „auf unserer Deponie wohl einen Familienrat abgehalten“. Die Stelzvögel mit ihren kräftigen, spitzen Schnäbeln und breiten Flügeln stießen auf reichhaltige Kost, die genügen, ihre Jungen - wahre Nesthocker - mit kleinen Tieren zu versorgen. Naturschützer vom Flörsheimer BUND hatten vor Jahren Storchennester in der angrenzenden Gemarkung aufgestellt und so die Vögel nach Flörsheim angelockt.

Als bemerkenswert stufen die Umweltexperten die Population der Wechselkröte ein. Mehrere hundert Larven haben Umweltschützer in Pfützen und Tümpeln nachgewiesen. Deshalb ist wichtig, das ein oder andere Wasserloch länger zu erhalten.

Daß so viele Arten von und mit dem Müll leben, liegt an den unterschiedlichen Zuständen auf der Deponie im Main-Taunus-Kreis. Es sind zum einen die Flächen, auf denen sich der Hausmüll türmt und sich zum Tummelplatz für Raben, Krähen und Möwen entwickelt hat, wie auch für Füchse und kleine Nager, die wiederum Beute für Greifvögel sind. Dann gibt es Areale, auf denen Bauschutt lagert, ideal für die Steinschmätzer. Wieder andere Ecken sind gerade für Frösche schön feucht-sumpfig.

Diese tierische Vielfalt auf der Deponie geht allerdings meist verloren, wenn eine verfüllte Teilfläche stillgelegt und rekultiviert wird. Die Tiere sollen langwierig auf Ausgleichsflächen ausweichen können. Auf einem gut 40 Quadratkilometer großen benachbarten Gelände will die „Rhein-Main Deponie“ den bedrohten Tier- und Pflanzenarten eine neue Heimstatt schaffen. So könnten Zugvögel abermals die Deponie anfliegen, die ihnen inzwischen als Rast- und Nahrungsbiotop dient. Und der Kreuzkröte bliebe genug Raum, den Bestand ihrer Art wieder mit Hingabe zu vermehren.

 

Das Kunstwerk „Nahtstelle Müll - Fenster zur Deponie“ ist vom Eingang zum Deponiegelände aus zu sehen. Mit einer Kunstinstallation „Nahtstelle Müll-Fenster zur Deponie“ kratzt die Eschborner Künstlerin Romana Menze - Kuhn an der scheinbar heilen Krume, schneidet die Bodenschichten auf, legt den Schnitt hinter Fensterglas frei wie ein Objekt zwischen Mikro­skopierglasplättchen. Durch eine dunkle, 2,50 Meter lange Stahlträger - Gasse können Passanten die eingeschlossenen Abfallschichten hinter Glas betrachten. Gegenüber liegen zum Vergleich unberührte, natürliche Erdschichten hinter Fensterglas.

Der Riß zwischen beiden Seiten bleibt, sagt die Künstlerin. Wie immer auch eine ewige Sehnsucht des Menschen bleiben muß, verwundete Natur vollständig in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Trotz modernster Technik. Menze-Kuhn zeigt den Versuch des Heilens, Reparierens, des Wiederzusammenfügens mit einer Stahlseilnaht zwischen den beiden Stahlträgerseiten mit den unberührten und müllverfüllten Erdschnitten. Auch der Müllkegel der Deponie wird in absehbarer Zeit unter einer üppigen Pflanzendecke verschwinden, die Müllkegel dabei der hügeligen Weinberglandschaft angeglichen. Menze - Kuhns Werk soll deshalb auch nachfolgende Generationen daran erinnern, was unter der Wickerer Krume schlummert.

Die Arbeit, die einen weiteren Glanzpunkt entlang der Regionalparkroute zwischen Flörsheim und Hochheim bildet, ist aus einem zufälligen Kontakt zwischen dem Geschäftsführer der Rhein-Main-Deponie in Wicker und der Eschborner Künstlerin entstanden, die sich seit Jahren mit den Brüchen und Nahtstellen zwischen Eingriffe in die Natur und Renaturierung auseinander setzt. Die Idee, gleichsam mit einem Kunstwerk die Brücke von der Wickerer Deponie zur Regionalparkroute zu schlagen, die unmittelbar an den Müllkegeln vorbeiführt, drängte sich geradezu auf.

 

Massenheim:

Man fährt von der Deponie erst einmal nach Nordosten nach Massenheim, im Ort rechts ab

Richtung Wicker. Am Ortsausgang ist am „Pfortenborn“ eine kleine Parkanlage mit Streuobstwiese, Rosenhecken und Sitzplatz entstanden. Die Massenheimer haben nach altem Vorbild einen schönen Brunnen installiert, dessen Wasser von den Kindern zu vielfältigen Spielen genutzt wird.

 

Wicker:

Wicker liegt hoch über Flörsheim auf einem weit in die Mainebene vorgeschobenen Taunusausläufer. Es ist eine der ältesten Weinbau betreibenden Gemeinden des Rheingaus. Zahlreiche Funde belegen, daß bereits zur Römerzeit an den sonnigen Hängen des Wickerbachtals und des Maintals Wein angebaut wurde. Urkundlich erwähnt wird Wicker erstmalig im Jahr 910. Damals lag das Dorf im fränkischen Königssondergau.

Wicker gehörte vom 12. bis 15. Jahrhundert zur Herrschaft Eppstein. Um 1540 wurde es mit Mauern und Graben befestigt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zum Kurfürstentum Mainz. Im Jahre 1803 kam Wicker zum neu gebildeten Herzogtum Nassau, 1866 zum Königreich Preußen. Das stets selbständige Dorf hat sich 1972 der Stadt Flörsheim angeschlossen. Wicker sah sich damit allein aber noch nicht ganz ins rechte Rheingauer Licht gerückt.

Ein Ort, der auf 1000 Jahre Geschichte zurückblickt, eingebunden in den Weinbau, möchte dies auch anschaulich weitervermitteln. Schon in früheren Zeiten war Wicker ein gern besuchter Weinort mit vielen Gasthäusern und Straußwirtschaften. Der Weinort Wicker ist weithin als „Tor zum Rheingau“ bekannt. Hier beginnt der Rheingau, ein kleines und erlesenes Weinanbaugebiet, das den international ausgezeichneten Ruf deut­scher Weine begründet hat.

Hier beginnen die Rheingauer – Riesling - Route der Autofahrer (Wicker, Hochheim, Kostheim, Wiesbaden-Frauenstein, Nieder-Walluf, Ober-Walluf, Martinsthal, Rauenthal, Eltville, Erbach, Kiedrich, Kloster Eberbach, Hattenheim, Hallgarten, Oestrich-Winkel, Johannisberg, Rüdesheim, Assmannshausen, Aulhausen, Lorch, Lorch­hausen).

Die Riesling-Route ist als Auto­route ausgelegt bei der alle Weinorte des Rheingaus durchfahren werden können. Der Rheingauer – Riesling - Pfad dagegen führt den interessierten Weinfreund auf einer etwa 120 Kilometer langen Wanderstrecke durch alle weinbautreibenden Gemeinden des Rheingaus von Wicker bis Lorchhausen. Und nicht zuletzt beginnt hier auch der Wickerer Weinweg, ein geführter Spazierweg durch Wicker und seine Weinberge. Auf zahlreichen Informationstafeln ist viel Interessantes und Wissenswertes über den Weinort und seinen Wein zu erfahren. Der Wein-Weg beginnt am „Tor zum Rheingau“, einem Sandsteinbogen vor dem historischen Rathaus.

 

In Wicker biegt man rechts ab und wo man schon die Weinberge sehen kann noch einmal rechts in die Taunusstraße, wo man parken kann. Man geht in die Taunusstraße hinein und kommt rechts zu dem ehemaligen Rathaus, in dem heute die Sparkasse ist. Hinter dem ehemaligen Gasthaus „Zum Löwen“, welches von 1935 bis 1979 das Rathaus von Wicker beherbergte, entstand im Zusammenhang mit der Dorferneuerung ein Ortsmittelpunkt.

Jedes Jahr von Mai bis Oktober ist der Weinprobierstand geöffnet. Viele Besucher finden hier Rast und Erholung bei einem guten Gläschen Wickerer Wein. Das Weinfest in den Straßen und Höfen des historischen Ortskerns lockt am ersten Augustwochenende alljährlich Tausende von nah und fern nach Wicker.

Am Eingang zum Hof steht der Sandsteinbogen, der das „Tor zum Rheingau“ symbolisieren soll. Im Hof steht eine Säule, die den Heiligen Urban darstellt. Der heilige Urban, Bischof von Langres, lebte im vierten Jahrhundert. Nach der Legende. verbarg er sich vor seinen Verfolgern in einem Weinstock. Der heilige Urban ist der Patron der Winzer, er wird mit einer Traube in den Händen dargestellt. Die Bauernregel zum 25. Mai lautet: „Ist Sonnenschein am Urbanstag, gedeiht der Wein nach alter Sag‘!“ Zu Ehren des Heiligen spendete der Club Fidelio 1991 Wicker e.V. im Jahr 2000 die aus Holz geschnitzte Figur und die kunstvoll gefertigte Schutzhülle.         

An der Straßenecke steht der Ausrufer: Der „Ausscheller“ steht als Synonym für den Wickerer Gemeindeboten. Dieser gab amtliche Mitteilungen bekannt. Um die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger für die jeweilige Bekanntmachung zu erlangen, läutete der Gemeindebote zunächst mit der Schelle. In Wicker gab es bis 1966 das Amt des „Ausschellers“. Zum Gedenken an diese Funktion stiftete die Flörsheimer Bürgerstiftung Im Jahr 2003 - dem 50. Jahr seit Verleihung der Stadtrechte und 1175 Jahre seit der urkundlichen Ersterwähnung Flörsheims - die bronzene Skulptur des „Ausschellers“. Theophil Steinbrenner, freischaffender bildender Künstler aus Schwarzach schuf dieses Sinnbild dörflicher Kultur.

Gegenüber an der Ecke Taunusstraße / Rat­hausstraße befindet sich das Standbild „Heilige Familie“: Das aus Holz geschnitzte Werk stammt aus dem 17. Jahrhundert. Es zeigt Maria, Josef und das Jesuskind in idealisierter Form. Auf dem Sockel ist folgende Inschrift zu lesen: „Ja sie steht uns bei in der Not, wie im Leben so im Tod“. Im Jahre 2002 finanzierte Flörsheim zusammen mit der gemeinnützigen Stiftung der Taunussparkasse die Restaurierung der Figurengruppe sowie des neu errichteten Bildstocks aus Sandstein. Dort, wo der Bildstock aufgestellt ist, stand ursprünglich das erste Wicker Rathaus, dem sich auch ein Schulraum befand.

 

Nach rechts geht man weiter in die die Vorderstraße mit den ältesten Häusern von Wicker und den malerischen Torfahrten (zum Teil erst neu hergestellt). Etwas versetzt geht es weiter in die Kirchstraße, wo man einen Blick in die katholische Wehrkirche St. Katharina werfen kann. Bereits in der Urkunde von 927 wird eine Kapelle in Wicker erwähnt. Seit 1294 ist eine Kirche und seit 1303 eine eigene Pfarrei gesichert. Die heutige Kirche geht auf das Jahr 1480 zurück. Ob der wehrhafte Turm wesentlich älter ist, konnte bis heute nicht geklärt werden. Im Erdgeschoß des Turmes befindet sich der Chorraum der Kirche mit seinem schönen Sterngewölbe und dem Wappen der Eppsteiner Grafen als Schlußstein. Das Schiff der Kirche wird 1840 verlängert und erhöht und mit neuen Fenstern versehen. Wicker ist auch Station auf der Bonifatiusroute, die an der Flörsheimer Warte vorbei geht.

Westlich der Kirche in der Nähe des dortigen Ausgangs steht eine Restfigur (Torso) des Brückenheiligen „Johannes Nepomuk“. Sie stand seit dem 17. Jahrhundert auf der Wicker­bachbrücke in Wicker. Sie wurde zweimal durch LKW-Unfälle vom Sockel in den Bach gestoßen und schwer beschädigt. Dabei verlor sie den Kopf und den Arm mit dem Kreuz. In den dreißiger Jahren bei der Brückenerweiterung wurde auch der Sockel entfernt und wahrscheinlich in der Straße mit verbaut. Nach 75 Jahren wurde zur Erinnerung an dieses traurige Ende des stattlichen Standbildes die Restfigur im September 2006 vom Historischen Verein Wicker an diesem Platz aufgestellt.

Vorbei an der alten Weinpresse von 1884 geht es am Ende der Kirchstraße nach rechts und an der Kirschgartenstraße (die Durchgangsstraße) wieder nach rechts, an einer Heiligensäule vorbei. Die Bundesstraße 40 ist eine alte Heerstraße zwischen Mainz und Frankfurt. Die Straße und die strategische Höhenlage brachten Wicker im Laufe der Jahrhunderte eine lebhafte, aber auch unruhige Entwicklung. Die Weinbaugemeinde wurde viele Male durch kriegerische Ereignisse heimgesucht, sowohl in der „Mainzer Fehde“, als auch vor, während und nach dem Dreißigjährigen Krieg mit verheerenden Feuersbrünsten. Auch der Durchzug und die Einquartierung französischer und alliierter Truppen zu Beginn des 19. Jahrhunderts hinterließen ihre Spuren.

 

Man kommt wieder zur Taunusstraße. Vor der Gaststätte „Nassauer Hof“ am Eingang der Taunusstraße befindet sich immer noch an seinem ursprünglichen Standort das älteste erhaltene Wegkreuz im Kreis aus dem Jahr 1690. Errichtet als Zeichen religiöser Ehrerbietung dienten Wegkreuze zudem als Orientierungspunkte.

Jetzt geht man nach Süden in die Straße „Am Steinweg“ und an den Weinbergen entlang zur Flörsheimer Warte. Weinberge sind nordwestlich des Ortes im „Möchsgewannn“. Südlich der Straße gehört der nördliche Teil der Weinberge auch zum „Mönchsgewann“. Dann folgen „König-Wilhelms-Berg“, „Nonnberg“ und „Wickerer Stein“. Südlich des Landwehrwegs an der Warte ist der Weinberg „Herrnberg“.

Ein früherer Besitzer des König - Wilhelm - Bergs war der Weingutsbesitzer Georg Kroe­schel. Er war Hoflieferant des preußischen Königs und späteren ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. Die acht Meter hohe Rundsäule trägt heute einen republikanischen Adler, der frühere preußische Adler wurde bei Kriegsende zerstört. Den Sockel ziert ein Porträt des Königs Wilhelm von Preußen (1861 - 1888), des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I. sowie die

Inschriften „Vom Fels zum Meer“ und „Gott mit uns“.

Wilhelm I. schätzte den Wickerer Wein offenkundig sehr, denn er gestattete im Jahr 1866 seinem Hoflieferanten Georg Kroeschell aus Hochheim am Main, anläßlich des Übergangs des Herzogtums Nassau an Preußen, diese Weinlage „König Wilhelmsberg“ zu nennen. Das Denkmal, ein Werk des Bildhauers Adam Kramer aus Fulda, wurde im Jahr 1875 für 1.500 Gulden errichtet. Seit 1928 ist die Weinbergslage im Besitz der Familie Hück (Hochheim am Main). Sie hat im Jahr 2001 mit Unterstützung der Stadt Flörsheim am Main und dem Kuratorium der Taunussparkasse das Denkmal restaurieren lassen.

Die Weinlage: Der Wickerer Berg verdankt seine Entstehung dem Wickerbach. Während der Eiszeiten tiefte sich der Bach in den Untergrund ein und schuf so die Grundlage jeder guten Weinlage - einen Hang: Der Südwesthang ist optimal zur Sonne ausgerichtet. Der Wickerbach sorgte dafür, daß alter Untergrund freigelegt wurde: schwerer Lehmtonmergel des Alttertiärs. Mergel sind kalkreiche feinkörnige Lockergesteine. Ton sind die kleinsten Bodenpartikel. Enthält ein Mergel viel Ton, spricht man von Tonmergel. Vor etwa 28 - 30 Millionen Jahren wurde der Ton als feiner Schlick im Stillwasser eines aussüßenden Meeres abgelagert. Die stark tonhaltigen und deshalb schwer bearbeitbaren Böden heißen im Volks­mund „Letten“ genannt.

Der Wein: Auf dem Letten-Boden der kleinen aber feinen Lage König Wilhelmsberg (2,4 Hektar) wachsen kräftige und fruchtbetonte Weine mit markanter Säure. Sie benötigen Reifezeit. Durch ein gut eingebundenes Säurespiel haben sie eine lange Lebensdauer. Folgerichtig zählt der König-Wilhelmsberg zu den Premiumweinlagen „Erstes Gewächs Rheingau“.

 

Die kleine Sandsteinstatue einer Nonne rechts am Beginn der Straße „Am Steinberg“ ist das Wahrzeichen des unmittelbar dahinter beginnenden Weinbergs mit der altbekannten Lagebezeichnung „Wickerer Nonnberg“. Diese Figur ist ein Abguß aus neuerer Zeit. Das Original stammt aus dem 18. Jahrhundert und befindet sich in der Straßenmühle. Der Weinberg gehörte früher zu verschiedenen Nonnenklöstern, zuletzt bis zur Säkularisation im Jahr 1803 dem Zisterzienserinnen-Kloster Tiefenthal im Rheingau. Danach wurde der Nonnberg Privatbesitz und wenig später mit einer Mauer eingefaßt und neu terrassiert. Mit seinem Gefälle nach Süd-Südwest hat er eine optimale Sonneneinstrahlung.

 

Von dem Weg zur Flörsheimer Warte geht rechts ein Weg ab zur Weidenmühle. Heute ist sie das Weingut Allendorff (Samstag 10 - 14 Uhr oder nach Vereinbarung Weinverkauf in Flaschen). Sie wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut. Auch hier wurde das Müh­lrad durch das Wasser eines separaten Mühlbachs angetrieben, den man vom Wickerbach abgeleitet hatte und der durch das Anwesen floß.

Schon den alten Römern war die Technik geläufig, wie man Wasserkraft über ein Mühlrad zum Mahlen von Getreide nutzen kann. Zunächst kannte man allerdings nur sogenannte unterschlächtige Mühlräder, deren unterer Teil im Wasser lag. Allein durch die Strömungskraft des Wassers wurde das Mühlrad in Bewegung gehalten. Im 14. Jahrhundert wurden die ersten oberschlächtigen Mühlräder eingesetzt, bei denen das Wasser auf dem Scheitel des Mühlrades zugeführt wird. Dies brachte bei gleicher Radgröße und gleicher Wassermenge eine Leistungsverdoppelung.

 

Flörsheimer Warte:

Am westlichen Ausgang von Wicker beginnt der Weg zur Flörsheimer Warte, den man zu Fuß gehen muß. Am 15. Juni 1996 stand die Flörsheimer Warte auf dem 130 Meter hohen Geißberg wieder. Für rund zwei Millionen Mark hatte die Gesellschaft zur Rekultivierung der Weilbächer Kies­gruben (GRKW) den einstigen Wachtturm hoch in den Weinbergen bei Flörsheim nach historischem Vorbild wenige Meter neben den Fundamenten des historischen Turmes und in etwas modernerer Ausstattung als das historische Original neu errichten lassen.

Der Turm wachte seit dem 15. Jahrhundert über die nördliche Grenze der Mainzer Kurfürsten. Nachdem die Warte ihre Bedeutung verloren hatte, wurde sie als Steinbruch ausgebeutet und Ende der neunziger Jahre in unmittelbarer Nähe wieder errichtet. Am Wochenende dient der Turm als Ausflugslokal und bietet einen herrlicher Blick über die Mainebene.

Ursprünglich war die Flörsheimer Warte ein Turm der Kastelller Landwehr, die der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Berthold von Henneberg zwischen 1484 und 1504 errichten ließ. Sie sollte den rechtsrheinischen Besitz des Fürsten vor Raubüberfällen aus dem Taunus schützen. Vom linksrheinischen Bauherren zeugt noch das Wappen am Turm.

Und weil das Gebiet heute nicht mehr mainzerisch, sondern hessisch sei, sitze neben dem Wap­pen der hessische Löwe. Das Gebiet jenseits der Landwehrgrenze, die parallel zum Main verlief, gehörte im 15. Jahrhundert den Fürsten auf der Burg Eppstein. Die Landwehr sollte Überfälle von dort erschweren. Nachdem die rechtsrheinischen Dörfer um Flörsheim 1803 den Nassauern zugeschlagen wurden, verlor die Warte ihren Zweck und wurde 1817 dem Erdboden gleichgemacht.

Rechts vor dem Eingang in den Turm empfängt der hessische Löwe die Besucher mit blitzenden Zähnen der Flörsheimer Warte. Das bronzene Tier soll demonstrieren, zu welchem Land die Feste gehört. Den Löwen schuf der rheinland-pfälzische Bildhauer Gernod Rumpf. Der aus dem Gebiet des früheren Mainzer Kurfürstentums stammende Künstler wollte die Figur nicht abschreckend gestalten: Sie ist als Spielplatz für Kinder gedacht.

Ein Flörsheimer Winzer stieg als Pächter des spitzen Rundturms ein und bewirtet seither Hunderte von Ausflüglern, die an den Sommerwochenenden Rast an dem idyllisch gelegenen Aussichtspunkt halten. Und der ist längst zum Geheimtip für Erholungssuchende aus der ganzen Region geworden. Denn aus knapp 30 Meter Höhe breitet sich bei gutem Wetter die gesamte landschaftliche Vielfalt der Region aus, mit Taunus, Odenwald, der Mainebene und dem Rheingraben.

 

Am Turm enden der Panoramaweg und der  Weinklaubengang aus Richt ng  Osten. Entlang des „Panoramaweges“ fand im Sommer 1999 ein Bildhauersymposium statt. Unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung haben Künstler in sechswöchiger Arbeit vor Ort fünf große Steinobjekte geschaffen, die den Weg markieren, zum Verweilen und Schau­en anregen. Hier ist nahezu „Unvergängliches“ entstanden, denn diese großen Steinskulpturen werden noch in vielen Jahren den Weg und die Landschaft prägen.

Weiter geht es durch den Weinlaubengang. Er ist ein  Beispiel für die Bezugnahme von Regionalparkweg und überkommener Kulturlandschaft und zeigt die enge Verzahnung zwischen Regionalparkweg und Landschaft. Auf einem Stück des alten Landwehrweges bei Flörsheim stellte die Regionalpark GmbH neun große Rankbögen aus blauen Stahlträgern auf, die von Betonstelen getragen werden. Hier führt der Regionalparkweg durch Wingerte auf einem Hang, an dem schon die Römer Wein angebaut haben. Wilder Wein soll zu einem Spaziergang durch Riesling- und Burgunderreben in die Weinberge locken.

 

Am „Befreiungsstein“ (Grenzstein mit Mainzer Rad) westlich des Turms, der an den Abzug der französischen Besatzungstruppen im Jahr 1929 erinnert, beginnt der Landwehrweg, der sich bis nach Bad Weilbach hinzieht. Der Landwehrweg ist ein alter Grenzweg zwischen der Herrschaft Eppstein, zu der Wicker gehörte, und dem Kurfürstentum Mainz. Hier stand bis 1817 die Warte, ein massiver hoher Steinturm, der bei kriegerischen Ereignissen als Kontroll-, Wehr- und Fluchtturm diente. Sie war Bestandteil der „Kasteller Landwehr“, die Ende des 15. Jahrhunderts auf Veranlassung des Mainzer Erzbischofs Berthold von Henneberg errichtet worden war. Damit sollten die unter Kurmainzer Herrschaft stehenden Untertanen in Amöne­burg, Kastel, Kostheim, Hochheim und Flörsheim „gegen die Räubereien der Bergbewohner“ geschützt werden.

 

Am Aussichtspunkt noch weiter westlich ist auf der Rückseite der Mauer der Sinnspruch eingemeißelt: „Heimat ist die treibende Kraft, für das Volk Gutes zu wirken“ (amor patriae vis agens pro populo bona creare).Von hier sieht man hinab in das Maintal nach Flörsheim und hinüber bis zum Odenwald.

 

Im Vordergrund ist die Weinbergslage „Flörsheimer Herrenberg“. Die zu dieser Lage gehörenden Weinberge wurden erstmals 1270 als Besitz der Mainzer Domherren erwähnt. Ebenfalls zu den Flörsheimer Weinbergslagen zählt die Lage „Flörsheimer St. Anna-Kapelle“

im Bereich der Wiesenmühle. Das Weinanbaugebiet Rheingau wird vom 50. Breitengrad durchzogen, der in Europa bis auf wenige Ausnahmen die Nordgrenze des Weinbaus darstellt. Trotzdem wird hier zu 82 Prozent die wohl anspruchsvollste und edelste Rebsorte, der Riesling, angebaut. Insgesamt sind die besten Weißwein-Anbaugebiete in nördlichen Gefilden zu finden.

Der Riesling beansprucht gute bis sehr gute Lagen. Er paßt sich allen Bodenarten an, bevorzugt aber warme Gesteinsböden mit viel Feinerde. Hier im Rheingau - einem der nördlichsten Weinanbaugebiete der Welt mit großer Sonneneinstrahlung und hoher Luftfeuchtigkeit -

hat er eine besonders lange Reifezeit. Dies gibt ihm die Möglichkeit, Weine von betont feinfruchtiger Eleganz zu entwickeln, die durch Lagerung an Feinheit und Reife noch gewinnen. Das Klima ermöglicht die Ernte vorzüglicher Auslesen, edler Beeren- und Trockenbeerenauslesen und des auf der Welt wohl einmaligen Eisweins.

Im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal liegen die Weinbaugemeinden Assmannshausen und Lorch am Rhein. Sie bilden den Unteren Rheingau. Zwischen Rüdesheim und Wiesbaden, entlang eines schmalen Streifens rechts des Rheins, erstreckt sich der Mittlere Rheingau. Die Orte Kostheim, Hochheim am Main mit Massenheim und Flörsheim-Wicker bilden den Oberen Rheingau. Dieser schöne Flecken Erde ist mit etwa 3.100 Hektar Reben bepflanzt. Hier ist vor allem die Heimat des Rheingauer Rieslings, der auf 2.500 Hektar Rebland wächst, und die des Spätburgunders, für den Assmannshausen bekannt ist. Das Anbaugebiet ist in zehn Großlagen und 119 Einzellagen unterteilt.

Von der Warte geht man den linken Weg zur Kriegergedächtnisstätte. Rechts vor der Gedenkstätte ist ein Steinlabyrinth. Die Flörsheimer „Krieger Gedächtniskapelle“ wurde 1928 zum Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkriegs erbaut. Heute dient sie zur Erinnerung an die Opfer beider Weltkriege. Von hier kann man auf einem Zweig der Regionalparkroute zur Wiesenmühle gehen oder nach Norden auf dem anderen Zweig zur Straßenmühle.

 

Straßenmühle:

Wenn man ann nach Westen aus Wicker herausfährt trifft man auf die Straßenmühle. Auf einer Gesamtlänge von 24 Kilometern gab es am Wickerbach 23 Mühlen. In den Gemarkungen Flörsheim und Wicker sind im Laufe der Jahrhunderte 8 Mühlen nachgewiesen. Die älteste ist die Wickerer Straßenmühle. Der Mühlbach wurde auf Massen­heimer Gemarkung vorn Wickerbach abgeleitet. Den früheren Verlauf kann man heute noch an der Baumreihe erkennen, die parallel zum eigentlichen Wickerbach verläuft.

Die Mühle wird erstmals genannt in einem Dokument von 1318 als „Eppsteiner Mühle“. Alles in allem soll die Straßenmühle stolze 700 Jahre auf dem Buckel haben, ihr Standort war allerdings lange vorher belegt. Die erste urkundliche Erwähnung ist mit 1318 datiert. Sie gehörte den Herren von Eppstein, die das Anwesen aber angesichts knapper Kassen 1492 an den Landgrafen von Hessen verkauften. Die Mühle heißt in einem Dokument aus 1569 deshalb „landgräfliche Mühle“, später „Wicker­mühle“ oder „Straßenmühle

Die Mühle wurde zur protestantischen Enklave im katholischen Wicker und über Jahrhunderte zum Zankobjekt zwischen Hessen und Kur­mainz. Es ging um Pachtforderungen, Leihbriefe, Pfändungen und sonstige Unannehmlichkeiten, bis einfallende französische Truppen zwischen 1792 und 1799 die Mühle zum ersten Mal dem Erdboden gleichmachten. Dies und noch einiges mehr kann man sich beim Schoppen Rheingauer im Flicksehen Weinlager oder auf den Bänken im Hof erzählen. Oder als Zaungäste beim Begutachten des üppigen Bauerngartens, der das Herrenhaus umwuchert.

Die Mühle produziert schon seit 1929 kein Mehl mehr, der Name „Mühle“ ist ihr aber bis heute geblieben. Seit 1998 zieht das alte Herrenhaus innen und außen komplett restauriert bewundernde Blicke auf sich, und wo vor zehn Jahren noch das alte Mühlengebäude und die Scheune vor sich hingammelten, lockt jetzt eine neue Halle im alten Stil genußfreudige Ausflügler, Rheingauer Wein zu verkosten und sich mit heimischem Obst und sonstigen Delikatessen aus dem Hofladen des Flörsheimer Winzers Rainer Flick einzudecken. Der 43-Jährige kaufte das weitläufige Anwesen Mitte der neunziger Jahre von der Gesellschaft zur Rekultivierung der Weilbacher Kiesgruben. Flick hat Platz für seinen expandierenden Betrieb, die Wochenend­tourer durch den Regionalpark als Laufkundschaft und die Routenplaner konnten eine weitere Attraktion auf ihrer Karte verbuchen. Dabei hätte nicht viel gefehlt, und die Attraktion wäre dem Erdboden gleichgemacht worden: Die Dyckerhoff AG kaufte Anfang der achtziger Jahre Grund und Boden, um den Kalkstein im Untergrund zu schürfen. Zuvor war das Anwesen 20 Jahre lang als Bauernhof betrieben worden.

Bachaufwärts vor der Straßenmühle lag die Wickerer Steinmühle, erstmals erwähnt 1597 unter dem Namen „steinmars mulin“. An sie erinnert heute nur noch der Name „Steinmühlenweg“ und das dortige alte Wohnhaus der Müllerfamilie. Die Mühlen waren oft Zielscheibe umherstreifender Soldatenhorden, wurden ausgeplündert und zerstört. In einem Dokument von 1648 wird berichtet, daß alle drei Wickerer Mühlen abgebrannt sind.

 

 

Bad Weilbach

Von Wicker fährt man zunächst   in den Ort   Bad Weilbach und gleich am Ortseingang rechts in den Faulbrunnenweg. Südlich der Autobahn östlich des Faulbrunnenwegs ist die Natron-Lithionquelle. Die zweite Quelle ist die Schwefelquelle. Erwähnt wird die Schwefelquelle unter der Bezeichnung „Faulborn“ erstmals im Jahre 1650 im so genannten Beedbuch (Steuerbuch) der Gemeinde Weilbach. Nach mündlichen Überlieferungen soll das Wasser zur Heilung von Ausschlag und Geschwüren sowie zur Stärkung von Brust und Magen genutzt worden sein. Für chronische Katarrhe, bei Keuchhusten, Verdauungsstörungen und Appetitlosigkeit sollte das Bad Weilbacher Schwefelwasser helfen. Die Einwohner hatten die Quellen mit Bohlen aus Eichenholz eingefaßt, der Brunnen wurde einmal im Jahr von den Feldschützen gegen Zahlung von vier Käsen und einen Laib Brot von jedem Bürger gereinigt.

Die Resultate der Untersuchungen des Wassers auf seinen Gehalt an Schwefelwasserstoff waren gut, die Bad Weilbacher Quelle ist eine der an Schwefel reichsten Mineralquellen in Deutschland. So wurde beschlossen, die Schwefelquelle zu einem Gesundbrunnen auf Staatskosten zu machen. Im Jahre 1786 wurde die Quelle schließlich gefaßt. Der gute Ruf der Bad Weilbacher Schwefelquelle verbreitete sich schnell, 100.000 Krüge Schwefelwasser wurden jährlich versandt.

An die Quelle kamen jedoch nur wenige Menschen, dazu war ihre Lage zu einsam, waren die Verbindungswege zu schlecht, die Unterkünfte zu wenig. Die Herzoglich Nassauische Domä­nen­verwaltung übernahm 1803 die Quelle. Später wurde ein Kurhaus gebaut mit einem großen und einem kleinen Speisesaal, Räume zur Unterhaltung der Gäste sowie 80 große und kleine Zimmer. Das Badehaus bestand aus zwölf Badezellen und einem großen Saal, wo das Wasser inhaliert werden konnte. In der Nähe der Quelle wurde zudem ein Gurgelraum für die Kurgäste gebaut.

Einen prominenten Trinker des Bad Weilbacher Wassers gab es natürlich auch: Johann Wolfgang von Goethe lobte in einem Brief, den er am 4. Juni 1815 an seine Frau schickte, die „köstliche Wirkung des Weilbacher Wassers“. Im Jahr 1860 wurde dann auch die Natron- Lithionquelle gefaßt. Seit 1866 kamen beide Quellen sowie die Kurgebäude und Anlagen in den Besitz des Königlich Preußischen Domänenfiskus. Bis 1880 wurde das Wasser in großen Mengen in Süd- und Westdeutschland durch den Fachhandel verkauft.

Am 31. Mai 1911 verkaufte die Königliche Regierung die Kureinrichtungen von Bad Weil­bach dem Reifensteiner Verband für Wirtschaftliche Frauenschulen auf dem Lande. Der neue Besitzer verpflichtete sich, die auf den gekauften Grundstücken befindlichen Mineralquellen zu erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Im Jahre 1911 eröffnete der Verband eine Frauenschule mit 75 Ausbildungsplätzen; die Frauen wurden als ländliche Haushaltsgehilfinnen ausgebildet. Angegliedert wurde später die Kolonialfrauenschule. Dort bereiteten sich Frauen darauf vor, in deutschen Kolonien als Farmgehilfinnen zu arbeiten oder selbstständige Anstellungen in Siedlungen zu übernehmen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Abteilung wieder aufgelöst, 1971 schloß auch die Landfrauenschule.

Heute sind dort Wohnungen am Rande des alten Kurparks mit seinem schönen Baumbestand. Die Platanenallee, die von der Landstraße zur Quelle führt, stammt aus der Gründungszeit und gilt heute als Naturdenkmal.   Quelle, Park und Allee wurden von der Stadt Flörsheim saniert. Bad Weilbach ist heute ein zentraler Naherholungsort für die Stadt. Rad- und Wanderwege kreuzen diesen Bereich. Es gibt auch immer noch Menschen, die mit Kanistern zur Quelle kommen, um sich Wasser für die häusliche Trinkkur zu zapfen.

Nach Süden fährt man wieder heraus durch die „Allee“, eine denkmalgeschützte Platanenallee, und auf der Bundesstraße dann nach Flörsheim

 

 

Flörsheim

Der Name Flörsheim entstand aus der Bezeichnung „Flaritesheim“ oder „Flaradesheim“ (Wohn­sitz des Flarido). Ein Mann namens Flarido hatte also soviel Einfluß und Macht, daß er ein ganzes Dorf nach sich benennen konnte. Um 828 wurde „Flaritesheim“ zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt. Die Bezeichnung „Stadt“ hat der Ort erst 1953 erhalten, obwohl Flörsheim schon seit Jahrhunderten ein wichtiger Marktflecken und Handelsplatz war

Das Dorf war in Form eines Ringes - „Ringdorf“ - angelegt, dessen Zentrum sich ungefähr unterhalb der heutigen Gallus - Kirche befand. Später wurde es zu einem „Wegedorf“ erweitert und war ab Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1764 mit Mauern und Gräben umgeben. Die zur Stadtbefestigung gehörenden Türme standen bis 1818. Um den Ort vergrößern zu können, ebnete man den Graben ein und riß Mauern und Türme ab. Flörsheim dehnte sich im Laufe der Jahre bis hin zur heutigen Bahnstrecke (die schon 1839 hier verlief) aus.

Aus alten Rechnungen weiß man Bescheid über den Bau der Ortsmauer, denn am 28. Dezember 1547 quittierten Bertin Althen und Peter Duchmann den Erhalt von 80 Gulden durch das Domkapitel. Dafür sollte bis Sommer 1548 die Ortsmauer bis zur Oberpforte fertiggestellt sein. Die Ortsmauer verlief also parallel zur östlichen Obermainstraße bis zum Obertor, führte dann einen Graben entlang (der heutigen Grabenstraße) bis zum Untertor (30) und weiter bis an den Main. Dort führte sie nach Osten wieder bis zum Mainturm.

Neben dem Mainturm weiß man noch von weiteren Türmen. Ein Turmstumpf ist sichtbar vom Stadtgarten aus als umgebaute Laube des Anwesens „Obermainstraße 6“, Fundamente eines Turms fanden sich bei Grabungen in der Grabenstraße (parallel zum Mainufer) in Höhe des Rathenau - Platzes (29). In einigen Straßennamen Flörsheims haben sich Namen erhalten, die auf die Ortsbefestigung Bezug nehmen, zum Beispiel „Am Strohpförtchen“, das an einen Fußweg in den befestigten Ort erinnert. Die Ortsmauer leistete über 200 Jahre ihre Dienste; im April 1767 begann man mit der Schleifung, da sie in der Neuzeit funktionslos geworden war.

 

(1) Oberpforte (Obere Pforte):

Die Obere Pforte befand sich in der Obermainstraße ungefähr dort, wo heute das Haus mit dem Optikergeschäft steht. Sie war früher eine von mehreren Pforten in den Ort. Wer zum Beispiel aus Richtung Weilbach oder Eddersheim nach Flörsheim hinein wollte, mußte durch dieses Tor. Für die Bewohner waren die Mauern, die das Dorf umgaben, sowohl ein wichtiger Schutz gegen Angreifer in kriegerischen Zeiten als auch vor Räubern und Dieben, die durch das Land streiften.

 

(2) Christ-Königs-Kapelle:

Wenn man nun von der Ampel aus in Richtung Main geht und der Obermainstraße folgt, sieht man gleich auf der linken Seite die Christ - Königs - Kapelle von dem Bildhauer Schichtel. Sie wurde 1927 eingeweiht, also mehr als ein Jahrhundert später als der Abriß der Stadtmauer und ist seitdem einer der vier Prozessions - Altäre an Fronleichnam und am „Verlobten Tag“ in Flörsheim.

 

(3) Dreihäusergasse:

Mit dem Rücken zur Kapelle schaut man in eine Gasse hinein - die Dreihäusergasse (nördlich der Hauptstraße, die östlichste der kleinen Straßen). Auf die Zahl der drei Häuser kommt man, wenn man nur die Häuser nimmt, die wirklich zu der Straße zählen und nicht auch die, die zu den angrenzenden Straßen gehören.

Wie die Ortsmauer ausgesehen hat, kann man gut am Mauerwerk des ersten Hauses in der Obermainstraße und in der Dreihäusergasse erkennen. Man verwendete Bruchsteine, also Felsstücke aus Steinbrüchen, die eine unregelmäßige Form, unbearbeitete Flächen und scharfe Kanten haben. Sie wurden auf gewünschte Größe gebrochen oder grob behauen, um ein bestimmtes Format zu erhalten.

 

(4) Fachwerkhaus:

In der Hauptstraße sieht man gegenüber der Dreihäusergasse ein Fachwerkhaus, das in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut wurde, wie man aus der Art des einfachen Fachwerks schließen kann. Es ist typisch für diese Zeit. Natürlich muß man sich den modernen Anbau wegdenken.

 

(5) Patrizier-Haus:

Das herrschaftliches Patrizier-Haus Obermainstraße 6 ist aus dem Jahre 1661. Um das Jahr 1740 wurde ein Frankfurter Bürger namens Johann Philipp von Uffenbach als Besitzer erwähnt. Im Jahre 1758 fiel dann das Haus an die Familie des kurmainzischen Rates Gottfried von Gall. Um 1800 wechselte es in den Besitz des Oberschultheißen Martin Neumann und 1825 an dessen Schwiegersohn Oswald Weilbacher. Ein Turmstumpf ist sichtbar vom Stadtgarten aus als umgebaute Laube des Anwesens „Obermainstraße 6“,

 

(6) Apothekengasse:

Das Haus, in dem sich auch einmal die heutige Schlosserei Dasbach befand, war ab 1868 die erste Apotheke in Flörsheim.

 

(7) Obermainstraße 9:

Auf der anderen Seite der Obermainstraße steht das Haus Nummer 9. Dieses Haus ist durch seine Bauart nämlich etwas ganz besonderes. Es war im 17. und 18. Jahrhundert üblich, die Häuser nach fränkischer Bauart mit der Giebelseite zur Straße hin zu bauen, so daß man von der Straße aus nur die schmale Seite des Hauses sah.

Der Erbauer dieses Hauses aber wollte etwas Besonderes. Er hieß Martin Neumann und war ein angesehener und vermögender Mann. Als Gerichtsschreiber und Schultheiß gehörte er dem Flörsheimer Gericht an. In seinem Haus befand sich außerdem auch die Gastwirtschaft „Zum Löwen“, die er neben der Landwirtschaft und seinen anderen Pflichten betrieb.

Um allen seinen Wohlstand zu beweisen und die Breite seines Grundstücks hervorzuheben, ließ er sein Haus mit der Traufseite, demnach der breiten Seite, zur Straße hin bauen. Im oberen Teil des Sandsteinbogens der Hofeinfahrt hat er das Baujahr des Hauses 1766 und seine Initialen „M + N“ verewigt. Sein Sohn war der Oberschultheiß Martin Neumann, dem nach 1800 das Patrizier-Haus gehörte.

Im Rahmen der Altstadtsanierung ist die Obermainstraße zur „Dorfstraße“ zurückgebaut worden. Man findet hier wieder ein eher verwinkeltes Straßenbild mit typischen Elementen der Dorfstraße, wie zum Beispiel einem Brunnen. Überhaupt ist die städtebauliche Entwicklung der Ortskerne seit Jahren für die Stadt Flörsheim ein wichtiges Ziel: Im Jahre 1986 wurde Flörsheim in das Städtebauförderungsprogramm aufgenommen. Dies konnte natürlich nur geschehen, weil die Stadt schon Jahre zuvor, aus eigenem Antrieb und ohne Hilfestellung von außen, mit der Ortskernsanierung begonnen hat

 

(8) Brunnen mit Schwengelpumpe:

Mitten in der Straße steht ein Brunnen mit Schwengelpumpe. Wer Wasser wollte, mußte es Eimer für Eimer hier oder an anderen Brunnen im Ort holen und nach Hause schleppen. Es bedeutete Mühe, das Wasser zum Kochen und Waschen oder auch das Trinkwasser für das Vieh ins Haus zu holen, also ging man sehr sorgsam damit um. Die zentrale Wasserversorgung in Flörsheim wurde 1927 in Betrieb genommen - kaltes Wasser versteht sich.

 

(9) Mainturm:

Der Mainturm ist das älteste noch erhaltene Flörsheimer Bauwerk und Teil der früheren Befestigungsanlage von Flörsheims Altstadt, die 1548 fertiggestellt wurde. Es war für Flörsheim die zweite ihrer Art, denn schon im 14. Jahrhundert war Flörsheim befestigt worden. Bei der alten Ortsbefestigung hatte es sich jedoch lediglich um eine aus Holz gehandelt.

Der Mainturm bot aber lediglich einen Durchlaß für Fußgänger, Karren und Gänse. Fuhrwerke mußten an anderen Stellen, zum Beispiel an der Ankerpforte, der großen Mainpforte oder dem Untertor in den Ort hinein oder hinaus.

Der Main spielt in der Stadt eine große Rolle. Zum einen diente er als Ernährungsgrundlage durch seinen Fischreichtum, zum anderen war er Transportweg für Waren. Es war einfacher, Handelsware auf einem Schiff zu transportieren, als sie auf Ochsenkarren über holprige Straßen zu befördern und die Gefahr einzugehen, überfallen zu werden.

Und mit dem Main war auch das Hochwasser im Laufe der Jahrhunderte in Flörsheim immer wieder ein Thema. Vor allem die Bewohner der Obermainstraße hatten dadurch oft große Schäden an ihren Häusern. An der Hochwassermarke am Mainturm ist zu erkennen, wann das Wasser wie hoch stieg.

 

(10) Der Außenbrunnen am Kunstforum Mainturm:

Der Brunnen stellt wichtige Ereignisse in Flörsheims Geschichte dar: Die römische Legionsstandarte weist auf das römische Reich, also die Anwesenheit der römischen Legionen bis in das 4. Jahrhundert nCh hin. Der Landsknecht - Stiefel erinnert an die Kriege des Mittelalters, die auch Flörsheim nicht verschonten. Ein Hinweis auf die jüdische Gemeinde in Flörsheim ist der siebenarmige Leuchter. Der Bischofsstab besagt die ehemalige, über 1000-jährige Zugehörigkeit zum Erzbistum Mainz. Sogar die Französische Revolution im Jahre 1789 wird durch eine Mütze symbolisiert. Damals war der Mainzer Raum durch die französische Armee besetzt und als Antwort auf diese Zeit entstand das fassenachtliche Treiben, indem man die Soldaten mit ihren Uniformen im Spaß imitierte. Die Fische im Netz erinnern an die Fischer, die hier lebten.

 

(11) Mainstein:

Die Idee stammte vom damaligen Bürgermeister Dieter Wolf. Die Konzeption und Ausführung im Jahre 1984 vom Steinbildhauermeister Rainer Uhl. Dargestellt sind auf der Sand­stein - Stele Ereignisse der gesamten Stadt. Zwischen Frankfurter und Mainzer Dom windet sich der Main um die Stele und präsentiert für Flörsheim und seine Stadtteile wichtige Figuren, Ereignisse und Gebäude. Da sind der Fischer und das Netz mit Fischen als Lebensgrundlage und der Main als Handelsweg. Hinweise zur Landwirtschaft mit Gänsen, Getreide und Rebstöcken sind ebenso zu sehen wie der Mainzer Dom mit seinem Erbauer Erzbischof Willi­gis und der Frankfurter Dom mit dem fränkischen König Karl dem Großen.

Markante Gebäude und Einrichtungen sind zu sehen. Ebenso sind Motive des Rheingaus, mit dem uns der Wein verbindet, wie das Schloß Johannisberg und der Oestricher Kran in Stein gehauen. Und auch - nicht zu vergessen - die bildliche Schilderung der Prozession am Verlobten Tag. Ganz oben aber, an der Spitze des Steines, sitzt der Narr, das Symbol der Fassenacht, mit seinem Spiegel.

 

(12) Ankerpforte:

Vom Mainstein aus geht man jetzt durch die ehemalige Ankerpforte, die groß genug war, um auch Fuhrwerke durchzulassen, wieder in die Obermainstraße hinein. Der Name „Ankerpforte“ kommt von dem Gebäude gleich auf der linken Seite, dem früheren Gasthaus „Zum Anker“. Erbaut wurde das Haus im Jahre 1647, wie man im Gasthausschild mit Anker, Krug und Pokal an der eingefügten Jahreszahl erkennen kann. Im Jahre 1670 wird es erwähnt als Besitz einer Eva Pfannkuch, wahrscheinlich der Witwe eines kurmainzischen Rittmeisters gleichen Namens. Ein ebenfalls bemerkenswertes Fachwerkhaus findet sich an der Ecke zur Borngasse

Der Charakter der Altstadt hat sich hier, nach nur wenigen Metern Entfernung von der Obermainstraße, gründlich gewandelt. Ist die Obermainstraße geprägt durch große Gehöfte, liegen die Häuser in der Fischergasse und Borngasse eng gedrängt aneinander. Für das Fachwerkhaus an der Ecke der Borngasse ist das Datum 1667 nachgewiesen. Das eingebaute Wappen ist nicht geklärt. Es kann sich um das Wappen des Besitzers handeln, es kann aber auch nur ein Stein sein, die als Zierstein beim Bau des Hauses eingesetzt worden ist.

 

(13) Mainschlößchen:

Direkt gegenüber, an der anderen Seite der heutigen Hochwassersperre, steht ein Haus, das sehr viel später erbaut wurde - nämlich um 1900 herum. Diese Zeit nennt man Jugendstil.

Die Größe des Hauses macht wieder deutlich, daß der Erbauer ein wohlhabender Mann war, der sein Geld durch unternehmerische Tätigkeiten verdiente. Es war die Zeit der Industrialisierung in Deutschland.

(14) Die Hochwassersperre soll die Bewohner der Obermainstraße vor Hochwasser schützen. Starke Regenfälle oder auch Schneeschmelze führen immer wieder zu Pegelhochständen der Flüsse und damit oft zu Überschwemmungen.

 

(15) Gasthaus „Zum Stern“:

Mit dem Rücken zur Hochwassersperre schauen wir direkt auf das Gasthaus „Zum Stern“. Das große Grundstück weist auf die einst betriebene Landwirtschaft hin. Es war durchaus üblich, daß Landwirte zusätzlich noch eine Gaststätte betrieben und somit wohlhabend wurden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das alte Fachwerkgebäude durch Bombenangriffe in der Nacht vom 8. auf den 9. September 1942 zerstört. Beim Wiederaufbau erscheint das Fachwerk des Obergeschosses nur als Imitation.

 

(16) Wohn- und Gasthaus „Zum Engel“:

Man geht ein paar Schritte nach rechts und steht wieder vor einem Wohnhaus wohlhabender Leute (Hausnummer 19), eines der prächtigsten Privatgehöfte aus dem 17. Jahrhundert. Das Erdgeschoß ist zum Schutz der Bewohner gegen Hochwasser sehr hoch gelegen.

Es ist eines der ältesten Wohnhäuser Flörsheims und durch seine Bauweise und das schöne Fachwerk etwas besonderes. Eine Inschrift am rechten Eckbalken lautet: „Dieses Haus steht in Gottes Hand, Gott bewahre es vor Wasser und Brand. Gg. Bernhardt, seine eheliche Hausfrau, Christina, Anno D. 1667.“ Georg Bernhardt war Oberschultheiß von Flörsheim und muß es zu erheblichem Wohlstand gebracht haben, wie das Haus in der Obermainstraße und zwei noch erhaltene, von ihm gestiftete Flurkreuze (eins an der Riedstraße und eines am Kreuzweg) und eine Kirchenstiftung berichten.

 

(17) Fischergasse (erste Straße rechts):

Hier sind die Häuser Grundstücke merklich kleiner als die der Bauern in der Obermainstraße oder in der Hauptstraße. Neben Lagermöglichkeiten für Fischereigerät war immer noch genug Platz für eine Ziege oder ein Schwein, die den Speiseplan durch frische Milch oder einen Schinken von Zeit zu Zeit aufwerteten. Die Boote der Fischer, die Nachen, lagen angebunden am Flußufer. Nur bei Hochwasser wurden sie an Land gebracht.

 

(18 ) Borngasse (zweite Straße rechts):

Auch in der Borngasse wohnten Fischer, aber auch Handwerker. Wie in der Fischergasse sind hier die Häuser und Grundstücke relativ klein, bis auf das untere rechte Eckhaus. Es wurde 1667 gebaut und hat drei, statt zwei Stockwerke und ein besonders kunstvolles Fachwerk.

Der Name Borngasse leitet sich von Born = Brunnen ab, der einmal in dieser Gasse stand und der täglichen Wasserversorgung diente.

 

(19 ) Gasthaus „Zum Hirsch“:

Früher trafen sich die Menschen am Abend in der Wirtschaft bei einem Glas Apfelwein, um miteinander zu reden, Nachrichten auszutauschen und Karten zu spielen. Das Wirtshaus war ein wichtiger Treffpunkt. Hier wurden Geschäfte abgeschlossen, Ehen vermittelt und Klatsch und Tratsch ausgetauscht.

Das Gasthaus ist dreihundert Jahre alt und wurde von Anfang an bis heute ständig bewirtschaftet. Damit dürfte es das älteste, heute noch bestehende Gasthaus in Flörsheim sein. Bis etwa 1960 gab es hier noch einen großen Saalbau, in dem zum Beispiel der Kerbetanz, Theatervorführungen und Maskenbälle stattfanden.

Auf der Mauer, die die Terrasse umgibt, steht die Figur des Heiligen Nepomuk. Eigentlich ist er ein Brückenheiliger, steht aber ebenfalls oft in der Nähe von Gewässern, da er der Legende nach den Märtyrertod starb, indem er nach Folterung von der Prager Karlsbrücke gestoßen wurde. Er wollte dem König nicht verraten, was ihm dessen Frau während der Beichte anvertraut hatte.

 

(20) Große Mainpforte:

Die Große Mainpforte, durch die man Zugang um Landeplatz (Konrad - Adenauer - Ufer) für Schiffe und Flöße und zum Stapelplatz für Waren verschiedenster Art (Steine, Holz, Weinfässer) hatte, befand sich am Ende der heutigen Pfarrer – Münch - Straße (dritte rechts), links vom Gasthaus „Zum Hirsch“ (vom Main aus gesehen).

Als der Main noch ein wichtiger Transportweg war, reichte der Landeplatz vom Bootshaus bis hin zum Berliner Brunnen, wo sich der Fähren - Anlegeplatz befand. Zur Erinnerung an die Fähre von „hibb nach dribb“ wurde dort und auf der Raunheimer Seite eine Steinstele aufgestellt.

Wichtig war die Fähre, die schon im 13. Jahrhundert existierte, um zum Beispiel in den Flörsheimer Wald zu kommen, der schließlich auf der anderen Mainseite liegt. Erst im Jahre 1928 wurde zwischen Rüsselsheim und Flörsheim die erste feste Brücke gebaut, die „Opel-Brücke“. Sie wurde wegen des wachsenden Verkehrsaufkommens durch eine neue, größere Brücke, die „Main- Brücke“ ersetzt.

 

(21) Malzfabrik:

Oberhalb des Gasthauses „Zum Hirsch“ befand sich eine Mälzerei, erbaut 1885, die „Malzfabrik“. Hier wurde Gerste zu Malz verarbeitet, um es später mit Hopfen und Wasser zum Bierbrauen verwenden zu können. Es gab um 1900 sechs solcher Mälzereien in Flörsheim. Die ortsansässigen Bierbrauer hatten nämlich, wahrscheinlich um sich lange Transportwege zu sparen, auch gleich eine hauseigene Mälzerei. Diese Mälzerei hier in der Untermainstraße wurde 1973 abgebrochen und auf dem Grundstück wurde eine Wohnanlage errichtet, die selbstverständlich den Namen „Alte Malzfabrik“ trägt.

 

(22) Pfarrer-Münch-Straße (dritte Straße rechts):

Pfarrer Münch war der Mann, der während der Pest in Flörsheim den Bewohnern in jeglicher Hinsicht zur Seite gestanden hat und nicht bereit war, aufzugeben - also ein wahrer Held seiner Zeit. Als die Pest im Sommer 1666 wütete und etliche Flörsheimer dahinraffte, wurde die Situation für die rund 700 Flörsheimer scheinbar ausweglos. Pfarrer Münch vermerkt im Kirchenbuch 160 Tote - und das bei 700 Einwohnern!

Da leisteten Pfarrer Laurentius Münch und die Gemeinde am 28. Juli 1666 ein Versprechen für sich und ihre Nachkommen: „Solange in Flörsheim steht Stein auf Stein, wollen wir eine Dankprozession zum Lobpreis des Allerhöchsten alljährlich durchführen, wenn wir von der Pest erlöst werden.“ Am 27. Januar 1667 schreibt er in einer Randbemerkung, daß die Pest zu Ende ist.

Seitdem halten die Flörsheimer dieses Versprechen und feiern jedes Jahr den „Verlobten Tag“ mit einer Prozession wie am Fronleichnamsfest („mit brennenden Kerzen“) - auch in schweren Zeiten. Daß es der letzte Montag im August ist, war nicht von Beginn an so. Erst seit 1866 begehen die Flörsheimer an diesem Montag ihren Verlobten Tag. Nicht nur für die Katholiken, für die ganze Gemeinde ist dies ein hoher Feiertag. Bis in die dreißiger Jahre nahmen auch die jüdischen Flörsheimer an der Feier teil, indem sie mit einer Station auf dem Prozessionsweg an die jüdischen Opfer der Pest erinnerten. Dazu wurde das Memorbuch der jüdischen Gemeinde ausgestellt

Aber auch am Vorabend des Verlobten Tages wird ein Versprechen eingelöst. Die Mitglieder des Flörsheimer Gesangvereins „Sängerbund“ 1847 e. V. haben anläßlich ihres 100jährigen Bestehens im Jahre 1947 gelobt, zur Einstimmung auf den Verlobten Tag am Abend davor ein Vermächtniskonzert abzuhalten, welches seitdem jedes Jahr immer wieder aufs Neue mit großem Zuspruch stattfindet. Nach dem Konzert gibt es eine ökumenische Prozession zum Pestkreuz in der Hauptstraße. 

 

(23) Fachwerkhaus:

Das Fachwerkhaus, das an der linken oberen Ecke der Pfarrer-Münch-Straße steht, wurde 1700 erbaut. Das beweist ein Ziegel, den der jetzige Besitzer bei der Sanierung seines Daches fand. Die auf dem Ziegel dargestellten Motive hat er, für jeden sichtbar, an die Wand seines Hauses gemalt. Nicht nur das Dach, sondern das gesamte Fachwerk wurde im Rahmen der Altstadtsanierung, die 1975 begann und bis heute noch nicht abgeschlossen ist, erneuert und verschönert.

In früheren Jahren wurden Fachwerkhäuser verputzt, in dem Glauben, die Holzkonstruktion dadurch zu schützen. Doch leider war das Gegenteil der Fall. Beim Freilegen der Balken, mußten viele der Holzteile ausgesägt und durch neue ersetzt werden, um die Stabilität des Hauses weiter zu gewährleisten. Durch etliche Sanierungsmaßnahmen in der Flörsheimer Altstadt hat sich das Stadtbild zu seinem Vorteil hin verändert. Für diese Stadterneuerung erhielt die Stadt Flörsheim am Main auch Auszeichnungen von Bund und Land.

 

(24) Untermainstraße:

Hier in der Untermainstraße finden sich heute noch einige große Anwesen, die früher landwirtschaftliche Betriebe waren. Von der Pfarrscheune und dem Pfarrhof, die sich dort befanden, wo heute das Gemeindezentrum St. Gallus steht, ist leider gar nichts mehr zu sehen. Das Haus, in dem sich die Gaststätte „Zum Karpfen“ befand, links vom Pfarrhof, steht allerdings noch. Es war - wie so oft - Gaststätte und Bauernhof in einem.

Außerdem war es einmal im Besitz der „Prediger-Herren“ (Mönche des Dominikaner-Ordens aus Frankfurt). Dieser Orden besaß in Flörsheim große Ackerflächen und einen Weinberg, wie auch andere Ordenshäuser, zum Beispiel die Kartäuser. Ein Stück weiter die Untermainstraße entlang sieht man im Torbogen eines ehemaligen Bauernhofes (Hausnummer 15) die in Stein gehauene Jahreszahl 1683.

Da die Untermainstraße direkt an der Stadtmauer verlief, gab es natürlich auch einige Durchlässe zu den Mainwiesen hin, wie zum Beispiel das Strohpförtchen, was der Straßenname heute noch beweist oder das Gänsepförtchen (zwischen Hausnummer 44 und 46). Woher der Name Strohpförtchen kommt, ist leider nicht geklärt. Aber sicher ist, daß durch das Gänsepförtchen die Gänse auf die Mainwiese zum Gänskippel getrieben wurden.

Auch hier sind die alten Häuser und Grundstücke viel kleiner sind als die Häuser, die beispielsweise in der Nähe des Gemeindezentrums stehen. Hier wohnten wohl eher Fischer oder Tagelöhner mit ihren Familien, ähnlich wie in der Fischer- oder Borngasse.

 

(25) Karthäuser Hof (auch: die Kartause):

An der Kreuzung von Untermain- und Kartäuserstraße steht der ehemalige Wirtschaftshof des Kartäuserklosters in Mainz. Dort, wo man gegenwärtig im Restaurant essen oder Gäste im Hotel übernachten können, hatten im 18. Jahrhundert Mönche des Mainzer Kartäuser-Ordens ihren Wirtschaftshof. Die Anlage stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Mainzer Kartäuser besaßen in der Gemarkung Flörsheims viele Felder, deren Erträge sie in ihrem Wirtschaftshof, 1733 erbaut, weiterverarbeiteten oder lagerten. Das Mainzer Kartäuserkloster zählte in Flörsheim zu den reich-begüterten Orden der Gemeinde. Im Jahre 1781 wurde das Kloster durch den Mainzer Kurfürsten Friedrich Carl Joseph von Erthal aufgelöst, wobei dessen Besitz an die Mainzer Universität fiel. Nicht zu übersehen ist eine Statue des Hl. Bruno, des Gründers des Ordens, die auf dem überdachten Balkon der abgerundeten Hausecke steht.

 

(26) Pelzfabrik:

Direkt links neben dem Kartäuser Hof sehen wir das Modellhaus der ehemaligen Fayence-Fabrik, in dem die Formen zur Herstellung der Fayence erstellt und aufbewahrt wurden. Gleichzeitig auch als Wohnhaus des Direktors jener Fabrik diente. Die Fayence-Manufaktur war 1765 vom Mainzer Kurfürsten in Flörsheim angesiedelt worden und stellte hochwertige Steingutwaren her.

Am Ende des 19. Jahrhunderts, der Kurstaat war schon lange zugrunde gegangen, siedelte sich in dem Gebäude eine Pelzschneiderei an. Aus dieser Zeit stammt der im Flörsheimer Volksmund existierende Name für das Haus: „Pelz-Fabrik“. Ende des 19. Jahrhunderts hat der

Steingutfabrikant Wilhelm Dienst das Haus als Fertigungsstätte für seine Waren genutzt.

Folglich eine ähnliche Ware, viel grober, aber dafür bruchfester und für den alltäglichen Gebrauch einfacher Leute gemacht.

Im gleichen Gebäude war bis 1900, dem Jahr, in dem Flörsheim eine eigene evangelische Kirche erhielt, der Gebetssaal der evangelischen Gemeinde untergebracht. Die heutige Evangelische Kirche (Bahnhofstraße 14) wurde 1901 erbaut von Ludwig Hoffmann im Stil des Historismus und hat vorwiegend gotische Stilelemente. Bei der Renovierung 1998 wurde die ursprüngliche Bemalung wieder hergestellt.

 

(27 ) Gänskippel:

Deutlich für jeden steht hier die Gänsemutter mit ihren Küken und zeigt genau, an welcher Stelle die Gänse auf die Weide durften. Der Kippel ist ein Wort für eine kleine Anhöhe, die im Falle des Gänskippels aus dem Abbruch eines Turms der Ortsbefestigung entstanden ist. Der Bauschutt wurde verteilt und wölbte sich zu einem fast nicht sichtbaren Hügel.

„Bewacht“ werden die Metall-Gänse vom „Gänskippelschorsch“, dessen Steinbildnis an der Wand angebracht ist. Diesen Mann hat es nie wirklich gegeben. Der Flörsheimer Journalist und Ehrenbürger Jakob Altmaier (* 1889, † 1963) hat ihn erfunden, um in seinem Namen Glossen über Flörsheimer Geschehnisse zu schreiben. Ein Pseudonym also mit gewissem Bekanntheitsgrad.

Am Konrad-Adenauer-Ufer steht ein Reliefstein. Es zeigt den „Gänsekippelschorsch“. Unter diesem Pseudonym schrieb der Flörsheimer Journalist in den 1920er Jahren in der Flörsheimer Zeitung. Im Jahre 1889 in eine große jüdische Flörsheimer Familie hineingeboren (Elternhaus in der Hochheimer Straße 4) war Jakob Altmeier Soldat im Ersten Weltkrieg, lebte anschließend unter anderem in Frankfurt und Berlin und reiste häufig ins Ausland. Früh war er Mitglied bei der SPD; Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“, des „Vorwärts“ und nahm am spanischen Bürgerkrieg teil.

Als Jude und Sozialdemokrat war er den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten von Beginn an besonders heftig ausgesetzt, so daß er bereits 1933 emigrierte. Er lebte während des Zweiten Weltkrieges in Kairo. Im Jahre 1948 kehrte er auf Bitten des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher nach Deutschland zurück. Er vertrat den Wahlkreis Hanau-Gelnhausen seit 1949 als Mitglied des Bundestages in Bonn. Seit 1949 war er bis zu seinem Tod 1963 in Bonn Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Im Jahre 1954 wurde er Ehrenbürger der Stadt Flörsheim. Er hatte Beziehungen zu zahlreichen Politikern seiner Zeit (Eisenhower, Kennedy, aber auch Papst Pius XII. und Johannes XXIII.). Jakob Altmeier war maßgeblich am Aufbau der Beziehungen zwischen Israel und der Regierung Adenauer beteiligt. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Flörsheim beigesetzt. Nach der Familie Altmaier ist gleichfalls eine Straße in Flörsheim benannt.

 

(28) Pestkreuz:

Wenn man vom Spielplatz aus wieder in Richtung Hauptstraße geht, kommt man direkt an das Pestkreuz. Es wurde im Jahre 1712 in Erinnerung an das Pestjahr 1666 an der früheren Ortsmauer, die die linke Seite der Untermainstraße bildete, von den Eheleuten Goßlar (Seßler?) errichtet. Als die Mauern abgebrochen wurden, versetzte man das Pestkreuz an die heutige Stelle. Die westliche Straßenseite der Hochheimer Straße wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts bebaut. Bis zum 19. Jahrhundert verlief hier die Ortsmauer. Es ist zu vermuten, daß das Kreuz an die Ortsmauer gelehnt war, bis man diese abriß, um dort eine Häuserzeile zu bauen. Im Jahre 1966 wurde das alte, kleine Haus abgerissen und ein neues, zweigeschossiges Haus erbaut. Das Kreuz blieb während der Bauzeit an seinem Platz stehen, wie alte Fotos zeigen. Am Verlobten Tag ist das Pestkreuz immer einer der vier Altäre der Prozession.

 

(29) Untere Pforte:

Die Untere Pforte befand sich in der Hochheimer Straße ungefähr zwischen der Bleich- und der Grabenstraße. Ging man durch die Untere Pforte, gelangte man auf die Wege nach Hochheim, Mainz und Wicker. Im Jahre 1818 wurden beide Pforten, also Untere und Obere Pforte, bei Abbruch versteigert, das heißt, die Menschen kauften nicht das Bauwerk, sondern die Steine, aus denen die Türme mit den Pforten errichtet waren.

Wie viele andere Straßennamen hat auch die Grabenstraße den ihren zu Recht. Hier lief der Graben entlang, der zusammen mit der Ortsmauer die Bewohner vor Eindringlingen und Überfällen schützen sollte. Bereits 1764 war mit der Niederlegung, dem Abriß, der Ortsmauer begonnen worden. Die Gräben wurden eingeebnet. Nach 1820 baute man dann die ersten Häuser in der heutigen Grabenstraße.

 

(30) Fayence-Fabrik (westliche Hauptstraße):

Im Haus Hauptstraße 42 war ab 1765 die Flörsheimer Fayence Fabrik. Hier wurden also die feinen Keramikwaren gefertigt, für die Flörsheim so bekannt ist, daß man das Markenzeichen, nämlich „FFF, 1952“ mit in das Stadtwappen übernommen hat. Die Flörsheimer Fayence Fabrik entsteht aufgrund eines Vertrages des Kartäuser-Klosters in Mainz und der künftigen Pächter. Für die Produktion benötigten die Pächter aber noch die Verleihung eines Privileges durch den Landesherrn, den Kurfürsten. Damit verbunden war unter anderem die Zollfreiheit für die Einfuhr der notwendigen Rohstoffe und die Ausfuhr der hergestellten Produkte, außerdem Einfuhrverbote für Konkurrenz-Erzeugnisse. Zeitweise waren in der Flörsheimer Fayence Fabrik 60 Arbeiter beschäftigt, für die damalige Zeit eine beachtliche Anzahl.

 

Mikwe (Hausnummer 55):

Wenn man die Hauptstraße entlang geht, kommt man an der Hausnummer 55 vorbei, einer Hofanlage mit drei Fachwerkwohnhäusern und überdachtem Hoftor. Die beiden Wohngebäude an der Hauptstraße sind giebelständig mit Krüppelwalm, beide mit massiv erneuertem Erdgeschoß auf Bruchsteinsockel und einem Fachwerkobergeschoß. Das schlichte, konstruktive Rähmfachwerk der Nr. 53 gehört in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Rähm­kon­struktion der Nr. 55 mit gebogenen Streben und profiliertem Kranzgesims in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Das traufständige Haus Brunnengasse 2 mit Satteldach ist ein verputzter Rähmbau mit massivem Erdgeschoß, mit geringem Geschoßüberstand, aus dem 17. / 18. Jahrhundert.

Das Haus hat der Künstler Reinelt gekauft und stellt hier vor allem Raben in verschiedenen Formen her. Anläßlich von Renovierungs- und Aufräumungsarbeiten seit dem Jahre 1983 wurde in dem Haus eine Mikwe entdeckt und bis 1988 auf Grund einer privaten Initiative der Familie Reinelt restauriert. Zu dem 4,80 Meter tief liegenden Tauchbecken führt eine geradlinige steile Steintreppe mit 16 Stufen. Der Treppenhals hat schmiedeeiserne Ösen sowohl am Tonnengewölbe als auch an einem Fasen-Rücksprung des Gewölbeansatzes.

Die Mikwe stammt in ihrer Anlage aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg, vielleicht aber auch erst aus dem 17. / 18. Jahrhundert. Sie war bis um 1838 (1837 bis 1839) in Betrieb. Dann wurde sie im Zusammenhang mit den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert eingeführten Vorschriften der Behörden über die Ritualbad - Anlagen aufgegeben, dann wurde eine neue in der nahen Synagoge erbaut. Zusammen mit dem 1447 ersterwähnten jüdischen Friedhof und der 1718 erbauten Synagoge ist die Mikwe Zeugnis für aktives jüdisches Leben in Flörsheim, das über Jahrhunderte dauerte, bis es in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört wurde. Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde vergleiche die Seite „Juden, andere Orte“.

 

(31) Fachwerkhäuser:

Leute wie Bauern, Handwerker oder Fischer wohnten zumeist in Fachwerkhäusern, die bis­lang einige hundert Jahre überstanden haben. Diese Fachwerkhäuser wurden ohne Baukran und Betonmischmaschine gebaut. Der Maurer legte hier nur für Fundamente, Keller, Sockelaufbau und eventuell am Erdgeschoß Hand an. Der Rest war Sache des Zimmermanns und des Dachdeckers.

An der Größe des Hauses und an der Art des Fachwerks konnte man erkennen, ob der Erbauer wohlhabend war. Je größer das Haus, je schmuckvoller das Fachwerk umso mehr Geld war vorhanden. Ging man im 18. Jahrhundert durch die Straßen und Gassen, sah man bis auf wenige Ausnahmen nur Fachwerkhäuser, allerdings nicht mit farbig gestrichenen Balken und eingefaßten Gefachen.

Heute fallen die restaurierten Häuser durch ihre Farbenpracht jedem ins Auge. Leider gingen viele alte Häuser im Laufe der Zeiten durch Zerfall, mangelnde Unterhaltung oder durch Abbruch verloren. Man schätzte den Wert dieser Bauart eine Zeitlang nicht so sehr wie heute und errichtete lieber neue Häuser aus Stein, als die alten Holzkonstruktionen zu erhalten.

Aber dennoch haben etliche Einwohner der Stadt keine Kosten und vor allem keine Mühen gescheut. Sie haben viel Zeit und Kraft investiert und erhielten wahre Schmuckstücke, so wie auch das Haus in der Hauptstraße

Das Haus Hauptstraße 67 fällt durch vier nebeneinander liegende Fenster in beiden Geschossen auf, da die meisten übrigen Fachwerkhäuser in Flörsheim lediglich drei Fenster in jedem Stockwerk haben. Noch mehr Fachwerkhäuser, die vortrefflich restauriert sind: Nr. 57 und Nr. 53 / 55.

 

(32) La Fayence:

Für seine feine, gehobene Küche ist das „La Fayence“ mittlerweile bekannt. Aber der Gebäudekomplex mit Wintergarten ist auch ein gutes Beispiel für die Sanierung von Altbauten mit optisch angepaßten Neubauten. Im älteren Haus war über viele Jahrzehnte eine Metzgerei.

Das Restaurant erhielt seinen Namen in Anlehnung an die Flörsheimer Fayence Fabrik, die sich ja in der Nachbarschaft befand.

 

(33) Altes Rathaus (Hauptstraße 41/43)::

Etwa hundert Meter weiter trifft man auf die größte noch erhaltene Flörsheimer Hofreite. Die ursprüngliche Bedeutung ist nicht bekannt, doch ist anzunehmen, daß es sich um den Wirtschaftshof eines Klosters gehandelt hat, erbaut etwa Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Anlage, die ursprünglich von der Haupt- bis zur Grabenstraße reichte (Stadtmauer und Graben), ging 1878 in den Besitz der Gemeinde über.

Das Hauptgebäude wurde erbaut im 17./18. Jahrhundert als stattlicher Gasthof, eine Fachwerkanlage mit Herrenhaus, Nebengebäude, Toranlage und tonnengewölbten Kellerräumen. An dem hohen Erdgeschoß und dem wuchtigen Fachwerk erkennt man, daß beim Bau dieses Hauses nicht gespart werden mußte

Links - also dort, wo heute das Heimatmuseum untergebracht ist - hatte der Verwalter des Wirtschaftshauses seine Wohnung. Von 1878 bis 1918 war hier das Flörsheimer Rathaus (Hauptstraße 43). Es fällt vor allem durch seine Dachform auf. Abweichend von anderen Häusern im Ort wurde hier kein Sattel- sondern ein Walmdach errichtet, auf dem zu früheren Zeiten noch ein Dachreiter saß. Der Keller des Hauses wurde 1988 zum „Flörsheimer Keller“ umgebaut, einem Kulturtreff mit Bühne für Kleinkunst. Das rechte Gebäude ist einfacher und diente als Gesindehaus des Wirtschaftshofes.

Zur Hofreite gehörte ursprünglich noch eine Scheune, die aber 1882 abgerissen wurde. Hier wurde zwei Jahre später die sogenannte „Grabenschule“ errichtet, heute Verwaltungsgebäude der Stadt Flörsheim am Main.

 

(34) Scharfes Eck:

Der Name weist auf den Standort des Hauses hin, nämlich direkt an der Ecke von Hauptstraße und Pfarrer-Münch-Straße. Es war das Frühmeßner-Haus und wurde wie das Alte Rathaus und das Patrizier-Haus in der Obermainstraße in der Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut und zu Beginn der Altstadtsanierungsmaßnahmen umfassend restauriert. Genau wie das Alte Rathaus hat auch das Scharfe Eck ein Walmdach und hebt sich durch eine besondere Struktur im Fach­werk hervor, die aussieht, als würde ein Mann die Arme heben. Diese Gebälkform nennt man „Wilder Mann“.

 

(35) Marktplatz:

Heute ist der gepflasterte Platz um die St. Gallus-Kirche herum der Marktplatz. Hier findet jeden Freitag der Wochenmarkt statt, im Advent der Weihnachtsmarkt, der Frühlings- und Töpfermarkt breiten sich bis hierhin aus und auch das Sommerfest hat auf diesem Platz seinen schon fast traditionellen Standort. Im 18. Jahrhundert allerdings, als Flörsheim nur ein kleiner Marktflecken war, mit wenigen Straßen, von Mauern umgeben, wurde der Markt wahrscheinlich in der Hauptstraße abgehalten. Die zurückgesetzten Häuser gegenüber der Kirche lassen den Schluß zu, daß hier der Umschlagplatz für Waren aller Art gewesen sein kann.

 

(36) Synagogengasse:

Hier stand von 1718 bis 1938 die Flörsheimer Synagoge (das Gotteshaus der Juden). Die Synagoge mit gut erhaltenen Darstellungen von Psalmen (Psalm 29) an der Giebelinnenwand gilt als die älteste im Nassauer Gebiet. Die erste Erwähnung eines Juden in Flörsheim datiert aus dem Jahr 1290. Einen ersten urkundlichen Hinweis auf die jüdische Gemeinde in Flörsheim gibt es im Jahre 1448. Es wird in einem Eintrag des Flörsheimer Gerichtsbuches ein Judenfriedhof erwähnt.

Den neuen jüdischen Friedhof gibt es seit dem Jahr 1666. Man findet ihn, wenn man auf der Straße nach Hochheim fährt und im Stadtteil Keramag gegenüber der Falkenbergstraße nach Norden fährt (zweiter Weg nach dem Schild „Chamäleon“). Dieser Friedhof beweist, so komisch das auch klingen mag, ein aktives jüdisches Leben in Flörsheim, denn dort wo Menschen leben, begraben sie auch ihre Toten.

Einen Betsaal gab es bereits im 17. Jahrhundert. Er befand sich bis 1672 in einem jüdischen Privathaus. Im Jahre 1672 brannte dieses Haus jedoch ab. Vermutlich wurde in der Folgezeit ein anderer Betsaal in einem jüdischen Privathaus eingerichtet. Das Gemeindehaus aus dem 17. Jahrhundert ist noch vorhanden.

Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts bemühten sich die Flörsheimer Juden um den Bau einer Synagoge. Im Jahre 1710 konnte ein Grundstück erworben werden, auf dem in den folgenden Jahren eine Synagoge erstellt wurde. Sie ist am Sabbat Nachamu des Jahres 1718 (13. August 1718 = 16. Aw 5478) eingeweiht worden. Im Jahre 1852 brach in der Synagoge ein Brand aus, der jedoch gelöscht werden konnte. Freilich sind alte Urkunden, vor allem das Memor­buch der Gemeinde, dabei zerstört worden. 

Am Sabbat Nachamu des Jahres 1918 (20. Juli 1918 = 11. Aw 5678) wurde das 200jährige Bestehen der Synagoge in Anwesenheit des Bezirksrabbiners Dr. Adolf Kober aus Wiesbaden feierlich begangen. Im Jahre 1927 wurde die Synagoge umfassend renoviert und erneut eingeweiht.

Am Tage nach der Reichspogromnacht (10. November 1938) wurde sie jedoch derart stark beschädigt, daß sie kurze Zeit später abgerissen werden mußte. Von der ehemaligen Synagoge steht heute noch eine Außenmauer in der Synagogengasse.

Seit 1968 erinnert ein Gedenkstein an die Synagoge mit der Inschrift: „Hier stand von 1718 - 1938 die Synagoge der jüdischen Gemeinde Flörsheim am Main. Zur Erinnerung an den 250. Jahrestag der Errichtung und anläßlich der 30. Wiederkehr des Tages der Zerstörung dieses Gotteshauses wurde von der Bürgerschaft der Stadt am 9. November 1968 dieser Gedenkstein gesetzt“. Damals wurden 52 jüdische Bürger vertrieben oder ermordet. Ihnen soll nun mit Namenstafeln an der ehemaligen Synagoge ein ständiges Mahnmal gesetzt werden, kündigte der Bürgermeister an. 

 

(37) Hauptstraße (östliche Hauptstraße):

Die Hauptstraße ist sozusagen die jüngste Straße, die innerhalb der bis 1767 existierenden Mauern bebaut wurde. Es gibt viele renovierte Fachwerkhäuser, die auf eher größere landwirtschaftliche Gehöfte schließen lassen, wobei in den Seitengassen die Häuser kleiner sind und einst von Handwerkern, Tagelöhnern und Kleinbauern bewohnt wurden. Die Namen der Seitengassen bezeichnen zum Teil handwerkliche Berufe. Und es war tatsächlich so, daß in der Schustergasse ein Schuster und in der Seilergasse ein Seiler gewohnt hat.

In der Hauptstraße, im Bereich zwischen Gallus-Kirche und Obermainstraße, findet man in den Häusern Nr.11 und 12 und 2 schöne Beispiele von Fachwerkkunst. Das Haus Nr. 2, das mit 1665 datiert ist, zählt somit zu den ältesten vorhandenen Wohnhäusern Flörsheims. Auf der gegenüberliegenden Seite, verdeckt durch eine große Toreinfahrt und Fabrikanbauten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, steht ebenfalls ein Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert. Eine Datierung über dem Kellergewölbe trägt die Zahl 1661. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts sind dessen Besitzer nachweisbar. Im Jahre 1740 wird der Frankfurter Herr von Uffenbach erwähnt. Von ihm kaufte es 1758 der kurmainzische Rat Freiherr von Gall. Im Jahre 1800 erwarb es dann der damalige Oberschultheiß Martin Neumann, der es 1825 seinem Schwiegersohn Oswald Weilbächer vermachte. In der Familie Weilbächer blieb das Anwesen bis 1896; dann ging es in den Besitz des Fabrikanten Noerdlinger über, der es mit den schon erwähnten Anbauten erweiterte.

 

(38) Alte Kirchschule:

Die 1764 erbaute Alte Kirchschule hatte Platz genug für zwei Klassenräume und eine Lehrerwohnung. Gegenwärtig wird sie als Trauraum, für Empfänge der Stadt und für Sitzungen des Magistrats genutzt. Nach dem Bau der (neuen) Kirchschule diente die Alte Kirchschule etwa 60 Jahre lang als Wohnhaus.

 

(39 ) Kirchschule:

Als Flörsheim wuchs und immer mehr Kinder in die Schule gingen, wurden die Grabenschule (1884) und die (neue) Kirchschule (1899) gebaut. Jeweils vier Klassen waren darin untergebracht. Im Jahre 1912 kam dann noch die Riedschule dazu. Alle drei waren Volksschulen, vergleichbar einer Mischung aus der heutigen Haupt- und Realschule, an der man aber schon nach acht Schuljahren einen Abschluß hatte. Mit dem Bau der Gesamtschule (Graf-Stauffen­ berg-Schule) 1968 wurde die Riedschule zur Grundschule, und die Graben- und Kirchschule wurden zu anderen Zwecken genutzt. Gegenwärtig befindet sich in den Räumen der Kirchschule die Finanzverwaltung der Stadt Flörsheim.

 

(40) Pfarrzentrum St. Gallus:

Das Pfarrgemeindezentrumwurde 1977 anstelle des früheren Pfarrhauses und Pfarrhofes gebaut und beherbergt unter anderem die Wohnung des Pfarrers, das Pfarrbüro und im großen Bau natürlich Gruppenräume, Kegelbahn und einen großen Saal für Veranstaltungen oder Vereine.

 

(41) St. Galluskirche:

Aus Urkunden aus dem 14. Jahrhundert geht hervor, daß die Flörsheimer Kirche und die umliegenden Gebäude festungsartig ausgebaut waren. Im Jahre 1332 gebietet Kaiser Ludwig der Bayer seinen Vasallen „... daz ir dann den Bischof von Trier (Balduin von Luxemburg) bitend, daz er das hus zu Vlersheim, daz er gebowen hat abbreche...“. Im Jahre 1336 wird er deutlicher: „... das ir mit gewalt für den vorgenannten Baw ze Flörsheim ziehent und den abbrechent und die graben ouch füllet und zu werfen heizzet und iuch des dheinerlei sache lazzent irren wan wir mit nichte wollen, das der baw, der da geschehen ist fürbas lenger beleib...“.

Der burgartige Ausbau in Flörsheim hatte dazu gedient, die Stadt Mainz von der Versorgung aus Frankfurt abzuschneiden und sie so gefügig zu machen. Der 1346 noch einmal unter Heinrich von Virneburg verstärkte Bau wurde erst in der Mainzer Stiftsfehde von 1462 zerstört. Zwei Kontrahenten kämpften dabei um den Mainzer Erzbischofsstuhl. Flörsheim, das auf seiten Diethers von Isenburg kämpfte, war von dessen Gegnern erobert worden: Die „Burg“ wurde dem Erdboden gleichgemacht.

Eine Kirche ist an diesem Platz seit 1184 belegt, wobei vermutet wird, daß hier bereits Ende des 7. Jahrhunderts ein Gotteshaus stand. Über Kirchenbauakten rekonstruierbar ist ein Kirchenbau aus der Zeit 1664 - 1666, der im Jahre 1706 noch durch einen Kirchturm ergänzt worden ist. Diese kleine Kirche drohte aus den Nähten zu platzen, da die Einwohnerzahl Flörsheims ständig stieg. Also beschloß man, eine größere Kirche zu bauen.

Man baute das Langhaus der heutigen St. Gallus-Kirche um die alte Kirche herum, bis die Außenmauern bis unter das Dach fertig waren. Erst dann riß man die kleinere Kirche ab. Zwischen 1766 und 1780 kam es dann zum Bau der jetzigen Kirche, einem typischen Beispiel für ländliche spätbarocke Kirchenbaukunst im Mittelrheingebiet. Mit ihrem Bau wurde im Mai 1766 begonnen, wobei der Glockenturm 1706 schon fertiggestellt. Richtfest feierte man 1768. Endgültig fertiggestellt wurde das große Bauwerk nach dem Innenausbau erst im Jahr 1780, und am 9. Juli 1780 konnte die Kirche dann schließlich eingeweiht werden.

Für eine Gemeinde wie Flörsheim mit einer Einwohnerzahl von 1.200 Menschen Ende des 18. Jahrhunderts übertrifft die St.- Gallus-Kirche in ihren Ausmaßen die übliche Größe einer Dorfkirche um einiges. Der große Bau im typischen Barockstil des Mittelrheins stellt eine imponierende Leistung dar.

Die St.- Gallus - Kirche ist ein Saalbau ohne Querschiff und ohne Kreuzgang. Sie wurde in Ost - West - Richtung erbaut, das bedeutet, der Hochaltar liegt im Osten, der Haupteingang im Turm im Westen. Sie hat feine Stuckdekoration und drei große Deckengemälde aus der Zeit ab 1769 und bedeutende Altäre.

Mit dem Blick auf den Hauptaltar sieht man links (also nach Norden hin) die Pietà und rechts (nach Süden hin) die Kanzel. Auch in der Pfarrkirche gibt es natürlich wieder Hinweise auf die Pestzeit, zum Beispiel durch die Figuren der Pestheiligen Sebastian und Rochus und eine Szene aus der Pestzeit im unteren Teil des Hauptaltares.

Beeindruckend ist aber auch die im Jahre 1809 von der Kirchengemeinde erworbene Barockorgel. Sie stammt aus der Karmeliterkirche in Frankfurt und wurde 1709 von dem Mainzer Orgelbauer Dahm geschaffen. Diese Orgel umrahmt nicht nur musikalisch die Gottesdienste, sondern ist auch ein bedeutendes Instrument für die Gallus - Konzerte, die seit 1981 stattfinden.

Der Glockenturm weist eine Höhe von 45,5 Metern auf und seine Form ist nicht mehr ganz die ursprüngliche. Als die Kirche 1906 ein neues Geläut erhielt wurde es zu eng für fünf Glocken. Also hat man den Turm erweitert und mit Dachgauben ausgebaut. Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Mai 1942 die vier größten Glocken eingezogen und für die Waffenproduktion eingeschmolzen. Im Herbst des Jahres 1948 weihte man dann wieder vier neue Glocken ein und hängte sie im Turm auf. Zum 300. Jubiläum des Verlobten Tages 1966 wurde die größte Glocke, die Jubiläums-Glocke gegossen. Sie hat ein Gewicht von 2731 kg. Im Vergleich dazu die kleinste Glo>Durch das südliche Portal, also in Richtung Main, gelangt man direkt auf den ehemaligen Kirchhof. Aber auch hier herrschte irgendwann einmal Platzmangel, und man verlegte den Friedhof 1817 außerhalb der Stadtmauern, dorthin wo heute der Rathenauplatz und der Kindergarten St. Michael sind. Einige Zeit später legte man den Alten Friedhof in der Jahnstraße und noch später den neuen Friedhof am Ende der Riedstraße / Philipp-Schneider-Straße an.

 

Obermühle:

Von Flörsheim fährt man dann weiter in Richtung Hochheim bis zur Obermühle auf der rechten Seite. Die Flörsheimer Mühlen beginnen mit der 1699 erbauten Wiesenmühle. Die Obermühle (heute Traisermühle) wurde vermutlich Anfang 1600 erbaut. Sie schrotete und mahlte - wie die meisten Mühlen am Wickerbach - Getreide, das die Bauern der umliegenden Ortschaften anbauten. Während ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert der Einsatz von industriellen Großmühlen den „kleinen“ Mühlen zunehmend den Garaus machte, wurde das Müllerhandwerk auf der Obermühle noch bis 1972 betrieben. Das durch den Mühlgraben fließende Wasser des Wickerbaches treibt heute eine Wasserturbine an, die  Strom erzeugt und die Mühle mit Elektrizität versorgt.

Ganz in der Nähe befand sich die Untermühle, nach dem Namen einer Müllerfamilie auch Engelsmühle genannt. Die Flörsheimer Taubersmühle, 1370 erstmals in einem Dokument erwähnt, hat den Namen von einem der ersten Besitzer, Claus von der Tauber. Die Hopfenmühle wurde erstmals 1445 in einem Gerichtsbuch genannt. Oberhalb des Wickerbaches geht man nun n ach Nordwesten.  Zuerst kommt man zum sogenannten  Hexenberg.

 

„Hexenberg“:

Westlich des Weges steht ein1750 aufgestelltes Kreuz, wo mehrere Dutzend Menschen dem Hexenwahn zum Opfer gefallen sind. Die Inschrift des Kreuzes am Fuß des vom Volksmund so bezeichneten Hexenberges lautet: „Anno 1750 hat Gott zu Ehren dieses Kreuz lassen aufrichten der Johann Kol und Anna Gertruda Kolin sein Hausfrau, Flörsheim Anno 1750.“ Die

Inschrift auf der großen Gedenktafel  lautet:  „Zum Gedenken an die Frauen und Männer aus Flörsheim, Weilbach und Wicker, die als Hexen und Zauberer zum Tode verurteilt und in den Jahren 1595 - 1630 ihr Leben lassen mußten oder denunziert, verhaftet und gefoltert worden sind ihre Heimat als Verfolgte verlassen mußten.“  Außerdem sind die Namen aller Opfer aufgeführt.

 

Naturschutzgebiet „Wickerbachaue“:

 Der reizvolle Landstrich zwischen den Flörsheimer Stadteilen Wicker und Keramag / Falkenberg wird von der einheimischen Bevölkerung auch als „Flörsheimer Schweiz“ bezeichnet. Er weist aufgrund seiner Geologie, seines Reliefs, des Klimas sowie der historischen Landnutzung seltene und sensible Landschaftsbereiche auf: die Mager- und Sandrasenfluren. Sie sind Teil des 1998 ausgewiesenen Naturschutzgebietes „Wickerbachaue“ und beherbergen eine Vielzahl seltener, gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Um den Lebensraum etlicher „Sandspezialisten“ - unter ihnen viele verschiedene Wildbienen - zu sichern wurde der Sandweg entlang der Regionalparkroute abschnittsweise in seinem ursprünglichen Zustand belassen!

 

Wiesenmühle:

Jenseits des Wickerbachs, der an der Wiesenmühle vorbeifließt, sind noch  Reste des Kaste­ller Landwehrgrabens zwi­schen den einstigen Territorien von Mainz und Eppstein zu  sehen. Etwa 30 Meter der Befestigungsanlage aus dem 15. Jahrhundert, die aus einem Graben mit bepflanztem Erdwall bestand, wurden restauriert. Eine Streuobstwiese und Wildblumenflächen rahmen den historischen Grenzpunkt ein. Über einen 100 Meter langen Bohlenweg kann man  die Niederwiesen des Wickerbachs queren,  wo sich Amphibien und Wasser liebende Pflanzen entfalten.

An die frühere Aufgabe der Wiesenmühle erinnern nur noch der Name und die Jahreszahl 1699 am Eingangsbogen. Statt der Mühlräder klappert schon seit vielen Jahren das Geschirr eines Ausflugsrestaurants (ohne Autoanfahrt!). Echten Zulauf findet der Müller erst, seit die Routen des Regionalparks an ihrem Kapellchen nebst Wiesenmühle vorbeiführen. Tausende von Radfahrern und Wanderern legen seither an der exponierten Stelle eine Rast ein, packen Stullen aus oder genießen einfach den Blick über die Reb - und Obsthänge zwischen Flörsheim und Hochheim bis weit über die Mainebene. Von der Wiesenmühle steigt man auf dem eigens ausgebauten Weg hinauf zur St. Anna-Kapelle.

 

St. Anna-Kapelle:

Die Anlage wurde neu gestaltet. Eine Mauer aus Kalkbruchstein faßt den Platz vor der Kapelle ein, der mit Basalt gepflastert ist Schweiz thront sie über Rebhängen. Drei mal drei Meter im Grundriß klein, doch von großer ideeller Bedeutung. Und das schon seit Jahrhunderten: Im Jahre  1715 ließ der Müller Hans- Jacob Kiefer das St.- Anna –Kapell­chen als Bet- und Andachtsstätte nahe seiner Wiesenmühle im Wicker­bachtal erbauen. Die Kerze auf dem Altar im Inneren wirft seither ihr mattes Licht auf eine Kopie des Bildnisses der heiligen Anna, eine „Anna Selbdritt“, ein Dreierbildnis der Marienmutter Anna mit Maria und dem Jesuskind. Im Jahre 1724 übernahm Johann Edmund Gedult zu Jungenfeld, seines Zeichens Weihbischof von Mainz, die Wiesenmühle samt St.-Anna-Kapelle. 5000 Gulden zahlte er dafür.

 

Eisenbaum:

Von der Anna-Kapelle aus sieht man schon den Eisenbaum: Die Installation der Hofheimer Künstlerin Ingrid Hornef besteht aus sieben Fernrohren, die alle auf die Mülldeponie Wicker gerichtet sind. Als Kontrast bettete sie in den Ausblick berühmte Bauwerke wie die Akropolis ein und schuf damit spannungsreiche „Tele – Visionen“ zwischen Schein und Realität, Edlem und den Zeugnissen der Wegwerfgesellschaft.

Auf einer Schautafel wird gezeigt, daß man eine gentechnisch veränderte Pappel am äußeren Erscheinungsbild nicht erkennen könnte, ob ein solcher Baum gentechnisch verändert oder natürlich ist. Pappeln sind bevorzugte Objekte gentechnischer Versuche. Zum Beispiel, um schnelleres Wachstum, einen größeren Anteil an Zellulose oder Resistenz gegen Schädlingsbefall zu erzeugen. Der Eisenbaum aber ist so gestaltet, daß ihn jedermann sofort als Kunstprodukt erkennt: Als eine begehbare Skulptur, von Architekten entworfen und von Ingenieuren konstruiert, kann man ihn betrachten.

Der Eisenbaum soll zum Nachdenken anregen: Der Eingriff der Gentechnik ist unsichtbar.

Es gibt viele Argumente für und gegen Gentechnik. Auf der einen Seite die Hoffnung auf neue Medikamente und neue ertragreiche Pflanzen und andererseits die Furcht vor unkalkulierbaren ökologischen Risiken und ökonomischen Abhängigkeiten etwa von Saatgutfirmen.

Mit der Gentechnik ist die Frage, was ist natürlich, was ist Natur, immer schwerer zu beantworten.

Der stählerne Baum lehrt Demut An der Baumskulptur zeigt sich, welche unglaublichen Ingenieurleistungen die Natur in Jedem lebenden Baum verwirklicht. Und diese Ingenieurleistung ist nur ein Aspekt des wunderbaren Phänomens Baum: Seine Chemie und Physik, der Stoff. und Wassertransport von und zu den Ästen - bei den höchsten Bäumen über 115 Meter gegen die Schwerkraft - und vor allem die Fotosynthese, mit Hilfe der Baum sich selbst aus Luft, Wasser und Sonnenlicht schafft und Sauerstoff produziert. ist ein unglaublich wirkungsvoller und in mancher Hinsicht immer noch rätselhafter Prozeß. Und nicht zuletzt: Bäume und Pflanzen schaffen damit die Voraussetzung, daß alle anderen Lebewesen - auch die Menschen - auf der Erde atmen, sich ernähren, also existieren können

Bäume sind die größten Lebewesen, die es auf der Erde gibt. Sie können über 100 Meter

hoch werden. Bäume sind auch die ältesten Lebewesen. Nicht weit vom Flörsheimer stählernen Baum steht in Reinborn bei Idstein im Taunus eine Linde, die auf annähernd 1000 Jahre geschätzt wird. Der älteste lebende Baum der Erde, eine „Grannenkiefer“, ist etwa 4700 Jahre alt und steht in Kalifornien. Man denke nur, was in dieser Zeit alles passiert ist: Als Mainz von römischen Legionären gegründet wurde, waren diese Bäume schon über 2000 Jahre alt.

Wenn man wissen will, was der Baum über sich selbst zu sagen hat, dann steigt man auf die Plattform, nehmen sich zehn Minuten Zeit und hören zu! Aus Solarzellen auf drei seiner Blätter bezieht der Baum die Energie für die Tonanlage über die man seine Stimme hören kann. Je nach Sonnenstand mal mehr mal weniger - und nachts schweigt er.

 

Kalksteinbruch Falkenberg:

Auf dem Weg nach Süden liegt östlich der ehemalige Kalksteinbruch Falkenberg. In der Umgebung von Hochheim am Main, Flörsheim und Wicker stehen - von jungen Lockersedimenten verdeckt - Tone und Tonmergel an, die im „Tertiärmeer“ des Mainzer Beckens während des Oligozäns (vor rund 30 Millionen Jahren) abgelagert wurden. Mit dem ausgehenden Oligozän (vor rund 24 Millionen Jahren) änderte sich im Zuge eines neuen Meeresvorstoßes die Sedimentation hin zu Kalken und Kalkmergeln. Kalksteine prägen heute als Härtlinge die Landschaft, wie auch hier am Falkenberg.

Bei Falkenberg wurden die Kalke durch Störungen kleinräumig in den Untergrund eingesenkt und waren daher besser vor Abtragung geschützt, während sie in der Umgebung bereits überwiegend abgetragen sind. Ab dem Jahre 1911 wurden die Kalklager durch die Firma Dyckerhoff AG abgebaut.

Die häufig vorkommenden fossilen Gehäuse der Schneckengattung Cerithium zeigen gemeinsam mit anderen Fossilien, daß die Kalke in einem mäßig salzigen (brackigen) Gewässer entstanden sind. Nach den häufig zu findenden Schneckengehäusen wurden die Schichten lange Zeit als Cerithien - Schichten bezeichnet.

Neben gebankten Kalksteinen findet man im Steinbruch auch massige Kalke, die Strukturen mit knubbelig - blumenkohlartigen Oberflächen bilden. Es sind Algenriffe. Sie werden von Cyanobakterien (Blaugrünalgen) gebildet, die Sedimentpartikel mit ihrem Schleim einfangen. Notwendig dafür ist ein hohes Strömungspotential, wie es an der Abhang - Kante zum Oberrheingraben vorhanden war. Vergleichbare Algenriffe sind heute aus West-Australien (Shark Bay) und in den Bahamas bekannt.

Geschützt durch Kavernen in den Algenriffen konnten Gehäuse von Landschnecken gut erhalten bleiben. Schon im 19. Jahrhundert war der Steinbruch für seine mit etwa 100 Arten sehr reiche Landschneckenfauna berühmt, so daß man die Algenriffkalke von Hochheim am Main ursprünglich als „Landschneckenkalke“ bezeichnete. Im Gegensatz zu den Brackwasserschnecken lebten die Landschnecken nicht an Ort und Stelle, sondern wurden durch Gewässer von der nahen Küste eingeschwemmt. Inzwischen wurde der Steinbruch zur Typlokalität dieser Schichten definiert. Sie führen den Namen „Hochheim-Formation“.

 

Kalkbrennöfen:

Vorbei an der Obermühle stößt man auf die Ende der neunziger Jahre freigelegten Kalkbrennöfen aus dem frühen 18. Jahrhundert. Von einem überdachten Steg kann man die für Hessen einzigartige Anlage einsehen. Viel ist nicht mehr zu sehen vom alten Kalkputz, den sich die Flörsheimer bis Anfang des vorigen Jahrhunderts als Fassadenverkleidung aus dem nahegelegenen Kalkbrennofen geholt haben. Umso besser kommen die Überreste  des jahrzehntelang verschütteten Ofens zur Geltung. Als Demonstrationsobjekt aus vorindustrieller Zeit und historische Attraktion im Regionalpark Rhein - Main wurde die Anlage mit ihren drei Brennkammern von 1997 bis 1998 freigelegt und im vorgefundenen Originalzustand konserviert. Eine Jahrhundert - Entdeckung für den leitenden Archäologen Klaus-Michael Schmitt aus Hattersheim: Nirgendwo sonst im Land sind Kalk- und Ziegelbrennöfen in derart gutem Zustand erhalten und entsprechend auch Brennverfahren und Ziegelproduktion für Laien so einfach nachzuvollziehen.

Damit Letzteres auch aus der Nähe geht, die erhaltenen Brennroste, Bodenpflasterungen, Brennkammerverkleidung und sonstigen technischen Details eingehend betrachtet werden können, ließ die Regionalpark Rhein – Main - Gesellschaft eine begehbare Dachkonstruktion aus Glas und Stahlgitter über den Ofen errichten, die aus allen Winkeln in alle Winkel blicken läßt. Die Kalkbrennerei zwischen Flörsheim und Hochheim hat nach Ansicht von Fachleuten eine lange Tradition. Schon die Römer sollen hier Kalkstein verarbeitet haben, erste archivarische Hinweise finden sich für das Jahr 1589. In den bis heute erhaltenen Öfen wurde vermutlich Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals Kalk gebrannt. Für diese Zeit steht der Flörsheimer Johann Jakob Gottron als Eigentümer der Ziegelhütte mit Kalkerei in den Büchern. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahm der Flörsheimer Heinrich Martini die Anlage, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Familienhand blieb - und in  Betrieb. Mit der S-Bahn kann man wieder zurückfahren, entweder durch die Weinberge nach Hochheim oder (etwas kürzer) nach Flörsheim.

 

 

Regionalparkroute

Von  Eddersheim bis Okriftel zieht sich ein Grünzug, der für die Regionalparkroute genutzt wird. Diesen Teil kann man sich an sich nur mit dem Fahrrad vornehmen, wie ja auch die ganze Route für die Radfahrer gedacht ist. Ein Vorschlag für Autofahrer findet sich am Schluß. Beschrieben wird aber  jetzt der Grünzug in Richtung Ost nach West:

Die Regionalparkroute beginnt am Mainufer in Okriftel. Wenn man mit der Bahn kommt, steigt man an der S-Bahn-Station Hattersheim aus und fährt über die Voltastraße nach Osten zum Hessendamm, auf diesem und auf der Mainstraße nach Süden und weiter über die Gartenstraße zur Jahn - Allee. Dort links bis zum Schwarzbach und dann nach links nach Norden über den Bornemühlweg zum Wehr am Schwarzbach. Über die Betthoven- und Händelstraße kommt man zur Mainstraße in Höhe des Friedhofs. An diesem geht man nördlich vorbei und dann weiter nach Norden zum Rosarium (nicht zu verwechseln mit dem Rosengarten in Hattersheim am Ende der Mainzer Landstraße).

 

Rosarium:

Die Anlage knüpft  an die dortige Tradition des Schnittrosen-Anbaus an. Inmitten der Anlage wird eine von Kletterrosen bewachsene Pyramide während der Rosenblüte wie ein Leuchtfeuer die Aufmerksamkeit der Regionalparkbesucher auf sich lenken. Die Zahlen lassen schon vorm ersten leibhaftigen Eindruck staunen: gut 6500 Rosenstöcke, mehr als 100 Sorten, und das alles auf 16.000 Quadratmetern. Doch selbst die blühendste Fantasie bleibt hinter der Wirklichkeit zurück, die sich im Hattersheimer Rosarium eröffnet. Richtungsweisend und zur Einstimmung auf die königliche Blüten-Oase führt vom Friedhof im Stadtteil Okriftel eine Rosenbaumallee auf den prachtvollen Rosengarten zu. Ein standesgemäßes Entree für die Anlage, die als Pilotprojekt Hattersheim-Flörsheim-Hochheim 1997 eröffnet wurde.

Rosenbäumchen, Kletterrosen, Bodendecker, Buschrosen, Rosenstauden, Kartoffelrosen, Apfelrosen, Teerosen, Windrosen, Zuchtrosen, Wildrosen. Schneeweißchen und Rosenrot haben hier zahllose Schwestern in zahllosen Farben bekommen, die Bänke umsäumen, Holzpyramiden überziehen, Rundbögen umranken, zu dichten Hecken wuchern, Tümpel und Seen umstehen, sich meterhoch gen Himmel recken oder mit Hunderten von Blüten den Boden bedecken.                       

Beim Spaziergang durch die Farben- oder Blütenpracht erleben selbst Kenner noch ihr Rosenwunder, denn im Rosarium wachsen längst auch Neuzüchtungen der Gunst eines großen Publikums entgegen. Mit dem Namen „Rosarium Hattersheim“ ist eine neue Apfelrosensorte gar zum Markenbegriff der Anlage geworden.

Die Idee mit dem Rosengarten entlang der Regionalparkroute von Hattersheim nach Flörs­heim haben die Sulzbacher Landschaftsarchitekten Hanke, Kappes und Heide gefunden als Andenken an den einst blühenden Rosenanbau der Hattersheimer.

 

Nach Westen geht es dann über die Wasserwerk - Allee (Jugendstil - Wasserwerk), dort links und unter Bahn durch, nach links in den Hahnenpfad und dann  nach rechts in den Jörn­pfad. Vom Obstbaumrondell geht die Speierlingsallee zum Nußbaumquartier, ein von einer niedrigen Trockenmauer gefaßter Platz. Ihn ziert die große Skulptur eines Rabenvogels ziert und er wird von 28 Walnußbäumen beschirmt. Von hier hat man einen schönen Ausblick über die neue Wiesenlandschaft und das Naturschutzgebiet bis nach Bad Weil­bach.

 

Rabe

Der Rabe ist sein Markenzeichen, Leitmotiv seines Kunstschaffens. Einen Raben schuf der Flörsheimer Künstler Thomas Reinelt denn auch, um ihn als erstes Kunstwerk im Regionalpark Rhein-Main aufzustellen. Genauer, inmitten eines Nußbaumquartiers, am Ende einer frisch gepflanzten Speierlingsallee im Regionalpark-Projektgebiet bei Hattersheim. Am 7. Mai 1998 war das, seither prangt der drei Meter hohe silberglänzende Aluminium-Rabe auf einem Natursteinsockel, als würde er darauf lauern, wann ihn die jungen Bäumchen um ihn herum endlich überragen.

Das Kunstwerk vereinigt zwei eng verschmolzene Symbole in sich: Zum einen steht der realistisch dargestellte Rabe für den Wert und die Kraft der Natur, zum anderen für das menschliche Wirken, für das Auf- und Abbauen, Zusammenfügen und Verbinden. Um dies zu verdeutlichen, hat Reinelt eines der Rabenbeine als kristallartig angeordnete, geometrische Form geschaffen. Die Figur verkörpert nun mit einem Bein die Kraft und Unzerstörbarkeit der Natur, mit dem anderen die Schaffens - und Einflußkraft des Menschen.

Daß der Rabe steht, wo er steht, ist mehreren Unternehmen aus den umliegenden Städten zu danken, die den Kauf des Kunstwerks gesponsert haben.

 

Weilbacher Kiesgruben:

Es geht dann immer weiter auf Nebenwegen nach Westen bis nach Bad Weilbach. Südlich liegen die ehemaligen Weilbacher Kiesgruben, heute ein Naturschutzgebiet. Hier hat sich die reiselustige Kreuzkröte („bufo calamaita“) niedergelassen und lockt Artgenossen, um sie mit ihren grünen Augen zu bezirzen. Die Kreuzkröte steht auf der Roten Liste gefährdeter Tiere, weil ihre Lebensräume schwinden. Überraschenderweise sind einige von den jungen Hüpfern in den Weilbacher Kiesgruben entdeckt worden. Diese gehören zur Deponie im Flörsheimer Stadtteil Wicker.

 

Am Kastengrund:

Auf der etwa 120.000 Quadratmeter großen Fläche ist eine Landschaft entstanden, die von Feldgehölzen und Baumgruppen gegliedert wird - in ihrem Charakter einem englischen Landschaftspark ähnlich. Die Wiesen werden von Landwirten zum Heumachen genutzt. Dieses Gelände bildet in seiner extensiven Nutzung einen Puffer zwischen dem bestehenden Naturschutzgebiet „Weilbacher Kiesgruben“ und den ackerbaulich genutzten Flächen. Weiter geht es über den Hain, den nach rechts gebogenen Weg um Weil­bach und über die Bundesstraße 519 und ein Stück nach Norden und dann  über die Autobahn nach Bad Weilbach. 

 

 

 

Autofahrt entlang der Regionalparkroute

Die Regionalparkroute mit ihren drei oder vier Enden im Westen ist mit dem Fahrrad nur zu bewältigen, indem man von Delkenheim zum Silbersee fährt und von dort nach Hochheim; dann läßt man nur das Stück zwischen Kriegergedächtnisstätte und Wiesenmühle aus. Deshalb wird hier noch einmal eine Auto- und Spaziergängerroute beschrieben, die die wichtigsten Stationen berührt. Diese sind auf der Fahrradtour beschrieben.

Wer das Rosarium besuchten möchte, fährt von Frankfurt kommend über das Krifteler Dreieck hinaus bis zur Anschlußstelle Hattersheim. Auf der Hattenheimer Straße dann nach Süden, auf der Mainzer Landstraße nach Osten und am Hessendamm nach Süde,  über die Bahn bis an den Ortsrand von Okriftel, wo rechts der Parkplatz des Friedhofs ist und von wo es zum Rosarium geht.

Wer aber das Rosarium auslassen will, beginnt in Bad Weilbach. Man verläßt die A 66 an der Anschlußstelle Hofheim nach Süden. Im Ort Weilbach macht die Straße einen Rechtsknick. Bald danach geht es rechts in die Schloßstraße und zum Weilbacher Schloß. Fast am Ortsende teilt sich die Durchgangsstraße. Man fährt nach links auf die Rüsselsheimer Straße Richtung Flörsheim. Von dieser geht es rechts ab in eine Platanenallee nach Bad Weilbach. Links ist das ehemalige Kurhaus, nach rechts geht es in den Faulbrunnen­weg. Die Natronquelle liegt in dem Park links, die Lithionquelle rechts kurz vor der Autobahn (siehe Datei „Bad Weilbach“). Man muß dann wieder zurück nach Weilbach und fährt nach links ab nach Wicker. Dort macht man einen Rundgang durch den Ort und läuft zur Flörsheimer Warte  (siehe Datei „Wicker“). Wieder zurück in Wicker fährt  man jetzt Richtung Hochheim. Links liegt die Straßenmühle. An der Deponie fährt man zunächst geradeaus, am Ende der Deponie auf der linken Seite steht die Installation „Nahtstelle Müll“. Von dort fährt man wieder ein Stück zurück und dann nach rechts Richtung Hochheim; am Biomassekraftwerk rechts ist die Kletterwand.

In Hochheim geht es dann links weiter und an der Frankfurter Straße wieder links. Im Stadtteil Keramag geht es am Schild „Chamäleon“ links ab zu den Kalkbrennöfen. Dort kann man parken oder noch ein Stück weiter oben an der Obermühle. Jetzt geht es zu Fuß weiter vorbei an dem Hexenkreuz auf der linken Seite und dem Naturschutzgebiet Steinbruch Falkenberg.

An der Gabelung geht man links zur St. Anna-Kapelle und zur Wiesenmühle. Auf dem Rückweg nimmt man die linke Route zum Eisenbaum. Dann geht es wieder zurück zum Auto. Jetzt fährt man nach Flörsheim hinein und biegt am Ende der Hauptstraße nach rechts ab in die Obermainstraße, um am Mainufer zu parken. Von hier aus macht man einen Rundgang durch Flörsheim.

Über Eddersheim kommt man nach Okriftel, fährt aber jetzt weiter  nach Sindlingen und dort nach links in die Westenberger Straße und wieder links in die Hoechster-Farben-Straße auf die B 40 a und entweder zum Krifteler Dreieck oder zum Schwanheimer Knoten und zur A 3.

 

 

Okriftel

Der frühere Name „Acruftele“ tauchte das erste Mal in der Schenkungsurkunde von 1103 auf. Aber auch wenn dies die Erstnennung Okriftels ist, siedelten die Menschen schon früher an dieser Stelle. Die Lage direkt am Main ist günstig. Als Transportweg, zum Handel und auch als Nahrungsquelle ist der Main ideal und macht diese Stelle besonders attraktiv. Dies beweisen zahlreiche jungsteinzeitliche Funde, die auf erste Ansiedlungen ab 4000 vCh weisen. Ebenso wurden ein römischer Bauernhof und ein Friedhof aus der Zeit der Merowinger gefunden. Das läßt auf eine dauerhafte Besiedlung schließen.

Von 1547 bis 1803 war Okriftel als einziges Dorf im Umland nicht unter der Herrschaft des Kurfürstentums Mainz, sondern gehörte zum Fürstentum Isenburg. Zusätzlich zu den unterschiedlichen Herrschaftshäusern kamen noch die unterschiedlichen Glaubensrichtungen hinzu: Das Kurfürstentum Mainz war katholisch geprägt und die Isenburger hingen im Gegensatz dazu dem evangelischen Glauben an. Kein Wunder, daß es immer wieder zu Streitigkeiten mit dem „Ausland“ kam. In einem Fall stritten sie sich um einen Bereich, etwa wo heute das Hattersheimer Kleingartengelände ist. Das Gelände sollte, so war es 1468 beschlossen worden, sowohl von den Okriftelern wie auch von den Hattersheimern genutzt werden. Nach 250 Jahren Streitereien wurde der Bereich dann 1713 geteilt und mit Grenzsteinen befestigt.

Die Städte Wiesbaden und vor allem Frankfurt zeigten im 20. Jahrhundert ein starkes Interesse an dem Gebiet. Um Integrationsplänen entgegenzuwirken, schlossen sich Hattersheim, Eddersheim und Okrif­tel 1972 zur Stadt Hattersheim zusammen. So entkamen sie der Eingliederung zu Frankfurt.

 

Sagen, Vermutungen und Spekulationen zur Herkunft des Namens Okriftel

„Kriftheim“ oder „Okriftingen“ wären wohl zeitgemäßere Ortsname für dieses fränkisch geprägte Gebiet gewesen. Denn mit „heim“ oder „ingen“ enden viele der umliegenden Gemeinden und Städte. Die Herkunft des untypischen Namens „Okriftel“ ist nicht eindeutig geklärt, jedoch gibt es einige Ansätze und Vermutungen dazu. Das erste Indiz liefert der Schwarzbach, welcher durch Okriftel fließt. Verfolgt man seinen Verlauf, stößt man auf einige Namensvetter. Die Gemeinden „Kröftel“ und „Kriftel“ liegen ebenso an diesem Flüßchen. Es wird vermutet, daß früher der Schwarzbach „Kröftelbach“ genannt wurde. Die Namen Kröftel, Kriftel und Okriftel wurden dann gewählt, um zu verdeutlichen, daß alle am Kröftelbach liegen. Das sollte die Orientierung erleichtern. Ein weiterer Ansatz beruht auf dem Aspekt, daß Okriftel älter als die anderen Gemeinden ist und daher keinen fränkischen Namen bekommen hat. Okriftel könnte keltischer Herkunft sein.

Die Okriftler gaben sich mit diesem Erklärungswirrwarr allerdings nicht zufrieden und liefern ihre eigene Begründung. Die volkstümliche Sage wird wie folgt erzählt: Durch ein schweres Unwetter stieg der Schwarzbach an, überflutete Teile von Kriftel und riß ganze Häuser mit sich. Ein altes Mütterchen, das an der Stelle des heutigen Okriftels stand, sah die Häuser und rief entsetzt: „Oh, Kriftel“. Der Sage nach fischte sie die Häuser aus dem Schwarzbach und die Menschen siedelten sich daher an dieser Stelle an.

 

Die versilberte Eiche

Ein Denkmal wollten die Okrifteler ihrer großen Eiche setzen, als sie sie 1938 auf ihr Gemeindewappen einfügten - ohne natürlich zu ahnen, daß einige Jahrzehnte später wirklich nur noch das Wappen vom einst stolzen Baum kündet. Das Wahrzeichen Okriftels, das früher auf dem so genannten „Dallas“ (Dorfplatz) stand, ist nun nur noch versilbert auf dem Wappen zu bewundern. Im Jahre 1954 mußte sie gefällt werden - nach zahlreichen Bauten und Aufschüttung an der Straße war sie erstickt. Legenden um das Alter und die Größe der Eiche gibt es viele. So versuchte der Gärtner und Feuerwehrmann Georg Stiehl das Alter des Baumes, nachdem er gefällt wurde, anhand seiner Jahresringe zu schätzen. Da der Stamm stark zersplittert war, mußte er sein Werk bei etwa 360 gezählten Jahresringen beenden.

Die Eiche am Rande des Dallas, unmittelbar dort, wo heute das Rathaus steht, war Knotenpunkt sowohl für die Bewohner wie auch für Besucher. Die Okrifteler trafen sich dort, um zu schwatzen oder einfach nur beieinander zu sitzen. Reisende kamen immer, egal welchen Weg sie wählten, an diesem Platz vorbei, da sich die Hauptstraßen nach Hattersheim und Sindlingen dort gabelten. Nun ist die Eiche nur noch versilbert auf schwarzem Grund auf dem Wappen zu sehen. Diese Farben sind aber nicht zufällig gewählt worden. Das Isenburger Wappen hatte ebenfalls diese Farben. Es war silbern mit zwei schwarzen Querstreifen.

 

Okriftel als Lagerplatz von Sinti und Roma

In den frühen fünfziger Jahren kamen regelmäßig Sinti und Roma nach Okriftel. Sie saßen nachts am Feuer, sangen ihre Lieder und waren nach ein paar Tagen wieder verschwunden. Die Nazi-Diktatur war vorbei und Sinti und Roma wagten es wieder, während ihrer Reisen auf Okrifteler Gemarkung Station zu machen. Wenn ihre Kinder für einige Tage in die Schule kamen, wollte niemand neben ihnen sitzen. Aber wirklich gestört habe die Anwesenheit der Familien niemanden. Sie waren ja auch irgendwie immer ein Attraktion.

Außerdem waren die Okrifteler längst an das Zusammenleben mit den Sinti und Roma gewöhnt. Schon seit dem 19. Jahrhunderts nutzten Zigeunerfamilien die Gemeinde am Main als Lagerplatz. Wo genau sie damals ihre Zelte aufschlugen, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Sicher ist aber, daß sich einige Zigeunerfamilien in Okriftel niederließen. Sie fanden Arbeit und integrierten sich in die örtliche Gemeinschaft. Die Familien Keck und Eskoles waren über mehrere Generationen im Ort vertreten.

Ein gewisser Josef Hack, der besser, unter dem Namen „Hareseppel“ bekannt war, trug schließ­lich maßgeblich dazu bei, daß die Zigeuner im Ort sogar einigermaßen populär wurden. Er tauchte irgendwann um die Jahrhundertwende in Okrif­tel auf, schloß sich der Familie Keck an und übernahm die Lebensgewohnheiten der Zigeuner. Als virtuoser Harfenspieler und Sänger war der „Hareseppel“ in der ganzen Region bekannt und beliebt. Das führte dazu, daß sich die Okrifteler mit ihm und der Lebensart der Zigeuner identifiziertem. Noch heute sind die älteren Bürger  geschmeichelt, wenn sie die „Zigeuner aus Okriftel“ genannt werden.

Der „Hareseppel“ wurde 70 Jahre alt und starb 1930 im Höchster Krankenhaus. Damit entging er einem Schicksal, das die übrigen Okrifteler Zigeunerfamilien ebenso wie die Juden während des Zweiten Weltkriegs erleiden mußten. Ab 1942 wurden sie von den Nazis ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht und dort umgebracht. Von den etwa 20 deportierten Sinti und Roma überlebte nur eine einzige Frau. Sie lebte nach ihrer Befreiung in Darmstadt. Seit dem ließen sich nie wieder Zigeuner in Okriftel nieder Die durchreisenden Familien blieben seit den sechziger Jahren auch aus (Anmerkung: „Hare“ bedeutet „Zigeuner“).

 

Der Fortschritt kommt

Gepflasterte Wege, eine Kanalisation, das Rathaus und ein Volksbad brachten die Cellulose-Fabrik und deren langjähriger Inhaber Philipp Offenheimer der Stadt. Jedoch hatten 152 Menschen durch diese Fabrik im Nationalsozialismus eine schwere Zeit. Sie wurden wegen des Mangels an Arbeitskräften im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiter nach Okriftel gebracht.

Der Übergang von Landwirtschaft zur Industrie begann 1873, als die Fetthütte gegründet wurde.

Die bedeutendere Rolle in der Geschichte Okriftels sollte allerdings erst die 1885 errichtete Cellulose-Fabrik spielen. Schon 1886 übernahm der Geschäftsmann Philipp Offenheimer die Fabrik und baute sie weiter aus. Offenheimer wurde zum großen Wohltäter der Stadt. Viele der Okrifteler fanden Arbeit in der Fabrik und die Landwirtschaft wurde zunehmend in den Hintergrund gerückt. Durch Offenheimer kam der Fortschritt in die Stadt. In den Jahren 1929 /  1930 erbaute er ein großes Rathaus für Okriftel und finanzierte auch das Volksbad mit. Ebenso verdanken ihm die Okrifteler die Kanalisation, die Straßenbeleuchtung und die Pflastersteine. Im Okrifteler Wäldchen ließ er hübsche Alleen einrichten und pflanzte exotische Bäume, die teilweise heute noch dort stehen.

Nach Philipp Offenheimers Tod 1930 kamen auf seine Nachfolger Sohn Ernst und Schwager Dr. Siegfried Bloch schwere Zeiten zu. Durch das nationalsozialistische Regime wurden die beiden Juden gezwungen, in die USA zu emigrieren. Die Firma mußten sie den Nationalsozialisten überlassen. Als der Krieg begann, mangelte es schnell an Arbeitskräften, da nach und nach alle Männer eingezogen wurden. Ersetzt wurden diese durch Zwangsarbeiter, die unter primitiven Verhältnissen in einem Lager lebten. Nur in Ausnahmefällen kam ein Kontakt zwischen den Zwangsarbeitern und den Okriftelern zustande. Sie begrüßten die Entwicklungen nicht, aber sie unternahmen auch nichts dagegen.

Doch zur 900-Jahr-Feier sollen diese Zeit und die damaligen Verhältnisse nicht übersehen werden. Alle 152 Zwangsarbeiter wurden durch eine Originalliste der Fabrik identifiziert und zu einem Treffen im November eingeladen. Organisator dieses Treffens, ist der Förderverein der Heinrich - Böll-Schule. Es haben nicht alle zugesagt und der Teil, der sich entschlossen hat zu kommen, hat sehr gemischte Gefühle, wieder nach Okriftel zurückzukehren.

Die Cellulose-Fabrik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an Ernst Offenheimer übertragen. Dieser hatte einen Rückerstattungsantrag gestellt. Schnell verkaufte er die Fabrik aber dann an die Phrix AG. Diese hatte große Pläne mit der Fabrik und erweiterte sie 1951 / 1952 enorm. Rund 90 Prozent der Okrifteler haben zu dieser Zeit in der Fabrik gearbeitet und es gab auch viele von außerhalb, die hierher gependelt sind. Doch Phrix geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und mußte die Fabrik 1967 an die BASF verkaufen. Der Konkurrent BASF nutzte die Gunst der Stunde und kaufte die Cellulose-Fabrik auf - um sie 1970 zu schlie­ßen. Ein Konkurrent weniger, so lapidar wurde über das Schicksal der Traditionsfabrik und ihrer Arbeiter geurteilt.

 

Das Glas zum Jubiläum

Jedes Glas Apfelwein erinnert mit dem Jubiläumsbecher an die 900-Jahr-Feier im Jahre 2003.

Die Stadtverwaltung Hattersheim bietet dieses besondere Glas, ideal für Apfelwein, mit dem Okrifteler Wappen und dem Schriftzug „900 Jahre Okriftel“ für alle Liebhaber an. Zwei Euro kostet das Apfelweinglas und es kann an einigen Verkaufsstellen erworben werden: In Okriftel gibt ihn in der Verwaltungsstelle, bei Getränke Eisenhauer und im Papierladen Rummel. In Hattersheim kann man es in der Drogerie Becker und im Stadtpunkt erwerben. Die Verwaltungsstelle Eddersheim und Lebensmittel Reuter bieten in Eddersheim das Jubiläumsglas zum Verkauf an.

 

 

Nauheim

Heimatvertriebene brachten nach dem Krieg die Kunst des Instrumentenbaus mit. Viele Vereine pflegen das orchestrale und gesangliche Brauchtum. Das 1987 eröffnete Heimatmuseum verfügt über eine umfangreiche Sammlung historischer Blechblasinstrumente.

Über die Bahnhofstraße, die Mühl- und Schulstraße kommt man zur Grundschule, in der das Museum untergebracht ist. Nach rechts geht es in den alten Ortskern um den Heinrich - Kaul - Platz. Das hübsch renovierte frühere Rathaus aus dem späten 16. Jahrhundert nahmen die umliegenden Hauseigentümer zum Anreiz, sich den Sanierungsbemühungen um die historische Bausubstanz anzuschließen. Geplant ist ein Rundweg, an dem steinerne Klangkörper den Bezug zur örtlichen Musikinstrumenten- Fertigung herstellen.

 

Das im Jahre 1882 errichtete und 1910 erweiterte Bahnhofsgebäude an der 1857 erbauten „Hessischen Ludwigsbahnstrecke“ Darmstadt - Mainz besteht aus einer gut erhaltenen Sandsteinfassade mit Hintermauerung. Im Hauptgebäude ist ein trockener Gewölbekeller untergebracht. Zu diesem führt eine  schmale, mit Sandstein ausgelegte, halbgewendelte Treppe. Zweiflüglige Kastenfenster im stehenden Format sowie feste Holztüren, teilweise zweiflüglig, dominieren die Fassade. Ein etwa 20 Grad geneigtes Dach mit Pappverschindlung schließt das zweistöckige Gebäude nach oben hin ab. Der Charakter des Bahnhofs sollte auch nach der Restrukturierung nicht verlorengehen, deswegen wurde darauf geachtet, daß die wertvolle, historische Bausubstanz erhalten blieb.

Im Jahre 1193 erwarb die Gemeinde das Bahnhofsgebäude von der Bahn-AG zu einem Preis von rund 240.000 DM mit der Absicht, das Gebäude einer sinnvollen Verwendung zu zuführen.  Im Jahre 1996 Schloß der Fahrkartenverkauf für immer seine Pforten, das Gebäude war letztlich nur noch Symbol einer über 140-jährigen Geschichte der Verbindung Bahn - Gemeinde Nauheim. Die Umbaumaßnahmen zu einem Jugendzentrum, unterstützt durch den Rhein-Main-Verkehrs­verbund (RMV) mit dem eigens hierfür aufgelegten Stationsentwicklungsplan (STEP), wurden 1998 abgeschlossen. 

 

 

Trebur

Erstmals haben Archäologen in Südhessen die 400-jährige Geschichte einer spätrömischen Kleinfestung lückenlos dokumentiert. In Trebur bei Rüsselsheim legten Studenten der Universität Frankfurt Reste einer Festung aus dem Jahr 370 nCh. sowie Gräber aus den folgenden Jahrhunderten frei. Nach den bisherigen Erkenntnissen diente die Anlage mit kleinem Hafen bis zum Ende der Römerzeit um 430 der Sicherung der Rheingrenze. Dort sollen Patrouillenschiffe stationiert gewesen sein, wie sie vor einigen Jahren in Mainz ausgegraben wurden. Die etwa zehnköpfige Mannschaft des Forts bestand wahrscheinlich aus Burgundern, den römischen Bündnispartnern. Sie wurden später von elbgermanischen Gruppen überrannt. Um 500 übernahmen dann die Franken das Gebiet. Zum Beleg verweisen die Archäologen auf das Grab eines fränkischen Adeligen. Die Beilagen von zwei Schwertern, einer Lanze und Reitsporen lassen auf einen bedeutenden Mann schließen. In weiteren Gräbern jüngerer Zeit wurden keine Beigaben mehr gefunden. Das ist ein Zeichen dafür, daß die Christen Einzug gehalten haben. Das Ende der etwa Fußballfeld großen Anlage kam voraussichtlich im neunten Jahrhundert. Das Mauerwerk wurde komplett abgetragen. Die Wissenschaftler vermuten, daß es für den Bau der Königspfalz im nahe gelegenen Trebur verwendet wurde, die 829 erstmals urkundlich erwähnt ist.

Die Kaiserpfalz Trebur war wichtiger Stützpunkt im Pfalzensystem der fränkischen und deutschen Herrscher, bis zum Hochmittelalter gleichrangig mit Mainz, Frankfurt, Worms und Ingelheim. Das „palatium tribur“ befand sich im umwehrten Kirchenbezirk. Es muß eine Anlage riesigen Ausmaßes gewesen sein, die den Hofstaat mehrerer Herrscher aufnehmen konnte. Der erste Besucher war König Ludwig der Fromme, der am 14.10.829 kam. Mindestens 57 Aufenthalte von Regenten lassen sich bis 1077 nachweisen. In diesem Jahr mußte Heinrich IV. von Trebur aus den „Gang nach Canossa“ antreten.

Die Pfalz ging 1234 an die Grafen von Katzenelnbogen über. Sie wurde teils geschleift, teils ging das Mauerwerk in geistliche und weltliche Bauten ein. Auch in der barocken Laurentiuskirche befinden sich noch karolingische Steine. Eine römische Weiheinschrift befindet sich am Kirchturm, etwa 2,90 Meter über dem Boden: „Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses und der Göttin Virodacti haben der Ort der Nidenser und die Einwohner des vicus Augsut (anus) aus öffentlichen Mitteln (das Bauwerk) errichten lassen“. Es könnte sich auch um ein Weihegeschenk an die Göttin handeln, wohl eine Muttergöttin.

In der Kirche befindet sich ein Standbild Luthers mit einer Gans.

Auf der Groß-Gerauer-Straße kommt man zur Hauptstraße, biegt links ein und kommt zum Rat­haus von 1577. Dahinter, im Gasthaus „Zum Erker“, kann man Spargel schlemmen, dem typischen Produkt der Gegend. Ursprünglich mündete hier der Neckar in den Rhein. Das Gebiet ist im Gespräch für einen Fließpolder für Hochwasser, um das Rheintal zu entlasten.

 

Nekropole:

Die Nekropole (Gräberfeld) von Trebur ist das bisher größte Gräberfeld des mittleren Neolithikums und wurde als bislang einziges sowohl von der Hinkelstein als auch der Großgartacher-Kultur belegt. Spektakuläre Befunde und umfangreiche Beigabenensembles lassen Unterschiede zwischen Mann und Frau, Arm und Reich sowie zwischen den beiden Kulturen erkennen.

 

Die nach ihrer charakteristischen Tonware kurz als Linienbandkeramik bezeichnete erste Bauernkultur Mitteleuropas bricht nach mehr als einem halben Jahrtausend zusammen. Sie wird in Südwestdeutschland von der sogenannten Hinkelstein-Kultur abgelöst, die ihren Namen der Fundstelle „Am Hinkelstein“  auf der rheinhessischen Gemarkung Monsheim verdankt. Hierauf folgt die Großgartacher Kultur, benannt nach dem forschungsgeschichtlich bedeutsamen Großgartach (Landkreis Heilbronn). Absolut- chronologischen (C14) Daten zufolge dürfte Hinkelstein 5.100 vCh beginnen, Großgartach etwa um 4.700 vCh enden. Bis vor kurzem beruhten die gesamten Kenntnisse zum Hinkelsteiner Bestattungswesen auf Grabungen, die der Arzt Carl Kochl um die Jahrhundertwende in der Umgebung von Worms durchgeführt hat. Die bisher bekannten Gräber der Großgartacher Kultur kamen vor allem im Elsaß zutage, auch sie im Rahmen von Altgrabungen.

Die ersten vier Gräber der Nekropole von Trebur (wurden 1939 bei der Anlage eines Kabelgrabens angeschnitten. Eugen Schenkel, der das Gräberfeld 1971 wiederentdeckt hat, konnte fünf weitere Bestattungen bergen. Da die Nekropole durch die Landwirtschaft bereits in Mitleidenschaft gezogen und dadurch weiterhin massiv bedroht war, führte das Landesamt für Denkmalpflege Hessen unter Leitung von Dr. Hoher Göldner, in zwei Kampagnen der Jahre 1988 und 1989 ihre vollständige Ausgrabung durch. Die zugehörige Siedlung der Großgartacher, vielleicht auch der Hinkelstein - Kultur, dürfte. nach Lesefunden zu urteilen, nur wenige hundert Meter entfernt zu suchen sein.

 

Zwei Kulturen - eine Nekropole: Das auf hochwasserfreier Flüche zwischen Altarmen des Mains und des Neckars gelegene Gräberfeld besteht aus inngesamt 137 Bestattungen. von denen 79 zur Hinkelstein Kultur und 58 zur Großgartacher Kultur gehören. Letztere umgehen auf allen Seiten die Hinkelsteiner Gräber, was dafür spricht, daß die beiden Kulturen die Nekropole nacheinander belegten. Die meisten Hinkelstein - Gräber drängen sich im Zentrum des Gräberfeldes zusammen und sind nur ein bis zwei Meter voneinander entfernt, ein Befund, der eine Überdeckung mit runden Hügeln ausschließt. Da aber kein Grab ein anderes stört, muß mit einer oberirdischen Kenn­zeichnung der Grabstellen gerechnet werden. Im Allgemeinen handelt es sich um Körperbestattungen. Ausnahmen sind drei Brandgräber - darunter die erste Hinkelsteiner Brandbestattung

sowie drei Kenotaphe. d.h. Leer- oder Scheingräber mit Beigaben- aber ohne Skelett. In zwei Großgartacher Gräbern lagen Neugeborene, die man mit einem umgedrehten Gefäß, einer sogenannten Zipfelschale, abgedeckt hatte.

Die anthropologische Geschlechtsbestimmung erlaubt es, spezifische Beigaben oder Bei­ga­ben­ensembles zu identifizieren, die nur oder überwiegend Frauen bzw. Männern mitgegeben wurden. Auf dieser Grundlage lassen sich in einem zweiten Schritt auch anthropologisch nicht bestimmbare Bestattungen einem der beiden Geschlechter zuordnen. Demnach wurden in den Gräbern beider Kulturen gleich viele Männer und Frauen beigesetzt. Mit nur etwa zehn Prozent sind hier dort die Kinder unterrepräsentiert, die demnach mehrheitlich eine von der Erdbestattung abweichende Behandlung erfahren haben.

 

Unterschiede in Ausrichtung und Haltung: Alle Hinkelsteiner Toten sind konsequent mit dem Kopf nach Südosten, mit den Füßen nach Nordwesten ausgerichtet. Genauso wurde die eine Hälfte der Großgartacher Toten beigesetzt, die andere jedoch genau umgekehrt, also mit dem Kopf nach Nordwesten. Diese Ausrichtungen innerhalb des Großgartacher Totenrituals erfolgten jedoch nicht geschlechtsspezifisch. Dagegen zeigt sich, daß Kinder mehrheitlich mit dem Kopf im Südosten, Alte deutlich häufiger mit dem Kopf nach Nordwesten bestattet wurden.

Unterschiede zeigen sich auch in der Haltung der Toten. Mit ausgestreckten Armen und Beinen wurden mehr als drei Viertel der Frauen der Hinkelstein - Kultur bestattet, aber nur ein Viertel der Männer, die sich ansonsten durch unterschiedlich angewinkelte Arme auszeichnen. In der folgenden Großgartacher Zeit wandelt sich das Bild: Ausgestreckte Gliedmaßen sind nun eher für die Männer charakteristisch, dagegen kommen angewinkelte Arme bei beiden Geschlechtern vor. Während die Hinkelsteiner Bestattungssitte also von einem weitgehenden Gegensatz in der Haltung männlicher und weiblicher Toter geprägt ist, läßt sich dieser Dualismus für die Großgar­ta­cher Zeit nicht mehr feststellen. Nur bei einem Hinkelsteiner Toten, der auch sonst Besonderheiten aufweist, finden sich leicht angehockte Beine. Es dürfte kein Zufall sein, daß gerade diesem Mann ein Gefäß mitgegeben wurde, das einen Adoranten zeigt, eine stark stilisierte menschliche Figur mit erhobenen Armen.

 

Dechsel, Feuerzeug und Pfeilbewehrung: Bei allen Bestatteten der Nekropole von Trebur fanden sich Beigaben. Vier von fünf Hinkel­steiner Männergräbern enthielten Steinbeilklingen mit hohem oder flachem Querschnitt, Überbleibsel von geschäftet mitgegebenen Dechseln. Seltener wurden durchlochte Stücke aus metamorphem Gestein mitgegeben, die wohl als Spaltkeile dienten. Mit ihrer Hilfe hat man - vor der Erfindung der Säge - sogenannte gerissene Bretter hergestellt. Vielen Hinkelsteiner Männern waren auch Silexkernsteine mitgegeben worden, die sekundäre Klopfmarken aufweisen. Zusammen mit mutmaßlichen Pyritknollen, die in Form eisenhaltiger Konkretionen überliefert sind, dürften sie als Schlagfeuerzeuge gedient haben; hinzudenken muß man Zunderschwäimnte, präparierte Baumpilze, die als Gluthalter dienten.

Wohl nicht zufällig liegen Pyrit und / oder Klopfstein in der Regel am rechten Arm der Männer. Auch die Beigabe sonstigen Silexmaterials blieb den Männern vorhehalten. Am häufigsten handelt es sich dabei um einfache Klingen, charakteristisch für Hinkelsteine, sind die sogenannten Trapeze, die als querschneidige Pfeilbewehrungen dienten. Im Vergleich mit der Vorgängerkultur fällt die relative Armut an Beilklingen in den. Großgartacher Männergräbern auf, lediglich Spaltkeile wurden ebenso häufig mitgegeben. Wie Silexartefakte allgemein, erscheinen jetzt auch Klopfer nur noch selten.

Nachweise von Pyrit fehlen gar vollständig. Das gleiche gilt für Pfeilspitzen, allerdings liegt ein dreieckiges, flächig retuschiertes Exemplar Großgartacher Form als Oberflächenfund vom Gelände des Gräberfeldes vor. Es zeigt alle Merkmale von Hitze - Einwirkung und könnte für die Existenz weiterer, durch den Pflug zerstörter Großgartacher Brandgräber sprechen. Cha­rakteristisch für die Inventare der Großgartacher Männergräber sind beschliffene Roteisensteinknollen, mit deren Hilfe Farbstoff gewonnen wurde. In den Hinkelsteingräbern von Trebur fehlt Rötel vollständig. Geräte aus Tierknochen und Geweih wurden den Männern beider Kulturen nur gelegentlich mitgegeben.

Ganz anders wurden die Frauen beider Kulturen ausgestattet. Kennzeichnend sind vor allem Geräte aus Sandstein, besonders Bestandteile von Bandmühlen in Form sogenannter Läufer und Unterlieger - erstere wesentlich häufiger - daneben Reib- und Schleifsteine, Schleifplatten usw. In keinem Fall scheint eine vollständige Getreidemühle beigegeben worden zu sein, eine Beobachtung, die auf den symbolischen Charakter dieser Sitte von Teilbeigaben verweist. Analog zu den Verhältnissen bei den Männern wurden auch die Großgartacher Frauen mit weniger Steingeräten ausgestattet als ihre Hinkelsteiner Vorgängerinnen. Schleifsteine werden nun gar nicht mehr beigegeben.

Daß hingegen Silices nun auch Frauen ins Grab begleiteten, zeigt exemplarisch die bislang singuläre Beigabe einer Sichel, Bestandteil des reichsten Großgartacher Inventars. Außer den beiden schneidenden Einsätzen, importierter Plattenhornstein aus den Silexgruben des bayerischen Abensherg - Arnhofen (Kreis Kelheim) hat sich auch das Birkenrindenpech mit den Abdrücken der Holzschäftung und der Klingen erhalten. Eine weitgehende Rekonstruktion der Sichel ist daher möglich.

Keramik fand sich bei allen Bestatteten, in den Hinkelsteiner Gräbern vor allem Kümpfe. in den Großgartachern am häufigsten Bauchknickgefüße. Charakteristisch für die Inventare - besonders der Frauen beider Kulturen -  sind unverzierte dickwandige Töpfe einfacher Form. Es liegt nahe, sie als Kochtöpfe zu interpretieren, da die den Frauen vorbehaltenen Mahlsteine ebenfalls zur Lebensmittelverarbeitung dienten. Zum keramischen Spektrum gehören sodann Schalen - vor allem Zipfelschalen, weniger häufig Fußschalen - sowie verschiedene Flaschenformen. Die Großgartacher Gräber lieferten vielfach auch ovale Schalen.

Der außergewöhnlichste Beigabentvp der Hinkelstein - Gräber ist Fleisch in Form ganzer Brustkorbhälften von Rindern, mit denen man am Schluß des Beigabenrituals Kopf und Oberkörper des Toten, seltener dessen Beine und Füße bedeckte. Darüber hinaus fanden sich in zahlreichen Hinkelsteiner Gräbern die Knochen beigegebener Keulen von Rindern, Schafen, nur einer eindeutigen Ziege, von Haus- und Wildschwein, aber nur einmal vom Rothirsch. In einigen Fällen waren ganze Schafe, seltener Schweine beigegeben worden, jedoch ohne Kopf und Füße. Den Männern wurde mehr Fleisch mitgegeben als den Frauen. Besonders bemerkenswert ist, daß Schweinefleisch - die Inventare einer Frau und eines Mädchens ausgenommen - den Männern vorbehalten blieb. Die Frauen erhielten entsprechend häufig Schaffleisch mit auf den Weg.

Ob das Schweinefleisch in den Männergräbern lediglich ein geschlechtsgebundenes Totenritual widerspiegelt, oder ob sein Verzehr schon im Alltag den Männern vorbehalten war, wird sich kaum je klären lassen. Der Treburer Befund erinnert an die Rolle des Schweins bei Papua-Stämmen Neuguineas: Die Tiere leben dort mit den Frauen und Kindern zusammen, die sie füttern und verhätscheln; wird eines geschlachtet, sind es jedoch die Männer, die die besten Stücke unter sich aufteilen, während die Frauen sich mit dem begnügen müssen, was übrigbleibt.

 

Schmuck aus Muscheln, Zähnen, Kalkstein: Aus etwa der Hälfte aller Gräber kam Schmuck zutage. Eine charakteristische Form sind Hirschgrandeln, in den Hinkelstein - Inventaren jedoch vielfach als Imitationen aus dem Perlmutt der im Neolithikum noch vorkommenden Flußmuschel Margaritifera auricularia. Sie sind die häufigste Schmuckform in den Hinkelsteiner Männergräbern. In der Regel waren die Grandeln Bestandteile von Hals ketten. Eine Besonderheit des Hinkelsteiner Frauenschmucks, in drei Gräbern belegt, sind Gürtelbesätze aus Hirschgrandeln. Der wertvollste Besatz dieser Art stammt aus dem reichen Grab 63 und bestand aus mindestens 230 Hirschgrandeln. Da der (männliche) Hirsch nur zwei solcher Oberkiefereckzähne besitzt, kostete also allein dieser Schmuck 115 Tieren das Leben.

Zum selben Gürtel gehörte eine große, am Schloß doppelt durchbohrte Spondylusmuschel als Schließe. In der ganzen Nekropole kommt diese Schmuckform nur einmal vor, in linienbandkeramischen Gräberfeldern begegnet sie häufiger. Doppelt durchbohrte Flußmuschelschalen der Art Margaritifera auricularia, auf Höhe der Hüfte getragen, waren Bestandteil der Frauentracht beider Kulturen. Die kleinen, einfach gelochten Muscheln waren teils rezent, teils fossil und stammen aus dem Mittelmeer oder dem Atlantik (Glycymeris) bzw. aus dem Tertiär des Mainzer Beckens (Corbicula convcea).

Zylindrische Spondylus-Perlen, Scheibenperlen aus Perlmutt (Margaritifera auricularia) sowie rezente, röhrchenförmige Scaphopoden aus dem Atlantik oder dem Mittelmeer kommen nur in den Hinkelstein - Inventaren vor. Hingegen lieferten die Gräber beider Kulturen zylindrische Perlen aus Kalkstein und fossile, gelochte Schneckengehäuse aus dem Tertiär des Mainzer Beckens. Meist handelt es sich bei diesen Schmuckformen um Teile von Halsketten. Durchbohrte Eberzahnlamellen wurden in beiden Kulturen sowohl am Hals wie am Arm getragen. Dagegen sind durchlochte Eckzähne von Hund, Fuchs, Dachs und Wildkatze als Bestandteile von Halsketten eine Besonderheit der Großgartacher Kultur.

Die Inventare der Hinkelsteiner Kindergräber sind geschlechtsspezifisch, es lassen sich also archäologisch Bestattungen von Jungen und Mädchen unterscheiden. Bei den Großgartacher Kindern handelt es sich entweder generell um Mädchen, oder den Knaben wurden kennzeichnende „männliche Beigaben“ vorenthalten. In beiden Kulturen erhielten die Kinder umso mehr Beigaben, je älter sie bei ihrem Tod waren. Gemessen an den Erwachsenen, wurden sie gut ausgestattet, möglicherweise eine Folge des relativ hohen Status dieser Minderheit von Kindern, die regulär beigesetzt wurden.

Die Großgartacher Beigabenensembles sind deutlich ärmlicher als die Inventare der Hinkelstein-Kultur. Die Hinkelsteiner Männer wurden wiederum reicher ausgestattet als die Frauen, wobei man einschränkend berücksichtigen muß, daß sich Gegenstände aus organischen Materialien wie Gewebe, Körbe oder Holzgeräte nicht erhalten haben, Beigabenensembles daher ärmlicher wirken können, als sie ursprünglich waren. Die „männlichen“ und „weiblichen“ Inventare der Großgar­tacher Kultur unterscheiden sich jedenfalls weniger deutlich voneinander.

 

Frauen und Männer getrennt - und nebeneinander: Innerhalb der Hinkelstein-Nekropole zeichnen sich Gruppierungen von weiblichen und männlichen Bestattungen ab, davon abweichend waren an seiner Peripherie zwei gemischte Gruppen von jeweils vier Bestattungen auszumachen. Diese Gräber fallen durch ihre gute Erhaltung und parallele Ausrichtung auf. Hierdurch grenzen sie sich deutlich von den umgebenden Bestattungen ah. Dabei verdient die eine Gruppe mit je zwei Männer- und Frauengräbern (63 und 67 bis 69) besonderes Interesse.

Die beiden Männergräber sind die bestausgestatteten der ganzen Nekropole. Ihre Inventare bestehen unter anderem aus einem hohen und einem flachen Dechsel, einem Keil sowie fünf Silices. In das Frauengrab 63 gehören (beide wurden oben schon erwähnt) der Grandelbesatz und die Spondylusmuschel. Die beiden Männergräber sind untereinander und mit zwei benachbarten Bestattungen durch das Verzierungsmotiv des „liegenden Bäumchens“ verbunden, das auf der Keramik der übrigen Gräber fehlt. Eine dieser benachbarten Bestattungen steht wiederum durch ihren Grandelbesatz mit dem reichen Frauengrab 63 in Beziehung.

Die beiden gemischtgeschlechtlichen Gräbergruppen lassen, da sie im Gegensatz zu den Frauen- und Männerbereichen in der Nekropole stehen und durch auffällige Verzierungsmotive miteinander verbunden sind, an Familien oder Sippenverbände denken. Soweit Grabinventare Rückschlüsse auf die soziale Stellung der Bestatteten zulassen, dürfte sich in den Gräbern 63 und 67 - 69 eine Sippe mit gehobenem Status oder von hohem Ansehen fassen lassen.

Gleiches gilt für eine benachbarte Gruppe von drei reichen Männergräbern, deren je drei durch identische Ausrichtung und die Beigabe sonst nicht vorkommender Geweihsprossen miteinander verbunden sind. Diese besonders reichen Gräber wurden alle im Süden bzw. am südlichen Rand der zentralen Hinkelsteiner Gräbergruppe angelegt. Im Großgartacher Teil der Nekropole lassen sich - vielleicht von einer Ausnahme abgesehen - keine entsprechenden Gruppen von Männer- oder Frauengräbern erkennen, auch kaum Gruppierungen, die sich aufgrund anderer gemeinsamer Merkmale ergeben.

 

Die Hinkelsteiner Gesellschaft - nach Geschlechtern gegliedert: Die Aufteilung der Hinkelsteiner Nekropole in spezielle Bereiche für beide Geschlechter, die Unterschiede der Körperhaltungen von Frauen und Männern, die Ausstattung nur der letzteren mit Schweinefleisch, dies alles spricht für eine deutliche Gliederung der Gesellschaft in einen männlichen und einen weiblichen Teil, zumindest im Totenritual. Die qualitativ unterschiedlichen Beigabeninventare dürften die Arbeits- und Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern widerspiegeln. Ein höherer Status der Männer läßt sich vielleicht aus den reicheren Inventaren und der etwas stärkeren Eintiefung ihrer Gräber erschließen.

 

Teilweise Umkehr des Totenrituals: Das Totenritual der Großgartacher Zeit wirkt eher egalitär: Frauen und Männer werden nicht mehr getrennt voneinander bestattet, der Unterschied im Reichtum der Inventare ist weniger stark ausgeprägt, und die Gräber sind gleich tief. Die Veränderungen in Körperhaltung und Fleischbeigabe sind Ausdruck einer regelrechten Umkehrung des Hinkelsteiner Totenrituals. Sie manifestiert sich besonders deutlich darin, daß im Vergleich zur Hinkelsteiner Orientierungssitte die Hälfte der Toten nun genau anders herum beigesetzt wird.

So zeigen sich in der Nekropole von Trebur Unterschiede zwischen den beiden Kulturen nicht nur in materieller Hinsicht (wie in der verzierten Keramik), sondern auch im Totenritual und wohl auch im sozialen Bereich. Vieles läßt auch die Kontinuität der Entwicklung erkennen, nicht zuletzt die Tatsache, daß die Hinkelstein-Nekropole in der Großgartacher Zeit weiterbelegt wurde. Kontinuität auf der einen, bewußter Traditionsbruch auf der anderen Seite kennzeichnet also das Verhältnis der beiden Kulturen.

 

 

Bischofsheim

Seit ungefähr 150 Jahren waren und sind Eisenbahnen unerläßliche Transportmittel. Relikte der aufgegebenen Schienenstrecken formen die Kulturlandschaft mit. Besonderes Zeugnis ist die denkmalgeschützte Eisenbahnlandschaft von Bischofsheim im Kreis Groß - Gerau. Bischofsheim entwickelte sich von 1904 an zum Eisenbahnverkehrsknoten im südlichen Rhein – Main - Gebiet. Bis zu 1.000 Bahnbedienstete arbeiteten hier in Wartung, Reparatur und am Güterbahnhof. Zwei 50 Meter lange und von Zwangsarbeitern gemauerte Unter­suchungsgruben aus dem Zweiten Weltkrieg sind Reste des früher riesigen Werkes, das die in Reparatur befindlichen Loks vor Bombenschäden schützen sollte. Heute hat die Bischofs­heimer Eisenbahnlandschaft Aufnahme in die Route der Industriekultur Rhein - Main gefunden.

 

 

Groß - Gerau

Wissenschaftler haben  2011 Spuren eines frühen Militärlagers der Römer in Hessen entdeckt. In der Nähe von Groß-Gerau, Ortsteil Wallerstädten, stießen sie auf Reste eines Kastells, das von den vierziger bis siebziger Jahren des ersten Jahrhunderts nach Christus bestand. Es sich handelt um eine der wichtigsten Fundstätten noch vor Errichtung des Limes und noch älter als das Kastell in Gernsheim.  Das Lager war ein festes, im Unterschied zu anderen, die nur einige Zeit bestanden. In dieser Gegend haben in Mainz stationierte römische Soldaten immer wieder militärische Übungen abgeleistet.

Besonders froh sind die Archäologen, wenn sie einen Brunnen entdecken. Wenn diese aufgegeben wurden, wurden sie danach als Abfallgruben benutzt. Das macht sie für die Erforschung der Lebensverhältnisse besonders attraktiv. Die Archäologen fanden Hinweise auf Gräben und Brunnen und stießen auf Waffenverzierungen sowie auf Münzen und Scherben. Über 1000 Funde sind aus der Ackeroberfläche geborgen worden.

Das Lager dürfte lediglich durch einen befestigten Erdwall geschützt worden sein. Hier ist ja   ein steinarmes Gebiet. Die Römer haben deshalb Fachwerk- und Holzbauten errichtet.“ An dem Militärplatz dürften sich rund 500 Soldaten aufgehalten haben, ebenso noch 500 Zivilpersonen. Das Truppenlager habe etwa 30 bis 40 Jahre bestanden. Warum die Soldaten weggingen, ist unbekannt. Bei ihnen handelte es sich den Archäologen zufolge um Männer aus unterworfenen Völkern. Diesen ist nach Ablauf einer 25jährigen Dienstes das römische Bürgerrecht zugesprochen worden.

Der Bereich um Groß-Gerau ist auch wegen des nur rund 20 Kilometer entfernten Mainz ein bevorzugtes Suchgebiet. In den vergangenen zehn Jahren wurden immer wieder Entdeckungen gemacht. Die Zahl der Fundstellen habe sich auf etwa 200 fast verzehnfacht.   Zu den Funden gehört auch eine Miniaturstatue der Göttin Minerva.

 

 

Rüsselsheim

Man fährt von  der Autobahnabfahrt Rüsselsheim Süd über die B 519 in die Stadt, nach Querung der B 43 nach rechts in Richtung Festung / Museum östlich des alten Ortskerns. Eine Parkmöglichkeit besteht östlich des Stadtparks (sonntags frei).

 

Geschichte:

Die Kalkblöcke am Falkenberg hat schon die XXII. Legion für ihre Bauten genutzt. Die Entstehung Rüsselsheim dürfte ins 6. Jahrhundert fallen. Der Frankenführer Ruzillo wird als Gründer der Stadt bezeichnet. Er hat sie zu beiden Seiten der Aschaffenburger Straße angelegt. Ein freier Platz in der Mitte diente als Versammlungsstätte, Grenzgräben wurden angelegt.

Spätere Besitzer waren die Herren von Münzenberg, Falkenstein und Katzenellenbogen (aus der Obergrafschaft Katzenellenbogen entwickelte sich das Großherzogtum Hessen). Anfang des 15. Jahrhunderts wurde das Amt Rüsselsheim gebildet, das bis 1821 bestand. Im Jahre 1479 kam die Burg Rüsselsheim an Hessen, und 1491 kam es zu einem Vergleich mit Kurmainz. Landgraf Wilhelm II. legte die Wallbefestigung an, sein Sohn Philipp errichtete vier Ecktürme und eine Vorschanze an der Zugbrücke. Im Schmalkaldischen Krieg widerstand die Burg im Jahre 1547 den Anstürmen des kaiserlichen Generals Büren. Im Jahre 1689 sprengten die Franzosen die Festung in die Luft.

 

Opel -Villen:

Ein Blick entlang des Mains lohnt sich. Nach Osten sieht man zunächst die Opel -Villen. Die Opel-Villen als Ort der Begegnung und Zentrum für zeitgenössische Kunst füllen sich mit Leben. Als erste Ausstellung sind im Jahre 2003  „Zitronen“ von Diether Ritzert zu sehen. Auch gibt es nun Gastronomie. Bei schönem Wetter können Besucher von der neuen Terrasse auf den Main blicken, aber noch stört die Dammsanierung den Blick.

Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Bürger sind am Samstag in die Ludwig - Dörfler - Allee geströmt, um bei Teil eins der Eröffnung der Opel - Villen dabei zu sein. Sie nutzten die Möglichkeit, durch die 1916 im Jugendstil erbaute und nun sanierte Villa Wenske zu flanieren und an Führungen teilzunehmen.

Die kleinere der beiden Villen ist benannt nach dem ehemaligen Fabrikdirektor Wilhelm Wenske und beherbergt nun ein italienisches Café-Restaurant und im Obergeschoß ein Trauzimmer. Zugänglich ist nun auch der gläserne Anbau, der die beiden Villen verbindet, sie behindertengerecht erschließt und in dem sich auch die Sanitäranlagen befinden.

Im Verbindungstrakt gibt es einen Gang, den Kulturamtsleiter Kurt Röder Spielraum nennt und in dem am Samstag eine Ausstellung mit zwei Dutzend Werken des 1987 mit 60 Jahren verstorbenen Rüsselsheimer Malers Diether Ritzert eröffnet wurde. Ritzert war 1986 der erste Kulturpreisträger der Stadt. Die nun gezeigten Werke drehen sich um das Thema „Zitrone“. Kurator Uwe Wenzel erläuterte im Beisein von Ritzerts Frau Elisabeth die gegenständlichen Ölbilder und Druckgraphiken, in denen er auch eine Verbindung und einen Vorgeschmack auf die erste große Ausstellung sieht: In der Herrenhaus genannten größeren Opel-Villa, die Fritz von Opel 1931 im Bauhaus-Stil erbauen ließ, werden von Ende September an Werke der expressionistischen Künstlergruppe „Brücke“ zu sehen sein. Der zweite Akt erfolgt zuvor am 23. Mai, wenn es im Trauzimmer die ersten standesamtlichen Eheschließungen geben wird.

Die Villen  haben eine wechselvolle Geschichte, die den Krieg überdauerten, danach Krankenhaus, Standesamt und Amtsgericht waren.  Die Stadtverordneten beschlossen 1998 die notwendige Sanierung der Häuser. Für diese 1,5 Millionen Euro teure Aufgabe wurde 2001 die Stiftung Opel - Villen gegründet, finanziell getragen von der Stadt und dem Automobilkonzern Opel.

Die Opel -Villen sind wichtig für die Zukunft und Identität von Rüsselsheim, um von einem verschlafenen Arbeiterdorf zu einer modernen selbstbewußten Stadt zu werden.

 

Festung:

Dann geht man zur Festung der Grafen von Katzenelnbogen aus dem 15. Jahrhundert. Diese kann man von außen besichtigen durch einen Rundgang durch den Graben. Innen ist bemerkenswert das gotische Tor. Außerdem gibt es im Hof Neubauten für das Museum. Das Museum fußt auf Sammlungen eines 1905 gegründeten Heimatvereins. Es zeigt anhand von Funden, ausgewählten Objekten, Kunstwerken und Textdokumenten Schwerpunkte in der Entwicklungsgeschichte  der Stadt an: so die Zeit der fränkischen Landnahme bis zum Bau der Festung; die Festung selbst, dargestellt durch Pläne, Urkunden, Modelle; vorindustrielle Technik und natürlich Rüsselsheim im Zeitalter der Industrialisierung (1830 – 1945), der Wandel zum Fließband am Beispiel Rüsselsheimer Firmen, vor allem dem Opelwerk.

 

Stadtpark:

Dann geht es weiter durch den Stadtpark, durch das Türchen in der Mitte. Man kommt zu einer Vogel - Voliere und dann zu einem Tempel in der Mitte des Parks. Dieser ist im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt und birgt immer wieder Überraschungen. Rechts von dem See kann man eine Pyramide entdecken. Zwischen Bäumen versteckt ist ein Parkwärterhaus.

 

Fußgängerzone:

Vom westlichen Ausgang geht man durch die Schäfergasse bis zur Mainstraße. Nach links kommt man über den Marktplatz mit der barock - klassizistischen Kirche zur Fußgängerzone.

Seine erste Kirche erhielt Rüsselsheim im Jahre 1514. Sie stand südlich der Festung, fiel aber wohl einem Brand zum Opfer. Deshalb wurde die in Trebur abgebrochene St. Albanskirche  wieder vor dem Schloß in Rüsselsheim aufgebaut, brannte aber auch 1524 ab. Auch eine auf dem Marktplatz neue errichtete Kirche brannte ab. Die Wetterfahne auf dem alten Pfarrhaus trägt die Jahreszahl 1609 und die Gestalt des Hl. Alban. Eine hölzerne Figur Albans ist im Flur des alten Pfarrhauses aufgestellt. Er hält sein Haupt in der Hand, weil er nach seiner Hinrichtung in Mainz noch bis nach Rüsselsheim gelaufen sein soll.

Die Bevölkerung des benachbarten Haselach, wo auch eine Burg stand, besuchte die Rüsselsheimer Kirche bis 1618, als der Ort kurmainzisich und wieder katholisch wurde. Die 1593 neu erbaute Kirche bestand bis 1790. Dann wurde die jetzige Kirche errichtet. Die katholische Kirche wurde 1903 geweiht.

Nach links kommt man zum Löwenplatz und durch die Löwengasse zum Friedensplatz. Hier geht man erneut in den Stadtpark, geht aber jetzt mehr durch den südlichen Teil. Kurz vor der Parkschule steht eine künstliche Ruine. An der Straße steht das Amtshaus (früher Palais, heute Ordnungsamt).

Die Weiterfahrt geht über die Frankfurter Straße und entweder über die B 43 nach Frankfurt, oder nach Süden über die Ringstraße zum Stadtteil Haßloch. Doch ein Besuch der Horlache lohnt sich nicht.

 

Grenzstein:

Hoheitliche Grenzen trennten Land und Leute. Schon in der Antike wurde das Recht auf Grund und Boden, Nutzung oder auch die Besteuerung mit Grenzen und Grenzsteinen als Markierungszeichen festgelegt. Nachdem sich die Besiedelung nördlich der Alpen im Hochmittelalter immer mehr verdichtete, wurden natürliche Grenzmarkierungen wie Bergrücken, Flüsse, Straßen oder Einzelbäume immer mehr von beschrifteten Grenzsteinen abgelöst.

Ein schönes Beispiel bietet ein Grenzstein aus dem Jahr 1716 am Loogweg im Rüsselsheimer Wald. Der Grenzstein ist einer von mehreren entlang des Loogweges („loog“ stammt von messen), der die großherzoglich genehmigte Grenze in einer Waldgemeinschaft zwischen Rüsselsheim und Mörfelden-Walldorf markierte.

 

Mörfelden -  Walldorf

Neu-Isenburg-Zeppelinheim

Auf der Hinfahrt besucht man Zeppelinheim. Über die Autobahnabfahrt Frankfurt - Süd kommt man auf der B 44 nach Zeppelinheim. Nach der Abfahrt muß man gleich wieder nach rechts abbiegen (die Straße geradeaus führt zur Autobahnauffahrt an der A 5). Die Hauptstraße besteht aus einer breiten Allee, nach rechts geht es zum Zeppelinmuseum. Durch den Forsthausweg und die Kapitän   - Lehmann-Straße sind es nur wenige Schritte hinüber zum Zeppelinmuseum in einem Nebenbau des Bürgerhauses. Das halbrunde, bis zum Boden reichende Dach und die Außenfassaden sind dem Rumpf eines Luftschiffs nachgebildet, die Stahlrohr- Fachwerkbinder im Inneren dem Tragewerk aus Leichtmetallringen und Längsträgern.

Im überaus kenntnisreich gestalteten Zeppelinmuseum hält man die Erinnerung an die „Könige der Lüfte“ wach. Die spektakuläre Geschichte der Starrluftschiffe ist untrennbar verbunden mit dem Lebenswerk des Grafen Ferdinand von Zeppelin, dem es erstmals im Juli 1900 gelungen war, sein Konstruktionsprinzip „lenkbarer Ballons“ erfolgreich zu testen. Auch nach seinem Tod 1917 ging die Entwicklung stürmisch weiter, gipfelte in Arktisfahrten, Weltumrundung und transatlantischem Liniendienst.

Man erhält eine Vorstellung von den Ausmaßen und der Bauweise der Luftschiffe. Die Ausstattungsgegenstände von Passagier- und Besatzungsräumen geben eine Ahnung von dem bis dahin allenfalls in der ersten Klasse der Ozeandampfer erreichten Reisekomfort. Die erhöhte Tragfähigkeit erlaubte es bei „LZ 129“ statt der Gondel den Innenraum als Fahrgastbereich zu nutzen. Der gewonnene Platz kam der Geräumigkeit der mit fließend kalt und warm Wasser ausgestatteten Zweibettkabinen zugute. Man tafelte im Speisesaal von edlem Porzellan, lauschte dem Pianisten am Leichtmetallklavier oder promenierte entlang der Aussichtsdecks. ja, man leistete sich die Herausforderung eines hermetisch abgeschlossenen Rauchersalons.

Im Jahre 1938 hatte man die „Deutsche Zeppelin-Reederei“ von Friedrichshafen in das meteorologisch und verkehrstechnisch begünstigte Frankfurt verlegt. Für die Bediensteten der Luftfahrtgesellschaft wurde eigens eine selbständige (heute zu Neu-Isenburg gehörende) Gemeinde gegründet: Sie konnte nur „Zeppelinheim“ heißen und die Straßen nach verdienten Luftschiffkapitänen benannt werden. Ehemalige Besatzungsmitglieder waren es auch, die hier ein sehenswertes Museum schufen. Anhand von frei schwebenden Modellen unter der Decke und zahllosen Originalexponaten vom Steuerrad bis zum verschmorten Wecker aus dem Wrack der „Hindenburg“ werden noch einmal Triumph und Tragik eines Sonderwegs der Luftfahrt lebendig.

Vermutlich wäre aber auch ohne die Katastrophe von Lakehurst 1937, bei der der 245 Meter lange „LZ 129 Hindenburg“ explodierte, die Ära der Zeppeline zu Ende gegangen. Im Vergleich zum Flugzeug waren sie zu langsam, zu teuer, zu witterungsabhängig. Endgültig besiegelt wurde das Ende der ersten Luftschiffära im Jahre 1940 mit dem Abwracken des letzten Himmelsgiganten und dem Abriß der zugehörigen Hallen auf dem Frankfurter Rhein - Mai - Flughafen.

Ganz aktuell hängt übrigens auch schon ein Modell des „NT“ im Museum. In der Formgebung unterscheidet sich das nach neuester Technologie gebaute Luftgefährt kaum von seinen Ahnen. Den luxuriösen Reisekomfort vergangener Tage - Kabinett, Speisesaal, Raucherzimmer oder Promenadenumgang - wird es freilich nicht bieten. Das Museum wird von Nachkommen der 1938 in Zeppelinheim angesiedelten Bediensteten der „Deutschen Zeppelin-Reederei“ ehrenamtlich geleitet. Durch ihre Schilderungen gewinnen die Modelle und Exponate zusätzliche Authentizität (die in Frankfurt I und II beschriebenen Wandertouren im Gebiet von Zeppelinheim lohnen nicht).

 

Walldorf

Auf der B 44 fährt man dann weiter bis in Höhe des Walldorfer Badesees. Dort biegt man rechts ab in die Aschaffenburger Straße. Nach Überqueren der Bahnlinie biegt man nach links ab in die Farmstraße. In der Platanenstraße geht es nach rechts und dann wieder links in die Flughafenstraße. Man kommt am Rathaus und dem Friedhof vorbei. Am Ende der Flughafenstraße biegt man rechts ab in die Langstraße zur Kirche.

Walldorf entstand auf dem Boden des Hofes Gundheim, der zwischen dem Gundhof und Mörfelden lag. Landgraf Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt (1678 - 1739) siedelte hier im Jahre 1699 waldensische Glaubensflüchtlinge aus den Savoyer Alpen an. Daraus entwickelte sich gegen allerlei Widerstände das heutige Walldorf. Der Name Walldorf spielt nicht auf die Waldenser selbst an, es war einfach das „Dorf im Wald“.

Mit der „Declaration“, einem Vertragswerk zur freien Religionsausübung in deutscher und französischer Sprache, Steuerbefreiung und anderen Privilegien, schloß er sich den Fürstenhäusern an, in deren Gebieten hugenottische oder waldensische Glaubensflüchtlinge Zuflucht fanden. Es waren vor allem mittellose Bergbauern und einige Handwerker, denen der Landgraf Chance bot, auf einer Rodungsinsel im dichten Forst Dreieich zu siedeln.

Eine einfache Skizze des Waldenser Pfarrers Jaques Papon von 1702 gibt die Siedlungsanfänge wieder. Danach standen sich in der Langstraße je sieben Fachwerkhäuser geradlinig gegenüber mit rechtwinklig angesetzten Querstraßen. Die Dorfmitte bildeten eine Kirche und das Pfarrhaus. An diese Anfänge erinnern das Gotteshaus, der Waldenserhof und links eine restaurierte Fachwerkhofreite von 1717, in der das Heimat- und Waldensermuseum seine stilvolle Bleibe hat.

Die Bewohner des südlich gelegenen Mörfelden wachten wie auch der mainzische Weiler Gundhof eifersüchtig darüber, daß sich die Siedler in Walldorf auf ihre zugewiesenen Parzellen beschränkten. Ein Jahrhundert benötigten die Waldenser, bis sie von Nachbarn akzeptiert worden waren.

Geradeaus geht es weiter bis auf die Hauptdurchgangsstraße. Über Okrifteler Straße und Nordring kommt man wieder in die Aschaffenburger Straße. An der Farmstraße biegt man nunmehr links ab in die Farmstraße, an deren Ende man rechts in der Nordendstraße im Industriegebiet parkt.

 

Radtour durch den Wald:

Mit dem Fahrrad geht es weiter. Zunächst geht es wieder zurück durch die Farmstraße und die Aschaffenburger Straße und über die Bundesstraße 44 (einen Weg weiter nördlich gibt es wegen der Eisenbahnlinie nicht, es sei denn, man überquerte ungesichert sie Schienen). Doch jetzt geht es geradeaus in den Wald. Wo links eine Industrieanlage liegt, biegt der Weg etwas nach rechts und führt zu einer Antennenanlage der Amerikaner. Am Tor biegt man rechts ab in den Waldweg und kommt zum Bürgermeisterstein auf der rechten Seite. Er erinnert an den Bürgermeister Peter Jourdan, der am 18. August 1876 „durch ........... erschossen wurde“. Wahrscheinlich stand hier „durch Mörderhand“, aber die Schrift ist herausgemeißelt.

Am nächsten größeren Weg bei der Schutzhütte geht es nach links und dann wieder nach rechts auf den R 8. Er führt über die Autobahn zum Stadtteil „An den Eichen“. Schon an der Schutzhütte biegt man links ab (Straße „An den Eichen“) und kommt zum Forsthaus Mörfelden. Dort geht es nach rechts auf einem Naturlehrpfad und um den Oberwaldsee und den Schnepfensee, von denen aber kaum etwas zu sehen ist. Die Mülldeponie dagegen ist nicht zu übersehen, auch wenn sie begrünt wird. Am Anglersee links vorbei kommt man zum Hotel „Express“ an der Bundesstraße B 486, die überquert wird. Links liegt das Naturfreundehaus, rechts der Campingplatz Mörfelden.

Immer geradeaus kommt man am ehemaligen Forsthof Mörfelden vorbei zum Bombruchsee. Der Weg südlich des Sees ist sehr schmal und holprig und von Abbrüchen bedroht, führt aber an einer schönen Wiese vorbei. Einfacher ist wahrscheinlich der Weg nördlich des Sees, aber noch im Wald. Auf jeden Fall kommt man auf der anderen Seite des Sees zu einer Schutzhütte, an der es nach Süden weiter geht über den Bach. Dahinter geht es erst rechts und dann links weiter und auf dem nächsten breiten Weg wieder rechts. Das ist die Dachsbergschneise, die südlich des Hegbachs nun immer geradeaus führt. Man kommt über die Darmstädter Straße und am Schluß etwas nach rechts zu einem Schienenübergang mit Rufschranke und über die Bundesstraße. Die Nikolauspforte läßt man rechts liegen und fährt über die Landstraße in den Wald.

Nach rechts geht es dann in die Steigbergschneise. Dann muß man aufpassen: An der Kreuzung mit dem Schild „Naturschutzgebiet“ geht es geradeaus in das Naturschutzgebiet „Mönchbruch“ und zum Schützenverein. Man muß schon vor der Wiese links abbiegen und nach Westen weiter fahren auf der Langschneise (Eine andere Möglichkeit ist die südlicher gelegene Alte Rüsselsheimer Straße). Hinter der „Hirtenhäuserschneise“ wird der Weg wieder schlechter und am Ende sogar ein Stück morastig. Aber dann geht es auch nach rechts auf dem Mönchbruchpfad zur „Müller Stube“ und zum Jagdschloß Mönchbruch. Links vor dem Schloß steht ein alter Kilometerstein. Der Weg links am Schloß vorbei führt aber sehr weit nach Westen ab (der Weg am Bach entlang ist nicht befahrbar).

 

Jagdschloß Mönchbruch: Das 1732 erbaute Schloß, das Darmstadts Landgraf Ernst Ludwig errichten ließ, um im Mönchbruch Wild zu jagen, besteht neben dem Wirtschaftstrakt, von der Straße aus zu sehen, im hinteren Bereich aus drei Pavillons.

Das denkmalgeschützte Ensemble gehört heute der Familie Grothe, die dort ein Hotel eröffnen will. Aus dem Wirtschaftstrakt Schlosses wollten die Eigentümer eigentlich Seminar- und Veranstaltungsräume machen. Doch die Statik läßt das im ersten Stock des alten Gebäudes nicht zu. Auch Hotelzimmer brauchten Fluchtwege, die es bisher nicht gibt. Ein dazu notwendiges zusätzliches Treppenhaus würde einen Umbau des Ostflügels des Hauses erforderlich machen. Dann könnte aber der Förderverein sein Info-Zentrum dort kaum mehr unterbringen. Er will im Jagdschloß Mönchbruch mit Blick auf Hessens zweitgrößtes Naturschutzgebiet ein Umwelt- und Kulturzentrum einrichten.

Die Grothes sind deshalb auf die Idee gekommen, nördlich vom Wirtschaftsflügel einen Neubau zu errichten. Der soll den drei Pavillons entsprechen, die es dort früher gegeben hat. Der Neubau soll mit einer Tiefgarage unterkellert sein - doch das bedeutet einen Eingriff in den Wasserhaushalt des Naturschutzgebiets. Die Grothes wollten den Neubau mit zwei Vollgeschossen, historisch belegt ist jedoch nur eines.

Falls keine Einigung mit den Ämtern zustande kommt, werde das Schloß weiter genutzt wie

zur Zeit. Der Wirtschaftsflügel wird an Arbeiter bzw. Firmen vermietet, die auf Baustellen im

Rhein - Main - Gebiet zugange sind.

 

Man fährt auf dem Radweg auf der rechten Seite der Bundesstraße in östliche Richtung bis zum Waldrand. Dort geht es nach links in den Gundweg. Dort steht auch wieder eine Info-Tafel über das Naturschutzgebiet Mönchbruch. Nach einiger Zeit steht rechts ein origineller Wegweiser in Form einer Steinfigur. Der Weg heißt auch „Kaiserallee“ zum Andenken an eine Waldarbeiterin, weil nach dem Krieg die Frauen wieder den Wald aufgeforstet haben.

An einer Kreuzung steht ein Wegweiser, der den Weg geradeaus zum Bahnhof und nach links zum Gundhof anzeigt. Es geht nach links, um den Anglersee herum und dann wieder nach rechts nach Norden. Am Campingplatz Walldorf geht es links herum in die Aschaffenburger Straße und an der Zigeuner-Eiche  vorbei nach rechts zum Gundhof.

 

Gundhof: Hier führte eine uralte Handels- und Heerstraße durch das damalige Sumpfgebiet, die auch die Römer zu nutzen wußten. Es gab nördlich vom heutigen Walldorf bis ins 13. Jahrhundert einen Ort Gundheim mit häufig wechselnden Besitzern, von den Grafen von Münzenberg über die Falkensteiner zum Erzbistum Mainz und gleichzeitig den Isenburgern, bis nach der Säkularisation alles an Hessen-Darmstadt fiel. Heute erinnert allein die Waldgaststätte Gundhof an die einstige Bebauung in diesem Gebiet. Hier wurde schon vor mehr als 200 Jahren Bier gebraut und für den Ausschank Schnaps gebrannt. Seit 225 Jahren wird der Gundhof als Gasthof geführt. Am Gundhof kann man rechts fahren und kommt in die Aschaffenburger Straße

 

Vom Gundhof fährt man erst wieder ein Stück nach Norden und dann wieder nach recht. Nach einiger Zeit kommt man an den Nordrand des Lehrpfades rund um die KZ-Gedenkstätte, ein Außenlagers des Konzentrationslagers Natzweiler im Elsaß. Der Lehrpfad beschreibt auf 16 Tafeln mit Bildern und Zitaten das Leiden jüdischer Frauen aus Ungarn, die auf dem Flughafen eine erste betonierte Rollbahn für das erste deutsche Düsenflugzeug bauen mußten. Am Weg rechts - etwas im Wald - sieht man noch einige Treppenstufen, die zu dem Keller der Lagerküche führten.

Inzwischen ist dort eine richtige Gedenkstätte entstanden. 

Man folgt dem Lehrpfad nach rechts und kommt zu dem Gedenkstein aus dem Jahre 1980. Ein Stück weiter ist dann wieder die Nordendstraße. Zu prüfen wäre noch einmal, ob man nicht doch von der Nordendstraße zum Nordrand des Baggersees kommt. Als ich die Autobahn unterquert hatte, ging es nur westlich der Eisenbahn weiter, und dann kommt man nicht mehr über die Schienen. Laut Karte geht es aber nach der Unterquerung der Autobahn nach rechts und nach Süden und zum See. Nach Südwesten käme man dann auch zu den Industrieanlagen westlich des einen Baggersees. Der Walldorfer Badesee ist übrigens nichts Besonderes, er hat nur an der Südseite viel zu wenig Flachufer. Der Langener Badesee ist da geeigneter.

 

Neutra – Siedlung (Richard-Neutra Straße):

 In den Jahren 1963 / 1964 plante die Bewobau, eine Tochtergesellschaft der „Neuen Heimat“, eine Siedlung mit über 200 Wohnungen. Als Architekten konnte sie Richard J. Neutra gewinnen, den damals weltbekannten und anerkanntesten Fachmann für's Wohnen. Seine großen und kleinen Villen in Kalifornien ebenso wie seine Sozialbauten, etwa in Puerto Rico, hatten wegen des oben genannten völlig neuen Denkansatzes in der Fachwelt für großes Aufsehen gesorgt. In Wall­dorf wurde der gesamte städtebauliche Plan umgesetzt, jedoch entstanden die meisten Bauten nach Plänen der Bauabteilung der Bewobau; nur 42 der Häuser konnten von Neutra und seinem Team realisiert werden. Diese Bauten aber haben eine Kraft und Ausstrahlung, die in ihrer Originalität nicht gegenüber der Zeit ihrer Entstehung zurückbleibt. Noch heute, fast 50 Jahre später, zählen die Neutra-Siedlung Walldorf und die dortigen Bauten Neutras zum Besten, was in dieser Zeit deutschlandweit entstanden ist.

Markante Kennzeichen sind raumhohe Glasflächen, das Vermeiden von kubischen Elementen, das vielzitierte „Spider Leg“ (eine in den Außenraum versetzte Tragstütze) sowie die „Reflecting Pool“ genannten flachen Wasserbecken, in denen sich Sonne, Wolken und Bäume an die Decken der Wohnräume spiegeln (Hilmer Goedeking).

 

In einem Beitrag für die Zeitung „Tagesspiegel“ im April 2010 nannte ihn Susanne Kippenberger „Dr. Haus“: der österreichisch-kalifornische Architekt Richard J. Neutra (geboren 1892), war überzeugt davon, daß Architektur dabei helfen könne, die Menschen glücklicher zu machen.

Weil es nach Neutra so sei, daß wir mit unseren Sinnen und Gefühlen auf unsere Umwelt reagieren, müsse es doch möglich sein, Häuser so zu planen und zu bauen, daß wir uns ein bißchen „heiler“ fühlen, so etwa, wie in einem guten Konzert, in dem wir entspannen und uns ganz bei uns selbst spüren. Der Architekt als Seelendoktor. Für Neutra war Bauen also nicht eine Frage des Budgets, des Stils oder der Kunst, sondern eine Frage nach dem, wie er den Alltag seiner Bauherrn mit methodisch gesicherten Ansätzen, einem Wissenschaftler nicht unähnlich, „heiler“ machen könne. Für seine Methode wählte er den Begriff des „Biorealismus“; es sei wichtig, daß der Mensch sich stets auch als Teil seiner Umgebung wahrnehme. Wer räumlich verarme, verarme und leide auch seelisch. Sein Thema ist die sublime, „seelenerfrischende“ Beziehung zwischen Innenraum und Außenraum, zwischen Handwerk und Natur, zwischen Mensch und Natur.

 

 

Raunheim - Mönchhof

Die Mönchhofkapelle liegt zwischen Schleuse Eddersheim und Autobahnbrücke direkt am Main. Sie wurde 1687 erbaut  als Nachfolgebau einer Kapelle von 1118 und ist versteckt auf einem Friedhof. Im Jahre 2008 wurde sie renoviert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Offenbach Kreis und Stadt

 

Neu-Isenburg

Geschichte:

Neu-Isenburg ist 1699 als Hugenottensiedlung gegründet worden. Südlich von Frankfurt war nichts als Wacholderheide, Wald und Wiesen. Exakt 250 mal 250 Meter mißt dort jenes Grundstücksquadrat, das 1699 der in Offenbach residierende Graf Johann Philipp von Isen­burg 30 französisch-reformierten Familien überläßt. Sie haben den Treue-Eid auf ihn, den Landesherren, geschworen, der ihnen die Religionsfreiheit zusichert und die französische Sprache erlaubt. Die Hugenotten stampfen ihre Siedlung aus dem Boden und legen den Grundstein für Neu-Isenburg. Noch heute ist im Alten Ort die historische Aufteilung zu erkennen: ein Viereck, dessen Diagonalen als Hauptgassen gepflastert sind und sich auf dem Marktplatz schneiden. Sternförmig kommen noch vier kleinere Gäßchen hinzu.

Von der ursprünglichen Bausubstanz ist allerdings fast nichts mehr erhalten - abgesehen von dem ehemaligen Schulhaus. Die Neu -Isenburger hatten schon 1876 das erste Rathaus auf der Mitte des Marktplatzes abbrechen lassen. Die Marktplatzkirche, Zentrum der Evangelisch- Reformierten Gemeinde im alten Ort, wurde - wie auch viele Privathäuser - bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach dem Krieg wieder aufgebaut.

Nach Angaben der Hugenottengesellschaft waren - nachdem der französische König Ludwig XIV. 1685 das Toleranz-Edikt von Nantes aufgehoben hatte - schätzungsweise 200.000 bis 250.000 Hugenotten in alle Welt geflüchtet, etwa 44.000 davon nach Deutschland. Allein nach Brandenburg-Preußen kamen zirka 20.000 Hugenotten, nach Hessen-Kassel 3.800 und ins Rhein-Main-Gebiet 3.400.

Der Blick ins Telefonbuch der Stadt Neu-Isenburg erinnert an die Hugenotten. Typische Namen sind Delzieux, Diacont, Remy und Cezanne. In der Stadt fand der 42. deutsche Hugenottentag statt. Neu-Isenburg - seit 1894 Stadt - hatte 1999 sein 300-jähriges Bestehen gefeiert. Die Evangelisch-Reformierte Gemeinde wird 2002 mit diesem Jubiläum folgen.

 

Rundgang:

Autobahnabfahrt an der A 661 „Neu-Isenburg“, nach links auf die Landstraße einbiegen und gleich wieder rechts nach Isenburg - Nord. An der Wiesenstraße (Einbahnstraße) rechts abbiegen und in die Bansastraße. An deren Ende - am Übergang zum Gravenbruchring - steht im Rechtsknick mit der Hausnummer 29 die Bansamühle.

 

Bansamühle:

Die herrschaftliche Bansamühle am nördlichen Stadtrand Neu-Isenburgs wurde im Jahre 1705 vom Erbauer der Hugenottensiedlung Andreas Löber als Wassermühle am kleinen Luderbach errichtet. Am Eingang des Parks steht noch das Mühlengebäude im ausgehenden barocken Baustil. Doch der Betrieb funktionierte nur nach heftigen Regenfällen reibungslos, was der Mühle schnell den Spottnamen „Blitz-und-Donner-Mühle“ einbrachte.

Im Jahre 1766 kauften die Frankfurter Bankkaufleute Conrad und Johann Matthias Bansa das Anwesen mit dem weitläufigen Gelände drumherum und richteten es sich als Landsitz ein. Die Familien Goethe, Willemer und Brentano gingen dort ein und aus. Doch 1860 war auch diese glanzvolle Ära im Rampenlicht des gesellschaftlichen Lebens der Frankfurter Gesellschaft beendet. Die Bansamühle wechselte fortan mehrfach Besitzer und Funktion und war unter anderem lange Zeit ein  beliebtes Ausflugslokal.

Im Jahre 1974 kaufte die Stadt Neu-Isenburg das Anwesen. Sie ließ die Mühle dank einer Stiftung des Bansa-Familienverbandes 1976 abtragen und leicht versetzt von Grund auf neu hochziehen. Zum 300- jährigen Jubiläum Neu - Isenburgs 1999 sorgte die Stadt dafür, daß die Mühle innen renoviert und auch das Drumherum hergerichtet wurde. Das örtliche Standesamt hat dort ein Eheschließungszimmer eingerichtet. Außerdem werden in der Mühle Lesungen und Konzerte veranstaltet.

Die barocke Gartenanlage des Landsitzes ist 1998 wieder angelegt worden, in absehbarer Zukunft soll die angrenzende Wiese als Landschaftspark gestaltet werden, der Verbindung in die freie Landschaft der Erlenbachaue schafft. Zunächst will man den Teich entschlammen und verschönern. Das Buschwerk und einige Bäume sollen verschwinden, um eine freundlichere Atmosphäre zu schaffen. An einer Uferseite soll eine Holzterrasse entstehen, die auch einen guten Blick auf die Insel mitten im Weiher gewährt. Als Blickfang soll eine Skulptur aufgestellt werden. Das gesamte Wegenetz soll so ausgebaut werden, daß die Spaziergänger stets trockenen Fußes durch den Park lustwandeln können. Wohl den größten Aufwand erfordert das Freilegen des Luderbachs, der bislang in einem Rohr den Park unterquert.

In der Bansastraße fährt man dann wieder zurück und geradeaus in die Pfarrgasse. Am Anfang links steht die alte Schule von 1703. Die Straße führt zum Marktplatz, nach rechts geht es zur Kirche, links steht unter anderem das Gasthaus „Grüner Baum“. Nach links geht es durch die Hirtengasse wieder heraus aus dem alten Stadtkern.

 

Das alte Schulhaus (Pfarrgasse 29):

Graf Johann Philipp von Isenburg, der den hugenottischen Flüchtlingen 1699 zwecks Gründung einer neuen Colonie Grund und Boden gab, stellte 1703 Holz und Steine für das erste Schulhaus zur Verfügung. Die Gemeinden sammelten in den Niederlanden, England und Deutschland Geld. Die Hugenotten sprachen lange Jahre Französisch. Von 1818 an wurde elf Jahre lang zweisprachig unterrichtet, bis Französisch als Amtssprache aufgegeben wurde.

Das älteste Haus in der Stadt ist nicht das schönste, doch es soll bald schöner werden. Die Eigentümerin des ersten Schulhauses von Neu-Isenburg - 1703 erbaut - will das unter Denkmalschutz stehende Gebäude bald modernisieren.

Die Besitzerin hat großes Interesse am Erhalt des Gebäudes und ist geschichtlich interessiert sei. Wenn sie an das von ihren Vorfahren erbaute Haus denkt, falle ihr nicht sofort die Geschichte der hugenottischen Glaubensflüchtlinge ein, sondern sie habe mehr die Zeiten vor Augen, als ihre Familie eine Wäscherei in dem Haus hatte, sagt sie. Kerstin Lillack (Jahrgang 1964) hat Geschichte studiert und arbeitet freiberuflich als Dokumentarin. Die Neu – Isen­burgerin denkt darüber nach, das alte Haus für die Bürger zu öffnen. Zwei Räume im Erdgeschoß des ehemaligen Schulhauses wolle sie örtlichen Vereinen zur Verfügung stellen. Herbert Hunkel hört das gern und versichert: „Wir geben auch Geld”.      

 

Frankfurter Würstchen

Die einzig wahre Würstchenstadt ist nicht Frankfurt am Main, sondern das benachbarte Neu - Isenburg. Es bleibt aber beim „Frankfurter“, das heute in Neu-Isenburg von den Firmen Hans Wirth und G.A. Müller produziert und nicht nur nach Frankfurt, sondern global exportiert wird - stets paarweise in Folien oder Konservendosen mit mehrsprachigen Beschriftungen, damit beim Heißmachen (maximal acht bis zehn Minuten) auch ja nix schief geht.

Denn werden die Würstchen im Natursaitling richtig gekocht, platzen sie auf Original Frankfurter - im Unterschied zu profanen Bockwürstchen ist der starke Rauchgeschmack wie bei Aal typisch - bekamen schon 1893 bei der Weltausstellung in Chicago einen Preis. Man ißt das Würstchen aus der Hand mit etwas Meerrettich. Ein Brötchen als Beilage ist nicht verpönt, doch der Genuß von Frankfurtern mit Senf soll getrost den Touristen in Sachsenhäuser Äppelwoikneipen überlassen bleiben. Markenzeichen eines 15 bis 20 Zentimeter langen Frankfurters ist eine Wurstmasse, die zu 100 Prozent aus magerem Schweinefleisch besteht. In den USA haben die Frankfurter einiges durchmachen müssen, bis sie in die Klemme geraten sind - als äußerst fragwürdige „Hot Dogs“ mit Zwiebeln, gehackten Gurken und Synthetik­soße in matschigen Brötchen.

Ursprünglich stammen die Frankfurter natürlich aus Frankfurt. Die Schweinemetzger bildeten einst eine Elite unter den Fleischern, die in den Gassen an der Schirn ihrem Gewerbe nachgingen. Erst im späten 19. Jahrhundert bekam die Zunft die Erlaubnis, vor die Tore Frankfurts auszuweichen. So entwickelte sich Neu - Isenburg zur heutigen Heimat der „Original Frankfurter Würstchen“, wie es in einer Chronik der Firm Wirth heißt. Daß im frühen 20. Jahrhundert weltweit Frankfurter nachempfunden wurden, machte dem hiesigen Gewerbe zu schaffen. Sogar Wiener - deren Hersteller das Rezept vom Main mit an die Donau brachten - hießen zunächst Frankfurter. Bis das Kammergericht Berlin 1929 urteilte, daß nur ein im Wirtschaftsgebiet Frankfurt am Main produziertes Würstchen den Namen Frankfurter tragen darf. Im Jahre 1955 wurde das höchstrichterlich bestätigt.

 

 

Dreieich

Buchschlag:

Zuerst standen nur drei bis vier Häuser in der Gartenstadt Buchschlag. Sie sollten eine Art von idyllischem Ruhesitz sein für Menschen, die im Leben mehr als ihre Pflicht getan hatten und nun inmitten des Waldes ruhig und zufrieden ihre Tage beschließen sollten. Unter den Händen dieser ersten Siedler entstanden Häuser im gleichen Baustil: Das Giebeldach mit den roten Ziegeln war tief herabgezogen, das obere Stockwerk umfassend. Erker und Veranden verzierten das untere Geschoß. Der Eingang war überdacht, ringsum war Garten. Es stand nicht Haus an Haus, sondern Zaun an Zaun. Das alte Baugelände sah eine Grundstücksgröße von 1000 Quadratmeter vor, in der Eigenheimsiedlung im Osten waren es 600 bis 700 Quadratmeter.

 

Sprendlingen:

Wenn man Einheimische nach einer historischen Ruhbank in Sprendlingen fragt, erntet man nur Kopfschüttel. Dabei steht die beiden einzigen Ruhbänke in der Dreieich in Sprendlingen. Wenn man von Norden  auf der Frankfurter Straße in den Ort kommt, steht  die eine Ruhe gleich auf der westlichen Seite der Straße etwas nördlich der Einfahrt zur Wohnstadt Hirschsprung. Früher stand sie weiter südlich an der Frankfurter Straße, damals noch außerhalb der Ortslage (andere Information: auf der gegenüberliegenden Straßenseite). Sie wurde 1967 beim Ausbau der B 3 in die Parkanlage am Hirschsprung versetzt. 

Zwischen die beiden hohen Pfosten wurde 1969 eine Sandsteinplatte eingesetzt. Auf der Vorderseite dieser Platte ist eine Bronzetafel angebracht, welche die Bezeichnung „Hirschsprung“ erläutert: „Vor Zeiten, als die Jagd im Reichsforst Dreieich noch in hoher Blüte stand, soll hier ien Hirsch, der von Jagdhunden verfolgt wurde, sich durch einen Sprung über einen beladenen Heuwagen gerett et haben. Im Sprendlinger Stadtwappen ist dieses Ereignis festgehalten.“

Auf der von vandalistischen Zeitgenossen leider verschmierten Rückseite der Platte wird die Funktion einer „Ruhe“ beschrieben: „Dieser Stein diente in früherer Zeit als Ruhebank und zum Abstellen von Kiepen und Körben. 1967“. Auf dem oberen Querbalken steht auf der Rückseite „Aufgestellt 1967 vom Verkehrsverein der Stadt Sprendlingen e.V.“

Die andere Ruhe steht auf der Ostseite der Offenbacher Straße, die in nordöstlicher Richtung aus Sprndlingen herausführt. Wenn man sie aufsuchen will, fährt man an der Maygbachstraße nach links und dann nach rechts in diei Offenbacher Straße. Dort steht sie gleich in Höhe der Sportplätze. Sie hat eine bewegte Historie: Sie stand bis in die sechziger Jahre an der Westseite der Offenbacher Straße in Sprendlingen, wo sie durch Straßenbaumaßnahmen gefährdet war (ein altes Bild ist noch vorhanden). Sie wurde daraufhin im Jahr 1970 an den Parkplatz an der B 3 zwischen Sprendlingen und Langen versetzt. Dort stand sie inmitten von Lastwagen und vermüllten Abfallkörben, bis sie auf Initiative der „Freunde Sprendlingens“ an den jetzigen Standort versetzt wurde. Eine gute Entscheidung.

Auf der Inschrift las man zunächst die Jahtreszshl „1736“ und einige Namensgraffiti. Diese Jahreszahl passt natürlich nicht zu der Erklärung, dass diese Ruhen unter Napoleon aufgestellt worden sind. Im Mai 2014:machte aber Herr Miller darauf aufmerksam, dass es sich bei der Inschrift sich wohl nicht um „1736“, sondern um „1835“ handelt. Die Bögen von der „8“ seien noch gut zu erkennen. Dem Steinmetz sei wohl das Gravurwerkzeug ausgerutscht.

Die Frankfurter Straße führt auf die Alberusstraße. Diese führt zum Kirchplatz mit der Erasmus- Alberus-Kirche. Dieser war ein Freund Luthers und Reformator der Dreieich und von 1528 -  1539 erster evangelischer Pfarrer in Sprendlingen. Von der gotischen Vorgängerkirche befindet sich noch der Rest eines Portals in der Westwand. Die Kirche wurde 1716 - 1718 umgebaut. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche und eines Königsguts geschah 880. Westlich der Kirche steht das Pfarrhaus, das 1778 - 1780 als gräfliches Forsthaus erbaut wurde.

 

 

Wenn man von Norden kommt, fährt man an der Stelle, wo die Straße nach rechts abbiegt, geradeaus in die Alberusstraße. Diese führt zum Kirchplatz mit der Erasmus - Alberus -Kirche. Dieser war ein Freund Luthers und Reformator der Dreieich und von 1528 -  1539 erster evangelischer Pfarrer in Sprendlingen. Von der gotischen Vorgängerkirche befindet sich noch der Rest eines Portals in der Westwand. Die Kirche wurde 1716 - 1718 umgebaut. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche und eines Königsguts geschah 880. Westlich der Kirche steht das Pfarrhaus, das 1778 - 1780 als gräfliches Forsthaus erbaut wurde.

Von der Alberusstraße geht nach  Osten die Hellgasse ab. An ihrem Ende, schon an der Schulstraße, steht rechts der Bauerhof Hausnummer 15. In dessen Keller befindet sich ein Mikwe, ein jüdisches Ritualbad.  Das Auffinden, die Freilegung und das Sichern der Sprendlinger Mikwe ist den „Freunden Sprendlingens“ (Verein für Heimatkunde e.V.) zu verdanken: Laut Angaben der Eigentümer eines Hauses in der Hellgasse wurden bei einem Umbau hebräische Buchstaben in einem Türbalken festgestellt. Während eines Gespräches fiel dann das Wort „Judeloch“ mit dem Hinweis auf die Hofreite Hellgasse 15 - 17. Wie sich herausstellte, war auch dem Besitzer, Fritz Schäfer, dieser Name von seinen Eltern her bekannt.

Mit der Erlaubnis von Schäfer fingen die „Freunde Sprendlingens“ (Verein für Heimatkunde e.V.) im Juni 1979 an, dort zu graben. Durch einen Einstieg von etwa 75 mal 75 Zentimeter wurden 11 Kubikmeter meist schlammiger Morast mit einer Unzahl von Keramikscherben und sonstigem Abfall nach oben geschafft. Nach 175 Arbeitsstunden war die als Kartoffelkeller und später als Hausmülldeponie genutzte Mikwe wieder freigelegt. Ihre Größe beträgt 340 mal 235 Zentimeter, ihre Gewölbehöhe 168 Zentimeter. Sie ist überwiegend aus Naturbruchsteinen gebaut, mit einer kleinen als Lichtquelle dienenden Öffnung im Deckengewölbe. Das eigentliche Tauchbecken erreicht man über sieben Stufen. Es ist 130 mal 110 Zentimeter groß und hat eine Tiefe von 143 Zentimetern. Das Alter des Bauwerks wurde auf etwa 300  - 350 Jahre geschätzt; es wurde also im 17. Jahrhundert erbaut.

Der erste urkundliche Hinweis auf jüdische Bürger in Sprendlingen stammt zwar schon aus dem Jahre 1563. Doch weder bei den von den „Freunden Sprendlingens“ befragten, im Ausland lebenden Sprendlinger Juden noch in den Judenmatrikeln des Stadtarchivs wurde etwas gefunden, was bereits auf eine alte jüdische Gemeinde hinweisen würde. Der größte Einschnitt im Leben der hiesigen Bevölkerung war der Dreißigjährige Krieg, und nach ihm lebten in Sprendlingen nachweislich nur noch fünf Familien, worunter sich keine jüdische Familie mehr befand. Es wäre denkbar, daß die damaligen Juden abgewandert oder umgekommen sind und die später neu zugezogenen Juden nichts von ihren früheren Glaubensbrüdern und der noch vorhandenen Mikwe erfuhren.

 

Dreieichenhain:

Wenn man von Westen kommt, fährt man aber erst um die Burg und den Weiher herum zu einem Parkplatz außerhalb der Stadtmauer. Durch das Untertor kommt man zu den Resten der Wasserburg Hain, einst Verwaltungsmittelpunkt des Reichsforstes und späteren Wildbannes Dreieich. In der Burg befinden sich die Kirche, das Dreieichmuseum und der Burggarten. Am Tor steht das Amthaus.

Schon die Römer könnten hier gesiedelt haben, denn in der Mauer des viereckigen Turms wurde ein römischer Grabstein gefunden. Unmittelbar hinter dem Eingang zur Burgruine, dem ehemaligen Stammsitz der Herren von Hagen in der Dreieich, befindet sich an der rechten Seitenwand ein verschleppter und sekundär vermauerter römischer Grabstein mit Inschrift, die in der Übersetzung lautet: Den Schattengöttern für Quintius Liberalis, der 51 Jahre gelebt hat, und für Proximonia, seine noch lebende Gattin, haben die Kinder, die Liberalinii, Juvenis und Juventina und Maternus und Faustus und Tibernalis dem unvergleichlichen Vater (den Grabstein) zu setzen besorgt“. Unter der Inschrift ist ein Rechteck abgesetzt, in das deutlich die Umrisse eines liegenden Kreuzes eingemeißelt sind. In gleicher Größe ist im oberen Teil des Steins ein Rechteck abgeteilt. Das aus Mainsandstein gehauene Grabdenkmal war bis um 1600 im oberen Teil des viereckigen Burgturms eingemauert. Möglicherweise fand es vor seiner Einmauerung als Altarvorsatzstein (Pre­della) Verwendung, wobei das Kreuz eingemeißelt wurde. Dem Schriftcharakter nach gehört die Inschrift in die 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts nCh. Der ursprüngliche Standort des Steines ist unbekannt.    

 

Die Burg Hayn war jahrhundertelang der Mittelpunkt des kaiserlichen Reichsbannforstes „Dreieich“. Im 12. Jahrhundert wurde das Reichsforstamt von der Familie von Hagen (vom Hayn) versehen. Das Schloß wurde „Hagen“ genannt und war durch einen Graben von dem Ort getrennt.

Unterm Rasen des Hainer Burggartens, dort, wo die große Birke wurzelt und die Ränge der Naturbühne ansteigen, liegen die Relikte eines vor tausend Jahren gemauerten zweistöckigen Gebäudes: das Haus des Kaisers. Der Archäologe Karl Nahrgang hatte 1925 den Grundriß freigelegt und im Grabungsreport als Absteigequartier der Kaiser während der Zeit ihrer Jagden in der Dreieich identifiziert: Ein wuchtiges Rechteck-Fundament von 9,75 mal 11,25 Meter  und Mauern von 1,10 Meter Dicke. Dazu fanden  sich Gemäuerreste   und vermoderte Holzbalken,Reste von Vorsprüngen, Rundbogentüren, Treppen, Vor- und Seitenanbauten und ein  Balkon. Nahrgangs Einschätzung: Vom Grundrißschema und vom Typus her stand hier eindeutig ein zweistöckiges fränkisches Herrenhaus.

Dessen Überreste sind von den Forschern beschrieben, aufgelistet, kartografiert und dann - vor jetzt 78 Jahren - wieder zugeschüttet worden. Roger Heil will sie nun ein zweites Mal freilegen, richtig restaurieren lassen und das Haus des Kaisers zugänglich machen.

Im 13. Jahrhundert kam der Ort zum größeren Teil an Falkenstein, zu einem Sechstel an Graf Reinhard von Hanau. Im Jahre 1418 brachten die Grafen von Ysenburg Burg und Stadt zum größten Teil an sich, Hanau –Münzenberg behielt ein Sechstel. Die Ysenburger hatten aber oft Streit mit Frankfurt, dem ein Teil des Reichswaldes gehörte. Im Jahre 1710 kam Hayn durch Tauschvertrag in den alleinigen Besitz der Ysenburger, ein Teil des Wildbanns verblieb jedoch den Hanauern.

 

Schaut man auf den Stadtplan von Dreieichenhain, in dem bis Mitte vorigen Jahrhunderts kein Haus außerhalb der Stadtmauer gebaut wurde, wirkt der Ortskern heute im Verhältnis zu den angrenzenden Neubaugebieten so winzig wie ein Apfelkern. Jedenfalls gibt es die Ursprungszelle noch mit ihren ineinander verschachtelten Fachwerkhäuschen.

Das Museum, das 1910 mit zwei Ausstellungsräumen eröffnet wurde und seit 1956 in einem eigenen Gebäude im Burggarten untergebracht ist, sammelt geologische, archäologische und volkskundliche Gegenstände der Landschaft Dreieich. Die in einem Raum des Untergeschosses ausgestellten römischen Objekte stammen aus umliegenden Fundplätzen sowie aus den Beständen des Hessischen Landesmuseums Darmstadt.     

 

Götzenhain:

Stangenpyramide:

Von Dreieichenhain fährt man in Richtung Götzenhain. Nach links geht ein Feldweg „Auf der Hub“ ab. Er führt zu der Stangenpyramide westlich der Deutschen Flugsicherung mit ihren Antennenanlagen. Die Pyramide besteht aus 450 verleimten Rundhölzern, alle akkurat 24 Zentimeter im Durchmesser und von 0,65 bis sechs Metern Länge. Sie stehen auf einem Kiesfeld von 18 mal 24 Metern zur Pyramide in Reih und Glied. Die Installation hat 650.00 Mark gekostet, die die Frankfurter Flughafengesellschaft im Frühjahr 2000 als Attraktion an der Regionalparkroute spendierte.

Was soll das Gebilde mitten im Gelände, wo nichts ist außer Wiese und den Antennen ?  Landschaftsarchitekten aus Neu - Isenburg haben die Pyramide entworfen. Wer sich Zeit nimmt für die Pyramide, begreift allerdings schnell, weshalb das Objekt stehen muß, wo es steht: Ein schmaler Mittelgang durch das Stangenfeld rückt die Frankfurter Skyline vor dem Taunuskamm ins Blickfeld - und offenbart das grandiose Panorama, das sich just an dieser schmucklosen Stelle eröffnet. Kinder brauchen diese Sichtachsen-Nachhilfe nicht, um die Stangenpyramide auf Anhieb zu lieben: Zwischen dem Stelenlabyrinth läßt sich vortrefflich Fangen und Verstecken spielen.

 

Südlich von Götzenhain  zwischen Götzenhain  und Offenthal liegt das Schloß Philippseich mit Fasanerie. Der Ausflug zur Stangenpyramide läßt sich auch mit einem Besuch des Hofguts Neuhof (Golfplatz, nördlich von  Götzenhain) oder durch den Isenburger Wald verbinden. Der Radweg der Deutschen Fachwerkstraße und die Hessische Apfelwein- und Obstwiesenroute führen zudem daran vorbei.

 

Römischer Gutshof mit Kalkbrennofen:

Etwa 800 Meter nördlich der Landstraße auf halbem Weg zwischen Götzenhain und Dietzenbach liegt in der Flur „Am Kirchbornweiher“(„Lichteichen“) eine größere römische Siedlungsstelle. Bei Ausgrabungen, die 1917 und 1930 hier durchgeführt wurden, kam unweit der Kirchbornquelle ein römischer Kalkofen zum Vorschein. Es handelte sich um einen Kuppelofen mit kreisrundem Brennraum von 5,10 Meter innerem Durchmesser und 0,73 Meter Mauerstärke. Der Innenraum war ausgefüllt mit Plattenkalkbruchstücken und verhärteter Kalkmasse. Die Brennraumöffnung (Schnauze) lag nach Süden und wurde von einem falschen Gewölbe überkragt. Der Schnürraum (Küche) war von zwei 0,45 Meter breiten Wangenmauern begrenzt.

In der Mitte des ummauerten Raumes konnte ein Pfostenloch festgestellt werden, das vermutlich zur Aufnahme eines die Überdachung tragenden Holzpfostens diente. Der Brennraum (Feuerkammer) war in den anstehenden Boden eingetieft. Offenbar in der Höhe der nicht mehr vorhandenen Ofentenne (Himmel) befand sich nördlich und nordöstlich des Ofens eine Pflasterlage, die wohl das ursprüngliche Gehniveau anzeigte. Der Aufbau des Götzenhainer Ofens läßt sich mit Kalköfen, die im Rheinland ausgegraben und deren Funktionsweise dort erforscht wurde, vergleichen.

Nur 70 Meter nordwestlich des Kalkofens wurde 1967 das Fundament eines Wohnhauses freigelegt, zu dem vermutlich weitere Gebäude und der Kalkofen gehörte; wahrscheinlich handelte es sich um einen römischen Gutshof (villa rustica), der seinen zu Bauzwecken benötigten Kalk an Ort und Stelle aus dem anstehenden Plattenkalkstein herstellte und darüber hinaus das Kalkbrennen als Nebenerwerb betrieb. Das auf einer leichten Geländekuppe gelegene Gebäude mit einer Größe von 15,40 mal 11,60Meter hatte in der Nordwest- Hausecke einen etwa 2,50 mal 2,30 Meter großen Kellerraum. Einige Pfostengruben und in Nord-Süd-Richtung verlaufende Pfosten­gräbchen lassen die Inneneinteilung des Gebäudes erkennen. In der südwestlichen und nordöstlichen Hausecke lag jeweils eine Feuerstelle, die von Kalksteinen kreisrund eingefaßt war. Die Funde, vor allem Keramik, stammen aus der Mitte des 2. Jahrhunderts nCh bis ins 3. Jahrhundert nCh. Es ist anzunehmen, daß die Villa erst mit dem Limesfall um das Jahr 260 nCh verlassen wurde. Wie es scheint, fanden die Besitzer noch Zeit, ihre Habe in Sicherheit zu bringen.         

 

 

Langen

Im Ortskern steht ein klassizistisches Rathaus und einige schöne Fachwerkhäuser gibt es noch. Daneben aber stehen Hochhäuser. Es gibt eine südliche Ringstraße und eine nördliche Ringstraße als Umgehung des Ortskerns. Geplant ist der Bau einer Grillhütte in Anlehnung an das historische Wingertshäuschen.

 

Schloß Wolfsgarten

An 361 Tagen im Jahr läßt seine Königliche Hoheit, der  Landgraf von Hessen niemanden in den Park seines Jagdschlosses Wolfsgarten in Langen. Oft lädt er sich Gäste ein, von europäischem Hochadel, zum Beispiel Windsors, Hohenlohes, Welfen. Der riesige, verwun­schen wirkende Park, den ein Vor­fahr Moritz, der Großherzog Ernst Lud­wig, um die Jahrhundertwende anlegen ließ, verbirgt alles vor den Augen und Oh­ren der Bürgersleut. Von außen kann man nichts sehen. Deshalb sollte man nur an zwei Wochenenden im Mai, wenn der Rhododendron blüht, das Schloß und den Park besuchen (Öffnungstage unter Schloß Wolfsgarten + Langen im Internet nachsehen, Samstag und Sonntag von 10 – 18 Uhr).

Dann darf das gemeine Volk gegen einen Wegezoll von 2,50 Euro das Tor passieren. Begründet wurde die Tradition von Prinzessin Margaret von Hessen und bei Rhein, einer Verwandten des englischen Königshauses, die Schloß Wolfsgarten bis zu ihrem Tod 1997 bewohnte.

Diese letzte Darmstädter Prinzessin hat Landgraf  Moritz von  Hessen - Cassel adoptiert, so daß das hessische Landgrafenhaus wieder vereinigt ist und seinen Sitz in Wolfsgarten hat.

Wenigstens einmal im Jahr sollte der 67 Hektar große Park der Öffentlichkeit zugänglich sein. die Eintrittsgelder für einem guten Zweck gespendet.

Man fährt auf der Autobahn über das Frankfurter Kreuz nach Süden und in Langen ab. Durch den Wald geht es bis zum Wegweiser Egelsbach und dort rechts ab. Parken kann man an der Straße (auf der Ostseite ist es meist nicht so voll).

Das ganze Schloß mit den weitläufigen Grünanlagen wirkt in dieser Atmosphäre irgendwie verwunschen, wie ein Ort, an dem die Zeit schon vor vielen Jahren stehengeblieben ist. Efeu wächst entlang der Mauern.  Begeh­bar ist der große englische Garten mit uralten Solitärbäumen und Hainen., Skulp­turen und Brunnen, wuchtige Hecken und wilde Blumenwiesen mit Statuen und Amphoren bestückt, Laubengänge,  Spaliergärten und Barockbeeten in den Höfen.

Vom Eingangstor geht man zunächst auf das Schloß zu und kurz vorher nach rechts um das Schloß herum zu dem Prinzessinnenhäuschen, die Attraktion des Parks. Es wurde 1902 erbaut von dem Jugendstil ‑ Architekten Joseph Maria Olbrich für die damals siebenjährige Elisabeth von Hessen und bei Rhein im Park, eine filigrane Villa im Puppenstuben – Aussehen, ein Spielhaus wie für die sie­ben Zwerge mit einer vergoldeten Krone auf dem Dach.

„Es war einmal, so fing das Märchen an, doch aus den Kinderworten wurde That und dieses Häuschen ist nun immer mein, und für mich selbst erbaut im Jahre 1900 zwein“ steht über der Eingangstür des kleinen Hauses zu lesen. Innen gibt es zwei Zimmer: einen Salon mit kleinen Sitzmöbeln und kunstvollen Wandschränken, eine Küche, in der die kleinen Tassen mit dem Initial „E“ sorgfältig an der Wand aufgehängt sind. Die zwei Räume haben eine  Höhe von 1,90 Meter.

Hausherrin war die 1895 geborene Prinzessin Elisabeth. Sie starb jedoch jung, im Alter von acht Jahren, an Schar­lach (oder Typhus). „Mein Sonnenschein“, wehklag­te der Vater, der bis 1918 regierende letzte Großherzog von Hessen‑Darmstadt. 

Im Hintergarten von Elisabeths Häuschen steht heute eine ganze Reihe von kleinen Grabsteinen, über die sich mancher Besucher wunderte. Molly, Kerry, Chantu und Bonifazius sind die Namen, die auf den Mini‑Grabsteinen stehen: Die adligen Bewohner des Schlosses haben hier ihre Möpse begraben.

Man geht dann weiter um das Schloß herum zum Teehaus, hinter dem noch eine Garage und en Bungalow für ein Rot-Kreuz-Treffen steht. Dann führt der Bogen weiter zu den Seerosenteichen in der Südwestecke des Parks. Man kann sie ganz umrunden oder über die Brücke gehen. Dann umrundet man weiter das Schloß, geht an der Gabelung nach rechts und dann wieder im rechten Winkel nach links. Links am Weg stehen besonders schöne rote Rhododendron.

Dann geht der Weg nach rechts ab zu der Kapelle mit Gedenktafel für Mitglieder der Fürstenfamilie. Auf dem weiteren Weg sieht man rechts die Russische Kapelle im Blockhausstil und kommt dann zu der  fast tausend Jahre alten Eiche.  Von dort geht man nun in den Schloßhof hinein.

Der Schloßbau mit Turm, Frei­treppe und Stallungen wurde erbaut als Jagdschloß des Landgrafen Ernst Ludwig. Baumeister war Remy de la Fosse in den Jahren 1722 bis 1724. Betreten können die Besucher das Schloß und die dazugehörigen Gebäude allerdings nicht. Sie werden zur Zeit von Landgrafen von Hessen und seiner Familie bewohnt.

 

Koberstadt

Auf der Autobahn 661 fährt man bis zur Abfahrt Langen und fährt in Richtung Dieburg und dann nach links in Richtung Dreieichenhain. Man parkt gleich rechts auf dem Parkplatz östlich des Naherholungsgebiets. Von dort geht es weiter auf dem Götzenhainer Weg und dann nach rechts  auf der Breiten Haagwegschneise weiter. Die Bundesstraße wird gequert und un­mittelbar vor dem Waldparkplatz schwenkt man nach rechts und dann bald wieder nach links auf den Dammweg.

Er führt zunächst zur Koberstädter Hütte und dann zum Koberstädter Falltorhaus. Es wird gesagt, der Name sei ein allge­meiner Begriff für einstige Zollhäuser, in denen Reisende Wegegeld zahlen mußten, das zum Unterhalt der Überlandstraßen verwendet wurde. Mit Falltor bezeichnete man aber auch Wildgatter, die ein Überwechseln des Wildes verhindern sollten und sich dazu automatisch schlossen (von selber zufielen).

An der Stelle, wo heute das Kober­städter Falltorhaus steht, hatten die Ysenburg ‑Ronneburger im 16. Jahrhundert mit dem Bau ihres Schlosses begonnen, bis sie dann schließlich den Platz auf der Höhe der Kelsterba­cher Terrasse verzogen. Der Sage nach soll hier einst ein heidnischer König regiert haben, dessen Stadt mit ihren Bewohnern untergegangen sei. Noch immer streiche der König nachts in Hirschgestalt durch den Wald und bringe Wanderer vom rechten Weg ab.

Nach einer anderen Sage erregte der Lebensstil der Bewohner der Koberstadt den Unwil­len Gottes. Er schickte sie deshalb in den Untergang. In der Überlieferung wird be­hauptet, daß die rote Färbung des Erd­reiches rund um Langen vom Blut der Be­wohner der Koberstadt herrühre. Heute weisen in dem dichtbepflanzten Waldstück zwischen Langen und Sprendlingen keine sichtbaren Spuren mehr auf die Existenz einer Stadt hin. Aber das Gelände mit seinen hohen alten Bäumen heißt noch heute „Kober­stadt“.

Weiter geht es immer nach Süden. Mna kommt an einem Gedenkstein für einen Naturschützer vorbei zum Naturschutzgebiet Hegbachaue. Kurz vor dem Heg­bach steht die Joachim - Lütke­mann ‑ Hütte. Man fährt über den Bach und nach rechts in die Parkschneise, die nachher Hanauer - Stein - Schneise heißt. Etwa zwei Kilometer läuft sie geteert nach Westen. Die Speier­hügelschneise wird gequert, links geht die Feldschneise ab. Wenn das Gelände etwas zu fallen beginnt, geht es nach rechts in die Dreischläger Allee (Schild nur links). Links ist Bannwald, rechts Naturwaldreservat

 

Wieder über den Hegbach geht es auf das Forsthaus „Krause Buche“ zu (das aber offiziell auch „Forsthaus Koberstadt“ heißt). Vor dem Forsthaus geht es nach rechts weiter bis zur Speierhügelschneise (Schild nur rechts). Dort fährt man wieder links und quert die Brandschneise. Wenn man schon diese Wiese sieht und den Lärm der Autobahn hört, geht es nach rechts auf die Knippelswiesenschneise (Schild nur rechts)(Der Weg links um den Eselswog existiert nicht, es gibt aber einen Trampelpfad, der schräg links von der Knippel­wiesen­schneise durch den Egelswog führt). An der Höllschneise geht es wieder links, an der Autobahn entlang zum Forsthaus Koberstadt. Dort fährt man halbrechts zwischen den Gebäuden hindurch. Auf diesem Weg und vor allem auf dem Weg, der östlich des Forsthauses zu dem Parkplatz führt, gibt es viele Eßkastanien.

In der Senke kann man nach rechts hinauf gehen auf den St. Albanusberg. Hier lebten vor  zweiein­halbtausend Jahren im Dreieck zwischen Langen, Egelsbach und Messel keltische Siedler. Auf einer kleinen Anhöhe ist das Zen­trum der Kultur der Hügelgräber. Zwischen den Bäumen und unter dem Laub verborgen liegen dort die keltischen Vorfahren der Langener begra­ben. Sie fürchteten Götter wie die Urmut­ter Danu, Og, den Riesen, oder Gowan, den Schmied.

Ihre Gräber sind von der Anhöhe aus nicht zu sehen. Sie wurden vor über hundert Jahren von dem Archäologen Friedrich Kofler geöffnet und auf ihren Inhalt untersucht. Unter den Hügeln aus Erde und Steinen ‑ teils mit einem Durchmesser von knapp 18 Metern ‑ fanden sich neben den Toten auch Gefäße aus Keramik und Schmuckstücke aus Kupfer und Zinn, einige verziert mit Bernsteinperlen. Nachbildungen dieser Stücke sind heu­te im Dreieicher Heimatmuseum zu be­sichtigen. Die Originale lagerten im Darmstädter Lan­desmuseum und wurden im Zweiten Welt­krieg bei einem Luftangriff zerstört.

Man kreuzt die Bundesstraße und fährt auf die Straße nach Dreieichenhain. Man biegt noch einmal nach links ein in das Naherholungsgebiet Mühltal. Zunächst fährt man die gepflasterte Straße entlang, dann nach rechts in Richtung Merzenmühle. Vor der Mühle geht es links ab zum Paddelteich und um diesen rechts herum und wieder zurück auf dem Weg zum Parkplatz

Auf dem Rückweg kann man noch dem Ort Dreieichenhain einen Besuch abstatten.

 

 

Offenbach

Tradition und Moderne, Kultur und Bildung, Uferlandschaft und Stadtgarten: Das Kulturkarree verbindet Sehenswürdigkeiten und herausragende Institutionen, aber auch die Stadt mit ihrem Fluß, dem Main. Hier studieren hinter der Renaissance-Fassade des Isenburger Schlosses Designer und Künstler. Das Büsingpalais ist heute repräsentatives Tagungszentrum, aber auch Sitz der Stadtbibliothek und des Klingspor-Museums. Eine ehemalige Schnupftabakfabrik, der Bernardbau, beherbergt das Haus der Stadtgeschichte mit Museum und Archiv. Im Büsingpark genoß einst der junge Goethe die Gesellschaft seiner Verlobten Lili Schönemann. Die erste deutsche Erfolgsautorin, Sophie von La Roche, lebte nahe des Parks von 1786 bis zu ihrem Tod 1807. Der Metzlersche Badetempel und die Französisch-Reformierte Kirche mit ihrem Pfarrhaus sind Kleinode Offenbacher Baukultur.

 

Geschichte:

Offenbach ist ein früher Siedlungsplatz. Römer, Alemannen und Franken lösten sich nacheinander ab. Unter Karl dem Großen war es eine der 36 Windhuben des Reichsforstes Dreieich. Es war ein Fischer- und Bauerndorf. Erstmals wurde es 977 (oder 970) erwähnt, war aber bis in die Reformationszeit so unbedeutend, daß es nur Untergemeinde der Kirche von Mühlheim war.

Über den Ort am Nordrand des Forstes Dreieich waren die Herren von Hagen als Vogt eingesetzt. Sie nannten sich später nach dem von ihnen erbauten Schloß „Münzenberg“, erloschen aber 1255 im Mannesstamm. Offenbach fiel an Philipp von Falkenstein, der das Dorf 1372 aber an Frankfurt verpfändete.

Von 1486  bis1815 war Offenbach  die Residenz der Grafen von Isenburg. I  Im Jahre 1500 wurde Offenbach durch einen Vergleich mit dem Grafen von Hanau (Tausch mit Besitzungen in Bischofsheim) der Gerichtsbarkeit des Bornheimer Zentgerichts entzogen. Die Reformation wurde durch die Grafen von Ysenburg eingeführt. Graf Reinhard förderte zunächst die Lutherischen, sein Enkel Wolfgang Ernst ging 1597 zum reformierten Bekenntnis über.

Im Dreißigjährigen Krieg wollte Wolfgang Heinrich den Ort befestigen, aber der Kurfürst von Mainz ließ die Befestigungen wieder abtragen, weil Frankfurt keine Befestigungen in seiner Nähe zu dulden brauchte. Später wurde Wolfgang vertrieben, weil er sich auf die Seite der Gegner des Kaisers gestellt hatte. Doch die Schweden setzten ihn wieder ein. Aber nach der Schlacht bei Nördlingen schenkte der Kaiser den Ort an den Landgrafen von Hessen. Erst 1642 erhielt Ysenburg wieder seine Besitzungen zurück.

Die Enkel Wolfgang Heinrichs teilten das Land: Wilhelm erhielt Birstein mit seinen Landesteilen, Johann Philipp erhielt Offenbach. Er holte Juden und französische Hugenotten nach Offenbach und entwickelte es zur Stadt. Im Jahre 1698 erfolgte die erste Aufnahme von Hugenotten, mit Privilegien durch Graf Johann Philipp.

Um 1700 war der Anfang der Lederindustrie und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Im Jahre 1718 starb die Linie Isenburg-Offenbach aus und die Birsteiner Linie kam zur Erbfolge. Im Jahre 1718 wurde die französisch - reformierte Kirche geweiht. Ab 1744 dürfen sich die Grafen sogar als Fürsten bezeichnen. Der aufgeklärte Fürst Wolfgang Ernst von Isenburg - Birstein verzichtet auf die Residenz im Isenburger Schloß und zieht mit seiner Familie in großbürgerliche Wohnhäuser in der Frankfurter Straße.

Im Jahre 1794 hebt Fürst Wolfgang Ernst II. die Leibeigenschaft in seinem Gebiet auf. Im Jahre 1815 nach dem Wiener Kongreß kommt die Stadt vorübergehend unter österreichischer Verwaltung und 1816 zum Großherzogtum Hessen. Die Schiffsbrücke am Schloß aus dem Jahre 1819 wurde 1887 durch eine feste Brücke ersetzt. Von 1828 - 1836 und wieder seit 1949 war Offenbach eine Messestadt. Im Jahre 1848 erfolgte die erste Gasbeleuchtung und Eröffnung der Lokalbahn Frankfurt-Offenbach. Im Zweiten Weltkrieg gab es mehrere Bombenangriffe, der schwerste mit Zerstörung der Altstadt am 20. Dezember 1943. Seit 1954 sind die Bundesmonopolverwaltunng und seit 1957 der Deutsche Wetterdienst in Offenbach ansässig.

 

Rundgang:

Der Rundgang beginnt am Parkplatz an der Carl-Ulrich-Brücke (von Frankfurt her fährt man über die Brücke, dann gleich links in die Mainstraße hinein und erst ein ganzes Stück weiter nach links auf den Parkplatz. Man fährt auf einer Einbahnstraße hinein und auf einer Einbahnstraße wieder hinaus). Aus dem einst industriell genutzten Offenbacher Hafen an der Brücke soll sich ein völlig neuer Stadtteil entwickeln, der Wohnen und Arbeiten, Kunst, Kultur und Freizeit miteinander verbindet und in dem einmal mehr als 10.000 Menschen leben werden.      

 

Synagoge :

Man geht zunächst in die Kaiserstraße. An der Ecke Goethestraße rechtssteht das Capitol, heute ein Veranstaltungsort, früher aber die Synagoge, die 1954 an die Stadt verkauft wurde. Die heutige Synagoge mit Gemeindezentrum steht seit 1956 fast gegenüber in der Kaiserstraße 109.

 

Büsingpark:

An der Nordostecke der Kreuzung Kaiserstraße / Berliner Straße beginnt der Büsingpark. Hier steht zunächst auf einer Erhöhung ein kleiner Rundtempel (Monopteros), der einmal für Musikaufführungen gedacht war. Nach links geht es in die Berliner Straße. Bei den Wasserspielen erinnern zwei Stelen (Säulen) an die „Grillenhütte“ der Schriftstellerin Sophie Laroche, Großmutter der Dichterin Bettina Brentano.  Sophie La Roche geborene Gutermann wird am 6. Dezember 1730 In Kaufbeuren als Älteste von 12 Geschwistern geboren. Nach dem Tod der Mutter geht sie ein Verlöbnis mit einem italienischen Arzt ein, das später auf Drängen des Vaters gelöst wird. Sie wird in den Pfarrershaushalt Wieland nach Biberach an der Riß zur Erziehung gegeben. Dort erfolgt die Verlobung mit ihrem „Seelenfreund“ Christoph Martin Wieland.

Auf einem Teenachmittag lernt sie den kurmainzischen Hofrat Georg Michael La Roche kennen. Nach wenigen Tagen macht er ihr einen Heiratsantrag, welchen sie annimmt (Wieland hat sich in der Zwischenzeit in der Schweiz in eine junge Witwe verliebt). Sophie La Roche bekommt vier Söhne und zwei Töchter, von denen die bekannteste Maximiliane ist, genannt „Maxe“, die spätere Ehefrau von Peter Anton Brentano, Die Familie La Roche lebt in Ehrenbreitstein, hier verkehrt Goethe zeitweilig.

Unter dem Namen von Christoph Martin Wieland wird ihr erster Roman „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ 1771 veröffentlicht, der ihren Ruhm als Schriftstellerin begründet. Goethe schickt ihr 1774 das Manuskript des Briefromans „Die Leiden des jungen Werthers“ zur ersten Begutachtung.

Georg Michael La Roche wird 1775 der Adelstitel verliehen - von nun an nennt sich die Familie von La Roche. Nachdem ihr Ehemann als Kanzler entlassen wurde, findet die Familie Unterkunft in Speyer. Sophie von La Roche veröffentlicht 1783 - 1784 die erfolgreiche Zeitschrift „Pomona für Teutsch­­­lands Töchter“ womit sie teilweise den Familienunterhalt finanziert. Eine Vielzahl von Romanen, Erzählungen und Reiseberichten folgen. Familie von La Roche zieht 1786 nach Offenbach in die Domstraße 23 („Grillenhütte“). Erstdrucke ihrer Schriften erfolgen in der Offenbacher Druckerei Weiß und Brede in der Frankfurter Straße.

Frau Rat Goethe flüchtet im Juli 1796 aus dem von Franzosen belagerten Frankfurt zu Sophie von La Roche nach Offenbach. Clemens und Bettine Brentano (die Enkelkinder von Sophie von  La Roche) verbringen Teile ihrer Jugend im Haus der Großmutter.  Das Haus von La Roche wird im zweiten Weltkrieg teilzerstört und später abgerissen. Eine Stele erinnert heute im Büsingpark (an der Berliner Straße) an den Standort. Sophie von La Roche stirbt am 18. Februar 1807 in Offenbach.

 

Französische Reformierte Kirche:

Am Büsingpark steht auch das Sheraton - Hotel und nördlich davon das Parkbad. An der Ecke Berliner Straße / Herrnstraße sieht man die Französische Reformierte Kirche.  Ab 1699 wurden in Offenbach Hugenotten, evangelische Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, aufgenommen. Im Jahre 1717 wurde der Grundstein für die Kirche gelegt, 1718 fand in ihr der erste Gottesdienst statt. Die Kirche ist ein schlichter Saalbau, über dem Portal das Isenburger Doppelwappen angebracht. Sie dient als Versammlungsraum, um Gottes Wort zu hören, zu beten und das Abendmahl zu feiern. Ihr Innenraum ist äußerst schlicht gehalten.

Das Wappen der Gemeinde erinnert an eine dramatische Flucht. Das Wappen im Kirchenraum - eine Kopie des im Zweiten Weltkrieg verbrannten Originals - verdeutlicht die Gemütsverfassung der einstigen Glaubensflüchtlinge: „Domine serva nos perimus“ (Herr, rette uns, wir gehen zugrunde).

Aus dem Dreißigjährigen Krieg geht die Grafschaft geschwächt hervor. Die Einwohnerzahl wächst im 17. Jahrhundert kaum. Johann Philipp von Isenburg, geboren 1655 in Offenbach, gibt dem kriegsverheerten Landstrich einen Impuls mit einer liberalen Einwanderungspolitik. Als bekennender Calvinist erlaubt er ab 1698 / 1699 die Niederlassung hugenottischer Glaubensflüchtlinge und stattet sie mit Privilegien aus. Im Jahre 1699 gründet sich die französisch-reformierte Gemeinde. Ihre Mitglieder genießen das Recht auf Selbstverwaltung, freie Religionsausübung nach ihrer französischen Kirchenordnung, bauen eine eigene Kirche sowie eine Schule und wählen Pfarrer und Lehrer frei.

Im Jahre 1703 folgt eine zweite Ansiedlungswelle hugenottischer Flüchtlinge. Mit der zweiten Siedungswelle ist der Fortbestand der Gemeinde gesichert.  Es sind überwiegend Gewerbetreibende und Handwerker: Wollweber, Strumpfwirker, Hutmacher und Goldarbeiter. Sie lassen das 800 - Seelen - Dorf Offenbach zu einem größeren, nicht mehr allein bäuerlich geprägten Ort anwachsen. Ende des 18. Jahrhunderts existieren mehr als 50 Manufakturen, zumeist im Textilbereich. Der Erfolg ist durch die Nähe zur Reichsstadt Frankfurt begründet: Das Handelszentrum bietet einen Kapital- und Absatzmarkt für Offenbacher Produkte.

Mit der Zuwanderung der Hugenotten ist in der bürgerliche Gemeinde Offenbach eine Alt-Gemeinde  und eine Neu-Gemeinde entstanden. Erst am 1. Januar 1824 werden beide Teile rechtlich zu einer einzigen Stadtverwaltung  vereinigt. Mit Peter Georg d'Orville wird der Nachfahre einer hugenottischen Einwandererfamiie erster Bürgermeister. Zu diesem Zeitpunkt sind die Hugenotten längst in der heimischen Bevölkerung aufgegangen. Der letzte französischsprachige Gottesdienst wird 1828 gefeiert.

Seither liegt der Akzent der französisch  - reformierten Gemeinde weniger auf dem Verständnis als französische, sondern auf dem Dasein als reformierte Gemeinde. Dennoch sind im kirchlichen Leben, besonders im Psalmengesang, in den Abendmahlsbräuchen oder in der Bildlosigkeit des Gotteshauses, aber auch in der Verwaltung der Gemeinde durch ein Presbyterium (Kirchenvorstand), viele hugenottische Traditionen erhalten geblieben. Die zentrale Position der Kanzel verdeutlicht, daß das Bibelwort im Mittelpunkt des Gottesdienstes und des Gemeindelebens steht. Die moderne Gemeinde zählt rund 230 Mitglieder, wobei deren Zahl seit Gründung der Gemeinde stets mit wenigen Hunderten zu bemessen war. Unter den Mitgliedern sind noch vier bis fünf französische Namen.

Im Gegensatz zu anderen ist die französisch - reformierte Gemeinde keine Wohnsitzgemeinde, sondern eine Bekenntnisgemeinde mit einem Einzugsbereich über die Offenbacher Stadtgrenzen hinaus. Die einstmals ebenfalls schlichte Fassade der Kirche erhält erst im Jahr 1874  / 1875 ihre aufwendigere neobarocke Gestalt. Durch Bomben 1943 beschädigt, wurde die Kirche 1947 wieder hergestellt. Das Kirchlein behauptet sich heute an zentralem Standort gemeinsam mit dem 2009 umfassend sanierten Pfarrhaus gegen die moderne Büroarchitektur in seiner Umgebung. Das Pfarrhaus in der Herrnstraße gelangt 1775 als Vermächtnis der Pfarrerswitwe Anna Maria Romagnac in den Besitz der Gemeinde.

Stadtkirche:

An der Südseite der Berliner Straße steht das neue Rathaus von 1971 (72 Meter hoch). Hinter dem Rathaus steht die Evangelische Stadtkirche. Der Grundstein zu der Kirche wurde 1739 gelegt. Sie war 1748 fertiggestellt, ihr Turm erst im folgenden Jahr. Die Baumeister  waren  Johann Wilhelm Beck, Johann Fleischmann  und Johann Hartmann Leipolt. Die Kirche ist ein  einfacher rechteckiger Saalbau mit dreiseitigem Chorschluß; über dem Eingangsportal sieht man das Isenburger Wappen. Die Kirche brannte 1944 aus und wurde bis 1949 unter Veränderung von Fassade und Innenraum wieder aufgebaut.

 

Büsingpalais:

Auf Herrnstraße geht man nach links und kommt zum Büsingpalais von  1780. Es wurde von den Fabrikaten Bernard und d’Orville für die Zwecke ihrer Tabakfabrik gebaut (Schnupftabak!). Als es 1921 zum Rathaus wurde, hat man es Büsing - Palais genannt. Es diente bis 1943 als Rathaus, brannte dann aber nach dem  Bombenangriff aus. Die Seitenflügel wurden wieder aufgebaut. In ei­nem Flügel ist das Klingspormuseum (Nr. 80, gegründet 1953) mit Büchern, Einbänden, Buchillustrationen. Der Name kommt von den beiden Brüdern Karl und Wilhelm Klingspor, die im Jahr 1900 Anstöße zur Erneuerung der Schriftkunst gaben. Im nördlichen Flügel befindet sich die Stadtbücherei. Dazwischen ist das „Büsingtor“, ein schmiedeeisernes Kunstwerk.

 

Stadtarchiv:

Rechts ist das Stadtarchiv: Eine ehemalige Schnupftabakfabrik, der Bernardbau, beherbergt das Haus der Stadtgeschichte mit Museum und Archiv.

Lilihäuschen:

An der Straße „Linsenberg“ beginnt der Lilipark mit dem „Lilihäuschen“. An sich handelte es sich um den Metzlerschen Badetempel. Im Volksmund erscheint der klassizistische Bau aber immer noch als Ort, wo Johann Wolfgang von Goethe mit seiner Verlobten Elisabeth „Lili“ Schönemann den Sommer des Jahres 1775 verbrachte, obwohl der Bau erst 17 Jahre  (? Nach anderer Angabe: 1798) später errichtet wurde.

Der bekannte Offenbacher Komponist und Musikverleger Johann André war vielfach gern gesehener  Freund des Paares, der bis tief in die Nacht hinein „unterrichtend, meisternd, ausführend“ Lilis Klavierspiel begleitete und die angenehme Gesellschaft der Verlobten genoß. Goethes frühes Werk „Erwin und Elmire“ entstand hier, André komponierte die Musik dazu. Goethe arbeitete hier auch am „Faust“, eine Gedenktafel weist darauf hin. 

Noch zwei Jahre vor seinem Tod schrieb Goethe an einen Vertrauten über die noch im selben Jahr von ihm beendete Beziehung: „Sie war die erste, die ich tief und wahrhaft liebte, und vielleicht war sie auch die letzte!“ Die Wissenschaft sagt allerdings, daß Goethe hier irrte, das treffe vielmehr auf Friderike Brion zu.

Das mit größtem Luxus der Ausstattung erbaute Badehaus lag früher direkt am Main. Errichtet wurde es für den Frankfurter Bankier Friedrich Metzler, der in diesem vornehmsten Teil der werdenden Stadt seinen Alterssitz genommen hatte. Das Gartenhäuschen, in dem sich die Liebenden tatsächlich trafen, befand sich ungefähr dort, wo der Eckpavillon des Gartens die Herrnstraße mit der Mainstraße verbindet. Nach der Sanierung durch einen Privatinvestor (2006 - 2007) erhielt der Badetempel einen Anbau mit Wohnung und Atelierräumen. Mehrmals im Jahr wird er für den Publikumsverkehr geöffnet.

 

Schloßkirche:

Man geht dann nach Osten und sieht rechts den Rest des Turms der ehemaligen Schloßkirche. An der Stelle einer bereits 1270 urkundlich erwähnten Pfarrkirche - die 1700 niedergerannt war  - wurde 1700 - 1703 ein barocker Neubau errichtet und der 1709 gegründeten deutsch - reformierten Gemeinde zugewiesen. Einen Glockenturm erhielt die Kirche erst 1713. Durch Bomben wurde sie 1943 bis auf den Turmstumpf zerstört. Der Ausbau der Turmruine zu einer Wohnung durch einen Privatmann war im Gespräch, wurde aber bisher nicht verwirklicht.

In der längst verschwundenen Baumwollfabrik neben der damaligen Schloßkirche stand einst die erste Dampfmaschine Hessens. Der wohlhabende Besitzer wohnte in der Nähe in einem Fachwerkhaus nach Schweizer Art, das sich in diesem Industriegebiet seltsam ausgenommen haben muß.

 

Schloß:

Man kommt an die Nordseite des Isenburger Schlosses. Im 15. Jahrhundert erlangen die Isenburger die Herrschaft über Offenbach und erheben den Ort im 16. Jahrhundert zu einer Residenz. An der Stelle des Isenburger Schlosses stand eine Wasserburg von 1448, von der im heutigen Schloß noch das Erdgeschoß mit dem Rundbogenfries und die halbrunden Vorbauten (Überreste der alten Flankentürme) erhalten sind. Trutzig zeigt sich das Schloß zum Main hin, wehrhaft und abweisend.

Auf diese Burg folgte dann ein Schloß, das 1556 begonnen wurde und 1559 fertig wurde, so daß die Residenz von Birstein nach Offenbach verlegt werden konnte. Dieses Schloß brannte 1564 ab, von ihm ist im heutigen Schloß die Nordseite mit Ausnahme des obersten Geschosses erhalten.

Das heutige Schloß wurde 1569 - 1578 unter Graf Reinhard von Isenburg erbaut. Nach der Inschrift über einer Tür am Eckturm wurde es 1572 vollendet.

Ein Merianstich von 1642 zeigt die ursprüngliche Dachlandschaft mit allerlei Türmen und Zwerchhäusern, die erst im 18. Jahrhundert verschwinden, als das Gebäude um ein Geschoß aufgestockt und ein Mansarddach aufgesetzt wird. Das Gebäude ist an sich Teil einer Vierflügelanlage, deren weitere Ausführung jedoch unterblieb.

Man geht um das Schloß herum auf die Südseite und sieht, daß es ist eines der schönsten Renaissancebauten ist, besonders die Hoffassade mit den zweigeschossigen Laubengängen und den kunstvollen Turmportalen. Der wehrhaft wirkenden Mainfront des langgestreckten Rechteckbaus entspricht auf der Hofseite eine in Loggien aufgelöste, zwischen zwei Treppentürme eingespannte Architektur. Hier sind die Wappen der Isenburger und Verwandten zu sehen. In der Mitte der Südfront steht der Epitaph der Familie von La Roche, um 1800 im Stil des Klassizismus aus rotem Main-Sandstein gefertigt. Ursprünglich auf dem Kirchhof St. Pankratius in Offenbach-Bürgel aufgestellt  wurde er 1928 in den Arkadengang des Isenburger Schlosses versetzt. Auf dem Epitaph aufgeführt sind die Namen: Georg Michael Edler von La Roche, Franz Wilhelm von La Roche (Sohn) und Sophie von La Roche (geborene Gutermann). Der reiche baukünstlerische Schmuck stammt vermutlich von Conrad Büttner aus Büdingen. Nach Kriegsbeschädigungen wurde das Schloß 1952 /  1953 in dem äußeren Gesamtumriß des 18. Jahrhunderts wiederhergestellt.

Das Schloß hatte einst Seitenflügel. Beim Ausschachten einer Neubaugrube für die „Hochschule für Gestaltung“  kam eine Brücke ans Licht. Rätsel gibt eine gleichfalls entdeckte Mauer aus grauem Kalkstein auf, die möglicherweise von der einstigen Wasserburg stammt.

Adelssitz ist das Schloß seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr, weil die Fürstenfamilie von Isenburg-Birstein komfortablere Wohnhäuser in der Stadt vorzieht und im Schloß die Verwaltung der Ländereien ansässig bleibt.

Seit etwa 1820 werden die Räume höchst unterschiedlich genutzt: als Wohnungen, Buntpapierfabrik, Buchdruckerei, Schriftgießerei und als lithographische Werkstätten. Von einem Puppenmacher und von Näherinnen ist die Rede. Auch einer der ersten Fotografen in Offenbach unterhält im Isenburger Schloß sein Atelier. Im Erdgeschoß nutzen Turner ab Mitte des 19. Jahrhunderts den Saal, auch der Turnunterricht für die Realschüler findet dort statt.

Im Jahre 1900 gibt die vom Konkurs bedrohte Fürstenfamilie das Schloß zur Versteigerung frei. Neuer Eigentümer ist das Großherzogtum Hessen, das die dringend notwendige Renovierung veranlaßt. Im Jahre 1907 findet im Obergeschoß unter städtischer Regie die Volkslesehalle, ein Vorläufer der Stadtbücherei, ihr neues Domizil.

Die Nationalsozialisten mißbrauchen die herrschaftliche Kulisse im Mai 1933 für die Verbrennung mißliebiger Bücher aus dem Bibliotheksbestand. Der Zweite Weltkrieg hinterläßt das Isenburger Schloß als Ruine - schwer getroffen beim Luftangriff im Dezember 1943. Nach dem detailgetreuen Wiederaufbau in den fünfziger Jahren nutzt die Stadt das Gebäude als Jugendzentrum. Nach zweijähriger Umbau- und Sanierungsphase bezieht die Hochschule für Gestaltung im Jahr 2000 das Gebäude.

Rechts (nach der Straße zu) ist eine Gedenktafel für Alois Senefelder (1771 - 1834), Erfinder der Lithographie, der zeitweise in Offenbach wohnte. Links am Schoß sind die großen Mainhochwasser von 1687, 1764 und 1845 markiert.

 

Schloßstraße:

Unter dem Torbogen der Hochschule für Gestaltung kommt man auf die Schloßstraße. Hier stand früher die Krafft’sche Tabakfabrik. Auf der Ostseite steht das Haus Nummer 25, ein klassizistisches Wohnhaus, eine der wenigen erhaltenen historischen Bauten der ganzen Altstadt. Ein Flügel des originalen Holztores, der halbverbrannt die Bombennächte  überstanden hat, sollte in der Nische an der Ostseite des Hauses installiert werden, aber das ist bisher nicht erfolgt. An der Stelle des DGB-Haus am Französischen Gäßchen stand das Bezirksgefängnis, in dem der spätere hessische Ministerpräsident Carl Ulrich wegen seiner aufrührerischen sozialistischen Zeitungsartikel einsitzen mußte

 

Wilhelmsplatz:

Geradeaus geht es in die Straße Marktplatz. Dort links kommt man über die Bieberer Straße kommt man zum Wilhelmsplatz, wo heute der Markt stattfindet. Hier steht das Denkmal des „Streichholzkarlche“. Vom Wilhelmsplatz geht man wieder zurück zur Straße Markplatz, ein Stück nach Norden und dann links in die Fußgängerzone in der Frankfurter Straße.

 

Ledermuseum:

Dort findet man in der Nummer 86 das  Deutsche Ledermuseum mit Schuhmuseum. Es wurde 1917 gegründet 1917 und ist das größte und umfassendstes Spezialledermuseum der Welt. Die volkskundliche Abteilung im zweiten Stock zeigt die Lederverarbeitung in Afrika, Nordamerika und am Polarkreis. Im ersten Stock ist das Schuhmuseum mit Schuhen aus der Römerzeit bis heute (zum Beispiel die Turnschuhe von Joschka Fischer und die Fußballschuhe in Uwe Seeler und Sepp Mayer), Dort ist auch eine Schuhmacher und eine Polstererwerkstatt. Im Erdgeschoß ist eine Gerberwerkstatt mit Bucheinbänden zu sehen.

Etwa ab 1770 entwickelte sich Offenbach aus den bereits ansässigen Buchbindereien und aus dem Riemen- und Sattlerhandwerk die Leder- und Galanteriewarenindustrie. Neu in Offenbach war, daß man nicht nur nebenbei und auf besondere Bestellung, sondern für den überregionalen und schon bald für den internationalen Markt, produzierte. Der Übergang von der Einzel- zur Serienproduktion war vor allem durch die Nähe zum Handels- und Messeort Frankfurt begünstigt.        

Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche neue Gebrauchsgegenstände für den täglichen Bedarf: das Lederportemonnaie mit Metallrahmen verdrängte die bisher gebräuchlichen Lederbeutel und perlbestickten Börsen. Die Damenhandtasche wurde als modisches Zubehör zur Kleidung entdeckt. Der Lederkoffer und die Lederreisetasche lösten die unhandlichen Reisetruhen der Postkutschenzeit ab und waren geeigneter für die neuen Fernreisemöglichkeiten mit der Eisenbahn. Die Stadt Offenbach erlebte im 19. Jahrhundert einen beispiellosen Aufschwung, den sie vor allem dem Ledergewerbe verdankte. In keiner anderen deutschen Stadt wurde so viel Leder erzeugt und verarbeitet.   

Rund um Offenbach gibt es Lohwälder. Diese  Landschaftsbezeichnung leitet sich von mittelalterlichen Eichenwäldern ab, in denen die Rinde der Stieleichen abgeschält wurde, um damit Leder zu gerben. Auch Blätter und Holz wurden genutzt. Da sich in Offenbach schon ab 1770 ein Zentrum der Lederwarenherstellung ansiedelte gab es einen großen Bedarf an Gerbstoffen. der zur Entstehung von Lohwäldern führte

 

Kaiser – Friedrich - Quelle:

Links in der Straße ist die Kaiser - Friedrich - Quelle (Mineraltrinkwasser, mit Entdeckung 1888 entstand die Idee von „Bad Offenbach“, die aber bald wieder aufgegeben wurde). Ganz im Westen hinter dem Kaiserlei - Kreisel ist der Deutsche Wetterdienst. In der weiter südlich gelegenen Parkstraße befinden sich das Stadtmuseum und der Dreieichpark.

 

Lehrpfade

Das Kulturkarree:

01  Messe Offenbach Kaiserstraße 108-112

02  Capitol, Goethestraße 1-5

03 Deutsches Ledermuseum / Schuhmuseum Offenbach, Frankfurter Straße 86

04 Rosenheim-Museum, Parkstraße 60

05 Galerie im Turm (EVO), Eingang Goethering

06 Caritasverband Offenbach e. V. Platz der Deutschen Einheit

07 Staatliches Schulamt, Platz der Deutschen Einheit

08  Rathaus, Berliner Straße

09 Stadthaus, Berliner Straße

10 Metzlerscher Badetempel, Herrnstraße 100

11 Stadtbibliothek, Herrnstraße 84

12 Kinder- und Jugendbücherei, Herrnstraße 59

13 Büsingpalais, Herrnstraße

14 Klingspor-Museum, Herrnstraße 80

15 Pfarrhaus Französisch-Reformierte Kirche, Herrnstraße 43

16 Haus der Stadtgeschichte - Museum, Herrnstraße 61

17 Haus der Stadtgeschichte - Archiv, Herrnstraße 61

18 Evangelisches Dekanat Offenbach, Ludo-Mayer-Straße 1

19 Hochschule für Gestaltung, Schloßstraße 31

20 Jugendkunstschule, Herrnstraße 61

21 Volkshochschule, Berliner Straße 77

22 Evangelische Familienbildungsstätte, Kirchgasse 17

23 Frieda – Rudolph - Haus (Café und Veranstaltungsort)

24 Isenburger Schloß

25 Ostpol, Hermann - Steinhäuser Straße 43-47

26 Musikschule Offenbach am Main e. V., Hermann-Steinhäuser Straße 41

27 Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum, Sandgasse 26

28 Sparkasse Offenbach, Berliner Straße 46, OF-Info-Center

29 RMV-Mobilitätszentrale, Salzgäßchen

30 Theater im t-raum, Wilhelmstraße 13

31 Theateratelier Bleichstraße 14

32 Salon 13 / Bund Offenbacher Künstler, Kaiserstraße 13.

 

Die Apfelweinroute

Rund 30 Kilometer Straßen und Wege in Offenbach zählen zur Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute. Sie sind mit dem roten Apfel - Logo gekennzeichnet. Es symbolisiert die lange und innige Verbindung zwischen der Stadt, der Region und ihrem Stöffche. Bereits die Germanen kelterten ihren „Ephiltrank“ (Apfeltrank). Ab dem 16. Jahrhundert wurde der Apfelwein in den Wohnstuben der Weinbauern (Häcker) ausgeschenkt. Die Route verbindet typische Apfelweinlokale, Keltereien und Streuobstwiesen. Sie lädt ein, regionale Spezialitäten in gemütlichen Gärten zu genießen.

 

Die Route der Industriekultur

Das industriekulturelle Erbe der Region zeigt sich unübersehbar in ehemaligen Fabriken, Verwaltungsgebäuden und Arbeiterwohnungen. Unternehmen von Weltrang haben hier gewirkt und ihre Spuren hinterlassen, auch und gerade in Offenbach. Den Schatz an lebendigen Zeugnissen des produzierenden Gewerbes wieder zugänglich und erlebbar zu machen, ist das Anliegen der „Route der Industriekultur Rhein -  Main“.

Hugenotten- und Waldenserpfad

An das kulturelle Erbe der Hugenotten und Waldenser erinnert der 1.800 Kilometer lange Wanderweg, der von Frankreich bis nach Bad Karlshafen reicht. Über knapp 16 Kilometer verläuft die Route durch Offenbach. Verschiedene Stationen dokumentieren den entscheidenden Einfluß hugenottischer Glaubensflüchtlinge auf die Entwicklung der Stadt.

Von Neu - Isenburg her kommend führt der Weg durch die Innenstadt und weiter zum Main in Richtung Mühlheim. Stationen sind unter anderem die Kirche der französisch - reformierten Gemeinde, die Ende des 17. Jahrhunderts gegründet wurde, und das Isenburger Schloß.

Hugenottenorte in Offenbach

  9 Waldcafé Hambachtal

10 Waldgaststätte Rosenhöhe

11 Apfelwein-Klein

12 Stadtcafe (Frieda-Rudolph-Haus)

13 Wochenmarkt

14 Markthaus am Wilhelmsplatz

15 Tafelspitz & Söhne

16 Bürgerhaus Rumpenheim

 

Hugenottenorte in Offenbach:

Französisch - Reformierte Kirche

Französisch - Reformiertes Pfarrhaus

Musikhaus Andre

Gedenkstein Büsingpark

Büsingpalais (ehemalige Bernard  - d'Orvillesche Schnupftabakfabrik)

D ' Orvillesches Puppenhaus (im Haus der Stadtgeschichte)

Ehemalige Textilfabrik André (Standort) am Isenburger Schloß.

 

Der Grünring vom Main zum Main:

Der Grünring vom Main zum Main, seit dem Jahr 2000 Teil des Regionalparks RheinMain, bietet auf einer Strecke von 17 Kilometern mitten in der Stadt Naturerlebnisse. Als Landschaftsband umschließt er die Kernstadt: vom Main am Kaiserlei zum Main bei Bürgel. Die teils alleenartigen Wege verbinden Stadtgärten wie den Dreieichpark im Westen und den Leonhard - Eißnert - Park im Osten. Sie führen an renaturierten Bachläufen vorbei zu Aussichtspunkten und Orten aktiver Freizeitgestaltung wie Wetterpark oder Kletterpark.

 

Der Industriebahnweg:         

Die Gleise der Industriebahn sind längst demontiert. Einst versorgten hier Güterzüge zwischen der Sprendlinger Landstraße und dem Lämmerspieler Weg Offenbacher Betriebe, seit 1996 ist der Industriebahnweg eine beliebte Strecke für Fußgänger und Radler. Der ehemalige Bahndamm ist Teil der Route der Industriekultur und bietet interessante Informationen zur Offenbacher Wirtschaftsgeschichte.

 

Die Klimaroute:

Globale Zusammenhänge vor Ort sichtbar machen: Das ist die Idee einer Route zum Thema Klimawandel (Climate Change, kurz: C-Change). Im C-Change-Projekt werden lokale Maßnahmen im Flußraum des Mains ins Verhältnis gesetzt zu globalen Veränderungen. So wird die Brücke zu anderen Regionen der Erde geschlagen, denn durch das Wasser ist die ganze Welt umfassend vernetzt. Der Weltwasserkreislauf kommuniziert über Ströme, Flüsse, Bäche und Meere, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag. Der Main ist ein kleines Puzzleteil in diesem weltweiten Netz.

Im Rahmen des EU - geförderten Projekts haben Studierende der Hochschule für Gestaltung fünf Stationen am Offenbacher Mainufer entwickelt. Vier davon führen an den Indus auf dem indischen Subkontinent, an den Yukon in Nordamerika, an den türkischen Fluß Kizilirmak und an den Tajo, der durch Spanien und Portugal fließt.

 

Ziele am Rand von Offenbach
Kaiserlei:

Er geistert als Europas größter Verkehrskreisel durch die Gazetten, lehrt jeden Führerscheinanfänger das Fürchten. In seinem Zentrum sagten sich lange Zeit die Karnickel gute Nacht, der Ring drumherum fungiert als Autokarussell im Dauerbetrieb. Kaiserlei - der Name ist für viele Bewohner der Region Synonym für den Kreisel. Nur Ortskundige wissen, daß damit der Offenbacher Stadtteil rund um den Betonring gemeint ist.

Und noch weniger bekannt ist, daß der Name an den Kalkfelsen erinnert, der wie eine Zunge von der Frankfurter Seite her in den Main ragte. Er brachte manchen Lastkahn auf dem Weg von Würzburg nach Aschaffenburg zum Kentern -  leichte Beute für den hungrigen rothaarigen Nix, der dort Jahrhunderte mit seinen beiden Söhnen hauste. Der Einzug der Technik vertrieb den Nix samt Anhang. Im Jahre 1852 wurde der Kaiserleifelsen gesprengt, um die Fahrrinne zu begradigen. Die Reste räumten die Arbeiter 50 Jahre später bei der Kanalisation des Mains oberhalb der Frankfurter Stadtgrenze beiseite.

Nicht nur zu Wasser wuchs der Verkehr. Auch zu Lande mußte die Infrastruktur den Bedürfnissen angepaßt werden. Nach siebenjähriger Planungszeit begannen im Jahr 1964 die Arbeiten an dem Kreisel mit europarekordverdächtigen 250 Meter Durchmesser. Noch als Provisorium hatte er im Dezember bereits seinen Ruf als Unfallschwerpunkt und Alptraum eines jeden Autofahrers weg. Mit Ampeln, Verkehrspolizisten, Radarkontrollen und Verkehrsschildern versuchte die Ordnungsbehörde, das Chaos zu lindern. Erfolglos. 220 Unfälle registrierte die Offenbacher Polizei im Jahr 1969 am Kaiserleikreisel, Bagatellfälle nicht mitgerechnet.

Die Inbetriebnahme des Kreisels fand kaum Beachtung. Die ebenfalls 1964 eröffnete Kaiserlei­brücke, deren Realisierung ein halbes Jahrhundert gedauert hatte, stahl ihm die Schau. Vermutlich waren die Offenbacher auch nicht sonderlich stolz auf das häßliche Rondell, das allerhöchstens Motorradfahrern Lustgewinn verspricht. Die Brücke hingegen wurde als schönste und technisch interessanteste Bogenbrücke in Europe gefeiert. Mit ihren 35,80 Meter Breite übertraf sie wesentlich die nur 21 Meter breite Großbrücke zwischen Deutschland und Dänemark.

Der Autowahn ging weiter. Im Jahre 1972 übergab der hessische Verkehrsminister Heinz Herbert Karry die Hochbrücke über dem Kreisel dem Verkehr. Die Pläne für eine Untertunnelung des Kreisels oder eine Kabinenbahn legten die Kommunalpolitiker ad acta. Zumal ein Jahr später ein S – Bahn - Anschluß in Aussicht gestellt wurde. Ein Hirngespinst blieb auch die Bepflanzung des Inneren des Kreisels, in dem bis zum heutigen Tag nichts als Unkraut und Brombeerhecken wuchern.

 

Wetterpark Offenbach:

Zum Wetterpark kommt man über die B 43. Entweder fährt man von der Autobahnabfahrt Offenbach - Taunusring nach Osten und nah der zweiten leichten Linksbiegung recht ab in die Goerdeler Straße oder über Mühlheim bis zur Unteren Grenzstraße und dann in die Rhönstraße (Verlauf der B 43) und links ab in die Goerdeler Straße (Hinweisschild „Wetterpark“). Ziemlich am Ende der Straße ist rechts der Parkplatz. Von dort muß man noch ein Stück laufen. Man darf aber nicht den ganz rechten Weg gehen, weil der zur Schule führt. Vielmehr geht man durch den Lehrpark und an seinem Ende an der Straße (verlängerte Buchhügelallee) etwas nach links. Westlich der Tennisplätze, südlich des Buchhügels, ist dann der Wetterpark, parallel zu der von Nordosten und Südwesten verlaufenden Straße in Richtung Weserstraße.

Alle reden vom Wetter. Aber kaum jemand weiß, wie Hagelschauer oder Stürme entstehen und wie man sie gar vorhersagt. Antworten auf solche und ähnliche Fragen sollen Spaziergänger im Wetterpark am Buchhügel finden können. Neben der Stadt Offenbach sind der Deutsche Wetterdienst sowie der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt / Rhein-Main beteiligt.

Der Magistrat hatte im Dezember 2003 die Errichtung eines Wetterpfades befürwortet. Am 22. Januar 2004 beauftragte die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat, eine Rahmenvereinbarung mit dem Planungsverband abzuschließen, um das Projekt Wetterpfad zu realisieren. Am 19. Februar 2004 teilte der Magistrat mit, der Stadt entstünden durch das Projekt jährliche Folgekosten in Höhe von 16.800 Euro. Im Juni schlossen die Stadt, der Planungsverband und der Wetter

dienst eine Rahmenvereinbarung.

Der Wetterpark Offenbach, der Anfang Juni 2005 eröffnet wurde, ist als Erholungsanlage und Ausstellung im öffentlichen Landschaftsraum konzipiert, mit dem Ziel der Darstellung und Erklärung von Wetterphänomenen. Auf einer Fläche von etwa 20.000 Quadratmetern werden dem Besucher die Aspekte des Wetters und seine Erscheinungsformen anhand von Objekten und erläuternden Grafiken dargestellt.

Als Standort haben sich die drei Kooperationspartner auf ein Gelände am Buchhügel, zwischen Buchhügelallee und Weserstraße, geeinigt. Ein Teil der ehemaligen Stadtgärtnerei ist in die Anlage einbezogen worden. Die Gesamtkosten betrugen 400.000 Euro, von denen die Stadt Offenbach 41.000 Euro übernommen hat. Zudem stellte sie das Gelände zur Verfügung. Die restlichen Kosten wurden von der Europäischen Union (EU) und vom Planungsverband getragen. Die EU honoriert mit ihrem Zuschuß in Höhe von 200.000 Euro die Idee, das Image Offenbachs als Wetterstadt weiter zu fördern. Die Förderung erfolgt im Rahmen von Interreg IIIB - Programm Sustainable Open Spaces (SOS). Der Lead Partner ist die Niederlande.

Das Konzept des Wetterparks sieht vor, Besucher auf einfache Weise in die Beobachtung komplexer Wetter  - Zusammenhänge und die wissenschaftlichen Hintergründe einzuführen. Die sinnliche Wahrnehmung wird an den Exponatstationen durch eine Aufforderung zu aktiver Beobachtung oder Interaktion ergänzt. Dies macht den Besuch auch für Familien mit Kindern oder Schulklassen interessant, die den Wetterpark in ihr Lehrprogramm aufnehmen können.

Der Wetterpark ist Teil des Grünrings vom Main zum Main, der auf der Trasse der ehemaligen Südumgehung vom Kaiserlei über das Lauterborn zum Buchhügel und weiter zum Kuhmühlgraben vorhandene Landschaftsräume verbindet und unerschlossene Landschaftsteile zugänglich macht. Der Landschaftsraum auf dem Buchhügel soll langfristig als Grünraum mit besonderer Qualität für Erholung und Unterhaltung aufgewertet werden. Um dieses Ziel zu erreichen und langfristig zu sichern, wurde für den gesamten Buchhügel ein Freiraumentwicklungskonzept entwickelt, in dem der Wetterpark einen zentralen Stellenwert hat.

Außerdem ist der Wetterpark Teil des Regionalparks Rhein  - Main, dessen Ziel es ist, Freiräume für Erholung und Belüftung im gesamten Ballungsraum zu sichern und miteinander zu verbinden. Der Wetterpark ist ein weiterer Trittstein entlang der Regionalparkroute, die sich durch das gesamte Rhein – Main - Gebiet zieht.

Das Thema Wetter in Offenbach zur Förderung der lokalen Identität und Werbung zu nutzen, ist durch den Hauptsitz des Deutschen Wetterdienstes vor Ort gegeben. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) finanziert eine vollautomatische Meßstation, die Teil des weltweiten Wetternetzes ist und in das Besuchsprogramm des Wetterparks einbezogen wird. Zusätzlich betreibt der Deutsche Wetterdienst einen Phänologischen Garten, der zur Beobachtung des Klimas dient.

Der Themenpark ist mit Ausnahme des eingezäunten Meßfeldes des DWD überall uneingeschränkt öffentlich zugänglich. Er hat daher den Charakter einer öffentlichen Parkanlage.  Durch den Wetterpark zieht sich von der Buchhügelallee bis zur Weserstraße ein etwa 1,80 Meter breiter einfacher Kiesweg und verbindet die einzelnen Ausstellungsexponate miteinander. Die Eingänge werden durch Fahnenstangen mit einem „Windsack“ gekennzeichnet. Vom Weg führen Stege zu den Exponaten mit Grafik- und Texterläuterung. Abseits der Stationen bleibt das landschaftliche Erscheinungsbild unangetastet.

 

Exponatstationen und Themen: (vom Eingang Buchhügelallee)

Pavillon Meßstation mit den Inhalten:

Erläuterung der Meßstation und ihrer Instrumente

Darstellung der Meßwerte und Prognosen / Warnungen (auf Display)

Selbstdarstellung Aufgabengebiete DWD

Gewitter

Erläuterung Entstehung Gewitter und Darstellung der Kraft von Blitzen

Luftdruck

Entstehung von Hoch und Tief durch das Gewicht der Luft

Atmosphäre

Atmosphäre als Ort des Wettergeschehens, Zusammensetzung der Luft, Aufbau der Atmosphäre

Wind

Erklärung wie Winde entstehen und die Einteilung in der Beaufortskala

Sonne

Die Sonnenenergie als Motor des Wetters

Wie entsteht Wärme und dem Einfluß der Temperatur auf Wetterphänomene?

Der Sonnenstand entscheidet über Jahreszeiten und Tag / Nacht- Unterschiede

Wetter

Was ist Wetter?

Wie entstehen die Wetterphänomene?

Diagramme typischer Wetterläufe

Niederschlag

Das Wasser im Wetterkreislauf

Niederschlagsformen

Aktuelle Messung der Niederschlagsmenge

Phänologie / Klima

Das Wetter beeinflußt Pflanzen und Leben

Klimaforschung durch Beobachtung des Pflanzenwachstums

Klima / Klimageschichte

Wetterverläufe in großen Perioden (Eiszeit...)

Klimaschwankungen am Beispiel der Apfelblüte in Geisenheim seit 100 Jahren

Wolken

Wie eine Wolke entsteht und wieviel sie wiegt

Vorstellung der Wolkenarten

Wetteraussicht

Sicht: wie entsteht Dunst und wie wird sein Grad bestimmt

Wetterlagen: Aus welcher Himmelsrichtung sind welche typischen Wetterlagen zu erwarten und warum?

Kontakt: ESO Service-Telefon: 069/8065-4545, http//www.wetterpark-offenbach.de
(Weitere Informationen und eine genaue Anreiseskizze für Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und Benutzer Öffentlicher Verkehrsmittel).  Der Wetterpark ist eine öffentliche Parkanlage und in der Zeit von 8:00 bis 22:00 Uhr zu besichtigen. Adresse: Buchhügelallee 400, 63071 Offenbach. Der Eintritt ist frei. Der Themenpark ist so aufgebaut, daß die Stationen ohne Erläuterungen oder Führungen verständlich sind.

 

Der alte Schlachthof an der  Buchhügelalleee:

(„o die Rhönstraße im Süden Offenbachs in den Spessartring übergeht, geht nach Norden die Buchhügelalle ab. Nach dem Abzweig Erlenbuchstraße kommt der ehemalige Schlachthof)

Bei der Umwidmung des alten Schlachthofes in Offenbach ging kein Schritt ohne die Bauforschung, das heißt: die Erfassung der historischen Baukonstruktionen, der Baubefunde, die Prüfung des Bau- und Materialzustandes, maßnahmenorientierte Bauvoruntersuchung und die Klärung, ob die neue Nutzungsplanung auch denkmalgerecht sein würde. Dies alles stellen die Kernaufgaben der Bauforschung dar.

Im Jahre 1904 wurde das Schlachthofareal in Betrieb genommen. Die beispielhafte Industrieanlage mit insgesamt 14 Gebäuden war damals mit modernster Technik ausgestattet und wurde als absolut zukunftsweisend angesehen: Strom und Energie lieferte eine eigene Dampfkesselanlage, eine Eisfabrik konnte täglich 17 Tonnen Blockeis herstellen, und die Wasserversorgung wurde durch einen eigenen Wasserturm gesichert. Sehr hübsch und ansehnlich ist die Durchgestaltung aller Fassaden der Anlage in verschiedenfarbigem Klinker (ockerfarbenem und rostrotem Back­stein) in historisierenden Formen. Dunkle Basaltsockel und rote Sandsteingesimse und -gewände gliedern die Gebäude.

Gelegentlich sind die Eingänge mit aufwendiger Verdachung mit Fachwerk und glasierten Ziegeln dekoriert. Im Mittelpunkt des Schlachthofgeländes steht die 15 Meter breite und 100 Meter lange Verteiler- oder Verbindungshalle, von einem gewölbten Glasdach überspannt, die die Schlachthallen und das Kühlhaus verband. Einige Architekturelemente, wie etwa die Fenstergewände, sind sorgfältig aus Formsteinen gearbeitet. Die Triforien sind teilweise verglast, Rautenfriese und Granitsäulen mit Würfelkapitellen im neoromanischen Stil ausgebildet (nach Sonja Bonin).

Bedenkt man, daß dies ein ganz auf Funktionalität konzentriertes Bauwerk ist, dann verblüffen besonders das große Schmuckbedürfnis und die oft pittoreske Gestalt mancher Gebäude - die wundersame, gleichwohl genuine Architektursprache der Erbauungszeit. Diese architektonische Manifestation der Epoche macht die Anlage (neben weiteren Kriterien) schützenswert.

Nach der Schließung des Schlachthofes lobte die Stadt Offenbach 1990 einen Investorenwettbewerb aus, mit der Vorgabe, ein Wohn- und Gewerbequartier zu projektieren und dem Quartier eine städtebauliche Neuordnung zuzuführen.  Das ist fast eine Gratwanderung, denn für die denkmalgeschützten Gebäude sollte einerseits eine zeitgemäße Nutzung gefunden werden, andererseits mußten sich Wohnquartiere und Geschäfte in den Baubestand behutsam einfügen. Zusätzlich sollte ein Angebot an Kultur und Freizeit ein neues Zeichen setzen. Das später umgesetzte Entwicklungskonzept für das etwa 40.000 Quadratmeter große Areal zwischen Buchhügelallee und Erlenbruchstraße stammt von dem Frankfurter Büro Albert Speer & Partner.

Heute finden wir auf dem ehemaligen Schlachthof - Gelände Büros, Lofts, ein Vier  -  Sterne  - Ho­tel und eine Bar, in der ehemaligen Maschinenhalle ein Restaurant und in einem früheren Stall­gebäude Wohnungen. Das Kesselhaus ist integriert, die Eisfabrik und das Kühlhaus wurden einer attraktiven Ladennutzung zugeführt, und der ehemalige Kleinviehstall sinnigerweise in einen Kindergarten umgerüstet. Durch die dominante Verteilerhalle, die nun als kultureller Treffpunkt und Geschäftszentrum eine besondere Rolle übernommen hat, wirkt das gesamte Bauwerk sozusagen als „Herz“ des neuen Stadtquartiers. Die Neubauten, die vor allem für die Wohnnutzung konzipiert wurden, ergänzen mit feinem Gespür den Altbaubestand und bilden in ihrer Ausformung (in Kubatur und konsequenter Geschoßhöhe) ein harmonisches, städtebauliches Ensemble von großer Qualität und mit viel Atmosphäre.

Das Schlachthofviertel grenzt im Westen an eine Kleingartenzone, die das Areal großzügig im Vorfeld eingrünt. Der parkartige Charakter des Umfeldes ist zweifellos ein zusätzlicher Reiz dieses neuen städtebaulichen Gebildes.

 

Freizeitgelände in Osten Offenbachs:

Hier finden sich verschiedene Freizeitgebiete. Über die Mühlheimer Straße, Untere Grenzstraße und Bieberer Straße (B 448) kommt man zum Leonhard - Eißnert - Park mit Minigolfanlage und Hochseilgarten („Abenteuerspielplatz“). Die Bierbrauerstraße ist nur für Anlieger, also an sich nicht zum Parken gedacht.

 

Schneckenberg:

Zum Schneckenberg muß man (wenn man von Norden kommt) schon gleich nach Unterquerung der Eisenbahn nach links in den Lämmerspieler Weg einbiegen und dann unbedingt nach links unter der Eisenbahn hindurch und dann wieder nach rechts in die Straße Schneckenberg. Dort sind kurz hinter dem „Kulturzentrum Schneckenberg“ ein kleiner Parkplatz und das Tor zu dem „Freizeitgelände Schneckenberg“. Das Tor ist allerdings verschlossen und der ganze Berg mit einem Zaun umgeben. Nur einmal im Jahr im September zum „Deponiefest“ ist der Zugang möglich. Oder man muß einen Termin vereinbaren bei: OVO e. V. - Verwaltung und Organisation „Am Schneckenberg“, Geschäftsstelle: 1. Vorsitzender Klaus Keller, Seligenstädter Straße 43, 63073 Offenbach / Main , Telefon  069 89 90 67 49. E-Mail: ovo97@arcor.de.

Hier bestanden bis 1962 die Kalkwerke Grix. Sie wurden 1874 gegründet. Aus der Zeit des Kalkabbaus stammt auch die häufig genutzte Bezeichnung „Schneckenberg“.  Sie entstand, da sich im Kalkgestein viele fossile Überreste von Schnecken fanden. Nach Schließung des Kalkwerkes 1962 bot sich das Gelände förmlich als Ablagerungsstätte an. Der Firmenname Grix ist als Bezeichnung der „Deponie Grix erhalten geblieben.

In den Jahren 1963 bis 1970 diente die Grube des Kalksandsteinbruchs der Stadt Offenbach als Ablagerungsplatz von überwiegend Haus- und Industriemüll, einschließlich Flüssigabfällen. Von 1970 bis 1982 wurden zur Aufschüttung nur noch Bauschutt, Sperrmüll und nicht brennbare Abfälle angeliefert und verarbeitet. Es  sammelten sich zwischen 1963 und 1983 rund 2,6 Millionen Kubikmeter Abfälle. Aber 1982 bis 1987 fanden erste Sanierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen statt. Zum Untergrund hin wurde die Deponie abgedichtet. Anlagen zur Entgasung des Deponiekörpers wurden errichtet.

Auf Grund neuer Erkenntnisse und Verfahrensweisen im Bereich Dichtungs- und Entwässerungsverfahren fand eine zweite Sanierungsmaßnahme statt. Auf der inzwischen mit Gras bewachsenen Halde wurde 1987 bis 2009 eine Oberflächenabdichtung (eine sogenannte „Kapillarsperre“) zur Verhinderung von Wasserdurch­sickerungen des Deponiekörpers errichtet. Im Jahre 2010 begann die Nachsorgephase. Alle von der Deponie ausgehenden Emissionen werden durch die RMN überwacht.

Mit 176 Meter ü.N.N. ist der Schneckenberg die höchste Erhebung der Stadt Offenbach und übertrifft somit in seiner Höhe auch den angrenzenden Bieberer Berg. Das Volumen des 10 bis 18 Meter tiefen Kalksteinbruchs beträgt 0,65 Millionen Kubikmeter, das Volumen der Aufschüttung 1,75 Millionen Kubikmeter. Die Höhe ab der Sohle ist 56 Meter. Aktuell finden Überlegungen und Planungen zur weiteren Nutzung des Geländes statt.

Damit aber auch in Zukunft vom Deponiekörper keine Gefahr für Umwelt und Gesundheit ausgeht,  ist es wichtig, daß die durchgeführten Sanierungsmaßnahmen sowie der Betrieb der vorhandenen Anlagen vor Fremdeinwirkung geschützt werden. Aus vorgenannten Gründen ist auch eine weitere Bebauung des Deponiekörpers nur eingeschränkt möglich. Vorstellbar sind zum Beispiel eine Flächenfotovoltaikanlage und / oder aber ein Kultur- und Lehrpfad.

 

 

 Offenbach-Bieber

Fachwerkhaus Rathausgasse 2:  Der Zustand war leider nicht sehr gut. Es handelte sich um ein einfaches Arbeiterhäuschen, welches um 1800 errichtet wurde. Das Fachwerk aus Nadelholz befand sich teilweise in sehr schlechtem Zustand. Das ließ sich damals nur erahnen, weil Umbauten und Verkleidungen so zahlreich waren. Es hatte einen nicht zu großen Garten, ein kleines Nebengebäude, einen alten Brunnen, eine alte Stadtmauer als Grundstücksgrenze und die Raumaufteilung und Größe des Hauses war ausreichend.  Der Dachstuhl war beschädigt, die Schwellenbalken verrottet, Originaleinbauten wie Fenster, Zimmertüren, Treppe fehlten und waren schlecht ergänzt worden. Der Garten war verwildert, die Stadtmauer mit Zement verputzt und der Brunnen mit Bauschutt gefüllt.

Das Ehepaar Hiltner  beschloß trotzdem das Haus zu kaufen! Während der nächsten zwei Jahre steckten sie Unmengen an Arbeit und Energie in das Haus. Unzählige Baucontainer mit Bauschutt, Holz und Grünschnitt verließen unser Grundstück. Der Zimmermann und der Maurer / Lehmbauer hatten viel Arbeit und bewirkten wahre Wunder. Es ging von Etappe zu Etappe. Die Schwellenbalken wurden ergänzt, das Fachwerk ausgebessert, der Dachstuhl wurde repariert und neu eingedeckt. Das Obergeschoß wurde zum Teil neu verschiefert und Sprossenfenster eingesetzt.

Im Jahre 2006 konnten sie  einziehen, obwohl einiges noch nicht ganz fertig war. Der örtliche Heimatverein spendierte im gleichen Jahr die Kronenabdeckung für die restaurierte Stadtmauer. Im Jahre 2007 erhielt das Ehepaar den Denkmalschutzpreis der Stadt Offenbach. Im Jahre  2008 war auch das kleine Nebengebäude saniert, in der sich heute die Werkstatt für Möbelrestaurierung befindet. 

 

 

Rumpenheim

Das Dorf Rumpenheim:

Schon im Jahre 770 besaß das Kloster Lorsch hier Güter und pflanzte Weinreben an. Das Dorf kam an die Herren von Münzenberg, die die Hanauer Dynasten mit Rumpenheim belohnten. Diese gaben den Ort an andere Rittergeschlechter, von denen eins den Namen „von Rumpenheim“ führte und aus der Wetterau kam. Petrus von Rumpenheim wird 1430 erwähnt. Das Dorf wurde 1622 von den Spaniern unter Spinola verbrannt. Im Jahre 1769 kaufte Landgraf Karl von Hessen-Cassel das Dorf. Rumpenheim war nach der Landseite hin von einem wehrhaften Mauerzug umgeben, durch den zwei Tore führten. Von der Ummauerung bestehen noch wenige Überreste. Nach dem Umbau des alten Hofguts zum Schloß wurde das Hofgut am Westrand des Ortes (Mainkurstraße, heute Eigentumswohnungen).

 

Übersicht:

 

  770

Frühe Nennung eines Weingartens zu Rumpenheim im Lorscher Codex

14. Jahrh.

Eine Pfarrei am Ort wird genannt

1526

Konrad Demuth predigt lutherisch

1541

Reformation: Jakob Klein wird als evangelischer Pfarrer von den Fürsten von Hanau in  Rumpenheim eingesetzt

1596   

Die Grafschaft Hanau wird calvinistisch - reformiert (sog. Zweite Reformation)

1639   

Im 30jährigen Krieg wird Rumpenheim von spanischen Truppen geplündert

1680

Errichtung eines Herrenhauses am Mainufer mit Garten durch Johann Georg Seiffert von Edelsheim (heutiger Mittelteil des Haupttrakts)

1736   

Das Gebiet von Rumpenheim fällt an die Landgrafen von Hessen - Kassel

1756  - 1761  

Bau der heutigen Schloßkirche als Rumpenheimer Pfarrkirche (das jetzige Kirchengebäude). Die mittelalterliche, vermutlich romanische Kirche war eingestürzt

1770   

Erste Erweiterung des Herrenhauses um zwei seitliche Anbauten durch Prinz Karl und Landgräfin Marie. Vergrößerung des Gartens

1787 / 1788

Bau der Seitenflügel unter Landgraf Friedrich (ab 1803 Landgraf). Gleichzeitige Umgestaltung des Gartens in Anlehnung an englische Landschaftsgärten mit Staffagebauten

bis 1811 

Ausbau des Schlosses zur Dreiflügelanlage. Verlegung des Ortskerns nach Westen

1804 / 1805

Bau der Ecktürme an der Mainfront, des Uhrturms und eines dritten Stockwerks an der Mainseite. Damit erhält das Schloß seine heutige Gestalt

1800 / 1802

Bau des Mausoleums (Mittelteil)

1818

Lutherisch - calvinistische Union in Hanau (Kurfürstentum Hessen)

 

 

 

Schloß:

Rumpenheims Aufstieg zur zeitweiligen Residenz begann 1674 mit dem Landhaus des Hanauer Kammerpräsidenten Georg Seiffert von Edelsheim. Wahrscheinlich besaß bereits dieser 1680 auf hochwassersicherem Gelände erbaute Sommersitz einen Garten, der sich auf der Ostseite an das Herrenhaus anschloß. Es war Keimzelle der späteren Residenz, die heute noch mit ihren Umfassungsmauern im „Corps de Logis“ (dem Mittelteil des Schlosses) erhalten ist. Bald kam der Besitz an Hanau zurück und fiel 1736 als Erbe an Hessen-Kassel.

 

Landgraf Friedrich I. (1747 -  1837) wurde durch seine acht an in- und ausländische Höfe verheirateten Kinder zum „Großvater Europas“. Doch nach dem Übertritt des Erbprinzen Friedrich II. zum katholischen Glauben trennte sich 1755 die Landgräfin Marie (eine geborene Prinzessin von Großbritannien und Tochter von König George II.) von diesem und nahm 1763 in Hanau ihren Wohnsitz, um dort die Regentschaft für ihren ältesten Sohn auszuüben.

Im Jahre 1768 erwarb ihr zweiter Sohn Carl die Edelheim’schen Güter in Rumpenheim und stellte sie seiner Mutter zur Verfügung. Die Landgräfin verbrachte ihre Sommermonate ab 1769 nicht mehr in Schloß Philippsruhe, sondern in den fürstlichen Gemäuern am südlichen Mainufer in Rumpenheim.

Karl und seine Mutter Landgräfin Marie erweiterten 1770 das Herrenhaus um zwei seitliche Anbauten und vergrößerten den Garten. Diese Anbauten kann man noch an der Mainfront erkennen, noch besser aber im Innenhof, wo noch zwei kleine Türme angedeutet sind. Von 1787 bis 1788 wurden zwei Seitenflügel direkt an das Schloß angebaut.

Von 1804 bis 1805 wurden die beiden erhöhten Ecktürme (Pavillons) an der Mainfront errichtet. Dazu der Uhrturm und ein drittes Stockwerks. Damit erhält das Schloß seine heutige Gestalt.  In Verbindung mit dem Uhrturm auf dem mittleren Hauptgebäude und der längs des Kranzgesims hinziehenden Attika verhelfen die Pavillons der im Ganzen schlichten dreigeschossigen Uferfassade zu einer gewissen architektonischen Wirkung.

Entsprechend der Herkunft der Landgräfin Maria erhielt der Rumpenheimer Sommersitz englische Gartenarchitekten. Im Jahre 1780 erhielt das Schlößchen zwei seitliche dreiachsige Anbauten und auf der Rückseite die für eine kleine Hofhaltung notwendigen Ökonomie- und Nebengebäude sowie eine Vergrößerung und Verfeinerung des Parks mit verschiedenen Lustbauten. Der Garten wurde im anglo - chinoisen Stil umgestaltet, vielleicht auch erweitert und mit verschiedenen Staffagen ausgestattet.

Nach den Tod der Landgräfin 1772 verkaufte Landgraf  Carl gegen Ende 1780 Rumpenheim an seinen jüngeren Bruder Friedrich, Begründer der nicht - regierenden Seitenlinie Hessen-Rumpenheim. Landgraf Friedrich baute das Schloß weiter aus. Er kaufte Bauernhöfe hinzu und umgab das Schloß mit einem großen Garten. Die 1756 erbaute Kirche kam dadurch in den Bereich des Schloßgartens.

Obwohl Friedrich bis 1794 als Gouverneur der Festung Maastricht in niederländischen Diensten stand, ließ er bereits im Januar 1781 Schloß und Garten zeichnerisch aufnehmen und eine Erweiterung planen. In kurzer Zeit wurden die beiden Seitenflügel angefügt und 1787 als Gelenk zwischen diesen und dem Mittelbau ein Pavillon eingepaßt und 1788 ein Uhrturm  aufgesetzt. Er ließ ein drittes Geschoß auf der Mainseite und das Mausoleum (in dem zeitweise ein Architekt wohnte) erbauen.

Gleichzeitig vergrößerte er den Garten beträchtlich nach Osten und Süden durch sukzessive Geländekäufe, wofür die ursprünglich dort befindlichen Hofreiten sowie das Pfarr- und Schulhaus des Dorfes Rumpenheim niedergelegt und weiter westlich neu errichtet werden mußten. Eine Gouache belegt das Aussehen des Schlosses um 1790, dessen Äußeres sich baulich später nur noch geringfügig mit der Aufstockung des mainseitigen Mansarddaches zu einen dritten Geschoß verändern sollte. 

Dagegen wurde der Garten immer wieder im Zeitgeschmack überformt. Nach dem Tod von Friedrich 1837 übernahmen es insbesondere seine beiden Söhne Georg und Friedrich, Rumpenheim weiter auszugestalten und die Gärten zu verschönern. Die Anlage einer Wasserleitung ermöglichte ab 1850 die Inbetriebnahme von Springbrunnen. Im Jahre 1857 konnte durch den Ankauf von 4 Hektar Gelände mainaufwärts die Gartenfläche nahezu verdoppelt werden.

Das Schloß wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Treffpunkt der Fürstlichkeiten aus aller Welt. Hier promenierten Kaiser Franz Joseph von Osterreich, die Könige von Sachsen, Bayern und Hannover anläßlich des Frankfurter Fürstentages 1863. Die Besucher kamen gerne, weil es in dem „Familienschloß“ auch familiär zuging. Die Verwandtschaft - die bis nach England und Dänemark reichte - kam gern nach Rumpenheim.

Der Abglanz der hessischen Landgrafen hat Rumpenheim einen „gewissen Wohlstand“ und viel Aufmerksamkeit verschafft. Etwa, wenn für die Hochzeit der Prinzessin Elisabeth mit dem Erbprinzen von Anhalt 1884 die Generalüberholung des ganzen Hauses anstand. Oder im gleichen Jahr zur Trauerfeier für Landgraf Friedrich Wilhelm. Im „Grünen Saal“ aufgebahrt unter der Ehrenwache seiner Offiziere, zwischen Kerzen, Ordenskissen, täglich mehr Blumen, schien das Defilee der Trauergäste nicht zu enden.

Großereignisse waren auch seit Landgraf Friedrich die „Familientage“ fürs Volk, begehrter Anlaß zur „Adelsschau“ und für die Geheimpolizei höchste Wachsamkeitsstufe. Von einem dieser Feste holten sich Griechen im Jahre 1863 gleich ihren neuen König nach Athen, Friedrichs Enkel Wilhelm von Schleswig - Holstein - Glücksburg. Letzter monarchischer Besucher war Kaiser Wilhelm II. zum Geburtstag seiner hessisch verheirateten Schwester Margarethe im  Jahre 1898.

Die landgräfliche Familie bewohnte Rumpenheim regelmäßig bis 1902. Preußen hatte kein Interesse an der südmainischen Exklave und trat Rumpenheim an Hessen-Darmstadt ab. Der Ort wurde 1942 nach Offenbach eingemeindet. Im Zweiten Weltkrieg erhielt der Mittelteil des Schlosses im Jahre 1943 Bombentreffer und brannte aus und ist seitdem eine Ruine. Ist auch sein Schloß seit fast 100 Jahren verwaist hat es die kulturelle Ausstrahlung auf den Ort nicht eingebüßt. Im Jahre 1965 gingen Schloß und Park von der Kurhessischen Hausstiftung in den Besitz der Stadt Offenbach über, ohne daß allerdings Klarheit über die künftige Nutzung dieser ehemals feudalen Residenz bestanden hätte.

Immer noch ist die Sorge um seine Zukunft groß, seitdem es die Stadt als Besitzer an Pläneschmieder in Erbpacht gab, die es weiter brachliegen lassen. Obschon Schloß, Park und Kirche seit 1921 unter Denkmalschutz standen, begann sich in einem 1973 durchgeführten Wettbewerb abzuzeichnen, daß an ihrer Stelle Wohnhochhäuser die künftige Mainsilhouette bestimmen sollten. Nur durch die Gründung einer Bürgerinitiative und deren engagierten Einsatz über Jahre ließ sich der drohende Abbruch verhindern.

Seit 1985 sind die Seitenflügel des Schlosses sowie der ehemalige Marstall (westlich und parallel zu dem westlichen Seitenflügel)  zu Wohnungen ausgebaut worden, wobei im Äußeren der Zustand der Zeit um 1805 wiederhergestellt ist. Es scheint, daß der Wiederaufbau des Corps de Logis bevorsteht. Im Jahre 2004 wurden die Eigentumswohnungen im Mittelbau samt Uhrturm fertig. Bleibt noch die vielleicht sensibelste Aufgabe zu lösen: die Rettung von Garten und Park.

Das Rumpenheimer Schloß wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise bis auf die Außenmauern zerstört und nicht wieder aufgebaut. Die umgebende Idylle ist geblieben: ankernde Boote, unter den schattigen Weiden geduldig auf den Biß wartende Angler, plaudernde Alte auf den Bänken vor den ehemaligen Kutscher‑ und Dienerhäuschen, fröhliche Runden im Gasthaus  „Schiffchen“ und spielende Kinder im verwilderten Park, den einst 32 Gärtner pflegten.

 

Das Gartenkunstwerk:

Die im 17. und 18. Jahrhundert an einen Sommersitz gestellten Ansprüche lassen vermuten, daß schon das 1680 in Rumpenheim  errichtete Landhaus einen Garten hatte. Die auf der Nordseite, zum Main hin gelegene Terrasse ließ sich dafür nutzen, ebenso wie der sich östlich anschließende Geländestreifen, der vom Schloß durch einen Graben getrennt und nur über eine Brücke zugänglich war. Solange allerdings genaue Unterlagen fehlen, ist man, was Größe und Aussehen dieses Gartens betrifft, auf Spekulationen angewiesen. Zweifellos war es eine formale Anlage nach französischem Vorbild, die sich vorzüglich auf flachem und nicht sehr ausgedehntem Gelände verwirklichen ließ.

Rumpenheim ist geradezu ein Lehrbeispiel dafür, wie ein Garten seit dem 18. Jahrhundert von seinen wechselnden Eigentümern verändert worden ist, aber dennoch immer darauf geachtet wurde, daß ältere Teile mit vielleicht wertvollem Gehölzbestand oder Erinnerungswert so integriert wurden, daß sie die insgesamt modernisierte Anlage bereicherten. Der älteste bis jetzt bekannte Plan, 1781 datiert, Bestandsaufnahme und Planung zugleich, zeigt Gartenanlagen, die entsprechend ihrer Bestimmung und Lage zum Schloß unterschiedlich gestaltet sind. Trotz der geradezu schon fast manisch zu nennenden Schnörkelung und Mäandrierung der Wege im größten Teil des Lustgartens im Stil des späten Rokoko, schimmert durch das gesucht unregelmäßige Wegenetz ein früherer formaler Garten hindurch, dessen Spuren sich an einigen Achsen und Plätzen noch festmachen lassen.

Der Plan von 1781 stellt noch den Zustand der Zeit der Landgräfin Marie dar, die schon durch ihre Herkunft mit frühen englischen Landschaftsgärten vertraut war und gleichzeitig Einflüsse anderer hessischer Gärten, so vor allem den Park von Wilhelmshöhe bei Kassel im Zustand der Veränderung durch ihren Gemahl, den Landgrafen Friedrich, als Inspiration für Rumpenheim benutzen konnte. Der noch erhaltene Monopteros  - eine typische  Staffage englischer Landschaftsgärten  - ging auf sie zurück, worauf das Kurhessich - großbritannische Allianz­wappen im Scheitel der Stuckkalotte hindeutet.

Ihrem Sohn Friedrich, der englische Landschaftsgärten aus eigener Anschauung kannte, gelang es, in seiner kleinen Residenz durch gezielte Geländearrondierungen  einen Garten zu schaffen, dem man zwar auf den Plänen  die Entstehung in verschiedenen Abschnitten durchaus noch ansieht, dessen einzelne Teile jedoch so geschickt miteinander verklammert waren, daß sie sich dem zeitgenössischen Spaziergänger als großzügige Anlage mit einer Vielzahl unterschiedlich geladener Stimmungsträger präsentierten. Die in Hirschfelds „Theorie der Gartenkunst“ im 5. Band (1785, pp. 323/4) vorgebrachte Kritik an Rumpenheim, daß dort nämlich noch einiges zur Verbesserung des Gartens getan werden könnte - namentlich müßten die „noch übrigen alten Hecken“ niedergerissen und die „Verteilung des großen Gebüsches in schönere Gruppen bewerkstelligt werden“ - gilt gewiß nicht mehr für die Anlage Friedrichs.

Noch in ganz barocker Attitüde hatte er die seine Planungen störenden Dorfbauten niederlegen und die Bewohner durch neue Gehöfte an anderer Stelle entschädigen lassen. Selbst der Kirchhof mit seinen sentimental - pittoresken Grabsteinen war in die Gesamtgestaltung mit einbezogen. Der Bau eines Familien  -  Mausoleums, bald nach 1800, in unmittelbarer Nähe der Kirche mit passender Trauerbepflanzung aus Eiben, ist denn auch gekonnte Umsetzung von garten - theoretischem Gedankengut der Zeit. Zahlreiche Anekdoten belegen Friedrichs Interesse an Hortikultur und Botanik

Nachdem sich die politisch Verantwortlichen bewußt geworden waren, welches bedeutende Gartenkunstwerk endgültig zu verschwinden drohte, war der erste Schritt in die richtige Richtung die Beauftragung eines Landschaftsarchitekten mit der Bestandsaufnahme des Garten- und Naturdenkmals Rumpenheim. Erst jetzt und durch intensive Archivforschung wurde das ganze Ausmaß des Schadens sichtbar: Die Gesamtkontur des Gartens war verwischt, seine Beziehungen zur ebenfalls als Kunst - Landschaft zu verstehenden Umgebung gestört, das für die Erlebniswirkung eines Landschaftsgartens unabdingbare differenzierte Wegenetz überwachsen und verschüttet, der Artenreichtum des Gehölzbestandes durch falsche oder unterlassene Pflege zurückgegangen, die Balance zwischen offenen, hellen Parkwiesenflächen und geschlossenem, dunklerem Waldhintergrund schon lange aus dem Gleichgewicht geraten und die meisten Staffagen entfernt, zerstört oder von Vegetation überwuchert.

Obwohl Übereinkunft insoweit erzielt werden konnte, daß oberstes Prinzip aller Bemühungen um Schloßgarten und -park das Bewahren des noch vorhandenen Bestandes sein muß und dessen neuerliches, schrittweises Einbinden in ein gestaltungs- und pflanzenartenreicheres Konzept (ein Plan um 1900 gibt hierzu verläßlich Auskunft), werden sich noch an manchen Detailfragen Konflikte entzünden. Ein heutiger, der Öffentlichkeit zugänglicher Park wird grundsätzlich ganz anders benutzt und beansprucht, als dies in einer nicht öffentlichen und nur einem exklusiven Besucherkreis vorbehaltenen Anlage der Fall ist.

Im Park gibt es einen Tanzpavillon oder Theaterpavillon. Wo noch ein Haufen Steine liegt (nordöstlich der Kirche) war früher ein künstlicher Felsen, auf dem ein Vogelhaus stand. Das Mausoleum wird heute als Veranstaltungsstätte genutzt. Die fürstlichen Gebeine hat man hinter der Kirche in einem Grab beigesetzt.

Da der Schloßpark eine von vielen Offenbacher Grünanlagen ist und vom städtischen Garten- und Friedhofsamt unterhalten wird, werden auch Vereinfachungen und Reduzierungen gegenüber dem Zustand um 1900 unumgänglich sein (In Rumpenheim waren in landgräflicher Zeit zwölf Gärtner tätig).

Erste Zeichen für eine Wende zum Besseren sind erkennbar: Im Innenhof des Schlosses ist das ovale Rasenbeet des frühen 19. Jahrhunderts wieder angelegt, die Bürgerinitiative Rumpenheim erhielt vom Landgrafen Brunneneinfassungen und die Monogrammvase zur Aufstellung im Park. An Plänen auf der Grundlage des dokumentierten historischen Bestandes wird gearbeitet.

Mit viel Eigenhilfe sind wenigstens die Schloßflügel und Nebenbauten als Wohnungen wieder­ erstanden und wohlgehegt. Vom Hessenbesitz blieb noch hinter der Kirche ein Fleckchen exterritorial, Grablege für 17 Landgrafen, Prinzen, Prinzessinnen. Daß deshalb der jetzige Hessenchef, Landgraf Moritz, sich manchmal mit Gärtnern für die Grabpflege blicken läßt, vermerken Rumpenheimer gern mit einem Anflug von Hochgefühl.

 

Kirche:           

Am 13. August 1756 legten die Rumpenheimer den Grundstein für ihre Evangelisch - Refor­mierte Rokoko - Kirche - aus eigener Kraft. Schon zu Luthers Zeiten, im Jahre 1526, hatten die Bewohner kirchliche Dinge selbst in die Hand genommen und gegen den Willen der Obrigkeit die Reformation eingeführt. Das alte Kirchengebäude war 230 Jahre später zu klein geworden. In der neuen Kirche von 1756 trafen sich durch die Jahrhunderte Bauersleute und Handwerker mit den Grafen aus dem Schloß und ihren königlich - kaiserlichen Gästen zu Predigt und Abendmahl.

 

Das Äußere:

Der Rundgang beginnt außen am Chor der Kirche, der im Süden an der Parkmauer zur Schloß­gartenstraße liegt. Dort ist die Grablege des Hauses Hessen - zu - Rumpenheim: Landgraf Friedrich erweiterte zwischen 1781 und 1811 das Schloß Rumpenheim. Bis 1964 standen die Särge im fürstlichen Mausoleum nördlich der Kirche.

Der Turm im Norden der Kirche gegenüber vom ehemaligen fürstlichen Mausoleum ist 32,10 Meter hoch. Die vier Glocken sind 1952 nach dem Krieg wieder eingeholt worden. Über der Eingangstüre im Turm ist das Wappen des Hauses Hanau angebracht. Darunter lautet die lateinische Inschrift:  „Unter der Regierung Wilhelms VIII., des Fürsten von Hessen und Hanau, des frommen Vaters des Vaterlandes, ist dieses Haus, welches der Pflege der reineren Religion geweiht ist, im Jahre 1756 erbaut worden.“

Die „reinere Religion“ bezeichnet die reformiert - calvinistische Linie der evangelischen Reformation gegenüber der lutherischen Konfession. Jean Calvin aus Genf vertrat eine sehr strenge Form des evangelischen Glaubens, bei dem kein Bilderschmuck zugelassen war. Ein am Wort orientierter Gottesdienst mit einer ausführlichen Predigt war typisch dafür. Heute gehört die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau einer Union von lutherischen und calvinistischen Gemeinden an.

Im Eingangsbereich der Turmhalle ist auf die Opfer der Weltkriege durch die Jahreszahlen 1914 - 1918 und 1939 -  1945 verwiesen. Über dem Zugang zum Kircheninnern steht die Jahreszahl der Grundsteinlegung 1756.

 

Das Kirchenschiff:

Im Innern der Kirche fällt die helle und freundliche Farbgebung auf. Im Jahre 1994 wurde die ursprüngliche blaue Farbgebung wieder hergestellt. Jüngere Ausmalungen und Schriftzüge aus dem 20. Jahrhundert wurden entfernt. In den sogenannten Pfarrständen im Chor saß der gewählte Kirchenvorstand. Früher gab es solche Verschläge für die unbeobachtete Teilnahme der Schloßbediensteten an beiden Wänden unter den Emporen. Unter der Orgelempore sind die Logen der Fürsten. Der Kronleuchter stammt aus….

Der Altar: Unter der Kanzel liegt die Bibel auf einem Altartisch aus Holz. Die im Kirchenraum ungewöhnliche Nähe von Altar und Kanzel, die für den evangelischen Kirchenbau typisch ist, führte in der Kunstgeschichte zum Begriff des „Kanzelaltars“.

Der silberne Kruzifixus ist eine Stiftung des Landgrafen Alexander von Hessen aus dem Jahre 1889. Dazu gehört das silberne Abendmahlsgeschirr mit Kelch, Weinkanne und Brotschale. Es wurde 1851 von Prinz Georg von Hessen gestiftet, wie auch das silberne Taufgeschirr: Zur Taufe wird eine Taufschale auf den Altar gestellt, dazu eine Wasserkanne.

Die Kanzel: Das Wort Gottes soll im Mittelpunkt der Versammlung der christlichen Gemeinde stehen. In der Schloßkirche wird das deutlich durch die gewaltige Kanzel, die alle Blicke auf sich zieht. Die Fensteröffnung hinter der Kanzel wurde noch in der Bauzeit zugemauert, als sich ein Stifter für den Schalldeckel gefunden hatte.

Das Innere der Schloßkirche ist ein typisches Beispiel für die Konzentration des Gottesdienstes auf die Predigt des Evangeliums im reformiert - calvinistischen Geiste der Reformation, in dem dieser Kirchenraum 1756 / 1761 eingerichtet wurde.

Der einzige Kirchenschmuck ist an der Kanzel zu finden: auf dem Schalldeckel sitzt ein goldener Vogel, der seinen langen Hals zur Brust neigt. Es soll einen Pelikan darstellen. Von diesem Vogel wird erzählt, daß er in der größten Not sich selbst mit dem Schnabel Verletzungen beibringt, um seine Jungen zu füttern - in der christlichen Kunst ein Symbol für das Selbstopfer Christi.

Unten an der kelchartigen Kanzel hängt eine geschnitzte Weinrebe: Sie verweist auf das Abendmahl in Brot und Wein, mit dem sich die Gemeinde Tod und Auferstehung Jesu vergegenwärtigt.

Die Paramente, die in den vier Gottesdienstfarben weiß, rot, violett und grün an Kanzel und Altar  als Antependien hängen, wurden in den neunziger Jahren von Herbert Aulich geschaffen.

Die Empore: Die erste Orgel wurde 1776 in die Schloßkirche gestellt, war aber nach etwa einem halben Jahrhundert unbespielbar geworden. Bei der Hochzeit mit der Enkelin des Landgrafen Friedrich von Hessen, Adelheid von Anhalt, stiftete 1851 der Herzog Adolph von Nassau - später Großherzog von Luxemburg  - der Rumpenheimer Kirche eine Orgel.

Erst im Rahmen der jüngsten Orgelüberholung hat sich die Herkunft der Orgel geklärt: Der Orgelbauer hieß Friedrich Voigt aus Igstadt in Nassau. Die Orgel hat eine bewegte Geschichte: 50 Jahre nach der Stiftung wurde ein Register der Frankfurter Paulskirche in die Orgel eingebaut, 1917 mußten die wertvollen Prospektpfeifen für die Rüstungsindustrie abgegeben werden. Es ist geplant, die Zinnpfeifen zu restaurieren. Im Jahre 1955 wurde die Orgel völlig umgestaltet, was nicht zu sehen ist, aber zu hören war: Aus einem dunklen Gesamtklang der Orgel wurden durch Umbau von zehn Registern ein heller, obertöniger Klang, der sich damals für die neu entdeckte barocke Orgelmusik eignete. Im Jahre 2003 wurde die Orgel nach gründlicher Erforschung ihres Innern in den vom Orgelbauer entworfenen ursprünglichen Klang zurückgeführt. Hinter der Orgel auf der Empore ist in der Decke eine Holzverschalung zu sehen. Die fünf Meter hohen Holzorgelpfeifen (Violonbaß 16`) ragten bis 1955 in den Dachstuhl hinein.

Zum Jubiläum „250 Jahre Schloßkirche” erschien ein Jubiläumswein. Der Kirchenvorstand hat die Reben im Rumpenheimer Weingarten selbst gelesen. Der örtliche Winzer hat den Rivaner im Holzfaß ausgebaut.  Einmal im Monat und zu hohen christlichen Feiertagen wird der Jubiläumswein zur Heiligen Mahlfeier im Gottesdienst der Gemeinde gereicht. Wer genau hinschaut, kann an der Kanzel der Schloßkirche eine geschnitzte Rebe entdecken. Urkundlich wurde ein Rumpenheimer Weingarten schon im Jahr 770 nach Christi Geburt erwähnt. Seit 1998 werden Müller - Thurgau - Reben aus Rumpenheim gekeltert und als Wein angeboten.

 

 

Weg von Rumpenheim nach Offenbach

 

Die Fähre:

Die Fähre, schon im Jahre 770 in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch erwähnt und in nachfolgenden Besitzwechseln des Kammergutes Rumpenheim stets als obligat dazugehörig gefordert, gleitet noch heute hinüber und herüber, lautlos, um Autos, Fahrräder, Camper, Schüler, Angler, Sportler und Ausflügler überzusetzen. Die Fähre wird von Udo Dill als Familienbetrieb betrieben. Im Jahre 2008 waren die Gutachter des Wasser- und Schiffahrtsamtes Aschaffenburg vor Ort und haben die Neuerungen an seiner Fähre begutachtet. Alles ist in Ordnung, ab sofort durfte er wieder bis 2,60 Meter Wasserhöhe übersetzen - zuvor waren nur 2,10 Meter erlaubt.

„Wir haben die Seile und die Befestigung der Oberstrommastanlage verstärkt“, erklärt Dill. Zudem sei das Gierseil, das die Fähre mit dem Hochseil verbindet, von zwölf auf 16 Millimeter verstärkt worden. Udo Dill ist glücklich über diese Freigabe, bis 2,60 Meter Wasserhöhe fahren zu dürfen. Aufgrund der vorherigen Einschränkung auf 2,10 Meter mußte er im Januar und Februar jeweils eine Woche den Fährbetrieb aussetzen, im März und April waren es ins­gesamt sogar acht Wochen. „Das war für uns absolut existenzbedrohend“, erklärt Dill.

Die Investition, um die Fähre für eine Wasserhöhe von 2,60 Meter zuzulassen, beläuft sich auf einen fünfstelligen Betrag. Dennoch ist Dill überzeugt, daß sich diese Investition gelohnt habe. Die nächste Prüfung steht erst wieder in sechs Jahren an. Die Stammkunden wird die Nachricht freuen, sie können wieder wie üblich einmal hin und einmal zurückfahren, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Für ein Auto ist ein Euro und 50 Cent für ein Rad zu zahlen.

Fußgänger 30 Cent.

Die Fähre, der Landgrafen „fliegende Brücke“, war immer wichtig für das Schloß, die ohne Gasthaus nicht denkbar ist. Das „Schiffchen“ steht hier seit dem 18. Jahrhundert, äußerlich sich treu geblieben, innen neuerdings fein geschniegelt, aber immer noch mit üppigen Portionen und den Offenbachern allein einen Spaziergang wert.

Unterhalb des Gasthauses geht es am Main entlang. Am Ende der Kleingärten geht es nach links und dann wieder rechts neben dem Damm entlang auf der Teerstraße bis zum Schult­heisweiher, zu dem man nach links einbiegt.

 

Mainbogen Rumpenheim:

Die Firma Schultheis begann 1928 mit dem Kiesabbau im Bürgel / Rumpenheimer Mainbogen. Durch die  Auskiesung entstanden mehrere Seen, die vom Grundwasser, gespeist wurden. In den sechziger Jahren war, als der Kiesabbau aufgegeben wurde, der Schultheis ‑ Weiher viel größer als heute. Damals begann man, den See zu verfüllen. Im Jahre 1975 verhinderte dann die Stadt Offenbach durch einen Bebauungsplan, daß weiterhin Erdmassen in den See gekippt werden konnten und rettete so den Schultheis ‑ Weiher. Die Lkw‑Ladungen, die nicht mehr in den See geschüttet werden durften, waren die Grundlage für die Hügel am Nordufer des Sees.

Der ehemalige Baggersee „Schultheisweiher“ wurde rekultiviert,  um im Naturschutzgebiet Freizeitaktivitäten zu erlauben. Die Natur und der Mensch ergreifen Besitz. Aufgelassene Kiesgruben sind kein Niemandsland: Auf Brachflächen setzt sofort Spontanvegetation ein. Seltene, extreme Standorte, wie Steilufer, Land - Wasser - Wechselzonen, Trockenbereiche, feuchte Mulden und Erdhügel, sind Lebensräume für spezielle Pflanzen und Tiere, die ‑ auf diese besonderen Lebensräume angewiesen ‑ in unserer Kulturlandschaft nur noch selten vorkommen oder gar vom Aussterben bedroht sind. Feuchte Mulden bieten Lebensraum für Kröten, Frösche und Molche. Diese wiederum sind eine wichtige Nahrungsquelle für verschiedene Vogelarten. Auf Kiesbänken brüten Flußregenpfeifer, in Trockenzonen tummeln sich Käfer und Insekten. Im Schultheisweiher konnten sich die Dreikantmuschel und die Große Teichmuschel besonders gut entwickeln. Von beiden ernähren sich verschiedene Wasservogelarten.

Aufgrund seiner geographischen Lage im Kreuzungspunkt zweier wichtiger Vogelzuglinien wurde der Schultheisweiher zu einem bedeutenden Rastplatz für nord - eurasische Wasserzugvögel, die hier ihre Nahrung finden und ‑ je nach Art und Witterung ‑ eine kurze Rast auf dem Weg nach Süden einlegen, oder auch den ganzen Winter über bleiben. Immer wiederkehrende Gäste sind vor allem Entenarten, wie Reiher‑, Tafel‑, Löffel‑, Schell‑, Moor‑ und Pfeifenten, Taucherarten wie Hauben‑, Zwerg‑, Rothals‑, Schwarz‑ und Prachttaucher sowie Kormorane und Fischadler. Zu den Tierarten, die in ihrem Bestand gefährdet sind, gehören der Fußuferläufer, der Steinschmätzer, das Braunkehlchen, die Beutelmeise, der Kiebitz, das Rebhuhn und der Fasan.

Schon in den dreißiger  Jahren, also noch während des Kiesabbaus, kamen die ersten Badegäste zum Schultheis‑Weiher. Später nahmen Angler die Ufer in Besitz. Tauchsportler trainierten im See. Segler und Windsurfer drängten sich auf dem Wasser. Auf dem Gelände wurde gezeltet, gelagert und Feuer angezündet. Es entwickelten sich chaotische Zustände. Die Erholungssuchenden kümmerten sich wenig um die Besonderheiten der Natur. Meist ohne es zu wissen, zertrampelten sie wertvolle Pflanzen und störten oder verdrängten selten gewordene Tiere. Sie hinterließen Abfall und Müll. Und mancher entsorgte hier sogar sein Auto oder seine Couchgarnitur.

Der Umlandverband Frankfurt und die Stadt Offenbach am Main haben sich deshalb ab 1981 der Gestaltung und Herrichtung des Bürgel/  Rumpenheimer Mainbogen angenommen und ihn unter Wahrung seiner Funktionen für Klima, Natur‑ und Landschaftsschutz sowie der landwirtschaftlichen Nutzung zu einem relativ naturbelassenen Gebiet für die ruhige Erholung entwickelt.

Vor allem ging es dabei um die Reparatur eines Landschaftsschadens, die Rekultivierung des Sees im Zentrum des Erholungsgebiets. Der Kiesabbau hatte rechteckige, sich an dem Zuschnitt der Grundstücke orientierende Wasserflächen hinterlassen, mit steilen Ufern und kahlen Böschungen. Diese wurden wieder harmonisch in die Landschaft eingegliedert. Dazu waren Geländemodellierungen und gezielte Initialpflanzungen erforderlich. Die Maßnahmen wurden in einem bundesweiten Ideen‑ und Realisierungswettbewerb entwickelt.

Die Bauarbeiten begannen im September 1983. Insgesamt wurden 125.000 Kubikmeter Erde bewegt, 180.000 Bäume und Sträucher sowie 11.000 Wasserpflanzen gepflanzt. Im Sommer 1984 war der Sandstrand schon soweit hergerichtet, daß hier wieder gebadet werden konnte. Im Jahre 1985 stand dann auch die Badeterrasse bereit. Man hatte die Kaimauer, auf der früher der Ladekran lief, dazu umgebaut. Die Arbeiten an der Ufer‑ und Geländemodellierung an der südlichen Seeseite dauerten noch bis Frühjahr 1986. Im Sommer 1987 konnte dann der Badebetrieb offiziell beginnen, nachdem Sanitäranlagen errichtet und Informations‑ und Hinweistafeln aufgestellt waren.

Im Norden wurde etwa die Hälfte des Gebietes als Bereich abgegrenzt, in dem sich die Natur ungestört entwickeln kann. Er ist an Land durch Zäune und im See durch eine Bojenkette von dem übrigen Gelände getrennt und darf von den Besuchern nicht betreten werden.

Durch seine Lage im Kernbereich des Ballungsraumes zwischen den Städten Frankfurt am Main und Offenbach am Main ist der Bürgel / Rumpenheimer Mainbogen mit seinem 115.000 Quadratmeter großen Badesee zu einem beliebten naturnahen Freizeitgebiet geworden. Das Baden ist nur vom 1. Mai bis zum 15. September gestattet. Surfen und Segeln konnten nicht erlaubt werden. Sandstrand und Liegewiese wurden so angelegt, daß die abgeflachten Ufer einen bequemen Zugang zum See gestatten und auch Kinder und Nichtschwimmer sich ins Wasser wagen können. Die alte Kaimauer der Kranbahn wurde zu einer attraktiven Badeterrasse umgebaut. Von hier aus hat man einen schönen Ausblick über die Landschaft und den See. Umkleidekabinen und Kiosk sucht man deshalb hier vergebens. Duschen und Toiletten sind aber selbstverständlich vorhanden.  Ein etwa zweieinhallb Kilometer langer Rundweg führt um den See, mal direkt am Seeufer entlang, dann durch Felder und Wiesen. Vom Hoch­wasserdamm hat man Einblick in das Naturschutzgebiet und eine schöne Aussicht über das weitläufige Mainvorland.

Fest angestellte Aufsichtskräfte und freiwillige Helfer von Vereinen und Verbänden helfen den Erholungssuchenden, diese „Spielregeln“ zu beachten. Zwar können Verstöße mit einem Bußgeld geahndet werden, doch ist dies in der Regel nicht erforderlich. Fast immer reichen Hinweise der Aufsicht aus.

 

Jüdischer Friedhof:

Auf dem jüdischen Friedhof in Bürgel wurden bereits im 17. Jahrhundert die Toten der jüdischen Gemeinden Bürgel, Offenbach und Mühlheim am Main beigesetzt. Der Friedhof wurde 1821 und 1842 erweitert und mit einer Mauer umgeben, die mit Hilfe einer Spende von Dr. Elsaß aus Kopenhagen, dessen Eltern aus Bürgel stammten, finanziert werden konnte. Der älteste Teil des Friedhofes wird der östliche Teil sein, in dem keine Grabsteine mehr erhalten sind. Von 1840 bis 1874 fanden etwa 130 Beerdigungen statt. Auch nach der Eingemeindung Bürgels nach Offenbach wurde der Friedhof weiterhin benutzt (mindestens bis 1938). Während des Zweiten Weltkrieges befand sich auf dem Friedhofsgelände eine Flakstellung. Möglicherweise wurden dadurch die älteren Gräber zerstört. Die Friedhofsfläche umfaßt 26,59 Ar.

 

Bürgel:

In der Bürgerstraße  (vom Main ausgehend östlich des Damms) befindet sich die Synagoge.  In Bürgel bestand bis 1938 / 1940 eine zeitweise große jüdische Gemeinde. Erstmals werden Ende des 16. Jahrhunderts Juden am Ort genannt: In Bonn und Friedberg wird ein Rabbi Moses von Bürgel (R. Mose ben Jisai oder Josef Bürgel) genannt. Er soll 1575 in Bürgel geboren sein und nach 20-jährigem Wirken in Friedberg am 5. Oktober 1643 gestorben ist. Im Jahre 1603 wird die Bürgeler jüdische Gemeinde in einer Liste der damals erhobenen „Türkensteuer“ erstmals erwähnt. 

Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Zahl der jüdischen Familien am Ort zu (Mitte des 17. Jahrhunderts 10 Familien). Mitte des 18. Jahrhunderts gab es etwa 25 jüdische Familien am Ort.  Um 1800 waren es etwa 40 jüdische Familien und 1905 gab es 149 jüdische Einwohner. Zur jüdischen Gemeinde in Bürgel gehörten auch die in Mühlheim und Dietesheim lebenden jüdischen Familien. Ab 1887 bildeten diese eine eigene Gemeinde mit Sitz in Mühlheim.

Im Jahre 1933 lebten noch etwa 60 jüdische Personen in Bürgel in etwa 15 Familien. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 haben weitere jüdische Personen den Ort verlassen. Im Jahr 1939 wurden noch 27 jüdische Einwohner gezählt. Im Jahre  1942 wurden drei jüdische Bewohner in das Ghetto Theresienstadt deportiert, neun weitere Personen in die Vernichtungslager nach Polen.

 An Einrichtungen bestanden eine Synagoge, eine jüdische Schule, ein rituelles Bad (1781 genannt) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorsänger und Schochet tätig war. Im Jahre 1837 wird als Lehrer in Bürgel Elias Birkenstein genannt (zuvor Lehrer in Battenberg und Battenfeld). In den Jahren vor 1895 war ein Lehrer Feuchtwanger am Ort. Letzter Lehrer der Gemeinde war von 1895 bis 1923 Abraham Weinberg. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Offenbach am Main. 

Zur Geschichte der Synagoge: Zunächst war ein Betraum vorhanden, der sich in einer Stube im „Falltor“ (einem Torturm) der Ortsbefestigung befand (am östlichen Ende der Bürgerstraße).  Im Jahre 1824 wurde eine Synagoge in der Bürgerstraße (frühere Borngasse) erbaut und eingeweiht. Im Jahre 1856 wurde das Gebäude renoviert. Auch nach der Eingemeindung Bürgels nach Offenbach fanden in der Bürgeler Synagoge Gottesdienste statt. Im Jahre 1924 konnte das 100-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert werden. Die Synagoge hatte zuletzt 66 Plätze für Männer und 38 für Frauen. 

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Das Gebäude wurde im Jahr 1939 zwangsweise verkauft. Den Kaufvertrag unterzeichneten der Kaufmann Leo Grünebaum und der Metzgermeister Salomon Reiß. Im Jahre 1943 wurde das Synagogen­gebäude durch eine Luftmine schwer beschädigt. Nach 1945 wurde das Gebäude zu einem privaten Wohn­haus umgebaut. 

Ursprünglich aus der Synagoge der Gemeinde stammt eine 1767 von dem damals in Bürgel lebenden jüdischen Ehepaar Leiser und Breinle Wimpfe der Gemeinde gestiftete Menora (sieben­armiger Leuchter). Sie ist aus Kupfer hergestellt und sehr kunstvoll gearbeitet. Im Jahre 1913 wurde sie von Dr. Siegfried Guggenheim (Offenbach, später Flushing, New York) erworben und in Amerika dem Jewish Museum in New York zur Verfügung gestellt. Dort erwarb sie David Ben Gurion, als er anläßlich seines Staatsbesuches in den USA ein geeignetes Geschenk für Präsident Truman suchte und ihm die Menorah am 8. Mai 1951 überreichte. Auch Präsident George W. Bush wurde bei einem Empfang zum Chanukka - Fest im Dezember 2008 die Menora aus Bürgel präsentiert und die erste Kerze wurde durch Professor Yariv Ben - Eliezer, einen Enkel von David Ben Gurion, entzündet. 

Unter den jüdischen Vereinen der Gemeinde ist neben den Wohltätigkeitsvereinen vor allem der jüdische Gesangverein „Concordia“ zu nennen. Er wurde 1866 zunächst als Synagogen­chor­verein gegründet, um „den Gottesdienst in der Synagoge zu heben“. Später nahm der Chor mit weltlichem Gesang auch an Sängerfesten teil (Fahnenweihe 1868).

Aus Bürgel stammte der Kantor Isaac Eberst (auch Juda Eberscht genannt; Vorfahren aus der Rhön oder aus Eberstadt). Er wurde 1779 hier geboren und heiratete ein Mädchen aus der Bürgeler jüdischen Familie Schlesinger. Ebersht nahm später den Namen „Offenbach“ an. Sein Sohn Jacques Offenbach wurde 1819 in Köln geboren und wurde ein berühmter Operetten­komponist. Dieser war der Vetter der damaligen Inhaber des Café Schlesinger (Ecke Schifferstraße / Mainstraße). Das Gebäude stand bis nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Spezialität des Cafés war das sogenannte „Judenplätzchen“, ein Gebäck mit Mohn in Untertassengröße. Letzter Inhaber war der Schwiegersohn Schlesingers mit Namen Reinwald.

 

Carl-von-Weinberg-Steg:

Nach Fechenheim führt der Carl-von-Weinberg Steg. Die jüdischen Brüder Carl und Arthur führten lange das Chemiewerk Cassella, Ernährer des halben Frankfurter Ostens. Ihren Reichtum setzten sie - wie viele ihrer Zeit - auch großzügig für Wohltaten ein. Das schützte den Mitbegründer der Frankfurter Universität, Arthur von Weinberg, nicht vor der Nazi - Verfolgung. Er erlag einer Krankheit in der Haft.

Arthur von Weinberg wurde geboren am 17. August 7860 in Frankfurt. Er studiert Chemie, Physik, Mathematik und Altphilologie in Straßburg und München und promoviert 1882. Ein Jahr später wird Arthur von Weinberg Teilhaber und technischer Leiter der Firma Cassella. Im Jahre 1908 läßt er die Villa Buchenrode in Niederrad errichten. Sie wird 1944 zerstört. Im Ersten Weltkrieg ist von Weinberg Reserveoffizier. Aufgrund seines sozialen Engagements wird er zahlreich geehrt: Im Jahre 1927 bekommt er die silberne Plakette der Stadt Frankfurt, 130 wird er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. 1932 bekommt er die Goethe‑Medaille des Reichspräsidenten.

Nach 1933 ist Arthur von Weinberg auf Druck der Nationalsozialisten gezwungen, seine Wirt­schaftsämter niederzulegen. Im Jahre 1938 muß er seine Villa an die Stadt verkaufen. Er verläßt Frankfurt und zieht zu seiner Tochter noch Oberbayern. Anfang Juni 1942 wird er dort verhaftet. Im Alter von 81 Jahren wird er in das Durchgangs-­ und Konzentrationslager There­sienstadt verschleppt. 1943 im März stirbt er dort an den Folgen einer Operation.

(Eine Rundtour findet sich unter Maintal, Wanderwege).

 

 

Mühlheim am Main

Die Wurzeln unserer Stadt reichen weit zurück. Bereits die Jäger der Altsteinzeit hinterließen Spuren ihrer Kultur in Dietesheim und Lämmerspiel. Gefunden wurden u.a. Abschlagstücke aus Chalzedon aus der Zeit um 50.000 vCh. Das 1985 eröffnete Stadtmuseum Mühlheim gehört dank seiner Konzeption, bei der das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz Pate stand, zu den modernsten Museen der Region. Auf rund 180 Quadratmeter Fläche zeigt es die Funde, die die 1966 von Günter Meyer gegründete vor- und frühgeschichtliche Arbeitsgruppe Mühlheim entdeckt und in ständigem Kontakt mit der Wissenschaft geborgen und restauriert hat. Die Funde umfassen einen Zeitraum von mehr als 50.000 Jahren - von der „Werkzeugfabrik“ der Neandertaler bis zum Römischen Imperium - mit Schwerpunkt Ältere und Jüngere Bronzezeit.

Die Radnadeln hielten einstmals das Gewand einer wohlhabenden Dame im Schulter- und Brustbereich zusammen. Die Herstellung dieses Bronzeschmucks, der am Stück gegossen wurde, setzt metallurgische Spezialkenntnisse und andere Berufszweige wie Metall-Bergbau, Metallhandel und Kohlenbrennerei voraus. Diese Schmuckstücke dürften zu ihrer Zeit so kostbar gewesen sein, daß sich nur wenige ein solches Stück leisten konnten.

 

Die Jüngere Bronzezeit oder Urnenfelderkultur

Der Name stammt von der Sitte dieser Menschen, ihre Toten zu verbrennen und die Asche in teilweise sehr großen Tongefäßen auf regelrechten Friedhöfen beizusetzen. Die Produktion so großer Stücke setzte umfangreiches Fachwissen voraus. Daraus läßt sich auf berufliche Spezialisierungen und fortgeschrittene Arbeitsteilung in dieser Kultur schließen.

Wichtige Versorgungs- und Handelswege führten durch Mühlheim. Zu Zeiten der römischen Besatzung war das die römische Heerstraße von Frankfurt - Heddern­heim nach Steinheim und Seligenstadt. Vermutet wird, daß die fruchtbare Mainaue auf beiden Seiten der Rodaumündung von den Römern bis in das dritte Jahrhundert systematisch landwirtschaftlich genutzt wurde. Im Mittelalter verlief eine der großen Kauffahrtstraßen von Augsburg und Nürnberg in die Messestadt Frankfurt über Mühlheim.

Doch erst die Mühlen machten die Stadt zu einer florierenden Ansiedlung. Am Höhepunkt dieser Entwicklung gab es zehn Mühlen an Rodau und Bieber. Die Brückenmühle - die einzige noch funktionierende Mühle der Stadt - liegt unmittelbar südlich der Rodaubrücke. Schon in den Kirchenbüchern des 18. Jahrhunderts heißt sie „molendinum supra pontem“ - die Mühle oberhalb der Brücke. Der mündlichen Überlieferung nach wurde sie um 1545 erbaut, doch erfolgte ihre früheste urkundliche Erwähnung erst 1576 als „des Schultheißen Mühl“. Mit „zwei Maltern drei Simmern Korn“ war die Brückenmühle abgabenpflichtig an die Kellerei Steinheim und damit dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz. Indirekt genannt wurde sie schon 1551 in einem speziellen Verzeichnis, das zur Eintreibung einer Sondersteuer aufgestellt wurde, um ein Reichsheer gegen die von Südosten vordringenden Türken finanzieren zu können.

 

Geschichte:

Der Ort wurde als „Meielsheim“ im  Jahre 793 erstmals erwähnt, Mühlheim 815, Dietesheim 1013 und Lämmerspiel 1290. In der Konkursmasse eines Adelsgeschlechts fanden sich die Dörfer um Mühlheim im Jahr 1425 wieder. Die schlechte Ertragslage kleinerer Grundherrschaften zwang auch die Herren von Eppstein, Teile ihrer Besitzungen, so auch das gesamte Amt Steinheim mit Mühlheim, Dietesheim, Lämmerspiel und Meielsheim, an den kapitalkräftigeren Kurfürsten von Mainz zu verkaufen.

Meielsheim, bisher ein kleines Dorf südlich von Mühlheim, wurde ebenfalls in diesen Jahrzehnten Opfer der allgemeinen Agrardepression. Es verschwand von der Landkarte und seine Bewohner zogen nach Mühlheim. Meielsheim war sozusagen Mühlheims erste Eingemeindung und dies schon im 15. Jahrhundert.

Elendszeiten besonderer Härte standen für Mühlheim am Übergang von agrarischer Wirtschafts­weise zur industriellen Fertigung. Mit dem Auftakt der Napoleonischen Kriege wurde Mühlheim aus seinem ländlich barocken Schlaf gerissen. Verschärfte „Großherzoglich Hessische“ Steuern, Gemeindeverschuldung,  Überbevölkerung, Arbeitslosigkeit, Kleinstgewerbe bestimmten das Bild in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neue und weiter verbreitete Formen der Armut werden zum Alltag, begrenzte Auswanderung ist die Folge. Mühlheims Lage zwischen den großen Städten ermöglichte es aber, daß diese Entwicklung schneller als andernorts  abgefangen  werden konnte.

Gründerzeitlich explodierten die Nachbarstädte Offenbach und Hanau nach 1870 / 1871: Als unmittelbare Folge entwickelte sich in Mühlheim die Baumaterialförderung als auffälligster Wirtschaftszweig. Basaltförderung,  Zementsteinfabrikation, Kiesabbau und Ziegelei waren die Branchen, die sich durch Nachfrage der großen Städte ergaben. Damit war Mühlheim in der Lage, eine eigene wirtschaftliche Dynamik zu entwickeln, die Arbeitskräfte am Ort binden konnte. Nachgeordnete Dienstleistungen wie die Lohnwäscherei für Frankfurter Kunden blieben Nebenerscheinungen.

Auf dem Weg zur Stadt befand sich das noch immer dörflich geprägte Mühlheim, als es zum Standort großer Industriebetriebe wurde. Im Jahre 1880 eröffneten die Farbwerke A. Leonhardt die industrielle Phase Mühlheims, als deren Folge die Stadt zur überregionalen Arbeitsstätte und einem Ort mit wachsender Arbeiterbevölkerung wurde. Neben der chemischen Industrie: Farbwerk, Gummi-Werk, Kunstlederfabrikation und Gerbereien wurde es auch zum Standort der Metallindustrie.

Ein barsches Verwaltungsschriftstück aus nationalsozialistischer Feder machte 1939 die hessische Landgemeinde Mühlheim, durch unfreiwilligen Zusammenschluß mit Dietesheim, zur Stadt im Rechtssinne, nachdem die ökonomischen Voraussetzungen zur Verleihung der Stadtrechte bereits lange vorausgegangen  waren.  Mühlheim blieb damit selbständig und wurde nicht wie Bürgel, Rumpenheim und Bieber zu einem Stadtteil von Offenbach.

Von der günstigen geographischen Lage profitieren die Stadt und ihre Einwohner nach wie vor in beeindruckender Weise. So konnten in Mühlheim auch Zeiten mit besonderen Härten am Übergang von der agrarischen Wirtschaftsweise zur industriellen Fertigung schneller als andernorts abgefangen werden. Geradezu explosionsartig entwickelte sich die Wirtschaft in den  Jahren nach 1870 nach dem Bau der Eisenbahn 1871. Diese dynamische Wirtschaftsentwicklung setzte sich in Mühlheim nach dem Zweiten Weltkrieg fort und hält bis heute an.

Nach der Wirtschaftswunderzeit, die dem Zweiten Weltkrieg folgte, wandelte sich die Wirtschaftsstruktur Mühlheims erneut. Die großen industriellen Arbeitgeber, die noch wesentlich den  wirtschaftlichen   Aufschwung getragen hatten, gaben ihren Industriestandort Mühlheim in den siebziger Jahren auf (Stahl-Schanz, Dienes, „Poron“, „Pelzbude“, Basalt- und Kieswerke, Lederfabriken). Stattdessen wuchs eine breite Palette mittelständischer Betriebe. Die Sogwirkung von Offenbach, Frankfurt und Hanau blieb ebenfalls bestimmend, so daß der Anteil der Mühlheimer Bürger, die dort arbeiteten, wuchs. Die Stadt wurde 1977 als Folge der Gebietsreform um die Gemeinde Lämmerspiel erweitert.

 

Mühlenwanderweg Mühlheim:

Unmittelbar neben dem Rathaus der Rodaustadt steht der Müllerborsch. Der steinerne Geselle weist auf  längst vergangene Zeiten hin: Auf den Ursprung der Gemeinde Mühlheim am Main.

Die Ursprünge der Stadt am Main symbolisiert bis beute die letzte noch intakte Mühle: die Brückenmühle, deren beeindruckendes Mühlrad sich noch immer dreht. Die renovierte Mühle an der Rodau ist die letzte von einstmals zehn Mühlen, die an Main und Rodau klapperten und denen Mühlheim seinen Namen verdankt.

Der Name Mühlheim ist wie alle Orte auf „heim“ fränkischen Ursprungs und bedeutet etwa Ort der Mühle“. Die Urzelle des Ortes war ein einzige Mühle, die wahrscheinlich lange bevor mit der Lindenmühle 1352 die erste Mühle urkundlich erwähnt worden ist, an der Stelle der späteren Dorfmühle im Zentrum des Ortskerns stand. Später standen in der Gemarkung Mühlheim an der Rodau und  dem Bieberbach bis zu neun Mühlen. Jedoch klapperten diese neun Mühlen nicht zur gleichen Zeit. Sie wurden bei Bedarf gebaut, liefen einige Müllergenerationen und verfielen wieder.

Dabei war es überhaupt nicht einfach, eine Mühle zu bauen, denn das war im Hoch- und Spätmittelalter juristisch an den Besitz von Land gebunden. Nur Grundherren, also der Adel und der Klerus kamen als Erbauer In Frage. Es muß allerdings dazugesagt werden, daß die Grundherren auch die einzigen waren, die damals das erforderliche Kapital zum Bau und zur Unterhaltung einer Mühle aufbringen konnten.

Die Mühlen wurden zunächst gegen einen Pachtzins, der anfangs in Naturalien, später zunehmend in Geld entrichtet werden mußte, auf Zeit verpachtet. Der Müller konnten die Mühlen weder vererben noch verkaufen. Für die Instandhaltung waren die Grundherren verantwortlich

Dieses Pachtverhältnis änderte sich Mitte des 16. Jahrhunderts, als die Grundherren dazu übergingen, die Mühlen in Erbpacht zu vergeben. Nun konnten  die Müller die Mühlen tauschen, vererben oder veräußern, sofern die Obereigentümer - die weiterhin den Grund und Boden besaßen  - ihr Einverständnis gaben. Diese neuen Rechte der Müller waren jedoch mit der Pflicht verbunden, die Mühlen selbst instand zu halten und auch die Kosten hierfür zu übernehmen. Offenbar war letzteres den Grundbesitzern, deren Rechte sich nun auf die Einnahme der jährlichen Pachtabgaben und eine Entscheidungsbefugnis bei eventuell auftretenden Streitigkeiten beschränkte, zu teuer geworden.

Die Pflicht zur selbständigen Instandhaltung  war mit zwei neuen Anforderungen an das Müllerhandwerk verbunden.  Zum einen wurde es sinnvoll und möglich, längere Zeiträume in die wirtschaftliche Kalkulation  (Abschreibung von Investitionen, Vererbungsmöglichkeiten) mit einzubeziehen. Der Wechsel zur Erbpacht am Übergang des Spätmittelalters zur Renaissance machte den Müller vom abhängigen Pächter zum selbständig kalkulierenden Unternehmer. Zudem ist zur Instandhaltung einer Mühle ein erhebliches Maß an technischem Verstand und handwerklichem Können erforderlich. Auf die Müller dieser Zeit zurückblickend schreibt ein englischer Ingenieur 1861: „Das ganze mechanische Wissen des Landes fand in den Müllern seinen Mittelpunkt!“'

Die Pachtabgaben der Mühlheimer Mühlen waren am Ende des 16. Jahrhunderts im Vergleich zu anderen Gemeinden, die keine geistlichen  Herren hatten, gering. Aus diesem Grund dürfte diese Zeit die wirtschaftliche Hochphase der Mühlheimer Müller gewesen sein. Die Zeit der Blüte wurde durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen, in dessen Verlauf die meisten Mühlen zerstört wurden und die meisten Müller abwanderten, vertrieben oder getötet wurden, so daß sich um 1650 nur noch eine ehemalige Müllerfamilie im Kirchenbuch findet. Die Grundbesitzer waren froh, daß Zugewanderte die zerstörten Mühlen wieder aufbauten und der Pachtzins wieder auflebte. Die wirtschaftlich besten Zeiten aber waren Ende des 17. Jahrhunderts endgültig vorbei.

Neben der zunehmenden Konkurrenz um 1720 kamen zu den sieben vorhandenen Mühlen zwei weitere hinzu. Es war vor allem die Auflösung der klassischen Dreifelderwirtschaft im 18. Jahr­hundert, die zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Müller beitrug. Die Mühlen verloren  den Anschluß an die technische Entwicklung ihrer Zeit. Um 1890 arbeiteten die meisten von ihnen noch genauso wie im Mittelalter.

Die schon seit Ausgang des 18. Jahrhunderts unter großem Kapitaleinsatz in den Städten errichteten Dampfmühlen mit Walzenmahlwerk waren den alten Wassermühlen mit scheibenförmigen Mühlsteinen hinsichtlich Leistung, Kapazität, Produktivität, Qualität des gemahlenen Mehls, Unabhängigkeit des Standortes und Unabhängigkeit von natürlichen Einflüssen (Hoch-, Niedrigwasser) schon weit überlegen.

Als Ende des 19. Jahrhunderts diese Mühlen durch die noch moderneren Mühlen mit Benzin- oder Elektromotoren abgelöst wurden, hatte auch die letzte Stunde der Mühlheimer Mühlen endgültig geschlagen. Zwischen 1890 und 1910 wurde eine nach der anderen stillgelegt. Nur die Brückenmühle erfuhr durch den Einbau eines Walzenmahlwerks und einer halbautomatischen Siebanlage 1910 eine technische Modernisierung, die sie den Ersten und Zweiten Weltkrieg überdauern ließ.

Von den Gebäuden der ehemals vorhandenen Mühlen, die im Folgenden kurz beschrieben

werden, sind heute nur noch die der vier unteren Rodaumühlen zu sehen.

 

Mainmühle:

Die Mainmühle war die jüngste aller Mühlen, und die erste, die wieder aufgegeben wurde. Im Jahre 1717 erbaut, war die Mainmühle schon 1810 nicht mehr Im Mühlenverzeichnis enthalten. Möglicherweise ist sie einem der zahlreichen Hochwasser im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Wahrscheinlich ist aber, daß sie wegen ihrer ungünstigen Lage (wegen des Hochwasserrückstaus aus dem Main konnte fast den ganzen Winter nicht gemahlen werden) um 1780 aufgegeben und an den Unterlauf der Bieber verlegt wurde.

 

Kretzermühle:

Einen ersten urkundlichen Hinweis auf die Mühle findet man 1497. Man vermutet, daß sie ursprünglich nicht als Mahlmühle erbaut wurde, da sie im gesamten 18. Jahrhunderts in den Seligenstädter Klosterrechnungen als Schleifmühle geführt wird. Von 1638 bis 1842 war die Mühle im Besitz der Familie Zahn. Bereits 1719 war neben dem gewöhnlichen Mahlgang zum Kornmahlen auch eine Vorrichtung zum Schälen von Hirse vorhanden. Im Jahre 1842 ging die Mühle an Ferdinand Kretzer, dessen Bruder Paul die Mühleinrichtung zur Erzeugung von Farben benutzte. Im Jahre 1843 kam noch ein Ofen zum Branntweinbrennen hinzu, der aber zwischen 1879 und 1896 wieder aufgegeben wurde. Bereits 1907 war die Mühle außer Betrieb. Es war kein Mühlrad mehr vorhanden und der damalige Besitzer hatte sich eine kleine Wäscherei eingebaut. Danach diente die Mühle nur noch zu Wohnzwecken.

 

Lindenmühle:

Die Lindenmühle wird 1352 als erste Mühle von Mühlheim urkundlich erwähnt. Ab 1490 sind zahlreiche Pächter und Besitzer - meist Erbengemeinschaften - urkundlich belegt. Die Lindenmühle war 1867 die beste der Mühlheimer Mühlen, an die auch ein Bäckereibetrieb angegliedert war. Sie war mit zwei Wasserrädern, zwei Kanälen und Schleusen sowie einem Mühlbett mit zwei Gängen, Kammrädern und Kasten ausgestattet.

Aufgrund der allgemeinen technischen Fortentwicklung verlor sie ab 1876 immer mehr an Wert. Um 1890 wurde der Mühlenbetrieb eingestellt. Im Jahre 1920 war die Mühle Bestandteil einer Schlosserei, in der die Wasserkraft zum Eisensägen benutzt wurde. Im Jahre 1924 wurde sie wegen des Baus des Rodaudammes stillgelegt. Die Obergeschosse blieben weiterhin als Wohnräume erhalten, die alten Wirtschaftsräume wurden staatliches Materiallager. Im Jahre 1951 kam die Mühle wieder in Privathand und diente seither zu Wohn- und Gewerbezwecken. Die Stadt Mühlheim wurde 1986 Eigentümer und vergab das Anwesen 1988 in Erbpacht.

 

Dorfmühle:

Der Zeitpunkt ihrer Erbauung ist unbekannt, doch läßt ihre Lage im Dorfzentrum vermuten, daß sie wesentlich älter ist als ihre erste urkundliche Nennung 1490. Durch die ständigen Kriegszerstörungen und die großen Menschenverluste durch die Pest wurde von 1632 bis 1638 kein Getreide geerntet und die einzelnen Mühlen standen in hartem Konkurrenzkampf.  Dagegen war die Dorfmühle 1755 wiederum die einzige Mühle mit zwei Mahlgängen, was auf wirtschaftliche Erholung und einen hohen Beschäftigungsgrad hinweist. Ab 1881 erfolgte eine allmähliche Vergrößerung des Wohntraktes auf Kosten der Mühleneinrichtung. Im Jahre 1894 wurde die Mühle stillgelegt, später erfolgte der Umbau zum Wohnhaus.

 

Brückenmühle:

Die Mühle wurde 1576 erstmals urkundlich erwähnt als „des Schultheißen Mühl“. Mit „zwei Maltern drei Simmern Korn“ war die Brückenmühle abgabenpflichtig an die Kellerei Steinheim und damit dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz. Indirekt genannt wurde sie schon 1551 in einem speziellen Verzeichnis, das zur Eintreibung einer Sondersteuer aufgestellt wurde, um ein Reichsheer gegen die von Südosten vordringenden Türken finanzieren zu können.

Von 1687 bis 1855 befand sich die Mühle in Besitz der Familie Faller. Nach zwischenzeitlich wechselnden Inhabern wurde sie 1871 von der Familie Krebs erworben, die sie technisch modernisierte. So wurde eine eigene Anlage zum Trennen von Kleie vom Mehl und kurze Zeit später eine Vorrichtung, die das Getreide zwischen Metall - Walzengängen zerkleinerte und so einen wesentlichen höheren Feinheitsgrad des Mehls ermöglichte, eingebaut. Durch Elevatoren, die Vorläufer der heutigen Fließbänder, wurde das geschrotete Getreide transportiert. Die Kapazität dieser Anlage war um ein Mehrfaches höher als die der alten Steinmahlgänge, so daß auch das nächtliche Aufstehen entfiel, um Getreide in den Trichter nachzuschütten. Die Mahleinrichtung ist noch in mahlfähigem Zustand enthalten. Außerdem gibt es noch einen Quetschstuhl für Hafer und einen Schrotgang für Futtergetreide, die auch heute noch genutzt werden. Die Brückenmühle steht unter Denkmalschutz.

 

Straßenmühle (Reutersmühle):

Der Erbauungszeitpunkt der Mühle und die damaligen Obereigentümer sind unbekannt. Vermutet wird eine Zugehörigkeit zum Stift St. Peter in Mainz. Auf einer kurmainzischen Landkarte von 1550 ist sie als einzige Mühle draußen auf dem freien Feld dargestellt. Wechselnde Besitzer und Leerstände ließen die Mühle verfallen, bis sie 1713 von Hans Völper (Felbert) von der Deutschherrnmühle in Frankfurt wieder aufgebaut wurde.

Im Jahre 1755 befand sich abermals alles in baufälligem Zustand. In den folgenden 50 Jahren wurde sie wieder aufgebaut und um eine Ölmühle ergänzt. Die Reutermühle war die am höchsten besteuerte Mühle dieser Zeit, bei der jedoch im ausgehenden 19. Jahrhundert ein deutlicher Wertverfall zu beobachten war. Um 1900 war sie schon mehr eine Gastwirtschaft als ein Gewerbeunternehmen. Hinter der stark verfallenen Mühle lag ein Gärtchen, in dem sich alltäglich Mühlheimer Prominenz und auswärtige Gäste bei Handkäse und Bier trafen. Im Jahre 1907 war die Mühle außer Betrieb. Von den alten Mühlenbauten hat sich keine Spur erhalten. Sie befanden sich an der Stelle, an der heute die Gebäude der Schreinerei Noll stehen.

 

Hildebrandsmühle (Weißkopfmühle):

Die Mühle wurde 1576 mit dem Namen „Holzmühle“ zum ersten Mal urkundlich erwähnt und war der kurmainzischen Kellerei in Steinheim tributpflichtig. Im Jahre 1755 wurde das Anwesen beim Mühlenprotokoll als baufällig und die wirtschaftliche Lage als sehr schlecht angegeben. Den späteren Besitzer Peter Hillebrand fand man Anfang 1810 ertrunken unter dem Rodau-Eis, sein Erbe Martin Hillebrand starb 1830 als „Müller auf der Weißkopfmühle an Verstopfung“.

Nicht zuletzt wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse wechselten häufig die Mühlenbesitzer. Zwischen 1868 und 1896 investierte die Familie Schmidt viel in den Mühlenbetrieb, dennoch war ein Wertverfall unvermeidbar. Im Jahre 1896 wurde die gesamte Anlage von der Firma Eppstein aus Frankfurt - Niederrad aufgekauft und bis 1909 als Gerberei genutzt. Von der ursprünglichen Mühle ist heute nichts mehr vorhanden, lediglich der Straßenname „An der Hildebrandsmühle“ in dem heutigen Wohngebiet erinnert noch an sie.

 

Rickertsmühle (an der Bieber):

Im Jahre 1709 erbauten Christoph Kraus und seine Frau Appolina, geborene Würth, die Mühle, die auch Teufelsmühle genannt wurde und führten sie zusammen mit dem ebenfalls protestantischen Müllerehepaar Andreas und Sophie Bach. Als Lutheraner waren sie zu jener Zeit Außenseiter der Gesellschaft. Nach dem Tod der Witwe Kraus 1728 scheint die Mühle längere Zeit weder bewohnt noch in Betrieb gewesen zu sein, denn im Steinheimer Mühlenprotokoll von 1755 ist sie nicht aufgeführt. Im Jahre 1780 wurde eine neue Mühle errichtet, die bis 1838 im Besitz der Familie Rickert blieb. Im Jahre 1852 soll sie als Knochenmühle gedient haben, vielleicht wurde auch Leim hergestellt. Zwischen 1853 und 1856 brannte die Mühle ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Im August 1974 fand man bei Baggerarbeiten auf der Sohle des alten Biebermühlgrabens den  oberen Mühlstein aus dem Mahlwerk der Rickertsmühle mit der eingehauenen Jahreszahl 1582. Der ehemalige Standort der Mühle ist heute Bestandteil der Wohnsiedlung Markwald.

 

Seipelsmühle (an der Bieber):

Am 23. August  1574 erwarb Paulus Burkhardt die „Holzbrücker Mühle an der Bieber“, die 1576 im Salbuch des Amtes Steinheim die „Neue Mühl“ genannt wurde. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Mühle stark zerstört und lag noch fast 20 Jahre nach Kriegsende brach. Im Jahre 1755 wurde die Mühle beim Mühlenprotokoll als baufällig und die wirtschaftliche Lage als schlecht festgehalten. Im Jahre 1880 hatte sie sich wieder zu einem beachtlichen Anwesen mit zwei Mahlgängen und zwei Wasserrädern entwickelt. Wegen des großen Gefälles war die Mühle auch die einzige in Mühlheim, die einen oberschlächtigen Antrieb besaß (das Wasser lief von  oben auf das Mühlrad).

Im Jahr 1884 übernahmen die Brüder Seelmann aus Offenbach die Mühle und ersetzten die alten Mühlräder durch eine Turbine. In den folgenden Jahren erfolgte ein zunehmender Umbau der alten Mühlenanlagen in Fabrikbetriebe verschiedener Sparten. Nachdem eine Hutfabrik, eine Schleiferei und eine Stockfabrik bestanden hatten, errichtete die Firma Mayer und Sohn aus Offenbach 1905 eine Gerberei. Wegen der mit dem Ersten Weltkrieg verbundenen Rezession wurde die Gerberei jedoch aufgegeben und das Gelände verpachtet, zuletzt an die Poronwerke, die 1968 abbrannten. Heute stehen Wohnhäuser an der Stelle, wo die Seipelsmühle stand.

 

Lämmerspieler Mühle (bei der Kirche):

Nach den vorhandenen Urkunden besaß Lämmerspiel nur eine einzige Mühle, die neben der Kirche lag. Soweit bekannt, war die Mühle immer im Besitz des Klosters Seligenstadt und in Erbpachten den jeweiligen Müller verliehen. Im Jahre 1490 erfolgte die früheste urkundliche Erwähnung in einem Rechnungsbuch der Seligenstädter Abtei. Die Mühle ist jedoch mit Si­cherheit älter. Beim Mühlenprotokoll von 1755 wurde sie als reine Mahlmühle mit nur einem einzigen Mahlgang angegeben. Im Jahre 1884 kaufte Nikolaus Karg die Mühle.  Er war ein protestantischer „Mühlenarzt“, also einer, der bei Bedarf Mühleneinrichtungen reparierte. Um die Rentabilität des Betriebes zu erhöhen, wurde 1887 ein Bäckereibetrieb angegliedert und um 1900 nahm die Witwe von Nikolaus Karg noch einen Handel mit „Landesprodukten und denaturiertem Viehsalz“ auf. Das Anwesen wurde 1914 an die katholische Kirche in Lämmerspiel verkauft. Nachdem es eine Zeitlang als Lagerraum gedient hatte, wurde das Gelände später teils für die Erweiterung des Kirchengebäudes, teils zur Errichtung von Bauten wie zum Beispiel des Jugendzentrums der katholischen Pfarrgemeinde verwendet.

 

 

Rundgang durch Mühlheim:

Nach Überquerung des Mains kommt man über die Fährenstraße in die Ludwigstraße. Nach rechts biegt man dann ab in die Heinestraße. Man kommt über den Ludwigsplatz in die Uh­landstraße. Vor der Rodau fährt man nach links, über die Friedensstraße und links an der Post vorbei unter Eisenbahn und Lämmerspieler Straße hindurch.

Hier ist man schon auf dem ,,Mühlenwanderweg“. Mühlen sind das überkommene Wahrzeichen der Stadt. Schon der Name spricht für sich. An Rodau‑ und Bieberbach standen früher bis zu zehn Mühlen, die unter ihren adligen und klerikalen Grundherren über Jahrhunderte klapperten. Die Einführung der Kartoffel aber brachte die Mühlen in Bedrängnis. Als dann noch die Dampfmühlen hinzukamen, hatte für die Mühlen an der Rodau zwischen 1890 und 1919 die letzte Stunde geschlagen. An die meisten Mühlen erinnern lediglich Gedenksteine auf ihrem einstigen Standort, einige sind in Teilen ihrer Bausubstanz noch in Wohngebäuden erhalten.

Der befestigte Weg nimmt seinen Verlauf durch den lichten Wiesengrund. Vor den Hochhäusern fährt man erst bis zum Müllerweg, dann nach rechts über die Rodau und am anderen Ufer wieder ein Stück zurück bis zur Einmündung der Bieber und dann nach links in das Wiesental der Bieber.

Auch hier standen verschiedene Mühlen: Die Seipelsmühle ist erstmals 1574 erwähnt und stand an der Stelle der Wohnblocks. Auch die Rickertsmühle etwas weiter oberhalb ist heute Teil der Siedlung Markwald. Sie wurde 1709 erstmals erwähnt und 1780 neu gebaut; ein später  gefundener Mühlstein trug die Jahreszahl 1582.

Der Weg entlang der Bieber trifft dann auf die Ulmenstraße. Dort fährt man ein Stück nach rechts und dann wieder nach links auf der anderen Seite der Bieber weiter. Allerdings nicht sehr weit, denn der Weg geradeaus verläuft sich im Wiesengelände. Man biegt nach rechts ab und fährt durch den Wald bis zum Bieberer Weg. Dort geht es links weiter bis zur Kastanienallee. Diese fährt man ein Stück nach links weiter und biegt dann gleich wieder nach links ab. Dieser Weg führt wieder zur Bieber.

Vorher macht man aber noch einen Abstecher nach rechts zur „Käsmühl“. Den Namen gab der Volkswitz, nachdem der Besitzer Adam Ball im Jahre 1763 zwei vorbeiziehenden Handwerksburschen einen Handkäs als Almosen gegeben hatte und die sich auf ihrem Weg nach Bieber allenthalben über die „Käsmühl“ lustig gemacht hatten. Das Mühlrad dreht sich schon lange nicht mehr in der Bieber. Aber die Ausflugsgaststätte ist wieder geöffnet.

Wieder zurück an der Bieber kreuzt man diese und fährt auf dem linken Weg weiter, auf der Häuser - Weg - Schneise. Am zweiten Weg (Wegweiser Mühlheim) geht es auf geteertem Weg nach links in die Neue Schneise und die Forsthausschneise. Am Ortsrand rechts liegt der See­rosenweiher, links das Ausflugslokal „Zum Forsthaus“, Forsthausstraße 67, ein  gutbürgerlichen Ausflugslokals. Es ist eine Familiengaststätte in dritter Generation, begonnen 1928 im tiefsten Markwald  neben dem Forsthaus. Wer verreiste damals schon? Man ging im Wald spazieren, trank sein Schöppche und vesperte in der Heckenwirtschaft. Man hat die Qual der Wahl aus einer reichhaltigen Speisekarte. Zusätzlich gibt es unter der Woche einen preiswerten Mittagstisch. Ein Schlachtessen wird am Donnerstag angeboten. Freitags werden Haxen gegrillt. Täglich sind selbstgebackene Kuchen und Torten zu haben. Öffnungszeiten: ab 11 Uhr, Dienstag Ruhetag.

Auf der Forsthausschneise geht es weiter bis zum Müllerweg (der Wegweiser Mühlenwanderweg zeigt nach links, aber diese Strecke kann man sich sparen, weil man auf dem Hinweg ja schon an der Bieber die Hinweisschilder auf die Mühlen gelesen hat). Man fährt wieder über die Rodau und biegt wieder auf den Weg östlich des Baches ein, den man schon auf dem Hinweg benutzt hat.

Kurz vor dem Kinderspielplatz erinnert ein Schild an die Hildebrands- oder Weißkopfmühle von 1576. Nach Unterquerung der Eisenbahnlinie fährt man nun nach links über die Rodau und rechts weiter zur Friedensstraße, wo links ein Denkmal steht, das die Arbeit der Müllerburschen würdigt.

Jenseits der Friedensstraße geht es westlich der Rodau am Bürgerpark entlang.  Rechts sieht man die bekannte Gaststätte „Alte Wagnerei“. Bald kommt man auch zur „Brückenmühle“, der einzigen Mühle im heutigen Ortszentrum, die Urzelle des Ortes. Schon im Jahre 815 wurde sie im Zusammenhang mit dem Kloster Seligenstadt erwähnt. Durch den Einbau eines Walzwerks konnte die Mühle überdauern. Antonie Krebs, letzte Müllerin der Stadt, hat das Mühlrad von Fachleuten aus dem Erzgebirge nachbauen lassen. Im Gebäude sind alle technischen Stufen der Müllerei erhalten, vom „altdeutschen Mahlgang“ bis zum elektrischen „Walzstuhl“. Bis in die sechziger Jahre blieb das (elektrisch) betriebene Mahlwerk intakt. Das Wasserrad mit frisch erneuerten Holzschaufeln. ist das einzige erhaltene im Kreis Offenbach. Seit 30 Jahren liegt auch diese Mühle brach. Sie ist aber die letzte noch funktionierende Mühle. Doch nur am „Mühlentag“ zu Pfingsten wird zu Schauzwecken Korn gemahlen, aber täglich (außer bei Frost) das Mühlrad in Bewegung gesetzt. An der Mühle geht es etwas nach rechts und dann wieder links durch die Bahnhofstraße. Ab der Dietesheimer Straße geht es nach links zum Museum an der Einmündung der Marktstraße.

 

Museum:

An der Einmündung der Marktstraße in die Dietesheimer Straße steht das Alte Rathaus am Markt. Es wurde 1786 als Gasthaus „Zum Goldenen Engel“ erstellt, aber  zu Schule und Rathaus umfunktioniert. Nach grundlegenden Umbauten wurde es zum Museum für kunst- und kulturgeschichtliche Ausgrabungsstücke aus dem Mühlheimer Raum, einem der wichtigsten spätpaläolithischen Fundstätten Mitteleuropas. Das Mühlenmuseum wurde allerdings nach kurzem Dasein eingemottet.

Seitdem ein Mainfischer 1909 unverhofft ein schwarzes Steinbeil an Land zog, war der Ehrgeiz kundiger Heimatforscher geweckt. Auf weitere mehr oder weniger zufällige Funde folgten mit Beginn der sechziger Jahre systematische Grabungen. Die schon in den zwanziger Jahren geborgenen Steinreste von Faustkeilzurichtungen werden auf etwa 40 000 vCh datiert. Diese Artefakte stehen im Mittelpunkt der auch didaktisch und pädagogisch sehr gut gestalteten vorgeschichtlichen Abteilung im Stadtmuseum. Funktion und Zuordnung von Faustkeilen, Schabern, Schlagwerkzeugen oder Speerspitzen werden ausführlich erläutert.

Große Bildtafeln veranschaulichen den Lebensstil der prähistorischen Kulturen, Pläne und Karten lokalisieren die Fundstellen, Tafeln ermöglichen die zeitliche Einordnung. An die große Auswahl von Werkzeugteilen aus der sogenannten Federmesserkultur reihen sich Funde aus der Jungsteinzeit, der Bronze- und Eisenzeit. Stein-, Baum-. Kisten-, Hocker- und Urnengräber werden in Illustrationen und durch ihre Grabbeigaben dargestellt – ausgezeichnet gelungen in einem gläsernen Schneewittchensarg.

Nicht zufällig rasteten die Jäger und Sammler im Mühlheimer Raum oder wurden, wie die sogenannten Bandkeramiker, ganz seßhaft. Hier fanden sie das begehrte Chalzedon­gestein, das sich gut bearbeiten läßt und messerscharf ist. Viele der steinzeitlichen Funde wurden um die höchste Erhebung der Gemarkung, den 130 Meter hohen Gailenberg, gemacht, der sich als Beobachtungsposten oder zum Fischfang eignete. Der Main war damals nicht nur ungleich breiter, sein Bett lag auch 30 Meter höher.

 

Kirche Sankt Markus:

In der Schenkungsurkunde Kaiser Ludwigs an seinen Verwalter und Biographen Einhard aus dem Jahre 815 wird noch nicht von einer Kirche in Mühlheim gesprochen. Die erste steinerne Kirche stammt wohl aus dem Jahre 1239, erwähnt wird sie 1356, von ihr steht noch der Turm. Die heutige Kirche wurde  1876 erbaut und durch einen modernen Bau erweitert. Sie hat zwei Nebenkapellen und noch einige alte Schnitzfiguren. Das Äußere wie das Innere der Kirche wurden mehrfach verändert, zuletzt 2001, um sie den Platzbedürfnissen der Gemeinde und liturgischen Verhältnissen anzupassen.

 

Abtshof:

Nur wenige Schritte von der St. Markuskirche entfernt stehen westlich in der Pfarrgasse Nr. 10 und 12 zwei sorgfältig renovierte Fachwerkhäuser, die zum ältesten Baubestand der Stadt gehören, heute Gasthaus „Alt Mühlheim“. Die beiden Gebäude gehörten der Benediktinerabtei Seligenstadt und bildeten den sogenannten Fron- oder Abtshof, mitunter auch Klosterhof genannt. Von diesem Hof aus kontrollierten die Hofschultheißen jahrhundertelang die Bewirtschaftung der klösterlichen Ländereien in Mühlheim und der näheren Umgebung. An dem kleinen Haus mit den vorgestellten Säulen an der Ostseite des Platzes ist eine Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus und an die frühere Synagoge in der Friedrichstraße (Verlängerung der Marktstraße nach Süden).

 

Mühlenwanderweg:

Man geht wieder rechts an der Kirche vorbei und links an der Rodau auf dem Mühlenwanderweg weiter. Dort stehen Hinweistafeln auf die Dorfmühle (1490), die Lindenmühle (1352)

(das Untergeschoß in Bruchstein, darüber Fachwerk, die einzige erhaltene Mühle neben der Brückenmühle), die Kretzermühle (die nur noch als Skizze vorhanden ist, aber sehr idyllisch gewesen sein muß) und am Ende des hohen Dammes die Mainmühle von 1717, die wahrscheinlich von Hochwassern weggespült wurde und 1780 an den Unterlauf der Bieber verlegt wurde. Über den Mainuferweg geht es wieder nach rechts zur Fähre.

Man kann diesen Rundgang auch erweitern: Am Anfang durch einen Besuch der Steinbrüche und am Ende durch einen Besuch Rumpenheims.

 

 

Dietesheim:

Der Ort  verfügte über kein Fließwasser, das eine Mühle hätte treiben können. Daher verlegten sich die Dietesheimer auf die Mainfischerei neben der allgemeinen dörflichen Feldwirtschaft. Die Mainfischerei war ein Spezialgewerbe, das seit dem Mittelalter als Zunft organisiert ist.

Die Dietesheimer, liebevoll auch „Basaltköpp“ genannt, haben ihre Eingemeindung vom 1. April 1939 nie richtig verwunden und sind nach wie vor stolz auf ihre Eigenständigkeit, die sich bis zum Jahr 1013 zurückverfolgen läßt. Damals wurde der Name Dietesheim zum ersten Mal urkundlich erwähnt, als Heinrich II. seinen Besitz in Dietesheim mit dem Kloster Lorsch tauschte. Die Pfarrkirche St. Sebastian ist in der Kirchstraße im Westen des Ortes (mit dem schlanken Turm). Älter ist die Kirche in der Untermainstraße mit der geschwungenen Haube. Eine dritte Kirche ist die  St. Wendelinus-Kapelle am Alten Friedhof. Sie wurde 1450 erstmals urkundlich erwähnt. Sie wurde immer wieder restauriert und zuletzt 1987 neu geweiht. Die Kapelle ist aus Basaltstein gebaut, ihr Vorbau ist aus Holz. Im Inneren befindet sich heute eine Statue des HI. Wendelinus. Der früher im Innern aufgestellte „Anna - Selbdritt - Altar“ steht heute in der Dietesheimer Pfarrkirche St. Sebastian.

 

Lämmerspiel:

Der Name Lämmerspiel erschien erstmals in der Schenkung eines Johannes und seiner Verwandten Antonia aus Meielsheim an das Kloster Patershausen aus dem Jahr des Herrn 1289  Dem Kloster wurde eine Meielsheimer „curia“ (ein Bauernhof) übertragen. Für die Lämmerspieler Geschichte interessant ist die Namensliste der Zeugen, denn darunter war Johannes „decanus de Lymmirsburo“ (Dekan von Lämmerspiel). Johannes war nicht nur Pfarrer von Lämmerspiel, er war eine bedeutende Persönlichkeit in der Region, denn im zehnten Jahrhundert übertrugen die Bischöfe den sogenannten Archidiakonen räumlich begrenzte Zuständigkeitsbereiche, um eine wirksamere Ausübung der kirchlichen Gerichtsbarkeit zu erreichen. Zwischen den Archidiakonaten und den Pfarreien hatte man im Bistum Mainz noch eine weitere Instanz geschaffen, die Archipresbyteriate oder Landkapitel. An der Spitze eines solchen Landkapitels stand der „decanus“ oder „archipresbyter“.  Als weitere Schreibweisen des Ortsnamens sind unter anderem überliefert Limmersbure, Lymmersbuhl, Limmerspüell. Um etwa 1750 wurde Lämmerspiel gebräuchlich. Die weitverbreitete Ableitung von spielenden Lämmern hat also mit dem Ortsnamen nichts zu tun.

 

Im Mühlheimer Naturschutzgebiet „Mayengewann von Lämmerspiel“ östlich von Lämmerspiel konnte durch die sukzessive Rodung einer standortfremden Hybridpappelgruppe und die Entfernung von Pappel - Jungwuchs die wertvolle, orchideenreiche Flachland - Mäh wiese in ihrer Entwicklung gefördert werden.

Die Gesamtfläche des Wiesen- und Waldgebiets in Größe von sieben Hektar genießt inzwischen als FFH-Gebiet europäischen Schutzstatus. Auch die umgebenden, lediglich unter allgemeinem Landschaftsschutz stehenden Wiesen im Osten von Lämmerspiel sind dank ihrer überwiegend extensiven Mäh- und Weidenutzung sehr artenreich.

Der artenreiche Eichen - Ulmenwald ist umgeben von extensiv genutzten Flachland-Mäh­wiesen, nämlich Feuchtwiesen, Magerrasen und Großseggenbeständen. Hier gibt es seltene Pflanzengesellschaften trockener bis frischer bzw. wechselfeuchter Standorte. Hier finden sich traubige Trespe, Fuchs-Segge, Breitblättriges Knabenkraut, Gewöhnliche Natternzunge, Kleines Knabenkraut und Pfirsichblättriges Veilchen.

Die Naturschutzbehörde konnte mit engagierten Naturschützern vor Ort in einer erstmals in dieser Form im Kreis Offenbach praktizierten Umsiedlungsaktion die Teilpopulation einer seltenen Orchideenart vor der Zerstörung durch Baggertätigkeit gerettet werden. Die betroffenen Knabenkräuter wuchsen just inmitten des neuen Baugebietes an der Stauffenbergstraße, das sich inzwischen in der Erschließungsphase befindet.

Dazu kommt eine reichhaltige Insektenfauna mit seltenen Schmetterlingsarten, vor allem Ameisenbläulinge (Dunkler Wiesenknopf - Ameisenbläuling, Heller Wiesenknopf - Ameisen­bläu­ling). Seltene Tiere sind Springfrosch, Grasfrosch und Taufrosch sowie Neuntöter (Brutnachweis),  Rotmilan und Grauspecht als Nahrungsgast.  Die Pflegepläne sehen eine extensive Wiesennutzung vor, auch bei derzeitigen Brachflächen. Eichenwald und Obstbäume sollen erhalten bleiben, standortfremde Pappeln, Fichten und Kiefern entfernt werden.

 

Steinbrüche Dietesheim:

Wenn man über die Dörnigheimer Schleuse kommt, fährt man erst ein Stück in Richtung Steinheim und dann im Rechtsbogen zur Bundesstraße. Dort ein Stück links und an der Fußgängerampel über die Straße in Richtung Erholungsgebiet. Die Straße führt unter der Bahn hindurch. Danach geht es nach links zum Erholungsgebiet. Am Vereinsheim Concordia geht es rechts zur ehemaligen Lederfabrik. Man fährt aber links weiter Richtung Grüner See. Hinter dem Anglerheim geht es rechts weiter auf den Rabenlohweg. Dieser führt westlich am Vogelsbergsee vorbei. Am Ende geht es links weiter. An einer Sitzgruppe kann man noch ein Stück weiter fahren und dann rechts auf die Ulrich - Schneise, auch wenn der Weg am Anfang nicht sehr gut ist. Man kann aber auch an der Sitzgruppe wieder zurückfahren, entweder auf dem breiten Weg oder immer nahe am Ufer entlang (dann muß man allerdings an einer Stelle über eine Treppe steil bergan steigen). Ziel ist auf jeden Fall die Brücke über den Canyon.  Hinter dieser Brücke

geht es links ab und man kommt wieder auf den Rabenlohweg, auf dem man nach rechts abbiegt, damit man wieder zum Anglerheim kommt. Wenn man diese Rundfahrt andersherum machen will, muß man aufpassen, daß man auf dem Rabenlohweg hinter der „artificial family“ links auf den Spatzenweg abbiegt.

Vor 40.000 Jahren wohnten hier bereits Menschen in einer Siedlung, die als eine der ältesten in Hessen gilt. Geologisch betrachtet liegt das Erholungsgebiet in der Hanau ‑Seligenstädter Senke. Es wird angenommen, daß die Basaltdecke des „Maintrapp“ vor 13,5 Millionen Jahren ‑ im Miozän ‑ entstanden ist. Hier, wo eine nordsüdlich verlaufende Verwerfung auf das sich senkende Hanauer Becken stieß, konnte Lava in zwei Schüben bis zur Erdoberfläche empor dringen. Da­zwischen liegt eine lehmige, fettige Trennschicht mit Kohle - Einlagerungen. Die beiden Lavaströme und die Trennschicht sind heute noch sehr gut zu erkennen: Die untere Basaltschicht setzt sich aus sechseckigen Säulen zusammen, während die obere aus Platten besteht. Darüber befindet sich eine Schicht aus verwittertem Basalt und Flußschotter des Mains.

Seit 1830  wurde hier Basalt abgebaut, Pflaster‑ und Schottersteine handgeschlagen über Generationen. Im Jahre 1865 ließ die Familie Krebs erstmals Basalt mit der Hand abbauen und mit Loren zum Main transportieren. Der Name des Frankfurter Sees zeigt, daß neben Privatfirmen auch die Stadt Frankfurt sich in Dietesheim bediente.

Der Basaltabbau hat die Landschaft nachhaltig verändert. Wo früher große, ruhige Wälder waren, entstanden Steinbrüche mit zum Teil gefährlich steil abfallenden Wanden. Die Wunden, die dabei im Erdreich entstanden, waren winzig im Vergleich den riesigen Löchern der maschi­nellen Ausbeutung von 20 Jahren. Um 1900 begann die industrielle Nutzung der Steinbrüche. Das Grundwasser leitete man mit Pumpen in den Main. Man ließ auch Schotter industriell anfertigen. Nachdem die Verwendung von Pflastersteinen aber immer mehr zurückging, wurde der Steinbruch 1982 stillgelegt. Die jahrelangen Detonationen hatten die Häuser der Anrainer gefährlich erschüttert und waren letztlich der Grund zum Aufgeben der Steinbrüche, obgleich die Basaltvorkommen nach vierstufigen Vulkanausbrüchen vor fünfzehn Millionen  Jahren unerschöpflich scheinen.

Bis 1982 konnten die Besucher auf der Sohle der Steinbrüche durch die abenteuerliche Landschaft mit ihren steil aufragenden, zerklüfteten Felswänden spazieren gehen. Nach der Beendigung des Basaltabbaus wurde das Grundwasser nicht mehr abgepumpt und es entstand eine große Wasserflache. Diese wildromantische Seenlandschaft zog mehr und mehr Badegäste an. Sie drängten sich an den wenigen flachen Uferzonen. Im Winter kamen Jugendliche zum Schlittschuhlaufen. Nachdem die Steinbrüche voll Wasser liefen, nahmen Angler die Ufer in Besitz. Dies gilt auch für die beiden Kiesseen im Norden des Erholungsgebietes, den Han­steinweiher und den Neuen See mit ihren dichten Schilfgürteln entlang der flachen Ufer. Kletterer, Badende, Reiter und Spaziergänger beschädigten die Uferbereiche mit den seltenen Pflanzen, vernichteten die Anpflanzungen und verdrängten die Tiere, die hier neue Lebensräume gefunden hatten. Nach einem Ausflugstag blieben Müll und Unrat zurück, für den sich niemand verantwortlich fühlte. Einigen diente das Gebiet gar als Müllkippe: Sie entledigten sich ihres Autos im See oder luden ausgediente Möbel und Bauschutt ab.

Um die Ansprüche der Erholungsuchenden im Rhein - Main ‑ Ballungsraum mit den Schutzinteressen dieses einzigartigen Biotops in Einklang zu bringen, war eine ausgewogene Gestaltung des Gebietes notwendig. Zusammen mit der Stadt Mühlheim hat der Umlandverband Frankfurt anschließend das Areal innerhalb von elf Jahren zu einem Erholungsgebiet ausgebaut. Die etwa 61 Hektar vom Basaltabbau in Anspruch genommene Fläche wurde mit insgesamt 120.000 neuen Bäumen, überwiegend Eichen und Buchen, aufgeforstet. Schon von Dietesheim her lockt eine Allee die Spaziergänger in das Erholungsgebiet; dazu wurden 98 Ahornbäume gepflanzt. Fast 7.000 vorwiegend stachelige Sträucher wie Schlehen, Wildrosen und Brombeeren sollen allzu neugierige Besucher davon abhalten, den sensiblen Naturbereichen zu nahe zu treten. Das gesamte das Gelände  mißt 150 Hektar, davon 25 Hektar Wasserfläche.

Es entstand ein attraktives Ausflugsziel. Neben einem Bereich am Eingang wurde auf einer Waldlichtung eine große Grillanlage mit Spielplatz und Toilettengebäude errichtet. Auch viele Mühlheimer Vereine feiern hier gerne ihre größeren Feste. Im Eingangsbereich befinden sich auch die Parkplätze, so daß das übrige Erholungsgebiet nicht durch Autos beeinträchtigt wird. Am Grünen See ist ein Gartenlokal. Auch die Gelände von Kleintier‑ und Hundezuchtvereinen befinden sich hier. Fünf Angelseen, die von den örtlichen Vereinen genutzt werden, schließen sich daran an. Wegen der schmalen Uferbereiche und der gefährlichen Steilwände kann das Baden und das Bootfahren nicht gestattet werden. Auch das Angeln ist nur an den kleineren Seen im Norden und im Westen des Gebietes möglich.

 

Felswände, teilweise zehn bis zwanzig Meter hoch, ragen aus dem klaren Wasser auf. Säulenbasalt, antiken Säulentrommeln gleich, rahmen den Vogelsberger See ein. Von seiner Krone und der Aussichtsplattform über dem Oberwaldsee erfaßt das Auge die Mainniederung ebenso wie Altkönig und Feldberg.

Im Zentrum des Erholungsgebietes liegen die beiden großen  Basaltseen. Vom Eingangsbereich im Nordwesten führt der rund 2,5 Kilometer lange Rundweg die Besucher um den Vogels­berger See. Mit dem Bau dieses Pfades, der sich an vielen Stellen an der Bruchkante entlang schlängelt und schöne Ausblicke auf die Seen gewahrt, wurden Schutzhütten und Rastplätze errichtet. Nur einmal führt die Strecke hinunter und verläuft auf einem Steg über eine Feuchtwechselzone, in der sich allerhand Kleingetier tummelt. Am Canyon, der den Vogelsberger See vom Oberwaldsee trennt, wurde der Rundweg mit einer rund 30 Meter langen Stahl  - Brücke geschlossen.

Im Osten liegt der Oberwaldsee, der seiner natürlichen Entwicklung überlassen bleibt. Er wurde wegen seiner für die Region einmaligen Flora und Fauna 1989 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Um die Tierwelt hier nicht zu stören, führen die Wege abseits des Sees durch den Wald. Nur an zwei Aussichtspunkten können interessierte Besucher die Besonderheit des Gebietes erleben, einmal einen von steilen Felswänden begrenzten, völlig geschlossen erscheinenden See und an der anderen Steile sich weit hinziehende enge Wasserläufe, die sich zu kleineren Seen erweitern.

Fünf neue Feuchtbiotope wurden angelegt. An den Ufern wurden vier Flachwasserbereiche geschaffen und als Röhrichtzonen mit Rohrkolben, Schilf und Schwertlilien bepflanzt. Zwei ökologisch eher bedeutungslose Wiesen wurden durch Abgraben in Feuchtwechselzonen umgewandelt. Über eine dieser Zonen führt der Rundweg, damit der Besucher von einem Steg aus die einmalige Fauna und Flora erleben kann.

 

Die Natur versucht mit Macht aufzuholen, seit die letzten Sprengungen 1981 verstummt sind.

Aufgelassene Steinbrüche stellen einen einmaligen Lebensraum für Pflanzen und Tiere dar. Sogar an den nackten und steilen Basaltwänden mit wenig Verwitterungskrume setzt die Spontanvegetation ein. Dies gilt auch für die angrenzenden Steilhänge mit Trockenbereichen. Auf den Land - Wasser - Wechselzonen konnten sich Pflanzengesellschaften entwickeln, wie das gefährdete Sumpfweidenröschen, die Sumpfsternmiere, der Roßkümmel und die weiße Seerose.

Flora und Fauna fühlten sich in den aufgelassenen Brüchen wohl. In den Klüften und Höhlen der Seilwände richteten sich Turmfalken und Fledermäuse häuslich ein. In überschwemmten Böden schlugen Sumpfweidenröschen, Sumpfsternmiere, der Roßkümmel sowie die weiße Seerose Wurzeln. Bunte Eisvögel flattern umher. Die flachen Uferbereiche sind Laichgebiete für Fische und Lebensraum für seltene Libellen und Wasservögel. In den feuchten Mulden im angrenzenden Wald fanden bedrohte Froscharten, Kröten öder Molche Unterschlupf. Von den Ufern sind vier sogenannte Flachwasserbereiche mit Röhricht, Rohrkolben, Schilf und Schwertlilien zu bewundern. Käfer und Insekten, wie  der selten gewordene Sandlaufkäfer und die Grabwespe, bevorzugen trockene Sandböden.

Nach dem Ausbau schlossen Umlandverband und Kommune ein Vertrag zur Unterhaltung des Refugium: Seither zahlen die Partner jeweils jährlich 30.000 Euro, um das Natur‑ und Landschaftsschutzgebiet, das Besucher aus der gesamten Region anzieht, in Schuß zu halten. Die Trägerschaft muß jetzt allerdings neu geregelt werden: Folge des Ballungsraumgesetzes, das den Planungsverband nur noch bis Ende 2002 als Mitbetreiber der überörtlichen Freizeiteinrichtung vorsieht. Als Geschäftsstelle des Rates der Region sei es deshalb die Pflicht des Planungsverbandes, Vorschläge für eine künftige Trägerschaft zu unterbreiten.

Mühlheims Verwaltungschef Müller wäre bereit, auch allein die Trägerschaft für das Dietesheimer Naherholungsgebiet zu übernehmen. Ein Zweckverband erfordert doch einen hohen Verwaltungsaufwand. Seine Kollegen Seib (Obertshausen) und Müller (Hanau) präferieren dagegen eher die Integration in den Regionalpark. „Die Steinbrüche sind in der ganzen Region bekannt, da sollten sie auch in den Park eingegliedert und darüber finanziert werden“, sagt Seib.

 

Radtour: Mühlheim - Offenbach - Fechenheim - Rumpenheim – Mühlenwanderweg.

siehe Seite „Maintal, Wanderwege“.

 

Von Steinheim nach Großauheim

Die Wanderung führt nach Steinheim, Klein ‑ Auheim und Großauheim, Orte, die bis 1802 zum Kurstaat Mainz gehörten und in denen der katholi­sche Einfluß bis heute deutlich spürbar ist. Dieses linksmainische Gebiet ist im Zuge der Gebietsreform im Jahr 1974 an Hanau gefallen.

Am Steinheimer  Bahnhof unterquert man die stark befahrene Bundesstraße B 45 am besten mit Hilfe des S- Bahn ‑ Zugangs und wendet sich ansch­ließend nach links. Dem Mainuferweg folgt man stromaufwärts. Man passiert zuerst Klein ‑ Steinheim, das jahrhundertelang selbständig war und erst 1942 mit Groß ‑ Steinheim zwangswei­se zur Stadt Steinheim vereinigt wurde. Der Blick fällt auf die katholische St.‑ Nikolaus ‑ Kirche, jahrhundertelang auch Pfarrkir­che für die Großauheimer.

Groß ‑ Steinheim wird von dem Schloßbau dominiert. Ansch­ließend kann man einen Blick auf das Maintor werfen, durch das schon Dürer gezogen sein soll. Unter der Linde vor dem Tor tagte das Zehntgericht. Durch den Abriß der Illert ‑ Fabrik hatte man einen freien Blick auf die Stein­heimer Befestigungsanlagen, aber inzwischen  wurden  dort vier  große  Wohnhäuser errichtet.

Groß ‑ Steinheim verdankt einen Teil seiner Bedeutung dem Basaltfelsen, der im Main eine Furt nach Hanau geschaffen hat. Der Basaltuntergrund zwang den Main, vor dem Hindernis noch einen Bogen zu schlagen, der zu eng war, um die großen „Euro­paschiffe“, die im Schub­verbund bis 180 Meter lang sein kön­nen, passieren zu lassen: Also wurde ein Durchstich vorgenom­men, die alte Schleife bildet heute ein Biotop.

 

Um einen Blick auf Klein ‑ Auheim werfen zu können, setzt man   ab der Autobahnbrücke die Wanderung auf dem oberhalb des Mains gelegenen Hochwasserdamm fort. Das Erstaunliche an Klein ‑ Auheim ist, daß es zu den wenigen kleinen Orten zählt, die in diesem Jahrhundert einen Arbeitsplatzüberschuß aufwei­sen konnten. Neben vielen Kleinbetrieben ‑ hauptsächlich Dia­mantschleifereien ‑ lag das an drei Großbetrieben, die sich im Ort angesiedelt hatten: die Hessischen Gummiwerke, bekannt als „Gummi ‑ Peter“, an den Bauerwerken, in denen jährlich über 4.000 Fahrräder produziert wurden, und an der Druckerei Illert, die in Klein ‑ Auheim hauptsächlich Etiketten herstellte. Von dem Damm aus erkennt man, daß diese industrielle Blütezeit lang zurückliegt.

Der Damm wurde im Jahr 1882 errichtet, er war es, der den industriellen Aufschwung des Ortes erst möglich gemacht hat. Denn vor dem Dammbau war Klein ‑ Auheim regelmäßig von schweren Hochwasserkatastrophen heimgesucht. Dafür konnte man in trockenen Sommern nach Hanau zu Fuß den Fluß durchwaten.

Fast gleichzeitig mit dem Damm wurde die Eisenbahn von Hanau in Richtung Odenwald gebaut. Prominentester Fahrgast war der Großherzog, der einmal im Jahr mit der Odenwaldbahn von Darmstadt kam und dann mit der Kutsche vom Klein ‑ Auhei­mer Bahnhof zur Jagd in die Fasanerie gebracht wurde.

 

 

Südlich von Steinheim

Von der Steinheimer Mainbrücke fährt man etwa 1,8 km in Richtung Mühlheim. Rechts geht die Straße „Zur Römerbrücke“ ab. Sie führt zu der Stelle am Main, wo die Römer am Ende des 1. Jahrhunderts eine Holzbrücke über den Main gebaut. Heute ist dort die Gaststätte „Nizza“. Etwa 800 Meter weiter gegenüber dem Schloß Philippsruhe gab es eine Furt durch den Main.

Man biegt aber nach links vor einer weißen Kalksandsteinmauer ein an dem Schild „Offenbacher Straße 102 – 124“ und parkt dort. Man unterquert die Bahnlinie Hanau ‑ Frankfurt und gelangt an das westliche Ende der Steinheimer Pfaffenbrunnenstraße.

Eine Pestkapelle befindet sich neben dem Haus Pfaffenbrunnenstraße 131. Davor eine Pietà von 1709 mit sehr einfacher, aber ausdrucksstarker Darstellung.

Dort geht es links von der Trafostation an der Schranke hinein in den Wald. Links ist ein Teich, der aber relativ trocken liegen kann. Nach dem schmalen Weg kommt man auf die schnurgerade und gut hergerichtete Forstmeister­schneise.

Wo diese nach rechts abbiegt, kommt links der Weg von Möbel - Erbe her dazu. Man biegt aber nach rechts ab bis zu dem Wegweiser, der zu den Steinbrüchen bei Dietesheim weist. Dort gibt es nur einen Weg nach halblinks (nicht zwei, wie auf der Karte dargestellt). An der nächsten Kreuzung geht es links wieder zu Möbel- Erbe, geradeaus zu der Kleingartenanlage und zum Sportplatz.

 

Galgen:

Zwei runde Steinsäulen stehen noch rechts und links des Weges, etwa fünf Meter hoch aus Bruchsteinbasalt aufgemauert mit einem Durchmesser von 76 Zentimetern und über vier Meter vonein­ander getrennt. Die Säulen sind grün überzogen und von den Baumstämmen kaum zu unterscheiden. Die beiden Säulen waren bei Hinrichtungen durch einen Holzbalken ver­bunden. Bänke laden zum Picknick ein (?).

Der Galgen steht auf der höch­sten Stelle einer langgezogenen Sand­düne. Das Gebiet war früher nicht bewaldet, denn zur Abschreckung sollten Galgen schon von weitem zu sehen sein. Nach einer alten Gemar­kungs­­kar­te stand der Galgen schon 1579. Steinheim war bereits unter den Herren von Eppstein Sitz eines Hochgerichts. Es tagte unter der Gerichtslinde am Maintor und sprach auch Todesurteile aus. Neben anderen schweren Strafen, wie Ertränken und Rädern, war die Hinrichtung mit dem Strange am Hochgericht üblich.

Eine genaue Nachricht haben wir von einer Hinrichtung aus dem Jahre 1734, weil dazu ein neuer Querbalken angebracht wer­den mußte. Zur Zeit der Frankfurter Herbstmesse im Jahre 1732 hatte der vorbestrafte Wegedieb Clo­mann mit einem anderen Dieb mit Namen Lorenz und einer Mittäterin Margarete Will von dem Reisewagen des Handelsmannes Mändel aus Mannheim am Affentor kurz vor Frankfurt einen Koffer, der hinten auf den Wagen gebunden war, abgeschnitten und Geld und Kleider geraubt. Clomann und Margarete Will waren gefaßt worden. Beide saßen seit zwei Jahren in Haft, der Dieb im Verlies des Steinheimer Bergfrieds und die Diebin im Zentgefängnis des Rathauses.

Endlich kam nach zwei Jahren von den weltlichen Räten der Kurmainzer Regierung der Befehl, daß Clomann mit dem Strang hingerichtet, und der Galgen mit einem neuen Querbalken versehen werden sollte. Mit einer feierlichen Zeremonie wurden die Vor­bereitungen für das Anbringen des Balkens getroffen. Acht Tage vor der Hinrichtung zogen die Stein­heimer Zünfte, die Schiffer und Fischer, die Bäcker, die Metzger, die Häfner, die Leineweber und die Schäfer nach dem eine halbe Stunde entfernten Galgen. An der Spitze gingen20 Mann Miliz mit dem Zentgrafen, dem Amtsschreiber und den Schöffen.

Als die Zünfte sich auf der Erhöhung hinter dem Galgen aufgestellt hatten, trat der Zentgraf vor und gab mit einem Beil den ersten Schlag auf den neuen eichenen Galgenbalken im Namen des Kurfürsten von Mainz, den zweiten Schlag im Namen des Domkapitels und den dritten im Namen der kurfürstlichen Gerichtsräte. Dann folgten die zwölf Schöffen des Amts und der Zent Steinheim und führten den Beilhieb im Namen des Oberamtmanns, im Namen des Amtskellers und sämtlicher Schöffen. Nach diesen schlugen die Meister sämtlicher Zünfte den Balken an. Diese feierliche Handlung wurde auch mit einem Hammer in derselben Reihen­folge an den beiden steinernen Säulen vollzogen. Darauf zogen die Zünfte zu einem Umtrunk nach dem Stadtwirtshaus, während eigens dazu bestimmte Handwerksleute zurückblieben und den Holzbalken auf den beiden Steinsäulen befestigten.

Am 19. September 1734 fand die feierliche Verurteilung in dem Rat­haus auf dem Marktplatz statt. Sämtliche Zünfte aus dem Amte waren zu der feierlichen Gerichtsverhandlung entboten worden. Im unteren Raum des Rathauses saßen der Amtsschreiber und die Schöffen: Johann Hamann, Daniel Bauer und Henne Wagner von Obersteinheim, Peter Vollert von Niedersteinheim, Peter Spahn von Dietesheim, Jörg Vetter von Mühlheim, Marzellin Kaiser von Bieber, Endres Roth von Lämmer­spiel, Kaspar Sattler von Rembrücken, Philipp Ricker von Weißkirchen, Peter Wenzel von Hainstadt und Niklas Bauer von Klein ‑ Auheim. Die Zünfte hatten sich mit Fahnen und Abzeichen ihres Gewerbes vor dem Rathaus aufgestellt. Vor dem schwarz verhängten Richtertisch, auf dem ein Kruzifix stand und ein Stab lag, stand der Angeklagte Clomann.

Der Zentgraf eröffnete das Gericht und fragte den ältesten Schöffen, ob es Zeit, Ort und Recht sei, das Gericht zu hegen. Als die Frage bejaht war, verlas der Amtsschreiber folgende senten­tia (Urteil): „In der Inquisitions ‑ Sachen (Klagesache) contra Johann Adam Clomann und Mar­garetha Willin wird auff die an Churfürstlich ‑ Maintzische weltliche Herrn Räthe von allhiesigem Ambt nach und nach erstatteten Berichte und beyge­schlossen gewesene proto­colle von dannen anhero ergangenen Befehl von Zent­graffen und Schöpffen des hieselbstigen Chur­fürstlichen Land‑ und Zentgerichts hiemit zu recht erkandt, daß erwehnter Adam Clomann, weillenn er nach langem hartnäckigenn Leugnen endlich eingestanden hat, wie er in Anno 1732 wehrender damaliger Frankfurter Herbst ‑ Meß ‑ Zeit mit beyhillff eines sicheren fremden Purschens Nahmens Lorenz von Gießen, ohnweit Sachsenhausen vor dem soge­nannten Affentor, einen Coffre von einer von Darmstadt nacher Frankfurt ge­kommenen Chaise abgeschnitten und das darinn gefundene Geld ad 1137 Gulden nebst anderen Effecten und Kleidungen mit der coninquisitorischen (mitange­klagten) Margaretha Willin und berührten Lorenz getheilet habe. Daß diesem also sey, sich bey der von den Kauffmann Nahmens Mändel von Mannheim wegenn des in dem Coffre befindlich gewesenen bahren Geldes und effecten Übergebenenn und in Gegenwart der Inquisiten beschwohrenenn Specification geäußert hat. Anhebens dieser Clomann ohnangesehenenn der zum zweytenmahl ex capite funti vorher empfangenen Correktion und verrichteter Schantzenarbeit sich annoch in drey unterschiedlichen Diebstahlen sich betretten lassen, folglich als ein incorrigibler und habitualer Dieb sich die Todes ‑ Straff zugezogen hat, ihn zu wohlverdienter Straff, andern aber zum abscheuli­chenn Exempel mit dem Strang vom Leben zum Tode zu bringen. Groß ‑ Steinheim, den 18. Septembris 1734. Der Zentgraf: von Reuß. Die Schöffen“.

Die Schöffen und der Zentgraf hatten sich schon vor der Verlesung des Urteils erhoben. Nun ergriff der Zentgraf den Stab, der vor dem Kruzifix zwischen zwei brennenden Kerzen lag, zerbrach ihn, warf ihn dem Angeklagten vor die Füße und löschte die Kerzen aus.

Darauf wurde die Angeklagte Margaretha Will von dem Prangerstein vor dem Rathaus von dem Schergen gelöst und zu dem Angeklagten Clomann gebracht, denn „sie sollte eine halbe Stunde am Pranger stehen, darauf mit dem coninquisitorischen Adam Clomann, um die Todesstraff an ihm vollziehen zu sehen, an das hohe Gericht (den Galgen) hinausgeführt werden, diesem nach dreymahl umb selbigen mit Ruthen gestrichenn, und nach dessen Vorgang gebrandmarket, endlich der hohen Ertzstifftlichen (Mainzischen) Lande für ewig verwiesenn werden“. Die Angeklagte mußte jetzt einen Eid, die Urfehde, ablegen, nach dem sie ihre Strafe für gerecht ansah und sich dafür nie an der Landesherrschaft, an den Behörden, an den Schöffen oder an einem anderen Untertanen rächen und nie mehr die Mainzischen Lande betreten werde.

Vor dem Rathaus stellten sich die Zünfte auf. Der Scharfrichter und seine Schergen nahmen den Verurteilten in Empfang. Die Landmiliz be­gleitete die Verbrecher, die an Handschellen von dem Scharfrichter und seinen Gesellen geführt wurden. Dann folgten Zentgraf und Schöffen. Der Zug bewegte sich durch die Langgasse, an der Kirche vorbei, von deren Chortürm­chen das Armesünderglöckchen ertönte, durch das Obertor und Pfortenfeld auf dem Dietesheimer Weg nach dem Richtplatz. Dort starrten die beiden runden Säulen in die Höhe mit dem Querbalken, von dem ein Strick zur Erde herabhing. Pater Battoni, der Pfarrer von Stein­heim, betete kniend die Sterbegebete. Der Zentgraf gab das Zeichen, ein Trommelwirbel ertönte und der Scharfrichter waltete seines Amtes.

Nachdem der Verurteilte hochgezogen war, wurde seine Mitschuldige Margaretha Will in den Kreis um den Galgen geführt, der Rücken ent­blößt und von einem Schergen unter Rutenschlägen dreimal um den Galgen geführt. Dann wurde sie mit einem erhitzten Stempeleisen, welches das Kurmainzer Rad trug, gebrandmarkt. Während den Körper des gehängten Weg­diebs die letzten Zuckungen durchbebten, wurde die Gebrandmarkte vom Henker nach Steinheim an den Main geführt, wo sie übergesetzt und drüben am roten Stein auf Hanauer Gebiet freigelassen. Der Gehängte wurde auf dem Schindanger begraben. Jedes Zunft­mitglied erhielt im Stadtwirtshaus auf Kosten des Amtes Steinheim ein halbes Maß Wein und für einen Kreuzer Brot.

Vom Galgen fährt man weiter bis zu einem Querweg. Auf diesem geht man ein Stück links und dann gleich wieder rechts. So kommt man wieder auf die schnurgerade Forstmeisterschneise. Sie führt direkt an die westliche Seite des Silbersee“

 

Silbersee:

Der See ist ein ehemaliger Steinbruch aus der Zeit, als in diesem Gebiet Basalt gebrochen und zu Pflasterstei­nen verarbeitet wurde. Der See reicht (anders als auf der Karte dargestellt) bis an den Weg heran. Der alte eiserne Förder­turm ist nicht mehr zu sehen. Aber im Wald links steht ein Steinturm, der wohl auch mit dem Steinbruch zusammenhängt. Über den Parkplatz kommt man zur Straße Steinheim - Lämmerspiel. Etwas rechts - links versetzt geht es auf der anderen Seite. Links sieht man am Ende der Wiese das Schild des Naturschutzgebietes.

 

Rauhensee:

Um das breitblättrige Knabenkraut zu schützen, hat die Stadt Hanau nach lan­gen Verhandlungen eine 2000 Quadrat­meter große Wiese zwischen Steinheim und Lämmerspiel erworben. Die intensi­ve landwirtschaftliche Nutzung hat die Zierpflanze äußert rar werden lassen, auch wenn sie auch sonst noch in der Umgebung zu finden ist. Denn die Orchidee ge­deiht nur auf Feuchtwiesen, die erst spät im Jahr gemäht und nicht mit Kunstdün­ger behandelt werden dürfen. Entspre­chend wird das Areal an einen extensiv wirtschaftenden Landwirt verpachtet und

 (Rauhensee und Amerikafeld, siehe: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 88 - 90).

Auf einem geteerten Weg geht es weiter zum Häuser Weg. Diesen erreicht man an der Anlage des Geflügelzuchtvereins Steinheim - Nord. Im spitzen Winkel geht es nach rechts auf dem Häuser Weg wieder in den Wald. Der Weg knickt etwas nach links ab und geht bis zum Fried­hof in Hausen. Dort biegt man im rechten Winkel nach links ab (nicht geradeaus).

Wo die lange Schneise kurz vor der Bundesstraße 45 endet und links der Radweg R 4 abbiegt geht es im spitzen Winkel nach rechts auf dem Alten Weiskircher Weg bis zur Gaststätte „Kreuzung“.

 

„Kreuzung“.

Um das Jahr 1900 herum übernahm die Familie Bayer das ehemalige Straßenwärterhäuschen, das damals direkt am Knotenpunkt der Straßen Seligenstadt ‑ Offen­bach und Hanau ‑ Dieburg lag. Die Zeiten, in denen es hier „Fernfahrerfrühstück“ gab, sind lang vorbei. Als die jetzt durch ein Brückenbauwerk abgelöste Tannenmühl ‑ Kreisellandschaft an der B 45 errichtet wurde, war es aus mit der zentralen Lage an der „Kreuzung“, später ging die direkte Zufahrt durch den Ausbau der B 448 verloren.

Über die Bundesstraße geht es zur Gaststätte „Tannenmühle“.  Die Traditionsgaststätte bietet ihren Gästen Hausmannskost zu günstigen Preisen. Stammgäste schwören auf die Hähn­chen, die frisch zubereitet werden, damit sie immer schön knu­sprig sind. Die Attraktion sind die vielen Tiere, die die Familie Germain hält. In zehn Volieren kann man Vögel und Sittiche beobachten, Gänse und Enten wuseln mit ihren gelbflauschi­gen Jungen frei im Biergarten herum.

Im spitzen Winkel fährt man zurück zur Bundesstraße und an dieser entlang unter dem ersten Kreisel hindurch und ein Stück neben der Landstraße nach Hainstadt her. Wo der Radweg endet, geht es nach rechts und dann wieder nach links auf die „Frankfurter Schneise“. Diese heißt im östlichenTeil „Leintrittschneise“. Wo diese endet, geht es links weiter und dann wieder rechts.

Man quert eine Wiese mit zwei Bachläufen, ein Naturschutzgebiet. Der Weg biegt nach links. Zwei Informationstafeln am Weg erläutern den Verlauf der früheren Mainarme. Man fährt dann rechts und kommt auf den Triebweg. Auf diesem fährt man weiter bis zu einer Wegspinne. Geradeaus geht es zur Gaststätte „Tannenhof“ (wie bei jedem Wallfahrtsort ist die Gaststätte nicht weit).

 

Liebfrauenheide:

Zur Liebfrauenheide geht es halbrechts ab zur Wallfahrtskirche mit dem Brunnen. Obwohl seit 1802 „weltliche“ Herren das Sagen haben, ist der katholische Einfluß in dem ehemals main­zi­schen Gebiet um Klein ‑ Krotzenburg unverkennbar. Ausdruck dieser religiösen Verwurzelung ist bis heute die Liebfrauenheide. Die kleine Wallfahrtskapelle, mitten im Klein  ‑  Krotzenburger Wald, war und ist an Wallfahrtstagen Ziel zahlreicher Pilger: Dreifaltigkeitssonntag nach Pfing­sten, Sonntag nach Mariä Heimsuchung (2. Juli) und Sonntag nach dem „Tag der Sieben Schmerzen Marias“ (15.September).

Die Kapelle steht inmitten eines Waldes an der Stelle, an der nach dem Dreißigjährigen Krieg ein Schäfer ein Marienbild in der Höhle eines Eichbaumes gefunden haben soll.  Ein aus Holz geschnitztes, farbig gefasstes Gnadenbild aus der Zeit um 1620 ist das Ziel der Wallfahrer, die zur Liebfrauenheide pilgern. Das Original wird in der Pfarrkirche zu Klein ‑ Krotzenburg aufbewahrt und an den Wallfahrtstagen zur Kapelle gebracht. Mitte des 17. Jahrhunderts begann die Verehrung und die Wallfahrt zur „Schmerzhaften Mutter Gottes“.  Die erste Kapelle wurde 1736 erbaut.

Im Jahre 1753 war es der Stadt Dieburg zuviel. Waren früher an Mariä Geburt über 10.000 Wallfahrer zum Muttergottesheiligtum nach Dieburg gekommen, so haben nach dem Aufkommen der Liebfrauenwallfahrt bei Klein ‑ Krotzenburg die Besucher­zahlen so stark abgenommen, daß sich 1753 nur 4.000 in Die­burg einfanden. Die Dieburger schrieben in ihrem Protestschreiben an den Mainzer Bischof, die Wunder von Klein - Krotzenburg seien noch nicht einmal von einer richtigen Kom­mission untersucht worden. Lediglich die „angenehme Laag“ der Kapelle sei es, die besonders die jungen Leute von Dieburg abzöge.

Die Dieburger hatten Erfolg: Der Erzbischof verbot 1755 die Wallfahrten zur Liebfrauen­heide. Als Bischof Ketteler 100 Jahre später versuchte, die Wallfahrt neu zu beleben, stieß er bei dem Klein - Krotzenburger Pfarrer Klein auf heftigen Wider­stand: „Es gibt jetzt schon ledige Personen, die in den Wald gehen, nicht aus Verehrung der heiligen Gottesmutter, son­dern um im Wald zusammen zu kommen“, antwortete Klein ablehnhend auf die bischöfliche Anregung.

Erst sein Nachfolger setzt sich für den Bau einer neuen Kapel­le ein. Diese wurde 1868 durch den Mainzer Bischof von Ketteler eingeweiht. Dieser predigte 1869 vor über 10.000 Arbei­tern über das Verhältnis von Arbeitswelt und Religion. Ketteler vertrat dabei Positionen des Arbei­ter­stands: Erhöhung des Arbeitslohns nach dem „wahren Wert der Arbeit“, Verkürzung der Arbeitszeit, Verbot der Kinderarbeit und der Fabrikarbeit für schulentlassene Mädchen. Ein Teil seiner Forderungen wurde später Grundlage der Sozialge­setzgebung.

 

Für den Rückweg fährt man den gleichen Weg zurück, fährt aber geradeaus in Richtung Hainstadt. Wo der Weg endet geht es aber auf einem schmalen Durchlaß nach rechts in die Danziger Straße. Auf dieser fährt man links weiter, auch wenn nur noch ein schmaler Weg zwischen den Wohnblöcken bleibt. Schließlich geht es noch einmal rechts und man kommt auf die Königsberger Straße, auf der man nach links zur Landstraße nach Offenbach kommt. Auf dieser fährt man ein Stück nach links und biegt beim Bauhof Kohl nach rechts in die Straße  „Am Brünnchen“. Der Weg führt nach rechts in den Wald. Man fährt etwas halblinks immer geradeaus bis zum Naturschutzgebiet „Am Woog von Hainstadt“. Dort geht es rechts - links versetzt weiter an dem Schild „Fasanerie, Haupttor“.

 

„Alte Fasanerie“:

Der Name „Alte Fasanerie“ des Wildparks Klein - Auheim stammt aus dem 17. Jahrhundert.

Die Jagdleidenschaft des Mittelalters und der neueren Zeit hatte auch die geistlichen Fürsten er­griffen. Die Mainzer Kur­fürsten, die jährlich für ein bis zwei Monate im Schloß Steinheim ihren Sommer­sitz hatten, hatten in der Nähe des alten Schönfelds, der Märkerdingstätte der Klein ‑ Auheimer Mark und der Wildhufe des Dreieicher Wildbannes, ein Jagdhaus errichten lassen, die „Fasanerie“.

Die Untere Fasanerie war die alte Fasanerie. Sie umfaßte 15 Hektar Wald und 22 Hektar Wiesen und Äcker. Zur Zeit des Kurfürsten Franz Lothar von Schönborn (1695 ‑ 1729) war der Palisadenzaun der Fasanerie zum größten Teil verfallen, so daß die Fasanen nicht mehr gehegt werden konnten und von Füchsen und anderem schädlichem Wild ge­fressen wurden. Es wurde deshalb im Jahre 1705 der Befehl zur Neueinfriedigung gegeben.

Er ließ deshalb im Jahre 1705 eine Fasanerie auf rund 40 Hektar Wiesengelände anlegen. Im Amorbacher Wald wurde das Holz ge­schlagen, nach Miltenberg gefahren und von dort nach Steinheim geflößt. Rund 600 eichene Stämme waren abzufahren. Über 1.200 Fuhren wurden zur Neueinfriedigung und zum Haus­bau benötigt. Später wurde die untere Fasanerie umgeben von einer älteren, weitgehend zerfallenen Mauer. Ihr oberer Teil wurde als „Steinbruch“ für die neue Mauer verwendet.

Die untere Fasanerie (seit 1981 unter Naturschutz) litt aber sehr unter dem stets wiederkehrenden Hochwasser. Deshalb ließ der zu diesem Zeitpunkt residierende Erzbischof Johann Karl Friedrich von Ostein 1746 die „Obere Fasanerie“ erschließen. Sein Wappen kann man in Rokokoform noch in der oberen Fasanerie an der West- ­und Ostmauer sehen. Im Zuge der Errichtung der unteren Fasanerie wurde auch das ansehnliche, heute noch stehende Jagdhaus errichtet. Über der Osttüre ist das Wappen von Lothar Franz von Schönborn angebracht. Die vom eigens angestellten Fasanenmeister gut genährten Vögel konnte er von da an bequem erlegen, bevor er 1729 starb. Im 19. und 20. Jahrhundert war hier die Forstdienststelle und die Wohnung des Försters.

Das rund 107 Hektar (andere Angabe 122 Hektar) große Gelände wurde um 1750 mit einer rund 3,8 Kilometer langen Basaltsteinmauer eingegrenzt. Der Kurfürst ließ fünftausend Fuhren Basaltsteine anfahren und in Frondiensten die  Mauer errichten. Die Untertanen des Amtes Steinheim und der Zent Bachgau (Groß ‑ Ostheim ‑  Obernburg) mußten dazu Hand‑ und Spanndienste leisten. Als Ausgleich hatten die Steinheimer Amtsuntertanen im Jahre 1778 bei der Anlegung des „Schönen Busches“ bei Aschaffenburg Frondienst zu leisten.

Am Haupteingang war bis nach 1880 ein Chronostichon (eine Zeitinschrift in Versen) vorhanden. Die Inschrift besagte, daß im Jahre 1752 die Fasanerie unter dem Oberjägermeister von Schleifras neue Anpflanzungen erhielt. Ein Wappen trägt folgende Unterschrift: „lohannes frIDerlCVS CaroLVs prlnCeps eLeCtor In hoCXVIrlDarlo WoLVpe IVbet VtILI Ivngere“. Aus den großen Buchstaben ergibt sich auch die Jahreszahl 1752.

Die ursprünglich fast ohne Mör­tel errichtete Mauer ist in einem ganz unterschiedlichen Erhal­tungszustand. Anfänglich sind die defekten Stellen recht primitiv mit Zement zugeschmiert. Dann sieht man an der Westseite die Mauer teil­weise in ihrem ursprünglichen Zustand und kann die recht fein geschichteten Steine bewundern. Auf der Ostseite hat der Zahn der Zeit viele Breschen in das Mauerwerk geschlagen, die nicht renoviert sind. Diese offenen Stellen geben einen guten Einblick in die Bauweise. Die Außenseite wurde mit relativ klei­nen, regelmäßigen Steinen gemauert ‑ der Zwischenraum zwischen den Außenschalen mit recht groben Steinen gefüllt. Sie steht heute unter Denkmalschutz und bil­det die Einfriedung des Wildparkes.

Nachdem 1803 die Fasanerie durch den Reichsdeputationshauptschluß an den Landgrafen von Hessen - Darmstadt, Großherzog Ludwig I., fiel, wurde sie bis Ende des Ersten Weltkrieges als Hofjagdrevier für Dam-, Reh- und Schwarzwild genutzt. Über den damaligen Volksstaat Hessen gelangte die Fasanerie nach 1945 im Wege der Rechtsnachfolge in das Eigentum des Lan­des Hessen und ist nun der hessischen Landesforstverwaltung unterstellt.

Die günstige Lage im Ballungsgebiet Frankfurt - Offenbach-Hanau führte dazu, daß das Gelände mit kommunaler Unterstützung zu einem Wildpark umgestaltet und im Jahr 1967 der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Im Jahre 1967 wurde der völlig heruntergekommene Wildpark von einem Förderverein über­nommen, der dem Park zu großer Beliebtheit bei der Bevölkerung verhalf. Die alte Mauer wurde instand gesetzt. Fünfzehn Kilometer Wanderwege wurden in diesem ausgedehnten Gelände angelegt. Ziel der Einrichtung ist es, den Menschen Wild- und Vogelarten näher zu bringen, die im hiesigen Raum heimisch waren und sind. Gehalten werden sie dazu unter annähernd natürlichen Bedingungen.

Höhepunkt für die zwei Fördervereine - einer kümmert sich mehr um den Wildpark, der andere um Museum - war die Eröffnung des rund 1,5 Millionen Mark teuren Forstmuseums im August 2001. Das Land Hessen, die Flughafenbetreibergesellschaft Fraport und die Fördervereine stemmten die Finanzierung, während die Deutsche Stiftung Umweltschutz eine zunächst versprochene Fördermillion plötzlich verweigerte.

 

Das Forstmuseum am Eingang des Parks befand sich früher in Biebergemünd - Bieber und wurde im Jahre 2001 in die Alte Fasanerie verlegt. Bei jährlich 150.000 Besuchern im Wildpark würde ein großer Personenkreis davon profitieren. Auch die fachliche Betreuung wurde als Argument für den Standort Hanau aufgezählt. Konzept und Ausstattung sind nicht auf die Jagd, sondern fast ausschließlich auf die Waldbewirtschaftung zugeschnitten, schwerpunktmäßig auf den Spessart. Schautafeln dokumentieren den Raub­bau im Wald in jener Zeit, als Bieber In­dustriestandort war und Hunderte von Menschen mit Baumstämmen die Stollen in den Erzbergwerken abstützten und Holz in Glashütten verfeuerten. Baumstämme, Tierfelle, eine Zeichnung der Schwanheimer Hute - Eichen und ein Wolf sind  zu sehen. Exponate wie Nivellierinstrumente und Winkelspie­gel zeugen von der Wiederaufforstung. Uniformen und Erntemaschinen ergänzen die Sammlung.

Eine Besonderheit ist der Baumkalender ganz links hinten. Die 21 Baumarten bestimmen den Jah­resverlauf (die in der keltischen Zahlenmystik heiligen Zahlen drei und sieben miteinander multipliziert ergeben 21). Davon bestimmen vier Bäume jeweils nur einen Tag ­21. März (Frühlingsanfang) die Eiche, 24. Juni (Sommeranfang) die Birke, 23. September (Herbst­anfang) der Olivenbaum, 22. Dezember (Winteranfang) die Buche. Alle anderen Baumarten ‑ mit zwei Ausnahmen ‑ dominieren jeweils eine Dekade, das heißt ein Drittel eines jeweiligen Tierkreiszeichens, aber auch genau die oppositionelle Dekade. Die Kiefer zum Beispiel bestimmt die erste Dekade Fisch (19. bis 28. Febru­ar) als auch die erste Dekade Jungfrau (21. August bis 2. September). Die beiden Ausnahmen sind Pappel und Nußbaum. Pappel umfaßt die Zeiten 4. bis 8. Februar und 1. bis 14. Mai sowie 5. bis 13. August. Der Nußbaum regiert die Tage vom 21. bis 30. April und vom 24. Oktober bis 11. November. Wer zum Beispiel in der Zeit vom 15. bis 24. Mai oder vom 12. bis 21. November geboren wurde, ist den Eigenschaften der Eßkastanie zuzuordnen.

 

Es gibt Wildpark-Rallyes für Kindergruppen oder Kindergeburtstage, Tierpatenschaften und eine Gaststätte mit Spielplatz. Rund 350 Tiere aus 35 Arten leben derzeit in den Freigehegen und Volieren. Pro Jahr strömen rund 150.000 Besucher in den ganzjährig geöffneten Park mit seinem 15 Kilometer langen Wegenetz. Es wird empfohlen, nach rechts zu beginnen, weil hier die Dichte der Tiere größer ist, und den größeren Rundweg (gekennzeichnet mit dem Fuchs). etwas abgewandelt zu wählen

Nach dem Besuch des Forstmuseums geht man nach rechts. Gelegenheit zur Rast bietet ein Pick­nickplatz im Eingangsbereich mit vielen Bänken, Holzspielgerät und einer Grillstelle. Das das 1994 entstandene Informationszentrum ist nur für Lehrveranstaltungen vorgesehen wie Wildpark - Schule (Beobachtung und Lernen vor Ort), Führungen, Vorträge, Sonderveranstaltungen, Projekttage und Projektwochen.

Es folgen die Parkplätze für die Mitarbeiter und den Bauhof. Rechts sind  Volieren für die Pflegestation. Hier kann man zum Beispiel schon Fasane sehen. Rechts gibt es dann noch einen Streichelzoo mit Ziegen, ein Buntes Hausschwein mit einem Wildschwein, das von Hand aufgezogen wurde, Esel, Rhönschaf und Thüringer Waldziege.

Man sollte in diesem Bereich aber unbedingt nach links in die zweite Reihe gehen. Dort trifft man zunächst auf eine runde Voliere mit einem Kolkraben, der „Jakob“ sagt, wenn man einzelnen an den Käfig herantritt (bei mehreren Personen krächzt er nur). Hinter dem Raben ist links das Gehege für die Waschbären und Marderhunde. Rechts sind  verschiedene Eulen zu sehen. Wenn man ein Stück weiter geht, kommt man zu den Füchsen, die aber nur schwer im Gelände auszumachen sind; auch der Dachs zeigt sich nicht einmal den Pflegern, holt sich aber immer sein Essen.

Die Vogelhäuser sind besetzt mit Falken, Fasanen, Grau‑ und Silbergänsen, Stockenten und Milanen, wurden am Eingang errichtet. In einer Ausstellungshütte kann sich der Besucher anhand von reichem Anschauungsmaterial über die Lebensweise  der einheimischen Vögel informieren oder sich mit einem Hebeldruck eine gewünschte Vogelstimme aus einer Musikbox vorzwitschern lassen.

Der Hauptweg führt an der Mauer entlang zum Steinheimer Tor (zusätzlicher Eingang an Sonntagen). Dort geht es nach links. Rechts sind  zunächst Wildschweine, dann ein Elch. Links stehen Störche und Sitka - Hirsche. Die anschließenden Rothirsche pflegen sich zu verstecken. Dann kommen die drei weißen Wölfe, die von Hand aufgezogen wurden und in der Wolfsheulnacht zu hören sind. Im nächsten Gehege links ist ein dunkler Wolf, der gern auf einer Platte auf einem Steinhaufen liegt. Inzwischen ist ein weiteres Rudel weißer   Wölfe hinzugekommen

Mit dem Fernglas und etwas Geduld lassen sich die Waldbewoh­ner entdecken. „Der Mensch muß die Tiere suchen, sie sollen ihm nicht präsentiert werden“, ist das Motto des Fördervereins, auch auf die Gefahr hin, nichts zu erspähen, wenn sich Wolf und Luchs ins Dickicht zurückgezogen haben. Doch meist lohnt sich die Aus­dauer. Immer zu Gesicht bekommt man die Publikumslieblinge, die Wild­schweine, die sich zu Hunderten im Schlamm suhlen und morgens ungeduldig auf ihr Futter warten, das die Besucher an der Kasse gekauft haben. Auch Dam‑ und Rotwild, Auerochsen, Wisente und etliches Kleinvieh einschließlich der schönen Pfauen lassen sich bewundern.

Rechts sind  dann wieder Wildschweine, ehe es nach links am Wolfszaun entlang zu den Luchsen auf der rechten Seite geht. Auch sie sind nur schwer auszumachen und verbergen sich gern hinten den Gesteinsbrocken. Am Ende dieses Weges sind rechts die Falknerei und dahinter der Hochseilgarten.

Dann geht es wieder links herum nach Norden. An der nächsten Kreuzung kann man nach rechts gehen zum Gesteinsgarten und dem Barfußpfad: In einem Halbkreis liegt der kleine Pfad unter den großen, schattigen Bäu­men. Von Holzbalken umrahmt sind die Naturmaterialien wie große Hüpf­kästchen beim Himmel ‑ und‑ Hölle ‑ Spiel hintereinander aufgereiht. Ein Fach ent­hält Moosflächen, ein nächstes abgerunde­te Holzpfähle, große Kieselsteine, Kiefernzapfen, Waldlaub oder schlichte Erde, Rindenmulch oder kleine Steinchen. Mit blo­ßen Füßen sollen Besucher/innen die Mate­rialien mit geschlos­senen Augen ertasten ‑ und so ihre Sinne für die Natur schärfen. Die Kinder oder die Erwachsenen sollen sich ganz ihrer Begleitperson anvertrauen und sich führen lassen. So hat der Natur­tastpfad für sie auch einen sozialen Aspekt.

Auf dem Hauptweg weiter gibt es rechts Auerochsen und links Wildschweine. Man geht bis fast an die Mauer und dann links herum. Am Weg rechts stehen Auerochsen. Links sind  Wisente, die im Jahre 2007 durch die Blauzungenkrankheit sehr dezimiert wurden. Frei herum laufen im Gelände Enten.

 

Ab 2013 kam es zu Umbaumaßnahmen am in die Jahre gekommenen Eingangsbereich.

Besonders die Kassen - Situation soll verbessert werden. Wie bereits in vielen Museen oder Zoos üblich, soll zudem ein eigener Wildpark-Shop in den Eingangsbereich integriert werden. Damit entspricht man dem Wunsch vieler Besucher. Hier werden beispielsweise Holzspielzeuge, Bücher, Kalender, Fotos oder T-Shirts angeboten. Auch der Toilettenbereich wird erneuert. Neben dem hiesigen Wildpark gibt es im Land Hessen noch zwei weitere, einen in Edersee und einen in Weilburg, doch die glückliche Lage in der Metropolregion Rhein - Main lockt bei weitem die meisten Besucher an.

Von vornherein stand jedoch fest, daß der Neubau sich lückenlos in die Umgebung einfügen müßte. Die Vorgaben betrafen neben dem Umgang mit Holz auch den Denkmalschutz und einer bereits vorhandenen Bausubstanz. Als Sieger aus dem Anfang September in Kassel vorgenommenen Gutachterverfahrens, das neben Hessen - Forst und dem Wildpark auch von dessen Förderverein, der Stadt Hanau und Architekturprofessoren bewertet wurde, ging das Oppenheimer Architekturbüro Hochberg + Neff hervor. Das Konzept sieht für die Wirtschaftsgebäude ein alles überspannendes Flachdach vor, das an einen mehrbeinigen Tisch erinnert. Unter diesem können dann die einzelnen Funktionen des Gebäudes als untergestellte Kuben flexibel angeordnet werden.

 

Der Himalaya, ein Weinberg, Eichenwälder, die Heide - die neuen Fasanengehege im Wildpark „Alte Fasanerie“ in Klein-Auheim sind verschiedenen Landschaftsformen nachempfunden. Nach einjähriger Bauzeit eröffnete im Jahre 2012  Forstamts- und Wildparkleiter Christian Schaefer die komfortablen Unterkünfte für die historischen Namensgeber der „Alten Fasanerie“ offiziell. Für  120.000 Euro entstanden die fünf Volieren, die einen weiteren Anziehungspunkt für die jährlich rund 200.000 Besucher bilden sollen.

„Die alten Gehege stammten noch aus den 70er Jahren und waren baufällig.  Die neue Voliere ist wirklich artgerecht und erleichtert zudem die Arbeitsbedingungen der Tierpfleger. In die Finanzierung des Baus ist auch das Vermächtnis des Frankfurters Ludwig Römbke eingeflossen, der dem Wildpark 36.000 Euro hinterlassen hatte.

Der Ausstellungs- und Gehege-Experte Uwe Dreyer konzipierte die „Fasanenwelt “. Das Besondere daran: Über einen hinteren Gang lassen sich die Hühnervögel auch aus einer anderen Perspektive beobachten. „Dem Besucher sollen verschiedene Blickwinkel gezeigt werden“, erläuterte Dreyer, der selbst Erfahrung in der Aufzucht und Haltung von Fasanen hat. Die jetzt noch existierenden Gitternetze im rückwärtigen Bereich sollen in wenigen Wochen sogar entfernt werden, um einen freien Blick auf die Lebenswelt der Fasane zu bieten.

Im ersten Gehege ist der Satyr - Tragopan untergekommen. Die Art stammt aus der Region Nepal und Tibet, deshalb ist sein Zuhause der Landschaft am Himalaya nachempfunden. Auch wenn die Tiere unter freien Himmel gehalten werden, stehen ihnen doch auch ein Dach und andere Rückzugsgebiete zur Verfügung.

Der hierzulande bekanntere Jagdfasan lebt jetzt in einer Art Weinberg. Das paßt gut, denn er braucht immer was zum Verstecken. Hoffnungen auf einen eigenen Wildpark - Wein mußte Christian Schaefer eine Absage erteilen. „Die ersten Weintrauben haben die Fasane schon aufgefressen“, so Uwe Dreyer schmunzelnd. Zu der Idee für den Weinberg ließ sich der Gehegeexperte gar von den Römern inspirieren. „Sie brachten uns schließlich den Wein und die Fasane“, sagte er. Besonders farbenfroh anzusehen ist der Goldfasan mit seinem prächtigen Gefieder. Ein beliebtes Tier bei den Besucher und recht zutraulich. „Der frißt den Kindern sogar aus den Händen“, verriet eine Tierpflegerin.

Die neuen Gehege wurden von den Besuchern bereits neugierig in Augenschein genommen. Demnächst gibt es noch mehr zu sehen. Dreyer arbeitet an einem Diorama über die Aufzucht und die historische Bedeutung von Fasanen. Daß es den bunten Feldvögeln in ihren neuen Heimen gut gefällt, bewies, daß zwei von ihnen bereits Eier gelegt haben. Zur Freude der Besucher, direkt am hinteren Gehegerand, so daß Neugierige einen Blick in das Nest werfen können. In der „Fasanenwelt“ darf man sich demnächst also vielleicht über Nachwuchs freuen. Uwe Dreyer ist stolz auf sein Werk. „So etwas ist in Deutschland einmalig“, sagte er.

Alte Fasanerie, siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 100.

 

Klein-Au­heimer See:

Vom Haupteingang der Fasanerie fährt man nach rechts hinunter zum Klein - Au­heimer See. Diesen kann man links umrunden und  am Holzbrücker Weg zunächst auf dem Radweg an der linken Seite in Richtung Klein - Auheim fahren und dann nach links zur Brücke über die Bundesstraße 43 a. Schöner ist aber der Weg rechts um den See herum und dann zur Brücke über die Bundesstraße.

 

Hellenhütte:

An der Offenbacher Landstraße beim Hellenwäldchen liegt die Hellenhütte, ein beliebter Aus­flugsort der Steinheimer. Unter der viele Jahr­hunderte alten Eiche hat man einen herrlichen Blick auf die saftigen Wiesen des alten Main­betts zu unseren Füßen, auf die buntfarbigen Fluren der Klein ‑ Au­heimer Gemarkung und auf das weite Maintal, das mit seinen Dörfern und Auen von den blauen Höhen des Spessarts eingerahmt wird.

Die Hellenhütte war von altersher eine Ziegelei, die den in unmittel­barer Nähe gefundenen Ton zu Backsteinen, Ziegeln und Röhren ver­arbeitete. Die Ziegelei besteht auch heute noch, hat aber als Kleinbetrieb gegenüber den Großbetrieben einen schweren Stand. Seit 140 Jahren ist die Hellenhütte im Besitz der Familie Rachor.

 

Wasserturm:

Nach rechts geht es dann weiter ins reizvolle Hellenbachtal. Man wirft einen Blick auf den 49 Meter hohen Wasserturm, der zwischen 1936 und 1938 von dem Darmstädter Architekten Erich Minder erbaut wurde. Man kommt vorbei an einem Teich und einer Mariensäule  (beide auf der rechten Seite). Kurz vor Steinheim fährt man um die Kneippanlage herum. Nach links geht es in die von Eiff  - Straße. An der Darmstädter Straße geht es etwas links  - rechts versetzt weiter  durch das Steinheimer Neubaugebiet. Wo die Straße endet geht es links in den Gailingsweg, unter der B 43 a hindurch und an Möbel-Erbe vorbei in die Senefelder Straße.

 

Ame­rikafeld:

Links liegt das „Ame­rikafeld“. Für den Namen gibt es verschiedene Erklärungsversuche, zumal  es auch in anderen Gemeinden solche Namen wie „Amerika“ und   „Rußland“ gibt. Es könnte sein, daß  man damit die weit entfernten  Äcker bezeichnen wollte. Nach anderer Theorie kommt der Name daher, daß die Äcker früher Leuten gehörten, die nach Amerika ausgewandert sind. 

Das Amerikafeld., ein unter Naturschutz stehendes Trockenrasengebiet mit seltenen Orchideenarten und Eidechsen, das außerdem ein Lebensraum für Neuntöter, Blauracke und Pirol ist.  Das Areal wirkt zunächst unscheinbar. Versteckt hinter hohen Bäumen liegt das Flora - Fauna - Habitat - Gebiet der Stadt Hanau. Durch die Holzabsperrungen wird sichergestellt, daß die Wiesenflächen nicht betreten werden. Auf den trockenen Sanddünen wachsen auf 4.000 Quadratmetern diverse Magerrasen unterschiedlichster Ausprägungen - und damit zunehmend seltener werdende Pflanzenarten.

Die Weideflächen haben in gleich doppelter Hinsicht europäische Relevanz. Zum einen sind sie Zeugen einer nach der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren stattgefundenen Vegetation. Zum anderen ist das Amerikafeld dank der Einhaltung europäischer Naturschutznormen ein Natura - 2000 - Areal, also ein Teil des Schutzgebiet - Netzes der EU. Noch bis Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde das Areal von der Stadt als Ackerland genutzt, ehe es 1995 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde.

Das Amerikafeld bietet eine besondere ökologische Nische. Dank des nährstoffarmen und trockenen Bodens seien Rückzugsgebiete für seltene Tierarten, darunter die Zauneidechse oder die blauflüglige Ödlandschrecke, vorhanden. Die Bäume der Streuobstwiesen beheimaten den Steinkauz, während liegendes Totholz vor allem Insekten anlockt.

Entgegen geläufiger Vermutungen werden Naturschutzgebiete jedoch nicht sich selbst überlassen. Das wäre hinsichtlich der Artenvielfalt grob fahrlässig. Würde man hier auf Dauer nichts unternehmen, würde der Magerrasen schon bald einem dichten Waldgebiet weichen.

Im Sinne der Artenvielfalt ist es beispielsweise wichtig, den Magerrasen nicht zu hoch wachsen zu lassen. Eine der essentiellen Maßnahmen stellt die Beweidung durch Schafe dar. Das Abfressen der Gräser durch Nutztiere ist die natürlichste und schonendste Form der Wiesenpflege. Anders als ein Rasenmäher sorgen die Tiere am Ende für unterschiedlich hohe Halme. Manche Teile lassen sie sogar gänzlich stehen. Dadurch entsteht eine unregelmäßige Wiesenfläche, die ideale ökologische Bedingungen schafft.

In regelmäßig neu abgestecken Koppeln grasen die Schafe nach und nach die gesamte Fläche ab. Um dies zu erreichen, arbeitet Hessen Forst mit Schäfer Armin Bergmann und seiner Frau Angela aus Mömbris zusammen Für rund vier Wochen im Jahr werden knapp 360 Rhönschafe sowie Koburger Fuchsschafe zum Amerikafeld transportiert. Ein sehr umständlicher Transport, der sich lohnen muß.

An Familie Bergmann schätzt Hessen Forst vor allem die seit vier Generationen weitergetragene Erfahrung bezüglich der Pflege und Absicherung der Schafe. Inzwischen ist es schwer geworden, gute Schäfer zu finden. Das Geschäft ist knallhart. Trotz hohem Arbeitsaufwand bleiben am Ende oft nur geringe finanzielle Handlungsspielräume. Aus diesem Grund schließen auch immer mehr Betriebe ihre Pforten. Gleichzeitig trägt der Schäfer bei der Beweidung ein hohes Risiko: Wenn die Herde aufgeschreckt wird, flüchtet sie. Es ist schon vorgekommen, daß Schafe auf nahegelegene Autobahnen oder Schnellstraßen gerannt sind. Bei den dadurch entstehenden Schäden muß dann natürlich ein Schuldiger gefunden werden, der bezahlt (02.07.2016 HA).

 

Rückweg:

Im Wald fanden sich zahlreiche Hügelgrä­ber, deren Be­stattungsbeigaben teilweise im Mu­seum des Steinheimer Schlosses gezeigt werden. Aber vom Weg aus sind sie nicht zu sehen. Man kommt wieder zu demWegweiser „Dietesheimer Seen“. Hier zweigt man aber nicht rechts ab auf die Forstmeisterschneise (auf der man gekommen ist), sondern fährt in Richtung des Weg­weisers (Dieser Weg führt durch den östlichen Rand der Seenlandschaft: an der Straße „Am Grünen See“ auf dem unbefesdtigten Weg geradeaus zu der Eisenbahn­unterfüh­rung und zur Bundesstraße und dort rechts bis zur Abzweigung zur Schleuse nach links). Nach der Schranke biegt man wieder rechts ab. Vor der Eisenbahn geht es wieder rechts ab in die Pfaffen­brunnenstraße

 

Radtour  Dietesheim - Lämmerspiel - Mühlheim 2010 (15,5 Kilometer) 

auf Seite „Maintal, Wanderwege“

 

Zur Stadt Steinheim vergleiche Hanau, Steinheim.

 

Obertshausen

Aufgrund ihrer günstigen Lage konnte sich die Stadt Obertshausen zu einem industriellen Schwerpunkt der Lederwaren- und metallverarbeitenden Industrie entwickeln. Von der wechselhaften Geschichte ihrer im 9. Jahrhundert erstmals erwähnten Stadtteile Hausen und Obertshausen zeugen nur noch vereinzelte Fachwerkhäuser und freigelegte Mauerreste und Fundamente einer Turmburg „Burg im Hain“ aus dem 11. Jahrhundert.

Die ehemals selbständigen Gemeinden Hausen und Obertshausen wurden im Jahre 1977 zur Gemeinde Obertshausen zusammengeschlossen. Obertshausen wurde im Jahr 1979 die Stadtrechte verliehen. Heute zählt die Stadt rund 25.500 Einwohner.

 

Schwimmbad „Atlantis“: 

Ausfahrt Obertshausen, parallel zur A 3 Richtung Industriegebiet Hausen dann Beschilderung. Öffnungszeiten: Mo - Fr 9 - 23 Uhr, Samstag 9 - 24 Uhr, Sonntag 9 - 22 Uhr. Zwei Stunden kosten 4 €, Familien 12, 19 und 26 €.

 

Hausen:

Hochbruch, siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 92.

 

 

Heusenstamm

Erste urkundliche Erwähnungen in einem Eppsteinischen Lehensbuch verzeichnen 1211 Burg und Dorf „Huselstam“, das später „Husinstam“, im 15. Jahrhundert auch „Heussenstain“ genannt wird. Nach den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges wurde Heusenstamm 1637 wieder mit 120 Einwohnern besiedelt. Im Jahr 1661 verkauften die inzwischen zu Reichsgrafen auf­gestiegenen Herren von Heusenstamm die Besitzung an den Freiherrn Philipp Erwein von Schön­born. Er ließ 1663 -  1668 das neue Schloß auf dem Vorhof der alten Burg errichten.

Wie sich im Laufe der Jahrhunderte innerhalb einer Gemeinde die Gewichte, gewissermaßen von Achse zu Achse, verlagern können, dafür bietet Heusenstamm ein gutes Beispiel. Pulsiert heute das Leben in der geschäftigen Frankfurter Straße, stellte früher die Schloßstraße im alten Stadt­kern die Verbindung zwischen den drei ansehnlichsten Bauwerken Heusenstamms her. „Es ist keine Übertreibung”, stellte einmal der Kunsthistoriker Georg Dehio fest, „in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ... hat die Familie Schönborn für die Baukunst mehr vollbracht als irgendein weltlicher Fürst der Zeit.”

In der Tat, viele der besten Beispiele deutschen Barocks gehen auf die rastlose Bautätigkeit dieses ursprünglich aus dem Hintertaunus stammenden Geschlechtes zurück. Über hundert Jahre, zwischen 1642 und 1756 besetzten die Schönborner nicht weniger als 14 geistliche Fürstenthrone im süddeutschen Raum. Mit jedem neuen Amt schienen sie sich zu einer einzigartigen Bau- und Sammelleidenschaft zu steigern. In den Schönbornern nagte ein familienspezifischer „bau­wurmbh“, für dessen Umsetzung sie mit Balthasar Neumann über einen kongenialen Meister verfügten. Nur hierzulande haben die Schönborner fast keine bedeutsamen Bauwerke hinterlassen - mit einer Ausnahme. Ausgerechnet im kleinen Heusenstamm südlich von Offenbach finden sich gleich drei Objekte, die mit dem Namen Schönborn verbunden sind, nachdem diese auf dem Kaufwege den Stammsitz der Ritter von Heusenstamm 1661 erworben hatten.

Die Einwohnerzahl war bei Verleihung der Stadtrechte 1959 auf 6.000 angestiegen und liegt heute bei etwa 20 000.

 

Triumphbogen:

Von der Frankfurter Straße betritt man durch den verkleinerten Triumphbogen in den Ortskern.

Der Torbau an der Frankfurter Straße erinnert an einen Besuch von Kaiser Franz  I.und seines Sohns Joseph im Jahre 1764, die auf der Fahrt zur Königswahl in Frankfurt eine Woche Gäste im Heusenstammer Schloß der Familie von  Schönborn waren. Während letzterer in Frankfurt gewählt wurde, mußten sie sich entfernt in Heusenstamm aufhalten.

 

Kirche St. Cäcilia:

Die von 1739 an gebaute Kirche ist ein feines, aber vergleichsweise kleines Werk des Barock­baumeisters Balthasar Neumann. Sie gilt als wichtiges Übergangswerk zu seinen Meister­schöpfungen in Vierzehnheiligen und Neresheim. Sie wurde im Auftrag der Gräfin Maria Theresia von Schönborn als Begräbnisstätte für ihre Familie erbaut. Die Witwe Anselm von Schönborns, Maria - Theresia, beauftragte Balthasar Neumann, der in Würzburg im Dienst der Schönborns stand, im Jahre 1735 mit dem Entwurf für die Kirche St. Cäcilia. Der bekannte Baumeister wurde ihr von ihrem Schwager, dem Würzburger Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn „ausgeliehen“

In Heusenstamm erkennt man das wichtige, mehrfach variierte Grundprinzip der neumannschen Architektur, die kreuzförmige Verschmelzung eines einschiffigen Langbaus mit einem Zentral­bau wieder, das den Eindruck der Weitläufigkeit erzielt.  Der halb eingestellte Turm an der Portalseite zeigt ebenso seine Handschrift wie die Gestaltung des Inneren, einer Verschmelzung von Längs- und Zentralraum. Sie entfaltet aber vor allem innen eine äußerlich kaum zu ahnende Dekorationsfülle. Die Deckengemälde stammen von Christian Thomas Scheffler und zeigen in einem dreiteiligen Zyklus die Themen Tod, Auferstehung und ewiges Leben. Der fränkische „Kriegs-und Staatsbaumeister . . . geliebt von großen Fürsten wegen seiner Kunst und Erfahrung in der Architektur” hat die Fertigstellung seines Baues nicht mehr erlebt. Er starb drei Jahre vorher  im  Jahre 1753, betrauert im ganzen Schönborn‘schen Machtbereich, der sich über Würzburg bis Bamberg erstreckte.

 

Schönborn‘sches Schloß:

Am Ende der mit Fachwerkhäuschen gesäumten Straße steht das Schönborn'sche Schloß. Die ehemalige Wasserburg geht auf eine Gründung des Eberhard Waro von Hagen - Heusenstamm in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück und wird  1211 erstmals urkundlich erwähnt. Im sogenannten hinteren Schloß sind noch die Reste der alten Burganlage der Ritter von Heusen­stamm zu sehen, deren prominentester Vertreter, Sebastian von Heusenstamm, 1545 bis 1555 Erzbischof und Kurfürst von Mainz war.

Zwei wappentragende Löwen lassen an der Pforte die Ankömmlinge in den symmetrisch barock gestalteten Garten. Dahinter macht sich das Wasserschloß mit seinen Ecktürmen breit. Das in Süddeutschland in kirchlich - weltlichen Machtfunktionen einst einflußreiche Geschlecht derer von Schönborn ließ es ab 1663 aus der früheren Burg errichten.

Zu Anfang des 17. Jahrhunderts zogen sich die Herren von Heusenstamm auf ihre Besitzungen in Österreich zurück, im  Jahre  1661 verkauften sie die Besitzung an den Freiherrn Philipp Erwein von Schönborn. Er ließ zwischen 1663 und 1668 das neue Schloß auf dem Vorhof der alten Burg errichten.

Entgegen der ursprünglichen Planung des Architekten Clemens Hinckh kam jedoch nur die Vorderfront der geplanten Wasserburg zur Ausführung, die kurzen, rückwärtigen Seitenflügel sind erst Ende des 19. Jahrhunderts angefügt worden. Die alte Burg wurde in die Anlage mit einbezogen und über eine Brücke verbunden. So ist hinter dem Schloß noch die Burg der Ritter von Heusenstamm zu sehen, Reste des Wohnturms und Herrenhauses sind erhalten und neu­gotisch verändert.

Durch den Rundbogen des giebelgeschmückten Eingangs fällt der Blick auf den modernen Granitbrunnen im Innenhof. Dahinter ein Neubau, der das nie fertig gewordene Schloß zum Geviert abschließt. Hier führt ein Durchgang zum noch wilden, unzugänglichen Park, zum „Alten Schlößchen” und zum Bannturm. Möglicherweise stammen Teile des Turms noch aus dem 13. Jahrhundert.

Über die Fassade des langgestreckten, kaum gegliederten Renaissancebaus sind 22 Fensterachsen in nahezu gleichmäßiger Reihung verteilt. Beidseitig stehen  Ecktürme mit Schlüsselscharten im Erdgeschoß und geschweifter Haube. Die Frontmitte wird durch ein kleines Zwerchhaus mit geschwungenem Giebel, darunter das Portal mit einer Schreckensmaske im Schlußstein und dem Allianzwappen der Häuser Schönborn und Greiffenclau betont.

Von den Außenanlagen sind noch Teile der äußeren Umfassungsmauer vorhanden. Der Eingang wird von zwei Sandsteinpfeilern mit einem Löwenpaar das Wappen des Erbauers Philipp Erwein von Schönborn haltend, flankiert. Sein Nachfolger Anselm Franz trieb im 18. Jahrhundert den Ausbau der Residenz voran und ließ einen großen Lustgarten mit Alleen, Teichen und Orange­rien anlegen.

Das Schönborn’sche Schloß, das in mehreren Kriegen seit der französischen Revolution als Truppenquartier und Hospital gedient hatte, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört worden war und nach dem Wiederaufbau zeitweilig von der Post genutzt wurde, ist 1978 von der Stadt auf­gekauft und als Rathaus erweitert worden. Durch moderne Anbauten wurde der Gebäudekomplex zu einer Vierflügelanlage erweitert.

Klagte schon sein Erbauer, Philipp Erwein von Schönborn, er sei „wegen des Heusenstammer Bauhwes ganz ausgesekkelt“, erlaubte ein ähnlicher Engpaß eines späten Nachfahren 1977 der Stadt, das Renaissancewasserschloß zu übernehmen. Mit erheblichem Aufwand hat sie bis 1985 zu ihrem Rathaus erweitert.

Zehn Jahre später stand die Restaurierung der Fassaden an, zu dem auch Reste der früheren Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert gehören. Der Putz bröckelte und das ehedem strahlende Weiß hatte unter saurem Regen und den Industrieabgasen, ziemlich gelitten. Allein vier Schichten eines atmungsaktiven Spezialputzes wurden schließlich aufgelegt, um das 300 Jahre alte Palais künftig besser vor den Emissionen aus Auspufftöpfen und Industrieschloten zu schützen. Dazu war der alte Mainsandstein völlig freigelegt worden. Als Farbe wählten die Sanierer ein blendendes Weiß, das sie mit dem kräftigen Rot der ehemals sichtbaren Sand­steinpartien um die Fenster, die Türen und an den Ecken der stattlichen Außenmauern kon­trastieren ließen.

Ausgebessert wurde auch das Dach und zwei Erker neu eingedeckt. Im rückwärtigen Bereich der Anlage um den historischen Bannturm wurde eine halbhohe Brüstung abgesenkt und rund um das hintere Schlößchen ein 800 Quadratmeter großer Platz bepflastert. Dort sollen kleine Feste stattfinden oder historische Märkte. Zu Füßen des uralten Bannturms werden schon lange Freilichtaufführungen geboten.

Interessenten für Heusenstamms Geschichte und früheres Aussehen werden an Werktagen auch außerhalb der Sprechzeiten in die erste Etage des Rathauses hinaufgelassen, um Fotodokumen­tation, Schloßmodell und Geschichtstafeln zu studieren.

 

Von dem Anfang des 18. Jahrhunderts angelegten Garten sind heute nur noch Teile des Lustgartens, zwei Wasserbecken und die Blumenrabatten am Schloß Schönborn erhalten. Der dazugehörige „herrschaftliche Forst“ mit seiner Allee, dem Forstteich und dem runden Platz am Ende der Allee wurden schon vor rund 100 Jahren durch den Bau der Eisenbahnlinie vom Park getrennt. Durch den S- Bahn - Bau werde diese Trennung noch verstärkt. Schon seit mehreren Jahren arbeitet die Stadt Heusenstamm mit dem Planungsverband an dem Ziel, den Heusen­stammer Park in den Regionalpark einzugliedern.

Die beiden Teile des Parks sollen zwei jeweils selbständige Landschaften werden. Der Forst westlich der Bahnlinie soll nach den überlieferten Plänen wieder als englischer Landschaftspark hergerichtet werden. Entlang der Schneise wird das Unterholz ausgelichtet und links und rechts des Weges wird jeweils ein Wiesenstreifen freigelassen, so daß die Schneise wieder zur Allee wird. Wege, die nach dem historischen Achsensystem angelegt sind, sollen wieder zum Spa­zieren­gehen an den Teichen und Wiesen einladen. Herrschaftlich wie früher sollen auch die Eingänge zum Park aussehen: großzügige Plätze, von Natursteinmauern begrenzt, mit Löwen auf den Pfeilern der Tore. Der barocke Schloßpark soll nur geringfügig verändert werden. Um die Blickachse vom Schloß  um Platz an der Alten Linde zu betonen, sollen Sandstein - Obelisken aufgestellt werden.

 

Heusenstamm ist aber auch ein Revier für Naturfreunde. Nicht nur wegen der Pfauenzucht. Auf Ferienreise zu Frankreichs Prunkschlössern war dem Rathaus - Hausmeister die Idee gekommen, ein Schloß sei nicht vollständig ohne diese Prachtvögel. Mit dem ersten Pärchen hatte die Stadt allerdings kein Glück. Der Hahn wurde von einem Hund gerissen, die Henne eine Beute des Fuchses. Inzwischen werden Hennen und ein Hahn in einer Voliere gehalten.

In freier Wildbahn, aber von Vogelschützern auch vor störenden Menschen behütet, hat eine Reihe inzwischen sonst selten gewordener Vögel am See im Naturschutzgebiet am Goldberg ein wildwucherndes Refugium. Neben Kiesgruben, die noch ausgebeutet werden, ist der See in wenigen Jahren romantisch verlandet, ideal auch für Wasservögel.

Rechts vom Schloß gelangt man bald wieder durch den Wald zum nächsten See. Dieser Angelweiher gehört schon zu Obertshausen, ein Baggersee, zum Erholungsgebiet rekultiviert. Vom künstlichen Rodelberg hat man einen Überblick über die weiteren Sehenswürdigkeiten, die am Rückweg durch die Stadt liegen.

 

Patershausen: siehe Jügesheim

 

 

Heusenstamm - Rembrücken:

Wenn man von Heusenstamm nach  Osten in Richtung Rodgau - Hainhausen fährt, kommt man nach Rembrücken. Südlich der Straße (Wegweiser „Alte Schule“) steht die Kirche „Mariae Opferung“. Der Eingang ist an der linken Seite. Die Kirche steht aber nicht nur im räumlichen Mittelpunkt des Heusenstammer Stadtteils, auch im Mittelpunkt des dörflichen Lebens soll sie stehen. Denn die 50 Sitzplätze seien - obwohl die Bänke wirklich unbequem sind - immer noch zu wenig für die 1.000 Mitglieder starke Gemeinde. Etwa 250 Personen kann man wirklich zu aktiven Gemeindemitgliedern zählen.

Auf den ersten Blick erscheint Mariä Opferung dem Betrachter als Barockkirche, auf den zweiten Blick entpuppt sie sich anhand der Bausubstanz als neobarockes Haus. Die Kirche wurde 1925 anstelle der alten Kapelle gebaut, die hierfür abgerissen und deren Steine beim Neubau ver­wen­det wurden. Dies ist einem Hauruck - Verfahren nach dem Ersten Weltkrieg geschehen.

Und was auf den ersten Blick wie ein Druckfehler anmutet, ist ein Zeugnis des Rembrücker Fleißes: Am 3. Juni 1925 wurde die viel zu kleine, 1756 erbaute Kapelle Mariä Opferung abgerissen und am 18. Oktober des gleichen Jahres die neu erbaute Kirche eingeweiht. Der neobarocke Baustil war damals modern. Die Menschen wollten die Schrecken des Krieges vergessen und sich mit der üppigen Bauweise ein Stück des Himmels auf die Erde holen. Leider hat es finanziell wirklich nur für ein kleines Stück Himmel gereicht. 31.000 Mark kostete der ganze Bau nach der Inflation. Damals war das eine Menge Geld. Diesen Betrag brachten die Rembrücker Christen ganz alleine und ohne Zuschüsse auf. Allein bei den Verwandten in den Nachbarkommunen wurde gesammelt.

Das einzig echte Stück barocker Kunstgeschichte in Mariä Opferung ist der Hochaltar aus dem Jahr 1690. Der wurde von einer reichen Bauernfamilie gestiftet, die ihn der Gemeinde Ober-Roden abgekauft hatte. Die Kaufsumme ist aber nicht überliefert. Ansonsten ist hier alles Zeitgeist und vieles selbst gebaut - auch die Bänke. Die Blenden zur Verzierung kamen erst vor einigen Jahren dazu.

 

 

Dietzenbach

Die erste Erwähnung des Ortes „dicenbah“ erfolgte in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Patershausen (auf Heusenstammer Gebiet) um 1220. Darin überträgt Puphridus, Pfarrer in Preungesheim - bestrebt „Frömmigkeit zu üben“ -  dem Kloster einen Hof und Wiesen in „dicenball“. Doch Dietzenbach ist nachweislich älter. Der älteste Kern des Dorfes liegt an einer kleinen, dem Wingertsberg noch  vorgelagerten Anhöhe und ist - wie die Endung „-bach“ und das St. Martinspatrozinium zeigen - in der fränkischen Siedlungsperiode von 561 bis 686 nach Christus entstanden.

Kaiser und Könige haben den Ort nie besucht:  Glanzvolle Zeiten gab es hier nicht, wohl aber

Durchzüge von Truppen, Zerstörungen, Plünderungen, die Pest. Im Jahre 1634  tobte der Dreißigjährige Krieg gegen Land und Leute, klagt die Kirchenchronik: „Da sind wir zu Dietzenbach durch schwitischs Kriechsvolck vertrieben worden und in vier Jahren niemant hatt können hir wonnen. Es sindt in unser gemein damals 75 Man gewest. Es ist selbigen Wintter die Kirchen abgebrenntt worden und das ganss Dorf bis auf 16 heuser und 6 scheuern.“ Nur ein harter Menschenschlag konnte hier überleben und, zäh am Bewährten festhaltend und fest in der lutherischen Konfession verankert, den Kampf um das tägliche Brot führen.

Im Heimatmuseum steht ein großes Stadtmodell, das das Bild Dietzenbachs im 19. Jahrhundert zeigt. Es läßt im Kern noch das ursprünglich oval angelegte Haufendorf des Mittelalters erkennen. Dieses besaß zum Schutz vor Feinden und auch wilden Tieren einen tiefen Graben und eine dichte Hecke, ein Gebück. Im Zusammenhang mit einem Gerichtsfall entstand im Jahre 1572 eine Art Faustskizze, die älteste erhaltene Ansicht des Dorfes. Demnach gab es zwei Dorfeingänge, die Niederpforte und die mit einem Turm gesicherte Oberpforte, davor jeweils ein Falltor. Wer in das Dorf hinein wollte, mußte zunächst einen Schlag und dann die eigentliche Pforte passieren. Zusätzlich gab es noch einen erst Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissenen Wehrturm, der auch als Gefängnis diente und als letzte Zuflucht den ursprünglich frei stehenden Turm der Kirche.

 

Heimatmuseum:

Das Heimatmuseum zeigt einen Querschnitt auf von Funden frühester keltischer Besiedlung, in diesem Raum bis hin zu Gegenständen aus Leben und Arbeit der Dietzenbacher im vergangenen Jahrhundert. Das Ganze wird von einem kleinen restaurierten Fachwerk - Wohnhaus aus dem Jahr 1765 umrahmt und steht inmitten des Altstadtkerns in enger Nachbarschaft zum Alten Rat­haus und zur Alten Schule.

Es werden die Wohnverhältnisse um 1900 gezeigt, eine an das Haus angesetzte Großgerätehalle stellt bäuerliches Arbeitsgerät vor und im Erdgeschoß des langgestreckten dreistöckigen Neubaus wartet die historische Abteilung auf Entdeckung. Der Gang durch die Ausstellung ist so strukturiert, daß der Gast die Entwicklung von den ersten Siedlungsspuren in der Vorgeschichte bis zur Stadt an ausgewählten Exponaten nachvollziehen kann.

Zu den Attraktionen der Ausstellung zählen die reichen Funde aus der vorgeschichtlichen Besiedelung. Unter anderem sind drei Gräber in den Boden eingelassen und mit begehbaren Glasplatten abgedeckt, die zeigen, wie die historischen Grabstätten aussahen, als sie gefunden wurden. Das im Osten Dietzenbachs an der so genannten Russenhütte zu Tage getretene Gräberfeld ist hervorragend erforscht.

Römische Töpferwaren zeugen davon, daß dieses Gebiet auch in der Römerzeit schon besiedelt war. Vermutlich gab es hier einen, vermutlich sogar zwei Gutshöfe (villa rustica) genannt. Es gibt Hinweise auf Speisegewohnheiten und antike Feinschmeckerrezepte. Wer Lust bekommen sollte, selbst einmal römisch zu kochen - kein Problem: Am Ausgang gibt es das Kochbuch des Apicius zu kaufen, eines wahren Meisters seines Faches.

In Dietzenbach wurde sogar ein richtiger Schatz gefunden. Karl Knecht, der stellvertretende Vorsitzende des Heimatvereins, fand 1966 einen Trinkbecher aus Ton mit vielen Silbermünzen der vermutlich zwischen 1350 und 1360 vergraben worden war. Anfangs hielt ich diesen Gegenstand für einen Stein, beim näheren Betrachten erkannte ich, daß es sich um ein Gefäß handelte und beim ersten leichten Aufkratzen der Öffnung fielen mir schon die ersten Münzen entgegen. Insgesamt barg der Becher 194 Heller.

Um 1900 lebten erst 2207 Menschen im Ort, als Bauern Arbeiter und Handwerker. In diese Welt führt im Heimatmuseum eine kopfsteingepflasterte alte Dorfstraße hinein. Aber Vorsicht. Zwar liegen da nicht mehr Kuhfladen herum (wie es eben früher so war),  jedoch ist die Straße holprig und hervorragend geeignet, mit genagelten Schuhen aus ihr Funken zu schlagen, eine Lieblingsbeschäftigung der Dietzenbacher Jugend von anno dazumal. Zu sehen sind Fotos vom alten Ort, seinen Häusern, seinen Menschen, komplett eingerichtete Werkstätten aus Dietzenbach: Schuster, Bäcker, Sattler, Wagner, Glaser und Schreiner, Zeugnisse soliden Handwerks, des Fleißes und der Biederkeit.

Dietzenbach hatte in den dreißiger Jahren - da lebten hier etwa 3.000 Menschen - sage schreibe zwei Kinos, die bei guten Gelegenheiten „gestoppte voll“ waren. Als zu Beginn Vorstellung des Films „Bis früh um Fünfe“ einige junge Leute mit riesigen Brotpaketen zum Kino kamen, antworteten sie auf die Frage nach dem Grund für diesen Proviant: „Ei, der Film gieht doch bis morje froih um Fünf!“ Ein noch funktionsfähiger Vorführapparat aus dem Kino „Löwen-Lichtspiele“ entdeckt der Besucher im Heimatmuseum, ebenso wie drei Filme über die Stadt, die in einen kleinen Fernsehraum abgespielt werden können. Sie zeigen das Feuerwehrfest 1928, ein Turnfest von 1956 und das Sägewerk Knecht in der heutigen Zeit.

Im Museum wird auch dokumentiert, was die Dietzenbacher im Ersten und im Zweiten Weltkrieg erlebten. Vor allem ein versehentlicher Luftangriff in der Nacht vom 20. / 21. September 1941 ist viel Bewohnern noch tief in Erinnerung. Bitter war auch das Los der Kriegsgefangenen, wovon nicht nur ausgestellte Kleidungsstücke, sondern auch Tonbandberichte zeugen. Der historische Rundgang im Museum endet mit einer Fotomontage, die die Entwicklung von Dorf zur modernen Stadt mit ihren etwa 34.000 Einwohnern aus mehr als 100 Nationen zeigt. Sie soll ein Zeichen sein für unverwüstlichen Lebenswillen, ein Symbol für die Zukunft.

Das zweite Museum ist etwas ungewöhnlich, aber auch aufs engste mit der Geschichte und dem regen Vereinsleben der Stadt verbunden: ein Feuerwehrmuseum. Was in dem restaurierten alten Feuerwehrgerätehaus mit Schlauchturm an Exponaten zusammengetragen ist und übersichtlich dargeboten wird, läßt so manches Männerherz höher schlagen. Zum einen die Darstellung der hundertjährigen örtlichen Feuerwehrgeschichte durch Uniformen, Helme, Löschgeräte der verschiedenen Epochen, vom Ledereimer über die Handspritze zum Opel - Blitz LF - 8 mit Magirusaufbau, zum anderen faszinierende Ausstellungsstücke, die aus den verschiedensten Ländern kommen ebenso wie Kinderspielzeug zum Thema Feuerwehr. Keinen Platz gefunden hat hier die Sammlung „Plakat und Feuerwehr“. Sie kommt mit Hunderten von Postern wirkungsvoll in den Gängen der neuen Feuerwache Mitte zur Geltung

 

Aussichtsturm (im Südwesten):

Wenn man von Götzenhain in Richtung Dietzenbach fährt, biegt man an der Kreuzung nach links ab in Richtung Dietzenbach. An der Jungfernwingertstraße geht es links ab zum Aussichtsturm mit 115 Stufen. Mit dem Aussichtsturm auf dem Wingertsberg ist eine kühne, 33 Meter hohe Seil-Stabkonstruktion aus Stahl entstanden, die zum Wahrzeichen Dietzenbachs werden könnte. Auf einer Spindel, um die sich die Treppe windet, sind drei Ringe angeordnet: die Aussichtsplattform auf 21 Meter Höhe, das Speichenrad vier Meter darüber - es ist Teil des Tragwerks und über acht Stahlseile mit dem Fundament verbunden - noch einmal vier Meter höher ist ein „Windrad“ angeordnet. Die drei Ringe sind jeweils azentrisch übereinander gelagert. Um den dünnen Turmmast schraubt sich eine Gitterspirale nach oben, bis zu drei exzentrisch gelagerten Stahlringen, die wie überdimensionale Radspeichen um den dünnen Turmmasten zu kreisen scheinen - wobei das oberste Rad tatsächlich rotiert, während sich die unterste beim Aufstieg als absolut feste Plattform erweist.

Der Frankfurter Architekt, Professor Wolfgang Rang, hat seinem Entwurf deshalb den Namen „Ballett der Bewegungen“ gegeben, wobei sich das Windrad je nach Windstärke tatsächlich bewegt. Der Aussichtsturm ist auf der höchsten natürlichen Erhebung im Kreis Offenbach, dem Wingertsberg, entstanden.

Je 200.000 Mark spendierten das Land Hessen und die Fraport, den Rest des 835.000 Mark teuren Projekts bezahlten der frühere Umlandverband Frankfurt und die Stadt Dietzenbach. Zur vollkommenen Illusion schwereloser Schwebebewegungen wird nun noch ein Sponsor für die künstlerische Farbbeleuchtung gesucht, die der Lichtkünstler Thomas Emde für den Turm entwickelt hat. Dabei übersetzt eine kleine elektronische Steuereinheit die Drehungen des obersten Rades in ständig wechselnde Farbstrahlen für die bewegende Vorstellung an Dietzenbachs heraus­ragend­ster Stelle.

Vom Aussichtsturm fährt man wieder hinunter und in den Ort hinein. Am Kreisel geht es rechts und dann gleich wieder rechts in die Darmstädter Straße. Man kommt zum Heimatmuseum in einer alten Hofreite und einem Neubau und mit dem Teufel vorne an der Straße (geöffnet Sonntag von 15 - 18 Uhr).

 

 

Rödermark  Ober - Roden

Im alten Ortskern von Ober - Roden steht heute die mächtige katholische Pfarrkirche Sankt Nazarius, ein in neugotischem Stil errichteter Bau mit 52 Meter hohem Spitzturm, der als „Dom des Rodgaus“ das Ortszentrum überragt. Er wurde in den Jahren 1894 - 1896 von dem Frankfurter Architekten Josef Röder erbaut. Das mit dem Chor nach Norden ausgerichtete Gotteshaus steht an der Stelle eines alten Kirchenbaus, der geostet war. Über dessen Aussehen geben zwei Fotoplatten sowie Aufrißpläne in den Bauakten Auskunft, die es bereits zuließen, die Bauphasenabfolge des alten Kirchenbaus zu erstellen. Das älteste Denkmal Ober - Rodens  - die Grabplatte des im Jahr 1393 verstorbenen Pfarrers Johannes Schank, die von dem Anbau eines Chores berichtet - spielt dabei eine Rolle. Sie weist nach, daß der auf den Bildern zu erkennende gotische 5/8 - Schulabschluß anstelle eines älteren, wohl rechteckigen Chores errichtet worden war, der vor das Jahr 1393 zurückgehen muß.

Durch archäologische Ausgrabungen, die zwischen 1985 und 1991 durchgeführt wurden, ließ sich die weitere Baugeschichte klären. Nach allem, was sich chronologisch anführen läßt, dürfte es sich beim ersten Bau um eine Holzkirche karolingischer Zeit handeln, die vermutlich gegen Ende des 8. oder zu Beginn des 9. Jahrhunderts durch eine Steinkirche ersetzt wurde. Diese besaß eine Gesamtlänge von 25 Metern, die Breite des Kirchenschiffs betrug 8,80 Me­ter. Von diesem Steinbau ausgehend, kann mit Hilfe der Grabungsbeobachtungen die spätere Abfolge der einzelnen Kirchenbauphasen nachgezeichnet werden. Der alte Rechteckchor wurde vor 1393 durch einen gotischen Chor mit 5 / 8-Abschluss ersetzt. Im Jahr 1517 - belegt durch ein Baudatum - erweiterte man die Kirche um den Anbau des nördlichen Seitenschiffes. Die Kirche behielt ihr Aussehen bis zum Dreißigjährigen Krieg. Damals wurde sie nieder­gebrannt. Ende des 17. Jahrhunderts aber wieder instand gesetzt und anschließend bis zu ihrem Abriß im Jahr 1894 genutzt.

Die Grabungsergebnisse lassen sich mit der urkundlichen Überlieferung bestens verbinden. Zwei Urkunden aus dem Lorscher Codex aus den Jahren 786 und 903 benennen ein Nonnen­kloster in Roden. Der kleine Nonnenkonvent konnte sich aber aus politischen Gründen nicht sehr weit entwickeln. Dies ist wohl der Grund dafür, daß sich auch seine weitere bauliche Entwicklung in Grenzen hielt und seit dem Abbruch der alten Kirche 1894 keine sichtbaren Zeugnisse mehr vorhanden sind. Wie die Grabungen auf den der Kirche benachbarten Grund­stücken zeigten, war das kleine Kloster nicht auf jungfräulichem Gelände, sondern innerhalb einer bis in das 6. Jahrhundert zurückreichenden fränkischen Siedlung errichtet worden, die sich offenbar über die ganze hochwasserfreie, eiszeitliche Sanddüne erstreckte, die den Kirchenhügel von Ober - Roden bildet (Egon Schallmayer).

 

„Thomashütte“:

Mit dem Auto ist die Anfahrt etwas umständlich. Man muß von der B 45 an der Abfahrt Eppertshausen abfahren und wird dann im Dreieck weit durch den Wald geführt, ehe man wieder an die Bundesstraße herankommt und neben ihr in Richtung Thomashütte fahren kann.

Hier im nördlichen Odenwaldvorland mit seinen reiche Vorkommen an Ton, den schon die Römer abgebaut haben, entstanden im Mittelalter bedeutende Töpferzentren von über­regionaler Bedeutung, über das ganze Land verstreut. Im vergangenen Jahrhundert drehten sich in Urberach noch in jedem zehnten Haus die Töpferscheiben. Aber auch die Herstellung von Baukeramik war üblich, beispielsweise da Brennen von Ziegeln, wie es in der Thomas­hütte von 1698 auch mit Erlaubnis von Graf Philipp Reinhard zu Hanau betrieben wurde. Dazu gehörten auch Landwirtschaft und der Unterhalt einer Herberge für Reisende, Fuhrleute und Pferde. Unübersehbar leuchtet das Weiß der Häusergruppen von Scheunen und Stallun­gen herüber, zum Teil noch mit Ziegeln der einstigen Brennerei gedeckt, die ihren Betrieb erst nach 225 Jahren in den zwanziger Jahren eingestellt hat.

 

 

Rodgau – Jügesheim

Am Ein­gang des Gehöfts Patershausen findet sich eine Grabplatte der Elisabeth Brendel von Homburg, Frau des Martin von Heusenstamm und Mut­ter des Sebastian von Heusenstamm. Er war Schultheiß von Frankfurt um 1508.

Eine Hinweistafel gibt erschöpfend Auskunft: „Ursprung Benediktiner­kloster, seit 1252 umgewandelt in Zister­zienserkloster; aufgehoben in der Refor­mationszeit 1561; von Maria Theresia von Schönborn 1741 gekauft und zu Wirt­schaftsgebäuden umgestaltet; Übergang mit Feldern und Wäldern in Eigentum der Stadt Hausenstamm 1970.“

Doch der Hof ist nicht nur Relikt der Vergangenheit: Von hier aus wird Land­wirtschaft betrieben, ein Demeterhof in Bioland‑Quali­tät. Man betreibt Viehzucht und hat eine eigene Schlachtung. Der Hofladen bietet Leckeres feil (donnerstags von 15 bis 19 Uhr und freitags von 9.30 bis 12 Uhr). Klar, daß auch selbstgemachte Brat­wurst und ebensolcher Apfelwein kre­denzt wird ‑ im Garten unter uralten Bäumen, allerdings nur an Sonn‑ und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr und nur bei schönem Wetter.

In der Schreinerei findet sich noch eine alte Säule. Sie ist allerdings nicht aus der Klosterkirche, denn sie ist von 1752, als es schon kein Kloster mehr gab. An der Nordwand ist ein gotsicher Bogen, der ein Rest des alten Klosters sein könnte (Durchgang zum Kreuzgang?).

 

 

Mainhausen

Mainhausen hat mit seinen Ortsteilen Mainflingen und Zellhausen etwa 8.400 Einwohner.

Sehenswürdigkeiten sind der klassizistische Kirchenbau St. Kilianus, Hügelgräber und die Mainbrücke.

 

Mainflingen:

In Mainflingen kann man im Bereich der Kirche auf den Mainuferweg stoßen. Hier spannt sich eine Fußgänger‑ und Radfahrerbrücke über den Main, die Kilianusbrücke von 1989. Sie verbindet Hessen (Mainflingen) und Bayern (Dettingen) und ersetzt eine alte Fährverbindung über den Main.

Vor der Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 lagen auf dem Mainufer bei Mainflingen 50.000 Franzosen gegenüber der „Pragmatischen Armee“ mit 16.000 Engländern, 16.000 Hannoveranern, 20.000 Österreichern und 6.000 Hessen unter Führung des englischen Königs Georg II. Der Kampf, den die „Pragmatische Armee“ für sich entschied, forderte etwa. 5.000 Tote und Verwundete.

 

Mainflinger Seen:

Am Main entlang geht es zum Naturschutzgebiet Mainufer Mainflingen. Südlich des Ortes liegen die Mainflinger Seen, wo in der sechziger und siebziger Jahren Kies abgebaut. Danach füllten sich die Gruben mit Wasser. Die beiden nordwestlichen Becken werden als Bade‑ und Anglersee genutzt, der südliche Teil ist seit 1977 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Dies ist die ehemalige Bong‘sche Tongrube: Seit 1933 wurden die beiden hier liegenden Tongruben von der Firma Bong erschlossen. Das Luftbild zeigt die beiden Bong'schen Tongruben. Während in der linken heute noch Ton abgebaut wird, sollte die rechte nach der Stillegung zu einer Giftmülldeponie umfunktioniert werden. Dies konnte durch engagierte Proteste verhindert werden. In Kürze soll hier ein Naturschutzzentrum entstehen. Der Weg um die Seen herum - vor allem entlang der Bundesstraße - ist sehr schmal. Man kann aber nördlich der Bong’schen Tongrube abbiegen in die Seestraße (die an dieser Stelle mit dem Auto nicht erreichbar ist) und wieder nach Mainflingen und zum Auto zurückkehren.

 

Sendefunkstelle:

Westlich davon liegt die Sendefunkstelle Mainflingen. Seit den neunziger Jahren dient die Anlage auch zur Ausstrahlung des Programms des Evangeliumsrundfunks. Das Gelände hat eine Vorgeschichte: Hier befand sich ein geheimes Flugfeld der deutschen Luftwaffe, das im Zweiten Weltkrieg genutzt wurde. Heute gibt Mainflingen ganz Europa die Zeit vor. Über Langwellensender wird das Signal der Atomuhr in Braunschweig verbreitet. Die hochkomplexen Atomuhren, unter ihnen die Masterclock CS2, sind auf Jahre so vorprogrammiert, daß sie den Langwellen-Sender DCF77 in Mainflingen dazu veranlassen, die richtige Zeit europaweit zu verbreiten. Selbst wenn in der entsprechenden Nacht deutschlandweit der Strom ausfällt, geht die korrekte Zeit nicht verloren. Die geräuschlosen, supergenauen Uhren laufen in diesem Fall mit Hilfe einer Batterie oder eines Generators weiter.

Über die Mainflinger Sendemasten für Langwelle wurde Anfang 2006 das Zeitzeichen DCF77, das Signal der Europäischen Funkrundsteuerung (EFR) DCF49 verbreitet. Derzeit wird das DGPS ‑ Signal DCF42 gesendet, das von der Deutschen Telekom AG in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie betrieben wird und hochgenaue Positionsbestimmungen ermöglicht.

Die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) 1980 im „Gesetz über die Zeitbestimmung“ als gesetzliche Hüterin der Zeit bestimmt und ist damit für die Umstellung der Uhren auf Sommerzeit am letzten Märzwochenende zuständig. In der Nacht selbst muß man aber gar nicht viel tun. Eigentlich können gar keine Pannen passieren. Trotzdem wird ein Mitarbeiter in der Nacht zum Sonntag seinen Funkwecker kontrollieren, ob er tatsächlich um 2 Uhr früh auf 3 Uhr vorspringt und die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) anzeigt.

 

Grasbrücke:

Südlich der Autobahn liegt noch ein lohnendes Ziel: Auf der Bundesstraße 469 nach Aschaffenburg muß man noch vor der Autobahn links abbiegen zum Gasthaus Schwalbennest und zur Waldrandsiedlung. Nachdem man unter der Autobahn hindurch geht, biegt man wieder links ab, dem Wegweiser „Schwalbennest“ folgend. Rechts von der Gaststätte stehen zwei Hinweisschilder auf die Grasbrücke. Diese liegt hinter den Schildern, wenn man über die Wiese und etwas nach links in den Wald geht (der Weg abwärts führt zur Gersprenz­mündung).

Die Brücke überspannt einen Bach, der in die Gersprenz mündet, aber bei Trockenheit kein Wasser führt. Auf der ältesten bekannten Darstellung von 1594 erscheint sie mit dem Namen „Krafftsbrücke“. Der jetzige Bauzustand der Rundbrücke aus großen behauenen Steinen stammt aus der Zeit nach ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg. Es ist zwar schwer festzustellen, wie alt die Brücke wirklich ist. In einer im September 2001 vom Geschichts- und Heimatverein Mainhausen herausgegebenen Schrift „Die Grasbrücke“ wird dazu Dr. Schopp, Historiker aus Seligenstadt, zitiert. Er gibt in seinem Büchlein über das Seligenstädter Geleitswesen einen Anhaltspunkt darüber und schreibt: „Im 30jährigen Krieg wurde die Anlage zerstört. Brücke und Schlag lagen bis 1656 ruiniert“. Es ist also möglich, daß die Brücke aus diesem Jahr stammt.

Die Brücke markierte die Grenze zwischen der Zent Seligenstadt und dem Zehntbezirk Bachgau (heute bayerische Grenze). Sie war ein Übergang über einen alten Grenzbach und führte über die „Bachgauer Landwehr“, die das Stockstädter Gebiet einschloß und den Zehntbezirk Seligenstadt nach Süden hin begrenzte. Landwehren bestanden meist aus einem Graben, hier der natürliche Bachgraben, einem Wall und einem undurchdringlichen Gestrüpp aus Dornenhecken. Man benötigte Landwehren für die Abgrenzung der Zehntbezirke, von Feldmarken und zur Kontrolle der Verkehrswege. Später büßten sie diese Bedeutung ein, wurden abschnittsweise noch als Viehzaun benutzt und gepflegt und verschliffen sich später gänzlich in der Landschaft.

Die herausragende Bedeutung erhielt dieses Bauwerk, durch das Geleitswesen. Die Brücke war Teil der heute nicht mehr existierenden und durch Kiesabbau und Mülldeponien auch in Spuren nicht mehr auffindbaren „Alten Strasse“. Die Grasbrücke liegt also an der alten Messegeleitstraße von Augsburg / Nürnberg nach Frankfurt. Über sie mußten die Kaufleute ziehen, um zur Messe nach Frankfurt zu gelangen, das heißt: Sie war damals ein viel benutzter Verkehrsweg. Mit dem Bau von Brücken wurde das Überqueren eines Gewässers wesentlich erleichtert. Die Grasbrücke aus dem Mittelalter ist eine solche historische Brücke.

Um die Kaufmannszüge vor Wegelagerern, Räubern und Plünderern zu schützen, wurde das Geleit eingeführt. Die Grasbrücke war in der Reisezeit mit Bauern des Zehntbezirks Seligenstadt besetzt. Auf der Brücke wurden die Züge von sichernden Reitern abgeholt und bis zum Verlassen des Seligenstädter Gebietes bis zum Schlag oberhalb von Hainstadt begleitet. Der „Faut“ (ehemaliger kurfürstlicher Beamte) aus Seligenstadt übernahm mit seinen Leuten den Geleitschutz durch das Gebiet. In Hainstadt übernahm dann die Steinheimer Zent das Geleit für den Zug.

An der Brücke wurde auch der „Mainzoll“ des Klosters Seligenstadt erhoben. Hier begann bzw. endete das „Fischrecht“ der Seligenstädter Fischerzunft. Man kann dann noch einmal um die Wochenendhaussiedlung herumfahren und auf dem gleichen Weg wie auf der Hinfahrt wieder zurück zur Bundesstraße.

 

Häuser - Siedlung:

Von der Bundesstraße zweigt bald links ein Weg ab. Wenn man an der ersten Abzweigung nach links fährt kommt man an den Hügelgräbern vorbei. Dann kommt wieder ein breiterer Weg und dann der zweite Weg links führt zur Häuser-Siedlung. Das Häuser Schlößchen steht mit einer nahe gelegenen Wüstung in Verbindung, dem „Zellerhof“. Beide Siedlungen seien abgebrannt.

Der Legende nach hätten die Bewohner vom Zellerhof und die vom Häuser Schlößchen eine neue Siedlung errichtet, wobei sie bei der Namensgebung die Namen beider Vorgängerdörfer verwendeten. Daraus sei das nahe gelegene Zellhausen entstanden. Urkundlich ist es seit 1329 als „Cellhusen“ belegt. Die mit dem Schlößchen in Verbindung stehende Siedlung „Husen“ ist 1238 erstmals erwähnt. Im Jahre 1829 durch geführte Ausgrabungen brachten Fundament und Straßenpflaster zu Tage. Es könnte sich dabei um einen befestigten Turm mit umliegenden Gebäuden gehandelt haben.

 

Zellhausen:

Im Jahre 1329 wird der Ort als „Celhusen“ erstmals erwähnt. Das Kloster Seligenstadt hat hier Besitz von zwei Höfen. Im Jahre 1791 löst die Gemeinde durch die Zahlung von 250 Gulden an den Landesherren, den Erzbischof und Kurfürsten von Mainz die Leibeigenschaft ab. Nach der Säkularisation 1803 kommt Zellhausen von Kurmainz an Hessen. Bei Luftan­griffen auf den Flugplatz Zellhausen im Jahre 1944 entstehen auch schwere Schäden im Ort.

Nördlich des Ortes an der Babenhäuser Straße liegt der Königsee, wo auch am Ostrand ein Strandbad ist.

Im Jahre 1977 wird Zellhausen im Zuge der hessischen Gebietsreform mit dem benachbarten Mainflingen zu Mainhausen zusammengelegt.

Im Dorf ist weiter nichts Besonderes zu sehen. Im Nordwesten ist eine Straße nach Käthe Paulus benannt, die am 22. Dezember 1868 in Zellhausen geboren wurde. Am 28. August 1893 hielten bei einem Volksfest in Nürnberg mehr als 60.000 Zuschauer den Atem an: Ein gewisses Fräulein Katharina („Käthchen“) Paulus, am, sprang als erste Frau in Deutschland mit einem selbstgenähten Fallschirm aus einem Ballon aus 1.500 Metern Höhe zur Erde. Käthe Paulus erfand den Paketfallschirm, der im Ersten Weltkrieg unzähligen Piloten das Leben rettete. Am 26. Juli 1935 starb sie in Berlin ‑ Reinickendorf, wo ihr die Stadt ein Ehrengrab errichtete.

 

 

Käthe Paulus aus Mainhausen Pionierin der Lüfte:                                                

Matrosenanzug. Pluderhose, kniehohe Schnürstiefel: Schon das für eine Frau außergewöhnliche Outfit von Käthe „Kätchen“ Paulus faszinierte das Publikum der Jahrhundertwende. Abertausende Menschen bewunderten die 1868 in Mainhausen bei Seligenstadt geborene Paulus bei ihren spektakulären Auftritten in ganz Europa. Eine Chronik verzeichnet an die 700 Ballon - Aufstiege und 165 Fallschirmsprünge.

Zum ersten Mal ging Käthe Paulus 1893 in Nürnberg in die Luft. Ihr Geschäfts- und Lebenspartner Hermann Lattemann nahm sie mit in seinem Ballon, kurz danach sprang sie aus dem Ballon an einem Fallschirm in die Tiefe - als erste Frau. Nach der gelungenen Premiere tingelte das Paar, das sich in Wiesbaden kennengelernt hatte, durchs Land, um seine Kunststücke gegen Geld vorzuführen. Ein Jahr später kam Lattemann bei einem Absturz ums Leben; wiederum ein Jahr danach starb der gemeinsame Sohn.

Käthe Paulus flüchtete in die Arbeit. Sie kaufte mehrere Ballone, mit denen die „Berufsluftschifferin“ in 88 Städten abhob, darunter London, Paris, Wien, Berlin. An Paulus Wohnort Frankfurt lockten die Aufstiege sonntags die Ausflügler scharenweise in den Zoologischen Garten.

Nicht immer lief während der Spektakel alles glatt. In Neu – Isenburg pflückte die Feuerwehr „Kätchen“ aus einer Baumkrone. In Budapest soll sie nach einer mißglückten Landung eine Strafe für einen beschädigten Kandelaber berappt haben. Die Unternehmerin baute ihr Geschäft systematisch aus. Als Flugzeuge und Zeppeline ihrer Ballon - Schau zunehmend Konkurrenz machten, bot Paulus Werbe- und Passagierfahrten an. Die gelernte Näherin schneiderte außerdem Ballonhüllen und Fallschirme in Serie. Im Jahre 1909 baute sie als einzige Frau einen Verkaufsstand auf der ersten Internationalen Luftschiffahrt- Ausstellung in Frankfurt auf.

Seit dem Tod ihres Lebensgefährten Hermann Lattemann hatte sich Paulus intensiv mit der Sicherheit der Fallschirme beschäftigt. Sie entwickelte das Grundmodell des bis heute eingesetzten Paket- oder Rettungsfallschirms. Ihre Werkstatt in Berlin fertigte zahlreiche solcher Fallschirme und etliche Ballone, auch für das Militär. Sie kamen im Ersten Weltkrieg zum Einsatz.

An die berühmte Luftschifferin erinnern eine nach ihr benannte Grundschule im Ortsteil Zellhausen. Dort ist ihr Geburtshaus erhalten. Der örtliche Luftsportverein hat eine Halle nach Käthe Paulus benannt. Im Ballonsport bilden Frauen immer noch eine Ausnahme. Unter den rund 2000 Mitgliedern des Deutschen Freiluftballonsport-Verbands (DFSV) gibt es nur wenige Pilotinnen. Sie verstehen sich durchaus als Enkelinnen von Paulus.

 

Kloster Zellkirch:

Geplant ist die Herrichtung des ehemaligen Klosters Zellkirch, aber es gibt keinen Hinweis darauf, wo dieses lag. Bis zum Jahre 1816 stand auf einem flachen Hügel am Zellerbruch, eine halbe Wegstunde vom Ort Zellhausen entfernt, die dem Hl. Georg geweihte Zellkirche inmitten eines ummauerten Friedhofes. Im 7. Jahrhundert ist die Zellkirche, welche dem heiligen Georg geweiht war, vermutlich eine Missionsstation iroschottischer Missionare. Die die Kirche umgebende Befestigungsanlage wurde vermutlich im 13. Jahrhundert aufgegeben.

 

Schachenbrunnen:

Der Schachenbrunnen entstand im 19. Jahrhundert, um durchziehende Vieh‑ und Schafherden mit Wasser zu versorgen. Bis in das 18. Jahrhundert war der Wald Zankapfel zwischen dem Kloster und der Stadt Seligenstadt. Die nahe liegenden und kürzlich von Bäumen befreiten Grabhügel stammen aus der Zeit um etwa 600 vCh. Der Brunnen liegt etwas abseits an der Autobahn A 3, südöstlich der Autobahnauffahrt Seligenstadt. Schon vor der Auffahrt muß man nach links in einen Weg abbiegen und von diesem gegenüber der Auffahrt nach links abbiegen (nicht bis ganz zur Autobahn). Am Ende dieses Wegs geht es rechts und links weiter immer an der Autobahn entlang bis zum Brunnen. Man kann auch in Seligenstadt von der Würzburger Straße in die Giselastraße abbiegen, die sich im Schachenweg fortsetzt. Wo er endet, biegt man nach links ab zu dem See am Schachenbrunnen.

 

 

Seligenstadt

Römer:

In Seligenstadt siedelten schon die römischen Soldaten. Das Kastell liegt im Bereich der Altstadt auf dem Hochufer des Mains. Es erstreckt sich von dem Gelände der staufischen Pfalz über den Marktplatz in West-Ost-Richtung und von der Kleinen Maingasse bis zur Mohrmühlgasse in Nord  - Süd -  Richtung. Ausgangspunkt für die römische Forschung am Ort war das in den Jahren 1819 und 1840 / 1841 ergrabene Kastellbad, das unterhalb der Hans - Memling - Schule in unmittelbarer Nähe des heutigen Anlegeplatzes der Mainfähre lag. Die Versuche, das zugehörige Kastell zu finden, blieben bis ins 20. Jahrhundert erfolglos. Erst 1914 vermutete E. Fabricius, die römische Befestigungsanlage müsse auf dem Altstadtplateau liegen. Durch dort durchgeführte umfangreiche Kanalisationsarbeiten im Jahr 1937 konnten Kastellmauer und -graben an mehreren Stellen beobachtet und die Größe des Kastells (160 mal 190 m = 3 Hektar) festgestellt werden. Der ermittelte Flächeninhalt des Steinkastells, der nach jetzt erfolgter genauer Einmessung sogar 3,11 Hektar betragen hat, stimmt sehr gut überein mit der Kastellgröße, die für die inschriftlich belegte Besatzungstruppe Seligenstadts - die Cohors I civium Romanorum equitata -  erforderlich war. Diese Truppe wird auf einem Inschriftenfragment, das oberhalb der Kanzel in der Einhards ‑ Basilika vermauert ist, genannt.

In den Jahren 1975 und 1976 wurden auf dem Gelände hinter dem heutigen Rathaus die ersten  systematischen Grabungen innerhalb des Kastellareals durchgeführt. Zunächst konnten die Reste der Steinphase freigelegt werden. Erkennbar war die Vorderfront eines Steingebäudes, von dessen Fundament nur noch die letzte Steinlage erhalten war. Davor lag ein Pfostengräbchen, auf dessen Pfosten ein Vordach (porticus) ruhte und parallel dazu ein zweiperiodiges Trauf- oder Abwasser­gräbchen. Weitere zum Teil ausgebrochene Mauerzüge ließen im Innern des Gebäudes zwei Räume von etwa 3 mal 3 Meter Größe erkennen. Im hinteren Raum waren noch Estrichreste vorhanden. Unter der Vorderfront zeigte sich das Pfostengräbchen mit Pfosten eines älteren Holzgebäudes, vor dem sich ebenfalls ein Vordach befand, das auf großen Pfosten auflag. Zu den Holzresten gehörte die ältere Einfüllzone des Traufgräbchens.

Die Datierung der beiden Bauperioden ergab sich aus dem vor allem in der Taufgräbchenfüllung eingelagerten Fundmaterial. Einige Funde sprechen für einen Beginn des Holzkastells spätestens in trajanischer Zeit. Möglicherweise ist das Kastell auch etwas älter. Der Steinausbau des Kastells erfolgte um die Mitte des 2. Jahrhundert nCh. Mit den bei dieser Grabung angeschnittenen Bauresten dürfte ein Teil der Stabsgebäude (principia) freigelegt worden sein. Allerdings läßt sich dies nicht ganz sicher sagen, da ähnliche Raumgrößen sowohl bei Stabsgebäuden als auch bei Mannschaftsbaracken vorkommen können.

Ebenfalls 1976 konnte in der Freihofstraße ein Graben auf über 50 Meter Länge freigelegt werden, der möglicherweise zu einem kleineren, dem späteren Steinkastell vorausgehenden Holz - Erde -Kastell gehört.

Das südöstlich des Kastells unmittelbar am Main gelegene Kastellbad wurde im 19. Jahrhundert nur zu einem Teil ausgegraben. Nach der vorhandenen Zeichnung handelt es sich um ein Bad des Reihentyps, bei dem die unterschiedlich temperierten Baderäume hintereinander begangen wurden. Die aufgedeckten Reste waren zum überwiegenden Teil hypokaustiert, so daß wohl der Warm- und Heißbadetrakt der Therme angeschnitten worden war. Die Wasserzuleitung erfolgte von Südwesten. Die aus dem Bad stammenden Ziegelstempel nennen die Kastellbesatzung, die Cohors I civium Romanorum equitata. Die teilweise berittene Einheit in der Stärke von 533 Mann war noch um die Wende des 1. zum 2. Jahrhundert nCh in Niedergermanien stationiert, wurde aber bald danach versetzt, da sie bereits 116 nCh in Obergermanien bezeugt ist. Schon zu dieser Zeit dürfte sie in Seligenstadt gestanden haben, wo sie bis zum Limesfall um 263 nCh verblieb. Offenbar hat die Truppe am Ort Ziegel über den eigenen Bedarf hinaus zum Versand produziert, da sich auch an anderen Kastellplätzen Ziegelstempel dieser Kohorte gefunden haben.

In Seligenstadt existierte ein ausgedehntes Lagerdorf, dessen Spuren sich an allen drei Landseiten des Kastells gefunden haben. Nach der Fundstreuung zu urteilen, bestand es bereits seit der Zeit des älteren Holzkastells. Aus einer 1953 auf dem Marktplatz gefundenen Terra – Sigillata - Scherbe mit Graffito „... ogabi Nundinensium“ (Name einer Marktgottheit?) hat man auf einen Markt in römischer Zeit beim Kastell Seligenstadt geschlossen.

Jeweils an den aus den Kastelltoren herausführenden Straßen lagen die Friedhöfe. Ein großes Gräberfeld befand sich im Bereich des heutigen Steinheimer Tores. Die Funde datieren die geborgenen Gräber, allesamt Brandgräber, in den Beginn des 3. Jahrhunderts nCh. Weitere Gräberfelder lagen im Bereich der evangelischen Kirche und an der Froschhäuser Straße. Möglicherweise zu einem römischen Gutshof gehört das Gräberfeld am Fürgebrüchsweg. Die Grabung 1975 hinter dem Rat­haus lieferte bedeutsame Hinweise auf die Weiterbesiedlung des Kastellareals in der frühen Völkerwanderungszeit.

Unmittelbar über den römischen Strukturen lagen an zwei Stellen Gruben mit zahlreichem Keramik- und Knochenmaterial. Die Keramik setzt sich zusammen aus einigen Randstücken der spät-römischen Terra -  Nigra - Ware sowie den Fragmenten ihrer handgemachten germanischen Nachahmung, die an Ort und Stelle gebrannt wurden. Ein beinernes Dreilagenkammbruchstück, das mit in der Siedlungsgrube lag, verweist auf den elbgermanischen Zusammenhang. Die Funde sind absolut datiert durch eine römische Münze, geprägt im Rom 341 - 346 nCh. Damit lassen sie sich in die Mitte bis 2. Hälfte des 4. Jahrhundert datieren. Eine ebenfalls bei der Grabung gefundene rädchenverzierte Sigillata - Scherbe des 4. Jahrhunderts unterstützt diesen zeitlichen Ansatz in willkommener Weise.      

 

Geschichte:

Zwischen den Resten ihres Kastells  bildete sich die fränkische Siedlung „Obermulinheim“. Diese erhielt 815 Einhard, der Biograph Karls des Großen und Berater Ludwigs des Frommen. An seinem Hof in Aachen und auf seinen vielen Reisen durch das Reich umgab Karl sich gern mit einem Kreis aus Freunden und Beratern, zu denen einige der größten Gelehrten der damaligen Zeit gehörten. Unter ihnen war auch Alkuin, ein aus York in England stammender Theologe, der nicht nur zum einflußreichsten Ratgeber Karls des Großen in Staats- und Kirchenfragen wurde, sondern auch dessen Hofschule in Aachen leitete und maßgeblich zu den Bildungsreformen der „Karolingischen Renaissance“ beitrug.

Einhard wiederum - geboren um 770 im ostfränkischen Maingau und erzogen im Kloster Fulda - kam als Schüler Alkuins an den Hof Karls des Großen. Wegen seines handwerklichen Geschicks übertrug Karl ihm später die Aufsicht über die kaiserlichen Bauten, etwa über das Aachener Münster, betraute ihn aber immer wieder auch mit politischen Missionen.

Für seine treuen Dienste schenkte Ludwig der Fromme (der Sohn Karls des Großen) an Einhard ein Jahr nach dem Tod seines Vaters die Mark Michelstadt im Odenwald und die Domäne Mulinheim superior - das heutige Seligenstadt.

Eigentlich hatte Einhard vor, sich zusammen mit seiner Frau Imma, einer Schwester des Bischofs Bernhard von Worms, im Odenwald zur Ruhe zu setzen. In Steinbach hei Michelstadt ließ er sich einen Herrensitz errichten, in dessen Zentrum eine 827 vollendete Kirche stehen sollte. Die Steinbacher Einhardsbasilika zählt heute zu den ältesten noch erhaltenen Sakralbauten aus karolingischer Zeit. Warum Einhard seine Pläne wenig später änderte, ist nicht ganz klar. Angeblich waren es böse Träume, die ihn in Steinbach plagten und ihn veranlaßten, nach Seligenstadt umzuziehen.

Seinen Odenwälder Besitz hatte er schon 819 der Lorscher Abtei vermacht, und es spricht einiges dafür, daß er mit seiner eigenen Gründung nicht im Schatten dieses mächtigen Reichsklosters stehen wollte und deshalb nach Seligenstadt auswich

Dort jedenfalls gründete er um 830 eine Abtei, deren erster Abt er wurde, dort ließ er eine neue, größere Kirche nach römischem Vorbild bauen, und dort schrieb er auch seine große Biographie Karls des Großen.

 

Bis zu seinem Tod am 14. März 840 lebte Einhard in Seligenstadt. Seine Gebeine ruhen wie die der 836 gestorbenen Imma in einem Sarkophag in der zum Kloster gehörigen Basilika. Im Jahr 2005 erbrachte eine wissenschaftliche Untersuchung der Überreste deutliche Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei den Toten tatsächlich um Einhard und seine Frau handelt.

Für die ebenfalls in Seligenstadt ruhenden sterblichen Überreste der römischen Heiligen Marcelli­nus und Petrus, denen die Basilika geweiht ist, läßt sich ein solcher Nachweis nicht erbringen. Sicher ist nur, daß Einhard selbst diese wertvollen Reliquien 827 aus Rom zunächst nach Steinbach und von dort nach Seligenstadt schaffen ließ, wo sie ähnlich wie die Gebeine des heiligen Nazarius in Lorsch dazu beitrugen, das Prestige und damit auch die weltlichen Besitztümer des neugegründeten Klosters zu mehren. Daran vermochte auch die eher zweifelhafte Herkunft der Gebeine nichts zu ändern: Ratleik, Einhards Sekretär, hatte in Rom erst einen Vertrag mit einem professionellen Reliquienhändler schließen und den Boden einer Kirche umgraben müssen, um die Gräber der Heiligen zu finden und die nötigen „Beweise“ für ihre Echtheit zu bekommen.

Die beiden Märtyrer wurden 304 in Rom hingerichtet. Die Reliquien befanden sich in einer Kirche in Rom. Einhard ließ sie dort rauben und zunächst in seine Kirche nach Steinbach bei Michelstadt bringen und dann nach Seligenstadt überführen.

Zunächst hat Einhard die Reliquien in sein Eigengut (Michelstadt-) Steinbach gebracht. Offenbar war aber Michel­stadt nicht der geeignete Aufbewahrungsort, nach einigen Erscheinungen und einer Blutspur an ihrem Sarge, faßte Einhard den Entschluß, sie nach Seligenstadt in die dortige Krypta zu überführen. Durch Traumvisionen veranlaßt, überführte er die Heiligen in einer zweitägigen Prozession am 16. und 17. Januar 828 nach „Obermulinheim“.

Die von Einhard selbst beschriebene „Translatio“ haben beide Gemeinden, Michelstadt und Seligenstadt, nun zum Anlaß genommen, mit der Einrichtung eines 60 Kilometer langen Rad- und Wanderwegs auf die gemeinsamen historischen Wurzeln hinzuweisen. Vor den von Einhard erbauten Basiliken in Steinbach und Seligenstadt finden sich jeweils Erläuterungstafeln zu Wegeverlauf und geschichtlichem Hintergrund.

Infolge zahlreicher Wunderberichte der Pilger wurde der Ort dann in „Seligenstadt“ umbenannt. Über den Gräbern der Märtyrer in Rom errichtete man Kirchen und ermöglichte den Pilgern einen Zugang über vertieft gelegene Kammern. Berichte von Wundern führten zu dem Glauben, daß die Heiligen hier in ihren Reliquien besonders wirkkräftig seien, so daß deren Besitz zu einem erstrebenswerten Gut wurde.

Etwa 830 kam es zur Gründung einer klösterlichen Gemeinschaft in Seligenstadt, aus der sich bald das Benediktinerkloster entwickelte. Im Jahre 828 gründete Einhard das Benediktinerkloster  und errichtete eine Wallfahrtskirche über dem Grab der frühchristlichen Märtyrer Petrus und Marcelli­nus, um die Stadt aufzuwerten. Der Abt Einhard ließ die Abteikirche errichten, die zur Wallfahrtsstätte der Heiligen Marcellinus und Petrus wurde. Im Jahre 1574 entstanden Klostermühle und Mühlgarten (auch „Thiergarten“ genannt).Ab 1683 erfolgte der Ausbau zur barocken Anlage Es entstanden die „Alte Abtei“ und 1686 der Konventbau.

 

Im Jahre 1045 erhielt Seligenstadt das Stadtrecht. Hier hielten besonders die salischen Kaiser  des öfteren Hof- und Fürstentage ab Auf sie dürfte auch die Kaiserpfalz zurückgehen. Die salischen und staufischen Kaiser benutzen Seligenstadt neben Gelnhausen als Stützpunkt ihrer Herrschaft am Main. Nach ihrem Aussterben stritten sich Könige und Fürsten um den Besitz der Stadt, bis schließlich der Erzbischof von Mainz sich im Jahre 1308 ihrer bemächtigte. Aber er räumte der Bürgerschaft Freiheiten und Rechte ein, die sie den Bewohnern der Reichsstädte gleichstellte. Seine schönste Blüte erlebte Seligenstadt um das Jahr 1500, wo neben einer großen Anzahl von Künstlern (Maler, Bildhauer, Glasmaler), der Maler Mathias Grünewald hier lebte und bis zu seinem Tod im Jahr 1528 in Halle dennoch der Leineweberzunft von Seligenstadt angehörte.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gingen die Freiheiten größtenteils verloren, nur mit Bitterkeit ertrug die Bürgerschaft den immer stärker werdenden Druck des kurfürstlichen Regiments. Aus dieser Zeit stammt der interessante Wappenstein, der am Rathaus eingemauert ist und als Schildhalter zwei Hunde zeigt, die zwei Krummstäbe (Erzbischof und Abt) verschlingen.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg erholte sich die Abtei innerhalb eines Menschenalters von den erlittenen Schäden und war am Ausgang des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu umfangreichen Erneuerungs- und Erweiterungsbauten in der Lage. Das Wappen der baulustigen Äbte dieser Zeit schmücken die Portale an der Klostermauer, die Prälatur und das vor der Stadt gelegene Wasserschloß.

Seligenstadt war auch bekannt für seine Wein und war eine Haupttrinkstation der Nürnberger und Augsburger Kaufmannszüge, die mit den beiden Seligenstädter Geleitslöffeln ein einzigartiges feuchtfröhliches Brauchtum trieben und darum nicht selten mit Verspätung zur Frankfurter Messe kamen.

 

Rundgang:

Seit dem Mittelalter verbindet eine Fähre das Kloster Seligenstadt mit seinen Besitzungen im Vorspessart, wo der Weinbau von besonderer Bedeutung war. Nach der Auflösung des Erzstifts Mainz und der Teilung der beiden Mainufer in einen hessischen und einen bayerischen Teil wurde die Fähre zum Grenzposten. Seit 1970 transportiert eine frei fahrende Fähre Menschen und Fahrzeuge von Seligenstadt (Hessen) nach Karlstein (Bayern).

An der Mainfähre empfängt den Besucher ein Fischerkahn mit dem Wappen der Fischerzunft Seligenstadt. Man geht man durch die große Maingasse mit den Fachwerkbauten aus dem 15./16. Jahrhundert. Rechts ist die Römerstraße, in der die eine Seite aus Fachwerkhäusern besteht, die andere aus Steinhäusern, weil 1903 während des Bürgermeisterwahlkampfs eine Brandstiftung vorkam. -  Die Zahlen beziehen sich auf das Informationsblatt für Seligenstadt:

 

Abteikirche (1):

Von weitem schon sieht man die größte noch aufrecht stehende karolingische Basilika nördlich der Alpen. Auf den Stufen zum Eingang stehen die Standbilder von Marcellinus und Petrus, der Patrone der Kirche. Der langjährige Berater und Biograph Karls des Großen Einhard gründete im Jahr 828 in Seligenstadt ein Kloster, das er mit einer großen Basilika für die Reliquien der heiligen Marcellinus und Petrus ausstattete. Die Basilika zählt zu den größten im Kern karolingisch erhaltenen Kirchenbauten nördlich der Alpen.

Die Gebeine der beiden um 304 in Rom hingerichteten Märtyrer Marcellinus und Petrus birgt ruhen in einem silbernen Schrein unter dem vorderen Altar im Chorraum, wo sich zu Einhards Zeit ihr Grab in einer engen Ringkrypta befand. Diesen Reliquien verdankt die Stadt Seligenstadt letztlich ihre Gründung. Den Gepflogenheiten der Zeit gemäß hatte Einhard die Gebeine um das Jahr 815 aus den Katakomben auf wenig christliche Weise in Rom entwenden lassen. Da der Raub gelang, Schloß man auf die Zustimmung der Heiligen.

Das karolingische Gotteshaus wurde im frühen 18. Jahrhundert vollständig im Barockstil umgestaltet  und ist inzwischen vorsichtig wieder zum karolingischen Baustil zurückgeführt worden. Der schlichte Raum des Kirchenschiffs trägt an den Wänden die Standbilder der zwölf Apostel. Im 13. Jahrhundert wurde die Kirche durch eine spätromanische Choranlage mit mächtigem Vierungsturm ergänzt. Bemerkenswert ist das schmiedeeiserne Chorgitter. Etwas versteckt im nördlichen Querhaus der Basilika liegt der im Jahr 840 verstorbene Laienabt Einhard in einem prachtvollen Marmorsarkophag begraben, zusammen mit seiner Gattin Imma, Tochter Karls des Großen,.

 

Kloster (2):

Man muß die Kirche dann erst wieder verlassen und auf den Freihofplatz mit dem Schulhaus von 1713 gehen. An der Klostermauer befindet sich ein sandsteinerner Erzengel Gabriel aus der Werkstatt des Mainzer Hofbildhauers Burkhard Zamels.

Im Westen ist dann die Klosterpforte von1701  / 1720, die in den Klosterbereich führt. Die Benediktinerabtei wurde 830 gegründet. Sie bestand fast tausend Jahre bis zur Aufhebung 1803. Im Rahmen der schrittweisen Renovierung der Abtei wurde auch die barocke Anlage wieder hergestellt. Wie in einer kleinen Stadt gruppieren sich in Seligenstadt die Wirtschaftsgebäude. Höfe und Gärten um das Kloster und die Kirche. Die „Klosterstadt“ mit ihrem Gärten, Wirtschaftshöfen, Vorratskellern, Brunnen, Skulpturen, Mönchszellen und Prunkräumen ist ein Musterbeispiel barocker Klosterarchitektur. Da bis zu tausend Menschen in der Abtei lebten, waren viel „Personal" und Gebäude erforderlich, um die Versorgung zu sichern: Vorratsräume und Küchen, eine Bäckerei, Brauerei, fünf Keltern, die Schusterwerkstatt und eine Schneiderei.

Die Ordensregel des Heiligen Benediktus sah vor, daß alle für das Kloster und seine Versorgung wichtigen Gebäude sich innerhalb der Klostermauern befanden, „damit die Mönche nicht draußen umhergehen, was für ihre Seelen nicht zuträglich ist“. Hinter den Klostermauern lebten und arbeiteten Mönche fast tausend Jahre nach den Regeln des heiligen Benedikts, bis das Kloster 1803 im Zuge der Säkularisation aufgelöst wurde. In der ehemaligen Benediktinerabtei erwartet die Besucher heute ein unvergeßlicher Einblick in das klösterliche Leben.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen den Klosterkomplex und begann 1960 mit der Wiederherstellung der Außenanlagen sowie der Gebäude. Eine Informationstafel am Eingang teilt mit: Nach dem gartenhistorischen Quellenstudium, der Bestandsaufnahme sowie Grabungen sind Teilbereiche im Konventgarten im Rahmen der wieder­herstellenden Pflege angelegt worden. Einzelelemente wie das Engelgärtchen, das Taubenhaus, die Brunnen und die Mühle wurden mit Hilfe und Einsatz der Bürger in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Die 1753 erbaute Orangerie soll denkmalgerecht überarbeitet werden. Der Eiskeller soll wieder in seiner alten Funktion genutzt werden. Im Konventgarten werden an den Mauern Obstspaliere angebracht. Auch die Belvederes sollen wieder zugänglich gemacht werden. Ein Schwerpunkt liegt in der Pflanzenverwendung für Klosteranlagen. Typische Pflanzen des 17. und 18. Jahrhunderts werden angebaut. Sie sind auf Grund ihrer Symbolik, ihres Zier- und Nutzwertes zum Verständnis des klösterlichen Lebens wichtig.

 

Mühlgarten (3):

Ehemaliger Baumgarten mit Wildgehege und Fasanerie. Heute grasen hier Schafe. Taubenschlag, Bienenstock und Schafpferch spiegeln das Wirtschaften der Mönche wieder.

Ehemalige Remise, auch ehemaliges Waschhaus (26).

 

Klostermühle (27):

Die Getreide - und Ölmühle von 1574 wurde 1993 - 1994 wieder hergestellt und das Mahlwerk rekonstruiert. An Pfingsten zum Mühlentag und am Tag des offenen Denkmals wird die Mühle in Betrieb gesetzt und es wird auch das berühmte Klosterbrot im Fränkischen Steinofen gebacken (auch sonst jeden Donnerstag).

Die Klostermühle von 1574, die von Abt Philipp Merkel vor der Barocksierung der Klosteranlage erbaut wurde, ist das älteste in seiner ursprünglichen Form erhaltene Gebäude der ehemaligen Benediktinerabtei. Die altdeutsche Mühle ist der Nachfolgebau einer Getreidemühle aus dem 11. Jahr­hundert. Der zweigeschossige massive Stufengiebelbau weist gotische und renaissancezeitliche Stilformen auf. Die Wände wurden als Bruchsteinmauerwerk mit geglätteten Ecksteinen und profilierten Fensterwänden ausgeführt und verputzt.

Die Getreide- und Ölmühle wurde früher durch den Mühlbach betrieben. Der ehemals wasserreichste Bach Seligenstadts entsprang im Zellhäuser Bruch und wurde künstlich an den Klosterbereich herangeführt. Er durchzog das Abteigelände in einem großen Bogen von Süden nach Norden. Heute wird die Mühle durch ein Pumpwerk gespeist. Wie früher wird dabei das Wasser über einen Holzkanal (Gerinne) von oben auf die Mühlräder geleitet („oberschlächtig“), die über einen großen Durchmesser verfügen und auch bei geringem Wasserangebot noch genügend Antriebskraft entwickeln.

Der Abteimühle kam eine lebenswichtige Funktion in der autarken Klosterwirtschaft zu. Die Mühle diente bis zur Auflösung des Klosters 1803 der Selbstversorgung der  Mönche, ihrer Bediensteten und ihrer Gäste. Getreide war die Grundlage der Ernährung um kam als Mus, Grütze, Brot und Bier auf den Tisch. Die Klosterbäckerei lieferte auch Gebäcke wie Krapfen, Kuchen, Brezeln, Pasteten und Lebkuchen an die Tafeln.

Die Seligenstädter Klostermühle ist ein Kleinod der Mühlenbaukunst, das auf deutschem Boden seinesgleichen sucht. Der Nachbau der gesamten Innen- und Außenanlage erfolgte 1993 /  1994. Damals wurde der alte Bachlauf ausgegraben und instand gesetzt, drei Mühlräder restauriert und mit einem Schutzdach versehen und ein Pumpsystem mit zwei Zisternen und Pumpanlagen für den Mühlenbetrieb installiert

 

 „Jägerhaus“ (28), ehemaliger Scheunen- und Stallbau, seit 1988 Stadt- und Landschaftsbücherei.

Scheune (29), Speicher für Getreide- und Feldfrüchte sind im Kern aus dem 15. / 16. Jahrhundert „Grünes Tor“ (30)  für den Viehaustrieb vom Wirtschaftshof auf die Gemeinde- und Klosterweiden.

 

Klosterhof:

Hier befindet man sich in dem südlich gelegenen Klosterhof (24), der bis  1817 durch den heute nur noch in seinen Fundamenten erhaltenen Handwerkerbau am Mühlbach (25) aus der Mitte des 17. Jahrhunderts von dem nördlich gelegenen Abteihof getrennt wurde. Das Taubenhaus wurde 1992 rekonstruiert. Noch vorhanden ist das Engelsgärtchen (4), ein Ziergarten mit Ziehbrunnen und Statue der „Unbefleckten Maria“ mit Heiligen und Engeln von 1734.

 

Prälatur (11):

Der Hauptbau des Klosters ist das Franziskus – Blechinger - Haus, der ehemalige Wohnbau des Abtes von 1699 und Gäste- und Repräsentationshaus und ab 1730 eine Bibliothek und seit 1936 Museum. Die Äbte des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts ließen viele Gebäude erneuern und neu ausstatten. Abt Franziskus II. errichtete 1699 eine prachtvolle Prälatur, die in den vergangenen Jahren mit großem Aufwand restauriert wurde. Sie vermittelt einen lebendigen Eindruck der einstigen barocken Pracht. Mehrere Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation übernachteten dort auf dem Weg zu den Krönungsfeierlichkeiten in Frankfurt. Für kaiserliche Besuche stand ein separates Appartement zur Verfügung, in dem 1711 und 1792 deutsche Kaiser logierten. Hinter der Prälatur ist der Prälaturgarten (10) mit dem Kelterhaus.

In den Räumen befindet sich eines der Museen des Klosters mit den Schwerpunkten römische Geschichte, Kloster- und Stadtgeschichte sowie Volkskunde. Das Im Untergeschoß wird nur eine Auswahl römischer Gegenstände gezeigt.

Links neben dem Eingang findet der Besucher einen Weihestein, der 1840 /  1841 beim Abbruch des Maintorturms freigelegt wurde. Die Inschrift lautet: „Der Diana Augusta und zum Wohl unserer Herren, der Kaiser Severus und Antoninus (Caracalla) und des Caesaren Geta sowie des gesamten vergöttlichten Kaiserhauses hat Lucius Gellius Celerianus, der Sohn des Lucius aus der Tribus Flavia ein Nemeter, Centurio der 22. Legion primigenia pia fidelis, den Altar und eine Tafel (Bildwerk?) für sich und die Seinen gestiftet unter dem Konsulat des Cilo und des Libo (204 nCh)“. Auf der rechten Schmalseite des Steins ist ein nach links springender Hirsch dargestellt, auf der linken eine Hirschkuh, die ihr Kalb säugt. In einigen Vitrinen sind Gefäße aus den Grabungen im Stadtbereich ausgestellt. Der überwiegende Teil des römischen Materials wird im Magazin des Museums aufbewahrt.

Hier beginnt auch die Führung, die im Sommer durchgehend von 10.00 - 17.00 Uhr zur vollen Stunde stattfindet. Bei der Führung kann man durch die mittelalterliche Küche, das Sommerrefektorium, die Gästezimmer, den Kaisersaal, die Bibliothek, den Prälaturgarten und den Kreuzgang schlendern und dabei das Leben der Mönche nachempfinden. Klosterküche und Krankenbau kann man auch von außen sehen.

 

Sommerrefektorium (9): Im Jahre 1620 erfolgte der Ausbau des romanischen Kernbaus zum Sommerspeisesaal der Mönche. Die Ausmalung erfolgte 1725 als ein besonders schönes Beispiel der barocken Erneuerungen. Der Raumeindruck dieses Speisesaals wird durch ein Tonnengewölbe mit illusionistischer Architekturmalerei bestimmt.

Kreuzgang (8)  mit Sandsteinbrunnen aus dem Konventgarten.

 

Klosterküche (12):

Links ist eine Durchreiche zur Armenspeisung im Klosterhof. Neben den Bewohnern mußten zusätzlich Arme gespeist werden. Die Inschrift am Fenster der verrußten Klosterküche, an der das Almosenessen ausgegeben wurde, vermittelt einen Eindruck von den Standesunterschieden beim Essen:               Herbey zu Haferbreey

hie in der Suppen hast du Gersten drey,

in dem anderen Plechle den Haferbrey,

an den Braten dich ganz nit kehr,

droll dich hinweg,

dir wirt nit mehr.

 

Krankenbau (7):

Ab 1685erfolgte der Ausbau des romanischen Kernbaus zu Krankenzimmern mit Kapelle. Als das Spital abgebrochen wurde, versorgte das Kloster weiterhin Kranke in einem Klostertrakt. Heute befindet sich hier das Landschaftsmuseum Seligenstadt und der Abgang zu den Weinkellern.

 

Konventbau (6):

Dies ist der Schlaf- und Wohntrakt der Mönche mit Kapitelsaal und heizbarem Winterrefektorium (Speisesaal) von 1685 - 1686. Heute ist hier auch das Landschaftsmuseum Seligenstadt untergebracht.

 

Alte Abtei  (13):

Bis 1699 war hier die Abtswohnung und von 1685 - 1686 ein Verwaltungsbau mit Büros der Klosterämter. Hier wurde um 1720 vom gichtkranken Abt Petrus IV. eine Apotheke eingerichtet. Seit ihrer Wiedereröffnung im Jahr 2002 bildet sie einen Höhepunkt jeder Klosterführung. Manfred Schopp hat ein Buch geschrieben über die damalige Heilkunde: „Heilkunde im 17. Jahrhundert“. Einige der Rezepte waren schon damals sehr alt. So wurde das Universalheilmittel „Theriak“ - eine Mixtur, die man unter anderem aus Opium, Rhabarber und Baldrian herstellte - schon im ersten Jahrhundert nach Christus verwendet, der Leibarzt des römischen Kaisers Nero beschreibt das Rezept in seinen Aufzeichnungen.

Theriak kam übrigens bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht aus der Mode, eine leicht abgeänderte Mixtur findet sich noch 1872 im Deutschen Arzneibuch. Überhaupt sind viele Inhaltsstoffe der Heilmittel von damals auch heute noch in der Homöopathie aktuell: Baldrian und Ringelblumen zum Beispiel oder die getrockneten Blätter des Fingerhuts.

Südlich schließen sich das Waschhaus (23) an, ein Überbleibsel der ehemaligen Stallungen. Es folgt  die Orangerie (22), eines der wenigen erhaltenen Beispiele dieses Bautyps aus dem 18. Jahrhundert. In der um 1757 erbauten Orangerie mit dem typischen Schwanenhalsdach überwintern bis heute Zitronen- und Orangenbäume, Granatäpfel und Feigen.

Auch die Tradition der Ananas-Treiberei, die im Barock zu den größten gärtnerischen Erfolgen zählte, wird gepflegt, und der Eiskeller (21)  mit Belvedere aus dem 18. Jahrhundert.

Ehe man durch das Portal der „Alten Abtei“ in den Garten kommt, betritt man das „Kellerhöfchen“ mit den Zugängen zu den Weinkellern. Dahinter ist der Abtritt (5), heute Klostercafe.

Zu den umfangreichen Ländereien, die die Versorgung des Klosters gewährleisteten, zählten zuletzt auch 42 Morgen (8 Hektar) Weinberge. Auf den sonnigen Südwesthängen des „Hahnenkamms“ bei Hörstein, Zentrum des klösterlichen Weinbaus, wird seit mindestens tausend Jahren Wein kultiviert. Die Weine des Hörsteiner Abtsberges, der heute vom Staatlichen Hofkeller Würzburg bewirtschaftet wird, werden seit jeher hoch geschätzt. Auf den kristallinen Urgesteinsböden wachsen edle Rieslinge, Silvaner und Müller-Thurgau. In alter Tradition werden in unseren Weinkellern natürlich nur die Weine ausgeschenkt, die auf den ehemals klösterlichen Weinbergen unter den Händen des Staatlichen Hofkellers Würzburg gedeihen (Staatlicher Hofkeller Würzburg Residenzplatz 3, 97070 Würzburg, Tel. 0 931 / 30 50 923, Fax 0 931 / 30 50 966, wvw.hofkellen.de, hofkeller@lwg. bayern.de.

„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“. Das wußten auch die Benediktinermönche von Seligenstadt. Auch wenn die Speisekarte häufig Anlaß zur Klage gab - Wein durfte auf der klösterlichen Tafel nicht fehlen. Darüber hinaus schätzten ihn die Mönche aufgrund seiner reinigenden und belebenden Wirkung bei allerlei Gebrechen, ob Seelenkummer. Magenbeschwerden oder Fieber. Und nicht zuletzt waren Brot und Wein das Fleisch und Blut Christi - ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Meßfeier.

Die Abtei benötigte jedoch den Wein nicht nur für den eigenen Bedarf. Bekannt waren die Mönche für ihre Gastfreundschaft, die auch in der Benediktsregel verankert ist. Heute findet man in  den alten Weinkellern der Abtei ein stilvolles Ambiente für private oder geschäftliche Anlässe - für Geburtstagsfeiern ebenso wie für Firmenjubiläen.

 

Apothekergarten (14):

Hier wachsen die meisten der heilenden Pflanzen, er war Pflanzenlieferant für die Apotheke. Die Mönche waren in der Krankenpflege aktiv, sie kannten die Heilwirkung vieler Kräuter, sie betrieben für Seligenstadt und Umgebung eine Apotheke und sorgten für die Wissensverbreitung. Der  Garten lädt ein, die Vielfalt der historischen und neuzeitlichen Heilpflanzen zu entdecken. Er veranschaulicht die einstige Bedeutung der Medizin in den Benediktinerklöstern. Grabungen haben ergeben, daß der Kräuter- oder Apothekergarten ehemals etwa 1,80 Meter tiefer als heute lag. Er weist auf eine Aufteilung von 1712 hin, nach der das dritte Beet doppelt so groß wie das zweite und das wiederum doppelt so groß wie das erste gewesen ist. Schon damals müssen in Seligenstadt aus dem Mittelmeerraum importierte Pflanzen und Kräuter angebaut worden sein.

Wie einst zur Zeit der Mönche wächst hier gegen fast jedes Zipperlein ein Kraut. In 14 Beeten blühen und wachsen die Kräuter, die nicht nach einem botanischen System, sondern nach ihrer Heilwirkung angepflanzt sind. Im ersten Beet mit den Kräutern gegen Magen- und Darmkrankheiten findet man krampflösende Pflanzen und Abführmittel (Gemeiner Wurmfarn und Aloe, die blä­hungs­eindämmender Pasternak). Bärentraube und Preiselbeere sind in der Abteilung gegen Nieren- und Blasenerkrankungen zu finden. Baldrian und Kaffeestrauch wachsen in dem Beet für die Nerven-, Schlaf- und Beruhigungsmittel. Madesüß und Stiefmütterchen etwa lindern - richtig zubereitet - den Schmerz. Aus Holunder und Mohn wurde eine kühlende Salbe bereitet, Rosen und Wacholder vermengte man zum stärkenden Lebersirup und für magenkranke Patienten gab es ein Öl aus Muskatnuß und Nelken. Mehrere Arten wie Schierling oder Fingerhut sind giftig. Doch in geringen Dosierungen können sie heilende Wirkung haben. Nur gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen.

Orientiert an den Aufzeichnungen des Klostergärtners aus dem Jahre 1746 ist es gelungen, den Garten wieder als barocken Zier- und Nutzgarten zu präsentieren, mit Springbrunnen und Terrassen und einer Orangerie, in der Orangen, Zitronen, Feigen und Ananas gezogen werden. Im Klostergarten duftet es recht intensiv. Alles steht in Blüte.

Rund 320 Pflanzenarten wachsen und gedeihen in den drei großen Kräuterbeeten. Die Kräuterabteilung ist nach historischem Vorbild vor zwei Jahren wieder im Klostergarten hergerichtet worden, der bis zum Herbst täglich von 7 bis 20 Uhr geöffnet ist.

 

Konventgarten (15):

Der rund dreißigtausend Quadratmeter große Garten war ursprünglich ein reiner Nutzgarten, in dem Kräuter, Obst und Gemüse angebaut wurden. Er nimmt gut ein Drittel der Gesamtfläche der Abtei ein. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts ließen ihn die Äbte zu einem repräsentativen Barockpark umgestalten. Ab 1986 wurden die Gärten auf Basis von Quellen und Grabungsfunden gemäß ihrer historischen Struktur und Bepflanzung rekonstruiert. Sie vermitteln ein authentisches Bild vom vielfältigen Einsatz der in barocker Zeit hier kultivierten Nutz- und Zierpflanzen.

Im Schutze der Klostermauern wachsen hier auf acht mit Blumen und Zwergobstbäumen eingefaßten Beeten vielerlei Sorten Gemüse, Salat und Kräuter. Die Bäume haben nur Kleinformat, doch viele alte Sorten sind dabei. Orientiert an den Aufzeichnungen des Klostergärtners aus dem Jahre 1746 ist es gelungen, den Garten wieder als barocken Zier- und Nutzgarten zu präsentieren, mit Springbrunnen und Terrassen und einer Orangerie, in der Orangen, Zitronen, Feigen und Ananas gezogen werden.

Etwas versteckt steht in der Südwestecke des Konventgartens das Gewächshaus aus dem 18. Jahrhundert, das mit seiner schrägen Glaswand und weit vorspringenden Dachkehle die Sonnenenergie nutzt.

Welch hohes Ansehen die Gartenkultur der Seligenstädter Abtei einst genoß, verdeutlicht die Figurengruppe am Minerva - Tor in der südlichen Mauer (20). Das Tor zur Innenstadt wird von Minerva, der römischen Göttin für Kunst und Wissenschaft bekrönt. Ihr beigeordnet sind Flora und Pomona als Allegorien für den Frühling und den Obstbau.

Der Garten kann täglich von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden. Weitere Informationen zu Führungen und Vorträgen im Kloster gibt es unter der Rufnummer 06182/87177.

Im Osten des Konventgartens ist die Pforte zum Friedhof (19). Im Norden stehen Kübelpflanzen (16) und ein Bienenstock (17), der seit dem 13. Jahrhundert belegt ist. Die Mainpforte (18) ermöglicht den Zugang zu den klösterlichen Fischwehren.

 

Palatium:

Auf dem Uferweg geht man dann nach Nordwesten. Man kommt zu den Resten des Maintorturms, der 1840 abgebrochen wurde. Am Turmstumpf befindet sich die Waage der Fischerzunft. An der Palatiumstraße steht der romanische Bau des „Palatium“. Die staufische Kaiserpfalz ist nach neuesten Grabungen weit älter als bisher angenommen. Nicht erst 1237 unter Kaiser Friedrich II. war demnach Baubeginn, sondern bereits im 12. Jahrhundert, wie die jetzt gefundenen Fundamente eines Ständerhauses nahelegen.

Möglicherweise wurde da s Palatium aus Anlaß eines 1188 hier abgehaltenen Hoftages  als Jagd- und Lustschloß errichtet Nach dem Niedergang der Staufer wurde das „Rote Schloß“ als Steinbruch genutzt. Nur die östliche Längsseite überdauerte, weil sie in die im 12. Jahrhundert errichtete Stadtbefestigung einbezogen war. Man kann den Bau aber nicht besichtigen.

 

 

Türme:

An der Ecke zur Großen Fischergasse steht das Leinreiterhaus (Gasthof). Auf dem Mainuferweg und geht es Richtung Nordwesten weiter. Man kommt zu einer Altenwohnanlage, Standort des Hospitals von 1699 unter der Obhut des Klosters. Danach kommt man zum alten Wehrturm, dem Pulverturm von 1463. Von dort führt der Weg auf der Wallstraße in die Stadt hinein zum Steinheimer Torturm (12). Dieser wurde von dem Straßburger Georg Riedinger im Jahre 1603 erbaut.

 

Altes Haus:

Weiter geht  man durch die Wallstraße bis zur der Kreuzung mit der Frankfurter Straße. Dort steht das Fachwerkhaus „Altes Haus“ von 1327 (5). An der Kreuzung der Frankfurter Straße mit der Babenhäuser Straße (weiter westlich) steht die Wendelinuskapelle. Der Blick reicht zum Wasserturm am Ende der Frankfurter Straße.

 

Marktplatz:

Wieder in anderer Richtung durch die Frankfurter Straße kommt man zum Marktplatz mit seinen barocken Fachwerkhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Der Platz wird aber auch geprägt vom klassizistischen Rathaus (2). Dieses wurde 1823 an der Stelle eines früheren Baus errichtet, von dem noch die Wappensteine von 1539 am Eingang erhalten sind. Die Stadtrechte der Siedlung sind ab 1175 verbürgt.

Im Innenhof des Rathauses steht das Steinerne Haus (3). Dieser romanische Bau wurde 1187 errichtet als Vogtei und war 1188 Stätte des Hoftags von Kaiser Barbarossa. Später wurde das Haus zeitweise als Markt- und Gerichtshalle genutzt. Der kleine Saal über der offenen Halle im Erdgeschoß mit Freskenfragmenten von 1595 ist beliebter Trausaal und Raum für Vorträge, Lesungen und Konzerte im kleinen Rahmen. Die große Rathausgasse, in der das Haus steht, war im 12. / 13. Jahrhundert das Stadtzentrum und war dann Judengasse. Links vom Rathaus ist die Alte Schmiede (heute Gasthaus). In Seligenstadt stehen 177 Gebäude unter Denkmalschutz, darunter zwei der ältesten Hessens, neben der Basilika auch das vor einigen Jahren mit großem Aufwand gerettete Romanische Haus am Rathaus aus der Zeit um 1200.

 

Einhardhaus:

Gegenüber dem Rathaus steht das Einhardhaus von 1596  (1). Der Legende nach ließ Einhard sich mit Karls des Großen Tochter Imma (Emma) ein, die aber den Sohn des oströmischen Kaisers heiraten sollte. Als Einhard eines Abends wieder von seiner Liebsten fortgehen wollte, war frischer Schnee gefallen und seine Fußspuren hätten ihn verraten. Da trug ihn Emma kurzerhand über den Hof. Aber der Kaiser hat die beiden zufällig gesehen, weil er nicht schlafen konnte. Deswegen wurde das Paar von dem Hof des Herrschers verbannt und zog sich nach Obermühlheim zurück, wie Seligenstadt zur Karolingerzeit hieß.

Als Karl der Große sich nach einer Jagd in ihre Herberge verirrte, versteckte sich Einhard unter dem Dach. Seine Tochter Imma, die der Kaiser nicht erkannte, bereitete ihm seine Leibspeise Eierpfannkuchen zu. Als er die probierte, erkannte er sie und rief: „Selig sei die Stadt genannt, da ich meine Tochter wiederfand“. Dieser Spruch steht heute an dem Haus. Karls Tochter war von Einhard gewissermaßen entführt worden, aber in Seligenstadt kam es wieder zum Zusammentreffen. Eine andere Erklärung besagt, daß der Name entstanden sei, nachdem die Reliquien der Märtyrer überführt worden waren.

Am geschweiften Erker des reichverzierten Renaissancebaus von 1596 erkennt man einen holzgeschnitzten Kopf. Es ist Einhard, der da etwas grimmig in die Runde blickt. Dabei hätte der Berater und Biograph von Kaiser Karl dem Großen allen Grund wohlwollend und stolz auf „sein” Gemeinwesen zu schauen. Ihm verdankt Seligenstadt die Gründung im Jahre 815, nachdem Einhard von Kaiser Ludwig dem Frommen, Karls Sohn, den Ort am Untermain für seine Verdienste geschenkt bekommen hatte.

 

Haus zum Stern:

Links vom Einhardhaus steht das „Haus zum Stern“ von 1444. Der Anbau an das Einhardhaus (in der Wolfstraße) ist von 1500. Durch die Sackgasse (der „Riesensaal“ bezieht sich nur auf dem Saal des modernen Kulturzentrums „Riesen“) kommt man zur Mauergasse. Dort steht noch ein Teil der alten Stadtmauer. Sie geht bis zu dem Bollwerksturm in der Stadtmauer, dem „Stumpfaule“ von 1463.

 

Denkmal:

Ein Stück nach Südosten die Mauergasse entlang geht man dann nach links durch die Bachgasse zur Aschaffenburger Straße und dort rechts weiter. Man kommt zum Denkmal, das Bezug nimmt auf den Brauch mit dem Geleitslöffel. Dieser große aus Holz geschnitzte Löffel wurde von den nach Frankfurt zur Messe ziehenden Fremden in fröhlicher Kneipgesellschaft in Seligenstadt in Gemeinschaft mit den Frankfurter Geleitsreitern in der Runde geleert. Der Sage nach hat Karl der Große diesen Löffel von einem Hirten als Willkommensgabe erhalten.

 

Aschaffenburger Straße:

Das Haus Aschaffenburger Straße 22 hat eine schöne Torfahrt. Das Haus Nummer 59 in der Aschaffenburger Straße ist die alte Poststation von 1622. Das Haus Nummer 81 an der Ecke Pfarrgasse ist das Katholische Pfarramt. Das Haus Nummer 91 aus dem Jahre 1428 ist in den Obergeschossen als Ständerbau errichtet. Gegenüber ist das prachtvolle Portal zum Konventsgarten von 1715. An der Ecke des Konventsgartens befindet sich ein Brunnen.

Am Abzweig der Zellhäuser Straße steht die Gustav - Adolf - Kirche von 1846 / 1847. Über den Friedhof mit der Mariensäule kommt man zum Wehrturm und dem ältesten Teil der Stadtmauer aus dem 11. Jahrhundert. Am Ausgang des Friedhofs steht die Not - Gottes - Kapelle mit dem Barockportal der Abteikirche. Von dort kommt man bald wieder zurück zur Fähre.

 

Kortenbach:

Das Naturschutzgebiet Kortenbach westlich von Seligenstadt und südlich von Froschhausen ist in Relikt der ur­sprünglichen Auenlandschaft in der durch Siedlung und Nutzbarmachung kultivierten Mainniederung von Seligenstadt. Herausragend ist im Frühjahr das reiche Vorkommen von Bärlauch, der den Waldboden mit einem weißen Blütenteppich überzieht. Die über 100 Jahre alten Flatterulmen sind dank ihres besonderen Standortes bisher resistent gegen Baumschädlinge.

 

Klein-Welzheim:

In Seligenstadt muß man erst in Richtung Aschaffenburg fahren, dann aber nicht in die Aschaffenburger Straße nach rechts, sondern geradeaus in Richtung Klein - Welzheim, das mit zu Seligenstadt gehört.. Rechts steht dann ein kleiner grüner Wegweiser „Wasserburg“. Dort kann man parken. Die Wasserburg in Klein ‑ Welzheim wurde 1705 von dem Seligenstädter Abt Franciscus II. an der Stelle einer mittelalterlichen Befestigung erbaut. Diese ist mit ihrer Zugbrücke wirklich sehenswert. Einst war sie Mittelpunkt einer barocken Parkanlage.

Über einen Wiesenweg gegenüber (nur etwas links versetzt) oder über den Schleifbachweg (etwas weiter links) kommt man zum Mainufer. Man kann mit dem Auto, immer sich links haltend, bis zum Sandweg fahren und von dort mit dem Rad zum Mainufer. Auf dem Leinpfad geht es weiter, vorbei an Klein - Welzheim und verschiedenen Raststationen. Gegenüber liegt Groß-Welzheim.

 

 

Kulturweg „Mainzer Herz“ (Seligenstadt - Karlstein - Mainhausen)

Am Untermain erstreckt sich ein Landstrich beiderseits des Mains über die zwei Bundesländer Hessen und Bayern. Das war nicht immer so. Bis 1803 gehörten Seligenstadt und die Gemeinden mainaufwärts zum Erzstift Mainz, das damals ein eigenständiger Staat war. Sie verbindet eine gemeinsame Geschichte, die der Kulturradweg „Kurmainzer Herz“ aufgreift. Die 16 Stationen präsentieren die Geschichte der Landschaft am Main, die von der Natur über Jahrmillionen geformt wurde. Braunkohleflöze entstanden, Kiesbetten wurden abgelagert, Mainarme bildeten sich und verschwanden. Der Mensch hat in der vergleichsweisen kurzen Epoche von mehreren Jahrtausenden diese Naturlandschaft umgestaltet in eine Kultur‑ und Industrielandschaft von den prähistorischen Hügelgräbern am Schachenbrunnen bis zur Braunkohlehalde „Kipp“.

Insgesamt 16 Stationen präsentieren die Kulturlandschaft beiderseits des Mains. Die Gesamtlänge des Kulturradweges beträgt etwa 35 Kilometer und ist als Tagestour konzipiert. Man kann den Kulturradweg auch abschnittsweise befahren. Der Inhalt der einzelnen Stationen ist bei den Orten Karlstein, Seligenstadt und Mainhausen erfaßt.

 

 

Hainburg

Im Jahre 1977 erfolgte der Zusammenschluß von Hainstadt und Klein - Krotzenburg zur Großgemeinde Hainburg.

 

Hainstadt:

Die Wurzeln des Ortes  liegen in der römischen Zeit, als hier ein Kastell zum Schutz einer Mainbrücke errichtet worden war. Das 0,9 Hektar große Kastell (am früheren Mainlimes) lag südlich der Hauptstraße  rund um die Kastellstraße. Es war Endpunkt des Wetteraulimes. Aber zu sehen ist dort heute nichts mehr.

In Hainstadt gab es eine Feldbahn zur Tongrube. Das Lehm- und Tongrubenfeld auf dem Katzenbuckel bei Hainstadt in der Gemeinde Hainburg ist über nicht mehr betriebene Lorengleise im Wald mit den sieben ehemaligen Ziegeleien in Hainstadt verbunden. Dort war die Ziegelherstellung ein traditionsreicher Wirtschaftszweig, bereits die Römer brannten hier Ziegel. Eine der Ziegeleien am westlichen Ortsrand ist noch in Betrieb, jedoch wird am Katzenbuckel nur noch sehr wenig Ton abgebaut, da die Qualität des Rohstoffs nachläßt. Die nun verwilderten und aufgeforsteten Lehm-, Ton- und Sandgruben sind zusammen mit den alten Lorengleisen, Weichen, Gleisbrücken und der denkmalgeschützten Ziegelei erhaltenswerte kulturhistorische Landschaftselemente im Maintal.

Woog, siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 94.

 

Klein - Krotzenburg:

Die erste urkundliche Erwähnung fällt in das Jahr 1175, als der Abt von Seligenstadt einen Rechtsstreit mit dem Sankt - Peter - Stift in Mainz führte. Neben Landwirtschaft und Fischerei stand das Zigarrenmacherhandwerk in hoher Blüte und machte Klein - Krotzenburg über die engere Umgebung hinaus bekannt.

 

Liebfrauenheide:

Die Zufahrt zur Wallfahrtskapelle erfolgt von der Ampelkreuzung am Nordwestrand von Klein ­Krotzenburg in Richtung Südwesten auf der Fasaneriestraße. Diese führt in den Triebweg. Am Sportplatz vorbei kommt man zur Gaststätte Tannenhof. Dort geht es links ab zur Kapelle Liebfrauenheide.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Darmstadt  -  Dieburg

 

Erzhausen

Die einzige architektonische Rarität in Erzhausen ist die schmucke evangelische Kirche, deren Ursprung um das Jahr 800 vermutet wird. An der Außenkante des frisch getünchten, rot abgesetzten Kirchenschiffs sind alte Ecksteine mit Einkerbung freigelassen. Das Hauptmerkmal eines frühen Baues sind im Kircheninneren linke drei halbhohe runde Nischen, zu denen es Pendants im Speyerer Dom gibt. Aus den ähnlichen Maßverhältnissen wird auf die gleiche frühe Bauhütte geschlossen. Die Nischen haben sicher früher Altäre aufgenommen.

Das karolingische Schiff wurde 1565 gotisiert. Zwischen 1730 und 1740 machten Schreiner und Maler das Gotteshaus mit Emporen, Holzkanzel, einem Gestühl, das man an einer Stelle noch mit Türchen abschließt und dem farbigen Orgelgehäuse (das Orgelwerk ist neuzeitlich) zur bäuerlichen Predigtkirche. Auch das Uhrtürmchen wurde damals auf das Kirchendach gesetzt.

Das hohe Alter der  Kirche, die einst Nazariuskapelle hieß, könnte sich auch aus dem Namen Erzhausen. erklären. Er hat nichts mit Metall zu tun, sondern wird von „Erhard” abgeleitet. „Erhardeshusen” hieß es in alter. Urkunden. Ein Bewohner dieses Namens pflegte im Mittelalter dem berühmten Kloster Lorsch am Tag von dessen Schutzpatron Nazarius Schenkungen zu machen.

Von der Hauptstraße aus erreicht man rechts die Wolfsgartenallee, die zu dem ehemaligen Jagdschloß der Landgrafen von Hessen - Darmstadt rührt. Hier beginnt der Heegberg oder Höhberg, eine langgestreckte Düne, Überbleibsel der Eiszeit. Der nur wenige Meter hohe Rücken ist hauptsächlich mit kräftigen Kiefern bestanden. Eine Tafel zeigt die Rundwege verschiedener Länge an, die an beiden Seiten. auch auf dem Kamm um ihn führen - am Werktag selten von jemandem begangen. Trotz der Nähe der Autobahn herrscht hier Stille.

Auch vom Heegberg  weg führen jene gradlinigen Schneisen, die an die fatale Jagdleidenschaft der Darmstädter Landgrafen erinnern. Vor 250 Jahren wurden sie gehauen, um die Parforcejagd zu ermöglichen, unter der die Landbevölkerung so litt, daß viele auswanderten.

Für die Rückkehr zur Allee ist der nördliche Rundweg entlang dem Heegbach reizvoll. Über den „neuen Schlag“ geht es hinter der Allee auf dem anderen Ufer weiter, wo der Bach die Kreisgrenze bildet, zu gräflichen Zeiten als Grenze sogar mit dichtem Gebüsch gesichert war.

Daß der Verkehrslandeplatz Egelsbach bald auftaucht, läßt sich schon an den kleinen einfliegenden Maschinen erkennen. Auf dem Flugfeld sind sie nah zu sehen.

 

Weiterstadt:

Schloß Braunshardt

Das als „maison de plaisance“ nach französi­schem Vorbild von Prinz Georg Wilhelm von Hessen‑Darmstadt errichtete Schloß Brauns­hardt entstand in den Jahren 1760‑1763 nach den Plänen des Ingenieurleutnants Johann Ja­cob Hill. Die „maison de plaisance“ ist ein stadt­naher Landsitz, der in der wärmeren Jahreszeit bewohnt wird und den Rahmen für die Feste im engeren Freundes‑ und Familienkreis bildet. Der Bautypus wird in den  Jahren nach 1730  in der Architekturtheorie abgehandelt, zum Beispiel bei Blondel: „De la distribution des maisons de plaisance“, eine Abhandlung. die die Funktion eines Mu­sterbuches erlangte, Die Beschreibung der Distribution trifft auf die Grundrißdisposition von Schloß Braunshardt geradezu wortwörtlich zu, so daß man davon ausgehen kann, daß der Ingenieur‑Leutnant Hill Blondels Schrift ge­nau kannte und Blondels Entwurfsideen wört­lich folgte, um seinem Auftraggeber einen Bau nach echt französischer Manier zu erstellen.

Nach wiederholtem Besitzerwechsel im 19. und 20. Jahrhundert - der jeweils mit Umbauten und unsachgemäßem Umgang mit der histori­schen Bausubstanz verbunden war - konnte Ende der achtziger Jahre - begünstigt durch die Aufgeschlossenheit des neuen Erwerbers -  die Si­cherung und Restaurierung der Schloßanlage in Angriff genommen werden. Nach statischer Sicherung des Gebäudes wurde die Außenin­standsetzung vorgenommen. Eine restauratori­sche Voruntersuchung im Jahr 1987 fand die erste Raumfassung der sechziger Jahre des 18. Jahrhunderts nahezu ungestört vorf. Es konnte  mit der Instandsetzung der Innenräume begonnen werden. Die Innenausstattung umfaßt Parkett­böden, farbige Holzvertäfelungen, Kamine, Spiegel und Stukkaturen.

Besondere Erwäh­nung verdienen die überkommenen Stuckdec­ken, die in Südhessen einzigartig sind und dem Vergleich mit Spitzenleistungen des späten deutschen Rokoko standhalten. Hier waren lediglich spä­tere Überfassungen mechanisch zu entfernen, um den ursprünglichen Zustand freizulegen, der das ganze Raffinement der Ausstattungskunst des 18. Jahrhunderts vermittelt.

Überlieferte Seidenbespannungen, Gemälde und Möbel sind verlorengegangen. Hervorzuhe­ben ist der glückliche Umstand, daß sämtliche Fenster, zum größten Teil noch mit Original­scheiben, nach Restaurierung im Bestand funktionsfähig erhalten werden konnten. Die Restaurierung der Innenräume vollzog sich in jährlichen Durchführungsabschnitten. Die Arbeiten konn­ten 1997 abgeschlossen werden.

 

Kirche:

In der Sakristei der evangelischen Kirche  im Gewände des Nordfensters ist das Fragment eines römischen Grabsteins, dessen Inschrift um 90 Grad verdreht ist.

 

 

Darmstadt

Trotz der verheerenden Zerstörungen 1944 hat sich Darmstadt den Charakter einer Residenz bewahrt, in der herrschaftlicher Gestaltungswillen die ästhetischen und städtebaulichen Proportionen setzte. In jeder Hinsicht bildete dabei das Schloß die Bezugsgröße. Zugleich steht es für die Diskrepanz zwischen Wollen und Sein eines typischen Mittelstaates, der nach Teilung der hessischen Landgrafschaft 1567 praktisch aus dem Nichts beginnen mußte und Improvisation notgedrungen zur höchsten Staatstugend machte. Die Pläne waren immer hochfliegend, vieles wurde begonnen, wenn nur nicht das leidige Geld, die kostspieligen Jagd- und Mili­taria- Leidenschaften gewesen wäre.

Darmstadt liegt 147 Meter hoch und hatte vor dem Krieg 90.000 Einwohner. Es hat eine gesunde Lage am Ostrand der Rheinebene und an den Nordausläufern des Odenwalds und ist auf drei Seiten von Wald umgeben. Es hat hervorragende Bildungsdungs- und Kunstanstalten und ein reges geistiges Leben (Technische Hochschule, „Schule der Weisheit” des Grafen Hermann Keyserling, städtische Akademie für Tonkunst u. v. a.). Darmstadt wurde durch tatkräftige Förderung des ehemaligen Großherzogs eine Stätte moderner Kunstbestrebungen. Es ist ein beliebter und angenehmer Ruhesitz. Die Industrie (chemische Fabriken, Maschinen- und Möbelfabriken) ist nur außerhalb der Stadt, im Norden und Westen.

Das Stadtbild wird im Wesentlichen durch breite, gerade Straßen - vielfach mit Bäumen bepflanzt - bestimmt, die den vornehm - ruhigen Charakter der ehemaligen Residenzstadt tragen. Die kleine mittelalterliche Altstadt ist von neuen Straßen durchbrochen. Die ausgedehnten, teilweise hügeligen Villenviertel besitzen zahlreiche sehr geschmackvolle Bauten vom Anfang des vorigen Jahrhunderts an. Die Bauten auf der Mathildenhöhe mit ihrer Künstlerkolonie bilden den Ausgangspunkt der modernen Architektur - Entwicklung, deren neueste Werke ebenfalls in geschmackvollen Wohnbauten vertreten sind. Es gibt zahlreiche und ausgedehnte Anlagen, Gärten und Parks durchziehen und umgeben die Stadt.

 

Geschichtliches:

Der Ort wurde vermutlich im 5. Jahrhundert gegründet, wird aber erst im 12. Jahrhundert urkundlich als „Darmundestat” erwähnt. Im Jahre 1319 wurden die Grafen von Katzenelnbogen vom Bistum Würzburg mit Darmstadt belehnt, 1330 erhielt es Stadtrecht und 1331 eine gräfliche Burg. Im Jahre 1479 ging es an die Landgrafen von Hessen über. Nach dem Tode Philipps des Großmütigen wurde es unter Georg I. Residenz der Linie Hessen - Darmstadt. Georg I. baute den Hauptteil des heutigen Schlosses und förderte wie seine Nachfolger den Ausbau der Stadt. Der Dreißigjährige Krieg und die Raubzüge Mélacs brachten im 17. Jahrhundert schwerste Leiden und Verwüstungen.

Unter dem Landgrafen Ernst Ludwig (1688 - 1739) blühte Darmstadt neu auf, die regelmäßig angelegte Neustadt im Westen des Schlosses entstand, Künstler fanden reiche Betätigung. Karoline (1721 - 1774), die „große Landgräfin”, zog nach Darmstadt die größten lebenden Geister, wie Goethe und Herder. Ludwig I. (1790 - 1830), der erste Großherzog, ließ zahlreiche bedeutende Bauten entstehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich Industrie und Handel. Der letzte Großherzog, Ernst Ludwig (1892 - 1918), war ein tatkräftiger Förderer moderner Kunstbestrebungen. Unter den modernen Architekten, die in Darmstadt tätig waren, sind besonders Joseph Olbrich, Peter Behrens, Karl Hofmann, A. Messel, Friedrich. Pützer und Christiansen zu nennen.

Im Südosten der Stadt ist das sogenannte „Tintenviertel“ mit geschmackvollen, etwa 1900 entstandenen Villenbauten. An der Ohlystraße steht die 1907 vollendete Pauluskirche (protestantisch) von Pützer, mit einem Torrelief von Robert Cauer.

 

 

Gang durch die Innenstadt:

[Den Hauptbahnhof kann man natürlich auch auslassen und gleich auf dem Luisenplatz beginnen]

 

Hauptbahnhof:

Der Hauptbahnhof im Westen der Stadt ist eine technisch und architektonisch vorbildliche Anlage. Das 1912 vollendete Empfangsgebäude wurde von Friedrich Pützer erbaut. Der Seitenanbau des Hauptbahnhofes war der Fürstenbahnhof, der Privattrakt von Fürst Ernst Ludwig. Hier hatte nur Zutritt, wer zum Gefolge seiner Durchlaucht gehörte. Kaiser und Könige warteten im Jugendstil ‑ Ambiente auf die Ankunft ihres Zuges. Der russische Zar Nikolaus setzte seine Füße auf das elegante Parkett, und im kunstvoll gekachelten Nebenraum erledigte der Fürst bis zur Abfahrt seine Schreibgeschäfte. Rollte der Zug dann schnaufend und dampfend auf Gleis 1 ein, begab sich der Adel ein Stockwerk tiefer ins Für­stenzimmer, das direkt neben dem Bahnsteig liegt.

Nach Jahrzehnten des Schattendaseins, in denen die Bahnhofsmission und die Bahnpolizei in dem Anbau residierte, ist der Fürstenbahnhof (auch „Kaiserbahnhof“ genannt) wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Zwar ist von der ursprünglich prachtvollen Jugendstil ‑ Ausstattung des Privattraktes nicht viel geblieben außer den kunstvollen Kacheln des Leiters der Großherzoglichen Keramik ‑ Manufaktur, Jacob Julius Scharvogel.

Seit Oktober 2002 hat Jorge Droukas das Bauwerk von der Bahn gepachtet und einen Bar‑, Lounge‑ und Restaurantbetrieb eröffnet. Der Gast wandelt auf griechischen Schiffsplanken, sitzt entspannt an der Bar oder auf einem großen roten Ledersofa, pickt im Salat an kleinen Tischen in ochsenblutrot gestrichenem Empfangsraum, umgeben von alten Reisekoffern. und unter eigens angefertigten riesigen Art - Deco ‑ Lampen. Wer es exklusiver mag, der kann im Restaurant gleich nebenan speisen. Dort, wo die Decken vier Meter hoch sind und die braunblauen Fliesen des Julius Scharvogel und ein Jugendstil ‑ Keramikbrunnen noch die Wände bedecken. Hier steht alles unter Denkmalschutz.

Im Fürstenzimmer im unteren Stock, das der Pächter als Saal für Feiern und Feste vermietet, hängen große Kristallüster an der Decke. Die Wände sind cremeweiß getüncht und im dezenten Wechsel mit flaschengrünen Jugendstil ‑ Kacheln gefliest. An der Stirnseite prangt das Wappen des Fürsten. 70 Personen können an einer langen Tafel Platz nehmen und im Bewußtsein speisen, daß hier auch schon einmal der russische Zar gewartet hat.

 

Rheinstraße:

Südlich des Hauptbahnhofs führt die Rheinstraße als breite Allee zur Stadt. Bis zum Krieg

war die Straße gesäumt von bedeutenden Gebäuden: Am Anfang rechts die neue Städtische Festhalle auf dem Ausstellungsgelände (ehemaliger Exerzierplatz). Es ging an der Kunsthalle (beim ehemaligen Rheintor) und an dem im Renaissancestil errichteten Gebäude der Bank für Handel und Industrie vorüber. Rechts (Ecke Rhein- und Neckarstraße) stand das Haus der Vereinigten Gesellschaft, in der Neckarstraße 3 das Hessische Gewerbemuseum. Weiter an der Rheinstraße steht rechts das Stadthaus, links die 1881 erbaute Hauptpost (auch heute noch Postgebäude), gegenüber rechts das Ständehaus.

 

Rheinstraße:

Man erreicht den Luisenplatz. In dessen Mitte erhebt sich die Ludwigssäule, eine 1841 / 1844 errichtete, 43 Meter hohe Sandsteinsäule. Diese trägt das 7 Meter hohe Standbild des Großherzogs Ludwig I. von Schwanthaler, der in ein antikes Gewand gehüllt ist. Unter ihm - und von Napoleons Gnaden - erreichte die Landgrafschaft Hessen - Darmstadt mit der Standes­erhebung zum Großherzogtum und der Hinzugewinnung von Rheinhessen 1816 ihre größte Bedeutung. Visionär blickt Ludwig gen Westen, dorthin, wo er durch seinen Hofbaumeister Georg Moller die Stadt erweitern ließ, ohne sie, wie geplant, in ein klassizistisches Gesamtkunstwerk verwandeln zu können. Buchstäblich hinter sich gelassen hatte der Regent das Schloß: Die Bürgerschaft, die Ludwig 14 Jahre nach seinem Tode 1844 auf den hohen Sockel gehoben hatte, ließ ihn der Residenz den Rücken zukehren.

Die Säule ist durch eine im Innern angebrachte Treppe bis zu der in etwa 40 Meter Höhe befindlichen Galerie besteigbar. Hier hat man eine prächtige Rundsicht über die Stadt und Umgebung. Rechts und links von der Ludwigssäule stehen monumentale Brunnen nach Entwurf von Olbrich. An der Südseite des Platzes das Alte Palais, jetzt Sitz von Behörden. Vor der Merckschen Apotheke steht ein von Jobst entworfenes Liebig - Denkmal. Vom Luisenplatz geht man nördlich zum Mathildenplatz mit Abt - Vogler - Denkmal und Justizgebäude.

 

Schloß:

Östlich des Luisenplatzes ist das Schloß. Vor dem Schloß steht das Reiterstandbild des Großherzogs Ludwig IV. von Schaper. Der Großherzog starb1892, enthüllt wurde das Standbild 1898. Rechts ist der Ernst - Ludwig - Platz mit dem Verkehrsbüro. Hier steht der Weiße Turm, der zu der alten Stadtmauer gehörte.

Das Alte Residenzschloß bildet eine gewaltige, unregelmäßige Gebäudegruppe, deren Teile aus verschiedenen Zeiten stammen, die ältesten von 1375. Das Schloß wurde im 16. Jahrhundert im Barockstil völlig umgestaltet und bedeutend erweitert. Weitere Umgestaltungen und Erweiterungen fanden anfangs des 19. und 20. Jahrhunderts statt. Der Glockenturm hat ein 1671 hergestelltes Spielwerk (wohl das älteste in Deutschland) von 35 Glocken, das bei jedem Schlagen eine Choralmelodie ertönen läßt. An der Nordseite sind ein schönes Renaissance-Portal von 1628 und die Schloßkirche. Der das Schloß früher umschließende Wassergraben enthält jetzt Anlagen.

Bewohnt hat Ludwig das Schloß nie. Die verwinkelte Anlage erschien wenig einladend.

Die letzten Veränderungen ließ im 18. Jahrhundert Landgraf Ernst ‑ Ludwig vornehmen. Die von seinem Baumeister Remy de la Fosse geplante Neugestaltung des Schlosses wurde aber nicht vollständig ausgeführt, nur zwei Flügel entstanden. Und der alte Renaissanceteil erschien nicht mehr zeitgemäß. So recht wußte niemand etwas mit dem gewaltigen Kasten anzufangen, und so teilen sich heute die verschiedensten Nutzer das adelige Quartier.

Der Vorläufer des Residenzschlosses ist die Wasserburg der Grafen von Katzenellenbogen aus dem 13. Jahrhundert. Die Anlage wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder umgebaut und erweitert.

Im September 1944 brannte das Schloß bis auf die Grundmauern ab. Es wurde zwischen 1957 und 1966 wieder aufgebaut. Das Darmstädter Schloß ruht auf Eichenbohlen, die Baumeister vor 500 Jahren in den Untergrund getrieben haben. Bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert ist die gesamte Anlage nicht mehr standfest. Damals wurde der Wassergraben um den Fürstensitz trocken gelegt. Die Erneuerungen der Fundamente in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts sowie beim Wiederaufbau des Schlosses nach dem Zweiten Weltkrieg waren offensichtlich ohne nachhaltige Wirkung In der Fassade sind neue Setzrisse unübersehbar. Zudem haben Abgase den Sandsteinmauern des Schlosses zugesetzt.

Die technischen Anlagen im Inneren waren aus den sechziger Jahren. Die Lüftungs- und Klimaanlagen waren unzureichend, Brandmelder und Einbruchsicherungen fehlten weitgehend. Eine Grundsanierung mußte um das Jahr 2000 gemacht werden, unabhängig von der zukünftigen Nutzung des Schlosses. Nach einer Bestandsaufnahme der Technischen Universität liegen die Gesamtkosten bei 25 Millionen Euro.

Im Schloß sind heute geisteswissenschaftliche Institute der Technischen Universität, die Landes‑ und Hochschulbibliothek, das Schloßmuseum, der Studentenkeller und das Innenstadtrevier der Polizei untergebracht. Das Polizeirevier soll in den geplanten Justizneubau umziehen. Ob die Universitäts ‑ Institute weiter im Schloß bleiben, soll ein Gutachten ermitteln. Eine Gutachterfirma hat die Entwicklungsplanung für Natur‑ und Ingenieurwissenschaften untersucht.

 

Hessisches Landesmuseum:

Nördlich ist das Hessische Landesmuseum, von Alfred Messel erbaut und 1906 vollendet. Es enthält in ausgezeichneter Raumanordnung und ist eines der wenigen Universalmuseen mit Kunst- und historische Sammlungen mit hervorragender Gemäldegalerie, Kupferstichen, Bildwerken und Kunstgewerbe, mit einer zoologischen und mineralogischen und geologischen Sammlung. Die Kunstsammlungen enthalten zu einem großen Teil kunst- und kulturgeschichtliche Bestände aus dem Gebiet des Mittelrheins. Es zeigt vorgeschichtliche und römische Altertümer, Völkerkunde, Kunstgewerbe der Renaissance und des Barock. Dazu kommen Waffensaal, kirchliche Altertümer der romanischen und gotischen Zeit, darunter wertvolle frühe Elfenbeinschnitzereien und Emails. Eine umfangreiche Sammlung gotischer Holzbildwerke vornehmlich aus dem mittelrheinischen Gebiet wird gezeigt. Ferner enthält es vollständige Zimmereinrichtungen von der Spätgotik bis zum Spätbarock, hessische Bauernzimmer und Apotheke, Kostümsammlung und Münzkabinett.

In der Gemäldegalerie sind besonders beachtenswert die Bilder der altdeutschen Schulen, ein Spätwerk Rembrandts, ferner Bilder von Rubens, van Dyck, Feuerbach, drei Säle mit 13 Gemälden und 70 Handzeichnungen Böcklins und das Kupferstichkabinett mit wechselnden Ausstellungen.

Die zoologischen Sammlungen im Erdgeschoß enthalten unter anderem zum ersten Mal in einem deutschen Museum dargestellt, einen vollständigen Überblick der geographischen Verbreitung der Tiere über die Erde. Die geologisch - mineralogische Abteilung im ersten Obergeschoß des Nordflügels umfaßt unter anderem auch eine petrographische und eine geologisch - paläontologische Sammlung mit zahlreichen Überresten, auch vollständigen Skeletten tertiärer und diluvialer Säugetiere sowie eine reichhaltige Sammlung fossiler Pflanzen.

Daß sich im hinteren (sogenannten Glocken- und Kirchenbau) auch ein Museum befindet, wird angesichts des benachbarten, weitaus bekannteren Hessischen Landesmuseums häufig übersehen, kein Hinweis zeigt Ortsunkundigen den Weg. Wer etwas über die Stadt- und Residenzgeschichte, fürstliche Wohnkultur, die Genealogie des Hauses Hessen - Darmstadt und seine in zahlreichen Porträts festgehaltenen Regenten erfahren möchte, sollte sich den einstündigen Führungen durch die gut 20 Räume anschließen. Es gibt reichhaltige Sammlungen von Waffen und Uniformen. Hauptsehenswürdigkeit ist die Madonna des Bürgermeisters Maier von Hans Holbein dem Jüngeren. Die neueren Flügel (Süden und Westen) enthalten die Landesbibliothek mit zwei Lesesälen, 750.000 Bänden und 4.000 zum Teil sehr wertvollen Handschriften und das Staatsarchiv.

 

Landestheater:

Östlich davon ist das ehemalige Landestheater. Das Große Haus mit 1.370 Plätzen wurde 1818/19 von Moller in klassischen Formen an prominenter Stelle zwischen Schloß und Herrngarten gebaut. Der Mollerbau war und ist Darmstadts klassizistisches Paradebauwerk schlechthin. Er war ehemals Theater und ist nun Sitz des Staatsarchivs, des Stadtarchivs und des Historischen Vereins für Hessen. Im Jahre 1871 brannte das Darmstädter Theater bis auf die Außenmauern und Portikus ab. Architekt Horst von der Großherzoglichen Ober - Bau­direktion übernahm den Wiederaufbau. Er verlängerte das Theatergebäude zum Herrngarten hin und hob das Dach an. Ein zweiter Dreiecksgiebel am Dach, zusätzliche Fenster und neue Schmuck­elemente machten aus Mollers klassizistisch ‑ schlichtem Bauwerk ein historistisches Theater. Die neue Pracht blieb den Darmstädtern bis zur Zerstörung 1944 erhalten.

Die Technische Hochschule, vor deren Tür die Moller-Ruine stand, bemühte sich nach 1964 um die Erhaltung des Baus. Zwei Planer legten den Grundstein für den später ausgeführten radikalen Umbau. Das Staatsarchiv nutzt nun das Haus sinnvoll und pflegt es wohl, um aber als Archiv zu taugen, mußten der im Krieg ohnehin stark beschädigten Architektur die letzten Reste entkernt werden. Von Mollers schönem Theater steht jetzt nur noch die klassizistische Hülle, eine schöne Kulisse.

Das danebenstehende Kleine Haus mit 830 Plätzen wurde 1596 als Reithalle erbaut und wiederholt vorübergehend als Theater benutzt, dem es seit 1922 wieder dient. Links neben dem Großen Haus stehen die Standbilder der Landgrafen Philipp der Großmütige (1518 - 1567) und Georg I., von Scholl (1854). Vor dem Landesmuseum steht das Kriegerdenkmal für den Krieg 1870 / 1871,  errichtet von Herzig.

 

Herrengarten:

Zwischen Landesmuseum und Theater ist der Zugang zum Herrengarten, dem größten Park der Innenstadt. Es ist eine schöne, ausgedehnte Parkanlage im englischen Stil, Ende des 17. Jahrhunderts angelegt, mit weiten Rasenflächen und hübschen Baumgruppen. Auf seiner ganzen Länge spaziert man durch den im englischen Stil von Landgräfin Henriette Caroline umgestalteten einstigen Lustpark. Gleich rechts vom Eingang hinter dem Theater steht die Graburne der „großen Landgräfin“ Karoline, die 1714 gestorben ist. Sie war die Goethe - Mentorin und Briefpartnerin Friedrichs des Großen. Der Preußenkönig stiftete auch die freistehende Urne mit der Aufschrift: „Femina sexu, ingenio vir” („Eine Frau nach dem Geschlecht, an Geist ein Mann“), aus dem Munde Friedrichs ein Kompliment.

Beim Weitergehen sieht man links ein im neu - gotischen Stil gehaltenes Denkmal für die gefallenen Darmstädter während der Befreiungskriege. Links vom Eingang steht das Denkmal von Habich für die als Kind verstorbene Prinzessin Elisabeth.

In der Nähe ist das Goethe - Denkmal, ein Tempel mit einer schlanken Geniusstatue und Reliefbild des Dichters; die Architektur ist von Zeller, die Bildwerke sind von Habich. In der Mitte des Parks befinden sich ein Café - Restaurant und ein Teich. Im östlichen Teil, nahe der Technischen Hochschule, steht ein würdiges Freiwilligendenkmal von Rahtz, ursprünglich für einen Kriegerfriedhof an der Westfront bestimmt, im Jahre 1918 wurde es hier aufgestellt. Nahe dem Nordende des Gartens steht das Veteranendenkmal von Scholl, zum Gedächtnis der in den napoleonischen Kriegen gefallenen Hessen.

Am nordöstlichen Rand des Herrngartens schließt sich die reizende Rokokoanlage des nach Prinz Georg benannten Gartens. Prinz Georg entwarf die geometrische Grundform mit Haupt-, Quer- und Diagonalachsen, in deren Schnittpunkten Fontänen und vergoldete Sonnenuhren liegen. In dem bunt bemalten Haus wohnt heute der Gärtner. Rund zehn Jahre hat Herr Jagenteufl den Park nach alten Vorbildern umgestaltet. Danach ging er nach Fürstenlager. Das Prinz - Georg - Palais mit seiner bekannten Porzellansammlung ist benachbart, ein schlichter Bau aus dem 18. Jahrhundert mit schönem Renaissanceportal von 1681.

 

Martinsviertel:

Nördlich des Herrengartens kommt man auf den Schloßgartenplatz, wo rechts die neugotische St.-Elisabeth-Kirche mit dem 75 Meter hohen Turm steht. Nördlich davon im Bereich der Moller­straße und Liebfrauenstraße ist das Martinsviertel. Noch bis weit ins 19. Jahrhundert ein Armeleuteviertel, hat es sich seit der Gründerzeit zu einem bevorzugten Wohnquartier gewandelt. Besonders augenfällig sind die schönen historisierenden und Jugendstilfassaden. Das große Vorbild warf seinen Glanz auch in die bürgerliche Welt.

Jetzt könnte man über Liebfrauenstraße, Heimheimer Straße, Stiftsstraße, Erich - Ollenhauer -Promenade nach links durch den Nicolaiweg zur Mathildenhöhe gehen. Diese ist aber das Ziel eines weiteren Rundgangs durch den Osten Darmstadts. Man geht lieber auf einem anderen Weg durch den Herrengarten zurück, geht aber jetzt östlich am Schloß vorbei.

 

Stadtmuseum:

Das Stadtmuseum (Schloß­graben 9), beherbergt eine Sammlung zur Geschichte und Kulturgeschichte der Stadt, in Verbindung mit der Odenwaldsammlung, einer volkskundlichen Sammlung mit alten bäuerlichen und handwerklichen Geräten.

 

Rathaus:

Man kommt in die mittelalterliche Altstadt. Am Marktplatz und Ernst – Ludwig - Platz steht der1716 - 1727 errichtete sogenannte „Neue Bau“, der den Anfang eines völligen Schloßneubaus bilden sollte, der aber unvollendet blieb. Südlich vom Schloß ist der große Markt mit dem 1599 erbauten Rathaus, ein Renaissancebau mit gotischen Anklängen und einem Treppenturm aus dem 17. Jahrhundert.

 

Rathaus:

Nach Südosten geht es durch die Kirchstraße zur Stadtkirche. Sie ist aus dem 15. Jahrhundert, jedenfalls Chor und Turm. Sie wurde 1686 erweitert und 1842 „neugotisch” umgebaut. Im Innern stehen beachtenswerte Grabmäler im Chor; am bemerkenswertesten das des Landgrafen Georg I. (1559), ein neun Meter hoher Alabaster - Epitaph. An der Nordwand steht das Grabmal von Prinz Wilhelm (1576), an der Südwand das von Graf Philipp von Waldeck (1552). Weiter geht es dann auf der Kirchstraße nach Süden und nach rechts in die Hügelstraße. Diese führt zum Wilhelminenplatz.

 

Ludwigskirche:

An dessen Südende steht die Ludwigskirche, der schönste Bau Georg Mollers. Die kuppelförmige Kirche war ein Geschenk Großherzog Ludwigs an die katholische Gemeinde. Das war auch eine Form von Huld und Liberalität, schließlich war es das erste katholische Gotteshaus nach Jahrhunderten rein protestantischer Tradition in Darmstadt. Die Kirche wurde 1822 - 1827 nach dem Vorbild des Pantheon in Rom erbaut. Insgesamt 28 Säulen tragen die moderne Stahlkonstruktion, die seit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg den ursprünglichen Holzüberbau ersetzt. Durch ein einziges, acht Meter großes Fenster im Zentrum der Kuppel strömt Tageslicht in den Innenraum. Im Innern steht der Marmorsarkophag der Großherzogin Mathilde, der Gemahlin Ludwigs III.

Der Obelisk mit Mädchenfiguren von Habich auf dem Vorplatz der Ludwigskirche erinnert an Großherzogin Alice, Gemahlin des Großherzogs Ludwig IV., eine Tochter Queen Victorias, die im sozialen und karitativen Bereich aufopferungsvoll wirkte. Am Platz ferner rechts das Neue Palais, 1865 in italienischer Renaissance erbaut.

Den Rückweg kann man zurück über die Hügelstraße nehmen, jetzt aber an der Schützenstraße nach links zum Ludwigsplatz und nach Norden über die Ernst-Ludwig-Straße wieder zum Markt.

Die „Waldspirale“, ein langgestrecktes Wohngebäude von Friedensreich von Hundertwasser, steht im Norden westlich der Allerheiliger Straße. Von dieser geht nach Westen der Rhön­ring ab, über die Friedberger Straße kommt man links zur Büdinger Straße, nördlich davon ist das Haus.

 

 

Rundgang durch den Osten Darmstadts:

Über den Rhönring und den Spessartring kommt man in Richtung Osten zur Mathildenhöhe. In der Straße, an der das braune Schild zur Mathildenhöhe weist (Olbrichweg), dürfen aber nur Anwohner parken. Man muß schon vorher nach rechts in die Dieburger Straße abbiegen und dann nach links in den Lucasweg, dort ist ein kleiner Parkplatz, der sehr nahe an der Mathildenhöhe liegt. Es sind aber auch noch Parkplätze ausgewiesen, wenn man auf dem Spessartring weiter fährt.

 

Hofbaudirektor Georg Moll:

Er gilt als der hessische Schinkel: Hofbaudirektor Georg Moller. Gewirkt hat der Architekt vor allein in der Residenz Darmstadt. Sein Mollermaß ‑ die Vorgabe, nicht höher als zwei Stockwerke zu bauen ‑ prägt noch 150 Jahre nach seinem Tod am 13. März 1852 die Ansicht der Stadt. Doch auch im Umland hat der Baumeister Zeichen gesetzt. So stammen unter anderem die Entwürfe für das Stadtschloß in Wiesbaden und das Mainzer Stadttheater aus seiner Feder. Mit dem Kölner Dom wird sein Name ebenfalls in Verbindung gebracht: Bei seinen historischen Studien stöbert Moller Originalpläne der Kirche auf. Moller gehört zu den großen Baumeistern seiner Zeit. Seine Stellung im Großherzogtum Hessen sei vergleichbar mit der des Architekten Karl Friedrich Schinkel in Preußen und von Leo von Klenze in Bayern. Er hat Stadtschloß, Ludwigs ‑ Monument und Theater entworfen.

Großherzog Ludwig I. holte Moller am Anfang des Jahres 1810 aus Karlsruhe nach Darm­stadt. Im Alter von 26 Jahren wurde er als Hessischer Baurat an den Hof des Großherzogs berufen. Er kann auf eine Ausbildung beim Karlsruher Bau - Inspektor Friedrich Weinbrenner verweisen sowie auf einen mehrjährigen Aufenthalt in Rom. In der aufsteigenden Residenz Darmstadt soll er nun ein Konzept für neue Wohnviertel vorlegen. Nach klassizistischem Vorbild plant er breite Straßen und Plätze auf einem regelmäßigen Grundriß. Die Häuser versieht er mit repräsentativen Fassaden. Damit keine Konkurrenz zum Stadtschloß entsteht, setzt er das Mollermaß.

Dieses Maß gehört zu den noch nicht gelüfteten Geheimnissen des Hofbaurates. Da steckt mehr dahinter, als nur ein Verbot. Der Professor sieht darin ein Zeichen des Maßhaltens und der Bescheidenheit, die Moller in die moderne bürgerliche Stadtplanung eingebracht hat. Belegen läßt sich diese „politisch ‑ philosophische Dimension“ jedoch nicht, da die meisten Aufzeichnungen Mollers verbrannt sind. Einfache, klare Formen mit moderner Technik umgesetzt, das verstand Moller unter moderner Baukunst.

Moller oder nicht Moller? Diese Frage stellen sich vor allem Darmstadts Denkmalschützer öfter, denn der klassizistische Baumeister hat am Woog, aber auch in den Gemeinden Südhessens und darüber hinaus viele schöne Kirchen und Häuser gebaut, die unter Denkmalschutz stehen, deren Urheberschaft aber nicht immer zweifelsfrei belegt werden kann. Sicher ist: Die großen repräsentativen Bauwerke hat der Meister selbst geplant, bei vielen kleineren seinen Untergebenen und Mitarbeitern die Hand geführt.

Die Ludwigskirche in Darmstadt zählt zu den prominenten Entwürfen Georg Mollers. Der klassizistische Architekt hat sie dem römischen Pantheon nachempfunden, natürlich etwas bescheidener ausgeführt. Sie wird von den Einheimischen wegen ihrer recht eindeutigen Form despektierlich als „Käsglock“ betitelt, von Zugereisten (die das selten aussprechen können) kurz „Kuppelkirche“ geheißen. Sie ist eine typische Vertreterin ihrer Zeit: Sie ist im Architekturstil des Klassizismus erbaut. Dieser Klassizismus löste nicht nur das königliche Barock ab, er markierte auch den Beginn der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft: Die Zeit des Biedermeier begann in Deutschland.                       

Mit seinem Eintritt in Darmstädter Dienste begann auch Mollers Laufbahn als Denkmalpfleger. Denn nicht nur dem neuen Baustil galt sein Interesse, sondern auch der Erhaltung historischer Baudenkmäler. Moller war gefragter Sachverständiger für mittelalterliche Baukunst. Nach seinen Detailzeichnungen wurde unter anderem der Kölner Dom teilweise erhalten und rekonstruiert. Im Jahre1818 bedrängte Georg Moller seinen Dienstherren, den Denkmalschutz zur öffentlichen Angelegenheit zu machen. Großherzog Ludwig I. formulierte daraufhin das erste Denkmalschutzgesetz Deutschlands. Anlaß war der damals geplante Abriß der Lorscher Königshalle ‑ heute ein Unesco-Denkmal. Die lange Tradition hessischer Denkmalpflege ‑ damals und für lange Zeit Maßstab für ganz Deutschland ‑ begann also mit und dank Georg Moller.

Zu den städtebaulichen Leistungen Mollers gehören die Planung und der Bau der Darmstädter Stadterweiterung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts - nach wie vor erkennbar am so genannten Monument, der Ludwigssäule auf dem Luisenplatz, die der Baumeister zu Ehren des ersten Großherzogs Ludwig I. entwarf. Das Hoftheater und Opernhaus entstand in den Jahren 1818 bis 1820 und wurde nach Georg Mollers Plänen an prominenter Stelle zwischen Schloß und Herrngarten gebaut. Der Mollerbau war und ist Darmstadts klassizistisches Paradebauwerk schlechthin.

Zu Mollers umfangreichem Werk gehören eine Reihe imposanter Schlösser und Schloßentwürfe. Das populärste ist sicher das Wiesbadener Stadtschloß, das der klassizistische Baumeister in der zweiten Hälfte der Dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts für den Herzog von Nassau plante und baute. Das Schloß ist heute Sitz des Hessischen Landtags. Fürst Metternich beauf­tragte Moller Mitte der zwanziger Jahre mit dem Umbau von Schloß Johannisberg. Auch Schloß Hornburg wurde von Moller innen und außen weitgehend neu gestaltet. Für Fürst Ludwig von Solms - Hohensolms - Lich baute er Mitte der dreißiger Jahre das Licher Schloß um.

Moller widmete sich auch der architektonischen Erneuerung des Bautypus Dorfkirche. Rings um Darmstadt baute Moller hauptsächlich neun der evangelischen Kirchen. Stilistisch an das deutsche Mittelalter angelehnt, sind sie klar gegliedert und bestehen meist aus einem Schiff und einem Turm. Die Glockentürme weisen schmal und wohlproportioniert gen Himmel und sind wie die Kirchenschiffe aus heimischem Gestein gemauert.

 

Mathildenhöhe:

Für die beiden Stilrichtungen Klassizismus und Jugendstil besitzt Darmstadt die hervorragendsten Beispiele Hessens. Während von den klassizistischen Bauten des Hofbaudirektors Georg Moller nach den Zerstörungen 1944 nur weniges erhalten ist, darf das Jugendstilensemble auf der Mathildenhöhe als einmalig gelten. Gewiß fehlt auch hier manches oder entspricht nicht mehr der ursprünglichen architektonischen Intention. Doch der harmonische Dreiklang von Hochzeitsturm, Ausstellungsgebäude (beide von 1908) und dem Atelier oder Ernst – Ludwig ‑ Haus von 1901 blieben neben den Plastiken und dem gekachelten Bassin im vorgelagerten Platanenhain unverändert.

Die Mathildenhöhe ist benannt nach der Gemahlin des Großherzogs Ludwig III. Sie ist mit der Darmstädter Künstlerkolonie eine einzigartige und für Darmstadt charakteristische Anlage. Inmitten schöner Gärten mit altem Baumbestand und reicher Vegetation liegen zahlreiche Villen. Besonders die im vornehm - ruhigen Geschmack der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts erbauten Jugendstil - Villen sind zu beachten, aber auch die modernen Villen. Hier ist bereits vor dem Ersten Weltkrieg das Streben einer neuen Kunst zur Sachlichkeit, zur Schönheit der Zweckform zu erkennen.

Was zunächst als großherzoglicher Park mit russischer Kapelle angelegt war, entwickelte sich innerhalb weniger Jahrzehnte zum wichtigen Schauplatz der europäischen Stilkunstbewegung im 19. Jahrhundert. Großherzog Ernst Ludwig hat 1899 berühmte Künstler auf die Mathildenhöhe herangezogen, um neben der Wirtschaftsförderung Gesamtkunstwerke zu schaffen.

Statt kleiner Arbeiten erschufen die Künstler auf einer rund 10.000 Quadratmeter großen Fläche ganze Häuser samt Einrichtungen, die einen neuen Trend gegen die auslaufende Wohnkultur des endenden Jahrhunderts setzen sollten. So etwas hat es zuvor noch nie gegeben, die komplette Durchformung war neu.

In den folgenden Jahren präsentierten die Künstler individuell eingerichtete und teils temporäre Häuser, die sich zunächst auf das aristokratische Wohnen beschränkten und anschließend den Akzent auf die Arbeiterschicht verschoben. Es gab auch ein großes Interesse, für die ärmere Bevölkerungsschicht ein lebenswertes Umfeld zu schaffen. Einige Arbeiterhäuser wurden nach der Ausstellung abgetragen und in einer nahe gelegenen Wohnsiedlung wieder aufgebaut. Damit sind neue Maßstäbe gesetzt worden. Die Künstler haben gezeigt, was man mit wenigen Mitteln in der deutschen Architektur machen konnte.

Das Gesamtkunstwerk Mathildenhöhe entwickelte sich immer weiter. Joseph Maria Olbrich war mit dem Bau eines Aussichtsturms auf der höchsten Stelle des Areals beauftragt worden. Dort befand sich das Wasserreservoir der Stadt, ein flacher Bau mit einer Platte. Mit der Errichtung des Hochzeitsturms und des direkt auf dem Wasserreservoir plazierten Ausstellungsgebäudes habe das Aussichtsplateau an optischer Schönheit gewonnen. Olbrichs letztes Werk ist eine Inkunabel der Architekturgeschichte. Die Arbeit mit dem vor- und zurückspringenden Backstein macht den Turm lebhaft. Eine um die Ecke gehende Fensterführung ist vor hundert Jahren eine völlige Neuheit gewesen.

Am Abend des 15. Mai 1901 gab es Grund zum Feiern und fürstlichen Speisen. Man reichte Möweneier mit Trüffelsoße in römischen Pastetchen, klare Schildkrötensuppe, getrüffelte Gansleber in Gelee, französische Masthühner, gedünstete Früchte und Diplomatenbombe (vermutlich eine fast unverschämt süße wie gehaltvolle Delikatesse). Es war das Festmahl zur Eröffnung der ersten Ausstellung der Künstlerkolonie in Darmstadt: Ein „Dokument Deutscher Kunst“. Die Speisekarte ‑ ein kleines Kunstwerk im Jugendstil.

Die Gäste kamen auf Geheiß des damaligen Großherzogs Ernst Ludwig, dem 23‑jährigen Landesherrn. Er erwies sich als weltoffen und reformfreudig, besaß zudem ein ausgeprägtes künstlerisches wie kulturelles Interesse. Auch in diesem Sinne wollte er sein Hessenland „in die Höhe bringen“ und das Kunstgewerbe reformieren, empfand man den aus diversen kunstgeschichtlichen Epochen zusammengewürfelten Prunkstil der Gründerzeit doch längst als  nicht mehr zeitgemäß.

Im Laufe des Jahres 1899 beschloß Ludwig die Gründung einer Künstlerkolonie als „freischaffende Gemeinde ohne akademische Zwänge“. Zu diesem Zweck berief er sieben Künstler in seine Residenzstadt: Hans Christiansen (Maler), Patriz Huber (Innenarchitekt), Paul Bürck (Maler und Grafiker), Rudolf Bosselt (Bildhauer und Medailleur), Peter Behrens (Maler, Kunstgewerbler und späterer Architekt), Joseph Maria Olbrich (Architekt) sowie Ludwig Habich (Bildhauer), der als einziger aus Darmstadt stammte.

Vertraglich wurden sie für drei Jahre verpflichtet. Ludwig sicherte ihnen dafür ein nach Alter, Reputation und persönlichen Verhältnissen bemessenes „nicht pensionsfähiges“ Grundgehalt zu. Anders als für Künstlerkolonien üblich, beruhte die Darmstädter Variante also nicht auf einem privaten, vergleichsweise formlosen Zusammenschluß verschiedener Künstler, sondern auf planmäßiger Initiative der Regierung.

Joseph Maria Olbrich - aus Wien nach Darmstadt gereistes Gründungsmitglied der Wiener Secession - war es, der die architektonische Planung des ersten künstlerischen Auftrags übernahm: Sieben Künstler‑ und Privathäuser sollten für die Mitglieder der Künstlerkolonie erbaut und eingerichtet und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Noch als Mitglied der Wiener Secession hatte Olbrich gefordert: „Eine Stadt müssen wir bauen, eine ganze Stadt! Alles andere ist nichts! Die Regierung soll uns ein Feld geben, und da wollen wir dann eine Welt schaffen.“ Nun war das Feld bestellt.

Mit Ausnahme der Villa Behrens, die der Maler Peter Behrens selbst gestaltete, errichtete Olbrich sämtliche Künstlerhäuser und übernahm auch die Planung der Landschaftsarchitektur. Entstanden ist eine bis heute innen wie außen begehbare jugendstilistische Pracht.

Bis zu 23 Mitglieder in wechselnder Besetzung nahmen von 1899 bis ins Jahr 1914 Anteil an dem fürstlichen Reformprojekt. Der immer gleiche Auftrag: Mit ihren Entwürfen sollten sie dem Gewerbe in Hessen innovative Produkt - Ideen zur Verfügung stellen und damit einen wirtschaftlichen Aufschwung einleiten. Dies sollte vor allem durch die enge Zusammenarbeit mit dem Handwerk und den mittelständischen Unternehmen geschehen. Und die Rechnung des Großherzogs Ludwig ging auf. „Wie der große Krieg ausbrach“, resümiert er in seinen Erinnerungen, „waren Hessens Finanzen auf der Höhe.“ Auch in diesem Sinne bleibt das Konzept der Künstlerkolonie Mathildenhöhe zeitlos vorbildlich ‑ obwohl nach 1918 und der Abdankung von Großherzog Ludwig keine Wiederbelebung gelang.

Das Ergebnis auf der Mathildenhöhe wirkenden Architekten, Bildhauer, Maler und Möbeldesigner nannte Theodor Heuss einmal den „Schlüssel zur Moderne“. Ohne das Mäzenatentum des Großherzogs Ernst Ludwig wäre die Konzentration des deutschen Jugendstils in Darm­stadt in dieser Form nicht denkbar gewesen.

Ausgehend von Darmstadt, dem Zentrum des Jugendstils, orientierten sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch viele Künstler und Handwerker auf dem Land für die neue Stilrichtung. Die Künstler unterrichteten Handwerker der Region in so genannten „Sonntagsschulen“. Einigen wenigen gelang es später, aus dem anonymen Kreis der Kunsthandwerker her­auszutreten. Zu ihnen gehörte der Töpfer Valentin Braun aus Urberach (Rödermark) und die regionalen Maler Heinrich Zernin, Richard Hoelscher und Emil Littmann.

Die sichtbarsten und prägnantesten Spuren hat der Darmstädter Jugendstil jedoch im Stadtbild der Region Starkenburg hinterlassen. Villen, Verwaltungsgebäude, Rathäuser, Amtsgerichte, Brücken, Kirchen und auch Friedhöfe konservieren bis heute das baukünstlerische Erbe. Beispiele sind etwa das Haus Metzendorf in der Ernst - Ludwig ‑ Straße in Bensheim. Den traditionalistischen Stil pflegte der Architekt Friedrich Pützer ‑ zu sehen in dem 1910 erbauten Haus Pützer im Alexanderweg 8 in Darmstadt.

Neben dem Imitat des Darmstädter Jugendstils hat FH-Architekturprofessor Frank Oppermann an der Bergstraße und in Michelstadt auch den „Heimatstil“ gefunden: Eine meist in eine idyllische Landschaft eingebettete malerische Villenarchitektur, die sich durch Materialien wie den gelben Sandstein und große behütende Walmdächer auszeichnet.

 

Wenn man den Olbrichweg hinaufkommt, sieht man rechts an der Rückseite des Ausstellungsgebäudes die Mosaiknische von 1914 und rechts anschließend die Betonpergolen von 1908. Auf der anderen Seite steht die Hochschule Darmstadt, Fachbereich Gestaltung, ehemals eine Miethäusergruppe von 1914. Dahinter ist das Ateliergebäude von 1914.

Auf der linken Seite des Olbrichwegs ist das letzte Haus das Oberhessische Haus von 1908 mit einem Gartenpavillon an der Ostseite. Es folgen der Museumsshop (das Oktogon von 1904) und gleich daneben Ernst - Ludwig - Haus, das Museum der Künstlerkolonie (die Schauseite ist allerdings von der anderen Seite). Dann wendet man sich nach rechts in Richtung Hochzeitsturm. Zuerst kommt hier allerdings das Ausstellungsgebäude, an der Ecke ist der Treppenpavillon mit Kuppelmosaik

 

Ausstellungsgebäude von 1908:

Im Museum Künstlerkolonie ist bis heute der linke Flügel der Dauerausstellung vor allem dem Werk dieser „ersten Sieben“ gewidmet, die in die Geschichte der Darmstädter Künstlerkolonie eingegangen sind. Die Besonderheit: Zwar unterschiedlichen Kunstgattungen verschrieben, wollten sie sich doch einer gemeinsamen Sache annehmen: der Verschönerung des Alltags durch die Künste.

Die Exponate, die in der Dauerausstellung zu sehen sind, künden von jener avantgardistischen Formensprache der „ersten Sieben“, die den unverwechselbaren Charakter des Jugendstils geprägt hat: geschwungene Linien und Ornamente, stilisierte Pflanzenmotive, Betonung des jeweiligen Charakters unterschiedlicher Materialien. Gebrauchsgegenstände, wie Möbel und Teppiche, Gläser und Keramiken wurden von Pomp und Prunk befreit und in Ausstellungen einem breiten Publikum zugänglich gemacht.

Auf der aussichtsreichen Terrasse stehen zwei Plastiken von 1914 von Bernhard Hoetger: links „Rache“, rechts „Wut“. Vor dem Gebäude stehen unten zwei Steinbänke und zwei große Vasen von 1914. Etwas weiter weg zwei Plastiken von 1914 von Bernhardt Hoetger: „Geiz“ und „Hass“. Noch weiter nach vorne steht der Bacchusbrunnen von 1914

Hochzeitsturm:

Links neben dem Ausstellungsgebäude ist der Hochzeitsturm. Für den Überblick im Großen kann man die 212 Stufen des Turms besteigen. Er ist mit fast 50 Meter Höhe ein klar gegliedertes Werk neuerer Baukunst. Das Wahrzeichen Darm­stadts wird auch „Stadtkrone“ genannt. Er ist das Hauptwerk von Joseph Olbrich und wurde 1908 von der Stadt zur Feier der Wiedervermählung des Großherzogs gestiftet. An der Vorderseite ist eine figurengeschmückte Relief-Gedenktafel von Jobst. Im Innern des Turms sind Malereien von Hegenbart (München) und Philipp Otto Schäfer (Darmstadt). Heutzutage werden im Hochzeitsturm Eheschließungen vorgenommen. Im Winter ist der Turm geschlossen.

 

Die russische Kapelle:

Das farbenprächtige Gotteshaus mit den goldenen Zwiebeltürmchen ist ein als Wahrzeichen Darmstadts. Sie verdankt ihre Entstehung der Heirat von Zar Nikolaus II. mit der Prinzessin Alix von Hessen und bei Rhein. Die häufigen Besuche des tief religiösen Zarenpaares in Schloß Wolfsgarten und Darmstadt ließen sehr bald den Wunsch nach einer orthodoxen Kirche aufkommen. Der Bruder der Zarin, Großherzog Ernst Ludwig (1868 - 1937) stellte den Bauplatz auf der Mathildenhöhe zur Verfügung. Für den Bau wurde Professor Louis Benois verpflichtet, der fast zur gleichen Zeit die Pläne für die Homburger Kirche erstellte. Auch in Darmstadt suchte er, die Stilelemente des russischen Kirchenbaus des späteren 16. Jahrhunderts mit dem aufkommenden Jugendstil zu verbinden.

Die „Russisch orthodoxe Kapelle der Heiligen Maria Magdalena“ wurde von 1897 bis 1899 gebaut - sogar auf echter russischer Erde, die Zar Nikolaus eigens aus Rußland ankarren ließ. Rund 400.000 Goldmark aus Privatmitteln hat der Bau einst gekostet. Auf den vergoldeten Zwiebelkuppeln und auf den Kacheln an der Außenfassade und in den Türmen verewigte Baumeister Louis Benois den russischen Zarenadler.

Die bemalten Mosaiksteinchen über den Eingang bilden die Heilige Maria Magdalena ab. Ein Glockenspiel mit fünf Glocken ruft zum Gottesdienst. Das Glockenspiel erklingt aber auch, wenn ein Evangelium gelesen wird. Die Entwürfe für die Mosaike an den Außenwänden, für die Ausmalung der Kirche und die beiden Kirchenfahnen stammen von dem russischen Maler Viktor M. Vasnecov, der durch die Ausmalung der Vladimir ‑ Kathedrale in Kiew bekannt wurde. Ausgeführt wurden die Arbeiten von Künstlern aus St. Petersburg. Die lkonostase, ein Werk von T. von Neff, wurde nicht eigens für diese Kirche gefertigt. Sie befand sich in der Hauskapelle Alfreds von Großbritannien in London und ist eine Schenkung des englischen Königshauses.

Sowohl die Grundsteinlegung am 16. Oktober 1897 als auch die Einweihung am 8.Oktober 1899 fand in Gegenwart von Zar Nikolaus II., seiner Gemahlin und der Großherzoglichen Familie statt. Bis zum Jahr 1918 fanden in der Kirche nur dann Gottesdienste statt, wenn sich das Zarenpaar oder orthodoxe fürstliche Gäste in Darmstadt aufhielten. Heute gibt es eine kleine Gemeinde von Russen und Serben, für die Gottesdienste zelebriert werden.

Anfang des Jahres 2002 wurde für die Sanierung der russischen Kirche ein Kuratorium (unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Peter Benz) gegründet. Die Schönheit war nur noch von der Ferne ungetrübt. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, daß die Kapelle zusehends verfiel: Risse im Mauerwerk, ein undichtes Dach und feuchte Wände setzen dem Bauwerk zu. Weder die 60 Mitglieder zählende russisch orthodoxe Gemeinde in Darmstadt noch die Eigentümerin ‑ die Russisch‑ Orthodoxe Kirche im Ausland ‑ sahen sich imstande, die Renovierungskosten zu stemmen. Bei einem Unwetter wurde ein Stück des Daches abgehoben und Wasser drang ins Gebäude ein. Die feuchten Wände zersetzen allmählich die buntscheckigen Wandmalereien, und das Blattgold blättert zusehends ab. Im Seitenraum des Altarraums hatten sich etwa faustdicke Steinbrocken aus der Wand gelost. Überdies färbte sich schon der vor dem weiße Sandstein schwarz. Bis zum Jahr 2011 wurde die Kirche restauriert.                 

Anlage:

Südlich der Kirche steht noch der Gartenpavillon von 1914 („Schwanentempel“). Rechts von der Kirche ist ein Platanenhain (1833 / 1914) mit Bildwerken von Hoetger (1914). Vor dem Hain stehen schmiedeeiserne Bögen mit Steinbänken von 1914. Westlich der Kirche stehen zunächst zwei Plastiken von Bernhard Hoetger aus dem Jahr 1914: „Maria mit dem Kind“ und „Josef“. Es folgt das Lilienbecken von 1914, eine schöne Brunnenanlage von Albin Müller. An der südwestlichen Ecke steht eine Blumenschale.

 

Künstlerhäuser:

Vom Becken geht man dann hinunter zum Alexanderweg. Dort stehen die Häuser der Künstler. Noch westlich des Eugen Bracht - Wegs steht das Haus Ostermann von 1908 von Alfred Messel. Wenn man dann den Alexanderweg nach Osten geht, sieht man links zunächst das das Denkmal für den Darmstädter Dichter Gottfried Schwab, ein Bronzebildwerk von Habich von 1914, das einen „emporstrebenden Genius“ darstellt. Daneben beginnen Betonpergolen von 1914.

Rechts beginnen dann die Künstlerhäuser, alle von Joseph Maria Olbrich: Haus Behrens von 1901, Großes Haus Glückert 1901 (Akademie für Sprache und Dichtung), Kleines Haus Glückert von 1901, Haus Habich von 1901, Haus Keller von 1901 und Haus Deiters von 1901 (schon um die Ecke).

Auf der anderen Seite ist gegenüber des kleinen Hauses Glückert der Ernst Ludwig - Brunnen von 1958 (Bildhauer Karl Hartung). Hier war ehemals das Haus Christiansen von 1901 (die Villa „in Rosen“) der Architekten Olbrich und Hans Christiansen. Etwas weiter oben am Hang sieht man das Ernst - Ludwig - Haus von Joseph Olbrich mit dem Eingangsportal von 1901, die riesigen Portalfiguren sind von Habich. Es folgt wieder unten an der Straße das Haus Olbrich von 1901 mit dem Wandbrunnen und dem Relief „Trinkender Jüngling“.

 

Landschaftspark Rosenhöhe:

Man kommt zum Fliednerweg, geht ein Stück links und dann nach rechts in den Olbrichweg. Dieser trifft auf den Spessartring (der hier nicht mehr zum Ring rund um Darmstadt gehört) und dann nach links auf die Brücke über die Bahn. Von dieser aus sieht man rechts den Ostbahnhof liegen. Von hier aus haben einst hochgestellte Gäste die Rosenhöhe betreten, nachdem sie am Ostbahnhof angekommen waren, unter anderen Zar Nikolaus II., Schwager von Ernst Ludwig. An dieser Stelle steht das sogenannte „Wachhäuschen“ mit einem ungewöhnlichen Zinkblechdach. Der Thießweg führt hoch zum Palais Rosenhöhe (s.u.)

Man geht aber von der Brücke leicht rechts weiter zu dem eigenartige Löwentor, das 1926 zum 25-jährigen Jubiläum der Künstlerkolonie errichtet wurde. Sie waren aber ursprünglich für die dritte und letzte Künstlerkolonie ‑ Ausstellung 1914 geschaffen worden. Der Entwurf ist von Albin Müller, die Bildwerke von Hoetger. Die sechs Steinlöwen werden vom Volksmund die „niesenden Igel“ genannt.

Schon 1810 hat der Heidelberger Gartenbauarchitekt Michael Zeyher auf dem ehemaligen herr­schaftlichen Weinberg einen Landschaftsgarten nach englischem Muster gestaltet und Blumenrondelle und malerische Baumgruppen gepflanzt; und Hofarchitekt Moller hatte alles mit Teehäuschen, Pavillons und Schaukel verschönt.

Großherzog Ernst Ludwig aber wollte der ländlichen Idylle ein ernsteres Moment hinzufügen. Der Park wurde nun auch Begräbnisstätte der Großherzoglichen Familie. Als Vorbild schwebte ihm eine Anlage vor, die den Charakter der Rosengärten Italiens mit ihrer Blütenfülle und den Architektureinstreuungen mit dem Charakter der den künstlerisch und blumenzüchterisch hochstehenden Rosengärten Englands verbinden sollte.

Die Rosenhöhe war früher nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Dadurch geriet etwas aus dem Blick, daß der jugendbewegte Großherzog keine 500 Meter von der Künstlerkolonie entfernt sich so etwas wie seinen zweiten Traum erfüllte. Galten doch seine „künstlerischen Gedanken über Baumkunst, Raumkunst und Kunstgewerbe auch solchen über Gartenkunst“. Angeregt von Reisen nach England und Italien, ging Ernst Ludwig daran, den natürlichen Charakter des Landschaftsparks der Rosenhöhe mit exotischen Baumsolitären zu unterstreichen, während er als optischen und gestalterischen Kontrast am oberen Parkzugang das Rosarium in strengen geometrischen Formen anlegen ließ.

Die Rosenhöhe verfiel nach dem Ersten Weltkrieg, war zunächst Nutzgarten, wurde aber ab 1925 wieder hergestellt. Im Zweiten Weltkrieg mußten wiederum die Rosen dem Gemüse weichen, dann verwilderte der Park. Im Jahre 1989 ging der bis dahin private Park in den Besitz der Stadt über, die unmittelbar danach die Wiederherstellung nach dem alten Vorbild veranlaßte.

 

In den Park geht man unter dem dunklen Dach einer Ahorn ‑ Allee, wie überhaupt die 18 Hektar große Anlage ihren Charakter als englischer Landschaftsgarten dank der ausgewachsenen Mammutbäume und Douglasien erst jetzt richtig entfaltet. Neben einer Vielzahl von Baum- und Pflanzenarten - Rosen, Blutbuchen, Mammutbäume, Scheinzypressen, Kräuter, Kastanien, Douglasien, Zedern, Ginkgos Weißtannen und Robinien - findet man auch Sehenswürdigkeiten kultureller Art.

Zunächst führt eine Teerstraße etwas bergauf. Rechts stehen Häuser der neuen Künstlerkolonie, die 1954 - 1967 erbaut wurde für Darmstädter Künstler und Schriftsteller.

Durch ein Tor geht es dann in den leicht am Hang angelegten Landschaftsgarten. Gleich links ist das klassizistische Teehäuschen, ein typisches Gestaltungselement biedermeierlicher
Gä­rten. Es wurde errichtet in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach einem Entwurf von Georg Moller. Rechts liegt das Gartenhaus, erbaut von Georg Moller in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für Prinzessin Elisabeth, Ehefrau von Prinz Carl.

 

Etwas weiter oben sieht man rechts die Ruhestätten der letzten Großherzoglichen Familie (1903 bis 1997). Hier liegt Ernst Ludwig neben den fünf Familienmitgliedern, die am 16. November 1937 nur einen Monat nach seinem Tod bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Ihnen gegenüber liegt die 1997 gestorbene Prinzessin Margaret begraben.

Geradeaus steht das Neue Mausoleum, erbaut 1905 bis 1910 für die Eltern von Großherzog Ernst Ludwig bzw. die Grabplastik Elisabeths. Das Gebäude wurde dem Grabmal der Kaiserin Galla Placidia in Ravenna nachempfunden.

Dahinter folgt dann das alte Mausoleum, geschaffen von Hofarchitekt Georg Moller, Architekt Professor Karl Hofmann und Bildhauer Christian Rauch. Es ist eine dreigeteilte symmetrische Anlage mit einem Mittelbau mit seinem streng klassizistischen Äußeren. Der Mittelbau wurde 1826 erbaut als letzte Ruhestätte der Prinzessin Elisabeth, Tochter von Großherzogin Wilhelmine und Großherzog Ludwig II., die im Alter von fünf Jahren starb. In den Jahren 1869/70 wurde das Mausoleum durch symmetrische Flügelbauten des Darmstädter Architekten Heinrich Wagner erweitert, bestimmt für Ludwig I. und seinen Sohn Emil. In diesem Mausoleum ruhen außerdem weitere zwölf Mitglieder des Großherzoghauses und weitere totgeborene Kinder.

Durch ein schmiedeeisernes Tor mit den Versalien „Roesenhoehe“ verläßt den inneren Parkbezirk und läuft geradeaus zum Ludwig – Engel ‑ Weg, auf den man nach links abbiegt. Unterhalb liegt der Kräutergarten, der 1990 in Verbindung mit der Wiederherstellung des Rosariums angelegt wurde. Es schließen sich Obstwiesen an, und ganz am Ende steht der im 19. Jahrhundert errichtete Spanische Turm, der zu den unerforschten Baudenkmälern Darmstadts gehört.

Rechts aber liegt der wundervolle Rosengarten, den Großherzog Ernst Ludwig ab 1910 auf der höchsten Erhebung des Parks anlegen ließ. Mit einem Rosengarten, „wie man ihn in Deutschland noch nicht kannte“, wollte er den Landschaftspark Rosenhöhe krönen. Hier wurde eine Verschmelzung italienischer Gartenarchitektur mit den Vorbildern englischer Rosengärten versucht, die strengen Formen des Rosengartens sind ein bewußter Gegensatz dem sonstigen Landschaftspark im englischen Stil.

Man geht zunächst etwas links und dann nach rechts die Treppen hoch zum „Rosendom“.

Man geht dabei durch einen der vier Pergolen ‑ Kreuzgänge, die zur hölzernen Kuppel des „Rosendoms“ führen. Hier wächst seit der Neuanlage des Parks eine der wenigen ursprünglichen Sorten „American Pillar“, eine robuste, monatelang in dichten, rosafarbenen Büscheln blühende Art. Das Parterre daneben ist älteren, englischen und Stammrosen vorbehalten, unterhalb davon schwimmen Seerosen auf kleinen Teichen.

Seit Mitte der achtziger Jahre wurde dieses Blumenareal wiederhergestellt. Von den rund 50.000 Rosenarten werden hier rund 10.000 Rosen gezeigt. Nach fast jedem Prominenten, so scheint es beim Blick über die Namensschildchen, ist eine benannt. Bei öffentlichen Führungen über die Rosenhöhe werden die wichtigsten und schönsten Exemplare vorgestellt und vieles darüber hinaus, was der Großherzog sonst noch anlegen ließ und zuletzt aufwendig wiederhergestellt wurde ‑ etwa die Obstbäume vor dem Oberfeld, ein Gewürzgarten am Gärtnerhaus oder die in alle Himmelsrichtungen führenden Sichtschneisen. Sechs Gärtner sind ausschließlich mit der Pfleg auf der Rosenhöhe beschäftigt. Ohne das Engagement eines privaten Fördervereins wäre es unmöglich, den ursprünglichen Zustand zu rekonstruieren, wie es derzeit im westlichen Teil des Parks geschieht.

Unterhalb des Rosendoms liegen nach Westen ein Kastanienrondell und ein Heckengarten, eine Gartenkomposition, die unter Großherzog Ernst Ludwig entstand. Noch etwas weiter unten und etwas nach Süden steht das Palais Rosenhöhe, erbaut 1894 von Prinz Wilhelm nach Plänen des Architekten Gustav Jacobi, das zwischen 1903 und 1918 Sitz der preußischen Gesandtschaft in Hessen war.

Vom Rosendom geht man geradeaus weiter, durch ein kleines Tor nach außen, dann gleich wieder nach rechts in einen von einem Gitterzaum eingerahmten Bereich mit einem Kunstwerk. Auf der anderen Seite geht es wieder hinaus und am nächsten Weg - dem Dolf Sternberger Weg - nach links (dort steht ein Schild, daß der Weg an einer Treppe endet). Man kommt in den Römheldweg, auf dem man nach Osten weiter geht und dann nach rechts abbiegend zur Erbacher Straße, auf der man noch ein Stück nach links geht. Dort ist das Hofgut auf der Südseite.

 

Hofgut Oberfeld (Erbacher Straße 125):

Seit 1717 befand sich die alte Großherzogliche Hofmeierei neben dem Residenzschloß in Darmstadt. Im Jahre 1892 mußte das Hofgut am Herrngarten den Neubauten der Technischen Universität weichen (am Ostrand des Herrengartens). Er wurde an die Erbacher Straße 125 verlegt. Um einen offenen Anger als Mustergut in Form eines Fünfecks angelegt, bildeten die Stallungen, Scheunen, Remisen und ein repräsentatives Gutshaus sowie die Schmiede und das Milchhaus eine funktionale Einheit mit hohem architektonischem Anspruch.

Im Jahre 1919 wurde der Betrieb einer Pächterfamilie übertragen, die über Generationen den Charakter des Hofguts trotz einiger Kriegszerstörungen bis zur Betriebsaufgabe im Sommer 2006 bewahrte. Dann übernahm die Stiftung Hofgut Oberfeld die Anlage, um hier im Rahmen ökologischer Landwirtschaft einen Arbeits- und Lebensort für Menschen mit Behinderung sowie einen Lernort Bauernhof zur pädagogischen Arbeit einzurichten.

Das gesamte Anwesen steht unter Denkmalschutz, einzelne Bauten wie der alte Kuhstall, das Schmiede- und das Milchhaus sowie die verbindenden Außenmauern haben den Status des Einzeldenkmals, da sie als prägende Bauten mit Sichtmauerwerk und erhaltenem Fachwerk die kulturelle Bedeutung dieses Ortes dokumentieren.

Im Ensemble der zwischen 1892 und 1902 errichteten Gebäude ist das direkt neben dem alten Kuhstall gelegene Milchhaus inzwischen ein Schmuckstück: Mit Hilfe des Hessischen Landes­amtes für Denkmalpflege und zahlreicher Spenden ist es gelungen, das Haus denkmalgerecht zu sanieren. Das Dachgeschoß hat eine aus Eichenholz erstellte Fachwerkkonstruktion mit profilierten Schwellen und Konsolen, geschnitzter Feldergliederung und farblichen Absetzungen entsprechend der ursprünglichen Originalfassung. Auch die stark beschädigte Laube mit Freisitz wurde wiederhergestellt. Im Inneren konnte eine originale Kasettendecke aus Nadelholz freigelegt freigelegt und gesichert werden.

Die Stiftung Hofgut Oberfeld hat sich zum Ziel gesetzt, das ehemalige Kammergut der Landgrafen und Großherzöge von Hessen - Darmstadt in Hof und Grund zu erhalten und einem guten Zweck zuzuführen, der den Menschen und der Umwelt nützt. Das denkmalgeschützte Anwesen soll erhalten bleiben, die landwirtschaftliche Fläche unter ökologischen Gesichts­punkten bewirtschaftet werden. Soziale Aktivitäten finden hier in der Behindertenhilfe, Natur- und Umweltschutz, Erziehung und Bildung, Kunst und Kultur sowie der Wissenschaft und Forschung einen sinnvollen und fruchtbaren Rahmen.

Die bauliche Entwicklung des Hofguts begleitet die Architekten Arbeitsgemeinschaft Gott­stein & Blumenstein, zuständig für das Milchhaus sind Joachim Gottstein und Uwe Blumenstein. Das Haus wird heute als Wohngebäude für Mitarbeiter der benachbarten sozialtherapeutischen Einrichtung genutzt.

Vor dem Hofgut ist die Dreibrunnenanlage: Hier war der Anfang der 1568 von Landgraf Georg I. angelegten ersten Darmstädter Wasserleitung, die durch 726 Rohre aus Erlenholz den Marktbrunnen und das Stadtschloß mit Trinkwasser versorgte. Im Jahre 1597 führte man „gebackene Röhren“ aus Keramik ein. Die Bronzeplatten an der Brunneneinfassung gestaltete der Darmstädter Künstler Gotthelf Schlotter. Die rechte Gußplatte zeigt, wie hier die Störche die kleinen „Heiner“ – die echten Darmstädter – aus dem Teich holen.

Im 17. Jahrhundert lagen hier zwei Teiche, die als Vorratsbehälter dienten, wenn der Große Woog abgefischt wurde oder unter Niedrigwasserzufluß litt. Später wurde dann ein dritter Forellenteich angelegt, der nach dem Teichgräber Heinrich Judt aus Butzbach (Kellereirechnungen aus 1572) den Namen Judenteich erhielt. Heute gehört der Judenteich zum Gelände des Aquarien- und Terrarienvereins Hottonia. Der Ausfluß dieser Quelle ist der Meiereibach, der jetzt wieder in den Darmbach fließt.

 

Auf der Erbacher Straße geht man ein Stück nach Westen und dann links nach Süden in die Straße „Am Judenteich“. Über die Hanauer Straße und die Bahn kommt man zum Botanischen Garten. Das noch weiter südöstlich gelegene Vivarium - ein Zoo - ist einen eigenen Besuch wert. Auch zum Alten Friedhof kann man noch einen Abstecher machen. Man kann vom Breslauer Platz im Süden zur Heinrich Straße gehen und auf ihr nach Westen in Richtung zum Alten Friedhof (links in die Theodor Heuß - Straße und dann rechts in den Herd­weg). Das regelmäßige Viereck enthält eine Reihe von künstlerisch wertvollen Grabmälern, besonders von jenen, die im Darmstadt des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Rang und Namen hatten.

An oder nahe der rechten Umfassungsmauer sind die meisten von ihnen bestattet: Heinrich von Gagern, Georg Moller, Luise und Ludwig Büchner, die Mitarbeiter der Künstlerkolonie Joseph Maria Olbrich und Ludwig Habich, aber auch der reaktionäre Staatsminister du Thil, unter dem Georg Büchner und der ebenfalls auf dem Alten Friedhof bestattete Friedrich Ludwig Weidig verfolgt wurden. Der Mann, der die restaurative Ära du Thil mit seinem „Datte­rich“ unsterblich satirisch aufgespießt hatte, Ernst Elias Niebergall, liegt nun auch dort, nachdem man ihn zu Lebzeiten verkannt und nach seinem Tode in einem Armengrab verscharrt hatte. Zurück über die Heinrich Straße und nach links über die Heidenreich Straße kommt man zum Großen Woog.

 

Vom Botanischen Garten kann man aber auch direkt über die Heinrich Fuhr - Straße zum Großen Woog gehen. In diesen mündet der Darmbach, der jetzt wieder renaturiert ist. Im 18. Jahrhundert war der Darmbach mit Abwassern gefüllt und stank buchstäblich zum Himmel, so daß die Darmstädter ihn nach und nach abdeckten. Seit 1786 ist das Gewässer komplett aus dem Stadtbild verschwunden. Vergessen haben es die Darmstädter zwar nicht. Aber es dauerte mehr als 200 Jahre, bis sich Kommunalpolitik und Bürgerschaft in der Lokalen Agenda entschlossen, den Darmbach wieder zum „Bach in der Stadt” zu machen. Nach mehrjähriger Planung war es 2007 soweit. Mit dem Spatenstich startete Stadtrat Dieter Wenzel die Offenlegung des verlorenen Baches. Bisher wurden der Darm- und der Meiereibach mit Abwasser vermischt. Durch die Einleitung in die Kanalisation entstanden jährlich Abwasserkosten von 2,74 Millionen Euro, die aber jetzt gespart werden. Der Bach wurde auf 3,6 Kilometern vom Südosten der Stadt durch den Großen Woog und quer durch die Innenstadt und den Herrengarten bis zum Bachwasserkanal im Nordwesten geführt. Von dort fließt er weiter Richtung Rhein. Die Arbeiten sollten 8,44 Millionen Euro kosten und nach 2011 abgeschlossen werden.

 

 

 

 

 

 

Wanderung über die „Darmstädter Höhen“ und durch die „Eberstädter Toskana“

Die Wanderung ist angelehnt an den Wanderweg „Sieben-Hügel -Steig“. Dieser ist allerdings eine Streckenwanderung, die eine Rückkehr zum Ausgangsort mit öffentlichen Verkehrsmitteln voraussetzt. Deshalb wurde für Autofahrer hier eine Rundstrecke zum Wandern ausgewählt. Der Einstieg ist am Südostrand von Darmstadt an der B 449 / Kreuzung mit der Straße „Am Böllenfalltor“. Dort ist auf der Ostseite ein Parkplatz.

 

Herrgottsberg:

Man überquert die Bundesstraße und geht links an dem Restaurant „Bölle“ vorbei. Dort ist ein niedriges Holzgeländer, an dem man rechts vorbei geht und dann einen Trampelpfad hoch.

Man kommt zu dem 220 Meter hohen Felskoloß „Herrgottsberg“. Als erstes trifft man auf einen Gedenkstein für die frühere Martinskapelle. Der Berg war sowohl vorchristliche Kultstätte und als auch Wallfahrtsort der Bessunger Kirche. Im 13. Jahrhundert wurde hier eine Martinskapelle errichtet. Im 14. Jahrhundert wurde sie Filialkirche der Darmstädter Stadtkirche und der Martinspfad führte zu ihr. Im Jahre 1535 wurde ihr das Altarlehen entzogen und dem Philippshospital in Goddelau übertragen. Deshalb wurde sie 1557 abgebrochen. Links von dem Gedenkstein liegt auf dem Boden ein zerbrochenes Steinkreuz.

Der Berg war auch der Hausberg des im Dreißigjährigen Krieg untergegangenen Dorfes Klappach. Hier finden sich an vielen Stellen die Zeichen einer Steinbruchnutzung. Das sagenumwobene Naturdenkmal Teufelskralle befindet sich im Osten des Berges. Die Sage erzählt, der von den Bessungern betrogene Teufel habe den Stein nach der Martinskapelle geworfen

 

Goethefelsen:

Dann geht es nach Süden den Berg hinunter mit dem Wanderzeichen liegender roter Strich. Links liegt der 1976 von Bürgermeister Sabais angelegte Goethe-Teich, gespeist die Saubachquelle. Rechts ist der „Goethefelsen“. Das „G“ am Goethefelsen wurde vom Bildhauer Scholl für den Literaturhistoriker Gervimus geschlagen. Im Jahre 2002 wurde hier eine  Bronze - Gedenktafel errichtet. Hier war ein beliebter sonntäglicher Treffpunkt des Dichters und seiner Darmstädter Freunde und Freundinnen, der „Kreises der Empfindsamen“.

Mit Datum vom 9. März 1772 meldete das „Darmstädtische Frag- und Anzeigungsblättgen” unter der Rubrik der „ab- und durchgereisten Passagiers” den Besuch eines gewissen Johann Wolfgang Goethe. Es war dies der erste Aufenthalt des aufstrebenden Dichtergenies in der südhessischen Residenzstadt. Goethe scheute sich nicht, noch einige Male zu Fuß den Weg nach Darmstadt auf sich zu nehmen.

Hier fand er, was ihm in seiner geschäftigen Vaterstadt bislang versagt geblieben war: Anerkennung, wenn nicht gar Bewunderung. Für den so genannten Kreis der Empfindsamen um Johann Heinrich Merck und Caroline Flachsland, der Braut von Johann Gottfried Herder, kam der junge Goethe wie gerufen. Ganz verzückt zeigt sich der schwärmerische Bund von seinen Dicht- und Rezitationskünsten. „Goethe steckt voller Lieder”, schrieb Caroline Flachsland an ihren Verlobten, überall sei sie ihm „nachgegangen”. Den darauf eifersüchtigen Herder nannte Goethe einen „intoleranten Pfaffen”.

Viel erinnert nicht mehr in Darmstadt an Goethe und den Kreis der Empfindsamen. Am ehesten wird man ihrem poetischen Naturverständnis an der Felsgruppe auf dem Herrgottsberg gewahr. Hierher zog sich gerne Caroline Flachsland zum Lesen von Shakespeare und Klopstock zurück, hier schrieb Goethe seinen „Fels-Weihegesang an Psyche” (gemeint war Caroline unter ihrem Kultnamen).

Die Bronzetafel erinnert daran, daß im Mai 1772 Goethe hier seinen „Felsweihegesang an Psyche“ gedichtet hat. Einige Zeilen daraus stehen auf der Bronzetafel: „Ich irrer Wandrer fühlt erst auf dir Besitztumsfreuden und Heimatsglück. Da, wo wir lieben, ist Vaterland. Wo wir genießen, ist Hof und Haus“. Das ganze Gedicht lautet:

 

An Psyche

Veilchen bring ich getragen,

Junge Blüten zu dir,
Daß ich dein moosig Haupt
Ringsum bekränze,
Ringsum dich weihe,
Felsen des Tals.

Sei du mir heilig!
Sei den Geliebten
Lieber als andre
Felsen des Tals!

Ich sah von dir
Der Freunde Seligkeit,
Verbunden Edle
Mit ew'gem Band.

Ich irrer Wandrer
Fühlt erst auf dir
Besitztumsfreuden
Und Heimatsglück.

Da, wo wir lieben,
Ist Vaterland;
Wo wir genießen,
Ist Hof und Haus.
Schrieb meinen Namen
An deine Stirn;
Du bist mir eigen,
Mir Ruhesitz.

Und aus dem fernen
Unlieben Land
Mein Geist wird wandern
Und ruhn auf dir.

 

 

Sei du mir heilig,
Sei den Geliebten
Lieber als andre
Felsen des Tals!

Ich sehe sie versammelt
Dort unten um den Teich;
Sie tanzen einen Reihen
Im Sommerabendrot;
Und warme Jugendfreude
Webt in dem Abendrot.

Sie drücken sich die Hände
Und glühn einander an.
Und aus den Reihn verlieret
Sich Psyche zwischen Felsen
Und Sträuchen weg, und traurend
Um den Abwesenden,
Lehnt sie sich über den Fels.
Wo meine Brust hier ruht,
An das Moos mit innigem
Liebesgefühl sich
Atmend drängt,
Ruhst du vielleicht dann, Psyche.
Trübe blickt dein Aug
In den Bach hinab,
Und eine Träne quillt
Vorbeigequollnen Freuden nach;
Hebst dann zum Himmel
Dein bittend Aug,
Erblickest über dir
Da meinen Namen.
- Auch der -
Nimm des verlebten Tages Zier,
Die bald welke Rose, von deinem Busen,
Streu die freundlichen Blätter
Übers düstre Moos,
Ein Opfer der Zukunft!

 

 

 

Ludwigshöhe:

Dann geht es zunächst ein Stück weiter mit dem roten Strich. Wo dieser aber rechts abknickt, geht man geradeaus weiter mit dem Wanderzeichen „S“ (aber der rote Strich kommt dann wieder dazu). Der ganze Weg ist hier gesäumt von modernen Kunstwerken wie einer Hexe aus Reisig. Es geht auf die 230 (oder 246) Meter hohe „Ludwigshöhe“. Links sieht man schon ein Gebäude mit Turm, aber der Ludwigsturm liegt weiter oben auf der rechten Seite.

Eine kleine Gaststätte lädt zur Einkehr ein und die Kinder können die Wanderung auf dem Spielplatz unterbrechen. Im Kiosk erhält man auch den Schlüssel zum 28 Meter hohen Ludwigsturm von 1882 (Eintritt ein Euro).

Vom Turm aus kann man im Südwesten den Pfälzerwald und die Vogesen sehen, im Westen den Donnersberg, und im Nordwesten den Soonwald und Hunsrück, im Norden die Frankfurter Skyline. Aber auch am Fuß des Turms hat man eine gute Sicht auf Darmstadt. Der Turm ist der historische Ausflugsort der Darmstädter Bürger und Hausberg des Darmstädter Stadtteils Bessungen.

Südöstlich steht die Volkssternwarte, an der man einen Abstecher auf den Planetenweg machen kann. Dieser Weg soll die Größenverhältnisse im Sonnensystem verdeutlichen. Dazu sind entlang des Planetenwegs Tafeln aufgestellt. Beginnend bei der Tafel über die Sonne an der Sternwarte sind die Abstände der Tafeln maßstäblich im Verhältnis 1:1 angeordnet (ein Meter im Wald entspricht 1 Million Kilometer im Weltraum). Die Tafeln der vier Planeten des inneren Sonnensystems befinden sich auf den ersten 230 Metern. Im äußeren Sonnensystem sind die Abstände wesentlich größer. Es geht auf den 2,8 Kilometern fast bis an die Bundesstraße im Osten. Der nächste Fixstern Alpha Centauri wäre übrigens in diesem Maßstab 43.000 Kilometer von der Sonne entfernt.

 

Wenn man die Marienhöhe auslassen will, geht man wie folgt weiter: Etwas unterhalb der Sternwarte deutet ein „Obelisk“ auf der rechten Seite schon an, daß man zum Gehöft eines Steinmetzes kommt. Man geht links vorbei und kommt zu einem Wiesental. Hier geht es zunächst ein Stück links und dann und dann mit den Wanderzeichen „1“ und „2“ rechts ab auf die „Alte Bogenschneise“ (am Beginn ist an einem Baum das rote Schild „20 Kirchschlag“). An einer Bank auf der rechten Seite geht es links und bald darauf (an einer Bank auf der linken Seite) wieder rechts. Am Ende des Waldes beginnt ein großes Apfelstück. Dort geht es links weiter mit dem Wanderzeichen „roter Strich“ auf den „Oberen Prinzenbergweg“.

 

Marienhöhe

Wenn man über die Marienhöhe gehen will, geht man an der Ludwigshöhe am Turm direkt nach Süden (nicht weiter nordwestlich auf die Salzlackschneise). Man kommt auf die Alte Bogenschneise, auf der man ein Stück nach links und dann gleich wieder nach rechts geht und dann noch einmal rechts am Waldrand entlang. An der Gabelung rechts bleiben und dann im Linksbogen zum Standort des ehemaligen Marientempels, der heute nur noch durch eine Gruppierung von Steinstelen markiert ist. Der in barockisierender Form auf einer kleinen Anhöhe errichtete Marientempel war der zentrale Ort des Waldparks. Anfang des 20. Jahrhunderts stürzte er ein. Im Jahre 1936 wurde etwas weiter südlich der „Neue Marientempel“ errichtet, der spätere „Schembstempel“, der wieder neu errichtet wurde.

Die Marienhöhe verdankt ihren Namen der russischen Kaiserin Maria Alexandrowna, die als hessische Prinzessin - Tochter der Großherzogin Wilhelmine - zur Welt kam. Ansonsten ist die Marienhöhe eine Villensiedlung mit einer Privatschule (Schulzentrum Marienhöhe) und der Adventgemeinde an ihrem Nordende.

Der „Waldpark Marienhöhe“ wird 1840 erstmals erwähnt und bis zum Anfang des Zweiten Weltkriegs als ein „landschaftliches Wesen von besonderem Reiz“ gepriesen. Das Landschaftsparkkonzept sollte sich vom Langener Wald über Darmstadt bis nach Viernheim erstrecken und Erholungseinrichtungen beherbergen. Es wurden Quellen gefaßt, Tempel und Erinnerungsplätze gestaltet und andere Anlagen errichtet. Von den Ausblicken hatten die Besucher einen freien Blick auf die Bergstraße und in die Rheinebene.

Die Wege des „Waldparks Marienhöhe“ waren geschwungene Parkwege. Bäume wurden gezielt und einzeln gepflanzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg verwilderte der Waldpark, er wurde zu einem ganz gewöhnlichen Wald. Nur die geschlungenen Wege erinnern noch an den Park.

Heute erinnert nur noch eine Informationstafel an den ehemaligen Wald- und Landschaftspark Marienhöhe.

Der weitere Weg vom Schembstempel muß zum Steckenbornweg führen. Dazu geht man am besten wieder zurück zur Alten Bogenschneise, auf ihr nach rechts und am nächsten Weg wieder nach rechts bis zur Steckenbornschneise. Hier ist eine Wiese, an der man rechts weiter geht, um am Ende der Wiese an dem Apfelstück nach links abzubiegen zum Prinzenberg. Damit ist man wieder auf dem Weg, der die Marienhöhe ausläßt.

 

Prinzenberg:

An einer Schutzhütte am 235 Meter hohen „Prinzenberg“ hat man nochmals einen herrlichen Blick über die „Eberstädter Toskana“: Über die nach Westen offene Landschaft reicht der Blick in die Rheinebene, die Bergstraße und Darmstadt. Am Fuße des Prinzenberges befinden sich die wertvollsten Magerwiesen Darmstadts. Von der Höhe aus erschließt sich der Blick auf das größte zusammenhängende Streuobstwiesengebiet der Hessischen Bergstraße, das vom „Freundeskreis Eberstädter Streuobstwiesen“ betreut wird.

Der Prinzenberg hieß bis 1836 „Hetterberg“. Er war unbewaldet und ein entlegenes, wenig ertragbringendes Feld für die Eberstädter. Daher wurden große Teile im 19. Jahrhundert aufgeforstet. Im Jahre 1895 wurde am Gipfel eine Schutzhütte („Tempel“) und danach ein Arboretum (Ansammlung nicht einheimischer Baumarten) angepflanzt. Das Gebiet ist Vogelschutzgebiet, Leitvogel ist der Wiedehopf, der in den alten Obstbäumen beste Brutmöglichkeiten besitzt. Am Prinzenbergfuß befinden sich die wertvollsten Magerrasenstandorte Darmstadts.

Der Name „Prinzenberg“ entstammt nicht dem Begriff „Sprinzen“ (= Quellen), sondern steht im Zusammenhang mit der großherzoglichen Familie und der Angewohnheit, Tempel, Wege, Teiche und Hügel nach Mitgliedern der Fürstenfamilie zu benennen. Im Winter ist der Prinzenberg ein beliebter Rodelhang.

 

Melitta­brunnen:

Nach rechts geht es mit dem Wanderzeichen „roter Strich“ über eine Wiese zum Melitta­brunnen. Er wurde 1894 zu Ehren der Herzogin Victoria Melita, der Gemahlin von Großherzog Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt, erschlossen wurde. Das Wasser ist trinkbar. Von hier geht es immer geradeaus zum „Steigertsweg“.

 

Dommerberg:

Auf diesem geht man nach links weiter nach Nordosten (nicht links oder rechts ab) bis kurz vor der Bundesstraße. Man geht nach links auf dem Nieder - Ramstädter Fußpfad Richtung Draudt-Eiche, aber schon vor dieser nach rechts über die Bundesstraße und gleich danach links zum Dommerberg, mit 254 Metern der höchste Berg Darmstadts, der hohen In den Jahren 1904 - 1908 bauten Darmstädter Studenten hier den Bismarckturm, der heute der Bundesnetzagentur gehört.

Von dort geht man nach Nordosten auf dem „Dommerbergweg“ (nicht: Oberer oder Unterer Dommerbergweg) zur Alten Ober - Ramstädter Straße, auf der man nach rechts weitergeht.

Man kommt zur Eisenbahnlinie Darmstadt-Höchst i. Odw. Diese wird auf einer Brücke überquert, auf der anderen Seite ist eine Schutzhütte.

Auf der Ober - Ramtädter-Straße geht es weiter bis an den Ortsrand von Traisa. Rechts ist ein Wasserhochbehälter, am Ende des Ortes eine Reihe von Sportplätzen. Man kommt über den 246 Meter hohen Steinbuckel am Ortsteil Dippelshof vorbei zum Forsthaus „Eiserne Hand“, rechts liegen Reithalle und Friedhof.

 

Darmbachquelle:

Hier geht es im rechten Winkel nach links und dann mit dem Wanderzeichen „blauer Punkt“ und „weißes Andreaskreuz“ nach links. Man kommt zur Darmbachquelle am Oberjägermeisterteich. Hier beginnen schon die Teiche der Fischzucht, wo man rechts im Ausflugslokal „Zur Fischerhütte“ die Rast machen kann. An der Nordseite der Gaststätte geht es dann nach

links weiter. An der Gabelung geht es links weiter (zunächst Wegweiser „Modautal“, an der nächsten Abzweigung aber nicht mehr, sondern geradeaus).

 

Dachsberg:

Hinter der Bahnlinie geht es links ab. Wo rechts ein Baum mit der Nummer 36 steht, geht es nach rechts auf einem Trampelpfad steil hinauf auf den „Dachsberg“ (246 oder 250 oder 258 Meter) mit einer Schutzhütte, die im Darmstädter Sprachgebrauch „Tempel“ heißt. Der Berg beherbergt seit Menschengedenken eine große Dachsbauanlage, von der aber nichts zu bemerken ist. Hier gibt es auch vier ungeöffnete Hügelgräber (eins im Süden und zwei nördlich jenseits des Kirchwegs). An der Ostseite des Berges ist der Klippstein - Tempel (zu dem man aber auf diesem Weg nicht kommt, nur wenn man auf dem offiziellen Sieben - Hügel - Steig geht). Am Wasserhochbehälter geht es rechts abwärts, unten aber gleich wieder links mit dem Wanderzeichen „Roter Strich“. Wenn man links einen großen Rastplatz sieht und rechts die Schießstände und das Schützenhaus, dann ist man wieder am Ausgangspunkt der Wanderung. Länge etwa 13 Kilometer mit 250 Metern Höhenunterschied (ohne Marienhöhe).

 

Alternative:

Wenn man noch mehr von der „Eberstädter Toskana“ sehen will, beginnt man am Ortsrand von Darmstadt-Eberstadt in der „Mühltorstraße“ am Mühltalbad. Man fährt bis zum obersten Parkplatz und kommt auf den „Steigertsweg“, auf dem man auf den Rundweg kommt. Um von diesem wieder zum Schwimmbad zu kommen, biegt man nach Verlassen des Waldes rechts ab und dann nach links den steilen Weg auf die Anhöhe hinauf. Es lohnt sich, noch einen Abstecher nach rechts ganz auf die Höhe zu machen, weil man da einen schönen Blick auf die „Eberstädter Toskana“ hat. Dann geht man wieder zurück und auf dem Weg weiter. Wo rechts ein eingezäunter Garten ist, geht es links ab, so daß man wieder auf den „Steigerts­weg“ kommt. Die gesamte Wegstrecke beträgt 16,5 Kilometer bei 270 Höhenmetern.

 

Der „Sieben-Hügel-Steig“ wird wie folgt beschrieben:

Die Wanderung beginnt am Ostbahnhof in Darmstadt an der „Erbacher Straße“. Auf der Rückseite des Bahnhofs im Norden geht es durch den Eingang am Pförtnerhäuschen auf dem Thieß­weg in den Landschaftspark Rosenhöhe. Im Landschaftspark geht es in West-Ost-Richtung über den Ludwig - Engel - Weg (das Mausoleum liegt nördlich, das Rosarium südlich). Man trifft auf den Zuckmayer - Weg. Links liegt das Hofgut Oberfeld mit der Dreibrunnenanlage davor.

 Ab der Dreibrunnenanlage folgt man dem Meiereibach. An der Erbacher Straße geht man links und dann rechts auf die Straße „Am Judenteich“ und über die Bundesstraße. Westlich der Eisenbahn kommt man zum Botanischen Garten. Für einen kurzen Rundgang durch diese schöne und interessante Parkanlage aus dem Jahre 1874 sollte man sich Zeit nehmen. Hier wird man auf Wunsch von April bis September durch die Anlagen und die Gewächshäuser geführt.

Auf dem „Schnampel­weg“ westlich eines Hochschulinstitutsgeht es zum „Vivarium“. Im vier Hektar großen Zoo leben 150 Arten exotischer und einheimischer Tiere. Muntere Affen, farbenprächtige Vögel, exotische Fische und Reptilien haben in naturnah gestalteten Gehegen, Aquarien und Terrarien ihr Zuhause.

Man hält sich rechts des Darmbachs und bleibt auf der westlichen Seite der Bahngleise. Rechts geht die „Vorderwiesenschneise“ ab zum Dachsberg, dem zweiten Hügel der Wanderung. Man kann ihn östlich umgehen, aber auch über den Gipfel gehen. Nach Süden geht es zum Dommer­berg.

Hinter dem Dommerberg überquert man die Bundesstraße 449 und geht westlich der Bundes­straße nach Nordwesten bis zum Herrgottesberg. Dort geht es links ab in die Salzlackschneise und geht rechts am Goethe - Teich vorbei. Durch einen geschwungenen Waldweg geht man an der Sternwarte auf der Ludwigshöhe vorbei und erreicht bald darauf den Schembstempel der Marienhöhe. Anschließend führt der Weg durch den Wald zum Prinzenberg – dem letzten der sieben Hügel. Von hier geht es durch die Eberstädter Streuobstwiesen (Steckenbornweg und Heinrich-Delp-Straße, Thomasstraße) zur Straßenbahn an der Haltestelle „Wartehalle“ in der Heidelberger Landstraße / Darmstadt-Eberstadt.

Doch empfehlenswerter ist an sich der Rundweg. Die anderen Ziele sollte man lieber zusammen mit der Mathildenhöhe besuchen.

 

 

Darmstadt ‑ Bessungen: Orangerie

Rund 80 Jahre lang war das gemeine Volk vom Garten ausgeschlossen. Landgraf Ludwig X, öffnete erst 1800 die Pforten für die Bürgerschaft. Allerdings nicht ganz freiwillig: Die Revolution in Frankreich hatte das nahe Mainz erreicht. Da schien es dem Herrscher ratsam, das Volk durch Vergünstigungen zu besänftigen.

Sobald sich die ersten Sonnenstrahlen zeigen, wird es zur Mit­tagszeit eng auf den Bänken im nördli­chen Teil des Orangeriegartens: Angestell­te der nahen Büros essen Sandwiches; Mütter beobachten ihre Kleinen, die auf Kinderrädern das Fischbecken umrunden; Rentner lesen Zeitung. Kaum einer der Stammgäste hat noch einen Blick für den wunderschönen Garten, der vor ihnen liegt: sattgrüner Rasen, akribisch be­pflanzte Beete, Schatten spendende, 200 Jahre alte Kastanienbaume und drei Brun­nen, die Wasserfontänen speien.

Der renommierte Baumeister Louis Re­my de la Fosse - nach dessen Plänen auch das Darm­städter Schloß errichtet wurde - entwarf 1715 die Grundplanung für die streng symmetrische Gartenanlage, die in drei Terrassen leicht nach Süden hin an­steigt. Vier Jahre später legten Maurer den Grundstein für das Orangeriegebäu­de, in denen Zitronen‑, Feigen‑ und Oran­genbäume überwintern sollten. Eine Mau­er aus unverputzten Steinen schottet den Garten von der Umgebung ab. Die Fürs­tenfamilie wollte hier ein geordnetes Para­dies schaffen, das sich von der wilden Na­tur abgrenzt.

Wilde Natur gibt es rundherum nicht mehr, sondern Wohnhäuser, Geschäfte und Büros. Die Hauptachse des rund acht Fußballfelder großen Gartens bildet ein Weg, der mit rotem Sand bestreut ist. Links und rechts sind Blumenbeete ge­pflanzt, die von Buxbaum ‑ Gewächsen um­rahmt werden. Es bleibt aber noch genug Rasen, den die Besucher des Parks nutzen können. Die einen bringen Decken mit und machen ein Picknick, andere werfen Frisbees hin und her. Bei schönem Wetter liegen Sonnenbadende dicht an dicht. Auf dem Grün vor dem Orangerie­gebäude spie­len die kleineren Jungs Fußball.

Auf dem weiter oben liegenden Bolz­platz kicken die Großen. Er liegt am Ran­de des Gartenteils, der an englische Parks erinnert. Während weiter unten in der ba­rocken Anlage alles einer strengen Geome­trie unterliegt, fehlt hier die ordnende Hand eines Gartenbaumeisters. Statt Bee­ten gibt es Wiesen und Kastanien.

Das Orangeriegebäude ist nach dem Umbau von 1978 ein beliebter Veranstaltungsort mit historischem Saal und modernen Ta­gungs­räumen. Nach dem Zweiten Welt­krieg war hier provisorisch das Darmstäd­ter Theater untergebracht. Von der ur­sprünglichen Aufgabe der Orangerie zeugt ein alter Pflanzturm aus dem Jahr 1840, der heute aber ein tristes Dasein fristet und zeitweise als Schuppen diente. In die­sem Turm zogen die Gärtner mit Eisenket­ten schwere Pflanzentröge zum Umtopfen nach oben. Sie zerschlugen die Tontöpfe und setzten die Pflanzen in größere Schalen wieder ab. Nach Recherchen von Stein­beck ist dieses gartenbau - technische In­strument einzigartig in Deutschland. Es ist absolut wichtig, es zu restaurieren. In der Orangerie schlägt das Herz des Stadt­teils. Aber auch Besucher von außerhalb könnten hier eine grüne Oa­se innerhalb einer Großstadt genießen.

 

Darmstadt - Roßdorf

Nordwestlich von Roßdorf ist eine Menhir - Anlage. Man gelangt dorthin, wenn man auf der Bundesstraße 26 in Richtung Westen fährt und nach der Anschlußstelle Roßdorf unter einer Brücke hindurch fährt und am nächsten Parkplatz am Hasenböhl rechts hält. Von dort geht man östlich des Bachs entlang auf einem S-förmigen Weg. Nach einer Rechtskurve geht links ein geteerter Weg aufwärts, der aber nur zu einer Abfallhalde führt. Man fährt geradeaus. An der Wiese geht es links ab auf den Heuweg. Nach einem kurzen Stück (ehe man die nächste Wiese erreicht) geht links ein Weg ab. Er ist gekennzeichnet mit dem Schild „Loipe“ und führt zur Menhiranlage, zu der man einen Abstecher macht.

Landwirte, die in den fünfziger und sechziger Jahren die „Hirtenwiesen“ am Rutzenbach bewirtschafteten, empfanden mit zunehmender Mechanisierung die großen herumstehenden oder kaum aus dem Gelände herausragenden Steine beim Mähen so hinderlich, daß sie begannen, sie zu sprengen. Die Teile versanken in nahen Bombentrichtern. Sie ahnten nicht, daß sie mit den Menhir- ­oder Hünensteine prähistorische Kult- oder Grabsteine zerstört hatten.

Ein Heimatforscher, der beim Stammtisch davon hörte, stellte die Vermutung auf, es sich um Menhire handeln könnte, und leitete die entsprechenden Untersuchungen mit positiven Ergebnissen ein.

In mühevoller Arbeit konnte die Anlage wieder aufgerichtet werden und ist nun stummer Zeugen einer früheren Besiedlung. Das ungeübte Auge kann nur sieben unterschiedlich große Granitblöcke zählen, tatsächlich sind es 14, auch die ge­sprengten sind wieder darunter. Die beiden größten messen etwa zwei Meter. Die kleinsten lagern aus Sicherheitsgrün­den im Museum Ober - Ramstadt. Die zeitliche Einordnung wird durch die zahlreichen Ausgrabungsfunde der Hallstatt­zeit (800 bis 500 vCh) in diesem Abschnitt vermutet.

 

 

Kranichstein und Umgebung

 

Schloß Kranichstein

Im Jahr 1399 überließ Graf Eberhard von Katzenelnbogen seinem Burgmann Henne Kranich von Dirmstein einen kleinen Gutshof im Wald nördlich von Darmstadt. Landgraf Georg I. - Begründer der Darmstädter Linie - erwarb 1572 das Gut Kranichstein, um aus den Naturaleinkünf­ten die Versorgung seines Darmstädter Hofes sicherzustellen. In dem Gehöft wurden Schafe gehalten und eine Schnei­demühle sowie Bienen- und Taubenzucht betrieben wurden.

Was so be­scheiden begann, wurde zum Kern eines der schönsten Jagd­schlößchen Deutschlands.

Zwischen 1577 und 1580 er­folgte der Umbau vom Gutshof zum Jagdschloß, durch den Baumeister Kesselhut aus Kassel. Es entstand eine zweigeschossige Dreiflügelanlage, eine hufeisenförmigen Renaissance - Anlage, mit nach Südwesten offenem Hof, die bis heute im Wesentlichen erhalten ist.

Das landgräfliche Jagdhaus ist als ländlicher Wohnbau des Fürsten konzipiert, der eine klei­ne Hofhaltung und Jagdaufenthalt ermöglicht. Dieser Bau aus dem Jahre 1692 ist eine Seltenheit, weil die gewaltige Länge von 112 Metern den Stellenwert verdeutlicht, den die Jagd bei den hessischen Landgrafen einnahm. Das Schloß war 350 Jahre lang Aus­gangspunkt der Jagden Hessischer Land­grafen und Großherzoge und zeitweise so­gar Sitz der Regierung.

Das Erdgeschoß nahm Wirtschaftsräume, Pferdeställe und Remisen auf. Das Obergeschoß war den fürstlichen Wohn- und Schlaf­räumen vorbehalten. Die Schlafzim­mer wurden, um die Herrschaften nicht zu stören, vom Flur aus beheizt und hat­ten jeweils ein eigenes Klosett. Insgesamt herrschte eine bescheidene, reduzierte Formensprache der Renaissance vor. Den um 1580 er­reich­te Bau­zustand zeigt Egers Hofansicht von 1760.

Nach Plünderungen und Zerstörungen im 30­jährigen Krieg erlebte Kranichstein unter dem Landgrafen Ernst Ludwig (1688 - 1739) und sei­nem Sohn Ludwig VIII. (1739 - 1768) eine neue Blütezeit. Im Jahre 1688 erfolgte der Bau des Jagd­zeughauses. Mit der Einführung der Parforce -  Jagd steht die Anlage von Parforcesternen in engem Zusammenhang.

Der Provinzfürst mit Hang zum Pompösen hielt sich Trüffeljä­ger, ließ mobile und beheizbare Jagdhäu­ser bauen, fühlte sich auf Wagen mit Drehsitzen wohl, von denen aus er nach allen Seiten schießen konnte. Sogar dres­sierte Hirsche ließ er einer Kutsche vor­spannen. Kranichstein war ein Zentrum der Par­force - Jagd, bei der das Wild von Jägern aufgespürt und von Hundemeuten und Reitern gehetzt wurde, bis es erschöpft aufgab - und der Landgraf es dann bequem er­legen konnte.

Ludwig VIII. erhob Kranichstein zum Residenzschloß. Mit dem kostspieligen Jagdaufwand als Bestandteil des barocken Hofzeremoniells brachte dieser Pro­totyp eines fürstlichen Nimrods Hessen - Darm­stadt an den Rand des finanziellen Ruins. Seiner Regierungszeit verdankt Kranichstein den Ausbau des Rondells in seiner heutigen Form sowie den Bau der Schloßküche, den so genannten Kavaliersbau. Weitere Aktivitäten beziehen sich auf die Innenausstattung mit dem Ziel, standesgemäße Räumlichkeiten für die Hofhaltung zu gewinnen.

Der Be­stand erfuhr ab 1828 eine neogotische Umfor­mung. Die Nachfolger am Hofe hatten andere Vorlieben. Der ge­fällige Mittelrisalit (vorspringender Ge­bäudeteil) und die schwung­vollen Voluten (Bauornamente) an den Sei­tenflügeln kamen erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinzu.

Nach einer „Erholungsphase“ durch Abwe­senheit des landesherrlichen Hofes bestimm­ten die von Napoleons Gnaden zu Großherzö­gen aufgestiegenen Landesherren Kranich­stein zu ihrer Sommerresidenz. Auch unter Lud­wig III. bleibt Kranichstein bevorzugte Sommer­residenz. Unter seinem Nachfolger Ludwig IV. (1863 - 1874) wird 1874der Mittelrisalit historisierend dem alten Bestand angepaßt (). Der Be­such der englischen Königin Victoria bewegt den fürstlichen Schwiegersohn zu einer letzten baulichen Anstrengung, indem er den großen Hirschsaal über der Schloßkapelle in einen repräsentativen Ballsaal mit aufwendiger Deutsch-Renaissance-Ausstattung umgestal­tet.

Auf die letzte bauliche Aktivität folgt das ab­schließende museal - konservatorische Enga­ge­ment des Fürstenhauses, das mit der mu­sealen Betreuung der Objekte in Kranichstein beginnt und unter dem letzten Großherzog Ernst Ludwig mit einem weitgespannten Konzept fort­gesetzt wird. Er vereinigt die im Familienbesitz befindlichen Jagdutensilien zu einer großangelegten Sammlung, die er in dem 1918 eröff­neten Jagdmuseum der Öffentlichkeit zugäng­lich macht.

Im Jahre 1952 verkaufte Prinz Ludwig von Hessen - Darmstadt die Sammlung nebst Schloß am die Stiftung „Hessischer Jägerhof“, die sich der Erhaltung und Pflege jagdlicher Traditionen verschrieben hat. Zwischen 1988 und 1996 wurden Jagdschloß und Museum aufwendig für 13 Millionen Euro restau­riert. Nach nahezu zehnjähriger Bauzeit - Planungs­vorlauf nicht mit eingerechnet - konnte Kranichstein wieder der Öffentlichkeit übergeben wer­den.

Die Anlage um den offenen Hof hat geschweifte Giebel. An der Nordwestecke steht ein starker Rundturm, der  1739 bis 1768 umgebaut wurde. Die Kapelle ist von 1580. Schloß Kra­nichstein ist heute das „Wahrzeichen barocker Jagdleidenschaft“: Die Fassade des mar­kanten Mittelrisalit mit Schweifgiebel, Sonnenuhr und dem aufgesetzten golde­nen Kranich ist ausgebessert und frisch verputzt. Auf dem Vorplatz steht das denkmalgeschützte Jagdzeughaus.

 

Restaurierung:

Dem Kleinod drohte in den vergangenen Jahrzehnten ein zunehmender Verfall. Erst mit einem außerordentlichen Kraftakt - die 27 Millionen Mark Baukosten wa­ren die drittgrößte Denkmalschutzmaßnahme der hessischen Nachkriegsgeschichte - konnte das Schlößchen bis Ende der neunziger Jahre gerettet werden, ganz so, wie es sich schon Landgraf Ernst Ludwig 1688 zu seinem Regierungsantritt gewünscht hatte. Platz fand nun auch ein exquisites Hotel-Restau­rant.

Den Instandsetzungsarbeiten lag ein Nut­zungskonzept zugrunde, welches die in der Nachkriegszeit in Kranichstein etablierten Nut­zungsarten im Wesentlichen fortschrieb. So fand eine Hotellerie - Gastronomie im ehemali­gen Scheunen - Wirtschaftstrakt einschließlich Küchenbau in durchgreifend erneuerten Innen­räumen einen zeitgemäßen Rahmen. Ost- und Südflügel sichern hingegen der musealen Prä­sentation der bedeutenden Jagdwaffen und Jagdutensilien aus landgräflichem Besitz einen ad­äquaten Hintergrund. Die wiedergewonnenen Großräume des Untergeschosses, ehemalige Pferdeställe und Jagdwaffenmagazin, bieten darüber hinaus Räume für Konzertveranstaltungen.

Der Putz wurde insgesamt erneuert. Aufgrund restauratorischer Voruntersuchungen konnten zwei historische Farbfassungen der Fassaden ermittelt werden, eine entstehungszeitliche Rot  -­ Weiß -Fassung sowie eine Terracotta – Grau - ­Fassung des 19. Jahrhunderts. Letztere wurde für den Neuanstrich ausgewählt, da die Erstfassung einem Baubestand zuzurechnen ist, der im 19. Jahrhundert erheblich überformt wurde.

Die Instandsetzungsarbeiten im Inneren waren an die vorgegebenen Nutzungskonzepte, Jagd­museum im Untergeschoß, museal ausge­richtetes fürstliches Wohnen im Obergeschoß, gebunden. Im so genannten „Großen Hirschgang“ konnte nach Entfernen der nach 1828 eingebauten Kammern der Marstall in seiner ursprünglichen Raumgestalt als drei­schiffige Halle auf Holzstützen wiedergewonnen werden. Die entstehungszeitliche farbige Fassung von 1622 /  1623 konnte für Holzwerk und Decke ermittelt werden. Für den Bodenbelag des Großen und Kleinen Hirschgangs konnten in erheblichem Maße die Original - Bodenziegel wiederverlegt werden. Lücken wurden mit Nachbränden gefüllt.

Der museale Bereich „Fürstliches Wohnen“ umfaßt eine Enfilade von sieben Räumen al­ter­nieren­der Größe. Diese Raumfolge enthält im Wesentlichen die Wohnräume Ludwigs VIII., der Kranichstein zu seiner Hauptresidenz erhob. In den Räumen neben dem Hirschsaal - ehemals bescheidenen Gästekammern - wurden nachgewiesene Farbfassungen nach Phasen der Baugeschichte quasi museal - denkmalpäd­agogisch anschaulich gemacht. Besondere Sorgfalt galt der Restaurierung des Rondells, das einen freien Blick auf die Par­forceschneisen erlaubt. Unter der Kuppel wur­de eine mit reichem figürlichem Beiwerk ge­schmückte Rosette mit Windanzeige restau­riert. Die Windanzeige, mit dem Wetterhahn auf dem Dach in Verbindung, wurde wieder funkti­onsfähig gemacht. Der Große Hirschsaal über der Kapelle konnte in seiner neoklassizistischen Raumgestalt wie­dergewonnen werden.

Auf dem Turm an der Ostseite dreht sich bei steifer Brise die Wetterfahne. Sie ist verbunden mit einer prächtig verzier­ten Windrose samt pausbäckigem Engel­chen, beides angebracht an der Decke des Rondellsaals, dem edelsten Teil des Schlosses: Von dem halbrunden Aus­sichtsposten, dem „Jagdtheatrum“, ver­folgten einst feine Damen mit Plaisir den Wildwechsel und die Hatz im benachbar­ten Wald, der zum Park mit sternförmig zulaufenden Schneisen zurechtgestutzt war. Der Blick zur Saaldecke half den Jä­gern, das pirschende Fußvolk so zu diri­gieren, daß Sauen und Hirsche es nicht gleich witterten.

Das Gros der Kosten der Restaurierung hat das in einem der Schloßflügel seit Mitte 1992 betriebene und von den Fi­nanziers auch so gewünschte Luxus - Re­staurant mit 15 Doppelzimmern und Suiten verschlungen. Die Spuren des verrückten Jagd- Land­grafen sind noch allgegenwärtig: Sein frisch nachgezeichnetes Monogramm ziert viele Türen. Die sieben Gemächer im „Hirschgang“ werden bis Mitte 1998 wieder mit historischen Stühlen, Sekretären, Chaiselongues und Schrän­ken möbliert und dann zu besichtigen sein.

Das Schlendern von Zimmer zu Zimmer ist auch ein Gang durch die lokale Bauge­schichte: In jedem Raum wurden an Wän­den, Putz und Lamperie alte Farbschich­ten freigelegt und dokumentiert. Wandbe­spannungen und die nach alten Vorlagen neu angefertigten Siebdruck - Tapeten ge­ben jedem Raum ein anderes Ambiente.

 

Jagdmuseum (im Untergeschoß):

Das 350 Quadratmeter große Jagdmu­seum im Erdgeschoß - wo einst Schafe, Kü­he und Pferde untergebracht waren - ist ab Mitte 1997 in Betrieb. Der Fundus besteht aus Waffen und Jagdtrophäen, die im Jahre 1918 auf Wunsch des Großherzogs Ernst Ludwig aus dessen Schlössern in Kranichstein zusammengetragen worden waren. Es sind rund 450 Büchsen zu sehen, Vorderlader, Luftgewehre, Saufedern und Hirschfänger sowie 120 Jagdrelikte, dar­unter Pulverhörner, Ledertaschen („Hasensärge“) und Jagdlappen; mit ihnen verhängte man einst die Pferche, in die das Wild getrieben wurde (daher der Ausdruck „durch die Lappen gehen“). Waffen und ihre Technik sind in einer abgedunkelten Schatzkammer zu sehen. Kranichstein besitzt übrigens die größte Sammlung von Windbüchsen, Luftgewehren des 18. Jahrhunderts - und so­mit viele kleine technische Wunderwerke. Und  eine raffiniert vom Boden aus be­leuchtete Schau führt in die Jagdhistorie ein - von der Frühgeschichte über die vom barocken Hof inszenierten Tierquäle­reien bis zur heutigen Jagd und ihren Gesetzen.

An der Rückseite des 112 Meter langen Jagdzeughauses von 1692 stimmen Informationstafeln auf die Jagd ein, die hier mal eine herausragende Rolle spielte. Eine Ode an Joseph Haydn, den waidgerechten Jäger und sein Oratorium „Die Jahreszeiten“, steht am Anfang; die be­kanntesten Jagdlieder (Der Jäger aus Kur­pfalz, Frischauf zum fröhlichen Jagen, Es blies ein Jäger wohl in das Horn) sind auf­geschrieben; auf den Jägerchor in Webers Oper Freischütz wird ebenso hingewiesen wie auf Jagdsignale - von „Aufbruch“ bis „Hirsch tot“.

 

Gründlich renoviert und konzeptionell von Grund auf überarbeitet wurde nicht zuletzt der Hauptanziehungspunkt vergangener Jahrzehnte - das bereits vor über 80 Jahren eingerichtete Jagdmuseum. Zwar gibt es noch immer eine beein­druckende Kollektion an Jagdwaffen und -trophäen zu se­hen, darunter die berühmten Jagdlappen, Gemälde, Zeich­nungen, Geweihe und die größte Windbüchsensammlung Deutschlands. Jetzt aber steht mehr die kulturgeschichtliche Bedeutung der Jagd im Mittelpunkt. Im ehemaligen Marstall. wird deutlich: Der Zwang zum Überleben, also zum Jagen, hat wesentlich zur Geistesausbildung des Homo sapiens beigetragen. Im einstigen Marstall wird bei wandhohen Fotografien von Ab­sturzkanten, über die das Wild gehetzt wurde, klar: Der Zwang zum Überleben, al­so zum Jagen, hat wesentlich zur Geistes­ausbildung des Homo sapiens beigetra­gen.

Der Besucher wird auf einen Rundgang zur Geschichte der Jagd geschickt, der in einem abgedunkelten Kubus beginnt, wo im Dämmerlicht die Nachbildungen stein­zeitlicher Höhlenmalereien den Zusam­menhang von Jagd, Magie und Kunst er­fahrbar machen sollen. Der historische Rundgang endet bei der Revolution von 1848, die vor allem auf dem Lande eine Jagdrevolution gewesen ist und jene Rechtsverhältnisse herbeiführte, die auch heute noch die Jagd in Deutschland be­stimmen. Die letzte Abteilung informiert über die Jagd in der Gegenwart.

 

Zeughaus: Bioversum Kranichstein:

Das Zeughaus von 1689 ist ein einfacher, im 18. Jahrhundert veränderter Barockbau, der längste seiner Art in Hessen. Mit der Wiederherstellung des Zeughauses ist die Sanierung des gesamten Anwesens abge­schlossen. Die Kosten für den Umbau und die Sa­nierung des Zeughauses betrugen rund 3,3 Millionen Euro. Die Eigen­tümerin des Schlosses, die Stiftung Hessischer Jäger­hof, griff tief in die Rücklagen und übernahm rund eine Million Euro.

Seit September 2008 ist hier das „Bioversum Kranichstein“ untergebracht. Die rund 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Zeughaus sind in zwei Räume unterteilt. Rund um das Buchenwald - Diorama bieten Stationen Erfahrungen zum Thema Biodiversität. Das Museum für biologische Vielfalt will mit seinen 27 neu entwickelten interaktiven „Werkstatt-Statio­nen“ alle Sinne ansprechen. über Kopfhörer lauschen die Besucher, wie Ameise Karla oder Regenwurm Robin von ihrem Leben berichten.

Vögel singen, Grillen zirpen, auf Knopfdruck bringt eine Dachsmutter Welpen zur Welt: Der Ausschnitt aus einem heimischen Buchenwald im Wechsel der Jahreszeiten ist das Herzstück des neuen Museums. Dieses „Vergrößerungsglas der Natur“ soll wie ein Wimmelbild in Kinderbüchern zum ausgiebigen Schauen einladen, um die Vielfalt des Lebens zu entdecken: Nicht nur Fuchs und Dachs sind hier zu Hause, sondern auch Pilze, Insekten und Mikroorganismen, die nur unter dem Mikroskop erkennbar sind.

In dem zweiten Raum des „Bioversums“ wird die Geschichte biologischer Invasionen beleuchtet. „Wissenschaftler sprechen diesen beiden globalen Themen, die eine Schlüsselstellung für den Artenschutz spielen, hohe Brisanz zu. Die Ausstellungsmacher möchten die Einfuhr nicht-heimischer Tiere und Pflanzen weder bewerten noch den pädagogischen Zeigefinger heben. Die Vorstellung einer unberührten Vielfalt ist falsch. Schließlich gab es die Globalisierung von Fauna und Flora schon immer, insbesondere nach der Entdeckung Amerikas.

Die Besucher werden über die Ziele des Wa­shingtoner Artenschutzabkommens infor­miert. Das Projekt wird vom Frankfurter Senckenberg - Museum wissen­schaftlich begleitet. Ausgestellt werden un­ter anderem geschmuggelte Pflanzen und Tiere, die der Zoll auf dem Frankfurter Flughafen beschlagnahmt hat.

Zudem werden im Zeughaus ein Jagdar­chiv mit Dokumenten Akten und Schriften zur Jagdgeschichte und Jagdpolitik in Deutschland und eine wissenschaftliche Bibliothek eingerichtet. Hier kann ein in der Bundesrepublik einmaliges wissen­schaftliches Forschungszentrum zur Jagd entstehen.

Im Obergeschoß des Zeughauses werden 18 Übernachtungszimmer eingerichtet, die vor allem der Hessische Jagdverband bei Schulungen, im Archiv forschende Wis­senschaftler und Schulklassen bei Exkur­sionen nutzen können.

 

Jagdschloß Kranichstein, Kranichsteiner Straße 253:

Zu bewundern ist das alles und noch mehr (zum Beispiel der Schloßpark, Schlüssel an der Museumskasse) im Som­mer (l. April bis 31. Oktober), mittwochs bis samstags von 13 bis 18 Uhr und sonn­tags von 10 bis 18 Uhr sowie im Winter (l. November bis 31. März), mittwochs bis samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 10 bis 17 Uhr; Führungen: Telefon 06151/718613.

Mittwoch bis Samstag 14-17 Uhr, Sonntag 10-17 Uhr.

Bioversum: Dienstag bis Samstag 11-17 Uhr, Sonntag 10-18 Uhr.

 

Lehrpfad:

Das Museum bietet für Natur - Detektive Exkursionen in das 16 Hektar große Jagdschloßareal mit Schloßpark, Buchenwald und Teich an. Bis 2010 soll zudem ein 16.000 Quadratmeter großer interaktiver Museumsgarten mit Spürpfaden und Großmikroskopen am Zeughaus errichtet werden.  Ideal ergänzt wird das Kranichsteiner Museum von einem jagdhistorischen Lehrpfad. Auf diesen fädelt man sich auto­matisch ein, nachdem man von der Bushaltestelle Oberwaldhaus am Naherholungsgebiet Steinbrücker Teich die wenigen Meter mit dem Fernradweg Nr. 8 bis Kranichstein herübergelaufen ist. Man kommt an der Rückseite des Zeughauses von 1689 heraus. Vor dem folgenden Backhausteich, einst für die Fischzucht angelegt, knickt man links zum Jagdschloß ab.

Am Ende des Teiches fädelt man sich wieder in den Lehr­pfad ein, der mit dem weißen Trittsiegel (Fährte) eines Wildschweins markiert ist. An der rückseitigen Mauer geht es rechts ab auf eine der schnurgeraden Schneisen, von denen der Darmstädter Stadtwald durchzogen ist. Auch sie sind, wie die Durchmischung des Waldes mit Laubbäumen und Wiesen, eine Folge der planmäßigen Forstwirtschaft seit dem 16. Jahrhundert - das Wild war so besser zu hegen und be­quemer zu bejagen.

Der Wald mit seinen herrlichen Eichenbeständen dient den hessischen Jägern heute übrigens als Lehrrevier. An einem ihrer Beobachtungsstände wie der Rottwiese kann man mit etwas Glück Dam- oder Rotwild äsen sehen. Nach Überque­ren einer Straße führt der Lehrpfad links ab. Für die Wande­rung geht es jedoch geradeaus, über die nicht gesicherten Gleise eines Bahnkörpers, und weiter durch die Schilfland­schaft im naturgeschützten Sülzbachtal. Nach weiteren 500 Metern gelangt man zur Schneise „Hanauer Straße”. Hier wendet man sich links und läuft geradeaus fast bis zum Wald­ausgang - der Abstecher zur nahen Gaststätte „Forsthaus Kalkofen” lohnt sich schon wegen eines weißen Damhir­sches, der dort gehalten wird.

Von der Schneise Hanauer Straße biegt man links ab und folgt der Markierung weißes X. Sie umsteuert bald die so genannte Dianaburg, ein Tempelchen, das an den Standort eines 1808 abgebrochenen Jagdschlosses erinnert. Nochmals wird der Sülzbach überquert, dann geht es rechts ab in Rich­tung Bahnüberführung. Vorbei an einem Weiher und danach nur noch geradeaus. Einmal mehr läuft man durch herrliche Laubwälder, am Ende wieder von allerlei Wissenswertem rund um die Jagd begleitet (Rhein-Main, 197).

 

Radtour: Rund um Jagdschloß Kranichstein

Über die Autobahn 661 fährt man bis Egelsbach und dann nach Darmstadt hinein: Man folgt erst der Richtung Heidelberg, dann Dieburg (Nebenstrecke). Auf der Höhe der Mathildenhöhe geht es links ab zum Oberwaldhaus, wo allerdings der Parkplatz oft überlastet ist (notfalls auf dem näch­sten Parkplatz an der Straße parken).

Man fährt zunächst auf dem Weg, der im rechten Winkel von der Landstraße gegenüber dem Park­platz ausgeht. Er biegt bald nach links in die Rondelschneise und die Darmstädter Allee und in die Fasanerie hinein (über das Forsthaus Fasanerie gibt es keinen Zugang bzw. der Weg ist sehr schlecht).

Die hessische Landgräfin Sophie Eleono­re hat 1661 einen Teil des Wildparks Kra­nichstein mit einer Mauer abgrenzen las­sen, um geschützt vor den bürgerlichen Darmstädtern lustwandeln zu können. Ihr Nachfahre Ernst - Ludwig beschloß in der Zeit um 1715, innerhalb der Mauern nach französischem Vorbild eine Fasanenzucht anzulegen und die Vögel dort zu jagen. Die Mauer ist zum großen Teil bis heute erhal­ten - zwischen dem Forsthaus Fasanerie am Freizeitzentrum Steinbrücker Teich längs der Dieburgerstraße bis zum Forsthaus Hirschköpfe. Von dort beschreibt die Mauer zwischen Wohnbebauung und Wald einen Bogen bis zum nördlichen Darmstäd­ter Stadtteil Kranichstein. Nahe dem Jagdschloß setzt sich die Mauer fort, quer durch den Wald zurück zum Forsthaus Fasanerie.

Der Orkan Wiebke, der 1990 über Hessen fegte, beschädigte da­mals auch die Fasaneriemauer. Zahlreiche Sattelplatten auf dem Mauerfirst, die den Regen abhalten sollen, gingen entzwei. Weil bisher nichts repariert wurde, dringt Wasser in das Mauerwerk ein, das immer mehr verfällt. Die Mauer ist aber wichtig für das Verständnis der Darmstädter Jagdge­schichte. Man kommt zum Hartigsdenkmal auf einer kleinen Anhöhe. Von dort fährt man weiter nach Norden auf der Arheiliger Allee. Auf ihr fährt man am besten weiter bis auf die Kranichsteiner Straße (man kann auch durch das Wohngebiet fahren über den Mittermaierweg und den Stein­eckeweg, da hat man weniger Landstraße). An der Wildscheuer, dem Jagdmuseum Falkenhof, biegt man rechts ab. Hier stehen schon die ersten Informationstafeln des Jagdlehrpfades.

Auf dem Wildackerweg fährt man um die Wildscheuer herum und nach links in den Hof des Jagdschlosses Kranichstein. Wenn man diesen wieder verläßt fährt man rechts zwischen Schloßmauer und Backhausteich entlang. Am Ende der Mauer geht es auf einem schmaleren Pfad geradeaus weiter und dann nach rechts auf die Kernschneise.

Die schnurgeraden Schneisen (sogenannte „Schneisensterne“) hatten das Ziel, den Wald von einem zentralen Punkt aus durchsichtig zu machen. Auch die großen Waldwiesen entstanden planmäßig. Früchtetragende Baumarten sollten das Wild anlocken. Aber fast nur noch hier findet man das unter wildökologischen Gesichtspunkten ideale Mischungsverhältnis von zehn zu eins zwischen Wald und Wiesen.

Durch ein Gatter kommt man auf die Hengstriedwiese. Links ist der Fürstliche Jagdschirm, von dem aus die Landgrafen das zusammengetriebene Wild abknallten. Rechts ist ein Hinweis auf die Sauhütte angebracht. Am Ende der Wiese biegt man links ein und kommt nach einer Rechtskurve in die schurgerade Speierhügelschneise. Der Lehrpfad geht nach rechts weiter auf der Rod­wiesen­schneise. Man findet bald wieder Informationstafeln über Fehl­entwick­lungen der Jagd (Frondienste, verwüstete Felder, Mast- und Hute verbot) und den Text ei­nes Darmstädter Literaten in der Privile­gierten Landeszeitung von 1777, bei der Matthias Claudius ein Jahr Redakteur war.

Man fährt aber geradeaus an der Rottwiese vorbei und kommt zum Parkplatz an der Kranichsteiner Straße. Dahinter ist der Wertholzlagerplatz, an dessen Ende man die Schienen überquert (Vor­sicht, nicht gesichert!). Etwa gut hundert Meter weiter geht es rechts ab bis kurz vor die Kreisstraße. Noch vor dem Gatter biegt man im spitzen Winkel nach links ab. Rechts ist eine

Schutzhütte, dahinter der Georgenbrunnen (der See ist nicht zu sehen).

Der Weg führt weiter nach Westen und dann nach rechts wieder auf die Speierhügelschneise. Auf dieser geht es weiter über das Naturschutzgebiet Charlottenplatz und hinauf zur Hanauer Straße, die aber als Kalkofenschneise ausgeschildert ist. Auf dieser geht es nach links hinunter bis zum Forsthaus Kalkofen. An der Kreuzung vor dem Forsthaus stehen die Dragonereichen. Das Forsthaus ist eine Ausflugsgaststätte mit Tiergehege (darunter ein weißer Damhirsch) und Voliere und Spielplatz.

Man fährt wieder ein Stück zurück und nach rechts zur Diana - Burg, ein Jagdpavillon aus dem Jahr 1830, das am Standort eines 1808 abge­rissenen Jagdschlosses entstand. Die Fortsetzung auf der anderen Seite ist die Nymphenschneise. Dort wu­chert Chinesisches Springkraut an den roten Vogelbeer-Trauben, knorrige Kiefern beu­gen sich über den Weg.

Wenn man zum Dianateich will, muß man weiter nach links in dem Kreis fahren. Die Nymphen­schneise führt weiter nach Süden über den Silz­bach zu einer Kreuzung. Dort geht es geradeaus auf einem Weg, der schon als Bernhardsackerschneise markiert ist. Bald geht es wieder über die Eisenbahn und dann geradeaus weiter bis zur Kernschneise. Am Gattertor links fährt man rechts auf das Schloß zu und kurz vorher wieder nach links auf die Wildscheuerschneise. Links ist die „Bläserwarte“. Der Weg führt in Schwüngen zurück zum Oberwaldhaus.

 

Auf der Rückfahrt besucht man noch die Grube „Prinz von Hessen“ an der Straße von Darmstadt nach Dieburg. Vom Parkplatz geht man in Richtung Osten und dann links um den See herum. Das Ufer ist in verschiedene Sportzonen eingeteilt. Am Angelbereich wendet man sich nach links zum Freibad, wo sich zu jeder Jahreszeit auf Futter wartende Wild­enten tummeln. Die Badestelle ist auf der Gegenseite. Das Wasser ist angenehm warm. Der Tagebau der ehemaligen Braunkohlengrube währte nur von der Jahrhundertwende bis 1924. Erst in den siebziger Jahren wurde mit dem Herrichten des acht Hektar großen Geländes als Erholungsgebiet begonnen.

Vor der DLRG-Hütte schlägt man einen Linksbogen um den ehemaligen Abraumberg, nähert sich wieder dem Radfahr- und Fußweg neben der Straße und ist bald am Forsthaus und Gasthaus „Einsiedel“. Auf der Rückfahrt kann man auch noch die Grube Messel besuchen.

 

Radtour südöstlich des Oberwaldhauses:

Die Anfahrt erfolgt über die Autobahn 661 bis Langen, dann Richtung Dieburg, in Offenthal rechts ab Richtung Darmstadt. Vor Messel wieder rechts ab, aber nicht geradeaus nach Darm­stadt, sondern links ab in Richtung „Grube Messel“. Am Gasthaus „Einsiedel“ rechts ab zum Oberwaldhaus.

Vom Oberwaldhaus fährt man auf der Oppermannswiesenschneise (zwischen Haus und Steinbrücker Teich) nach Süden. And er ersten Kreuzung geht es nach links über die Brücke und danach gleich wieder rechts auf den Bernhardsbrünnchenweg. Hier steht schon der erste herausragende Baum, die Franz – Baermer  - Eiche.

Alte Bäume sind nicht mehr so häufig an­zutreffen, die alten Veteranen, die den Stürmen der Jahrhun­derte trotzten, umso beglückender, ihnen hin und wieder zu begegnen. Im Darmstädter Forst, dem ehemaligen Jagdrevier der Landgrafen von Hessen, hat sich eine Anzahl alter Eichen und Buchen gehalten. Viele der mächtigen Bäume sind benannt. Das Forstamt Darmstadt ehrt damit herausragende, bereits verstorbene Persönlichkeiten, die in der Stadt geboren wurden oder sich um sie verdient gemacht haben.

Wenn man geradeaus auf dem Bernhardsbrünnchenweg fährt, kommt man zu einer Schutzhütte (Ist hier auch der Brunnen?). Rechts führt eine Steinbrücke über den Bach. Man fährt aber links auf die Bernhardsackerschneise (Die Amorbuche war nicht zu finden links. Von dort müßte man nach links über die Höllschneise weiter fahren). Nach rechts geht es weiter auf dem Brunners­weg. Rechts steht die zur Morneweg - Eiche, benannt nach Darmstadts Oberbürgermeister von 1891 bis 1909 unter Ernst - Ludwig, dem letzten Großherzog, Gründer der Jugendstil - Künstler­kolonie auf der Mathildenhöhe.

Der Brunnersweg führt zur Scheftheimer Eiche, letzter Zeuge des ausgegangenen Dorfes Scheftheim. Hier stand einst eines der Falltorhäuser mit Zollfunk­tion, die den landgräflichen Bannwald abriegelten. Der Brunnersweg führt zum Naturparkplatz Kubigbrücke kurz vor der Bundesstraße 26. Eine Tafel links informiert, daß in diesem Gebiet zahlreiche prähistorische Fundstädten liegen, die bis in die Eisen-, Bronze-, sogar Steinzeit zurückreichen, womit eine Besiedlung dieses Raumes von mehr als 7000 Jahren nachgewiesen ist. -  Zur Menhiranlage nordwestlich von Roßdorf siehe  Seite „ Darmstadt“).

 

Auf dem Heuweg geht es weiter nach Westen zur Bernhardackerschneise. Links, jenseits der Kreuzung, liegen Hügelgräber. Man fährt rechts weiter bis zur Katzenschneise. An dieser Kreuzung steht etwa 20 Meter südlich und 20 Meter im Wald die Wedekindeiche. Es ist ein fünfhundertjähriges Prachtexemplar mit einem Umfang von 5,45 Metern und einer Höhe von 31 Metern. Der Baum wahrt das Andenken an den Geheimen Oberforstrat Georg Freiherr von Wedekind (1796 - 1856).
Man fährt links auf der Katzenschneise weiter zum Grünen Teich. Von dort kann man einen Abstecher nach Süden machen zur Küchlereiche und zum Küchlerbrunnen, allerdings nur auf schmalen Wegen. Nördlich des Teichs steht (ohne Tafel) die Liebig - Eiche in Erinnerung an Justus von Liebig, der 1803 in Darmstadt geboren wurde.

Wenn man rechts abbiegt in die Woogbergschneise steht gleich links die Heyer - Eiche, in Erinnerung an den bedeutenden Forstmanns Carl Heyer (1797 - 1896). Man kommt zu den Opper­manns­wiesen am Letschbach. Man fährt links vorbei auf der Grenzschneise. Dort kommt man an der Ernst - Maler - Ruhe vorbei. Dann geht es rechts in die Oppermannswiesenschneise. Hier steht rechts die Heinrich - Eidmann -  Eiche. Eidmann war Heimatforscher und Lehrer an der Morneweg - Schule.

Nach Überquerung der Wiese kann man noch einmal rechts abbiegen zum Rückbrünnchen (mit Baum). Dort scheint es aber nicht nach links über den Bach zu gehen zur Oppermannswiesen­schneise. Man müßte auf dem Scheftheimer Weg erst weiter fahren und dann links in die Woogbergschneise und wieder nach links. Alternativ wäre der Weg östlich der Oppermanns­wiesen­schneise direkt zum Steinbrücker Teich.

 

Steinbrücker Teich:

Fröhlich gelassen ist die Stimmung an schönen Sommertagen. Gruppen lagern auf den Wiesen, suchen Schatten unter ho­hen Bäumen, dösen, reden, picknicken. So­gar große Gelage werden abgehalten, Ti­sche und Bänke dazu mitgebracht. Aktive suchen Bewegung und Spiel: Frisbee, Ball, Tischtennis, Federball. Be­liebt ist die für Anfänger und Könner ge­eignete Minigolfanlage. Auch ein Spiel­platz mit einigen Geräten und Sand wie am Meer fehlt nicht.

Nicht allzugroß ist der im 16. Jahrhun­dert durch Landgraf Georg I. angelegte Steinbrücker Teich, doch groß genug für vergnügliche Runden mit Ruder- oder Tret­boot. Wohl jeder umkreist einmal die klei­ne Insel und durchfährt romantisch über­hängende Äste am Ufer.

Wer zu Fuß den mitten im Wald liegen­den Teich umrundet, findet sattgrüne Sumpfpflanzen am stillen Oberlauf Auch wenn der mehrere Teiche speisende Ruth­senbach noch so spärlich fließt, zieht es Kinder an der kleinen Brücke zu Wasser­spielen ins kühle Naß. Bald öffnet sich der Laubwald wieder. Der Pony - Ritt gehört zu den Vergnügungen. Rauchwölkchen ziehen über die Wiese am anderen Teichufer. Grilldüfte kitzeln in der Nase.

Ponyreiten (4 €) ist werktags ab 14 Uhr, sonntags ab 10 Uhr, aber nur bei trockenem Wetter.

Bootsfahren ist auch nur bei schönem Wetter, aber schon vormittags (Tretboot 5 €, Ruderboot 4 €).

 

Naturnah baden rund um Darmstadt

Erlensee in Bickenbach: Einer der schönsten Seen der Region - 17 Hektar groß - mit vielen Bäumen an den Ufern und zahlreichen Badebuchten. Zu errei­chen von Darmstadt aus Richtung Süden über die B 3 nach Bickenbach, Eintritt frei.

Grube Prinz von Hessen: Mitten im Wald gelegen, an der Landstraße zwischen Darmstadt und Dieburg zwischen Stein­brücker Teich und Forsthaus Einsiedel. Es gibt eine große Liegewiese und einen Sand­strand. Der Eintritt frei.

Naturfreibad Arheilger Mühlchen in Darmstadt: Das Freibad in Darmstadts nördlichem Stadtteil Arheilgen liegt fern­ab vom Straßenverkehr (Auf der Hardt 105). Der Naturbadesee mit 21 Hektar Flä­che wird seit 1924 als öffentliches Schwimmbad genutzt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag zwi­schen 8 und 20 Uhr, Montag und am Wo­chenende 9 bis 20 Uhr. Eintritt frei.

Naturfreibad Großer Woog, Darmstadt: Der Badesee liegt im Zentrum der Stadt, ist dennoch ein Ort der Ruhe und Erholung Der Woog wurde Mitte des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich als Lösch­teich angelegt. Um das Jahr 1820 fand er erstmals als öffentlicher Badeteich Erwäh­nung. Badestelle Familienbad, Landgraf -­ Georg-Straße 121, Ba­destelle Insel, Heinrich – Fuhr - Straße 20. Öffnungszeiten: Diens­tag bis Freitag 8 bis 20 Uhr; Montag und am Wochenende 9 bis 20 Uhr Eintritt: Er­wachsene 1,80 Euro; Jugendliche 1 Euro.

Naturschwimmbad Fischbachtal­ - Niedernhausen: Das Bad ist von Groß - ­Bieberau aus über die Landstraße Rich­tung Niedernhausen zu erreichen, kurz vor dem Ort rechts abbiegen. Das idyllisch gelegene Bad hat eine große Liegewiese. Campen in der Nähe möglich.

 

 

Grube Messel

Vor 49 Millionen Jahren:

Während der Eozänzeit vor fast 50 Millionen Jahren war es weltweit deutlich wärmer als heute. Tropisches bis subtropisches Klima herrschte. Zu jener Zeit lag die Gegend des vorderen Odenwaldes noch auf dem Breitengrad Siziliens. Statt Kiefern und Lärchen gedieh die üppige Vegetation subtropischer Regenwälder bei einem Jahresmittel von 20 Grad (heute 9 Grad). Der Rhein –Main - Raum lag damals so südlich wie heute Neapel.

Vor rund 35 Millionen Jahren: Palmen, riesige Bäume und ein schier undurchdringliches Dickicht aus Gräsern und anderen Pflanzen bedeckten das Land am Main. Idealer Lebensraum für die größten Landbewohner aller Zeiten und ihre Nachfahren. In der subtropischen Atmosphäre wucherten Palmen, Lorbeer- und Walnußbäume, Büsche und mehr. Kleine Seen bildeten ein ideales Terrain für Fledermäuse, Schlangen, flamingoartige Vögel, Pferde, Fische, Krokodile oder Alligatoren und viele andere Tierarten. Riesige Farne und Palmen wuchsen, mittendrin flatterten die Urahnen von Papageien und Kolibris umher, darunter tummelten sich Krokodile - mitten im heutigen Deutschland. Nachdem die Dinosaurier und andere Riesentiere ausgestorben waren, ergriffen sie Besitz von der Gegend  zwischen Neckar und Main und es breitete sich hier ein höchst lebendiger und spektakulärer Urwald aus.

Die Grube Messel war früher ein tiefer See, der durch einen Vulkanausbruch entstanden ist. Bei Bohrungen in mehr als 400 Metern Tiefe wurden Steine entdeckt, die nur bei vulkanischen Explosionen standen sein können. Nach der Explosion füllten Wasser und hinabrutschende Schuttmassen den See teilweise wieder auf, Algen setzten sich als Faulschlamm ab. Daraus konnte der Ölschiefer entstehen, in dem die Paläontologen mehr als 50.000 Spuren ehemaligen Lebens entdeckten.

In den Tiefen des Sees bis zu 200 Metern gab es keinen Sauerstoff, so  daß dort nur wenige Mikroorganismen lebten, die sich an den sinkenden Kadavern zu schaffen machten, diese aber nicht zerstörten. Das stehende Gewässer und das feucht - warme Klima boten ideale Voraussetzungen für rasches Algenwachstum, das dem Wasser Sauerstoff entzog und überdies mit Gasen unterirdischer Herkunft versetzt war. Das lebensfeindliche Gemisch war ideale Voraussetzung für die Bildung von Ölschiefer und dieser wiederum ideal für die natürliche Balsamierung verstorbener Tiere. Glück für die Paläontologen: Unten angekommen, wurden die abgefallenen Blätter und Äste sowie die toten Tiere zu besterhaltenen Fossilien - samt Blüten mit Pollen und Staubblättern, feinen Strukturen wie Haaren oder Flughäuten, dem Magen -  Darm - Inhalt und Föten. Das ermöglicht Wissenschaftlern heute in nahezu einmaliger Weise Aussehen, Ernährung, Fortpflanzung und Fortbewegung zu rekonstruieren.

Der Süßwassersee hatte eine Oberfläche von rund 700.000 Quadratmetern (der Chiemsee in Bayern ist mehr als zehnmal so groß). Heute hat die Grube einen Durchmesser von rund 800 bis 1.000 Metern und ist etwa 130 Meter tief.

 

Geschichte der Grube:

Als erste stießen Grubenwerker des Eisenhüttenwerks Michelstadt im Odenwald um 1900 auf der Suche nach Braunkohle auf Ölschiefer mit hervorragend erhaltenen Versteinerungen von Reptilien aus jener Zeit. Die Funde ließen die Archäologen aufhorchen und sie fingen selbst zu graben an. Schaufel für Schaufel legten sie einen Fund nach dem anderen frei; einer spektakulärer als der andere.

Doch zunächst war geplant, unter anderem Braunkohle abzubauen. Zugleich wurde aus dem Ölschiefer in einer Schwelerei Mineralöl und Paraffin hergestellt. Im Jahre 1971 wurde der industrielle Schieferabbau beendet. Doch statt den Forschern ihr Eldorado zu überlassen, sollte der Krater in den achtziger Jahren mit Müll gefüllt werden. Doch immer höhere Kosten und immer mehr Widerstand in der Bevölkerung ließen die Pläne für die Deponie platzen. Erst der energische Protest aufmerksam gewordener Bürger und Wissenschaftler verhinderte den Untergang des weltweit einmaligen Schatzes.

Schließlich erwarb 1991 das Land die Grube und stellte sie unter Denkmalschutz. Seit 1995 gehört Messel zum Weltkulturerbe der Menschheit und ihre Funde zum Außergewöhnlichsten, was weit und breit aus der ,,Zeit der Morgenröte“  (dem Eozän) erhalten geblieben ist. Im Jahre 1995 nahm die Unesco den Ölschiefer in die Welterbe - Liste auf. Das Wasser des ehemaligen Kratersees wird seit den Deponieplänen abgepumpt: So können heute Paläontologen forschen, während die Besuchergruppen der Fossilienfundstätte auf den Grund gehen. 

 

Art der Funde:

Es muß nicht immer eins der berühmten „Urpferdchen“ sein, das dort geborgen wird. Auch die Ausbeute vom konservierten Blatt bis zum vollständig erhaltenen Krokodil ist ohne Beispiel.

Nirgendwo sonst haben Wissenschaftler bis heute so einzigartige und gut erhaltene Versteinerungen aus jener Epoche gefunden. Die Fossilien enthalten teilweise sogar noch den kompletten Darminhalt. Dies erlaubt Rückschlüsse sowohl auf die Flora jener Zeit wie auch beweist es, daß bei den Urpferdchen ausschließlich Grünes auf dem Speiseplan stand. Aber auch Embryos, Hautschatten und Haarreste sprechen für die Experten eine beredte Sprache.

Weltweit gibt es keine zweite Fossilienfundstätte, die ein derart differenziertes Bild der Flora und Fauna aus der Zeit vor rund 50 Millionen Jahren zeichnet. Dies ist unter evolutionsgeschichtlichen Gesichtspunkten um so bemerkenswerter, da sich nach der großen Zeitenwende zum Tertiär und dem Aussterben der Dinosaurier mit den Funden von Messel die explosionsartige Entwicklung der Artenvielfalt unter den Säugetieren belegen läßt.

 

Zu den besonders aufsehenerregenden Funden gehört das Urpferdchen, das so klein ist wie ein Terrier und an den Vorderbeinen vier, an den Hinterbeinen drei Zehen hat, die später zu Hufen verwuchsen. Während ihre größeren Nachkommen sich von Gras ernähren, fraßen die Urpferd­chen Blätter. Die Forscher haben das trächtige Urpferdchen -  im Beckenbereich fanden sich Knochen eines Fötus - „Mutter mit Kind“ genannt. Der bei Wirbeltierfossilien aus der Grube häufig nachgewiesene Magen -  Darm ‑ Inhalt wird Aufschluß über die letzte Mahlzeit des Fundes in Größe eines Foxterriers mit dem wissenschaftlichen Namen Propalaeo­therium parvulum geben. Woran „Mutter mit Kind“ gestorben ist, können die Wissenschaftler allerdings nicht rekonstruieren. Weltweit gibt es nur drei vergleichbare Funde, doch das Messeler ist der schönste. Er gehört auch zu den vollständigsten Zeugnissen des Eozän, die bislang in der südhessischen Grube freigelegt worden sind.

Mehr als 70 Urpferde zählt die Messel-Herde inzwischen ‑ und ist damit die größte der Welt (allerdings sind dabei auch einzelne Knochen mit gerechnet). Die heute bekannten Pferde stammen nicht von diesen Urpferdchen ab, sondern sind erst sehr viel später über Amerika eingewandert. Dennoch spielen die Urpferde für die Erklärung der Evolution eine wichtige Rolle. Hier in Messel steht die Wiege der modernen Säugetiere. Viele Funde sind sehr gut erhalten: komplette Skelette mit Haut und Haaren, Muttertiere mit Föten und Mägen mit der letzten Mahlzeit wurden hier entdeckt.

Alle Funde müssen sofort präpariert werden, sonst zerfallen sie. Die Messel-Fossilien im Ölschiefer sind dem Fachmann im Vergleich mit solchen in hartem Stein lieber. Bis eine Seite der Skelette komplett freigekratzt ist, können je nach Fund eine halbe Stunde bis mehrere Tage vergehen. Der Präparator knetet ein Becken aus Ton drum herum, rührt Kunstharz an und gießt es in das Bassin - in dünnen Schichten, die nacheinander aushärten müssen, damit keine Luftblasen entstehen. Ist die Harzplatte fest geworden, wird die andere Seite des Fossils vom Schiefer befreit. Die Mitarbeiter des Forschungsinstituts Senckenberg katalogisieren und analysieren die Funde, beschreiben sie in wissenschaftlichen Aufsätzen. Einige Fossilien kommen in Museen nach Messel um Frankfurt, leihweise in die ganze Welt.

 

Besucherzentrum 2008:

Seit 1997 konnten  interessierte Laien von einer Besucher ‑ Plattform am Rande des 60 Meter tiefen Geländeeinschnitts erstmals einen Blick durch das weitgeöffnete Fenster der Erdgeschichte tun. Zum Schutz vor Raubgräbern mußte der Zugang zur Grube für die Öffentlichkeit gesperrt bleiben, betreten werden durfte sie nur bei Führungen. Mit dem Aussichtspunkt bot sich nun die Möglichkeit, auch individuell an das riesige Erdloch zu gelangen. Tief unten sieht man bei gutem Wetter die Paläontologen bei der Arbeit, wie sie geduldig Schicht um Schicht aus dem Ölschiefergestein lösen.

Rechtzeitig zur 1200-Jahr-Feier von Messel im Sommer 2000 erstrahlte die bedeutendste Attraktion von Messel im frischen Gewand: Das Fossilienmuseum für im Inneren des Dorfes wurde mit großem finanziellem und ehrenamtlichem Engagement von Gemeinde und Bürgern von Grund auf saniert und erweitert.  Im Zwischentrakt des ehemaligen Rathauses  -  einem Fachwerkgebäude aus dem 17. Jahrhundert -  findet sich nun eine erdgeschichtliche „Uhr”, die hinführt zur Periode vor etwa 50 Millionen Jahren, dem die Versteinerungen entstammen. Die einzigartig konservierte Fauna und Flora, das berühmte Urpferdchen, Fische, Alligatoren, Vögel, Fledermäuse, Schildkröten und selbst Insekten und Blätter, kommen in dem erneuerten Museum besser zur Geltung. Wo es früher beengt zuging, liegen und hängen die Fossilien nun in repräsentativ ge­stalteten Vitrinen. Das Messeler Heimatmuseum ist bis Ende Oktober dienstags bis sonntags zwischen 14 und 17 Uhr geöffnet.

 

Ab 2005 wurde dann auf der ehemaligen Müllumladeanlage am Rande der Grube Messel ein rund 700 Quadratmeter großes Informationszentrum gebaut. Die Grube Messel GmbH, deren Gesellschafter das Land und das Frankfurter Senckenberg ‑ Institut und die Gemeinde Messel sind, betreiben das Besucherzentrum. Die Besucher haben die Möglichkeit, an einer virtuellen Führung durch die Grube teilzunehmen. Außerdem gibt es im Besucherzentrum Fossilien zum Anfassen. Von einer offenen Plattform  kann man einen Blick in die 60 Meter tiefe Grube werfen. Doch dies hier ist kein neues Museum, sondern ein Informationszentrum, das auf das Sen­ckenberg‑ Museum in Frankfurt, das Hessische Landesmuseum in Darmstadt und das Heimatmuseum in Messel verweist.

Den Grundstein für das Ausstellungsgebäude „Zeit und Messel Welten“ wurde am 17. Dezember 2008  gelegt. Im Oktober 2010 wurde das neue Besucherzentrum eröffnet. Das Zentrum an der einzigartigen Fossilien - Fundstätte kostete fünf Millionen Euro, die Ausstattung weitere zwei Millionen Euro.

Die Grube Messel wurde 1995 von der Unesco in die Liste des Welterbes der Menschheit aufgenommen. Das Gebäude mit einer Nutzfläche von 870 Quadratmetern ist von der Schichtung des Ölschiefers abgeleitet, in dem die Fossilien in Messel ungewöhnlich gut erhalten blieben: Die Besucher können die Erdschichten sinnbildlich durchwandern. Auch das berühmte Messeler Urpferdchen ist zu sehen. Die Informationen werden nach den Plänen des Büros Holzer Kobler Architekturen (Zürich) mit wissenschaftlichen Hintergründen auf unterhaltsame Art vermittelt.

Es gibt verschiedene virtuelle Blicke in die Tiefe der Grube. In einem Dschungel tauchen Besucher in eine schillernde Welt ein, die durch eine Vielfalt von Pflanzen und Tieren medial belebt wird.

Eine Aussichtsplattform auf dem Dach ermöglicht einen Panoramablick. In Außenanlagen gibt es Themengärten zu den Bereichen Maarvulkanismus, Regenwald und Klima, Evolution und Bio­diversität. Ein „Welten- und Expeditionsgarten“ mit den ursprünglichen Pflanzen der Region ist angelegt. Man erwartete damals, daß sich die Zahl der jährlichen Besucher in Messel durch das Zentrum auf 100.000 fast verfünffacht.

Der Zugang zur realen Grabe ist nur im Rahmen einer Führung möglich. Und auch dann ist das Anfassen und Sammeln von Fossilien verboten ‑ zum Leidwesen der vielen Schulklassen, die jedes Jahr zwischen Frühjahr und Herbst durch die Grube geführt werden.

 

Neufunde 2009:

Im März 2009 hat das Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt sensationell erhaltene Neufunde aus der Grube Messel vorgestellt, die vom metallisch schimmernden Prachtkäfer über die Ur - Echse bis hin zum kletternden Ur - Hufer reichten. Unter den Neufunden ragt bei den Insekten nach Angaben der Forscher der etwa 15 Millimeter große Prachtkäfer (Psiloptera) hervor, der auch nach 47 Millionen Jahren seine bunte Färbung behalten hat. Vertreter dieser Art kommen heute nur noch in den Tropen vor. Dazu gehört auch eine Weber - Ameise, die während ihres Hochzeitsflugs in den ehemaligen Messelsee gestürzt und ertrunken ist. Die Weber - Ameise baut ihr Nest aus lebenden Blättern.

Unter den Reptilien konnte eine etwa 50 Zentimeter große Krustenechse identifiziert werden, deren heutige Verwandte (Helodermatiden) in den USA wegen ihrer Giftigkeit als „Bullbeißer der Echsenwelt“ gelten. Auch die in Messel gefundene Echse zeige schon typische Giftrinnen an den Zähnen.

Unter den Neufunden sind die Forscher besonders auf den kletternden Urhufer (Kopidodon macrognatus) stolz. Das knapp ein Meter lange Tier hatte eine langen buschigen Schwarz und ernährte sich von Pflanzen und Früchten. Weitere Erkenntnisse über das Tier werden vom gut erhaltenen Mageninhalt des Neufundes erwartet.

Auch ein hervorragend erhaltenes Exemplar eines der ältesten Nager der Erdgeschichte (Masil­lamys) gehört zu den jüngst geborgenen Fossilien. Ebenfalls wieder gefunden wurde ein archaisches Säugetier (Leptictidium auderiense), das durch eine 2001 ausgestrahlte Dokumentation der BBC  über Messel weltberühmt wurde. Der Vierbeiner bewegte sich - ähnlich wie ein Känguru - nur auf zwei Beinen fort. Das im vergangenen Jahr gefundene Exemplar ist das erste Jungtier dieser Gattung und hatte einen sehr langen Schwanz. Dieser Urhufer aus der Grube Messel hat sogar seinen gut erhaltenden Mageninhalt hinterlassen.       

Rätsel geben den Fachleuten die Überreste eines Ameisenbären und Straußen auf, die bis dato nur auf der Südhalbkugel vermutet worden waren. Bei Fischen stellten die Forscher mehrere Skelettvarianten fest, was als Indiz für die damalige Neubildung der Arten gedeutet wurde.

 

Im Mai 2009  wurde der älteste Vorfahre des Menschen der Öffentlichkeit vorgestellt. Vor etwa einem Vierteljahrhundert gelang einem bis heute anonym gebliebenen Privatmann der Fund, den er in zwei Teilen verkaufte. Diese gehören heute Museen in Norwegen und den USA. Der Osloer Paläontologe Jern H. Hurum brachte die beiden Polyester - Platten zusammen, in die das Skelett gebettet ist. Erst da bemerkten die Wissenschaftler, wie bedeutsam das Fossil ist: Ein 47 Millionen Jahre altes Uraffen - Fossil aus der Grube Messel liefert nach Forscheransicht bahnbrechende neue Informationen über die Evolution des Menschen.

Lange stritten Forscher über „Idas“ Bedeutung: Einige hatten sie als „missing link“ - also: fehlendes Verbindungsstück in den Stammbäumen von Affen und Menschen interpretiert. Andere nur als neue Art im Stammbaum der Primaten, weil sich die Linie des Menschen erst vor rund sieben Millionen Jahren abgespalten habe. Noch heute ist unter Experten umstritten. ob „Ida“ ein Vertreter der Lemuren ist, also ein Feuchtnasenaffe  ist, oder ob sie zur Gruppe der Trocken­nasenaffen gehört, aus der sich 40 Millionen Jahre später die Vorfahren der Menschen entwickelten.

Die Senckenberg - Leute haben bisher sechs Hinweise gefunden, wonach „Idas“ Skelett jenen der Trockennasen ähnelt. So fehlen zum Beispiel ein für Feuchtnasen typischer Zahnkamm und eine Putzkralle. Deshalb halten sie gut erhaltene Versteinerung  für das fehlende Verbindungsstück zwischen den Stammbäumen von Menschen und Affen.(„missing link“).

Es  hat allerdings auch Kritik gegeben an der weltweiten Vermarktung der Forschungsarbeit. Unter anderem hatten TV-Spots in den USA die Entdeckung beworben und ihre Bedeutung mit der ersten Mondlandung verglichen. Das Fossil hat aber großes Aufsehen verdient. „Ida“ stellt das besterhaltene Primaten - Fossil dar, das es je gegeben hat, sagen die Forscher. Man hat nicht nur das komplette Skelett, sondern auch die kompletten Körperumrisse und den Darminhalt gefunden Dies ist das erste Mal, daß ein uralter Angehöriger der Ordnung, zu der wir uns selbst zählen, in dieser Qualität erhalten ist. Durch die Erkenntnisse, die man an „Ida“ gewinnt, steigt eine ganze Gruppe fossiler Primaten, die so genannten Feuchtnasenaffen, in die höhere Gruppe der so genannten Trockennasenaffen auf.

Aus der letzten Gruppe, die ihren Geruchssinn sozusagen gegen ein besseres Sehvermögen „tauschte“, sind später die höheren Primaten hervorgegangen. Feuchtnasenaffen, zu denen auch Lemuren zählen, wurden früher manchmal als Halbaffen bezeichnet. Trockennasenaffen dagegen galten als „echte“ Affen. „Insofern ist es richtig zu sagen, daß „Ida“ eine Übergangsform einnimmt.

 

 

Dieburg

Historie ist in Dieburg allgegenwärtiges Thema. Die Stadtgeschichte läßt sich bis in die Römerzeit zurückverfolgen. Bedingt durch seine günstige Lage spielte Dieburg eine herausragende Rolle im Gebiet zwischen Rhein, Main, Neckar und Limes. Etwa um 125 nCh wurde Dieburg zum Hauptort der sogenannten „Civitas Auderiensium“, einer Region, die etwa das Gebiet des heutigen Südhessen umfaßte. Archäologische Untersuchungen fördern immer wieder Überraschungen zutage. Die Entdeckung des römischen Mithräums im Jahre 1926, die Ausgrabung eines spätmittelalterlichen Töpferbezirks am Fuchsberg 1986 / 1987 oder der Fund der Jupitersäule in der Altstadt 1998 belegen eine kulturhistorisch reiche und bedeutungsvolle Vergangenheit.

 

Das römische Dieburg

Zwischen Kleestadt und Altheim wurde 1831 / 1832 an der „Hohen Straße“ von Dieburg nach Stockstadt das Bruchstück eines Meilensteins gefunden. Der Stein trägt eine auf beiden Seiten fragmentierte Inschrift, deren Lesung bis auf die letzte noch vorhandene Zeile keine Schwierigkeiten bietet: (I)mp(eratori) Caesari) G(aio) Iul(io) (V)ero Maxsimin(o) (Pi)o Felici Aug(usto) et G(aio) (I)ulio Vero Maxsi(mo) Caes(ari), Nobilissimo A( ...) A ( ... ) M (. . .). Auf römische Meilensteinen oder auch Leugensteinen (Leuge = 2.220 Meter), wird die Entfernung von dem Stein zur nächsten größeren Stadt oder zum Hauptort der jeweiligen Gebietskörperschaft (civitas) gerechnet, hier Dieburg als Hauptort der Civitas Auderiensium. Dieser Meilenstein muß also die Entfernung Kleestadt-Dieburg angeben und darüber hinaus auch dessen römische Namen.

Die Forschung hat in den drei Buchstaben der jetzt letzten Zeile die Abkürzung dieses Namens gesehen und verschiedene Auflösungen vorgeschlagen. Nach der Stellung der drei Buchstaben in der Gesamtschrift ist folgende Ergänzung der beiden letzten Zeilen sinnvoll: (Civ) A(uderiensium) a(b) M.

Die Civitas Auderiensium ist aus zwei Inschriften bekannt, die beide Ratsherren (decuriones) dieser Civitas nennen: Die eine wurde zu Beginn des 16. Jahrhundert in der St.-Albans-Kirche zu Mainz gefunden. Eine zweite Inschrift aus Nida, dem Hauptort der benachbarten Civitas Taunensium in Frankfurt - Heddernheim, läßt möglicherweise eine weitere Ergänzung des Ortsnamen zu. Die bekannte Dendrophoreninschrift scheint den gleichen Rechtsstatus von Nida und dem ebenfalls in der Inschrift genannten Ort „Med“ (. . .) anzudeuten, so daß in Med (...:) ein Civitas-Hauptort gesehen werden kann. Was liegt näher, als die genannten Wortanfänge beider Inschriften aufeinander zu beziehen und den Namen des römischen Dieburg nunmehr mit Med (. . .) anzugeben. Die Entfernungsangabe folgte dann in der nicht mehr vorhandenen Zeile der Inschrift. Die hier ergänzte Leugenzahl orientiert sich an dem möglichen Originalstandort des Steines bei der „Straßenmühle“, einem Anwesen, das exakt vier Leugen von Dieburg entfernt in Nähe einer Kreuzung zweier Römerstraßen liegt.           

 

Wie jüngste archäologische Untersuchungen belegen. orientiert sich die Straße „Minnefeld“ am Verlauf der römischen Stadtmauer. Und Minnefeld (auch Monfeld) wiederum gehörte wie Altenstadt und Steinweg / Holzhausen zu den Siedlungen. die wohl vor Gründung der Stadt Dieburg existierten und dann zu Vororten der mittelalterlichen Stadt wurden. Diesen Charakter haben sich die Straßen „Altstadt“, „Minnefeld“ und „Steinweg“ mit ihrer Bebauung bis heute bewahrt.

Die individuelle Prägung beginnt mit Gründung eines römischen Verwaltungshauptortes im späteren Stadtgebiet von Dieburg. Die römische Siedlung war ein städtisches Zentrum für die umliegenden Gutshöfe und das Militär am Limes. Noch immer liegen die wichtigsten Ein- und Ausfallstraßen Diehurgs auf den römischen Verkehrswegen. Der Straßenname „Altstadt“ ist ein Hinweis auf den Ort Altenstadt, der wiederum schon vor Gründung der Stadt Dieburg auf die römischen Ruinen bezogen war.

 

Römische Siedlung:

Die römische Siedlung erstreckt sich zwischen Bahnhof und Minnefelderseestraße im Norden, Ringstraße im Osten und Süden bis etwa zur Steinstraße im Westen. Der antike Ort war somit beträchtlich größer als die mittelalterliche Stadt, deren Zentrum beim Marktplatz lag. Von den zahlreichen Anschnitten römischer Bauten im Stadtgebiet nur noch ein restaurierter Mauer­zug im Keller des Hauses Frankfurter Straße zu sehen.

Die ersten römischen Funde in Dieburg kamen Anfang des 16. Jahrhunderts zum Vorschein. Im frühen 19. Jahrhundert beschrieb J. W. Chr. Steiner die bis dahin bekannten römischen Altertümer und wies auf ein ausgedehntes „Trümmerfeld“ östlich der Stadt hin. Noch in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts dienten die in den „Blutäckern“ gelegenen römischen Überreste als Steinbruch. Systematische Untersuchungen fanden statt um die Jahrhundertwende in der ehemaligen Vorstadt „Altenstadt“.

Weitere Beobachtungen gab es in den zwanziger und dreißiger Jahren im Zuge der Stadtkanalisation und nach dem Zweiten. Weltkrieg in den von den Neubaugebieten betroffenen Gräberfeldern an den Rändern der antiken Siedlung. Die letzte Grabung erfolgte 1978 auf einem größeren noch unberührten Areal östlich der Kreuzung der Groß - Umstädter mit der Aschaffenburger Straße.

Sehr früh nahm die örtliche Forschung an, die spätere römischen Zivilsiedlung in Dieburg habe sich - analog zu anderen Plätzen - aus dem zu einem Kastell gehörenden Lagerdorf entwickelt. Bis heute hat sich aber noch kein Hinweis auf eine solche Militäranlage gefunden. Daß jemals ein Kastell zum Vorschein kommen wird, ist wohl auszuschließen. Die Siedlung wurde etwa um 125 nCh am Rande eines ausgedehnten, fruchtbaren Lößgebietes (Dieburger Bucht) gegründet, als die Truppen aus dem benachbarten Kastell Groß - Gerau bereits abgezogen, die Limeslinie am Main und auf den Odenwaldhöhen konsolidiert war. Offenbar sollte sie die in den Limeskastellen stehenden Truppen versorgen.

Der Civitas-Hauptort ist möglicherweise aus einer Straßenstation entstanden, die hier an sich kreuzenden Fernstraßen lag. Es ist anzunehmen, daß mit der offensichtlich systematischen Gründung von Dieburg auch die Einrichtung der Civitas Auderiensium erfolgte. Auch die in der Umgebung liegenden römischen Gutshöfe (villae rusticae) scheinen nicht vor 120 nCh angelegt worden zu sein.

 

Jupitergigantensäule:

Im Jahre 1924 fand man am südlichen Ortsausgang von Dieburg das 1,50 Meter hohe Unterteil einer qualitätvollen Jupitergigantensäule aus gelbgrauem Sandstein. Auf dem Viergötterstein, der Säulenbasis, sind Juno, Herkules, Vulkan und Ceres abgebildet, während der siebeneckige Zwischensockel die Wochengötter zeigt, von denen Sol, Luna, Mars und Merkur noch gut erhalten sind. Die beiden unteren Ränder des Wochengöttersteins tragen die Inschrift „(Den dargestellten Göttern geweiht) von Licinius Ob ..., Ratsherr der Civitas Auderiensium, und Messoria Tetrica, seiner Gattin, die für erwiesene Wohltat (ihr Gelübde) gern und freudig (erfüllt haben)“ Mit diesem Fund ließ sich Dieburg als Hauptort der Civitas Auderiensium zuweisen.

Bereits 1894 war aus einem Steinbrunnen in der Rittergasse ein Altar mit Weihinschrift zutage gekommen. Sie lautet: „Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses. Dem Genius des Vicus V( - - -) V(---) haben Lucius Martialinius Messor und Titus Eudemius Cupitus (diesen Altar) zum Geschenk gemacht.“ Vici V(---) V(---) wurde zumeist mit Vicus Vetus Ulpius aufgelöst und angenommen, die Siedlung sei unter Kaiser Trajan (98 - 117 nCh) gegründet worden und habe zu Ehren des Kaisers dessen Familiennamen (Ulpius) geführt. Offenbar versteckt sich aber hinter der Bezeichnung in der Inschrift der Name lediglich eines Stadtteiles der größeren Gesamtsiedlung.

 

Römische Bauten:

Die zahlreichen Fundpunkte auf dem modernen Stadtplan von Dieburg zeigen, daß die römische Siedlung dicht bebaut gewesen sein muß. Allerdings sind nur in wenigen Fällen eindeutig im Kataster lokalisierbare Gebäudestrukturen vorhanden. So kommt es, daß der jüngst erstellte Siedlungsplan erhebliche Lücken aufweist. Der Verlauf der Stadtmauer wurde in zahlreichen Anschnitten jeweils an der Nord, Ost- und Süd- Seite nachgewiesen. Im Jahre 1972 konnte das 1,60 Meter breite Mauerfundament in der südlichen Ringstraße auf 67 Meter Länge verfolgt werden. An der Einmündung der „Hohen Straße“ in die Stadt (nördlich der Offenbacher Straße) im Osten wurden bereits vor 50 Jahren ein Straßenpflaster sowie zahlreiche etwa 0,70 Meter lange und 0,40 Meter breite Sandsteinplatten – wohl Zinnensteine – und auch das Profil des Grabens beobachtet.

Die Stadtmauer scheint in größter Eile hochgezogen worden zu sein, denn das Mithräum lag außerhalb der Umwehrung. Die aus dem Mithräum geborgene Keramik, welche nur bis in den Beginn des 3. Jahrhundert reicht, scheint damit einen Hinweis auf den Zeitpunkt des Mauerbaus zu geben. In der Vorahnung drohender Alamanneneinfälle wurde auch die römischen Siedlung von Dieburg zu Beginn des 3. Jahrhundert umwehrt.

Das Mithräum, im Jahre 1926 ausgegraben, stellt mit seinen zahlreichen Skulpturen- und Relieffunden, darunter das hervorragend gearbeitete Kultbild, den bisher spektakulärsten Fund auf Dieburger Boden dar. Das Heiligtum war in West - Ost - Richtung orientiert. Der Grundriß entspricht dem bekannten Schema: Durch eine hölzerne Vorhalle (pronaos), die nicht ergraben werden konnte, betraten die Gläubigen den langrechteckigen Kultraum, an dessen Längsseiten sich Liegebänke (Klinen) befanden.

In der rechten Ecke der Cella stand ein Mauerklotz, auf dem wohl das drehbare Kultbild montiert war. In der linken Ecke lag die Kultgrube, aus der einige Skulpturen, Keramik und Knochen geborgen werden konnten. Nördlich außerhalb des Heiligtums befand sich der Brunnen. Mit Vorhalle war der Bau 20 Meter lang und 6,40 Meter breit. Das Mithräum wurde offenbar bei einem der ersten Alamanneneinfälle zerstört. Ein zweites Mithräum ist durch das Bruchstück eines weiteren Kultbildes nachgewiesen. Es zeigt als Randfries die Darstellung der Wochengötter.

 

Ein weiteres Heiligtum wurde 1977 / 1978 südöstlich der Kreuzung Groß - Umstädter-/ Aschaffenburger Straße ausgegraben. Hervorstechendstes Merkmal ist eine abgewinkelte Mauer, die das Gelände im Osten begrenzt. In einen Mauerknick ist ein nahezu quadratisches Gebäude (14 mal 12 Meter) eingebaut. Darunter liegende Verfärbungen in Form von Mauergruben oder Pfostengräbchen machen eine Zweiperiodigkeit der Anlage wahrscheinlich. Die Fundamente aus unregelmäßigem Sandstein- und Trachytmaterial waren 1,50 Meter breit. Außerhalb des über 40 Meter langen Mauerzugs konnten nur noch einzelne Mauerausbruchgruben festgestellt werden, die aber keinen zusammenhängenden Grundriß ergaben.

Zwölf Meter westlich der Mauer befand sich ein kleineres quadratisches Gebäude (6,40 mal 6,50 Meter), um das im Abstand von 1,50 Meter mehrere Pfostengruben lagen. Offenbar handelte es sich um ein Gebäude mit Steincella und außen umlaufender überdachter Veranda wie es als Bautyp von zahlreichen gallorömischen Umgangstempeln her bekannt ist. In unmittelbarer Nähe wurden ein kleiner Münzschatz sowie ein vollständig erhaltenes Kultgeschirr freigelegt. Da der in den Mauerzwickeln eingesetzte Bau im Grundriß dem beschriebenen gleicht, war der ummauerte Bereich wohl ein Kultbezirk mit mehreren kleinen Tempeln, der hier an der Peripherie der antiken Siedlung lag. Welche Gottheiten hier verehrt wurden, läßt sich nicht sicher sagen. Das Kultgeschirr verweist wohl auf einen orientalischen Kult.

Bei einer Ausgrabung 1893 stieß man nördlich der Theobaldstraße auf die Mauerzüge eines größeren Gebäudes im Zentrum der römischen Siedlung. Eine Lage regelmäßig behauener Sandsteinquader von 1,20 bis 1,60 Meter Länge, 0,80 bis 1,20 Meter Breite und bis zu 0,25 Meter Stärke wurde in über 50 Meter Länge in Nord - Süd - Richtung hergestellt. Parallel, einige Meter östlich, kamen ebenfalls noch einzelne Blöcke zutage. Alle Sandsteinquader besaßen Wolfslöcher in der Mitte und waren ehemals durch Eisenklammern miteinander verbunden. Unter den Steinen befand sich eine Rollierungsschicht.

Bei den Plattenreihen handelt es sich also um das Fundamentmauerwerk eines größeren Gebäudes, das zudem noch unterteilt war. Zwischen den Mauerzügen wurden nämlich noch die Fundamente einer 17,20 mal 9,60 Meter großen, teilweise hypokaustierten Raumflucht er­graben. Die Dimension des Bauwerks legt es nahe, in ihm ein Gebäude mit offiziellem Charakter zu sehen, vielleicht die Reste der Marktbasilika von Dieburg. Wie weit der Gebäudekomplex in das antike Stadtgebiet reichte, ist ungewiß. Möglicherweise läßt sich der Mauerrest im Keller des Hauses Frankfurter Straße 1 mit den angenommenen Basilika- oder Forum­bauten in Verbindung bringen. Obgleich keinerlei gesichertes Fundmaterial aus den Grabungsbefunden des Gebäudes vorliegt, wird der Baubeginn der Basilika wohl mit der Einrichtung der Civitas Auderiensium zusammenfallen.

Beim heutigen Finanzamt in der Marienstraße wurde in den dreißiger Jahren eine Grabung durchgeführt. Sie ergab einen größeren Gebäudegrundriß, über dessen Funktion man sich noch nicht im Klaren ist. Es handelt sich um ein 13,50 mal 15,50 Meter großes Gebäude, dessen Innenfläche durch Zwischenwände unterteilt war. An der Süd-Seite lehnte nach einem korridorartigen Zwischenraum eine nach Westen abzweigende Mauer an, an deren hinterem Ende zwei kleine rechteckige Räume angegliedert waren. Im westlichen Raum fanden sich Hypokaustreste, während der daneben gelegene Raum mit Estrich versehen war und an seinen Wänden einen rechtwinklig umbiegenden Sickerkanal besaß. Der Ausgräber Behn sah in dem wie es scheint keineswegs vollständig ergrabenen Gebäuderest eine Markthalle und verglich den Grundriß mit der Markthalle von Bregenz. Möglicherweise gehört der Baukomplex zu einem Wohnquartier (insula).

An der Straße „In der Altstadt“ wurden noch einige Mauerzüge und Hypokaustreste sowie ein Brunnen beobachtet, die wohl zu den typischen Langhäusern einer römischen Siedlung gehörten. Ein kleineres rechteckiges Bauwerk wurde an der Wallfahrtskirche ausgegraben, ein Töpferofen im Bereich der Marienschule, einzelne Holz- und Steinkeller sowie Brunnen im Stadt­bereich. Mehrere Gebäudereste südlich der Stadtmauer gehörten wohl zu einem größeren Komplex.

 

Straßen:

Von den römischen Straßen im Stadtgebiet ist der Straßenzug gesichert, der aus Richtung Groß - Umstadt kommt, in Höhe des heutigen Amtsgerichts die Straße von Klein - Zimmern kreuzt und in Richtung Gundernhausen das Stadtgebiet verläßt. Eine weitere Römerstraße kommt von Klein - Zimmern und durchzieht das Stadtgebiet geradlinig bis zur heutigen Minnefelderseestraße und scheint über den Dammweg nach Nordosten weiterzuführen. Sie stellt möglicherweise die Verbindung zum Kastell Seligenstadt her.

Bis zur Siedlung ist die von Osten kommende „Hohe Straße“ gesichert. Dann verliert sie sich allerdings. Der weitere Verlauf durch den nördlichen Teil der Siedlung ist nur angenommen. Sicher ist, daß dieser Straßenzug nordwestlich von Dieburg auf die im Wald zwischen Münster und Urberach sehr gut erhaltene, ebenfalls „Hohe Straße“ genannte Römerstraße zuführt.

Ein Straßenstück südlich der Stadtmauer scheint die Verbindung der von Groß - Umstadt kommenden Straße mit der Klein - Zimmerner Straße herzustellen.

 

Gräberfelder:

Insgesamt ließen sich in Dieburg sechs Gräberfelder feststellen. Sie lagen außerhalb des antiken Mauerrings an den aus der Siedlung herausführenden Straßen. Bisher wurden 211 Gräber geborgen, die ein reichhaltiges Spektrum der am Ort verwendeten Keramik lieferten.

Gräberfeld I an der nach Groß-Umstadt führenden römischen Straße, hinter dem heutigen Friedhof „Im Altstädter See“, war (125 untersuchte Gräber) der größte römischen Begräbnisplatz von Dieburg. Alle Gräber der Friedhöfe I – VI waren Brandbestattungen. Die meisten Gräber von Gräberfeld I gehören in die Zeit zwischen 140 und 20C nCh. Im Gräberfeld II, dem zweitgrößten, fand sich das bisher früheste Grab (120 – 130 nCh).

Die römischen. Siedlung von Dieburg erlebte nach Ausweis des Fundmaterials ihre Blütezeit um die Wende des 2. zum 3. Jahrhundert nCh. Der Hauptort der Civitas Auderiensium fand sein Ende in den Alamannenstürmen der Jahre 259 /  260 nCh. Für die Zeit nach dem Limesfall um 260 und die Jahre der Völkerwanderung gibt es bislang keine Belege. Archäologische Zeugnisse liegen erst wieder für die Merowingerzeit vor. Der Fund eines reich ausgestatteten fränkischen Reitergrabes bezeugt für das 7. Jahrhundert die Anwesenheit einer bedeutenden Persönlichkeit in Dieburg.

 

Die Hohe Straße von Dieburg nach Stockstadt (hessenarchäologie 2012, Seite 233).

Themenwege erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Der Radler möchte nicht nur etwas für seine Gesundheit tun - das Wissen, auf einer ganz besonderen Straße unterwegs zu sein, erhöht die Attraktivität der Route. Rundwege sind auch hier die einfachste Lösung, da Start- und Zielort zusammenfallen und ein Transfer entfällt. Mit Blick auf historisch interessante Stätten dominiert aber die lineare Streckenführung.

Keine archäologische Epoche ist im Bewußtsein der Bevölkerung so präsent wie die Zeit der Römer. Attraktive Funde in den Museen, die Faszination „Militär“ sowie der Umstand, daß wir durch die schriftlichen Quellen recht gut über das römische Leben Bescheid wissen, tragen zu dieser Begeisterung hei. Einen zusätzlichen Schub hat sicher das Prädikat „Weltkulturerbe“ für den Obergermanisch-Raetischen Limes gegeben.

Nach der Befriedung der rechtsrheinischen Gebiete am Beginn des 2. Jahrhunderts wurde der Ort MED (….)/ Dieburg ziviler römischer Verwaltungssitz für einen großen Teil Südhessens. Dies zeigt sich auch deutlich im antiken Straßennetz - Dieburg bildete den Verkehrsknotenpunkt im antiken Starkenburg mit Anbindung an Gernsheim, Mainz (Mogontiacum), Frankfurt a. M.-Heddernheim (NIDA), Groß-Umstadt sowie den Mainkastellen Niedernberg (Land­kreis Miltenberg) und Stockstadt a. M. (Landkreis Aschaffenburg) in Unterfranken.

Römische Straßen haben sich oft lange gehalten - das gilt auch für Abschnitte der Straßenverbindung zwischen Dieburg und Stockstadt a. M. Über weite Strecken deckt sich der Verlauf der römischen Straße mit der heutigen Wegeführung, an anderen Stellen verläuft der antike Straßendamm gut sichtbar parallel zu gut ausgebauten Wald- und Feldwegen. Auf Ackerflächen ist ihr genauer Verlauf jedoch zumeist nur mit Hilfe archäologischer Untersuchungen nachzuweisen. Die neu entstandenen sieben Stationen des Kulturwanderwegs vermitteln dem Besucher insbesondere Informationen zu Denkmälern von der römischen Periode bis hin zur frühen Neuzeit. Schwerpunkte bilden die Betrachtung der früheren Infrastruktur in der Region sowie Aspekte des Verkehrswesens.

Die unter Hadrian (117 - 138 nCh) gegründete Vorgängersiedlung Dieburgs war der zentrale Ort innerhalb der Gebietskörperschaft der civitas Auderiensium. Von hier aus sorgte ein Ratskollegium (ordo decurionum) aus etwa 60 - 80 römischen Bürgern der Region für eine funktionierende Verwaltung im Raum zwischen Main, Rhein und Vorderem Odenwald. Dieser Hauptort entwickelte sich zu einer Kleinstadt mit einer von mediterranen Einflüssen geprägten Architektur: Sein Zentrum bildete ein Marktplatz (forum) mit Basilika, dazu kamen vermutete Badeanlagen, Heiligtümer, vielleicht sogar Theaterbauten, eine umgebende Stadtmauer und Säulengänge. Die Stadt war nicht nur Verwaltungssitz; sie stellte vielmehr bis zum Ende der römischen Herrschaft um 260 / 270 nCh das ökonomische, religiöse und kulturelle Zentrum der Region dar. Aufgrund der späteren Bebauung ist im heutigen Stadtbild kaum etwas von der römischen Vergangenheit Dieburgs sichtbar. Zahlreiche sehenswerte Funde im Stadtmuseum Schloß Fechenbach gewähren dem Besucher jedoch einen aufschlußreichen Einblick in diese Epoche.

Ein besonderes Highlight entlang der neu ausgeschilderten Strecke ist sicher die Kopie des 1831 / 1832 bei Groß-Umstadt - Kleestadt entdeckten Meilensteins, die unweit des ursprünglichen Fundortes aufgestellt wurde. Die Inschrift des zwischen Sommer 236 und Frühjahr 238 nCh gesetzten Steines ist nur teilweise erhalten, läßt sich aber bis auf die Schlußteilen erschließen: „Dem Imperator Caesar Caius Julius Verus Maxsiminus, dem frommen und glücklichen Augustus, sowie Caius Julius Verus Maxsiminus, dem edelsten Caesar, die Civitas Auderiensium von M(…) (vier Leugen)“. Der Stein gab die Entfernung von seinem Standort zum Hauptort der civitas Auderiensium an. Die Entfernungsangabe erfolgte in gallischen Leugen (1 Leuge = 2.220 Meter). Kaiser Maximinus Thrax (235-238 nCh) und sein Sohn Maximus werden als Bauherren von Straßen auf Meilensteinen in den Provinzen an Rhein und Donau genannt. Der Fund zeigt, wie die Groß - Umstädter Gemarkung in römischer Zeit in das überregionale Straßennetz eingebunden war.

Im Wald bei Schaafheim haben sich die Überreste einer frühneuzeitlichen Landwehr erhalten. Diese bestand aus zwei, an manchen Stellen auch aus drei Gräben im Abstand von 6 - 8 Meter mit dazwischen liegendem Wall bzw. zwei Wällen Auf der Wallkrone hatte man früher Hainbuchen- und Dornhecken zu einem undurchdringlichen Dickicht gepflanzt, damit das Passieren der Sperrwerke nur an bestimmten Durchlässen möglich war. Die Landwehr lag ursprünglich in gerodetem Gebiet und ist so gut erhalten, weil der heutige Waldbewuchs sie vor Erosion schützt. In Ackerbereichen weisen heute lediglich Flurnamen wie „Landgewehr“' (Groß-Umstadt-Dorndiel) oder „Schlaggraben“ (Mömlingen, Landkreis Miltenberg) auf das historische Denkmal hin. Der Verlauf der Landwehr läßt sich von der Mümling im Süden über das Amorbachtal bis nach Stockstadt a. M. verfolgen. Auch der steinerne Rundturm auf dem Binselberg, der Schaafheimer Wartturm, ist ein Bestandteil dieser Anlage.

Wie viele Landwehren hatte man die beschriebene als Grenzmarkierung und -barriere angelegt, wobei finanzpolitische Interessen eine zentrale Rolle spielten. Der Bauherr, der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg, wollte erreichen, daß die zahlreich von Süden kommenden Besucher der Frankfurter Messe nicht die Abkürzung über Babenhausen durch hanaui­sches Gebiet nahmen. Sie sollten ihre gesamte Route auf Mainzer Grund und Boden zurücklegen. So konnten die kurmainzischen Landesherren den Verkehr und damit auch den Zoll sowie den gegen Geld gewährten Geleitschutz auf der Hohen Straße und anderen Verkehrswegen kontrollieren. Hierdurch sicherten sie sich die Einnahmen, die sich aus dem zweimal im Jahr stattfindenden Messeverkehr ergaben. Noch heute markiert die Landwehr bei Schaafheim abschnittsweise die Grenze zwischen den Bundesländern Hessen und Bayern.

Das Ziel der Route liegt am Main. Dort, wo sich heute die Anlagen einer Zellstoff- und Papierfabrik erheben, war zwischen 80 und 120 nCh im Zuge der Überwachung der „Nassen Grenze“ (des Mainlimes) das Kohortenkastell Stockstadt errichtet worden. Als Besatzungen des Kastells sind in Inschriften verschiedene Verbände römischer Hilfstruppen belegt, die sich alle aus Reiterei und Fußtruppen zusammensetzten: Den Anfang um 100 nCh machte die cohors III Aquitanorum equitata civium Romanorum, ihr folgten noch in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts die cohors II Hispanorum equitata und schließlich die cohors I Aquitano­rum veterana equitata, die wohl bis zur Aufgabe der Grenze um 260 / 270 nCh dort ihren Dienst tat.

Mit einer Länge von 24 Kilometern und einer Höhendifferenz von nur 75 Metern eignet sich die Route auch für ungeübte erwachsene Radler oder Kinder. Der Rücktransport kann über die Bahn abgewickelt werden. In weiten Teilen folgt die Strecke bereits ausgeschilderten Radwegen, so daß es zumeist nur kleiner Zusatzschilder bedarf, um den Nutzer zu leiten. Start- bzw. Endpunkte der Route sind Dieburg und Stockstadt - also Standorte eines zivilen Zentrums und eines Militärlagers während der Antike. Mit der „Hohen Straße“ ist uns ein erlebbares Monument der römischen Epoche erhalten geblieben. Das Projekt soll Geschichte lebendig machen. Das Wandern und Befahren einer „originalen“ antiken Straße in Verbindung mit entsprechenden Erläuterungen wird zu einem Museumsbesuch im Grünen - ohne Absperrungen und Verbote.

 

Das mittelalterliche Dieburg

Einschneidend war die Gründung der Stadt und Burg Dieburg im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts. Die frühe Verleihung von Stadtrechten - die 1277 bestätigt und erweitert wurden - hat die Entwicklung Dieburgs maßgeblich geprägt. Das Zentrum der Stadt, der große fast quadratische Marktplatz, liegt bis heute direkt anschließend an die westöstliche Hauptverkehrsachse, die von Mainz kommend über den Steinweg in die Zuckerstraße und über die Altstadt in Richtung Aschaffenburg führte.

Noch immer in der Stadt sichtbar sind Überreste der mittelalterlichen Stadtbefestigung, zahlreiche sakrale Bauwerke, herrschaftliche Adelssitze und stolze Bürgerhäuser. Die Stadt Dieburg ist unverkennbar durch die frühe Erlangung von Stadtrechten und die fast 500 Jahre währende Zugehörigkeit zum katholischen Kurmainz geprägt. So haben die Tradition der Wallfahrt und der Fastnacht einen hohen Stellenwert und werden in Dieburg lebendig gehalten.

Das mittelalterliche Dieburg geht auf eine Neugründung im 12. Jahrhundert zurück. Neben der staufischen Burganlage entstand eine bedeutende Stadt, die seit 1207 urkundlich nachweisbar ist. Bereits 1207 überliefert eine Urkunde erstmals den Namen der seit dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts bestehenden Stadt. In einer Urkunde des Klosters Eberbach tritt eine „Domina Judta de Dieburch“ als Zeugin auf. Schon ein Jahr später die nächste Nachricht: Eine Urkunde zeigt das Siegel des Stadtgründers Heinrichs von Dieburg. Die Inschrift lautet: „Sigillum Henrici de Dieburg“. Mit der Erwähnung einer „porta in Dieburch“ ist zudem ein Burg- oder Stadttor belegt. Mag die Schreibweise auch variieren, und der Name gleichsam Burg oder Stadt bezeichnen, die Stadt Dieburg konnte im Jahre 2007 mit Stolz die erste schriftliche Erwähnung ihres Namens vor 800 Jahren feiern.

Kaiser Rudolf von Habsburg gewährte Dieburg im Jahr 1277 die erweiterten Stadtrechte. Im Jahre 1310 ging Dieburg in den vollständigen Besitz von Kurmainz über. Mit der Zugehörigkeit zu diesem mächtigen Kurfürstentum entwickelte sich die Stadt zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum.

Die große Zahl der hier ansässigen Adelsgeschlechter, die Klostergründungen, gut besuchte Märkte und der Nachweis, daß der Mainzer Erzbischof Diether von Ysenburg zeitweise seinen Sitz in Dieburg hatte, weisen auf die einstige Bedeutung der Stadt hin. Davon künden auch die drei Schlösser, die Kirchen sowie die teilweise bis heute erhaltenen bürgerlichen Wohngebäude, meist Fachwerkhäuser. Der Dreißigjährige Krieg brachte mit seinen Verwüstungen einen vorläufigen Niedergang der Stadt.

Einen Aufschwung erlebte die Stadt erst in der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert: Nach dem Ende des absolutistischen Staatssystems und der Säkularisation 1803 wurde dem Mainzer Erzbischof seine Herrschaft entzogen und Dieburg fiel an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt.

Schon bald nach Gründung der Stadt bildete sich in Dieburg ein selbstbewußtes Bürgertum. Die älteren Fachwerkhäuser mit ihren repräsentativen Fensterreihungen und Schaufassaden sind sichtbare Zeichen für den Wohlstand. Auch die Gründung eines Hospitals zum Heiligen Geist durch betuchte Dieburger ins Jahre 1336 zeugt davon.

Doch nicht nur die bürgerliche Architektur prägte Dieburg - auch die sakralen Bauten bestimmen bis heute das Stadtbild. Drei Schlösser gab es in Dieburg. Dieburg ist seit römischer Zeit ein Verwaltungszentrum. Sowohl die römische stadtartige Siedlung als auch die mittelalterliche Stadt boten den Bewohnern Schulen, Märkte, Versorgungs- und Verwaltungseinrichtungen. Fast 500 Jahre, seit 1310, stand Dieburg im Besitz von Kurmainz. Im Jahre 1802 ging somit eine Am zu Ende. als die Kurmainzer Gebiete in Südhessen einschließlich Dieburg Hessen-Darmstadt zugesprochen wurden. Der Hessische Löwe ersetzte das Mainzer Rad als Behördenwappen. Im Jahre 1821 erhielt Dieburg mit der Hessischen Gemeindeordnung das Selbstverwaltungsrecht. Außerdem entstand der Landratsbezirk und Dieburg wurde Kreisstadt. Der Bau des Rathauses und des Kreisamtes im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts dokumentieren diese neue Epoche.

 

Das neuere Dieburg

Bald wuchs die Stadt über ihre mittelalterlichen Stadtbefestigungen hinaus. Mit dem Anschluß an die Bahn im Jahr 1857 erfolgte die Ausdehnung nach Norden. Auch der Bau von Chausseen wie der Rheingaustraßc im Jahre 1835 veränderte das Straßenbild. Im Jahre 1869 erfolgte die Einweihung des Bischöflichen Konviktes am Südrand der Stadt. Im Osten entstanden 1888/89 die evangelische Kirche in der Frankfurter Straße und eine gründerzeitliche Bebauung. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts setzte ein regelrechter Bauboom ein. Neue Stadtteile entstanden, die Einwohnerschaft verdoppelte sich von 1803 bis 1900 auf 4702 Einwohner.

Um den ansteigenden Schülerzahlen gerecht zu werden, entstanden in nur wenigen Jahren drei neue Schulgebäude: das Knabenschulhaus und das Mädchenschulhaus in der Marienstraße sowie die Höhere Bürgerschule in der Goethestraße. Auch Dienst- und Verwaltungseinrichtungen bezogen repräsentative Neubauten in der Kreisstadt: Kreisamtsgebäude. Katasteramt und Amtsgericht entstanden, schließlich noch das Postamt in der Marienstrage.

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte akuter Wohnungsmangel. Verbilligte Bauplätze und die Ausweisung von Neubaugebieten verschafften Abhilfe. Die Errichtung des Freibades. 1953 eröffnet, kündete von einem ersten Aufschwung.

Die Erweiterung des städtischen Siedlungsgebietes bis hin zur Ausweisung großräumiger Gewerbeflächen setzte sich fort. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgte der Ausbau des Schulzentrums „Auf der Leer“. Die Eröffnung der Ingenieurakademie der Deutschen Bundespost im Jahre 1968 machte Dieburg zum Bildungszentrum. Die Ingenieurakademie der Post heißt heute Campus Dieburg der Hochschule Darmstadt mit den Fachabteilungen Media und Betriebswirtschaftslehre. Die Stadt Dieburg bemüht sich um den Erhalt dieser Fachbereiche am Standort Dieburg.

Ein großer Rückschlag für die Stadt war die Auflösung des Landkreises Dieburg 1977. Zwar verblieben Bereiche des Landratsamtes und das Amtsgericht in der Stadt, doch die Entwicklung führte zum Abzug zentraler Ämter auch in jüngster Zeit. Aber trotzdem behauptet sich Dieburg als Mittelzentrum, bildet einen Mittelpunkt im Ostkreis und ist eine zentrale Stadt ohne Stadtteile, die dafür kämpft. ihre Einrichtungen zu erhalten. So zum Beispiel ein Krankenhaus, das seine Wurzeln im Bürgerhospital des Mittelalters hat.

Auch das sanierte und neu konzipierte „Museum Schloß Fechenbach“ als überregionales Kulturzentrum eröffnet weitere Perspektiven und profiliert die Stadt im Vergleich mit Städten und Gemeinden des Umlandes

 

Rundgang:

Auf der B 45 fährt man bis Dieburg-Nord und dann nach rechts auf der Frankfurter Straße in Richtung Dieburg. Wenn man rechts in Richtung Städtischer Bauhof abbiegt und nach den Schienen wieder links, kommt man zum jüdischen Friedhof. Zurück auf der Frankfurter Straße kommt man über die Schienen und biegt gleich nach rechts in die Straße „Minnefeld“ ein (brauner Wegweiser „Grube Messel“). Dort ist gleich rechts ein Parkplatz.

 

Wendelinuskapelle:

An der Ostseite des Parkplatzes steht die Wendelinuskapelle im orthodoxen Stil. Wendelin ist der Schutzpatron der Bauern, Hirten und Pilger. Die Kapelle wurde erstmals 1514 erwähnt auf einem Platz gegenüber der heutigen Kapelle. Diese wurde 1904 vorwiegend aus Sühnegeldern erbaut. Neben der Kapelle steht ein Brunnen von 1985.

 

Gasthaus „Zum Reichsadler“ (Marienstraße 23):

In Höhe der Kapelle geht es nach Süden in die Marienstraße. Links ist die Marienschule, rechts ist das Finanzamt. Geradeaus steht das Haus Marienstraße 23, das 1905 als Gasthaus „Zum Reichsadler“ im Jugendstil erbaut wurde und nahezu unverändert blieb. Baumeister war Franz Xaver Stix II. Das Haus zeigt eine reiche Gliederung aus Gründerzeit- und Jugendstil-Elementen. Es hat aufwendige Schmuckformen in Haustein, die Erkerkonsole ist in Adlergestalt, die Zwerchhauskonsolen sind als Eulenköpfe gestaltet. Im Jahre 1912 kam die Gastwirtschaft zum Erliegen.

 

Wallfahrtskirche (Altstadt 18):

Nach links kommt man zunächst zu einem Friedhof mit Kreuzwegstationen. Dann steht da die

„Gnadenkapelle“, heute eine große Wallfahrtskirche. Hier standen römische Vorgängerbauten (Ruinen eines Mithrastempels) und im frühen 8. oder 9. Jahrhundert ein karolingischer Saalbau. Das Turmfundament ist aus dem frühen 9. Jahrhundert. Die Wallfahrtskirche ist also  das älteste erhaltene Gebäude der Stadt. Sie wurde, obwohl außerhalb der Mauern gelegen, bis 1569 als Pfarrkirche St. Peter und Paul genutzt.

Das Bauwerk ist eine T-förmiger Anlage mit Hauptanlage im Westen. Sie ist in sechs Abschnitten entstanden:

  • Der karolingisch-ottonische Gründungsbau (8. / 9 Jahrhundert) mit freistehendem Glockenturm
  • Anfang des 12. Jahrhunderts wurde eine romanische Basilika mit Seitenschiffen errichtet (der Baukörper des Langhauses stammt wohl noch aus dem 12. Jahrhundert). Neu-oder Umbau des Langhauses in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts als dreischiffige Pfeilerbasilika
  • Im Jahre 1216 erfolgte eine Beschädigung durch einen Brand. Vermutlich danach kam es zum Abbruch des Glockenturmes und an seiner Stelle wurde eine 1232 geweihten Marienkapelle gebaut.
  • In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird der heutige Chor erbaut, die Seitenschiffe werden abgebrochen. Ab dem frühen 15. Jahrhundert erfolgte eine Gotisierung.
  • In den Jahren 1569 - 1697 geschah eine vorbarocke Umgestaltung. In den Jahren 1697-1715 wird das westliche Querschiff errichtet und der gesamte Kirchenraum barockisiert und einheitlich gewölbt. Damit erfolgten die Fertigstellung des heutigen Baubestandes und die Entstehung der kreuzförmigen Anlage.
  • Im Jahre 1831 erhält der Turm seine heutige Gestalt. Die Wallfahrtskirche wurde 1930 / 1931 und 1968 / 1970 gründlich restauriert. Im Jahre 1931 wurde der Außenaltar fertiggestellt und 1948 der Friedhof eingeebnet.

Bis zum Jahre 1569 war die heutige Wallfahrtskirche den Aposteln Petrus und Paulus geweiht. Seit dem Hochmittelalter ist diese Kirche Wallfahrtsstätte. Besonders seit der Entstehung des Gnadenbildes im Jahre 1420 wird hier Maria als Mutter der Schmerzen verehrt. Diese Pietà eines unbekannten Meisters ist in einer seltenen Technik gearbeitet, in der auf einen Lederkern mehrere Schichten mit Stuckgips und Leinwand aufgebracht wurden. Die Plastik gehört zu den seltenen mittelrheinischen Arbeiten die­ser Art. Im Jahre 1498 erfolgte die Weihe dieses Gnadenbildes. Es stand zunächst in einer kleinen Kapelle. Seitdem ist auch die Wallfahrt zu diesem Bild bezeugt. Später hat es seinen Platz gefunden im westlichen Querhaus der Kirche, im Hochaltar von Johann Peter Jäger, entstanden im 18. Jahrhundert.

Aus dem Barock stammt neben dem ungewöhnlichen Westquerhaus auch der größte Teil der Innenausstattung. Lediglich der schöne Ulner - Altar im östlich gelegenen gotischen Chor, ein Grabaltar von 1604, der auf einem aufwendigen Alabaster-Relief die Anbetung der Hirten zeigt (daher der volkstümliche Name „Krippches-Altar“), stammt aus der Renaissance.

Die Seitenaltäre von 1715 und 1733 sind von Peter Achtekirch und Josef K. Hohenbusch aus Neckarsulm, auch der Orgelprospekt (1759) von Peter Achtekirch. Die Kanzel ist vor 1750 entstanden. Eine Holzplastik „Christus als Weltenrichter“ ist um 1520 entstanden. Die übrigen Plastiken und Gemälde stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Große Wallfahrten finden heute vor allem in den Monaten Mai und September statt, die Haupt­wallfahrt ist am 7. und 8. September.

 

Früheres Kapuzinerkloster:

Südlich der Kirche befindet sich die Strafanstalt. Hier befand sich ein ehemaliges Kloster, in dem von 1650 bis 1820 Kapuziner untergebracht waren. Nach der Auflösung des Klosters 1830 bis heute wird das Gelände als Justizvollzugsanstalt genutzt.

 

Zuckerstraße:

Man geht in Richtung Westen in die Straße „Altstadt“. Wo die Zuckerstraße beginnt, quert man den Stadtgraben, der von der Gersprenz abzweigt. In der „Zuckerstraße“, einer schon früh erwähnten Geschäftsstraße, hat sich eine Anzahl schöner Fachwerkhäuser erhalten bzw. sie wurden in den letzten Jahren mit erheblichem Aufwand restauriert.

Auf der linken Seite ist zunächst bemerkenswert das Haus Nummer 37 mit den zwei Eckfiguren. Das Haus Nummer 18 hat altes Fachwerk. Nummer 19 wurde 1466 erbaut, das Obergeschosses hat Schmuckfachwerk und wurde Ende des 16. Jahrhunderts umgebaut und seitlich erweitert. Der Giebel wurde im 18. Jahrhundert barock abgeschrägt. Die Fachwerkdekoration zeigt Feuerböcke und das Runen-Symbol zur magischen Brandwehr.

Nummer 17 wurde um 1470 erbaut. Es hat ein von Knaggen gestütztes, vorkragendes Obergeschoß über massivem Erdgeschoß. Während des 19. Jahrhunderts waren im Hinterhaus ein Stall und ein Schlachthaus und zwischen 1803 und 1869 war hier ein jüdischer Betraum. Die Farbgestaltung erfolgte nach den restauratorischen Befunden. Das Haus erhielt den Denkmalschutzpreis 1989.           

Nummer 15 wurde 1592 erbaut. Die Fachwerkdekoration zeigt Feuerböcke als magischer Schutz vor Feuer. Das Andreaskreuz: ist ein Zeichen für Mehrung. Am Eckpfosten finden sich Klötzchenornament und Taustab. Die barocke Dachgestaltung erfolgte im 18. Jahrhundert. Die Fensterreihung ist Ausdruck des reichen Bürgerturms. Am Haus ist das Wappen des Martin Satig, Ratsherr und Metzger. Das Haus erhielt den Denkmalschutzpreis 1993.

Nummer 4 wurde 1384 errichtet und ist der einzige erhaltene Ständerbau der Stadt und das

ältestes erhaltenes Fachwerkhaus Dieburgs (nachdem das Haus Zuckerstraße 7 abgebrannt ist). Es hat eine Hängepfostenkonstruktion und war ursprünglich mit weit auskragendem Schwebegiebel versehen. Bemerkenswert sind die vier nebeneinanderliegenden Kreuzstockfenster im Obergeschoß mit Schlagläden und Bleiverglasung Das Haus Nummer 6 wurde 1588 erbaut.

An der Kreuzung zur Steinstraße befindet sich der sogenannte Fastnachtsbrunnen, der an die heute noch lebendige Kurmainzer Tradition der Dieburger Fastnacht erinnert. Man macht dann erst einen Abstecher nach links in die Badgasse.

 

Badhaus (Badgasse 10):

Das renaissancezeitliches Badhaus wurde wahrscheinlich 1579 bis 1581 erbaut. Als eines der letzten erhaltenen Badhäuser Deutschlands ist das Gebäude ein kultureller Zeitzeuge. Das Erdgeschoß aus Bruchsteinmauerwerk war ursprünglich flachgedeckt, wurde aber 1594 als Kreuzgewölbe eingewölbt. Im Erdgeschoß befanden sich die Badestuben mit dem gemauerten Herd in der Hausmitte.

Das Fachwerkobergeschoß ist aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Das Fachwerk zeigt neben Andreaskreuzen auch den „Wilden Mann“ als Zierform und als fränkische Verstrebungsform das Andreaskreuz als Zeichen für Mehrung. Im Obergeschoß ist ein Fresko der Heiligen Katharina mit Schwert und Rad, ein möglicher Hinweis auf ein Spital oder Stift.

Darüber ist ein steiles Satteldach.

Bald nach der Fertigstellung, eventuell auch erst Anfang des 17. Jahrhunderts, wurden in den Baderäumen im Erdgeschoß Ziegelgewölbe unter der Holzbalkendecke eingezogen, die weniger anfällig gegen Feuer und Wasserdampf sind. Es gab Veränderungen an den Fenstern, der Innenaufteilung und am Dach im frühen 19. Jahrhundert. Die Wiederherstellung 1982 bis 1984 hatte das Ziel, den ursprünglichen Zustand weitgehend wiederzugewinnen. Das Haus erhielt eine Farbfassung nach Originalbefunden

Wenn man nach links in die Gasse blickt, sieht man dort noch zwei schöne Fachwerkhäuser, Durch eine kleine Gasse geht es nach Westen in die Löwengasse.

 

Fachwerkhaus Löwengasse 6:

Dieses Fachwerkhaus wird in das Jahr 1516 (oder 1576) datiert und zeigt ein schönes zeitgenössisches Zierfachwerk, das zum Markt ausgerichtet ist. Der Eckständer an der Südwest-Ecke) weist auf einen mittelalterlichen Vorgängerbau hin. Das Haus wurde 1985 renoviert, und nach der gelungenen Renovierung wurden hier das Stadtarchiv und die Stadt-Information untergebracht.

 

Fachwerkhaus Rheingaustraße 5:

Wenn man auf den Markt kommt, sieht man links ein auffallendes Fachwerkhaus in der Rheingaustraße. Das zweigeschossige Fachwerkhaus mit massivem Erdgeschoß stammt aus dem Jahr 1566. Es zeigt eine Anzahl von auffälligen Andreaskreuzen in den Brüstungsfeldern, möglicherweise ein Zeichen für Mehrung. An einigen Stellen sind noch die ursprünglichen Fenstergrößen ablesbar. In der Firstachse findet sich eine vereinfachte Form der Fachwerkfigur „Wilder Mann“. Die Schwellen sind profiliert. Am rundbogigen Giebeldachfenster richtet sich die Farbfassung nach dem Originalbefund.

 

Schloß Stockau:

Von hier aus kann man noch einen Abstecher zum Groschlager Park mit dem ehemaligen Schloß Stockau machen (von der Rheingaustraße nach links in die Groschlagstraße). Die seit dem Mittelalter in der Stadt ansässigen Groschlags errichteten 1699 vor den Toren der Stadt Schloß Stockau samt einer repräsentativen Parkanlage. Im 17. und 18. Jahrhundert ließ Johann Philipp Ernst von Groschlag ein Schloß mit ausgedehnter Park- und Nutzgartenanlage errichten. Es war 1699 bis 1799 Sitz der Groschlag von Dieburg. Im 18. Jahrhundert pflegten die Groschlags internationale Beziehungen in höchsten Ämtern und nutzten Schloß Stockau und den herrschaftlichen Garten als politische Plattform und Ausdruck ihrer Geisteswelt.

Das Schloß wurde aber 1857 niedergelegt und durch einen neoromanischen Neubau ersetzt.

Von Schloß Stockau zeugt heute nur noch der Straßenname „Am Schloß Stockau“.

Rund 4,5 Hektar der einst 25 Hektar großen Parkanlage „Schloßgarten“ haben sich erhalten.

Es ist eine unter Kennern weit gerühmte Parkanlage. Der Besuch von bedeutenden Persönlichkeiten wie Goethe und Wieland hebt die kulturgeschichtliche Bedeutung des Parks noch hervor.

 

Synagoge (Markt 17):

Dann geht man wieder zum Markplatz. An der Südwestecke steht heute der Neubau der Sparkasse. Hier war der Platz der Synagoge. Nachdem die alte Synagoge von 1869 baufällig war, wurde im Jahre 1929 ein Gebäude im Bauhausstil errichtet. Aufgrund seiner Einfachheit und Schmucklosigkeit wurde diese Architekturform von den Zeitgenossen kaum verstanden und galt im dritten Reich als entartet. Dennoch überstand der Synagogenbau die Nazizeit hinter Pappeln versteckt und wurde in der Nachkriegszeit bis zur Unkenntlichkeit überformt bzw. 1963 fast ganz abgerissen. Heute ist eine Gedenktafel an dem Neubau.

 

Marktplatz:

Bis heute bildet der Marktplatz das Zentrum und die Zuckerstraße die Geschäftsmeile der Stadt. Im Zuge der Neugestaltung der Stadt wurde unter anderem auf dem Marktplatz der Mithras­brunnen aufgestellt, der an die Zeit der Römer in Dieburg erinnern soll. Die Südseite des Marktplatzes bilden die Häuser Zuckerstraße 5 und 7. Nummer 5 hat einen Bruchsteinkeller aus der Zeit um 1360, darüber eine mächtige Balkenlage. In den Vollgeschossen sind Fragmente eines Baus um 1534 nachweisbar. Heutiger Baubestand und Fassade gehen auf Umbauten des 19. Jahrhunderts zurück.

Nummer 7 wurde 1358 als zweistöckiger Geschoßbau errichtet. Nach einem Brand 1437 wurde das Haus verkleinert und in drei Geschosse aufgeteilt. Nach 1600 erfolgte ein massiver Ausbau zweier Geschosse und 1753 ein barocker Dachumbau. Das Haus hatte eine einzigartige Ausstattung mit gotischen Fresken, profane und sakrale Wandmalereien, die heute im Kreis- und Stadtmuseum zu sehen sind. Das Haus brannte während der Sanierungsarbeiten 1992 ab. Aber die originalen Eckquadersteine aus dem 16. Jahrhundert wurden wieder mit verbaut. Eine Inschrift benennt den einstigen Besitzer Philippus Kretzer, der 1627 Opfer der Hexenprozesse wurde.

Das heutige Hotel „Mainzer Hof“ (Markt 22) wurde um 1555 vom Erzbistum Mainz erworben; bis 1803 war hier das Amtshaus untergebracht.

Die ehemalige Reitschmiede (Markt 23) wurde 1465 als zweigeschossiger Bau errichtet und bereits 1587 als Schmiede erwähnt. Das mittelalterliche Sparrendach ist noch vollständig erhalten. Der Giebel ist heute barock abgeschrägt. Im Jahre 1656 wurde die Schmiede durch Nicolaus Thomas übernommen, eine Fahnenschmied, der mit schwedischen Truppen nach Dieburg kam.

Im nordwestlichen Bereich des Marktplatzes stand einst auch das Renaissance-Rathaus. Die Fundamente wurden bei Ausgrabungen zu Beginn der neunziger Jahre untersucht; seine einstigen Ausmaße werden durch im Pflaster eingelassene Ecken gekennzeichnet. Das Renaissance-Rathaus wurde als Demonstration des Bürgerstolzes mitten auf dem Marktplatz errichtet. Andere haben das älteste Rathaus in dem mit Fresken ausgeschmückten Fachwerkhaus Zuckerstraße 7 vermutet. Das neuzeitliche Rathaus fand seinen Platz 1828 an der Nordseite des Marktes.

Das Haus Nummer 2 an der Nordseite des Marktes wurde um 1515 erbaut. Es war möglicherweise ein Amts­haus des Mainzer Erzbischofs Uriel von Gemmingen (Datierung und Wappen des Erzbischofs Uriel von Gemmingen nahe dem rechten Eckpfosten). Das spätmittelalterliche Fachwerk zeigt Vorformen des „Wilden Mannes“. Das heutige Krüppelwalmdach war ursprünglich mit einem sogenannten Schwebegesperre, einem vorgezogenen Dach ausgestattet.

 

Schloß: (Albinisches Schloß)

Von der Nordwestecke des Marktplatzes kommt man durch die Schloßgasse zum Schloß, dem heutigen Landratsamt. Durch den Torbogen geht man ins Innere. Links stand früher eine staufische Wasserburg. Im Jahre 1802 wurde ein großer Teil der noch vorhandenen Gebäude nie­der­gelegt. Im Jahre 1809 wurden sie durch einen Neubau von Staatsminister Albini ersetzt. Es entstand das „Albini-Schloß“, ein nahezu schmuckloser langgestreckter Bau. Das Kreisamtsgebäude in neugotischen Formen wurde 1900 bis 1902 erbaut. Rechts stand die ehemalige kurmainzer Burg, die - durch Mauern und Gersprenz getrennt von der Stadt - fast 500 Jahre lang als Kurmainzer Amtsschloß diente. Von ihm ist noch der „Schloßturm“ an der Nordwestseite erhalten, im Keller des Landratsamtsneubaus von 1991 sind Teile des Fundamentes der ehemaligen Kurmainzischen Burg zu sehen.

 

Stadtmauer:

Wenn man um die modernen Gebäude rechts herumgeht, kommt man auf die andere Seite des Schloßturms. Er steht in der Flucht der Reste der Stadtmauer, die hier noch ein ganzes Stück erhalten ist. Man geht links vorbei durch den Park zum Steg über die Gersprenz.

Links sieht man auf den letzten erhaltenen Turm (Mühlturm) der Stadtbefestigung, rechts ist der Übertritt der um 1218 errichteten Stadtmauer über den Flußlauf. Geradeaus sieht man das in der Stadtmauer eingelassene „Wasserpförtchen“ mit dem Allianzwappen zweier Dieburger Adelsgeschlechter, der Ulner (vormalige Besitzer des Fechenbach - Schlosses) und der Kratz von Scharffenstein von 1564. Man geht nach rechts weiter und dann quer über den Platz in Richtung Marktplatz. Von hier aus sieht man am besten die Front des Schlosses Fechenbach.

 

Schloß Fechenbach (Eulengasse 8):

Die Ursprünge des mehrfach umgebauten Schlosses reichen bis ins Mittelalter zurück. Seit dem Mittelalter war hier Familie Ulner von Dieburg ansässig. Von ihr haben die Fechenbachs das dreiflügelige Gebäude übernommen und klassizistisch umgestaltet. Das Schloß gelangte 1939 in den Besitz der Stadt und wurde von 2002 bis 2007 aufwendig saniert. In unmittelbarer Nähe zum Markt ist das Museum jetzt zu einem Schmuckstück und einem kulturellen Zentrum geworden.

Heute beherbergt es das Kreis- und Stadtmuseum, in dem zahlreiche archäologische Funde - insbesondere aus der Römerzeit - ausgestellt sind. Von großer Bedeutung unter den römischen Funden in Deutschland ist die beidseitig skulpturierte Reliefplatte eines einst um die Mittelachse drehbaren Mithras-Kultbildes aus dem römischen Tempel, der an der Stelle der Wallfahrtskirche stand. Nach links geht es zum Rathaus.

 

Rathaus (Markt 4):

Das Rathaus wurde 1828 von Landbaumeister Lerch, einem Schüler des Architekten Georg Moller, auf dem Gelände des ehemaligen Groschlag‘schen Stadtschlosses im klassizistischen Stil erbaut. Es trägt einen Uhrturm mit einem Zifferblatt vom ehemaligen Rathaus auf dem Markt. Bemerkenswert ist der Stundenschlag („Gaaßbecks - Uhr“). Das danebenliegende Kreisamt wurde im gleichen klassizistischen Stil (ebenfalls nach Plänen von Lerch) 1834 errichtet. Man trifft auf die Steinstraße und geradeaus auf die Stadtkirche.

 

Barocke Zentscheuer (Markt 6):

Das Haus war ursprünglich im Besitz der Familie von Groschlag. Es war einst kurmainzische Zentscheuer, später Fruchtspeicher. Im Jahre 1825 wurde das Gebäude privatisiert und als Warenlager und zu Wohnzwecken umgebaut.

 

Steinstraße 4:

In der Steinstraße steht rechts ein Haus im Biedermeierstil (1815 - 1848), das Obergeschoß hat Fachwerk aus dem 19. Jahrhundert. Bis 1803 stand auf dem Gelände der Stadtsitz der Freiherren von Groschlag bzw. der Gräfin von Lerchenfeld. Ab 1828 war hier der Lebensmittel- und Eisenwarenhandel der Familie Weiler / Reh. Seit 1850 ist das Gebäude im Besitz der Familie Reh, die dort unter anderem Kolonialwarenhandel, Drogerie, Reformhaus und Parfümerie betreibt.

 

 

Stadtpfarrkirche (Steinstraße 3 / Ecke Klosterstraße):

An dieser Stelle stand die ehemalige Minoritenkirche des im 13. Jahrhundert gegründeten

 Minoritenkloster war Grundlage der späteren Stadtpfarrkirche. Sie wird 1291 erstmals erwähnt als Franziskanerkirche. Aber 1568 wird das Kloster aufgelöst, die Kirche ging 1569 durch Schenkung des Mainzer Erzbischof Daniel Brendel von Homburg in den Besitz der Stadt über und wurde zur Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul. Im Jahre 1854 (oder 1845) wird der Turm erhöht und erhält seine heutige Form. In den Jahren 1891 bis 1893 wird die ganze Kirche als heutige Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 1893 nach den Plänen des Diözesanbaumeisters Franz Emanuel Meckel in neugotischem Stil erbaut. Diese Kirche enthält gleich am Eingang rechts ein weiteres mittelalterliches Vesperbild, eine „Ledermadonna“. Sie ist wohl das Frühwerk eines unbekannten mittelrheinischen Meisters, vielleicht aus der gleichen Hand wie in der Wallfahrtskirche.

 

Steinstraße:

Nach Norden geht es dann weiter durch die Steinstraße. Nummer 14 ist der sogenannte Frankensteiner Hof, ehemaliger Adelssitz der von Frankenstein. Im Jahre 1772 wurde das Haus durch von Fechenbach erworben, 1812 erbaute Joseph Franz von Fechenbach das neue Hauptgebäude des Wirtschaftshofes. Im Jahre 1926 wurde das Haus verkauft an Ministerialpräsident Philipp Uebel, den Verwalter derer von Fechenbach. Im Jahre 1994 erfolgte die Sanierung mit Auszeichnung.

Am Haus Nummer 18 sieht man ein Wappen von 1545. Ein Stück weiter steht links der Hanauer Hof (heute Pizzeria) und rechts kommt man zur Lohmühlenbrücke von 1847.

Eine doppelseitige Treppenanlage führt um Waschplatz, früher gab es hier geschweifte Sandsteinbarrieren. Das Tonnengewölbe ist aus Buntsandstein und wurde 2002 renoviert.

Dann geht man die Straße weiter und biegt nach rechts in die „Minnefeldstraße“, wo gleich links eine Kreuzigungsgruppe zu sehen ist.

 

Neues Kapuzinerkloster:

Am östlichen Ende der Minnefeldstraße steht links das neue Kapuzinerkloster. Im Jahre 1822 wurde das Kloster in der Altstadt aufgelöst. Im Jahre 1860 wohnten die Kapuziner in der Alten Schule, Pfarrgasse 4. Durch einen Geländekauf des Mainzer Domkapitulars Maufang war 1862 eine Neugründung möglich. Auf dem Gelände des ehemaligen Wolfenststetterschen Anwesens wurde 1863 das Kloster gebaut, die Kirche wurde 1866 / 1867gebaut. Im Jahre 1868 wurde das Anwesen an Freiherr von Wamboldt aus Umstadt verkauft, der dann das Protektorat ausübte. Das Kloster ist heute Katholisches Jugendzentrum. Damit ist man wieder am Parkplatz angelangt.

Über die Darmstädter Straße kann man noch nach Westen fahren zum Mainzer Berg (siehe Wanderung unten) und über Messel und Urberach zur Bundestraße 45. Man kann aber auch über Marienstraße und nach rechts Hinter der Schießmauer (jetzt eventuell noch den Groschlager Park besuchen) nach Süden zur Bundestraße 26 und dann weiter auf die Bundestraße 45

 

Peter Prüssing: Ofenkacheln aus nachgotischer Zeit

Bei Grabungen und begleitenden archäologischen Maßnahmen der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises. Darmstadt-Dieburg im Zuge von Bauvorhaben ist in Dieburg neben der im großen Umfang begegnenden spätgotischen wiederholt renaissancezeitliche bzw. neuzeitliche Ofenkeramik sowohl im Töpfer- als auch im Verbrauchermilieu zum Vorschein gekommen.

Vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Blütezeit der Dieburger Töpfereien mit ihrem reichen -teils sehr qualitätsvoll- und äußerst konkurrenzfähigen Ausstoß an Keramik - im Bereich der Ofenkeramik sei insbesondere an die Halbzylinderkacheln gedacht, die den Markt auch überregional beherrschten hat das so blühende Gewerbe ab der frühen Neuzeit an Einbußen zu leiden.

Mit dem Durchsetzen des schon länger bekannten Steinzeugs auf dem (internationalen) Markt verlor Dieburg zumindest für Teile seiner Keramikpalette die wohlbetuchte Käuferschicht, der es nach echtem Steinzeug verlangte. Da die Tonvorkommen aus der Dieburger Region für eine Steinzeugproduktion nicht geeignet sind, konnten die Dieburger Häfner den Bedarf an dieser voll durchgesinterten (damit wasserundurchlässig) und einträglichen Modeware nicht decken.

Die renaissancezeitliche Ofenkachelproduktion, an das hohe Level der spätmittelalterlichen (14. und 15. Jahrhundert) Fertigung anknüpfend, besaß weiterhin über das Umfeld von Dieburg hinausgehende Bedeutung. Den Dieburger Häfnern scheint neben ihrer auf einer langen Tradition beruhenden Fertigkeit auch der in dieser Hinsicht günstige Standort zum nahen Frankfurt gut bekommen zu sein, das mit den jährlichen Messen immer den neuesten Ge­schmack bzw. Trend, die jeweilige Mode präsentierte und zugänglich machte.

Kachelfunde in der Altstadt, selbst kleine Fragmente, sind für die Beurteilung der Dieburger Verhältnisse von Wichtigkeit. Aufgrund der Stellung der hiesigen Meisterbetriebe und der bekannt gewordenen Model muß man davon ausgehen, daß die hier im Verbrauchermilieu gefundenen Stücke, die einst in zum Teil prunkvoll gestalteten Kachelöfen verbaut waren, örtlichen Werkstätten entstammen. So trägt jeder noch so unscheinbar wirkender Kachelscherben dazu bei, zunächst eine Vorstellung von der Produktion und der Palette der diversen Formen zu gewinnen und ein Chronologiegerüst aufzubauen.

 

Die Thomashütte besucht man (wenn überhaupt) im Zusammenhang mit Dieburg.

 

 

Groß - Umstadt

In einem alten Lesebuch für höhere Schulen des Großherzogtums Hessen kann man eine scherzhafte Erklärung für die Entstehung der Namen Darmstadt und Umstadt finden. Danach hat Darm­stadt früher „Armstadt“ geheißen und Umstadt „Dummstadt“. Letzteres habe den Buchstaben „D“ an Armstadt verschenkt und somit den beiden Städten ihre noch heute gültigen Bezeichnungen gegeben.

„Tor zum Odenwald“ nennt sich Groß - Umstadt. Ein repräsentatives Städtchen, gemessen an den historischen Baulichkeiten der Schlößchen und Adelshöfe ehemaliger Standesherren samt dem Renaissance - Rathaus und der gotischen Stadtkirche. Gemeint ist aber mehr die geographische Lage am Übergang von der Rhein - Main - Ebene zu den waldreichen Mittelgebirgsausläufern. Dieser fruchtbare und klimatisch günstig gelegene Landstrich, in dem selbst noch ein vorzüglicher Wein reift, war von jeher begehrtes Siedlungsland.

Funde aus vorgeschichtlicher Zeit, der Römer- und Germanenzeit zeugen von einer frühen und ständigen Besiedlung des Raumes. Die Stadt wird 741 als „Autmudistat“ zuerst erwähnt als Besitz des Klosters Fulda. Der Ort hat Stadtrechte seit 1200. Ortsherren waren seit Mitte des 14. Jahrhunderts Kurpfalz und Hanau - Münzenberg, an dessen Stelle 1523 Hessen trat. Groß -Umstadt heißt sie seit 1857 zur Unterscheidung von Klein - Umstadt.

 

Rundgang:

Wenn man von der B 45 kommt fährt man am zweiten Abzweig durch die Habitzheimer Straße über die Bahn, dann links in die Carlo - Mierendorf - Straße, Realschulstraße und nach rechts in die Rosa - Heinz - Straße zum Parkplatz  Altstadt an der Stadthalle. Wenn man von Aschaffenburg kommt, fährt man an der Ampel nach rechts zum Parkplatz Altstadt und hinter der Stadthalle nach links (ein Hinweisschild fehlt hier) zum Parkplatz.

Vom Parkplatz geht man in Richtung Altstadt und sieht in der Straße „Am Darmstädter Schloß“ ein Stück der hohen Stadtmauer. Gegenüber steht das Darmstädter Schloß, das 1376 als Burg der Herren von Hanau erbaut wurde. Im Barock wurde sie zum jetzigen Aussehen umgebaut. Daneben stand die Synagoge, die heute im Hessenpark Neu - Anspach steht, ein Stein mit einem    Leuch­ter erinnert an sie. Dann kommt ein Fachwerkhaus von 1799.

Nach links geht es in die Hanauer Gasse zum Markt. Dort steht am allseits bebauten Marktplatz das Rathaus. Groß - Umstadt hat eines der schönsten Rathäuser aus der Zeit um 1600 (1604 - 1606 oder 1596-1625). Hier findet das bürgerliche Selbstbewußtsein seinen schönsten Ausdruck in dem großartigen Renaissance - Rat­haus. Reich verzierte Giebel schmücken den Bau, wo der Zehnte abgeliefert wurde. Besonders reich sind die Giebelseiten mit ihren Voluten, Obelisken und Schmuckformen gearbei­tet. Seit der 1250 - Jahr -  Feier der Stadt 1994 erstrahlt das Gebäude wieder in altem Glanz.

Nach neuesten Forschungen soll sein Baumeister identisch sein mit dem Erbauer des Friedrichsbaus am Heidelberger Schloß, Johannes Schoch. Auffällig sind in beiden Fällen die schmuckfreudige Ausgestaltung der Giebel und die allegorischen Figuren auf den Dachrändern, wie sie in der süddeutschen Renaissance sonst kaum anzutreffen sind. In Umstadt sollten Justitia, die Gerechtigkeit (links, erkennbar am erhobenen Schwert) und Prudentia (rechts, Klugheit) den Bürgern kundtun, daß im Rathaus unbestechlicher Geist walte. Manche sagen allerdings, die Prudentia sei die Eitelkeit, weil sich die Frau im Spiegel betrachtet.

Die frühgotische, evangelische Stadtkirche wurde auf einem römischen Gutshof erbaut. Ein  Reliefstein mit Darstellung von im Weinlaub sitzenden Vögeln und Darstellung einer Weintraube wurden unter der Kirche gefunden.

An dieser Stelle stand schon im 9. Jahrhundert eine Kirche St. Peter. Im Jahre 1270 erfolgte der Neubau einer Kirche St. Kilian. Der Turm ist aus dem 13. Jahrhundert. Seit 1788 gibt es die Kirche St. Maria, damals wurden Schiff und Chor (höher als die Kirche) neu gebaut. Die flach gedeckte gotische Kirche hat einen schönen Chor mit Netzgewölbe. Sie hat Schnitzereien und ist innen und außen mit Grabplatten versehen. Hinten links sieht man ein Stück Fußbodenbelag aus der Zeit um 1250.

An der anderen Seite des Marktplatzes steht der Marktbrunnen von 1714: Das „Bied“ ist ein Röhrenbrunnen, Sinnbild der Gerichtsbarkeit.

Durch die Schloßpassage (rechts ein Haus von 1550) kommt man zum Wamboldtschen Schloß, das 1036 erstmals erwähnt wurde. Der Nordflügel ist aus der Zeit von 1600 - 1606, der Südflügel ist um 1650 entstanden.

Man geht rechts vorbei in die Curtigasse. Ein Sandsteinrelief erinnert daran, daß hier bis 1963 das Curti - Schloß stand. Links herum geht es in die Realschulstraße, in der links die katholische St. Galluskirche steht. Dann geht es nach links in die Pfälzer Straße, wo rechts das Pfälzer Schloß steht; es wurde im 15. Jahrhundert begonnen und war einst Sitz der kurpfälzischen Verwal­ter. Das daneben stehende Evangelische Gemeindehaus war früher die Kollektur. Man kommt dann in die Obere Marktgasse und zum Kornmarkt. Links steht das Zollhaus am Mitteltor. Gerade aus steht das Haus Engel mit einem Turm.

Nach links geht es in die Schwanengasse mit einem Fachwerkhaus von 1628. Am Ende der Schwanengasase kommt man in die Wallstraße, in die man nach links einbiegt. Von der  Wallstraße geht es rechts in die untere Marktstraße. An der Ecke steht noch ein Adelshof. Schloßähnliche Adelshöfe der jeweils herrschenden Burgfamilien sind über die Stadt verteilt, Ausdruck der verwickelten Besitzver­hältnisse von Groß - Umstadt. Die Stadt mußte nicht darben und war bei den wechselnden Landesherren Hessen - Darmstadt und Kur - Trier wohlgelitten.

Das sieht man beim Gang durch die Altstadt anhand der zahlreichen Stadtschlösser, Adelshöfe und stattlichen Wohnbauten, ferner Burgmannen- und Fachwerkhäuser. Insgesamt sind es sieben Schlößchen und Adelshöfe. Dabei sind aber drei von ihnen nicht durch ein Schild gekennzeichnet:  Ganssches Schloß, Rodensteiner Schloß und Hedersdörfer Adelshof. Diese könnten in der Schwanengasse stehen (so auf dem Stadtplan am Darmstädter Schloß), an der Ecke Wallstraße /    Untere Marktstraße und das Rodensteiner Schloß vielleicht in der Straße „Im Rodensteiner Pfarrhof“ quer zur Hanauer Gasse.

Die Ausfahrt aus der Stadt erfolgt über Mörsweg nach Süden, dann rechts ab in die Georg –August - Zinn-Straße und dann immer geradeaus bis zur B 45.

 

Gruberhof:

Östlich des Stadtzentrums kommt man durch die „Untere Marktstraße“ zur „Richer Straße“ (die L 3065). Dieser folgt man nach links, bis rechts an der Straße nach Dorndiel der Hinweis „Gruber­hof“ steht. Noch etwa 200 Meter durch die Straße „Raibacher Tal“, und man steht im Hof des stattlichen Anwesens aus dem frühen 19. Jahrhundert (Wenn man von Aschaffenburg kommt, besucht man das Haus schon bei der Einfahrt in den Ort, dann nach links abbiegen Richtung Dorndiel).

Der Gruberhof bei Groß - Umstadt feierte 1996 zehnjähriges Bestehen. Hinter der lapidaren Feststellung verbirgt sich nicht nur ein ungewöhnliches Ausstellungskonzept. Es war auch ein schwieriger Weg, bis das ehemals landwirtschaftliche Anwesen in kommunalen Besitz kam: Die Stadt hat diese Hofreite 1986 erworben und vom Museums- und Geschichtsverein zu einem Museum ausgestalten lassen. Schwer­punkt ist -  den Räumlichkeiten angepaßt -  natürlich bäuerliches Großgerät und historische Werkstätten.  Anhand unzähliger Exponate wird die Geschichte der gesamten Gegend lebendig aufgezeigt.

Das um einen quadratischen Innenhof gruppierte Gehöft mit Ställen und Scheunen bringt alle Voraussetzungen mit, um die bäuerlich - handwerkliche Welt aus der Zeit vor der großen Technisierung zu konservieren. Für die Werkstätten von Schmied, Tischler, Schuster, Sattler und Wagner ist ebenso Platz wie für einen selten gewordenen „Brustofen“. Zu besonderen Anlässen wird der gemauerte Gewölbeofen, dessen Heiz- und Backbereich nur in Brusthöhe zugänglich ist, von den Museumsinitiatoren angeheizt.

Wie überhaupt der Gruberhof als „lebendiges“ Museum unterhalten wird. Musikalische Matineen umrahmen die Feiertage, im ausgebauten Kuhstall früherer Tage reicht man eine zünftige Brotzeit sowie selbstgebackenen Kuchen, und die Jüngsten haben ihre Freude an dem frei im Gelände gehaltenen Kleinvieh. Neben dem bäuerlich - handwerklichen Leben erinnert man mit ausgesuchten Biedermeierstücken an die bürgerliche Wohnkultur in einer Stadt.

Auch die fortdauernde Tradition des Weinbaus hat im Gruberhof mit einer Küferei und einem großen Weinkeller ihren Platz. Im angeschlossenen Gartengelände unterhält man sogar einen „Haus­wingert“. Wer sich für die Historie des Umstädter Weinbaus interessiert, der bereits im Jahr 985 begann, kann sich ausgiebig im Museum Gruberhof informieren. Museum Gruberhof (geöffnet Ostern bis Oktober, sonntags von 13 bis 18 Uhr).

 

Wanderung östlich von Groß - Umstadt:

Es gibt viele Vorschläge für Wanderungen östlich von Groß -  Umstadt. Ein Vorschlag des Oden­wald­clubs führt über Rödelshäuschen und Sausteige zum Hexenhäuschen nach Heubach und über den Steinerwald zurück nach Groß-Umstadt. Im Folgenden ist aus drei Vorschlägen von Elvira Klein (Odenwald, Seite 73; Wochenende, Seite 38; Rhein-Main, Seite 219)  eine Strecke von etwa 17 Kilometern zusammengestellt worden, die alle wichtigen Punkte berührt und durch eine wunderbare Landschaft führt.

Über das Hanauer Kreuz fährt man auf der B 43a in Richtung Süden und auf der B 45 bis Dieburg Nord. Dort wechselt man kurz auf die B 26 und an der zweiten Abfahrt (nicht Dieburg-Mitte) wieder auf die B 45 in Richtung Odenwald. Am Abzweig „Dieburg Zentrum“ fährt man in das Gewerbegebiet und dort gleich wieder rechts in den Mörsweg. Dieser geht in die Georg - August  - Zinn Straße über, in der links die großen Weingüter ihre Niederlassungen haben. In Höhe des Friedhofs folgt man dem Schild „Farmerhaus“ oder „Krankenhaus“ (wenn man den ersten Wegweiser verpaßt hat, genügt auch noch der zweite). Nach einem Links - Rechts -  Schlenker in die Krankenhausstraße kommt man auf die Höhe des afrikani­schen Restaurants „Farmerhaus”. Etwa 500 Meter weiter oberhalb ist der Naturparkplatz Hainrichsberg. Hier ist der Ausgangspunkt für eine Wanderung östlich von Groß-Umstadt.

Die Straße, die nördlich am Parkplatz voreiführt, ist die Hohe Straße. Auf ihr läuft man weiter nach Osten. Schon nach kurzer Zeit sieht man rechts die Spiel- und Liegewiese. Jetzt findet man auch überall am Weg die Stationen eines Pfades für Kinder: Barfußpfad, Lauschecke, Wildbienenwand, Baumtelefon, Balancierparcours, Märchenhaus, Holzklang und Hängebrücke.

Ein Stück weiter kommt man zu einer Höhe mit freier Rundumsicht und dem „Frankfurter Blick“ auf der linken Seite. Man sieht die Veste Otzberg, die Neukirchner Höhe, Felsberg und Melibo­kus im Hintergrund,  den Steinerwald im Vordergrund. Nach rechts aber geht der Blick zum Taunus und sein Vorland.

Die Hängebrücke sollte man nicht auslassen. Sie führt über eine Hohle in der Wächtersbach, eine Lößschlucht, die in den Regenzeiten einer Zwischeneiszeit entstand. Das obere Teilstück diente in den fünfziger Jahren als Abladeplatz für Bauschutt. Mehrere Hohlen dieser Art wurden noch in den sechziger Jahren zugeschoben. Heute sieht man das anders.  Hier leben Fuchs und Dachs, Wildkirschen und Nußbäume können sich vermehren, die Vögel finden Nistmöglichkeiten, die Früchte der Hecken liefern Nahrung im Winter. Die Hängebrücke liegt nur etwa 20 Meter vom Weg und auf der anderen Seite kann man wieder zum Weg hinaufsteigen

Kaum merklich steigend kommt man zum Rödelshäuschen, einem Waldarbeiterstützpunkt mit zwei großen Waldhütten. An der dortigen Baumschule wird deutlich, daß die Durchmischung der Baumarten forstwirtschaftlich gefördert und die Fichte zurückgedrängt wird. Durch den Wegweiser darf man sich hier nicht beirren lassen. Der angezeigte Weg zur Sausteige führt zwar auch dorthin. Aber man geht besser vor den Hütten nach rechts und dann gleich wieder nach links und dann halb rechts mit dem Wanderzeichen 11 nach unten.

Das nächste Ziel ist die „Sausteige“, ein Rastplatz seit dem Großherzogtum Hessen. Früher war hier der Treffpunkt der Groß - Umstädter Schweinehirten, die hier die Hausschweine zur Futtersuche in den Wald führten. Die Eiche ist über 300 Jahre alt, hat in der Mitte einen Umfang von 4,67 Metern und eine Höhe von 29 Metern. Der alte Sausteigbrunnen und die riesige Sausteig-Eiche lassen die einstige Bedeutung dieses Platzes ahnen.

Man geht den Weg auf der Ostseite des Wiesentals hinab. In Höhe des Bauernhofs kommt man über den Parkplatz Kellergrund (mit Karte der Wanderwege) und folgt dem Wanderzeichen 10. Am Ende des Tals geht es nach links. Dort steht ein Grenzstein. Auf einem schmalen Pfad geht es wieder auf einen Forstweg, der zu einem kleinen Teich führt. Über den Damm geht man nach rechts und folgt den Wanderzeichen 4b und 03 auf der südlichen Seite des Tals. Man kommt an einer Schutzhütte und dem Jägersberg - Brunnen vorbei. Ein Stück weiter ist links eine archäologische Fundstelle für Kinder angelegt: Ein Sandkasten mit Schaufeln, die „Funde“ muß man allerdings vorher vergraben.

Die ersten Häuser von Heubach sind schon zu sehen. In einem Linksbogen kommt man über einen Bach, der von der weiter oben liegenden Bismarckquelle gespeist wird. Jetzt führt der Weg bald hinein nach Heubach.

 

Heubach ist eingebettet in ein romantisches Seitental des Odenwalds. Der Name „Heubach“ hat nichts mit dem Wort „Heu“ zu tun, sondern mit dem heutigen Wort „Hain“ (kleiner Wald) und bezeichnet also ein Wäldchen am Bach.

Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung in der Region sind frühsteinzeitliche  Ausgrabungen bei Groß-Umstadt. Aus der Jungsteinzeit stammen Funde der Schnurkeramiker in Grabhügeln im Bereich Groß  - Umstadt, aber auch Hügelgräber aus der Nähe Heubachs. Auch Funde aus der Bronzezeitund Spuren de Kelten und Römer gibt es in der Gegend. Nach harten Kämpfen müssen die römischen Legionen um 260 nCh den die Region zwischen Rhein und Main de Alamannen überlassen, die dem Odenwald nach ihrem höchsten Gott Odin seinen Namen geben. Sie werden im 5. Jahrhundert von den Franken besiegt, von denen Gräber in Groß - Umstadt zeugen. Unter ihrem Fürst Chlodwig, der zwischen 481 und 511 regiert, werden alle Einwohner des Frankenreichs und auch die Menschen in Heubach christlich. Der Karolingerfürst Pippin, Vater von Karl dem Großen, schenkt im Jahr 766 die Umstädter Mark und damit auch Heubach dem Kloster Fulda.

Zwischen 1100 und 1200 entsteht die erste Steinkirche in Heubach, Vorgängerin der heutigen evangelisch - reformierten Kirche am Marktplatz. Im Jahr 1303 wird der Ort erstmals schriftlich erwähnt, in einem Grundstücks - Kaufvertrag zwischen einem Heubacher Bürger und dem Kloster Höchst im Odenwald. Bis 1399 ist die Gemeinde im Besitz der Herren von Bickenbach, danach bis 1803 kurpfälzischer Besitz. Mit dem Rest der Kurpfalz wird Heubach in der Mitte des 16. Jahrhunderts protestantisch, und leidet im Dreißigjäriger Krieg unter Zerstörung, Seuchen und Tod. Am Ende des Krieges im Jahr 1648 hat Heubach nur noch drei Einwohner. Auch weitere Kriege belasten die Region.

Im Jahre 1702 kann die katholische Pfarrei Heubachs wieder errichtet werden, und bis 1759 erbauen die evangelisch - reformierte und auch die lutherische Gemeinde jeweils eine neue Kirche und Schule. Im Jahre 1803 wird Heubach unter Napoleon Bonaparte Teil des Großherzogtums Hessen - Darmstadt; es wird als das „ärmste Dorf des Großherzogs“ bekannt.

Seit 1817 wird in der Nähe Heubachs Sandstein abgebaut und einige Einwohner erzielen ein neues Einkommen. Trotzdem wandern zu Anfang des 19. Jahrhunderts besonders viele Hessen und auch Heubacher nach Amerika aus. Im Jahre 1871 wird die Eisenbahnlinie zwischen Wiebelsbach - Heubach, Reinheim und Darmstadt gebaut, 1896 kommt eine Linie zwischen Reinheim Dieburg und Offembach hinzu. Im Jahr 1977 verliert Heubach mit der Eingemeindung nach Groß - Umstadt die bisherige Unabhängigkeit. Ab 1884 wird an der neuen Schule am Wingertsberg unterrichtet.

Der  Ort  hat eine Fülle von hübsch restau­rierten Fachwerkhäusern.  An der Durchgangsstraße kommt man am Backhaus auf der linken Seite und am Rathaus von 1912 mit dem Dachreiter vorbei. An der Brauerstraße biegt man nach rechts ab. Im Gasthaus „Zum Löwen“ auf der linken Seite kann man rasten.

Auf dem idyllischen Marktplatz steht die Kirche mit dem Fachwerkturm. Bei der heutigen evangelisch- reformierten Pfarrkirche handelt es sich um eine ursprünglich romanische Chorturm -Kirche vermutlich aus dem 12. Jahrhundert. Sie war dem Hl. Bartholomäus geweiht. Mit der Einführung der Reformation Mitte des 16. Jahrhunderts im Umstädter Raum wird die Kirche evangelische Pfarrkirche, denn gleichzeitig wird die Pfarrstelle mit einem evangelischen Pfarrer besetzt. Um 1700 wird auch wieder katholischer Gottesdienst in der Kirche gefeiert. Danach gerät sie - bedingt durch Auseinandersetzungen über die Baulastpflichten - in Verfall. Im Jahre 1750 muß sie wegen Baufälligkeit geschlossen werden.

Abbruch und Wiederaufbau erfolgen in den Jahren 1751 bis 1759, wobei der alte romanische Turm erhalten bleibt. Bis 1891 wird sie als Simultankirche von beiden Konfessionen genutzt. In den Jahren 1896 und 1913 wird das 1843 veränderte Obergeschoß des Turmes der romanischen Form wieder angeglichen. In ihrer jetzigen Form handelt es sich um eine nach Westen ausgerichtet Saalkirche mit 3  / 8 Chorabschluß.

Für den katholischen Gottesdienst war der um eine Stufe erhöhte Chorraum vorgesehen, der früher außerdem noch durch einen gotisierenden eingezogenen Triumphbogen vom Schiff getrennt war. An der Nord- und Ostseite befindet sich eine umlaufende Holzempore. Sie hat geschlossene Brüstungen mit verkröpften Feldern. Auf einer Steinkonsole an der Ostwand (Emporenaufgang) findet man die Jahreszahl 1755. Es ist das Jahr der Wiedereinweihung. An der Längsseite sind je drei Rundbogenfenster. Der Eingang befand sich ursprünglich in der Mitte der Nordseite. Er wurde bei der gründlichen Renovierung 1968 /  1869 bei der die Buntglasfenster des Chorraumes durch helle Glasfenster ersetzt wurden, auf die Südseite des Turmes verlegt.

Der Turm selbst steht an der Ostseite des Kirchenschiffes auf einem quadratischen Grundriß und ist völlig ungegliedert. Die unteren Geschosse stammen noch aus dem 12. Jahrhundert. Auffällig sind die kleinen Rundbogenfenster und andere Öffnungen in Erdgeschoßhöhe.

Die Fensteröffnung ist aus einer Sandsteinplatte ausgesägt. In der romanischen Kirche befand sich an dieser Stelle der Chorraum. In Höhe des zweiten Geschosses findet man gekuppelte Rundbogenfenster. Die Mittelsäule besteht aus hoher attischer Basis und geradem, nur wenig eingezogenem Schaft. Darüber ist ein Schildkapitell mit Kugeln an der Einziehung. Das nächsthöhere Geschoß aus dem 18. Jahrhundert hat rundbogige Schallöffnungen. Die Turmbekrönung bildet eine etwas gedrückte Haube.

Hinzuweisen bleibt noch auf die Orgel: Hinter dem schlichten dreiteiligen Prospekt mit spärlichem Schmuck verbirgt sich eine Denkmalorgel aus der Werkstatt des berühmten Würzburger Orgelbauers Heinrich Schlimbach. Gebaut wurde sie im Jahre 1871. Die Werkstatt Schlimbach lieferte zu dieser Zeit mehrere Orgeln nach Starkenburg. Die Heubacher Orgel ist die einzige, die in einer evangelischen Kirche steht. Das ist wohl darauf zurückzuführen, daß die Kirche, wie schon erwähnt, bis 1891 als Simultankirche benutzt wurde. Im Jahre 1982 wurde die Orgel mit einem Kostenaufwand von 70.000 DM saniert.

Direkt neben der Kirche befindet sich das frühere reformierte Schulhaus. Es ist ein zweigeschossiger Bau aus schlichtem Fachwerk. Auffällig: Streben mit Gegenstreben nur an den Eckpfosten. Auf dem Türsturz an der Ostseite die Jahreszahl 1806. Auf einem Pföstchen unter einem Fenster kann man lesen: „Dieses Haus ist erbaut zu Unterricht der reformierten Jugend 1806“.

 

Nach rechts geht es in die Fischerstraße. Dort kommt man an der Lutherischen  Kirche vorbei.

Infolge immer schwerwiegender werdenden Aus­einandersetzungen mit der Heubacher evangelisch - reformierten Gemeinde, entstand etwa Mitte des 18. Jahrhunderts in der lutherischen Gemeinde Heubach der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus. Mit großzügiger finanzieller Unterstützung der lutherischen Gemeinden aus Frankfurt und Groß - Umstadt wurde 1754 mit dem Bau der Kirche begonnen. Nur ein Jahr später konnte sie eingeweiht werden.

Es handelt sich hierbei um einen kleinen Saalbau mit einem nach Süden ausgerichteten Chor mit 3 / 8 Abschluß. Die schön gestaltete Straßenfassade im Norden ist dreiseitig gegliedert mit vorspringendem Mittelrisalit, der von einem Giebelstück mit geschweiftem Abschluß gekrönt wird. Dieses wird seitlich von Voluten gestützt. Die Eingangstür hat ein schön profiliertes Gewände mit einem Segmentbogensturz und Deckplatte. Im darüber liegenden Inschriftenfeld ist die Erbauungszeit festgehalten. Die Originalholztür ist noch erhalten.

Über dem First erhebt sich ein achtseitiger schlanker Dachreiter mit geschweifter Haube. Insgesamt könnte die Kirche eine kleinere Schwester der Frankfurter Dreifaltigkeitskirche sein, die im 18. Jahrhundert die Hauptkirche der Frankfurter lutherischen Gemeinde war und im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die der Frankfurter Kirche nachgebaute Speyerer Dreifaltigkeitskirche weist äußerlich ebenfalls eine große Ähnlichkeit auf. Im Inneren besitzt die Heubacher Kirche noch die ursprüngliche Ausstattung. Bemerkenswert sind die Klapp - Notsitze an den Bankreihen zum Mittelgang hin.  Im Jahre 1860 erfolgte die Ausmalung der Kirche durch den Darmstädter Maler Velte. Die Holzempore ist geschlossen und hat bemalte Brüstungsfelder. Sie umläuft drei Seiten des Kircheninneren.

Über dem Altar befindet sich die dreiseitig gegliederte Orgel mit neoklassizistischen Stilmerkmalen. Sie ist eine Denkmalorgel und stammt aus der Werkstatt der Umstädter Orgelbauerdynastie Bechstein. Sie ist die einzig vollständig und original erhaltene Orgel aus dieser Werkstatt. Die Orgel wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an dieser Stelle installiert, nachdem der Plan aufgegeben wurde, die Kirche nach Süden hin zu erweitern.

Sehenswert ist weiterhin die Kanzel mit Nuß- und Kirchbaumintarsien. Sie besteht aus einem sechsseitigen Korpus auf einer gewundenen Säule. Die intarsierten Füllfelder sind durch Pilaster voneinander getrennt. Der Schalldeckel wird von einem Pelikan bekrönt. Der Kanzel nachempfunden ist der Taufstein, ebenfalls mit einem gedrehten Fuß. Der Pfarrstuhl neben der Kanzel hat schön ausgesägte Rankengitter.

Im jetzigen Kirchgarten befand sich bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die lutherische Schule. Sie war neben dem Küster- und Lehrerhaus in einem kleinen Gebäude untergebracht. Die zwei protestantischen Kirchengemeinden vereinigten sich 1969. – Ein  Stück weiter sieht man die  katholische  Kirche.

 

Nach links zweigt die Straße „Am Wingertsberg“ ab, auf der man nun aufsteigt. Nachdem an ein kurzes Stück durch den Wald gegangen ist, wird der Weg schlechter begehbar. Links ist der Waldrand, rechts ein Acker. An dessen Ende kommt man auf den Forstweg, auf dem man nun scharf nach links mit dem Wanderzeichen Hb 2 geht.

Bei  nassem Wetter ist eine Alternative, schon am Waldrand nach links den Weg hoch gehen, am nächsten Weg rechts und dann gleich wieder links, dann kommt man auch auf den Forstweg. Er führt im großen Linksbogen zum 336 Meter hohen Wingertsberg  aufsteigt. Dort steht das Hexenhäuschen mit den aufgemalten Hexen, weil hier in der Nacht  die Hexen tanzen sollen. Der Weg macht hier einen kleinen Linksknick und führt zur Schutzhütte „Alte Höhe“, mit 358 Metern der höchste Punkt in der Gemarkung Groß - Umstadt.

Von hier aus könnte man nach Norden wieder bis zum Rödelshäuschen gehen und auf dem gleichen Weg wie am Anfang wieder zum Parkplatz, vielleicht mit einem Rundgang auf dem Weinlehrpfad als Abschluß. Schöner ist jedoch ein anderer Rückweg. Er biegt nach etwa  400 Metern als erster Weg scharf links ab und ist mit einem gelben „V“  im Kreis gekennzeichnet. Am Hochsitz geht es nach rechts abwärts (wenn man geradeaus geht, kommt man aber auch auf den gleichen Weg).

Nach einer langen Strecke im Wald kommt man aus diesem heraus, geht nach rechts und über den Bach und dann wieder links auf eine Teerstraße. Links liegt der Hardberghof. Am Fuß der Weinberge darf man nicht zu früh in den Hainrichsberg einsteigen. Erst an der Informationstafel geht man nach rechts. Nach dem Rechtsbogen geht es am Abzweig rechts und am nächsten Abzweig wieder nach rechts auf den Weinberg - Lehrpfad. Wenn man schon fast oben ist, kann man noch einmal auf dem Lehrpfad nach links gehen. Hier werden auf großen Schautafeln die Arbeiten im Weinberg dargestellt, kleinere Schilder erläutern die Rebsorten.

 

Am Hainrichsberg, liegt die „Odenwälder Wein-Insel“, wo der Steinwein angebaut wird. Man spricht deshalb von einer „Weininsel“, weil das Gebiet zum Weinbaugebiet „Hessische Bergstraße“ gehört, aber keine Verbindung mit diesem hat. Tatsächlich wachsen hier fernab der großen Anbaugebiete gut 50 Hektar Reben. Unter Kennern gelten die Weine als „rassig und kräftig”, jedenfalls als qualitativ so hoch stehend, daß diese in der zuständigen Großlage Hessische Bergstraße zu den meistprämierten gehören.

Insbesondere die Rotweine sind rar und begehrt und werden nur an handverlesene Kun­den abgegeben. Die Hauptrebsorten, Müller-Thurgau, Ries­ling oder Silvaner, können dagegen überall direkt vom Erzeu­ger erworben werden. Es gibt elf weiße und neun rote Rebsorten, einen Weinlehrpfad und einen Hochzeitsweinberg: Wer in Groß - Umstadt heiratet, kann sich zum nächsten Laurentiusfest (10. August) dort eine Flasche Rotwein abholen.

Die Groß - Umstädter Feierabendwinzer - nur ein einziger lebt hauptberuflich vom Weinbau - verstehen ihre Arbeit an den Hängen des 250 Meter hohen Hainrichsbergs nicht zuletzt als Beitrag zum Erhalt eines kulturellen Erbes. Bereits seit dem 10. Jahrhundert verbürgt, konnte die Weingewin­nung trotz einer wechselvollen Geschichte über die Zeitläuf­te bewahrt werden.

Die Stadt war vor allem durch den Weinbau vergleichsweise wohlhabend. Die rassigen edlen Tropfen kommen allerdings kaum über die Mainlinie hinaus, mit ihnen werden die Umstädter und ihre Besucher mühelos selbst fertig. Weinberge gibt es auch nordöstlich der Stadt.

 

Auf dem oberen Ast des Lehrpfades kommt man zu einer mit Mauern eingesäumten Sitzgruppe an dem unterhalb der Kuppe des Hainrichsbergs gelegenen Naturschutzgebiet Wacholderheide. Auf einer Fläche von 2,5 Hektar wurden bereits 1959 die Wacholderheide und ein Eßkastanienhain als flächenhaftes Naturdenkmal auf der Kuppe des Hainrichs - Bergs geschützt. Dieser Abschnitt wurde 1996 in das Naturschutzgebiet „Herrnberg von Groß - Umstadt“ integriert. Es umfaßt neben der Kuppe des Hainrichs weiter hangabwärts liegende Parzellen, spart dabei aber die Weinberge aus.

Heute gehört die Wacholderheide zum etwa 14 Hektar großen Naturschutzgebiet. Die Heide wurde früher durch Ziegen und Schafe, die die Sämlinge der Laubbäume fraßen oder niedertrampelten, offen gehalten. Seitdem das nicht mehr geschieht, überwuchern und beschatten Büsche und Bäume den Wachholder, was zum Absterben der sehr lichtbedürftigen  Pflanze führt. Damit geht auch der Anteil anderer, für die Wach­olderheide typischen Pflanzen wie Besenheide, Ginster und Salbei - Gamander zurück. Außerdem wachsen auf der Kuppe Eßkastanien, deren Holz früher zur Pfostenherstellung für den Weinbau genutzt wurde. Daneben findet man hier Linden, Kiefern, Lärchen, Vogelkirschen und Robinien.

Das Naturschutzgebiet setzt sich weiter hangabwärts  fort und besteht aus kleinen Wäldern, Grünland, Streuobstwiesen, Brachflächen, Obstwiesen und Gebüsch. Auch ehemalige Weinberge gehören dazu, was man an verfallenen Trockenmauern und verbuschten Rebflächen erkennen kann. Dieser kleinräumige Wechsel aus genutzten und ungenutzten Flächen soll wegen seines Arten- und Strukturreichtums erhalten werden. Während Pflanzenarten der Roten Liste kaum vorkommen, lassen sich hier mehr als 60 Tierarten nachweisen

Die Flächen im Naturschutzgebiet dürfen nur unter der Einhaltung folgender Regeln extensiv bewirtschaftet werden:

(1) Keine Anwendung von Düngern oder Pflanzenschutzmitteln

(2) Eggen, Walzen oder Schleifen nur bis zum 15. März.

(3) Wiesenmahd erst nach dem 15. Juni.

(4) Beweidung nur mit Schafen und erst ab dem 15. Juni mit Wanderzaun.

 

Das Jahr im Weinberg:

Trotz technischer Neuerungen und Fortschritte in der Entwicklung chemischer Hilfsmittel, sind die Arbeitsschritte im Weinberg über die Jahrhunderte im Wesentlichen gleich geblieben.

Frühling: Im zeitigen Frühjahr steht die erste Bodenbearbeitung an, die je nach Anlage aus Mulchen oder Kruppen, Häckseln oder Hinaustragen des Rebschnitts besteht. Außerdem erfolgt die erste Rebenpflege in Form der Austriebsspritzung. Im späten Frühjahr, April bis Ende Mai, ist die sogenannte Unterstockbehandlung und je nach Witterungsbedingungen die zweite Rebenpflege an der Reihe. Um die Kraft in die oberen Triebe zu leiten, werden Auswüchse am Stamm „ausgebrochen“.

Sommer: Im Juni beginnt die „Laubarbeit“. Durch das Einstecken der Langtriebe in das Drahtgerüst, das Anbinden und das Entfernen überflüssiger Triebe wird der Aufbau der Laubwand unterstützt. Nach Beendigung der Blüte erfolgt die Nachblütenspritzung. Die weitere Bodenbearbeitung und die dritte Spritzung vor Traubenschluß erfolgen im Hochsommer. Die Laubwand wird zurückgeschnitten.

Mit dem Erscheinen der Fruchtknoten beginnt der Sommer im Weinberg: Die Langtriebe  - der

Fachmann sagt dazu „Lotten“ - sind inzwischen voll beblättert. Die Triebspitzen - auch „Gipfel“  genannt  - sind hakenförmig gekrümmt. Anfang Juli setzt die Fruchtknotenentwicklung ein, von der Größe eines Schrotkorns  bis zu Erbsengröße. Die Fruchtstände neigen sich dabei nach unten und der Traubenschluß beginnt. Mitte bis Ende Juli ist dieser beendet und das Stielgerüst (die „Rappen“) wird von den Beeren umschlossen. Zeitgleich stellen sich die Gipfel der Langtriebe aufrecht und zeigen damit das Ende des Längenwachstums an.

Anfang August steht das Entfernen von Trauben, die „grüne Ernte“, die der Mengenreduzierung zur Qualitätssteigerung dient, auf dem Programm. Neben der Abschlußspritzung, die meist Ende August ansteht, ist wieder arbeitsintensive Laubarbeit, diesmal in der Trauben- und Gipfelzone, nötig.

Anfang August beginnen die frühen Sorten zu reifen, die „Traube geht in den Wein“. Darunter versteht man, daß sich das Verhältnis von Fruchtsäure zu Zuckergehalt zugunsten des Zuckers verschiebt. Die Konzentration des Zuckers wird in Grad Öchsle angegeben und entscheidet später darüber, welche Qualitätsstufe der Wein haben wird. Der Zuckergehalt kann mittels einer Mostwaage oder eines Refraktometers bestimmt werden. Mitte bis Ende August gehen auch die späten Rebsorten in den Wein und die frühen Rotweinsorten sind durchgefärbt.

Herbst: Ab Mitte September bis Ende Oktober erfolgt die Traubenernte, auch Lese genannt.

Winter: Während der Winterruhe der Reben erfolgen der Rebschnitt und das Biegen des einjährigen Fruchttriebs.

Winter: Während der Winterruhe der Reben erfolgen der Rebschnitt und das Biegen des einjährigen Fruchttriebs.

 

Weinreben sind ursprünglich mediterrane Pflanzen und lieben es daher sonnig und warm. Damit sie auch hier, im Grenzbereich um 50° nördlicher Breite, gut gedeihen, ist beim Anlegen der Weinberge einiges zu beachten. Der Anbau erfolgt idealerweise an einem Hang, der nach Südosten bis Südwesten ausgerichtet ist. Dadurch wird die Sonneneinstrahlung optimal zur Erwärmung des Bodens genutzt.

Doch eine Hanglage bringt auch Probleme mit sich: Zum einen fließt das Regenwasser rasch nach unten ab, so daß in regenarmen Zeiten Trockenschäden an den Pflanzen entstehen können. Abhilfe schafft hier eine wasserspeichernde Bodenstruktur mit optimalem Humusanteil, der regelmäßig kontrolliert und durch Einbringung von organischem Material korrigiert wird. Zum anderen können in Hanglage starke Niederschläge zu Bodenerosion führen. Dem begegnet man mit artenreicher Begrünung zwischen den Rebzeilen.

Während tagsüber die erwärmte Luft an den Hängen emporsteigt, sinkt nachts die abgekühlte Luft wieder ab. Damit sich in den Senken keine Kaltluftseen bilden, die besonders im Winter und zeitigen Frühjahr zu Frostschäden führen können, werden mittels Hecken und Böschungen kaltluftführende Schneisen geschaffen. Um die Reben vor kalten Winden aus Nord und Nordost zu schützen, werden zusätzlich in höher gelegenen Regionen Waldstreifen als Windschutz angelegt.

In Regionen um 500 nördlicher Breite fallen die Sonnenstrahlen in der Hauptwachstumszeit von Juni - August etwa unter einem Winkel von 50° ein. Sie treffen damit senkrecht auf einen Hang, der eine Neigung von 40 aufweist. Selbst bei einer halb so großen Hangneigung liegt die Energieausbeute noch bei 94 Prozent Sonneneinstrahlung

 

Die Wasserhütten der Winzer wurden aus der Not heraus geboren. Anlaß war der Einfall der neuen Rebkrankheiten Falscher und Echter Mehltau in Groß - Umstadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese Krankheit wurde mit der sogenannten Bordelärser Brühe, einer einprozentigen Mischung aus Kupfersulfat - Lösung und Kalkmilch - Aufschwemmung, bekämpft.

Pro Jahr und Hektar benötigte der Winzer zur Herstellung dieser Lösung etwa fünf Liter Wasser. Um sich den mühsamen Transport des Wassers in die Weinberge zu ersparen, baute man die Weinbergshäuschen. Die Dachflächen sammelten das Wasser, das dann in Zisternen, Bassins oder Fässern gespeichert wurde. In besonderen Becken wurde damit bei Bedarf die Bordelaiser Brühe angerührt. Die Hütte nutzte der Winzer darüber hinaus als Abstellraum für einfache Gerätschaften, als Aufenthaltsraum  in den Arbeitspausen und als Unterstand bei Unwettern. Mit der Wiederbelebung des Weinbaus nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine zweite Bauphase in den Umstädter Weinbergen ein. Mit der gestiegenen Mobilität und den modernen Präparaten zum Rebschutz haben die Hütten ihre ursprüngliche Funktion verloren. Sie werden heute als Geräte- oder Aufenthaltsraum genutzt oder stehen im Dienst der Weinwerbung bei Weinbergsrund­gängen und anderen Veranstaltungen.

Alle Entwicklungsstadien werden durch Spritzungen begleitet, um Krankheiten vorzubeugen oder am weiteren Ausbreiten zu hindern. Zu den bekanntesten Krankheiten gehört der Echte Mehltau, der ursprünglich nur in Nordamerika beheimatet war. Während die dortigen Reben dagegen resistent oder wenigstens tolerant sind, richtet der Pilz seit 1845 in Europa immer wieder große wirtschaftliche Schäden an. Er befällt nicht nur die Blätter, sondern auch die Trauben in frühen Entwicklungsstadien, indem er die Traubenhaut zerstört und die Beere als Folge davon platzt.

Der Inhalt des Schaukastens ändert sich mit der Jahreszeit. Im Frühjahr werden   Informationen zum Rebschnitt und zur Blüte geboten. Die Schautafel zum Sommer behandelt die Stadien der Beerenentwicklung und Rebkrankheiten. Die dritte Tafel, die im Herbst gezeigt wird, widmet sich selbstverständlich ganz der Lese und bietet Wissenswertes über die Lesemethoden und unterschiedliche Ausbaustufen des Weines.

 

Nach einem Rechtsbogen und nach dem Aussichtspunkt, an dem auch Ziele in der Region  beschrieben werden, geht es etwas steiler bergab. Dort schwenkt man rechts auf einem Weg zwischen den Rebreihen hindurch auf die Straße, die zum Wanderparkplatz führt.

Die römische Siedlung „Wamboldter Schößchen“ besucht man besser von Bad König - Sandbach aus. Den Gruberhof erreicht man besser mit dem Auto.

 

 

Klein  - Umstadt (nordöstlich von Groß-Umstadt)

In Klein - Umstadt  wurde das aus dem Jahr 1869 stammende neugotische Rathaus, welches in Zukunft für Kleinveranstaltungen genutzt werden soll, grundlegend saniert und zusätzlich im Dachgeschoß ausgebaut. Oberste Priorität bei allen Arbeiten war der denkmalgerechte Umgang mit der vorgefundenen Bausubstanz, da der überwiegende Teil der Ausstattung aus der Erbau­ungszeit stammt. Hervorzuheben sind dabei die vollständig erhaltenen Fenster und Türen, die wieder aufgearbeitet und mit Isolierverglasung versehen wurden.

Um eine Nutzung im Dachgeschoß zu ermöglichen, wurde auf Höhe der baufälligen Holzbalkendecke aus statischen und brandschutztechnischen Gründen eine Betondecke eingezogen, die bestehende Dachkonstruktion wurde saniert und die neue Dämmebene durch Aufdoppelung der Sparren nach innen gelegt. Die Sandsteinfassade wurde überarbeitet und das Dach mit Naturschiefer neu gedeckt.

Weiterhin wurde die haustechnische Ausstattung komplett erneuert. Bei der Farbgestaltung der

Innenräume war die erbauungszeitliche Farbgebung maßgebend, die durch eine restauratorische Befunduntersuchung ermittelt wurde. Für die beispielhafte Sanierung und für das große Engagement der Bürger Klein - Umstadts, die durch intensive Arbeitseinsätze (über 3.200 Stunden) mit dazu beitrugen, die Kosten zu senken, erhielt die Stadt Groß - Umstadt im Jahre 2006 den Denkmalschutzpreis des Landkreises Darmstadt - Dieburg.

 

 

Otzberg

Die Veste Otzberg - die im Volksmund so liebevoll despektierlich genannte „Weiße Rübe“ - thront seit dem 13. Jahrhundert auf dem 368 Meter hohen Basaltkegel und ist das Wahrzeichen des Dieburger Landes. Der 17 Meter hohe Bergfried überragt die Mauern, zu Füßen das Dorf Hering. Vom Dorf aus nimmt man den Burgweg, rechts liegt die Großherzogliche Bürgermeisterei Hering, links die Katholische Pfarrkirche. Noch ein paar Stufen und etwas Kopfsteinpflaster - dann ist man in der Wehranlage.

Die birnenförmig angelegte Burg ist in ihrer Größe und Ausdehnung dem Bergkegel angepaßt

Sie ist eine der drei Befestigungsanlagen (Breuberg und Lichtenberg sind die beiden anderen), mit denen das Kloster Fulda den nördlichen Odenwald schützte, nachdem ihm Pippin der Kurze das Königsgut Autmundisstat im Maingau 766 zur Schenkung gemacht hatte. Der Name soll ihr von einem Ritter Gans, dem Knappen Heinrichs von der Vogelweide, zu Ehren Ottos II. gegeben worden sein, der sie als „Ottosburg“ erstellt haben soll.

Im fünfzehnten Jahrhundert ist sie in den Besitz der Pfalzgrafen übergegangen. Sie war nörd­lichster rechtsrheinischer Stützpunkt der Pfälzer Kurfürsten. Diese ließen zwei steile Schutz­mauern errichten und machten sie damit fast uneinnehmbar. Erst Tilly gelang es, die Burg im Dreißigjährigen Krieg zu erobern. Als Anerkennung gewährte er den tapferen Verteidigern einen „ehrenvollen Abgang mit Waffen, Lunten und Fahnen“. Im Jahre 1801 wurde die Burg im Frieden von Luneville hessisch. Ab 1818 verfiel sie, nachdem das bis dahin dort untergebrachte Staatsgefängnis nach Babenhausen verlegt worden war.

Das Kommandantenhaus ist eine Gaststätte. Im Bandhaus befindet sich das Museum mit seiner Sammlung zur Volkskunde in Hessen. Neu hinzugekommen ist das wieder aufgebaute, 1996 fertiggestellte Korporalshaus nebenan, das für Sonderveranstaltungen genutzt wird. Auch das Standesamt der Gemeinde Lengfeld ist auf der Veste mit bis zu 150 Eheschließungen im Jahr.

Und natürlich rundet der Blick vom Bergfried ins weite Dieburger Land Ganze erst ab. Man hat einen herrlichen Rundblick von Aschaffenburg über Frankfurt bis Darmstadt und den Odenwald.

 

Museum:

Seit 2007 hat das Ehepaar Silvia und Rolf Tilly - selbst Sammler aus Leidenschaft mit Vorliebe für das Mittelalter - das Volkskundemuseum in der ehemaligen Festung übernommen. Und sie haben viel vor: Mit Sonderausstellungen, Sommerkonzerten und einem Ritterfest für Kinder sollen endlich wieder mehr Menschen in das 800 Jahre alte Gemäuer am Fuße des Odenwaldes kommen. Damit wollen sie auch das Lebenswerk von Gerd Grein retten, der jahrzehntelang in ganz Hessen Trachten und Volkstümliches sammelte und es seit 1985 auf der landeseigenen Veste ausstellte. Der Volkskundler und Museumsgründer zog sich nach miserablen Jahren zurück, in denen sich die Besucherzahlen auf 1.500 im Jahr halbierten.

„Wir wissen, daß wir hier kein Gold schürfen können. Aber damit sich das Museum rechnet, streben wir mindestens 6.000 Besucher im Jahr an”, sagt Rolf Tilly selbstbewußt. Gleichzeitig müßten die Kosten gesenkt werden. Schon deshalb sei an eine mögliche Ausdehnung der Öffnungszeiten - samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr sowie nach vorheriger Vereinbarung - derzeit nicht zu denken.

Wer sich ein modernes multimediales Museum erhofft, wird in der Ausstellung in dem dreistöckigen Gebäude auf der Festung leer ausgehen. Passend zum historischen Ambiente und den Exponaten aus vergangenen Zeiten sind trachtentragende Puppen hinter Glasvitrinen zu bewundern oder Keramik schlicht im Regal. Das älteste Stück ist ein Keramikteller von 1600, alles andere ist höchstens 300 Jahre alt.

 

Besucher können auch Einblick in eine traditionelle Wohnstube und Küche, eine Spinn- und Web­stube, eine Schuhmacherwerkstatt oder einen ehemaligen Tante-Emma-Laden gewinnen - das Geschäft wurde in den siebziger Jahren in Dieburg aufgelöst und von Grein für die Nachwelt gesichert. Das Interesse am Ländlich-Brauchtümlichen nimmt derzeit zu und wieder mehr Menschen aus den Städten am Wochenende aufs Land kommen wollen.

Für Schulklassen sollen nach der Renovierung Burgführungen angeboten werden, und überhaupt will das Paar speziell Kinder künftig gezielter ansprechen. „Die reine Volkskunde ist für kleine Kinder nicht sehr spannend. Sie kommen auf die Burg und wollen Ritter sehen”, sagt Rolf Tilly. Deshalb wolle er im Museum eine Ritterecke zum Anfassen mit Rüstung, Schwert und Kettenhemd einrichten.

Dazu paßt ganz gut, daß die vierfachen Eltern „hauptberuflich“ unter anderem historische Veranstaltungen vom Mittelalter bis zum Barock organisieren. Außerdem betreiben sie eine Gewand­näherei. Die nach historischen Vorlagen genähten Kostüme vermieten sie ebenso wie das zeitgemäße Zubehör vom Degen über Körbe bis hin zu Zelten. Auf der Veste wollen die Tillys künftig auch Seminare anbieten, in denen traditionelles Handwerk gelehrt wird (im Internet unter: www.museumotzberg.de). Geöffnet mittwochs und samstags von 14 bis 17 Uhr, sonntags von 10 bis 17 Uhr).

 

Ostermarkt:

Der Ostermarkt mit an den verschiedenen Wochenenden wechselnden Vorführungen ist integriert in das Museum „Sammlung zur Volkskunde in Hessen“. Wegen des wiedererwachten, starken Interesses an Volkskunst erfreuen sich die in weiten Teilen des Landes alljährlich stattfindenden Ostermärkte zunehmender Beliebtheit. Die Kunst, es in einer bestimmten Weise zu verzieren und zu beschriften, Wünsche und Hoffnungen damit zum Aus­druck zu bringen, wurde in manchen dörflichen Gegenden von Generation zu Generation weitergegeben. Sah man Anfang der achtziger Jahre mit zaghaftem Beginn der Ostermärkte ausschließlich heimische Techniken, beispielsweise Wachs-, Kratz- und Klebetechniken, demonstrieren auch zahlreiche Künstler aus dem Ausland, wie in ihrer Heimat Ostereier verziert oder aus Holz und Glas angefertigt werden.

 

Hering: Bis zur Gemeindereform die kleinste Stadt Hessens.

Niederklingen: Mühlbach mit Mühlen (Heydenmühle, Bundenmühle).

Lengfeld: Stattliches Rathaus mit Spielzeugmuseum.

 

 

 

Schaafheim

Die  Alte Kapelle in der Weinbergstraße wurde 1515 erbaut und 1570 zum ersten Schaaf­heimer Schulhaus umgebaut. In den  Jahren 2004 - 2006 wurde sie restauriert und erhielt 2007 den Hessischen Denkmalschutzpreis.

Die Evangelische Kirche (Weinbergstraße) ist 1839 - 1841 erbaut von Georg Moller.

 

Babenhausen

Zwischen Darmstadt und Aschaf­fenburg liegt in der Ebene am Unter­lauf der Gersprenz die romantische Fachwerkstadt Babenhausen. Die ehemalige Residenzstadt der Grafen von Hanau-Lichtenberg ist heute die östlichste Stadt des Kreises Darm­stadt-Dieburg. Ein ver­zweigtes System von Bächen, Gräben und Seitenarmen der Ger­sprenz kennzeichnet die nähere Umge­bung. Im Norden bis zum Rodgau und im Osten bis zur bayeri­schen Grenze liegt ein großes Waldgebiet, das Babenhausen zu einer der waldreich­sten Städte Hessens macht. Im Süden erreicht das heutige Stadtgebiet die hügeligen Ausläufer des Odenwaldes. Im Westen konkur­rieren landwirtschaftliche Nutz­flächen mit Feuchtgebieten, die zum Teil unter Naturschutz gestellt sind. In weiten Bereichen des Stadtgebie­tes sind heute Seen zu finden, die durch Kiesabbau entstanden sind.

 

Geschichte:

Nach Windecken (1288) und Steinau (1290) bekam Babenhausen 1295 die Stadtrechte noch vor Hanau (1303). Durch die Heirat Reinhard I. von Hanau mit Adelheit von Münzenberg kam 1255 das Gebiet um Babenhausen durch Erbteilung an die Grafschaft Hanau. Bereits 1295 verlieh König Adolf von Nassau dem Ort Babenhausen die Stadtrechte. Die Stadt erfreute sich der gleichen Rechte wie die freie Reichsstadt Frankfurt am Main. Durch eigenes Marktrecht, eigene Wehr- und Feuerordnung war ein wirtschaftlich aufstrebendes und bürgerliches Leben geprägt.

Nachdem Philipp der Ältere 1458 Anna von Lichtenberg heiratete, kam dieser Teil der Grafschaft zur neu gegründeten Linie derer von Hanau-Lichtenberg, während Philipp der Jüngere die Hanau-Münzenberger Linie weiterführte. Im Jahre 1642 starb die Münzenberger Linie aus und die ganze Grafschaft wurde von der Lichtenberger Linie übernommen. Die Grafen von Hanau‑Lichtenberg haben in ihrer fast zweihundertjährigen Regentschaft das Gesicht der Stadt geprägt, baulich und kulturell. Adelshöfe, reichverzierte Fachwerkhäuser, Türme und die kostbar ausgestattete St.‑Nikolaus‑Kirche stammen aus dieser Zeit des Aufstiegs und Wohlstands. Die Stadt selbst war durch eine starke Ringmauer mit Türmen ge­schützt, von denen der Hexenturm (das Wahrzeichen der Stadt) und der Breschturm noch erhalten sind. Während der Blütezeit der Stadt ent­standen viele schöne Adels- und Pa­trizierhäuser, die vor allem in der Amtsgasse und am Marktplatz noch heute das Stadtbild prägen.

Als dann 1736 auch das Grafenhaus Hanau-Lichtenberg mit Johann Rein­hard III. ausstarb gab es Erbstreitigkeiten wegen Babenhausen zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt. Erst ein Staatsvertrag von 1816 (nach anderer Angabe 1810) regelte, daß Babenhausen zu Hessen-Darmstadt kam. Nachdem alle wichtigen Ämter in andere Städte verlegt worden wa­ren, verlor Babenhausen seine Bedeutung.

Erst um die Wende des 20. Jahrhunderts gelang den damaligen Stadtvätern wieder eine gewisse wirtschaftliche Belebung, als sie eine Kaserne bauten, die auch heute noch belegt ist.

Babenhausen hat heute mit seinen fünf Stadtteilen 17.000 Einwohner und nimmt eine bedeutende Stellung am Rande des Rhein-Main-Gebiets ein. Die Wirt­schaft der Stadt wird sowohl von Einzelhandelsgeschäften, Dienstlei­stungs- und Handwerksbetrieben als auch von Gewerbe- und Industriebe­trieben geprägt. Dazu gehörten sowohl eine private Traditionsbraue­rei wie ein international täti­ges Unternehmen der Auto­zulieferindustrie.

 

Schloß:

Auf der Bundesstraße fährt man bis zur Bürgermeister-Rühl-Straße und dann nach rechts in Richtung Stadthalle durch ein früheren Zeiten nachempfundenes Stadttor, in dessen Nähe ein alter Wasserturm steht. Nach rechts geht es auf den Parkplatz vor der Stadthalle.

Die Fläche vor der Stadthalle war früher ein Renaissancepark. Östlich war das Bachtor in Richtung Altdorf (wo sich erst die Straße in sechs Zweige gabelte). An der Westseite des Parkplatzes sieht man gut erhaltene Reste der Stadtmauer.

Die heutige Platanenallee war ursprünglich ein Damm, der das Wasser der Gersprenz aufstaute, so daß ein See entstand, der später als „Schwanengraben“ bezeichnet wurde. In diesem See wurde eine Wasserburg errichtet, ursprünglich nur ein Wachtturm für den Forst Dreieich. Bei Hochwasser wurde schon bei Hergershausen das Wasser der Gersprenz in die Lache abgeleitet, die westlich des Ortes vorbeifließt. Kurz vor der Stadt wurde das Wasser noch einmal geteilt und der Ohlebach abgezweigt. So verteilte sich das Wasser besser und die Stadt konnte geschützt werden. Hinter der Stadt werden die drei Arme wieder zur Gersprenz vereinigt.

Der mittlere Arm, die eigentliche Gersprenz, läuft östlich an der Stadtmauer vorbei. An ihr entlang läuft der „Neue Weg“, der seit 1780 so heißt, weil der Graf ihn als Zufahrt zum Schloß anlegen ließ, damit er nicht mehr mit seinen Kutschen durch die Stadt mußte, um ins Schloß gelangen zu können. Am jenseitigen Ufer der Gersprenz sieht man die Häuser, die auf die Stadtmauer gebaut wurden. In Richtung Schloß sieht man schon die südwestliche Eck-Bastion mit dem spitzen Dach. Im Inneren gab es erst noch einmal eine Zwingermauer, dann kamen die Bastionen und dann der Wassergraben.

Man kommt zur Schloßbrücke, die früher durchgehend von der Stadtmauer zum Schloß ging und von zwei Mauern gesäumt war, die so hoch waren wie die Stadtmauer. Nach links geht es zum Schloßtor. Innen ist über der Durchfahrt das Hanauer Wappen zu sehen (die anderen Wappen sind spätere Zutaten).

Im Innenhof markiert das Pflaster die Umrisse des ursprünglichen Turms: Das helle Pflaster markiert die Wände, das dunkle Pflaster den Innenraum. Die Anlage wurde in 800 Jahren nie zerstört. Sie ist heute ein Beispiel für alle Baustile.

 

Der älteste Teil ist die staufische Burg (gleiche Entstehungszeit wie die Pfalz in Gelnhausen) mit der nach dem Innenhof zu offenen Halle und der mächtigen Balkendecke. Sie wurde im 12. Jahrhundert von Kuno von Münzenberg gebaut. Auf Bildern wird er immer in der Nähe des Kaisers gezeigt. Der Kaiser hat ihm wahrscheinlich den Reichsforst übertragen, und er hoffte wohl, daß in der neu errichteten Burg einmal ein Reichstag stattfinden könnte. Der imperiale Palast im italienischen Stil bestand aus drei Stockwerken mit einem Dach darüber. Die Halle ging über die ganze Breite des Gebäudes. Der Boden lag ursprünglich tiefer. Die Balken in der Decke wurden nach einem dendrochronologischen Gutachten im Winter 1187 gefällt. Im ersten Stock war ein Jagdsaal.

Das Gebäude er­scheint erstmals im Jahr 1236 in ei­ner Urkunde. Die Grafen von Münzenberg ließen die staufische Burg in dem sumpfigen Wiesengelände zwischen dem Ohle­bach im Süden und der Ger­sprenz im Norden erbauen. Die wehrhafte Anlage bestand aus einem quadratischen Bergfried und einen Palas mit den damals üblichen Befestigungen. Im Jahre 1450 begann Philipp I. die Erweiterung der Wasserburg und befestigte sie mit einer durch vier Bastionen abgesicherten Ringmauer, Wällen und Wassergräben.

Nachdem Philipp 1458 Anna von Lichtenberg heiratete, kam dieser Teil der Grafschaft zur neu gegründeten Linie derer von Hanau-Lichtenberg. Die Grafschaft Hanau-Babenhausen bestand aber nur aus zwölf Dörfern. Erst durch die Erbschaft im Elsaß, die ungefähr zehnmal größer war, entstand die Herrschaft Hanau-Lichtenberg (Die Burg Lichtenberg im Odenwald hat nichts mit den Babenhäuser Lichtenbergern zu tun). Der Babenhäuser Graf, der mit 40 Jahren eine 15 jährige Frau geheiratet hatte, mußte allerdings fast 25 Jahre warten, ehe der Onkel im Elsaß starb. Als er voller Freude nach dort ritt, um das Erbe anzutreten, erlitt er einen Schlaganfall.

Jetzt war aber Geld da. Philipp V. baute das Renaissance-Schloß im Osten mit einem großen Ballsaal (Wappen am Eingang des Renaissanceturms). Die Hanau-­Lichtenbergische Linie machte Babenhausen zu ihrer Residenz. Vor den Palast wurde ein Vorbau gesetzt und ein romanisches Treppenhaus zur Erschließung der Stockwerke errichtet. In der Ecke steht dann ein gotischer Turm. Die weiteren Bauten reichten dann bis zu dem Turm im Norden, der Rest war zunächst durch eine Mauer abgedeckt.

Um 1500 wurde der große Raum geteilt, weil man wegen der Klimaverschlechterung am Ende des Mittelalters einen bequemeren Raum haben wollte. Unter den hochgelegten Saal kam ein Keller (über der Kellertür steht die Jahreszahl 1694). In den Saal wurden große Fenster gebrochen. Damit mehr Helligkeit in den Raum kam, wurde alles geweißt. Doch dann wurden wieder Ornamente und Bilder angebracht (Jagdgesellschaft).

Ab 1570 fand die Erneuerung des Südflügels in Renaissanceformen statt. Der Ost- und der Westflügel wurden unter das neue Dach mit eingebunden sowie ein achteckiger Treppenturm errichtet. Damit war im Wesentlichen die Form des Schlosses erreicht, die man heute noch vorfindet.

Bis Mitte des 18. Jahr­hunderts wurde das Areal durch ständi­ge An‑ und Umbauten zu einer geschlossenen quadra­tischen Anlage verän­dert, umgeben von Befesti­gungen und Wassergraben. Doch im Jahre 1736 starb auch der letzte Lichtenberger. Die Mobilien kamen nach Darmstadt, das Schloß kam an Hessen-Kassel. Doch der Graf residierte zunächst wieder hier und legte den „Neuen Weg“ an. Ab dem Jahr 1771 (?) waren die Land­grafen von Hessen‑Kassel auch in der Praxis alleinige Herren in Babenhausen und nutzen das Schloß als Sommerresidenz und Witwensitz.

Im Jahr 1818 wird die Burg zur Militärstraf­anstalt und beherbergt von 1869 bis 1891 als Kaserne ein Regiment der Roten Dragoner. Rund 300 Soldaten und 300 Pferde hielten sich hier auf, außerhalb des Schlosses wurden Ställe und ein Exerzierplatz angelegt.

Nach der Napoleonischen Zeit wurde das Schloß als Lazarett, später als Kaserne genutzt. In diesem Zuge erfolgte der Abbruch verschiedener Gebäudeteile.

Danach kam das Schloß in Privatbesitz. Von 1888 bis 1892 war das Schloß das Eigentum des Privatmannes Gustav Hickler. Er ließ verschiedene Räume mit Jagdszenen ausmalen und produzierte Samen für Bäume. Er ließ den Wassergraben zuschütten und legte dort den Park an. Noch heute stehen dort seltene Bäume aus der ganzen Welt.

Schließlich wurde das Schloß vom Großherzog zurückgekauft. Es war zeitweise auch Polizeischule. Erst bei einer Sanierung 1901-1905 wurde die offene Säulenhalle wieder hergestellt und andere Maßnahmen ausgeführt.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in dem Gebäude ein Altenheim der Inneren Missi­on untergebracht und wurde als Altenheim genutzt. Seit 1981 war es wieder im Privatbesitz von Eugen Wolpert, Chefs des Darmstädter Elisabethenstifts. Er hatte die Burg mit öffentlichen und priva­ten Mitteln in Millionenhöhe ausgebaut und für Kongresse genutzt, aber auch den Vereinen und Bürgern Babenhausens ge­öffnet. In dieser Zeit wurden aber große Schäden angerichtet, zum Beispiel durch den Einbau von Fahrstühlen.

Seit Wolpert im Jahre 2001 starb, stand der älteste und markanteste Gebäudekomplex der Stadt zum Verkauf. Den meisten Baben­häusern wäre es wichtig, daß das Schloß der Stadt gehört. Eine Bür­gerinitiative setzte sich dafür ein, daß die Kommune das Gebäude von den Erben Wolperts erwirbt. Auf keinen Fall wolle man ein museales Objekt. Die Stadt Baben­hau­sen wollte und konnte das Schloß nicht kaufen, aber beim Nut­zungskonzept für das historische Gebäude mitreden. Der Außenbereich der historischen Anla­ge soll nach dem Willen der Stadt weiter­hin von den Bürgern genutzt werden können.

Schließlich beschloß die Stadt Babenhausen doch, das Schloß zu kau­fen. Sie gründete

eine Gesellschaft und übernahm das Schloß gegen den Willen des CDU‑Bürgermeisters und seiner Partei für knapp vier Millionen Mark von den Erben des verstorbenen Eigentümers Eugen Wolpert.

Ende 2001 interessierte sich die „Deutsche Instandhaltungs-Universität“ bzw. die erste European Main­tenance University (EMU) für das alte Gemäuer, ein Team von 80 Wissenschaftlern aus sieben Nationen. Inhaltlich befaßte sie sich mit Fragen der Instandhaltung von Maschinen und Gebäuden, aber auch der Umwelt. Zur Ausbildung gehö­rten neben Grundlagen aus den Ingenieur und Computerwissenschaften auch Risiko­management und Betriebswirtschaft. Leiter war Professor Mexis aus Darmstadt. Es wurden aber nur 45 Studen­ten von sechs Dozenten ausgebildet. Niemand konnte aber den Studierenden garantieren, ob sie das Studium mit einem anerkannten akademischen Grad abschließen können, denn bislang haben die deutschen Behör­den die EMU nicht als Universität aner­kannt.

Im September 2006 wurde das Schloß von dem Hauptgläubiger, der hessischen Landesbank, kurz vor der Zwangsversteigerung verkauft an eine Kapitalgesellschaft, die dort ein Hotel und Restaurant schaffen will. Der Kaufpreis soll 1,25 Millionen Euro betragen haben. Im Grundbuch ist eingetragen, daß der Schloßhof und die Säulenhalle öffentlich zugänglich sein müssen. Das Land wird fünf Millionen für den Denkmalschutz zuschießen, es wird mit Kosten von 12 Millionen gerechnet.

 

Wiederentdeckte mittelalterliche Wandmalereien

Das Schloß Babenhausen blickt auf eine über 800jährige Baugeschichte zurück. Der Bau weist verschiedene Besonderheiten auf, die für einen Profanbau dieser Zeit, des ausgehenden 12. Jahrhunderts, einzigartig sind: Die nahezu quadratische Grundrißform, die Verwendung von Backstein als Hauptbaumaterial, die offene Säulenhalle im Palas und der Treppenturm mit einer Spindeltreppe. Diese Elemente und die mit Perfektion ausgeführten Maurerarbeiten deuten darauf hin, daß Ausführende zum Einsatz kamen, denen dies alles vertraut war. Die Gesamtform und Detaillierung läßt Bauleute aus Norditalien vermuten.

Umnutzung und Sanierung bedeutet immer Verlust historischer Substanz. Um jedoch die Substanz beurteilen zu können, muß man sie kennen, in vielen Fällen aufwendig erforschen. Dazu gehört die Erfahrung von Fachleuten: dem Bauhistoriker, dem Restaurator u.a. Es soll hier am Beispiel des „Sommersaales“ aufgezeigt werden, welche tiefgreifenden Auswirkungen ein bauhistorischer Befund auf die Nutzung von Räumen haben kann.

Im nördlichen Viertel des Erdgeschosses im Palas - an die offene Säulenhalle anschließend - befanden sich vier Räume mit Flur, die zu Büros ausgebaut werden sollten. Die Abfolge der in der Halle sichtbaren Eichen-Deckenbalken aus dem 12. Jahrhundert sollte untersucht werden, um die Säulenhalle in ihrer ganzen Ausdehnung innerhalb des Westflügels zu dokumentieren.

Nach Abnahme der Gipsfaserplatten an Decke und Wänden wurden Malerei-Reste entdeckt, die nach punktueller Vorsichtung eine komplette Freilegung erforderlich machten. Es zeigte sich, daß in diesem Bereich durch den Einbau eines Kellergewölbes ein erster Schritt zur Aufgabe der offenen Halle getan worden war und daß in dem über dem Keller abgeteilten Raum eine fast vollständig erhaltene Raumfassung vorhanden war. Es handelt sich um eine einfache Malerei mit Jagdmotiven, die zunächst renaissancezeitlich angesprochen wurde.

Untersuchungen einer Trennwand ergaben jedoch ein dendrochronologisch belegtes Datum von 1467/68, welches den Zeitpunkt der Aufgabe des Saales markiert. Die Malerei stammt also aus der Zeit kurz nach 1400; damit kommt ihr ein noch größerer Stellenwert zu.

Das Beispiel zeigt, wie ein baugeschichtlich wertvoller Befund die in der Baugenehmigung dargestellte Raumeinteilung grundsätzlich ändern kann und die Flexibilität des Planers und des Bauherrn erfordert, um die Raumanforderungen an anderer Stelle umzusetzen. Darüber hinaus müssen die finanziellen Mittel für die restauratorische Sanierung bereitgestellt und eine angemessen Nutzung für das wieder entdeckt Kleinod gefunden werden.

 

Rundgang:

Vom Schloß geht man über die Brücke in die Stadt zu dem (nur kleinen) Schloßplatz. Rechts liegt das Gelände des Fronhofs, links an der Mauer sind die Maße der Stadt angegeben. Weiter geht es nach links zur Stadtmühle, dem heutigen Bürgerzentrum. Links ist der Mühlgraben mit der Turbine, die heute noch Strom erzeugt. Von 1898 bis 1973 war in der Mühle das Elektrizitätswerk, das Voraussetzung war für den Bau der Kaserne an der heutigen Bundesstraße. Im Hof findet sich als Naturdenkmal eine Baumgruppe.

Die Stadtmauer hat hier eine Beule nach innen. Der erste Hinweis auf diese Mühle findet sich 1383. Im Grunde handelt es sich um ein ganze Straße, in der sich links ein Wohnhaus, die heimatkundliche Bibliothek und der Bürgersaal (für Festlichkeiten) befinden. Rechts ist der Fremdenverkehrsverein, das Standesamt (mit Brautkränzen und einem Hanauer Wappen aus Holz) mit Trausaal im Oberstockwerk. Am Ende der Straße ist ein Café, durch das man in den Biergarten geht.

 

Burgmannenhaus:

Nach rechts geht es hinter der Stadtmauer weiter zu einem Gedenkstein für die jüdischen Bürger am Weg zur Mikwe. Man sieht den nach innen offenen Hexenturm. Es geht erst ein wenig nach rechts und dann gleich wieder links in die Sackgasse. Dort steht das Burgmannen­haus von 1544, das den Herren von Babenhausen gehörte. Dahinter steht der Breschturm, der eigentlich „Spitzer Turm“ heißt und seinen anderen Namen hat von der Belagerung im Jahre 1635, als man hier eine Bresche in die Mauer schlug. Die Stadt mit einer schwa­chen schwedischer Besatzung, die von den Bürgern tatkräftig unter­stützt wurde, trotzte damals der sechs Wochen an­dauernden Belagerung durch etwa 5.000 Mann kaiserlicher Truppen.

Nach rechts geht es weiter entlang der Stadtmauer. Dann geht es rechts ab in die Gayling­gasse, die auf die Amtsgasse führt, wo - wie üblich - die vornehmsten Häuser der Stadt stehen. Rechts ist das Haus der Gayling von Altheim, die im Rang gleich nach dem Grafen kamen. Dieses Haus ist aus dem Jahre 1541, die beiden nicht renovierten Häuser gegenüber gehören auch ihnen. Geradeaus ist der Sitz derer von Bernstoff-Axthausen aus dem Jahre 1697. Links ist das Amtshaus von 1560 (Amtsgasse 31).

 

Amtshaus:

Im mittelalterlichen Ortskern der Stadt Babenhausen gelegen, bildet das Amtshaus mit den umstehenden, ähnlich imposanten Gebäuden ein beeindruckendes Ensemble. Mit einer Grundfläche von 160 Quadratmetern und einer Firsthöhe von 16 Metern unterteilt sich das Haus in Keller, zwei Vollgeschosse und zwei Dachgeschosse. Als ältestes Bauwerk der umliegenden Gebäude, die in Stein gehauene Jahreszahl 1546 konnte dendrochronologisch bestätigt werden, diente es wohl ursprünglich als Amts- und Schreibhaus. Dieser Funktion wurde es bald beraubt, eine Wohnnutzung ab dem frühen 17. Jahrhundert ist wahrscheinlich.

Der Bau erlebte vielfältige Umgestaltungen und Grundrißveränderungen. In beeindruckender Form ist nach dem Freilegen des Fachwerkes die ursprüngliche Gestaltung lesbar. Jeder Raum der beiden Vollgeschosse ist mit einer wechselnden farblichen Gefachfassung versehen, die nun sichtbar wurde. Ziel der Sanierung ist es, eine Vielzahl dieser Informationen zur Baugeschichte zu dokumentieren, zu sichern und auch nach Fertigstellung erlebbar zu erhalten.

Katja Boost-Munzel und Reinhard Munzel haben 2004 das zu diesem Zeitpunkt baulich sehr angegriffene Haus erworben und sich mit viel Engagement und Eigenleistung an die Arbeit begeben. Gerade der hohe Anteil an Eigenleistung verzögerte die Arbeiten immer wieder. Reinhard Munzel als gelerntem Zimmermann und Architekten war es sehr wohl klar, auf was für ein Projekt sie sich einlassen, doch sie konnten sich auf eine Vielzahl von Helfern verlassen, die - wie zum Beispiel der Bruder, Vater und Onkel des Bauherrn - als regelmäßige Helfer oder der große Freundeskreis an „Bautagen“ tatkräftig mit anpackten.

Nachdem im ersten Jahr das Ausräumen des Dachgeschosses und die Dachsanierung anstanden, folgten in den Jahren 2006-2008 das Freilegen der Vollgeschosse und die Fachwerkreparatur.

Unsachgemäße Sanierungen der letzten Jahrhunderte hatten zu starken Setzungen geführt, die durch eine Neufundamentierung abgefangen werden mußte. Der Fußboden des Erdgeschosses wurde auf einer Fläche von etwa 50 Quadratmetern um etwa zwei Meter aufgeschüttet, dieses Material mußte auch mit etwa 1700 Schubkarrenladungen nach draußen gefahren werden.

Seit Sommer 2008 ist nun die Sanierung des Baues abgeschlossen, der Innenausbau beginnt. Wir konnten dabei stets auf die fachkundige Beratung der zuständigen Kommunal- und Landesbehörden zurückgreifen, die das Projekt als herausragendes Einzeldenkmal finanziell unterstützen. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Einzuges wird jedoch immer noch mit dem inzwischen klassischen Zitat beantwortet: „Wenn es fertig ist!“ (Katja und Reinhard Munzel).

 

Weiter geht es nach links durch die Amtsstraße. Links steht ein Haus von 1705, rechts eins von 1753. Dann geht es nach rechts in die Backhausgasse, in der rechts ein Haus von 1589 steht. Am Ende steht rechts das Pfarrhaus, eines der schönsten Häuser der Stadt mit einem großen Garten.

Die Straße führt auf die ehemalige Apotheke, heute eine Zahnarztpraxis. Die Schnitzerei an dem Haus (und an anderen Häusern) ist von dem gleichen Künstler, der in den 30iger Jahren auch das Wappen im Trausaal des Standesamtes geschnitzt hat.

Dann geht es nach links in die Schloßgasse. Rechts Nummer 10 ist das Kornhaus oder Cent­haus, der Fruchtspeicher mit gräflicher Brauerei. In die Wand des Hauses Nummer 3 ist ein Ofenfußstein eingelassen. Er wurde unter gußeiserne Öfen gesetzt und wurde meist bei der Hochzeit zusammen mit den Initialen des Ehepaares und der Jahreszahl geschenkt.

Nach links geht es in die Fahrstraße. Links steht das Haus „Fleischbein“ von 1544 mit einer lateinischen Inschrift. Rechts steht der Gasthof „Zum Schwartzen Bären“.

 

Kirche:

Damit ist man schon am Marktplatz und sieht auf das Rathaus. Dieses war ursprünglich ein Fachwerkbau von 1804. Es wurde aber im März 1945 zerstört und neu gebaut. Auf dem Platz steht die Martin-Luther-Eiche, eine Pyramiden-Eiche, die von der „Schönen Eiche“ bei Harreshausen abstammt und 1890 gepflanzt wurde. An der Ostseite des Marktplatzes neben dem „Schwartzen Bären“ steht noch das Haus Nummer 3 von 1691.

Die Kirche bestand ursprünglich nur aus dem Chor. In der Westfront der Stadtkirche von Babenhausen steckt unten rechts eine ver­zierte, ungefähr 28,5 Zentimeter hohe und 43,5 Zentimeter breite Platte. Die Verwit­terung ist unerwartet schnell vorangeschritten. Dennoch ermöglicht die optimale Ausleuchtung der Abbildung 1 eine eindeutige Interpretation der Zeichenkomposition.

Links kann man die 24 bis 25 Zentimeter langen eingerillten Konturen einer Tuchschere als Zeichen er­kennen. Die Tuchschere ist eine mächtige Bügelschere und als Werkzeug von fast zweitau­sendjähriger Geschichte. Ob bereits die Etrusker die Tuchschere kannten, wissen wir nicht. Die Römer verfügten über dieses Werkzeug. So besitzt das Hessische Landesmuseum Darmstadt in seinen Sammlungen, die im Jahr 1971 im vicus des Kastells Echzell in der Wetterau gefundene, inzwischen restaurierte römische Tuchschere (Abb. 3~. Diese Tuchschere ist 1,05 Meter lang. Im Lauf der Jahrhunderte wurden die Tuchscheren immer schwerer und lei­stungsfähiger. Die spätmittelalter­lichen Tuchscheren dürften um 1,20 Meter lang gewesen sein.

Die Tuchschere war ein Werkzeug der historischen Textiltechnik zur Herstellung dichter, wasserabweisender wollener Tuche. Hierzu wurden die gewebten Tuche zunächst durch mechanisches Walken verfilzt, das verfilzte Tuch mit Distelkarden naß gerauht und die hierdurch aus der Oberfläche des Tuches heraustretenden Fasern mit der auf einem Schertisch liegenden Tuchschere geschoren. Die Tuchschere war nicht nur ein wichtiges, sondern zugleich auch ein teures Werkzeug der histo­rischen Tuchmacherei, weshalb sie im Spätmittelalter den Tuchmachern als Handwerkszeichen diente.

Das Werkzeug rechts ist eine langschneidige, charakteristisch spätmittelalterliche Axt des Zimmermanns zur Bearbeitung des Holzes längs der Faser, also zum Be­hauen von Kanthölzern und Balken. Diese charakteristische Axt ist in der frühen Neuzeit untergegangen, als man zunehmend das Behauen der Kanthölzer und Balken durch das Sägen ersetzte. Die langschneidige Axt ist das spätmittelal­terliche Handwerkszeichen der Zimmerleute. In der Mitte des Reliefs ist das auf Christus zu beziehende Kürzel „ihs“ (in hoc signum) in spätgotischen Minuskeln leicht entzifferbar.

Das Relief zeigt aufgrund seiner beiden Handwerkszeichen der Tuchmacher und Zimmerleute an, daß diese beiden Zünfte der Stadt Babenhausen wesentliche Beträge zum Kirchenneubau im Jahr 1472 stifteten. Üblicherweise findet man die Handwerkszeichen von Stiftern auf Schlußsteinen gotischer Rippenge­wölbe. In Babenhausen hingegen ließen die stiftenden Zünfte ihre „Stiftungsurkunde“ als Relief in Sandstein hauen und unübersehbar in die Marktfront der Stadtkirche einsetzen. Insofern war und ist dieses Relief ein wichtiger Beleg zum Babenhausener Kirchenneubau des Jahres 1472.

Rechts vom Altar ist der Grabstein Philipps des Älteren und seiner Frau Anna von Lichtenberg, zusammen mit zwei früh verstorbenen Kindern. Er war der Begründer der Linie Hanau-Lichtenberg, wurde aber in Buchsweiler vom Schlag getroffen und wurde in Babenhausen in der Kirche beerdigt. Die Gräber sind links vor dem Altar und zeigen je zweimal die Hanauer Sparren und den Lichtenberger Löwen. Rechts davon liegt Philipp II. von Lichtenberg mit seiner Frau

In der Reihe davor liegt Philipp III. mit seiner Frau, einer geborenen von Baden-Sponheim.

Sie war streng gläubig im römisch-katholischen Sinne und hatte sogar einen „Beatus“ in der Familie, einen Onkel, der seliggesprochen war. Dieser Bernhard von Baden hatte aufgerufen zum Kreuz­zug gegen die Türken. Philipp III. dagegen war ein Studierter und soll sogar den neuen Predigern der Reformation Arbeitsmöglichkeiten gegeben haben.

Weil der Gräfin ein Sohn geboren wurde (der spätere Philipp IV.), stiftete sie den Schnitzaltar in der Kirche. Dieser dreiflügelige Altar­ mit drei überlebensgroßen Plastiken wurde er um 1515 geschaffen und ist ein bedeutendes Kunstwerk. Der Altar hat allerdings nichts mit Renaissance zu tun, sondern ist noch ganz bestimmt vom Geist der alten Zeit: Im Mittelpunkt stehen der Papst und zwei Bischöfe; rechts ist vielleicht Nikolaus zu sehen (mit dem Fallsüchtigen). So lautet jedenfalls die Erklärung von Herrn Lötzsch vom Geschichtsverein. Andere sagen, der Altar zeige die Heiligen Nikolaus, Valentin und Cornelius.

Links von dieser Dreiergruppe stehen Philipp und Bernhard von Baden (der Mann und der Onkel der Gräfin), rechts die Namenspatrone der Gräfin: Helena (mit dem Kreuz) und Katharina (mit dem Bart).

Unter diesen Schnitzfiguren stehen die Reliquienbehälter. Dabei sind auch Hände, die bei Gerichtsverhandlungen auf den Richtertisch gestellt wurden, so daß man „bei den Heiligen“ schwor. Unten in der Predella ist die Weihnachtsgeschichte dargestellt. Aber man sieht, daß hier ein anderer Künstler am Werk war. Der Stil ist mehr bäuerlich.

Lange Zeit war, die Frage offen, ob der Altar von Riemenschneider stamme. Man nahm ein wenig Einfluß an, größer sei aber abe­r noch der von Backoffen. Dann hieß es wieder, Mathias Grünewald sei der Schöpfer, der sich auch als Bildschnitzer betätigt hat und sich als solcher 1502 in Seligen­stadt niederließ. Der Schnitzaltar stammt aber wohl von keinem der großen Holzschnitzer, sondern wohl von verschiedenen Meistern bzw. Meisterschülern.

An der Wand des Chores sieht man links Bilder aus dem Marienleben. Unter dem Chor befindet sich noch eine Gruft, die mit zwei Steinplatten verschlossen ist. Darin befinden sich Särge aus der Barockzeit, wohl von niedrigen Adligen. Dahinter ist noch eine Kirchenbank mit vier Apostelbildern.

Der Boden des Chors und der Kirche lagen ursprünglich tiefer und soll jetzt auch wieder tiefer gelegt werden. Erst nach der Elsäßer Erbschaft wurde das heutige Kirchenschiff angebaut. Die Kanzel ist von 1594 und hat eine Sanduhr. Gegenüber steht der steinerne Taufstein. Hinter dem Taufstein steht an der Wand der Kirchenstuhl für den Grafen. Der Kirchenstuhl für die Geistlichkeit dagegen steht im Chorraum (es gab in Babenhausen ein Hospital). Die Chorschranke in Form eines eisernen Gitters ist nur noch teilweise vorhanden.

Die Ausmalung der Kirche stammt angeblich von einem Fischer aus Babenhausen, etwa aus dem Jahr 1620. Die Medaillons zeigen Himmelfahrt, Verklärung, Geburt Jesu, Beschneidung Taufe und Gethsemane. Bibelsprüche und Bibelstellen sind jeweils unter die Bilder geschrieben. An den Außenwänden der Kirche sind vorreformatorische Bilder (Wochenende, Seite 148).

 

 

Ein badischer Markgraf zwischen Heiligen - der selige Bernhard auf dem Altarschrein in Babenhausen

Der gotische Schnitzaltar in der evangelischen Stadtkirche von Babenhausen ist seit einigen Jahrzehnten aus seinem Dornröschenschlaf wiedererwacht und zieht viele Besucher an, die sich am Anblick eines der bedeutendsten Altäre der deutschen Spätgotik erfreuen wollen.

Der Altarschrein wurde zwischen 1515 und 1518 geschaffen. Seine Schnitzwerke sind aus Lindenholz. Die obere Zone des geöffneten Altares zeigt uns in der Mitte drei überlebensgroße vollplastische Figuren, die beiden Flügel jeweils ebenso große Relieffiguren, links vorn Betrachter aus gesehen, zwei männliche, rechts zwei weibliche Figuren. Die untere Zone zeigt in sieben Gefa­chen Reliquienträger.

Der Meister dieses Altares ist unbekannt. Die Stilmerkmale weisen auf eine Mischung von fränkischer und mittelrheinischer Herkunft hin. Eindeutig ist, daß es sich um ein Werkstatterzeugnis handelt, was sich in der unter­schiedlichen Formensprache des Altarschreines ausdrückt. Walter Hotz bringt Meister Mathis, genannt Grünewald, als leitenden Künstler ins Gespräch, die Darmstädter Ausstellung „Alte Kunst am Mittelrhein“ von 1927 wies ihm kunst­geschichtlich eine Stellung zwischen „Riemenschneider und Backoffen“ zu.

Der Altarschrein stand fast dreihundert Jahre verschlossen im unteren Teil des Kirchturmes, wohin ihn die Reformation in Babenhausen um 1645 verbannt hatte, bis man ihn um 1820 wiederentdeckte und an der Südwand des Kirchen­schiffes aufstellte. 1887 wurde der Schrein renoviert und 1939 fand er nach einer großen Kirchenrenovierung seinen alten Platz im Chor der Kirche wieder, wo er sich heute den vielen Besuchern zeigt.

Neben der Frage zu der kunsthistorischen Bedeutung des Altares, seinem Künstler oder „Schöpfer“, seiner Geschichte im Ablauf der Jahrhunderte, taucht beim Be­trachten der Schnitzfiguren irgendwann auch die Frage auf, um wen es sich eigent­lich bei diesen Figuren handelt, wer sie waren, warum man gerade diese Personen bzw. Heiligen ausgewählt hat, um sie auf dem Altar darzustellen.

Im Mittelalter war der Bezug der Gläubigen zu den Heiligen der Kirche ein ande­rer als heute, man lebte mit ihnen in enger geistiger Verbindung und einer fast persönlichen Beziehung. Man hatte seinen Namenspatron, den man um Schutz und Hilfe bei irdischen Problemen bitten konnte; es gab unzählige Heilige, die für ganz bestimmte Notlagen „zuständig“ waren. Die bildliche Darstellung dieser Heiligen konnte natürlich nicht so exakt erfolgen, daß man sie anhand ihres Aussehens hätte unterscheiden können, da man gar nicht wußte, wie sie zu ihren Lebzeiten ausgesehen hatten. So wurden den oft schematisch dargestellten Figuren im Laufe der Zeit „Attribute“ beigegeben, also ganz spezielle Merkmale, anhand derer man den Heiligen als eine ganz bestimmte Person identifizieren konnte. Dies geschah z. B. durch die Kleidung (Mönch, Bischof, Papst, Ritter) oder durch Beigabe eines Palmzweigs (Märtyrer) oder spezielle Symbole wie Pfeile (Hl. Sebastian) und vie­les andere.

Mit diesem Wissen um die Attribute ging man daran, die Heiligenfiguren des Schnitzaltars zu identifizieren. Da diese Attribute jedoch nicht immer eindeutig waren, gibt es noch heute Differenzen über die dargestellten Personen, z.B. über die Papstfigur im Mittelteil des Schreines. Ursprünglich nahm man an, es handele sich um Papst Gregor den Großen (590 - 604). Heute neigt man mehr zur Auffas­sung, daß es sich um den hl. Kornelius (251-253). „Papst und Märtyrer“ han­delt, während andererseits immer noch der hl. Gregor favorisiert wird. Die Be­gründung für die eine oder andere Auffassung liegt jeweils im Bezug zur Lokalge­schichte.

Man kann die Deutung der Altarfiguren jedoch aus einer ganz anderen Sicht vor­nehmen, die die Auffassung entkräftigen könnte, daß hier die Figuren thema­tisch recht beziehungslos neben- und untereinander stehen. Der Ansatz zu dieser anderen Deutung der Ikonographie des Altares liegt in der Person der Stifte­rin und ihrer Zeit.

Die Überlieferung erzählt, daß die Gemahlin des damaligen regierenden Grafen, Philipp  III. von Hanau-Lichtenberg, Sybille, eine geborene Markgräfin von Baden, nach der Geburt von vier Töchtern wieder guter Hoffnung war, ein Ge­lübde ablegte, sie würde, falls das Kind ein Knabe wäre, zum Dank einen Altar stiften. Ihre Gebete wurden erhört und sie gebar am 20. 9. 1514 einen Sohn, den späteren Philipp IV. Sybille löste ihr Gelübde ein und stiftete den Altar, der kurz vor ihrem Tode im Jahre 1518 fertig wurde.

Die Geschichte des Gelübdes ist eine Legende, aber die Person der Sybille ist historische Tatsache. Sie war eine Tochter des Markgrafen Christoph 1. von Ba­den, geboren am 26. 4. 1485. Am 24. 1. 1504 heiratete sie in Baden Philipp III., Graf von Hanau-Lichtenberg, und gebar ihm sechs Kinder. Von den fünf Mädchen starb eines im Jahr seiner Geburt; die Älteste ehelichte einen Grafen Eber­stein, die drei anderen gingen ins Kloster Marienborn. Eine dieser drei Nonnen wurde später Äbtissin dieses Klosters. Der einzige Sohn, Philipp IV., führte 1545 die Reformation in Babenhausen ein.

Sybille stammte aus einer streng katholischen Familie, die sich immer - auch aktiv - für den Glauben eingesetzt hatte. Zahlreiche Bischöfe und Äbtissinnen gehörten zu ihren Vorfahren. Ihr Mann, Philipp IIIU., hegte bereits Sympathien für die neue Lehre von Martin Luther, blieb jedoch dem alten Glauben noch treu. Aus dieser Zeit, als sich die herrschende Amtskirche selbst bei ihren treuen Anhängern in Mißkredit gebracht hatte und die Reformvorschläge von Martin Luther immer mehr Zustimmung fanden, stammt der Altar von Babenhausen: Auftraggeberin und Künstler versuchen, noch einmal die alten Werte zu beschwören in einer Zeit des Umbruchs. In der Kunst geht die Zeit der Gotik zu Ende mit ihren strengen Ge­setzen der Darstellung religiöser Themen, und die Renaissance, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, nimmt allmählich ihren Platz ein. Im gesellschaftlichen Bereich kämpfen die Bauern um ihre Befreiung aus der Fron. Das mittelalterliche Weltbild, das von der Kirche geprägt war und von ihr beherrscht wurde, war plötzlich in Frage gestellt.

Sybille muß aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Erziehung sehr unter diesen Ver­änderungen gelitten haben. Wenn man nun die lkonographie des Babenhäuser Altares unter diesem Blickwinkel neu betrachtet, so erscheint die Auswahl der Heiligen plötzlich logisch. Maria Renner schreibt: „Der Bildgedanke, das ikonographische Thema des Alta­res, ist die Verteidigung des Glaubens in den Gestalten der Heiligen, der Gottes­streiter. So steht in der Mitte der Papst als das Oberhaupt der Kirche, und zwar in einer jener Gestalten, welche den Gläubigen den eigentlichen und - um jene Zeit so traurig verratenen - Sinn des Papsttums vorstellen sollten: Cornelius, der, milde gegen die Irrenden und Abtrünnigen, selber um des Glaubens willen Ver­bannung und Tod in der Fremde litt. Die beiden Bischöfe an seiner Seite, Nikolaus und Valentin, galten in der Tradition für Wohltäter und Vorbilder der helfenden Liebe - ganz im Gegensatz zu der Welt-Fürstlichkeit mancher der zeitgenössi­schen Prälaten. In den historischen Heiligen sollte die ideale Erfüllung des Sinnes der kirchlichen Ämter anschaulich vergegenwärtigt werden.“

Die beiden Flügel zeigen in ihren Darstellungen Heilige, die in enger Verbindung zur Familie der Stifterin stehen: Der Apostel Philippus, Namenspatron ihres Gat­ten, hatte in seinem Reisegespräch einen Fremden vom christlichen Glauben zu überzeugen vermocht, ein erster Verteidiger des jungen Christentum, voll suchender Unwissenheit. Katha­rina von Alexandrien, die Philoso­phin, hatte vor den Gelehrten ihres Kreises siegreich für die christliche Offenbarung gesprochen und ihren Glauben mit dem Leben bezeugt. Ka­tharina war die Patronin der Mark­gräfin Katharina, der Schwester Kai­ser Friedrichs III. und Mutter des Markgrafen Christoph. Kämpfer für den Glauben waren auch Helena, die Kaiserin, die das Kreuz des Erlö­sers aufgefunden und nach dem Abendland gebracht hatte, und Bernhard von Baden, der Ahnherr der Stifterin.

Merkwürdigerweise ist Bernhard von Baden, der „selige Bernhard“, der am wenigsten Bekannte unter den Schnitzfiguren, obwohl sein Lebens­weg durch Urkunden belegt und er uns zeitlich und menschlich näher sein müßte als seine Gefährten auf dem Al­tar.

In unserer Region wußte man relativ wenig über ihn: Man hatte Kenntnis, daß er mit der Stifterin verwandt war, wobei die Möglichkeiten Bruder, Onkel und Großonkel angegeben werden. Er hat all sein Hab und Gut den Ar­men vermacht und sich in den Dienst Gottes gestellt. Als 30jähriger ist er auf einer Reise in Italien verstorben,

Das Leben Bernhards und die Geschichte seiner Verehrung sind jedoch so inter­essant, daß sie verdienen, wieder in die Erinnerung gerufen zu werden. In anderen Gebieten hat das Wissen um Bernhard von Baden über die Jahrhunderte gehalten.

Markgraf Bernhard II. von Baden wurde 1429, wahrscheinlich auf Burg Hohenbaden geboren. Sein Vater war Jakob I., Markgraf von Baden, seine Mutter Katha­rina von Lothringen. Bernhard war nach Karl der zweite Sohn und hatte noch drei weitere Brüder: Jo­hannes, Georg und Marcus. Seine Erziehung genoß er bei französischen Verwandten am Hof des Königs René von Anjou in Angers. Zu Lebzeiten seines Vaters war Bernhard zweimal in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt, einmal im Städtekrieg 1448 - 1451 (Auseinandersetzungen zwischen den Landesherren von Württemberg und Baden und den in diesen Gebieten liegenden Reichsstädten), ein zweites Mal als Truppenführer für seinen Onkel René von Anjou, der versuchte, in Oberitalien Gebietsansprüche durchzusetzen.

Am 13. 10. 1453 starb Bernhards Vater, Markgraf Jakob I. Sein Testament be­stimmte die Teilung des Landes unter die Brüder Karl, Bernhard und Georg. Die beiden anderen Brüder gehörten dem geistlichen Stand an und wurden nicht bedacht. Auch Georg entschied sich noch für ein geistliches Amt und wurde Bi­schof in Metz. Am gleichen Tag, dem 1. 8. 1454, stellte auch Bernhard seinen Teil des Erbes für die nächsten zehn Jahre unter die Verwaltung seines Bruders Karl, des neuen Markgrafen. Dies hing jedoch nicht damit zusammen, daß er auch Bischof geworden wäre, denn das war er nie.

Bernhard hatte in der Zwischenzeit eine größere Aufgabe gefunden. Bei seiner Reise an den kaiserlichen Hof nach Wien (453), als er Kaiser Friedrich III. auf­suchte, um das Testament seines Vaters anerkennen zu lassen (Friedrich III. war durch die Heirat seiner Schwester Katharina mit Karl 1. von Baden sein Schwager) lernte er den italienischen Franziskaner Capistran kennen. Johannes von Capi­strano hatte ursprünglich Rechtswissenschaften studiert und war Richter, bevor er in den Franziskanerorden eintrat und Priester wurde. Er wirkte über 40 Jahre in Italien, Deutschland' Böhmen und Polen. Zu der Zeit, als Bernhard ihn kennen­lernte, trat er als Kreuzzugsprediger gegen die Türken auf und versuchte, die christlichen Führer des Abendlandes zu einer gemeinsamen Abwehr gegen die drohende Türkengefahr zu veranlassen. Am 29. 5. 1453 war Konstantinopel ge­fallen, als letztes christliches Bollwerk des Abendlandes gegen die andrängenden mohammedanischen Türken.

Bernhard unterstützte ihn bei dieser Aufgabe. Er weilte nun hauptsächlich am kaiserlichen Hof in Wien und betätigte sich als Schiedsrichter und Vermittler in den politischen Wirren und Streitigkeiten. Nach­dem Capistran 1456 gestorben war, übernahm Bernhard dessen Amt und ver­suchte nun selbst, eine Einigung der abendländischen Fürsten zu einem gemeinsa­men Widerstand gegen die Türken herbeizuführen. Auf einer zu diesem Zweck durchgeführten Reise wurden seine Gefolgsleute bei Genua von der Pest befallen. Bernhard versuchte, sich mit dem Rest seiner Leute zurückzuziehen, jedoch auch er war schon von der Krankheit gezeichnet und starb im Franziskanerkloster von Moncalieri südlich von Turin am 15. 7. 1458.

Mit Bernhards Tod wäre seine Lebensgeschichte eigentlich abgeschlossen und si­cher auch für die meisten Menschen in Vergessenheit geraten, wenn sich nicht schon bei seiner Beisetzung Dinge ereignet hätten, die die Ursache dafür waren, daß er heute noch als der „selige Bernhard“ verehrt wird.

Es gibt zeitgenössische literarische Quellen, die die wundersamen Ereignisse nach dem Tode Bernhards schildern, mit von Zeugen bestätigten schriftlichen Aufzäh­lungen und Beschreibungen der Wunder an seinem Grabe, unterstützt von Aussagen der Mitglieder des Kollegiatstiftes von Santa Maria della Scala, der Grabeskir­che von Bernhard.

Die erste wunderbare Gebetserhörung fand nach diesen Berichten bereits bei der Totenfeier statt. Bernhard befand sich, als er sich wegen seiner Krankheit in die Obhut der Mönche in Moncalieri begab, nur noch in Begleitung seines alten Lehrers, eines Pforzheimer Franziska­nerpaters und seines Knappen. Er starb als Fremder in einer fremden Stadt. Sein Lehrer, Pater Johannes hielt die Ge­dächtnisrede, er beschrieb den Lebens­lauf des von seinem Auftrag Abberufe­nen. Während dieser Totenfeier legte ein Mann, der infolge eines Beinleidens an Krücken ging, ein Gelübde ab, daß er ein Bild des Verstorbenen malen las­sen würde, wenn er von seinem Leiden erlöst würde. Er ging ohne Krücken davon. Die Kunde dieser Erhörung ver­breitete sich rasch. In den folgenden Jahren häuften sich die Berichte über ähnliche unerklärliche Heilungen und bald galt Bernhard dem Volk als Heili­ger

Auch die offizielle Kirche schließt sich dieser Meinung an. Der ehemalige Se­kretär von Kaiser Friedrich III., Enea Silvio Piccolomini, der im Todesjahr Bernhards als Papst Plus II. die Leitung

der Kirche übernahm, erklärte bei einem offiziellen Anlaß, daß er den Umgang, mit dem Markgrafen Bernhard von Baden, der im Rufe der Heiligkeit gestorben sei, überaus geschätzt habe.

Bereits im Todesjahr Bernhards begannen, zusammen mit seiner Verehrung, auch die bildlichen Darstellungen. Die älteste bekannte Darstellung ist eine Votivtafel, ein Geschenk der Brüder von Bernhard an die Kirche in Moncalieri aus dem Jahr 1475. Diese Tafel wurde 1890 von dem Schweizer Pater Odilo Ringholz bei den Reliquien in Moncalieri gefunden. Pater Ringholz hatte Ende des vorigen Jahrhun­derts die schriftlichen Quellen über Bernhard erforscht und 1892 eine wissen­schaftliche Monographie über ihn herausgegeben, die 1908 in einer erweiterten italienischen Ausgabe erschien.

Auf dieser Votivtafel wird Bernhard als Ritter dargestellt, in der rechten Hand eine Lanze mit Wimpel in den badischen Farben haltend, in der linken einen Schild. In Kinnhöhe befindet sich die Aufschrift „bon bernhart“ Diese Votivtafel kann als bestimmend für den Typus der Bernhard-Darstellungen bis ins 18. Jahr­hundert hinein gelten.

Auf Betreiben der Brüder Bernhards wurde im Jahre 1480 der Seligsprechungspro­zeß eingeleitet und durch ein Breve von Papst Sixtus 1480 bestätigt. Diese Bestäti­gung hielt man fast zwei Jahrhunderte lang für die erfolgte Seligsprechung; der Seligsprechungsprozeß war aber damals formell nicht beendet worden.

Im Glauben an die Benifikation setzte nun eine starke Verehrung auch außerhalb Italiens ein, nämlich in Baden und Lothringen, überall dort also, wo sich Mitglie­der des Hauses Baden befanden. So kam auch die Darstellung Bernhards auf den Altar in Babenhausen. Sechzig Jahre nach seinem Tode wird er ähnlich dargestellt wie auf der Votivtafel in Moncalieri: als Ritter mit Wimpel in den badischen Far­ben, jedoch mit Schwert statt Schild.

Während der Reformationszeit ist das Wissen um Bernhard nördlich der Alpen ziemlich in Vergessenheit geraten, nicht nur außerhalb der badischen Lande. Auch in Babenhausen, wo 1545 die Reformation eingeführt wurde und der Altar, im Kirchturm eingelagert, den Blicken der Menschen entzogen war, wußte bald nie­mand mehr etwas von einem „seligen Bernhard“. Als der Altar 1820 wieder aufgestellt wurde, sah man in der Figur des Ritters den hl. Florian, wie man in der Beschreibung des Altares von 1829 durch J.W.C. Steiner nachlesen kann

In Italien blieb die Verehrung Bernhards jedoch immer lebendig. Es erschienen mehrere Lebensbeschreibungen über ihn, die zum Teil auch ins Deutsche über­setzt wurden. Die bildlichen Darstellungen wandelten sich, dem Zeitgeschmack entsprechend, vom gotischen Ritter zum antiken Krieger. Als sol­cher wird er auch auf einem Kupferstich von 1722 als Schutzpatron der Stadt Moncalieri dargestellt. Parallel zur Verehrung in Moncalieri hielt sich diese auch ununterbrochen in Lothringen.

Im Jahre 1758 teilte der Bürgermeister von Moncalieri dem Markgrafen Ludwig Georg von Baden mit, daß man am 15. 7.1758 die dritte Hundertjahrfeier von Bernhards Sterbetag begehen werde. Der Markgraf wollte daraufhin diesen Ge­denktag auch in seinem Land festlich begehen und erbat dafür die Genehmigung beim Bischof von Speyer. Diese Genehmigung wurde ihm jedoch nicht erteilt, denn die Seligsprechung war nicht beurkundet. Durch das Einsetzen der Gegenreforma­tion war die katholische Kirche vorsichtig geworden, was die Verehrung von Personen als Heilige betraf. Ein Dekret von Papst Urban VIII. von 1634 bestimmte, daß jede Verehrung untersagt war, wenn kein Selig- oder Heiligsprechungsprozeß durchgeführt worden war. Es gab jedoch eine Vereinfachung des Prozeßverfah­rens, wenn der Nachweis einer vom Jahr 1634 ausgehenden mindestens hundert­jährigen Verehrung geführt werden konnte. Diese Verehrung konnte aber nur in Moncalieri nachgewiesen werden. Als jedoch Markgraf Ludwig Georg hörte, wel­che Kosten die Wiederaufnahme das Seligsprechungsverfahrens verursachen würde, verschob er vorerst einmal den Antrag auf einen neuen Prozeß. Er verstarb im Jahre 1760 kinderlos und sein Bruder August Georg trat sein Erbe an. Dieser veranlaßte 1767 eine Voruntersuchung durch den Bischof von Turm, die die Un­terlage für den römischen Prozeß bildete, der mit der Anerkennung der rechtmäßi­gen Verehrung Bernhards von Baden als Seliger endete. Papst Clemens XIV. bestä­tigte am 16. 9. 1769 dieses Dekret.

Jetzt wurde die Seligsprechung in Baden vielfach gefeiert, nicht nur im Bistum Speyer, sondern auch im Bistum Straßburg und Konstanz, die sich ermächtigen ließen, die Verehrung Bernhards zu gestatten. 177/1 wurde nach dem Tode des Markgrafen August Georg die badischen Lande wiedervereinigt und erweiterten sich in den folgenden Jahrzehnten stark. Das Großherzogtum Baden reichte 1806 vom Bodensee bis Wertheim. Zwei Drittel der Bevölkerung waren katholisch. 1821 wurde Bernhard von Baden badischer Landespatron. Seinen 400. Todestag im Jahre 1858 beging man mit großen Feiern. Zum Gedächtnis seines 500. Todesjahres wurde ein Bernhardus-Jahr ausgerufen. In einem Pilgerzug brachte man seinen Sarkophag von Moncalieri nach Freiburg. Mit einem Pilgerzug wurde der Schrein auch wieder zurückgebracht und in der Stiftskirche Santa Maria della Scala wie­     der aufgestellt. Die Verbindung zwischen Baden und Moncalieri besteht bis in unsere Tage.

Die politischen Verbindungen zwischen Babenhausen und Baden gehören der Vergangenheit an, aber sie waren der Anlaß für die Darstellung Bernhards auf dem Babenhäuser Schnitzaltar: der selige Bernhard, ein Großonkel der Stifterin, und ein Kämpfer für die Erhaltung des christlichen Glaubens in den Zeiten der Türkengefahr.

Die Verehrung Bernhards in Babenhausen ist Erinnerung geworden, aber seine Darstellung auf dem Altar hat heute aus religions- und vor allein kunstgeschichtlicher Sicht eine besondere Bedeutung gewonnen: es handelt sich um die älteste er­haltene Darstellung Bernhards auf einem Altar, zudem noch außerhalb der eigent­lichen Gebiete seiner Verehrung.

Maria Renner schreibt in ihrem Buch über die Ikonografie Bernhards: „Für die lkonografie Bernhards bedeutet der Altar zu Babenhausen ein einmaliges Zeugnis der Darstellung in der Zeit der Wandlungen, das Bild, das erhalten blieb, während in der alten Markgrafschaft Aufruhr und Entfremdung, alles Bildwerk der vergangenen Zeit wegräumten. Diese Darstellung Bernhards gestattet Schlüsse auf an­dere in den Gebieten, in denen Angehörige der badischen Familie die Erinnerung bewahrten.“

 

 

Stadtteile:

Harreshausen:

Auf dem Rückweg fährt man auf der Platanenallee in Richtung Bahnhof. Dann nach links ein Stück die Bundesstraße entlang und dann gleich wieder rechts nach Harreshausen. Dorthin führt eine doppelte Lindenallee, nur unterbrochen durch die Bahnlinie. Im Ort liegt links ein Jagdschlößchen von 1740. Dann biegt man nach links ab, fährt an der Kirche vorbei und aus dem Ort hinaus. Rechts sieht man dann bald eine Baumgruppe, deren markantester Baum die „Schöne Eiche“ ist. Heute ist sie allerdings nur noch ein kräftiger Stamm mit einzelnen Trieben. Diese steht dort seit 550 Jahren und ist eine zufällige Mutation, bei der die Äste nach oben wuchsen und dem Baum das Aussehen einer Pyramide gaben. Man kann sie allerdings nicht aus Samen ziehen, sondern man muß ein Reis auf eine andere Eiche aufpfropfen. Eine Zeichnung dieser Eiche gibt es schon aus dem Jahr 1790 (aus dem „Hanauer Magazin“).

Im 18. Jahrhundert wurde sie in alle Welt exportiert an Baumliebhaber (aber nur zwei Prozent der Samen haben diese Mutation). Von ihr stammen alle Pyramideneichen in der Welt ab, auch die Luthereiche vor der Babenhäuser Kirche und eine neue Pyramideneiche im Ort (beim Gutshof?).

 

Sickenhofen

Der Ort ist im alten Evangelienbuch der Abtei Seligenstadt bereits im 9. Jahr­hundert erwähnt. Sickenhofen hat heute 1200 Einwohner und ist be­kannt für seinen vorzüglichen Spargel. Die klas­sizistische Kirche von 1831 ist ein Werk des Landbaumeisters Georg Lerch.

 

Langstadt

Das bereits 1267 urkundlich er­wähnte Langstadt ist in seiner dörfli­chen Struktur besonders gut erhal­ten. Zentrum des Dorferneuerungs­programms von 1983 - 1992 war die zu einem Anger ausgebildete Haupt­straße. Überragt wird Langstadt von der neugotischen Kirche aus dem Jahre 1880. Langstadt hat heute 1650 Einwohner.

 

Harpertshausen

Der Ort ist mit etwa 700 Einwohnern der kleinste der fünf Stadtteile. Von be­sonderem Interesse sind zwei Gebäu­de, die im sogenannten „historistischen Stil“ errichtet wurden, das kombinierte Rat-, Bet- und Spritzenhaus von 1867 und das ehemalige Schulgebäude mit schönem Zierfachwerkgiebel.

 

Hergershausen

Das Dorf ist mit 1950 Einwohnern der größ­te Stadtteil und wurde 1340 erstmals urkundlich erwähnt. Im ehemaligen Dorf sind mehr als 20 Bauernhäuser denkmalgeschützt. Die Barock~Kirche von 1712 besitzt schöne ornamentale Malereien und eine historisch wertvol­le Orgel aus dem Rokoko.

 

 

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