Spessart Nord

 

Biebertal und Flörsbachtal

 

Biebergemünd

Die Großgemeinde Biebergemünd hat die staatlich anerkannten Erholungssorte Roßbach und Bieber sowie die Ortsteile Breitenborn-Lützel, Lanzingen, Kassel und Wirtheim. Für einen angenehmen Aufenthalt sorgen der endlose Spessart-Wald mit seiner artenreichen Flora und Fauna, ferner ein beheiztes Freischwimmbad, zwei Kneippanlagen, verschiedene Angelteiche, Kegelbahnanlagen, Tennisplätze und traditionelle Heimatfeste. Auf 160 Kilometer markierten Rundwanderwegen und zahlreichen Fernwanderwegen können die Gäste die Schönheiten des Spessarts kennen lernen. Die Gemeinde hat 4.800 Einwohner und ist zu 70 Prozent von Wald bedeckt.

Die Gemeinde Biebergemünd kann auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurückblicken. Von einer Besiedlung bereits in frühgeschichtlicher Zeit zeugen die verschiedenen Ringwälle auf den Höhen rund um das Biebertal. Die Ortsteile Wirtheim und Kassel wurden bereits im Jahr 976 erwähnt. Der Ort Bieber wird erst 1339 erwähnt.

Der Verkehrsverein Bieber lädt jährlich zur traditionellen Schneewittchenwanderung ein, bei denen die Teilnehmer auf den Spuren Schneewittchens von Lohr über die sieben Berge zu den sieben Zwergen nach Bieber wandern.

 

976

Erstmals urkundliche Erwähnung der Orte Kassel und Wirtheim bei Übereignung an das Stift „St. Peter und Alexander“ in Aschaffenburg, somit auch Beanspruchung durch den Erzbischof von Mainz durch Kaiser Otto II.

um1100

Bau der Mauritiuskapelle in Bieber

1339

Erste urkundliche Erwähnung von Bieber, Lanzingen, Roßbach und Breitenborn

1494

Beginn des Bieberer Bergbaus

1500

Bau des Wirtheimer Schlosses (ungefähr).

1925

Stillegung des Bergbaus in Bieber

1967

Schwimmbadeinweihung in Bieber

1970

Dorfgemeinschaftshaus Breitenborn wird eingeweiht

1971

Zusammenschluß von Wirtheim und Kassel zur Gemeinde Biebergemünd

1971

Zusammenschluß der Gemeinden Bieber, Roßbach, Breitenborn-Lützel, Lanzingen zur Gemeinde Bieber

1971

Neues Teilstück der B 276 wird im Dezember wird freigegeben. Von Kassel bis Bieber gibt es keine enge Ortsdurchfahrt mehr

1973

Gegen die Stimmen der SPD lehnt die Gemeindevertretung im Oktober den Zusammenschluß der Gemeinden Bieber mit Biebergemünd ab

1974

Das gesamte Biebertal wird ab 1 Juli durch den Zusammenschluß der Gemeinden Biebergemünd und Bieber zur Großgemeinde Biebergemünd

1976

1000-Jahrfeier der Ortsteile Kassel und Wirtheim im Juli mit großem historischem Festzug in beiden Ortsteilen

1979

Die Gemeindeverwaltung Biebergemünd zieht im Oktober um in das neue Gebäude am Bürgerzentrum zwischen Kassel und Wirtheim

1979

Einweihung des neuen Bürgerzentrums am 3. November (Bürgerhaus mit Verwaltungsgebäude)

1982

Einweihung Dorfgemeinschaftshaus Roßbach im April

1985

Fertigstellung der A 66 von Gelnhausen-Ost nach Bad Soden-Salmünster

1989

Einweihung des Feuerwehrstützpunkts Bieber im Dezember;

1994

Einweihung des neuen Dorfgemeinschaftshauses Lanzingen (früher Saalbau Schick)

1994

Jubiläumsfeier „500 Jahre Bergbau in Bieber“

1995

Einweihung des Erweiterungsbaues des Dorfgemeinschaftshauses Breitenborn

1996

Einweihung des neuen evangelischen Kindergartens in Lanzingen (Umbau des alten Lanzinger Dorfgemeinschaftshauses)

1997

Die Biebertalhalle wird fertiggestellt innerhalb von etwa 9 Monaten Bauzeit

 

 

Wirtheim siehe Kinzigtal                                                      

 

Kassel:

Biebergemünd. Kulturweg 2 „Kelten im Kasselgrund” ( 6 Kilometer)

(1) Kasselgrund:

Der europäische Kulturweg beginnt am Naturpark-Wanderparkplatz „Kasselgrund“ (von Kassel in Verlängerung der Villbacher Straße). Im Tal verliefen früher keine Verkehrswege – auch nicht zur Alteburg – da die Auen immer wieder überschwemmt wurden. Dafür machte sich der Mensch die Wasserkraft zunutze. Eine Reihe von Mühlen zwischen Kassel und dem Startpunkt künden von dieser Zeit. Das Besenbinden war ein typischer Beruf für die Kasseler. Der Ort Kassel ist auch bekannt unter dem Namen „Besenkassel“. Ein Kasseler „Halebeerkorb“, auch „Hahlebierkurb“, ist im Museum von Bad Orb ausgestellt. In „Besen-Kassel” war vor noch nicht langer Zeit „in jedem zweiten Haus Besen gebunden wurden”. So erinnert sich Fridolin Jackel, der letzte der Besenbinder aus Kassel, der in den Blickpunkt rückte, zum Beispiel bei der Wächtersbacher Messe dieses Jahres. Hier zeigte er, wie über das Birkenreisig die „Kringel” geschlagen werden. Eine Spezialität aus Kassel ist auch „Naujännerin“ (Neujahrsgebäck).

Aus dem Jahre 1313 ist die erste Kapelle bezeugt und deren Erweiterung 1507 aktenkundig. Nachdem Kassel im Jahre 1785 zur eigenständigen Kirchengemeinde erhoben war, baute die Gemeinde von 1789 bis 1790 - nach Abbruch der bisherigen Kirche - ein barockes Gotteshaus. In den Jahren 1903 - 1904 wurde die Kirche wiederum erweitert. Nach Abbruch des Chores entstand die heutige Kreuzkirche, „St. Johannes Nepomuk“. Der alte Dachreiter erhielt in der Vierung seinen neuen Standort und ein neuer Glockenturm von 36 Meter - massiv bis in die Spitze aus Rotsandstein - wurde angebaut. Der Turm trägt vier Glocken mit dem Gesamtgewicht von 2295 Kilogramm. Wegen seiner Einmaligkeit in dieser Gegend steht er unter Denkmalschutz und ist so zum Wahrzeichen von Kassel geworden. Im 13. September 1904 konsekrierte Bischof Adelbert Endert von Fulda die erweiterte Kirche. Am 1. September 1918 wurde Kassel Pfarrkuratie und am 1. November 1919 zur selbständigen Pfarrei erhoben.

Zur Ausstattung der Kirche gehören: der barocke Hochaltar von Christopherus Boos aus der ehemaligen Dominikanerkirche aus Frankfurt, zwei barocke Seitenaltäre, die dem hl. Josef und dem hl. Johannes von Nepomuk geweiht sind. Eine Marienstatue aus dem 18. Jahrhundert, zwei Nepomukstatuen (18. Jahrhundert). ein Kreuzweg (frühes 18. Jahrhundert) und eine Herz-Jesu-Statue (19. Jahrhundert) ergänzen den Schmuck des Gotteshauses. Die Turmkapelle beherbergt einen barocken Altar der Rosenkranzkönigin. Die alte Orgel aus dem Jahre 1901 wurde 1977 durch eine neue Orgel mit 21 Registern von der Firma Bernhard Schmidt (Gelnhausen) ersetzt, wobei der neue Orgelprospekt dem barocken Kirchenraum angeglichen wurde.

Wilm-Hosenfeld-Platz (nordwestlich der Kirche, Spessartstraße 52)

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg kam der Osthesse Willhelm Adalbert („Wilm“) Hosenfeld geboren 1895 in Mackenzell. Er nahm am Ersten Weltkrieg teiul und kam als junger Dorfschullehrer nach Roßbach, später nach Kassel. Sieben Jahre blieb er im Bieberttal. Im Jahre 1927 ging es zurück in die Rhön. Dort fing der Vater vo n fünf Kindern an, sich für die Nationalsozialisten zu begeistern. Er wurde Mitglied der SA, später auch der NSDAP. Kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen verschlug es ihn nach Polen, wo sich Hosenfeld in Warschau bis zum Leiter der Sportschule der Wehrmacht hocharbeitete. Die Brutalität der Kriegsverbrechen müssen den Pädagogen aber so sehr abgeschreckt haben, dass er versuchte, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten mit Juden und Polen zu solidarisieren, deren Sprache er sogar erlernte. Mehr als 30 Menschen soll er unter anderem mit falschen Identitäten das Leben gerettet haben. Im letzten Kriegswinter 1944 entdeckte Hosenfeld in Ruinen den halb verhungerten Wladyslaw Szpilman. Statt den jüschen Komponisten zu verpfeifen, brachte er ihm Essen und Kleidung. Szpilman überlebte.

Aus seinen Memoiren entstand der Stoff (Bestes adaptiert Drehbuch) für den weltberühmten Film „Der Pianist“, den Roman Polanski (Beste Regie) mit Adrien Brody (Bester Hauptdarsteller) verfilmte. Er starb am 13. August 1952 in russischer Kriegsgefangenschaft bei Stalingrad. Danach wurde er 1952 posthum mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ von der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem ausgezeichnet - wohlgemerkt: als ehemaliger Wehrmachtsoffizier!

 

(2) Verkehr in der Vor- und Frühgeschichte:

Welche Route könnte ein überregionaler Verkehrsweg gehabt haben? Das Ausmaß und die Qualität der verkehrsgeographischen Erschließung mit einem ausgebauten Wegenetz zur Keltenzeit ist nur zu vermuten. Zwischen kleineren oder größeren Siedlungskammern bestand sicherlich ein Netz von mehr oder weniger befestigten Wegen. So dürfte das Befahren solcher Wege mit Wagen nicht überall einfach, mancherorts bei Regen und Schnee unmöglich gewesen sein. Die Birkenhainer Straße war damals ein Hauptverkehrsweg. In ihrer Nähe befinden sich einige Ringwälle, die mit ihr in Verbindung stehen könnten, wie der Hainkeller bei Lützel oder die Schwedenschanze bei Albstadt.

 

Ringwall Alteburg:

Der keltische Ringwall liegt östlich von Kassel über dem Kasselbachtal. Man fährt von Wirtheim auf der Bundesstraße in Richtung Flörsbachtal und biegt links ab nach Kassel. Im Ort kann man an der Kirche rechts abbiegen in Richtung Lanzingen und dann vor dem Geschäft „Zweirad Zeisser“ nach links abbiegen. Man kommt an der Lohmühle vorbei zu einem Parkplatz am Spessarthaus. Von dort geht man die Straße hinauf und auf einer breiten Straße links hinunter. Hier ist der Weg gekennzeichnet durch das Logo des Spessartprojekts und durch einen blauen Falter. Der Weg führt über einen Bach zum ehemaligen Forsthaus, das auf der Karte aber als „Alteburg“ bezeichnet ist (gemeint ist wohl Forsthaus Alteburg). Hier ist der Ausgangspunkt für den Aufstieg.

Man kann aber auch in Kassel links um die Kirche herumfahren und am Bach entlang rechts weiter und aus dem Ort hinaus in Richtung Wochenendhäuser. Wo ein kleiner dreieckiger Ruheplatz mit Büschen ist geht es links weiter. Man kommt zur Günthersmühle, die Naturfreundehaus ist. Mit dem Auto kann man noch ein Stück weiter fahren, bis der Weg gesperrt ist (allerdings ist dort nur eine einzige Parkmöglichkeit. Zu Fuß geht es dann noch ein Stück weiter bis zum Forsthaus.

Hier kann man jetzt vor dem Forsthaus nach links aufsteigen. Das Logo des Spessartprojekts begleitet wieder den Weg. Dieser führt nördlich um den Berg herum. Wo rechts Wege abzweigen, läßt man diese unbeachtet. Erst auf der Ostseite des Berges ist die Sieben-Wege-Kreuzung. Dort steht eine erste Informationstafel über die Kelten in Europa.

Man kann aber auch am Forsthaus geradeaus weiter gehen auf einer breiten Fahrtstraße. Allerdings muß man hier sehr aufpassen, daß man nicht im Tal weitergeht, sondern nach links aufsteigt. Das Logo ist hier nur rechts am Weg zu sehen, das nächste Logo auf dem nach links aufsteigenden Weg ist von dem breiten Weg aus nicht zu sehen, sondern ist verdeckt erst am zweiten Baum angebracht. Aber auch dieser Weg führt zur Sieben-Wege-Kreuzung.

Von dort geht es Richtung Westen auf die Bergkuppe. Dort ist ein Wegweiser nach rechts, der um den Ringwall herum führt zu einer Stelle, wo der Wall rekonstruiert wurde. Dort geht man auf einer Treppe in das Innere des Ringwalls. Dort ist in der Mitte eine weitere Grabung und an der Westseite sind bei einem Tor weitere Suchschnitte. Dann geht es in Richtung Süden wieder aus der Ringwallanlage heraus. Beim Abstieg kann man andersherum um den Berg nach unten gehen.

 

(3) Rekonstruktion der Wallmauer:

Bei Höhensiedlungen wie der Alteburg spricht man von so genannten Zentralorten, weil sich hier häufiger als anderswo Nachweise von Handel und Handwerk finden. Qualitätsvolle Funde lassen darauf schließen, daß sich hier dauerhaft wohlhabende und einflußreiche Personen aufhielten. Auch eine Funktion als politisches oder religiöses Zentrum der umliegenden, bäuerlich geprägten Siedlungen ist denkbar. Die kleine Ausgrabung auf der Alteburg im Jahre 2004 zeigte, daß die Umfassungsmauer mit Steinen verkleidet und später auseinander gebrochen war. Auf einer Breite von 6 Metern hat der Geschichtsverein Biebergemünd in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landesamt für Denkmalpflege die Mauer rekonstruiert.

 

Auf einer Berghöhe zwischen dem Kasselbach und dem Lämmerbach, beides Seitentäler zum Biebertal, liegt etwa drei Kilometer vom Ort Kassel die Wallanlage der Alteburg. Vor allem nach Süden, Westen und Norden fallen die Hänge sehr steil zu den Tälern ab. Der Ringwall umschließt die Bergkuppe und nimmt rund 5,1 Hektar Fläche ein. Vom Wall ist auf weiten Strecken die beachtliche Höhe von bis zu sechs Metern erhalten. Der vor dem Wall verlaufende Graben ist lediglich von den drei Torzugängen unterbrochen. Zwei der Tore sind auf der Südseite als einfache Wallunterbrechungen, das dritte auf der Nordseite als leicht aber dennoch deutlich gegeneinander versetzte Wallenden erkennbar. Der Charakter der Anlage läßt auf eine Entstehungszeit im frühen Mittelalter schließen.

Beobachtungen an Toren und Grabenführung zeigen, daß diese Anlage einem vorgeschichtlichen Wall gefolgt und auf diesem aufgebaut hat. Besonders deutlich wird dies am südöstlichen Tor, an dem verebnete Reste eines Zangentores vorhanden sind. An den Toren im Norden und im Südwesten ist erkennbar, wie die alte Oberfläche verlief, und daß die steile Außenböschung des Walles mit Graben und Außenwall nachträglich vom Fuß einer bestehenden, zum Wall verfallenen älteren Befestigungsmauer aus angelegt worden war.

Die ältere Befestigung kann in die Frühlatènezeit datiert werden, die Anlage in ihrer heute sichtbaren Form in die spätfränkisch/karolingische Zeit. Sowohl die ältere als auch die jüngere Umwehrung bestand aus einer Holz-Stein-Erde-Mauer. Am südöstlichen Tor läßt die Geländeform ein Zangentor erkennen, das auf einen Umbau während der Spätlatènezeit, 2./1. Jahrhundert vCh zurückgeht.

Im östlichen Teil der Anlage verlaufen zwei Wälle mit Gräben quer über die Bergkuppe, von denen aber nur der eine an die Wälle der spätfränkisch/karolingischen Anlage heranreicht und diese etwas überlappt sowie mit seinem Graben in diese einschneidet. Dieses jüngste Erdwerk muß demnach entstanden sein, als die ältere Befestigungsmauer bereits zu einem Wall verfallen war.

Die einfachen, aus dem Material der Gräben aufgeworfenen Erdwälle sprechen für eine schnelle Ausführung bei einer akuten Bedrohung, wofür alle Kriegszeiten in Frage kommen können. Dies kann noch im Mittelalter oder auch in der Neuzeit geschehen sein (Archäologische Denkmäler, Seite 110).

 

(4) Leben auf der Alteburg:

Chronologisch geordnet konnten auf der Alteburg folgende Funde gemacht werden: Neben zwei Abschlägen aus der Jungsteinzeit wurde auch eine Scherbe der Glockenbecherkultur gefunden. Die nach der Form ihrer Gefäße benannte Kultur datiert in das dritte Jahrtausend vCh am Übergang zur Bronzezeit. Spätestens in dieser Zeit haben sich Menschen auf der Alteburg aufgehalten. Im Südwestteil der Anlage stieß man auf eine 10 bis 20 Zentimeter dicke Brandschicht mit verkohlten Holzresten, die durch die Bestimmung ihres Gehaltes an radioaktivem Kohlenstoff auf einen Zeitraum um 500 vCh datiert werden konnten und damit genau in den Zeithorizont des in der benachbarten Wetterau gelegenen Fürstengrabes vom Glauberg reichen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Anlage in ihrem heutigen Umfang ausgebaut.

Reste römischer Gefäße, die im 4. bzw. frühen 5. Jahrhundert nCh hergestellt wurden, beweisen eine Nutzung der Alteburg in spätrömischer Zeit. Auch einige Scherben der handgemachten Keramik gehören vermutlich in diese Zeit und belegen eine von Germanen besiedelte Anhöhe. In den sich über die Fläche der Alteburg ziehenden Querwällen fanden sich mehrere große verkohlte Holzstücke, die auf die karolingische Epoche (das 8. Jahrhundert nCh datiert werden konnten.

 

(5) Mensch und Kulturlandschaft:

Der aufgelassene „Blaue Steinbruch“, der sich hinter dieser Tafel befindet, wurde noch 1965 als gut zugängliches geowissenschaftliches Exkursionsziel aufgeführt. Heute ist er völlig zugewachsen. Der anstehende Basalt wurde unter anderem 1875 für den Wegebau bei der Errichtung der Fernwasserleitung nach Frankfurt genutzt. Im Südteil des Steinbruchs steht oben gut gebankter roter Sandstein mit vertikaler Klüftung an, die von der thermischen Beanspruchung des Gesteins durch die aufdringende Gesteinsschmelze herrührt. Die Wasserleitung hat eine Länge von 60 Kilometern und führt etwa zehn Prozent des Wasserbedarfs der Stadt Frankfurt heran (siehe unten).

Der in der Umgebung dominierende Buntsandstein bringt nur einen nährstoffarmen Boden hervor, auf dem vor allem die Heidelbeere gedeiht, die früher regelmäßig von den örtlichen, auf ein Zubrot zum unrentablen Ackerbau angewiesenen Bauern geerntet wurde. Mit der Armut der Bevölkerung und mit dem Untergang der „Alteburg“ befaßt sich die Sage vom „Happes-Kippel“.

 

(6) Kasseler Geschichten: Der Name Kassel leitet sich vermutlich vom lateinischen Wort „castellum“ ab, wohl in Verbindung mit der benachbarten Alteburg. Kassel bzw. „Cassela“ wird urkundlich erstmals im Jahre 976 genannt. Damals übertrug Kaiser Otto II. das Gericht Wirtheim mit den Dörfern Wirtheim, Kassel und Höchst dem neu gegründeten Stift St. Peter und Alexander in Aschaffenburg. Gericht und Pfarrei waren mehrere Jahrhunderte vom Stift Aschaffenburg abhängig. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel kam Kassel schließlich 1945 zu Hessen.

 

Trinkwasser:

Seit über 125 Jahren fließt Trinkwasser aus dem Spessart in die Großstadt Frankfurt. Ein großer Teil kommt aus dem in der Gemeinde Biebergemünd gelegenen Kasselgrund, der seit 1873 mit einer 66 Kilometer langen Wasserleitung mit Frankfurt verbunden ist. Bei der Wanderung stößt man an mehreren Stellen auf die heute noch voll funktionstüchtigen Anlagen für die Wassergewinnung im Stil der Gründerzeit.

Ausgangspunkt ist Lanzingen. Von der Bushaltestelle etwas außerhalb der Ortschaft an der Bundesstraße B 276 geht man in den Ort und nimmt am „Lanzinger Brunnen“ die Spur der Wegmarkierung auf, das rote Kreuz. Nach links auf der Breitenborner Straße läuft man weiter durch Lanzingen, überquert nach der Bieberaue den bewaldeten Bergrücken und steigen dann wieder hinab in den Kasselgrund.

Kurz nach dem Parkplatz Kasselgrund (Punkt 1) beginnt der sechs Kilometer lange Abstecher durch den Kasselgrund. Ohne Wegmarkierung (das rote Kreuz biegt nach links zum Kassel­bach ab; auf diesem Weg erreicht man schnell die Günthersmühle) läuft man auf der Forststraße weiter geradeaus und sieht dann die Frankfurter Wassergewinnungsanlagen.

Nach drei Kilometer Forststraße (Punkt 2, unmarkiert) biegt man von der Forststraße ab (wer den Stolleingang Kasselgrund erblickt, ist zu weit gelaufen), legt an dem kleinen Weiher vielleicht eine kleine Rast ein und schlägt einen weiten Linksbogen und läuft auf der gegenüberliegenden Talseite zurück, bis man an Punkt 3 wieder auf das rote Kreuz stößt. Grenzsteine mit dem Mainzer Rad zeigen an, daß der Kasselgrund lange Zeit auf kurmainzer (und später bayerischem) Gebiet lag.

Neben dem roten Kreuz ist ein Schmetterling markiert (nicht dem roten Kreuz, es führt nach Bad Orb). Ihm folgt man weiter geradeaus. Bald nach Verlassen des Waldes kommt man an der Günthersmühle vorbei. Neben dem Dauercampingplatz unterhalten die Offenbacher Naturfreunde dort seit vielen Jahren einen „Wander- und Freizeitstützpunkt“.

Auf der Fahrstraße läuft man dann zum Biebergemünder Ortsteil Kassel, zunächst am mitten durch den Ort fließenden Kasselbach entlang, anschließend auf der Spessartstraße. Die erste Bushaltestelle befindet sich bei der Kirche, die zweite am Ortsausgang ganz in der Nähe der Gaststätte „Zur Spessartbahn“. Ihr Name erinnert an die Zeit, als eine Kleinbahn durch den Biebergrund fuhr, zunächst um die Erze aus dem Bieberer Bergbau, später auch Personen in das Kinzigtal zu befördern. Die Bushaltestelle heißt heute noch „Kassel-Bahnhof“.

Kurzwanderung: Man begnügt sich mit der Rundwanderung ab dem Wanderparkplatz Kassel­grund (Punkt 1). Von der Günthersmühle führt der mit einem Schmetterling markierte Rundwanderweg zum Parkplatz zurück. Den Parkplatz erreicht man, wenn man in Kassel auf der Spessartstraße durchquert und dann links in die Villbacher Straße abbiegt (Kinzig, Seite 66).

Während die alten Erzschächte nicht oder kaum mehr begehbar sind, werden dennoch zweimal im Jahr Stollenwanderungen angeboten, bei denen es sich um Wasserfördergänge handelt, die vor 125 Jahren gegraben wurden.

 

 

 

Bieber

Der Name Bieber leitet sich von „Bibraha“ her, worin einerseits die „Au“ steckt, also eine Niederung, in der das Wasser nicht ordentlich abfließt. Der Vorderteil des Wortes deutet darauf hin, daß das Wasser aufgrund seines Eisengehaltes eine braune Färbung aufweist. Der Name kommt wohl nicht von dem Tier Bieber, obwohl auf dem Wappen des Dorfes - solange es noch selbständig war - neben Hammer und Schlegel als Symbole für den Bergbau eine „fette Katze mit überfahrenem Schwanz“ prangte, wie man das despektierlich formulierte. Und gesehen wurden die Bieber im Tal auch schon.

Dank seiner Bodenschätze war der Biebergrund wahrscheinlich als erstes Areal in der Gegend von den Kelten besiedelt, möglicherweise schon im fünften Jahrhundert vor Christus. Davon zeugen die vielen Ringwälle in der Gegend. Die Kelten nämlich wußten schon damals um die Nützlichkeit des Eisens zur Herstellung von Werkzeugen und Waffen. In neuerer Zeit ist die Förderung von Erzen schon seit Ende des 15. Jahrhunderts belegt.

Wichtig ist der Biebergrund auch für die Wassergewinnung. Das Tal ist zehn Monate im Jahr feucht. Deshalb hat sich die Stadt Frankfurt hier auch langfristig die Wasserrechte gesichert und einen Stollen aus dem Biebertal in den Kasseler Grund gebaut. Das Wasser kommt zum Teil artesisch aus der Erde, zum Beispiel im Ortsteil Röhrig.

 

Alte Befestigungsanlage:                                                                             

Auf dem Burgberg sind Reste eines Ringwalls zu finden. Er umschließt einen Raum von 350 Meter Länge und 200 Meter größter Breite und hat knapp 4,9 Hektar Größe. Den Zugang findet man, indem man im Ort abbiegt in Richtung Wiesen („Schmelzweg“). Nach 500 Metern geht es links ab in die Straße „Am Burgberg“ und dann rechts weiter um den Galgenberg herum („Anlieger frei“- Straße, Befahren auf eigene Gefahr). An der Moritzkapelle am Hof Burgberg ist eine Parkmöglichkeit. Von dort geht man zu Fuß rund 900 Meter durch das Gehöft und auf Waldwegen entlang der Südflanke des Bergsporns. An einer Wegspinne darf aber dann nicht geradeaus weitergehen zu den Gebäuden am Lochborn, sondern man geht halblinks weiter und dann in einer Spitzkehre nach links auf den Berg. Man muß dabei beachten, daß der Burgberg aus zwei Gipfel besteht. Der höchste im Osten ist 469 Meter hoch, der im Westen ist 451 Meter hoch, dazwischen liegt ein Sattel mit 433 Meter Höhe.

Die Befestigungsanlagen - von denen der Name des Bergs herzuleiten ist - liegen auf dem westlichen Gipfel. Der beschriebene Weg geht über den Sattel und dann nach Westen. Man trifft zuerst auf einen Abschnittswall mit Graben, der „Schanze“ genannt wird. Er zieht mit einer Länge von 120 Metern. Im Norden ist er gerade, im südlichen Teil lenkt er nach Westen ab. Der an der Basis über 10 Meter breite und 4 bis 5 Meter hohe Wall endet auf beiden Seiten am steiler werdenden Hang, am Nordende etwas verflacht. Auch der 5 bis 7 Meter breite, maximal noch 1,50 Meter tiefe Graben läuft an den Steilhängen wieder aus.

Zur Zeitstellung der Befestigung geben bisher keinerlei Funde Auskunft. Ein großer Grabungsschnitt durch die Mitte des Abschnittswalles - der wahrscheinlich in den fünfziger Jahren widergesetzlich und ohne entsprechende Meldung von einem Forstmeister angelegt wurde - ist nicht auswertbar. Fritz-Rudolf Herrmann datiert sicher zu Recht den Abschnittswall aufgrund seiner Bauform und Geländelage in das frühe Mittelalter, mindestens in das 10. Jahrhundert. Er stellt einen eigenständigen Befestigungsteil dar, doch ist eine auch zeitliche Verbindung mit der Randbefestigung nicht auszuschließen.

Zu dieser Befestigung an den Bergflanken kommt man, wenn m an von der Schanze in westlicher Richtung weiter geht, auch wenn dort keine sichtbare Verbindung besteht. Man kann auch an der Wegspinne den Weg im rechten Winkel hochgehen. Dieser biegt dann nach Westen ab und verläuft dann oberhalb der Befestigung.

Die Randbefestigung könnte nach ihrer Bauart der Überrest eines vorgeschichtlichen Ringwalles sein. Sie ist vor allem an der Süd- und Westseite erhalten, an der Nordseite nur in Abschnitten. Sie zeigt sich im Süden nur teilweise noch als flacher Wall, wobei das Baumaterial der ursprünglichen Mauer aus einem Materialgraben hinter ihr entnommen wurde, und ist hier wie im Westen meist nur als Terrasse ausgeprägt. Im Norden finden sich nach der Umbiegung von Westen her nur Anhaltspunkte für den Zug der Befestigungslinie durch schwache Absätze im Gelände und Terrassenstufen, die aber kein einheitliches Bild ergeben. Wie schon zu Beginn des Jahrhunderts - als C. L. Thomas erstmals den Umfang der Anlage feststellte - macht auch heute wieder dichter Bewuchs eine eindeutige Klärung unmöglich.

Dies gilt besonders für die Stelle des im Norden angenommenen Tangential-Tores, dessen Situation momentan kaum nachvollziehbar ist. Ein Tor liegt dagegen offenbar im Südwesten mit einer breiten Lücke zwischen deutlich gegeneinander versetzten Wallenden. Auffällig ist zudem eine Stelle im Süden, an der der Wall leicht geknickt erscheint und für eine später zugesetzte, etwa vier Meter breite Toröffnung spricht.

Für die Wasserversorgung nutzbare Quellen treten erst tief am Hang aus, wo das Sandsteinmassiv des Berges auf der wasserundurchlässigen Bröckelschieferschicht aufliegt. Eine Quelle entspringt nahe dem Burgberger Hof, zwei andere - von denen eine nach Thomas den Namen „Hainborn“ trägt - am Nordwestfuß des Berges, jeweils etwa 200 Meter vom Ringwall entfernt.

Wieweit die Befestigung außer ihrer Mittelpunktsfunktion bei der Kolonisation des Umlandes schon mit frühem Eisenbergbau zusammenhängt, ist gänzlich unsicher. Es gibt keinen (!) Beleg für vormittelalterlichen Bergbau, der überhaupt erst seit dem Beginn der Neuzeit 1494 urkundlich genannt ist. Dagegen könnte viel eher eine Verbindung zu der am Fuße des Bergspornes liegenden Mauritiuskirche (Moritzkapelle) und dem Burgberghof bestanden haben (Führungsblatt 108 und Archäologische Denkmäler, Seite 108).

 

Burgbergkirche

Was für den frühen Burgen- und Festungsbau galt, daß ein einmal gewählter Punkt in einem Landstrich sich auch in folgenden Jahrhunderten strategisch bewährte, hatte schon wesentlich früher im Zuge der Christianisierung Erfolg: Kirchen an der Stelle heidnischer Kultstätten zu errichten. Noch heute läßt sich mancherorts die Entstehungsgeschichte eines Gotteshauses bis zu diesen Ursprüngen zurückverfolgen, zum Beispiel bei der Burgbergkapelle: Sie soll errichtet sein auf den Ruinen einer altheidnischen keltischen Opferstätte.

Der als „Moritzkapelle“ und vor allem „Burgbergkapelle“ bekannte Sakralbau ist die älteste Kirche in Bieber. Sie thront in 350 Meter Höhe gegenüber dem Galgenberg, auf dem einst Missetäter ihr unrühmliches Ende fanden. Der ältesten Urkunde zufolge soll eine Burgbergkirche im 11. Jahrhundert erbaut worden sein. Der älteste Teil des heute noch existierenden Gebäudes ist der zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert entstandene rechteckige Chor. Erst viel später, wahrscheinlich im 14. Jahrhundert, wurden das Schiff und die Sakristei angebaut, die sich auch deutlich im Stil absetzen. Auf dem Dachreiter befindet sich ein schmiedeeisernes Kreuz, das wohl noch dem 15. Jahrhundert zuzuschreiben ist. In der Burgbergkirche befand sich eine kleine Glocke aus dem 15. Jahrhundert, die im Ersten Weltkrieg abgeliefert werden mußte.

Die Kapelle wurde dem Hl. Mauritius geweiht und hieß lange die „Moritzkapelle“. Der Heilige Mauritius als Patron wird schon seit dem frühen Mittelalter verehrt. Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich die Moritzkapelle zu einer bedeutenden Wallfahrtskapelle zur Verehrung der Mutter-Gottes. Der Hochaltar mit einer wertvollen Madonna mit dem Jesuskind (1730), die beiden Seitenaltäre mit der Darstellung des Hl. Mauritius (rechts) und des Hl. Bonifatius mit den 14 Nothelfern (links) sowie die auf Konsolen stehenden Statuen der Hl. Thekla und des Hl. Nepomuk (um 1750) und des Hl. Wendelin (um 1770), verdienen besondere Beachtung. Heute ist sie eine Kapelle mit den 14 Nothelfern. Zu der mauerumwehrten kleinen Kirchenanlage mit steinernem Eingangsbogen gehörten auch Pfarrhaus und Schule.

In der wechselvollen Geschichte wird die Kapelle unter den Hanauer Herren lutherisch, unter Mainzer Landesfürsten wieder zur katholischen Kirche und 1684 um ein Schulhaus erweitert. Bis 1849 mußten die katholischen Schulkinder den beschwerlichen Aufstieg auf den Berg zurücklegen.

Die abgelegene Pfarrei rief auch Diebsgesindel auf den Plan. Im Jahre 1830 hatten es drei maskierte Räuber auf die Kirchenkasse abgesehen, genauer auf eine Einnahme von 200 Gulden, die der Pfarrer aber wohlweislich schon auf die Kasse in Orb gebracht hatte. Der Überfall mißlang im doppelten Sinn. Nicht nur; daß kein Geld mehr vorhanden war, die Männer wurden auch verprügelt und ein abgerissenes Ohr blieb zurück, wie es in den Aufzeichnungen heißt. Zudem wurden sie vom Wachhund des Pfarrers „übel zugerichtet“. Im Jahre 1844 benötigte der Geistliche bei einem Überfall mehr Glück und entging nur durch die Geistesgegenwart seiner Dienstleute dem Tod, ist in Kirchenakten nachzulesen.

Schließlich wurde direkt in Bieber 1852 bis 1854 die heutige Kirche „Mariae Geburt“ errichtet. Der Bau verschlang das ganze Vermögen der Pfarrei und beschleunigte den Verfall der Burgbergkapelle. Schon zwei Jahre später werden die Wände in Bauakten als ekelerregend verschimmelt beschrieben, nach Regenwetter bleiben durch die verwitterte, von Mäusen durchlöcherte Mauer fingerdicke Wasserlachen auf dem Boden zurück, die Orgel war unbrauchbar geworden. Im Jahre 1860 fällt das Tor am Totenhof ein, 16 Jahre später wird dieser geschlossen und ein neuer Friedhof im Dorf angelegt.

Nach verschiedenen Ausbesserungsarbeiten folgt 1907 eine umfassende Sanierung. Ein Jahr später steht das Projekt auf der Kippe. Die Sakristei ist bereits abgerissen und die Fenstergewandungen herausgebrochen, da tauchen zwei Fotografien auf, die vom gotischen Baustil der Kapelle zeugen. Mit geänderten Plänen versucht man das äußere Erscheinungsbild möglichst zu erhalten. So wird etwa das barockisierende Hauptportal kurzerhand ins Innere verlegt.

Eie zweite Restaurierung erfolgt in den siebziger Jahren. Für rund 60.000 Mark werden die von Wurmfraß und Fäulnis zersetzten Altäre konserviert und im Mai 1972 ins Gotteshaus zurückgebracht. Auch Dach, Drainage, Außenwände und die Sandsteineinfriedung werden überarbeitet. Der im 18. Jahrhundert entstandene Hochaltar mit der gemauerten Mensa und die beiden Seitenaltäre bereiten erneut Probleme.

Der Verfall der Bausubstanz war sehr weit fortgeschritten, als die kleine katholische Kapelle im Jahr 2000 für die Nutzung gesperrt werden mußte. Die Luftfeuchte in der Kapelle begünstigt den Holzwurmbefall, der Substanzverlust ist bereits wieder erschreckend fortgeschritten. Über dem linken Seitenaltar ist ein Teil der Decke heruntergebröckelt. Dachziegel und der ursprüngliche Kalk Zementputz sind mürbe. Über dem Altarbild des heiligen Bonifatius und der 14 Nothelfer bröckelt der Putz. Die Decke ist mittlerweile notgesichert. Bei früheren Sanierungen verwendete Dispersionsfarben haben dem Bau noch zusätzlich zugesetzt. Umgehend verständigten sich Land und Bistum, Gelder für das Kulturdenkmal bereitzustellen.

Insgesamt 350.00 Euro sollen nach einer aktuellen Bestandsaufnahme möglichst bis Ende 2003 in die Aufarbeitung der Altarbilder sowie Renovierung von Außenfassade und Innenraum fließen.

In der Zeit von 2000 bis 2006 wurde unter Beteiligung des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, der politischen Gemeinde und der Diözese Fulda unter der Leitung des Architekten Klaus Trageser die Kapelle innen und außen einschließlich der Außenanlagen und Einfriedungsmauer nach dem Vorbild der Barockfassung von 1730 von Grund auf saniert und die denkmalgeschützten Einrichtungsgegenstände behutsam restauriert oder - wo es nötig war - ergänzt.

Zu besonderen Anlässen und Feiertagen strömen auch heute noch Hunderte von Wallfahrern aus nah und fern zu diesem interessanten Gotteshaus der Gemeinde. Im Sommer ziehen bis heute Prozessionen aus dem Spessartdorf den halbstündigen Weg hinauf zur Mauritiuskapelle, die zugleich eine beliebte Trauungsstätte ist.

In einem Gespräch erläuterte Pfarrer Konrad Desch die Bedeutung der Sanierung, die ein Stück der Kirchen- und Menschheitsgeschichte erhält und bewahrt, wie folgt: „Die Barockausstattungen sind in einer Zeit entstanden, in der es den Menschen anders ging als heute. Die Pest wütete und nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges war alles zerstört.” Einer der Gründe, warum die Altäre so üppig mit Gold und verschnörkelten Ornamenten verziert wurden, war laut Pfarrer Desch die Tatsache, daß der Mensch in seiner Verzweiflung nach einem Sinn und Ort suchte, der das karge Alltagsleben ausglich. „Man verlieh damit der Hoffnung Ausdruck, daß es eine Welt gibt, in der alles anders ist. Die Menschen wollten sich ein Stück Himmel auf die Erde holen, deshalb wachte auch das symbolisierte Auge Gottes über der Marienstatue. Das vermittelt das Gefühl der Gottesgegenwart. In dieser schweren Zeit wollten die Menschen seine Nähe spüren!“

 

Bergbau:

In dem Tal der Bieber tritt der den Sandstein unterlagernde Zechstein zutage, dessen Erzführung ausgebeutet wurde. Über das Alter des Bergbaues ist nichts bekannt. Seit der Keltenzeit wurde im Bereich des Bieberer Burgbergs Brauneisen abgebaut. Um 1490 besaßen Hanau und Mainz die Gruben gemeinschaftlich. Die erste Bergordnung ist von 1494. Die Ausbeutung der Kupfer-. Blei-, Kobalt- und später auch Eisenerzvorkommen war zunächst an Privatunternehmen vergeben. Doch diese kamen meist mit viel Geld, gingen aber leer heim.

Seit 1546 war Hanau Alleinbesitzer. Im Gebiet Bieber loderten über Jahrhunderte die Flammen der Bieberer Schmelz, der Kupfer-, Silber- und Eisenhütten, wenn auch anfänglich nur in sehr geringen Erträgen. Im Dreißigjährigen Krieg war Bieber völlig ausgestorben, nur wenige Familien kehrten nach dem Krieg aus den Wäldern zurück. Deshalb brauchte man Auswärtige, um den Bergbau zur Blüte bringen zu können. Sie kamen vor allem aus dem Nordelsaß, aus dem „Hanauer Land“. Auch Hammerschmiede kamen von dort. Der Ortsteil Röhrig war ein reines Bergarbeiterdorf.

Auch Frauen waren im Bergbau tätig, im Pochwerk oder in der (Erz-)Wäscherei. Auch Kinder ab dem zehnten Lebensjahr gingen ins Bergwerk. Erst seit 1700 wurden die Eisenerze gefördert und verhüttet. Als nach dem Anfall der Grafschaft Hanau die Landgrafschaft Hessen-Kassel im Jahre 1737 Landesherr wurde, kamen die Betriebe zu wirklicher Blüte. Jetzt übernahm der Fiskus de Bergbau.

Eng verbunden mit dem Aufschwung des Ortes war der Bergmeister Johann Heinrich Cancrin (latinisierte Form von „Krebs“, zeitweise auch französisch ausgesprochen, weil das vornehmer klang). Er führte eine Reihe neuer Techniken ein, um Förderung und Verhüttung von Eisen, Nickel, Silber, Kupfer, Blei und Kobalt zu rationalisieren.

Unter Leitung von Johann Heinrich Cancrin stieg in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Zahl der Beschäftigten von 12 auf 500. Durch die Bergfachmänner Cancrinus, Vater und Sohn, wurden die Gruben, Aufbereitungsanlagen und Hüttenwerke verbessert und erweitert. Die Nachfolge Johann Heinrich Cancrins trat sein Sohn Franz Ludwig an, der Erbauer der Wilhelmsbader Kuranlagen. Die im Bergbau erworbenen Fertigkeiten kamen ihm beim Bau seines technischen Meisterwerks, dem Wilhelmsbader Karussells, zugute.

Das aus den erzführenden schwarzen Kupferletten gewonnene Kupfer enthielt auch Silber, das in der Hanauer Münze ausgeprägt wurde. Der Bieberer Silbertaler galt als amtliches Zahlungsmittel. Im Bereich Burgberg und Lochborn wurde Kobalt gefördert.

Störend war das sich in den Gruben ansammelnde Wasser. Mit Hilfe der „Künste“ - bis zu 13 Meter Durchmesser große durch Wasserkraft angetriebene große Räder - wurde das Grubenwasser abgepumpt. Um auch im Sommer genügt Wasser zu haben, um die „Künste“ anzutreiben, wurde1765 der Wiesbüttsee künstlich angelegt, der größte See im Spessart.

Im Jahre 1812 erhielt Pauline von Guastella, die Schwester Napoleons, die „Gewerkschaften“ von Bieber, das heißt vor allem den Ertrag der Gruben. Wieviel Geld die Bergwerke abwarfen, zeigt eine Rechnung für die Blauwerke (Farbwerke) in Mottgers, die sich auf 30.000 bis 40.000 Gulden beliefen.

Der Heidelberger Professor der Mineralogie Blum (ein gebürtiger Hanauer) entdeckte in den Kupferletten ein bis dahin unbekanntes Mineral, arsensaures Magnesium, das er 1861 in den Berichten der Wetterauischen Gesellschaft beschrieben und zu Ehren das damaligen Direktors der Gesellschaft „Rößlerit“ nannte.

Als Kurhessen preußisch wurde, begann in Bieber der Eisenerzabbau im großen Stil. Das Erz aus Bieber war aber zu arsenhaltig und deshalb zu spröde. Deshalb wurde es mit der 1885 errichteten Spessartbahn nach Gelnhausen und von dort Richtung Rheinland und Siegerland befördert und mit anderem Erz gemischt. Letzter Pächter der Bieberer Gruben war die Firma Krupp, die den Erzabbau 1925 einstellte (Kinzig, Seite 30).

In Clausthal-Zellerfeld lagern 34 Bände Akten über Bieber. Ein großer Teil handelt vom Fruchtmagazin, in dem man Getreide aufbewahrt hat, bis man einen guten Preis dafür erzielen konnte. Es wird auch deutlich, daß die Bergkasse oft Darlehen gegen geringen Zins vergeben hat, so daß die Bergleute Häuser kaufen konnten und nicht auswandern mußten. Durch die Kredite war es auch möglich 22 Mühlen, zwei Hammerwerke und zwei Bruchwerke bis hin an die Kinzig anzulegen. Im 19. Jahrhundert war Bieber gut ausgestattet mit Bergamt, Hüttenamt, Postamt und sogar einer Apotheke.

Auch heute noch gibt es immer wieder Einbrüche von Stollen. Am Ortseingang zum Beispiel hat sich ein zwei Meter tiefes Loch aufgetan. In Röhrig ist einmal eine ganze Scheune verschwunden. Die Firma Krupp hat ja alles gut dokumentiert. Aber aus der Zeit davor gibt es keine Unterlagen.

 

Schneewittchen:

Um sich vor der bösen Schwiegermutter zu retten, floh Schneewittchen also über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, wo es zumindest für kurze Zeit vor der Reichweite des Zauberspiegels sicher war. Hinter den sieben Bergen, das soll nach Ansicht von Märchenhistorikern nichts anderes als der Biebergrund gewesen sein, wo sich das junge Mädchen vor den Nachstellungen der bösen Zauberin versteckte.

Die Forscher oder zumindest die Werbe-Leute, die eine Grimmsche Figur am liebsten in ihrer Stadt beheimatet sehen, lokalisieren das unterfränkische Lohr als Ausgangspunkt dieser Flucht und beanspruchen das Urheberrecht für das Schneewittchen-Märchen für sich. Demnach hätte es sich damals um die Tochter des Stadthalters des Mainzer Kurfürsten, Philipp Christoph von Erthal gehandelt, dessen Gattin im Jahr 1720 verstarb und mit dessen zweiter Frau sich die junge Maria Sophia nicht verstand und deshalb ausriß.

Historisch passen würde zu dieser Geschichte, daß es in Lohr eine Spiegelmanufaktur gab – die Voraussetzung für den Zauberspiegel der Königin. Und dann gibt es da die typisch hügelige Landschaft des Spessarts mit Bergbau und Glashütten. Zwischen Lohr und Bieber sind genau sieben Berge, die Entfernung beträgt 33 Kilometer.

 Die Zwerge, unter denen Schneewittchen Schutz suchte, wären somit Kinder gewesen, die seinerzeit zum Abbau der Erze eingesetzt wurden, um die Stollen niedrig halten zu können. Die Kobaltflöze waren im Gebiet Bieber nur 40 Zentimeter stark. Die Kinder krochen auf der Seite liegend hinein und hackten das Erz ab. An den Fuß gebunden hatten sie den „Hunt“, den Wagen für das Abtransportieren des Erzes. Durch die krumme Haltung und die Arbeit unter Tage waren die Wirbelsäulen oft verkrümmt, die Bergleute gingen mit schrägem Hals umher. Wenn sie abends mit ihren Kapützchen auf dem Kopf (ihr „Schutzhelm“) mit ihren Laternen heimkamen, sahen sie sicher so aus, wie man sich Zwerge vorstellt.

Die Lohrer haben sich beschwert, daß auch Bieber Werbung machten mit Schneewittchen. Aber die Bieberer haben ihnen nur geantwortet: „Hättet ihr sie nicht vertrieben, wäre sie bei euch geblieben!“ - Von der Zweigstelle des Rathauses führt auch die jährliche Schnee­witt­chenwanderung nach Lohr, die der Verkehrsverein seinen Besuchern anbietet.

 

 

Rundgang durch Bieber:

Nachdem man am Ortseingang die Bieber überquert hat und die Straße scharf nach links abbiegt, geht es rechts in die Bahnhofstraße. Dort ist ein kleiner Parkplatz, der Ausgangspunkt des Rundgangs. Auf der Durchgangstraße geht man über die Brücke und kommt zum alten Ortszentrum.

 

Amtsgericht:

Links steht das, das 1866 an der Stelle des alten Amtshauses errichtet wurde, als Kurhessen preußisch wurde. Im Jahre 1932 wurde das Amtsgericht aufgelöst und bis 1996 wurde es als Forstamt genutzt. Das Nebengebäude wurde 1860 als Gefängnis erbaut und hatte im Untergeschoß drei Zellen und im Obergeschoß die Wohnung des Gerichtsdieners. Seit 1986 dient es als Museum, zunächst für das Forstmuseum, das heute in der Alten Fasanerie Klein-Auheim untergebracht ist, dann für das Biebergrundmuseum. Themen der Ausstellung sind Trachten, Glasherstellung, Köhlerei, Spessartbahn, Geologie und Bergbau. Zum Beispiel ist ein Sand­stein zu sehen, in dem das Magma von unten durchdringen wollte, es aber nicht schaffte. Die Öffnungszeiten sind an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr.

 

Altes Forsthaus:

Wo heute auf der rechten Seite der Kindergarten ist, standen das alte Forsthaus und die Zehntscheune. Die Straße heißt „Schloßhof“. Der Platz wird wie in vielen anderen Ort auch „der Dalles“ genannt. Der Name kommt wahrscheinlich von dem altfranzösischen Wort „dall“, was soviel wie „Platte“ heißt. Es war die einzige gepflasterte Stelle im Ort, worauf auch der Straßenname „Am Pflaster“ hinweist. Hier war auch dreimal im Jahr Markt.

 

Rathaus:

Ein Stück weiter geht rechts die Straße nach Wiesen ab. Noch ein Stück weiter kommt man zum Bergamt von 1821, das heute Rathaus ist. Im Hof steht eine „Ofensau“, die zusammengebackene Schlacke aus einem Hochofen.

 

Evangelische Kirche:

Wenn man die Hauptstraße weiter geht, kommt man zur heute genutzten evangelischen Kirche. Vorher wurde die oberhalb gelegene Laurentiuskirche von der lutherischen Gemeinde genutzt. Es gab unter der Herrschaft von Hanau und Rieneck und später von Hanau und Mainz nur zwei Konfessionen: Lutheraner und Katholiken (die in die Burgbergkirche gehen mußten). Erst die zugezogenen Bergleute waren reformiert und auf einmal Stören­friede. Sie bauten sich 1766 eine eigene Kirche an der Hauptdurchgangsstraße. Der sich aus der Kirche erst viereckig erhebende Turm achtelt sich zweimal und verjüngt sich so nach oben. Auf der Spitze befindet sich eine eiserne Windrose mit einem Wetterhahn.

Das Schiff ist an drei Seiten mit einer hölzernen Empore versehen, während die vierte Seite über dem Altartisch lediglich mit einer runden Kanzel ausgestattet ist. Acht bleiverglaste einfache Viereckfenster lassen genügend Licht in die Kirche und auf den Altar fallen, der mit einem Kruzifix aus neuerer Zeit geschmückt ist. Die Orgel mit seitlichem Spieltisch hat einen Prospekt, wahrscheinlich noch aus der Erbauungszeit. Die Holzteile der Kirche sind farblich in einem grau-blauen Ton gehalten, während die Wände durch kahles Weiß hervorstechen. Das Gotteshaus wurde 1966 renoviert und dient heute als evangelische Pfarrkirche.

Die Kirche hat aber keinen Friedhof. So konnte es schon einmal vorkommen, daß der lutherische Pfarrer einfach den lutherischen Friedhof abschloß, so daß man erst zum Amtshaus gehen mußte und den Zugang erzwingen mußte. Das alles hörte erst auf, als die Gemeinden 1818 vereinigt wurden. Den zweiten („lutherischen“) Pfarrer gab es aber noch bis 1854. Doch die Gottesdienste wurden jetzt in der oberhalb gelegenen Laurentiuskirche gehalten. Doch die reformierte Kirche wurde auch nicht den Katholiken überlassen, so daß diese sich eine eigene Kirche bauten. Die Kirche wurde nicht mehr genutzt und war im Zweiten Weltkrieg Abstellraum für die Möbel der Evakuierten.

 

Katholische Kirche:

Auf der Straße geht man noch ein Stück weiter. Links sieht man die katholische Kirche liegen. Bis zum Jahre 1660 waren die Bieberer Katholiken ohne Kirche. Erst in diesem Jahr bekamen sie ihre Burgbergkapelle als Pfarrkirche wieder zurück. Dort bauten sie sich auch eine eigene Schule, so daß werktags die Schüler und sonntags alle Katholiken den weiten Weg bis zum Burgberg zurücklegen mußten. Dieser Zustand dauerte fast 200 Jahre. Bis 1854 mußten sie warten, bis sie wieder eine eigene Kirche im Dorf hatten: Sie bauten eine neue Kirche mit Namen „Mariä Geburt“, die jüngste der Bieberer Kirchen. Im Jahre 1876 erhielten die Katholiken oberhalb ihrer neuen Kirche einen neuen Friedhof, so daß die Beerdigungen nicht mehr an der Burgbergkapelle vorgenommen werden mußten.

Der viereckige Turm, der weiter oben sich abgesetzt verjüngt, hat einen spitzen Helm. Das aus Sandstein gebaute Längsschiff hat sechs große Rundbogenfenster, die das Innere ausreichend erhellen. Der Chorraum ist geprägt durch einen älteren und einen neueren Altartisch. Über dem älteren Altar befinden sich drei kleinere farbig gestaltete Rundbogenfenster. Über dem neueren Altar hängt ein fast überlebensgroßes Kruzifix, das dem Chor eine besondere Note verleiht. Am Übergang zwischen Schiff und Chor ist auf der rechten Seite eine barocke Kanzel mit Figuren der vier Evangelisten. An der Wand ist die Gesetzestafel mit den zehn Geboten angebracht. Auf der linken Seite steht eine wunderbare Madonna mit dem Jesuskind. Im Ersten Weltkrieg wurden ihre Glocken zum Bau von Kanonen beschlagnahmt.

Das Gotteshaus wurde 1972 renoviert. Rund um die Wände sind die modernen Kreuzwegstationen aus Holz geschnitzt. Auf der Empore aus Holz steht eine moderne neue Orgel mit altern Prospekt, die nach der letzten Renovierung 1978 angeschafft wurde.

 

Horasmühle:

Ein Stück weiter auf der Straße kommt man zur Horasmühle auf der linken Seite. Sie ist die einzige erhaltene Bieberer Mühle und hat auch noch ein Mühlrad das sich dreht. Im Jahre 1720 wurde sie als unterschlächtige Getreidemühle erbaut, aber 1743 zur wirksameren oberschlächtigen Mühle umgebaut. Erst 1960 wurde sie stillgelegt. Am „herrschaftlichen“ Aufgang mit Treppen nach zwei Seiten sieht man noch den ursprünglichen Türabschlußstein mit dem Wappen „MH“ für Horas und dem Wappen der Ehefrau. Ein Horas wird 1754 als Eigentümer der Mühle genannt. Hier wurde auch Brot gebacken und verkauft. Das Haus gegenüber (Nummer 51) war der alte Kindergarten.

 

Apotheke:

Auf dem Rückweg kommt man links an der Apotheke vorbei, die 1828 von dem Naturwissenschaftler Johann Heinrich Cassebeer (1784 - 1850) gegründet wurde. Er war aus Gelnhausen nach Bieber gezogen. Seit 18354 befindet sich die Apotheke in diesem Haus.

 

Gaststätte „Zum Hirsch“:

Dann geht man das Kirchgäßchen hoch. Rechts steht die ehemalige Gaststätte „Zum Hirsch“, das älteste Haus in Bieber, erbaut im Jahre 1539. Über der Kellertreppe auf der rechten Seite sieht man das Kondominatswappen, das an die gemeinsame Herrschaft von Hanau und Rieneck erinnert. Als die Linie Rieneck - Rothenfels 1333 ausstarb, erhielt Hanau deren Hälfte. Als auch die zweite Rienecker Linie 1559 ausstarb, übten bis 1684 Hanau und Mainz die Herrschaft gemeinsam aus. Das Haus war wahrscheinlich auch Amtshaus. Später war es Gaststätte mit angebautem Saal, aber 1924 wurde es letztmals als Gaststätte genutzt. Schräg gegenüber das Haus mit den blaugrauen Schindeln war das alte Pfarrhaus. Nach rechts kommt man zur Laurentiuskirche, die heutige evangelische Friedhofskirche.

 

Friedhofskirche:

Die Friedhofskirche dürfte ihrem Baustil nach im 12. Jahrhundert errichtet worden sein. Ihr eigentlicher Ursprung ist unbekannt. Zum Kirchenpatron wählte man den Hl. Märtyrer Laurentius (daher auch „Laurentiuskirche“ genannt). Wie viele Kirchen in der damaligen Zeit war sie eine Wehrkirche, eine Langhauskirche mit Sakristeianbau und einem Wehrturm mit einfachen Schlitzscharten. Schon im Jahre 1339 wurde sie zu einer Totenhofkirche. Nach der Reformation im Jahre 1568 gingen die Burgbergkirche und die Laurentiuskirche in den Besitz der protestantischen Gemeinde von Bieber über; eine katholische Gemeinde Bieber gab es nicht mehr. Seit 1588 ist die Kirche lutherisch.

Im Jahre 1636, während des Dreißigjährigen Krieges, brannte die lutherische Pfarrkirche bis auf den Chorraum und die Sakristei ab. Im Jahre 1660 wurde sie wieder aufgebaut, in den Jahren 1756 - 1758 umgebaut und nach Süden erweitert. Der lutherischen Kirchengemeinde wurde 1722 von sieben Hanauer Gewerken ein Kelch und eine Patene aus Bieberer Silber gestiftet. Nach der Hanauer Union 1818 wurde die Laurentiuskirche zur Hauptgottesdienstkirche der evangelischen Christen. Nach einer Renovierung im Jahre 1966 wurde sie wieder Friedhofskirche des evangelischen Friedhofs, die Sakristei wurde zur Leichenkammer. Im Jahr 1972 wurde die Kirche offiziell ihrer schon früheren Bestimmung übergeben und innen und außen erneuert.

Der Turm wurde schon restauriert. Der alte Eingang ist nach Osten zu. Rechts vor der Kirche stehen alte Grabsteine: Der linke erinnert an Jakob Nord, geboren 1657 in Hanau, gestorben 1720 in Bieber, nachdem er 40 Jahre lang Scharfrichter war. Der Stein in der Mitte erinnert an eine Frau Wannenmacher, deren Großvater Amtmann war.

Das Querschiff im Westen wurde 1728 angebaut. An der Westseite des Kirchhofs kann man noch ein Stück der alten Wehrmauer sehen. Man geht aber nach oben über den Friedhof und durch das obere Tor. Vor diesem war früher eine tiefe Hohle, die durch organische Abfälle aufgefüllt worden war.

 

Auf dem Weg zum Burgberg:

Weiter geht es auf dem geteerten Weg zum Burgberg. Hier hat man einen schönen Blick auf den Ort. Nach Süden liegt der Galgenberg, der früher unbewaldet war und heute noch einige Terrassen hat. Ob hier allerdings der Apotheker Cassebeer seine Weinberge angelegt hat, ist doch sehr fraglich, weil es sich um die Nordseite handelt.

Man geht bis zu der Stelle, wo wieder ein geteerter Weg nach unten abgeht. Ein Stück weiter oben auf dem bisherigen Weg sieht man noch den Zechsteinaufschluß am Kulturweg. Dort war auch der Kalkofen. Nach unten aber kommt man an einem alten Stolleneingang auf der linken Seite vorbei, das Mundloch des oberen Kalkofenstollens, der 100 Meter bis vor Ort lang war.

Man gelangt auf die Straße „Im Streitfeld“ und kommt zur Straße „Zum Burgberg“. Hier ist links der Stolleneingang des Berthastollens, der 19068 von der Firma Krupp angefangen wurde. Er sollte die Luftversorgung und Entwässerung des Reviers Lochborn und Burgberg verbessern und die Verbindung mit dem oberen Maschinenschacht herstellen. Es wurden mehr als drei Kilometer Gleise in dem Schacht verlegt, über die eine benzolbetriebene Lokomotive die Erze zur ehemaligen Ladestation am  heutigen Festplatz zog. Bei Stilllegung der Gruben im Jahr 1925 war der untere Maschinenschacht erreicht.

 

Schmelz:

Die Straße führt abwärts zum „Schmelzweg“, der in das Lochborner Tal hineinführt. In diesem Tal befindet sich ein geologisches Fenster, weil hier eine Verwerfung entstand und eine Schicht ans Tageslicht kam, die sonst 130 Meter tiefer liegt. Nur in diesem Tal ist Bergbau möglich gewesen, nicht im eigentlichen Biebertal.

Das Gelände der „Schmelz“ sieht man schon die ganze Zeit links liegen, durch hohe Mauern abgestützt. Hier wurde das Erz verarbeitet und hier stand auch der Hochofen. Die Bieberer Eisenhütte wurde zunächst mit Rennfeuern betrieben, die 1702 durch den Bau einer Rohhütte mit zwei Krum­öfen und einer Wäsche und einem Rösthaus abgelöst wurde. Der erste Hochofen wurde 1726 angeblasen, dem ein Form- und Gießhaus mit Schlackenpochwerk angeschlossen wurde. Der wesentlich größere Hochofen folgte im Jahre 1824, die die Jahresproduktion auf 20.000 Zentner steigerte. Die Bieberer Hüttenreise dauerte jeweils 18 bis 24 Wochen. Im März 1875 wurde die Hochöfen ausgeblasen und das Hüttenamt aufgelöst (die zweite Informationstafel ist hier nicht erfaßt).

 

„Steinernes Haus“,

In der Straße steht rechts das Hugo-Bücking-Haus, auch „Steinernes Haus“, das Repräsentantenhaus der Firma Krupp. Es ist Ende des 19. Jahrhunderts erbaut und das Geburtshaus von Dr. Hugo Bücking (1851 - 1932). Es war Unterkunft für Inspektoren und hochgestellte Besucher. Hier hat auch Berta von Bohlen und Halbach ihre Ferien verbracht. Hugo Bücking war in Straßburg ein Professor der Geologie, der nach dem Ersten Weltkrieg nach Heidelberg ging und 1922 in Bieber starb.

Bei Erdarbeiten an diesem Haus fand man ein großes Roheisenstück, bei dem es sich entweder um Abbruchmaterial aus dem Hochofen oder um einen Fehlguß mit zu vielen Fremdbestandteilen handelte. Dieser „Findling“ wurde dann auf dem Gehweg vor dem Hüttenamt eingelassen. So weit wie er aus der Erde herausragt, so tief ist er auch in die Erde eingelassen.

Eine Informationstafel mit vielen Bildern berichtet ausführlich über den Bieberer Bergbau, der im 18. Jahrhundert mit ähnlichen Anlagen im Mansfelder Land mithalten konnte. Hier wird auch erwähnt, daß das Eisenerz vorwiegend aus dem Material Goethit bestand.

 

Hüttenamt:

Das nächste Haus ist das Hüttenamt aus dem Jahr 1822, zugleich Wohnung des Bergmeisters und Hüttenvogts- An dem Haus ist noch ein Zaun aus echtem Bieberer Stahl zu sehen ist. Links an der Straße standen auch eine Schmiede und eine Zimmerei, die man für den Bergbau brauchte. Weiter oben steht das äußerlich unscheinbare Bergamt. In Richtung Lochmühle steht die ehemalige Bergmannskapelle, die später als Gemischtwarenladen für die Bergleute diente.

Man geht den Schmelzweg wieder zurück bis zur Hugo-Bücking-Straße. Das Erz wurde von der Schmelz über eine Brücke auf den großen Platz gebracht, auf dem es gelagert wurde, ehe es auf die Eisenbahn verladen und mit der Kleinbahn nach Gelnhausen gebracht wurde. Im Ersten Weltkrieg hat man den Betrieb noch aufrecht erhalten, weil man das Kobalt für die Festigkeit der Kanonen brauchte. Aber 1921 wurde alles eingestellt und 1925 der Betrieb geschlossen.

 

Kasino:

Wenn man auf dem Schmelzweg in das Dorf zurückgeht, steht rechts das Kasino. Es diente der Bieberer Kasinogesellschaft im 19. Jahrhundert als geselliger Treffpunkt. In den oberen Räumen machten es sich die Führungskräfte (Honoratioren und Bergbaubeamte sowie und Besucher) gemütlich. Es herrschte Schweigepflicht in dem Privatclub.

 

Stolleneingang:

Ein Stück weiter in der Straße ist noch ein Stolleneingang. Hier endete der untere Kalkofer Stollen. Er sollte das Wasser aus dem Kalkofer Kupferlettenflöz ableiten, der schon 1494 in Betrieb war. Man erkannte aber bald, daß das Erz dort nicht anhielt und ließ den Stollen wieder liegen.

 

Merzgäßchen:

Nach links geht es in das Merzgäßchen, wo die Bergmannshäuser standen und der so steil ist, daß die Bergleute auf ihrem Leder auf ihr hinunter rutschen konnten. Durch die Bahnhofstraße kommt man wieder zum Parkplatz.

 

 

Rundweg: „Bieberer Acht“ (12 Kilometer)

Bieber nimmt in der Geschichte des Spessarter Bergbaus eine besondere Stellung ein. Aufgrund des sogenannten Bieberer „geologischen Fensters“ treten hier einzigartige Erzvorkommen ans Tageslicht. Daraus entwickelte sich im 18. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert einer der hochentwickelsten Bergbaubetriebe in Deutschland. Die Natur hat sich heute jedoch das Gebiet wieder zurückerobert. „Bergbau und Naturschutz“ heißt das Thema des insgesamt zwölf Kilometer langen Weges. Man kann die Veränderungen in der Kulturlandschaft anhand von acht Stationen über 12 Kilometer verfolgen durch das Naturschutzgebiet Lochborn zum Wiesbüttsee und zurück.

 

(1) Biebergrund-Museum: Themen der Ausstellung sind Trachten, Glasherstellung, Köhlerei, Spessartbahn, Geologie und Bergbau. Die Öffnungszeiten sind an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr. Von Mai bis Oktober wird jeden Dienstag um 18 Uhr eine Führung angeboten. Es kann unter den Telefonnummern 06050 / 3186 oder 2747 aber auch ein Termin vereinbart werden.

Man geht auf der Straße „Am Pflaster“ weiter, über die Straße „Am Römerberg“ geht rechts der Kulturweg ab. Der Weg führt zur Burgbergkapelle. Nachdem nach rechts unten ein geteerter Weg ins Dorf abgezweigt ist und man ein Stück den anderen Weg hochgestiegen ist, ist rechts ein Zechsteinaufschluß.

 

(2) Zechsteinaufschluß: Zechstein wurde an dieser Stelle abgebaut und vor Ort in einem Ofen zu Kalk gebrannt, der im Hausbau und bei der Eisenverhüttung verwendet wurde. Die besondere geologische Situation ermöglicht das Hervortreten des Zechsteins, der zu kalkhaltigem Boden verwittert und somit als Basis für spezielle Tier‑ und Pflanzenarten dient.

 

(3) Burgbergkapelle: Die Burgbergkapelle ist vermutlich an der Stelle eines vorgeschichtlichen Heiligtums erbaut worden. Der heutige Baukörper stammt aus dem späten Mittelalter. In der nächsten Umgebung befinden sich ein vorgeschichtlicher Ringwall sowie die frühesten Spuren des Bergbaus. Möglicherweise wurden die in früheren Zeiten hier gefundenen Erze in einem sogenannten „Rennofen“ geschmolzen.

 

(4) Schachtküppel (östlich des Lochborner Teichs): Einsturzlöcher oder wie hier der sogenannte „Schachtküppel“ verweisen auf die lebhafte Bergbautätigkeit. Der „Schachtküppel“ ist eine Aufschüttung aus Abraummaterial, die als Fundament für die Aufbauten zur Erzförderung diente. Hier wurde vor allem Kobalt gefördert, ein Mineral, das zur Herstellung blauer Malfarben und zur Färbung von Glasschmelzen benutzt wurde.

Ein besonderes hier gefördertes Mineral, wurde 1807 zum ersten Mal beim Bergbau entdeckt und erhielt 1845 von dem österreichischen Geologen Wilhelm von Haidinger den Namen „Bieberit“. Dieses ist ein Kupfervitriol, das sich mit Wasser und Luft versetzt. Es wurde in Bieber entdeckt und bestimmt und erhielt deshalb diesen Namen, aber es ist auch anderswo in der Welt vorhanden. Dass Sulfat ist zusammengesetzt aus Kobalt, Schwefel, Sauerstoff und Wasserstoff (CoSO47H20). Es bildet einen krustigen Überzug auf anderen Materialien, der durch ein Rosarot ins Auge fällt. Ab 40,7 Grad verwandeltes sich in Hexahydrat, das dann nicht einmal mehr Wasser bunt machen kann.

 

(5) Wiesbütt: Das Wiesbütt‑Moor und der Wiesbütt‑Teich sind Überreste menschlichen Eingreifens im Spessart. Pollenanalysen im Moor haben ergeben, daß es sich seit etwa 500 vCh entwickelt, ausgelöst durch die Rodungstätigkeit des Menschen. Der Teich entstand erst im 18. Jahrhundert als Staubecken für wassergetriebene Maschinen, die im Bergbau eingesetzt wurden. Mit ihnen wurden die Stollen belüftet und entwässert.

 

(6) Lochborner Teich: Der Lochborner Teich erfüllt wie der Wiesbütt-Teich den Zweck als Wasserreservoir für die wassergetriebenen sogenannten „Kettenkünste“ (ein zeitgenössisches Wort für „Maschinen“). In der Blütezeit des Bergbaus in Bieber im 18. Jahrhundert stellten die „Kettenkünste“ die modernste technische Errungenschaft dar. Ermöglicht wurde dieser Aufschwung durch die Bergmeister aus der Familie Cancrin, die im Lochborn über 40 Jahre lang wirkten und trotz der geringen Erzgehalte hohe Erträge erzielen konnten.

 

Naturschutzgebiet Lochborn: Der Lochborn von Bieber liegt im Nördlichen Sandsteinspessart in einer Höhenlage von 300 bis 380 Metern üNN und ist 113,79 Hektar groß. Er bezeichnet den oberen Abschnitt des Schwarzbachtales, der im Ortsteil Bieber in die Bieber mündet. Das Gelände um den Lochborn ist historisches Bergbaugebiet. Bereits 1494 wird der Bergbau urkundlich erwähnt. Abgebaut wurden Silber, Kupfer, Blei und in geringem Umfang Eisenerz. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckte man Kupferlettenvorkommen, Brauneisenla­ger und Kobaltrücken sowie ein Schieferflöz mit Kupfer, Blei und hohem Silbergehalt.

Dies führte zu einer Blütezeit des Bieberer Bergbaus, der bis zu 500 Beschäftigte hatte. Eine Schmalspurbahnstrecke, 1885 gebaut, führte vom Lochgrund nach Gelnhausen. Im Jahre 1925 wurde der Bergbau eingestellt. Die über 400jährige Bergwerkstätigkeit hat die Landschaft des Lochgrundes entscheidend geprägt. Noch heute erinnern der Lochborner Teich, zahlreiche Schacht­küppel, Einsturztrichter, Mundlöcher alter Stollen und Schächte sowie Halden an den ehemaligen Bergbau.

Inzwischen hat sich eine große Vielfalt an Biotoptypen herausgebildet, die sonst im vom Buntsandstein geprägten Spessart in diesem dichten Wechsel nicht vorkommen. Sie beruhen auf der Expositionsvielfalt in den Halden und Senken und auf der unterschiedlichen Bodenbildung durch die zutage geförderten Gesteine. Nach Beendigung des Bergbaus wurden einige Halden und Abbautrichter aufgeforstet, andere blieben sich selbst überlassen. Hier haben sich Gehölze ausgebreitet, die ein Vorwaldstadium darstellen.

Tümpel und Weiher sind im Lochborn geeignete Lebensräume für verschiedene Pflanzengemeinschaften und besonders als Laichgewässer für Amphibien (Gelbbauchunke, Faden-, Berg- und Teichmolch, Erdkröte, Gras- und Moorfrosch) sowie für Libellen bedeutsam. Eine weitere im Gebiet beobachtete Amphibienart ist der Feuersalamander. Von den Reptilien konnten Blindschleiche, Berg- Eidechse, Ringelnatter und Schlingnatter nachgewiesen werden.

Quellen - meist Sumpfquellen oder Sickerquellen - haben sowohl in den Waldbereichen als auch im Grünland typische Vegetationsbilder hervorgebracht. Diese Standorte sind sehr störanfällig. Bäche und Gräben bereichern den Lochborn. Sie münden alle in den Schwarzbach.

Seine Ufer begleiten Schwarz-Erlen und Weiden. Gehölzfreie Abschnitte werden an den besonnten Ufern von feuchten bis nassen Hochstaudenfluren eingenommen. Das Grünland besteht aus trockenen Magerwiesen an den sonnseitigen Hängen des Lochborns und Feucht- bis Naßwiesen in anderen Bereichen, einschürigen Wiesen sowie Wiesenbrachen. Im Frühjahr leuchten aus einigen Wiesen reiche Bestände der gelb blühenden Echten Schlüsselblume (Primulo veris). Die in früheren Zeiten beweideten trockenen Heiden mit zahlreichen Buckeln von Ameisenkolonien lassen sich durch eine extensive Beweidung langfristig am besten erhalten.

Eingerahmt werden die Bergwiesen von Wald, der aus Buchenalthölzern mit Einmischung von Eichen und Fichten, Fichten- und Douglasienbeständen verschiedener Altersklassen sowie Mischwald besteht. Im Naturschutzgebiet wurden 91 Vogel- und 139 Käferarten nachgewiesen.

Als Ziel- und Leitarten für den Naturschutz im Lochgrund von Bieber gelten für

  • Borstgrasrasen das Wald-Läusekraut (Pedicularis sylvatica)
  • Grünland feuchter bis nasser Standorte: das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) und die Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris)
  • Grünland frischer Standorte mit extensiver Nutzung: das Brand- und Manns-Knabenkraut (Orchis ustulota, Orchis mascula)
  • Grünland wechselfeuchter Standorte: das Sumpf-Herzblatt (Pornassia polustris)
  • Nadelwälder der Tannenbärlapp (Huperzia selago) und Keulen-Bärlapp (Lycopodium clavatum) sowie das Kleine Wintergrün (Pyrola minor).

Wiesen mit Gehölzgruppen und ein artenreich zusammengesetzter Wald kennzeichnen die Hänge im Lochborn bei Bieber. Die Schwarze Flockenblume (Centaureo nigra) ist in den mageren Bergwiesen im Lochborn bei Bieber anzutreffen (aus: Lochborn von Bieber: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 138).

 

 (7) Lochmühle: Mit dem Bergbau erklärt sich, warum es in Bieber eine Bahnhofstraße, aber keinen Bahnhof gibt. Um die gewonnenen Metalle, die zum Teil ins Ruhrgebiet oder bis nach Nordamerika exportiert wurden, transportieren zu können, wurde 1884 mit dem Bau einer Grubenbahn von Gelnhausen aus begonnen. Nach nur zehn Monaten war die Strecke, die später bis zum Ausflugsort Lochmühle fortgeführt und auch Passagieren zugänglich gemacht wurde, fertig. Rund 600.000 Goldmark kostete das Unternehmen, ohne Loks und Waggons. Die damaligen Eisenbahnbetreiber wollten noch mehr, nämlich ein regelrechtes Verbundnetz im Spessart schaffen. Wegen sinkender Erträge wurden die hochfliegenden Pläne jedoch verworfen.

In den Hochzeiten verkehrten die Züge sechsmal täglich und transportierten bis zu 64.000 Tonnen Erz pro Jahr. Die frühere Endstation der Schmalspurbahn war das Ausflugsziel Lochmühle mitten im Wald. Die Linie, die nach dem Ende des Bergbaus nur noch für den Personenverkehr und den Holztransport genutzt wurde, erwies sich als unrentabel und wurde 1951 eingestellt.

Nachdem der Bahnbetrieb eingestellt worden war, etablierte sich seit 1969das Forschungs‑ Institut Senckenberg (FIS), dessen Aufgabenbereich die Biodiversitätsforschung ist. In der „Lochmühle“ ist auch die Johann-Heinrich‑Cassebeer‑Gesellschaft zu Hause, benannt nach dem gleichnamigen Apothekengründer, Politiker, Winzer und Naturforscher (1784 bis 1850).

Die Gesellschaft fördert die regionalbiologischen Forschungen im Spessart. Gemeinsam mit dem Archäologischen Spessart‑Projekt arbeitet das Senckenberginstitut an dem Spessart‑GIS (Geo- Informations‑ System). Die Wissenschaftler aus den Bereichen Botanik, Ökologie, Geologie, um nur einige zu nennen, erforschen hier die Lebensräume im Mittelgebirge. Unter den 10 bis 15 Mitarbeitern sind viele Praktikanten oder Studenten, die im größten zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands ihre Diplomarbeit anfertigen.

 

(8) Eisenschmelze: Die Erze wurden im Hochofen in Bieber geschmolzen, der leider nicht mehr existiert. Eine Stützmauer am Ortsausgang in Richtung Wiesen erinnert noch an den Hochofen, der 1875 ausgeblasen wurde. Auf der anderen Seite der Straße gemahnt ein ins Trottoir eingelassenes großes Roheisenstück, bei dem es sich entweder um Abbruchmaterial oder um einen Fehlguß mit zu vielen Fremdbestandteilen handelte, an den Boom der Vergangenheit. Der „Findling“ bildet zusammen mit einer Hinweistafel eine Station der Bieberer Acht. Zu sehen ist heute noch das Ensemble des ehemaligen Bergamts, Hüttenamts und des Repräsentantenhauses.

 

Wiesen und Wiesbütt-See

Anfahrt und Rundfahrt:

In Bieber biegt man rechts ab in die Straße nach Wiesen. Man kommt an der „Schmelz“ vorbei, wo Schautafeln auf den früheren Bergbau hinweisen. Im Wald kommt man dann an die Lochmühle, seit 1969 Außenstelle der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, die sich hier im Naturschutzgebiet Wiesbüttmoor besonders der Algenuntersuchung widmet.

Auf der Höhe, an der Straße von Wiesen nach Bad Orb - wenn links schon das Gasthaus am Wiesbüttmoor zu sehen ist - fährt man rechts in den Wald zu einem kleinen Parkplatz. Von dort geht es mit dem Rad weiter auf dem befestigten Weg mit den Zeichen B und E und anderen. Hier verlaufen die alte Birkenhainer Straße und der Eselsweg ein Stück gemeinsam. Ein kurzes Stück hinter dem Parkplatz geht es auf dem linken Weg weiter. Links stehen Grenzsteine, die die Grenze zwischen Bayern und Hessen markieren. Rechts sieht man die Fahrspuren der alten Wege.

Man kommt zum Dr.‑Karl‑Kihn‑Platz mit dem Ehrenmal. Der Platz wurde 1932 angelegt vom Spessartbund zu Ehren von Dr. Karl Kihn, der von 1854 bis 1934 lebte. Er war Sanitätsrat in Aschaffenburg. Im Jahre 1876 gründete er in Alzenau den Freigerichter Bund. Von 1920 bis 1925 war er Vorsitzender des Spessartbundes. Für den großen Spessartfreund, Spessarthistoriker und Heimatforscher wurde an dieser Stelle, wo sich Birkenhainer Straße und Eselsweg wieder trennen, das Ehrenmal errichtet.

Von dem Platz aus darf man nicht weiter in westlicher Richtung fahren, denn der linke Weg führt zu den Kahlquellen und der rechte zum Hufeisen an der Birkenhainer Straße. Man muß vielmehr ein ganz kurzes Stück zurückgehen. Im spitzen Winkel zu dem Weg, auf dem man gekommen ist, geht der Eselsweg weiter.

Er biegt aber bald nach rechts ab (wenn man die breite Straße geradeaus in Richtung Wiesen fährt, kommt man nur schwer über einen steilen Feldweg nach rechts in Richtung auf den Hochsitz). Der Weg führt wieder aus dem Wald heraus und am Waldrand entlang zur Marienkapelle oder Kreuzkapelle.

Früher pilgerten die Wiesener zur Kreuzkappelle in Frammersbach. Aber im Jahre 1883 ließ Pfarrer Friedrich Frank am Eselsweg eine Kapelle errichten, deren Altar dem Altar in der Kirche in Wiesen ähnelt. Das Kreuz rechts am Eingang von 1610 stand ursprünglich auf dem freien Platz in Wiesen und wurde hierher versetzt. Am Kriegsende leisteten hier deutsche Soldaten noch den Amerikanern Widerstand, einige Bildstöcke vor der Kirche tragen noch Spuren des amerikanischen Beschusses.

Kurz hinter der Kapelle teilt sich der Weg. Nach rechts geht es zum „Kreuz“ auf der Höhe zwischen dem Kahlgrund und dem Ort Wiesen. Man bleibt aber links und fährt an dem Hohlweg entlang steil hinunter nach Wiesen. Im Ort fährt man zunächst auf der Durchgangsstraße weiter und biegt dann rechts ab in Richtung Frammersbach.

Auf den ersten Blick scheint die Verkehrslage von Wiesen ungünstig, doch kreuzen sich hier zwei Staatsstraßen. Im späten Mittelalter, in der Zeit um 1400, lag Wiesen sogar am Knotenpunkt zweier wichtiger überregionaler Verkehrswege, an der Birkenhainer Straße und am Eselsweg. Dies dürfte der Grund sein, warum bei den Ausgrabungen im Wiesener Schloß Funde gemacht wurden, die bis in das 13. Jahrhundert zurückgehen. Damals stand an dieser Stelle eine Burg der Grafen von Rieneck, von der aus der Verkehr auf der Handelsstraße und der Glashandel beaufsichtigt und finanziell abgeschöpft wurden. Nach dem Aussterben der Grafen von Rieneck wurde der heute sichtbare Bau 1597 von den Mainzer Kurfürsten erbaut. Glasproduktion und Glashandel prägten damals die Wälder und Täler um Wiesen.

Rechts steht die Kirche. Die Jahreszahl 1527 und das Rienecker Wappen am Taufstein der Kirche weisen auf die Entstehungszeit hin. In kurmainzischer Zeit wurde 1722 das zweite Wappen angebracht, aus dieser Zeit stammt die heutige Gestalt der Kirche. Die Pfarrkirche von 1725 Im Jahre 1882 ließ Pfarrer Dr. Friedrich Frank die Kirche renovieren, weshalb die dritte Jahreszahl eingemeißelt wurde. Das Pfarrhaus ist aus dem 16. Jahrhundert.

 

Kulturweg: „Wirtschaftsstandort Wiesen“ (10 Kilometer)

Der europäische Kulturweg erschließt um die Siedlungsinsel Wiesen die Kulturlandschaft, in der ein Naturschutzgebiet, verborgene und ausgegrabene Glashütten sowie die Spuren der Tätigkeit des Pfarrers Dr. Frank zu entdecken sind.

 

(1) Schloß:

Vor der Kirche ist das Schloß. Der Ort ist entstanden durch die häufigen Jagden der Mainzer Kur­fürsten, die hier ein Jagdschloß erbauten. Das Wiesener Schloß der Mainzer Kurfürsten hielt für die Archäologen einige Überraschungen bereit. Aufgrund des gesicherten Baudatums von 1597 war nicht damit zu rechnen, daß bei Grabungen im Keller Bodenschichten des 13. Jahrhunderts zutage treten. Die im Schloß ergrabene Ofenkachel vom Typ Tannenberg läßt auf eine aufwendige Inneneinrichtung der rieneckischen Burg im späten 14. Jahrhundert schließen. Die Grabungsfunde lassen auf die luxuriöse Ausstattung einer rieneckischen Vorgängerburg schließen, die (aufgrund einer datierten Brandschicht) im 15. Jahrhundert zerstört worden ist.

 

 (2) Die Glashütte im Aubachtal:

Im Aubachtal befanden sich im Spätmittelalter mehrere Glashüttenstandorte. Grund dafür war nicht nur die Nähe des Brennstoffes Holz und des Quarzsandes für die Glasherstellung. Vor allem die gute Anbindung an die nahegelegenen Handelsstraßen machte das Aubachtal zu einem interessanten Standort für die Glashüttenmeister der Vergangenheit. Auf der Pfinzing­karte von 1594 ist der Standort einer Glashütte im Aubachtal (Habenstein Glashütten) angegeben.

 

(3) Glasmanufaktur der Neuzeit:

Die Glasmanufaktur des 18. Jahrhunderts im Birklergrund war ein Betrieb mit einer großen Anzahl von Mitarbeitern. Hier wurde mit einem Ofen französischer Bauart Rohglas geschmolzen und zur Weiterverarbeitung zu den umliegenden kurmainzischen Glasverarbeitungsbetrieben transportiert. Spessartgläser wurden im späten Mittelalter im Aubachtal produziert und auch im Schloß von Wiesen benützt. Ein besonders schönes Spessartglas wurde in (bereits korrodierten) Teilen im Wiesener Schloß ausgegraben.

Die Glashütte im Birklergrund ist die einzige im Spessart, die dauerhaft freigelegt und restauriert wurde. Man erreicht sie, wenn man an der Straße von Wiesen nach Habichsthal rechts in den Birklergrund geht (gehört zu Heinrichsthal).

 

(4) Siedlungsinsel Wiesen:

Der Blick auf die Freifläche um Wiesen zeigt, daß das Dorf völlig von Wald umgeben ist. Siedlungsinseln dieser Art sind seit dem Mittelalter im ganzen Spessart entstanden ‑ entweder als Glashüttengründungen oder - wie bei Wiesen - aufgrund der verkehrsgünstigen Lage. Die Ausdehnung der Rodungsfläche schwankte über die Jahrhunderte beträchtlich. Heute dehnt sich der Wald wieder aus, da die Landwirtschaft das Land weniger als früher nutzt.

 

(5) Pfarrer Dr. Friedrich Frank und Haus Josuah:

Wiesen hatte im späten 19. Jahrhundert das Glück, einen der engagiertesten Pfarrer der Region zugewiesen zu bekommen, Pfarrer Dr. Friedrich Frank (1832‑ 1904). Der gebürtige Wirtheimer (heute Biebergemünd) war nicht nur ein exzellenter Seelsorger, er ließ die Wiesener auch in Handwerk und Landwirtschaft unterrichten, erbaute soziale Einrichtungen wie 1881 das (heute so benannte) Josuah‑Haus oder errichtete die Kreuzkapelle in Wiesen. Dazu war er von 1873 bis 1894 bayerischer Landtagsabgeordneter und verfaßte philosemitische Schriften, weshalb sein Standpunkt eine Sonderstellung in der wilhelminischen Gesellschaft einnahm. Das Josuah‑ Haus war einst Mädchenheim und wird heute für Veranstaltungen genutzt. Die  Brauerei zu Wiesen, eine der letzten im Spessart, wurde unter Mithilfe von Pfarrer Frank gegründet.

 

Wanderung bzw. Radtour nach Mosborn:

Der Wanderweg 10 (und 8) geht links ab in die Frühlingsstraße. In einigen Kehren geht es zunächst steil hoch bis zum Wald. Dort geht es weiter auf dem Weg 10, bis eine breite Forststraße gequert wird. Hier ist zunächst nur noch das Zeichen 9 zu sehen, aber weiter oben erscheint auch wieder die 10. An einem Wildzaun entlang kommt man zu einer Kreuzung. Dort könnte man rechts weiter fahren und in einem großen Bogen in Richtung Mosborn kommen. Schöner ist jedoch der Weg Nummer 10 geradeaus durch das Wildgatter. Die Bergweiden sehen hier Aus wie in den Alpen. Am Waldrand kommt man zu einer geteerten Straße, die man nach links hinunter fährt. Der Weiler Mosborn (siehe Kempfenbrunn) ist schon zu sehen.

Man fährt aber dort, wo der geteerte Weg nach rechts in Richtung Mosborn abbiegt, nach links durch das Wildgatter auf den Forstweg zum Wiesbüttsee. Die Grenze verläuft hier etwas weiter westlich über die Erkelshöhe genommen. Hier stehen im Spalier Grenzsteine der verschiedensten Landesherren. Es waren Aschaffenburger, Mainzer, Rienecker, Hanauer, Kurhessen und Preußen bis zum Anbruch dieses Jahrhunderts, die die Geschichte der Bewohner dieses Raumes mit harten Griffeln schrieben (siehe auch Spessart 108).

Der Weg zum Wiesbüttsee steigt nur am Beginn noch etwas an, dann geht es immer nur bergab. Am oberen Rand des Wiesbüttmoors (Schild „Naturschutzgebiet“) steht eine Schutzhütte, die einer Köhlerhütte nachempfunden ist. Hier könnte man auf dem Libellenweg rechts um das Moor herumfahren. Besser ist aber, man fährt gerade aus weiter, weil man dann an dem Steg vorbeikommt, der ein Stück ins Moor führt.

 

Der Wiesbüttsee:

Archäologische Forschungen weisen darauf hin, daß die Handelsverbindungen über den Spessart bis in die Bronzezeit zurückreichen. Der wichtigste Handelsweg ist die seit dem frühen Mittelalter schriftlich bezeugte Birkenhainer Straße von Hanau im Westen nach Gemünden im Osten. Von ebenso großer Bedeutung war der Eselsweg, der den Spessart von Nord nach Süd durchquerte. Beide Wege kreuzen sich an der Wiesbütt.

Endlose Waldungen, Grün in allen Schattierungen, das ist der Spessart, auch der nördliche Teil, wie er sich dem Besu­cher heute darbietet. Kaum vorstellbar, daß es hier noch vor 200 Jahren ganz anders aussah. Zahlreiche Glashütten, Koh­lenmeiler, Salinen und Hüttenwerke verlangten Brennstoff. Die Wälder waren abgeholzt, das Erdreich auf der Suche nach Erzen, Blei, Kobalt und Silber durchwühlt. Statt Wip­felrauschen dröhnten Poch- und Hammerwerke.

Nichts davon ist geblieben.

Der Wiesbüttsee wurde 1765 zur Hebung der Grubenwasser für die Eisen-. Kobalt-. Silber-. Kupfer- und Bleigewinnung im Raum Bieber angelegt. Man wollte genügend Wasser haben für die Pumpen im Bieberer Bergbaugebiet, für das Bergwerk Lochborn, das Kobaldwerk am Pfandgraben, das Lettenpochwerk, die Bieberer Hütte und das Hammerwerk.

Es waren Bergleute aus dem fünf Kilometer entfernten Biebertal, um auch bei trockener Witterung genügend „Aufschlagwasser“ zur Verfügung zu haben. Haushohe Mühlräder übertrugen mittels Kurbelwellen und Feldgestängen die erzeugte Kraft zum Schacht. Dort wurde sie an ein Gestänge weitergegeben, das endlich die hölzernen Pumpen antrieb, mit denen die Stollen vom permanent eindringenden Grund­wasser freigehalten wurden. Erst 20. Jahrhundert mußte der seit dem Mittelalter betriebene Abbau von Silber, Kupfer und Blei mangels Rentabilität eingestellt werden.

Die geringen Vorkommen führten 1784 und 1858 zur Stillegung der Gruben. Mit der napoleonischen Zei­tenwende änderten sich auch die Produktions- und Besitzverhältnisse. Die meisten Hütten und Zechen waren nicht mehr rentabel und wurden stillgelegt (das letzte Eisenwerk 1925).

Der Grund des nur kleinen Sees neigt sich so sanft, daß selbst Nichtschwimmer gefahrlos baden gehen können. In der Mitte ist das gerade ein Hektar große Gewässer zwei bis drei Meter tief. Wer sich einfach treiben oder die Seele baumeln lassen möchte, ist hier gut aufgehoben. Leistungsschwimmer stoßen schnell an natür­liche Grenzen.

Am eigentlichen See kann man sich auf Bänken ausruhen. Baden und Grillen sind hier erlaubt. Wer einkeh­ren möchte, findet dazu Gelegenheit in der Gaststätte Entlang des Campingplatzes kommt man wieder zum Waldparkplatz.

Vom Wiesbüttsee gibt es einen Weg östlich der Straße nach Bieber zum Bieberer Burgberg.

Dabei kommt am „Sennchen“ (397 Meter) vorbei (auf der Karte der Apfel- und Obstwiesenroute braun eingezeichnet)(Kinzig, Seite 30, Spessart, Seite 40).

Kuriosum am Rande: Mehrmals wechselt man von hessischem auf bayerisches Gebiet und umgekehrt. Über den See und das Moor wacht der hessische Löwe, über die umgebenden Waldungen und die einzige Gaststätte tut dies sein bayerischer Kollege. Beschattet von hohen Lärchen und Fichten geht man dabei genau auf der hessisch-baye­rischen Landesgrenze, die, wie noch alte Markierungssteine anzeigen.

 

Das Wiesbüttmoor:

Das 476 Meter hoch gelegene Moor am Wiesbüttsee entstand im Aubachtal in der langgestreckten, sumpfigen Wanne, der „Bütt“. Es besteht seit 2000 oder 3000 Jahren. Aber so richtig entwickelte es sich erst, als vor 300 Jahren die Wälder sehr stark abgeholzt wurden und der Regen von den Bergen sehr schnell ins Tal floß und die Talwanne auffüllte. Nur von einer einzigen Stelle aus, an der Spitze eines in das Natur­schutzgebiet hin eingebauten Holzsteges von 1979, läßt sich das ringsum von Wald umgebene wannenartige Wiesental in seiner ganzen Schönheit überschauen. Zwei gut markierte Wanderwege führen in unterschied­lich langen Schleifen rund um Moor und See.

Wo heute das Wiesbüttmoor            ist, lag vor rund 2000 Jahren ein nasser Erlenbruch. Mehrere Quellen bildeten den Oberlauf des Aubachs. Im Spätmittelalter wurde der umliegende Wald gerodet und seine Funktion als Wasserspeicher ging verloren. Die reichlichen Niederschläge sammelten sich in der Talsohle und der Oberlauf des Aubachs versumpfte allmählich.

Das Besondere an der Wiesbütt: Im Unterschied zum Versumpfungsmoor  ist beim Zwischenmoor die stetig wachsenden Torfschichte so dick geworden, daß der Einfluß des mineralhaltigen Grundwassers nachläßt. Es entstehen für Pflanzen und Tiere besondere Lebensbedingungen.

Zwischenmoore verdanken ihre Entstehung den Tofmoosen. An der Oberfläche des Moores wachsen die Torfmoose dem Licht entgegen. Nach unten sterben sie ab und werden zu Torf, der sich im Laufe der Jahrhunderte mehrere Meter aufschichten kann. Unter Sauerstoffabschluß erfolgt im Moor keine Zersetzung. Nährstoffe werden daher im Torf festgelegt und bleiben für Pflanzen unerreichbar. Der Torfkörper und die Moose speichern das Wasser wie ein Schwamm

Im stetig wachsende Torf eingeschlossene Pflanzenteile bleiben unzersetzt erhalten. Auch von außerhalb eingewehte Samen und Pollenkömer werden wie in einem Archiv gespeichert Wie die Ringe eines Baumstamms zeigen die Torfschichten den Wissenschaftlern von unten nach oben das Alter des Moores an. Anhand der Häufung eingelagerten Blütenstaubs in bestimmten Torfschichten kann auf die Vegetation des Umlandes in einem entsprechenden Zeitabschnitt geschlossen werden. So können beispielsweise die Waldentwicklung seit 3000 Jahren oder der Getreideanbau im frühen Mittelalter von einer Bohrprobe aus dem Moor abgelesen werden.         

Die Mengen des in den Torfschichten archivierten Blütenstaubs jeder Pflanzenart werden in einer Zeitachse aufgetragen. Das Auf und Ab der einzelnen Pflanzen im Pollendiagramm spiegelt die Vegetationsentwicklung im Umland des Moores wider. Besonders die Nutzung der Landschaft durch den Menschen wird im Pollendiagramm sichtbar.

Niemals ist in dieses Moor kommerziell eingegriffen worden. Wie in einem aufgeschlagenen Buch zur Erdgeschichte läßt sich anhand der erhaltenen Pollen der Vegetationswandel im Laufe der Jahrtausende ablesen: Zunächst dominierten ausschließlich wärmeliebende Laubbäume, seit dem Mittelalter vorkommende Getreidepollen be­zeugen erste Rodungs- und Siedlungswellen im nördlichen Spessart - an denen er fast zugrunde gegangen wäre. Später pflanzten die Bauern Kartoffeln an, fütterten das Vieh im Stall, von der Mitte des 18. Jahrhunderts an wurden Kiefern gesetzt. So konnte dieser Teil des Mittelgebirges vor der Versteppung bewahrt werden. Danach erst entwickelte sich das heute sichtbare Vegetationsbild, das mit seinen Gräsern, Birken und Wacholdern so gar nichts gemein hat mit dem schwermütig-düsteren Charakter anderer Hochmoore.

Das Moor ist das einzige im Spessart, das „lebt”. Botaniker umschreiben damit weniger die äußerst rare Vegetation eiszeit­licher Relikte wie Siebenstern, Binsen, Wollgras und den insektenfressenden Sonnentau. Gemeint ist, daß der Umwandlungsprozeß in Torf weitergeht und bislang in 3000 Jahren eine Stärke von zwei Metern erreicht hat.

Im Jahre 1765 wurde der aus dem Moor auslaufende Bach aufgestaut. Unter Leitung von Johann Philipp Cancrin wurde der See von Bieberer Bergleuten angelegt. Es entstand der 430 Meter hoch gelegene Wiesbüttsee Das Wasser wurde drei Meter hoch gedämmt. Der Grundstriegel zur Regulierung des Wasserstandes lag im Teich selbst.

In der Folgezeit wuchs hinter dem See ein Torfmoorpolster von knapp einem Kilometer Länge und 40 bis 60 Metern Brei­te heran. Das kleine Hang-Quell-Moor ist das ein­zige des hessischen Spes­sarts. Es ist anzunehmen, daß dieses Gebiet nur aufgrund seiner Abgeschiedenheit erhalten wer­den konnte. Natürlich steht es unter Naturschutz. Es bestand zum größten Teil aus Privatparzellen, ehe es einschließlich des Teiches im Jahre 1953 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde.

Das Moor hat wenig von dem eher schwermütigen Charakter eines Hochmoores. Es liegt eingerahmt von mageren Birken, Kiefern, Erlen, Pappeln und Farnen als morastig grüne Insel im Wald. Bleich‑ oder Torfmoore füllen die gesamte Talmulde aus, vollgesogen mit Wasser, wie ein riesiger Schwamm. In zwei Meter Tiefe reicht die Torfschicht. Die Säuren, die das Moor bildet, geben kaum anderen Pflanzen Lebensmöglichkeit.

Das an einem quel­ligen Hang gelegene Moor zeigt wie kein an­deres Moor unserer näheren Heimat die Ent­wicklung zum Hochmoor in den verschiedenen Altersstufen vom schwankenden Torfmoospolster bis zur birken- und kiefernbewachsenen Heidefläche. Das Moor bietet heute einigen wenigen spezialisierten Pflanzen und Tie­ren ideale Bedingungen für deren Lebens­raum.

Am Wegrand oberhalb des Moores blüht das Niederliegende oder Englische Fingerkraut. Nur am Rand breiten sich zaghaft Hei­dekraut, Waldbinse und verschiedene Seggenarten aus. Fleischfressende Pflanzen verschaffen sich den im Moor fehlenden Stickstoff durch Insektenfang. Aus der Pflanzenwelt dieses Moores fand besonders allgemeines Interesse der hier noch erfreulich zahlreich wachsende Sonnentau. Dazu kommen selten gewordene eiszeitliche Pflanzenrelikte: der zierliche Siebenstern und zwei Arten Wollgras, von denen das einköpfige Scheidige Wollgras in weitem Umkreis nur hier zu finden ist. Dazu kommen noch mancherlei Riedgräser und Bin­sen.

 

Wenn im Naturschutzgebiet Wiesbüttmoor im Spessart die weißen Wattebausche des fruchtenden Wollgrases im Sonnenlicht strahlen und die glitzernden Leimfinger des Sonnentaus Insekten anziehen, dann macht das Moor einen friedlichen und intakten Eindruck. Doch der Schein trügt. Denn das Wiesbüttmoor drohte aus dem Gleichgewicht zu geraten. Einer der Gründe: Die ortsfremden Fichten gruben dem Moor buchstäblich das Wasser ab.

Mitte 2010 wurde der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) klar, daß sich das Moor, um das sich Jahrzehnte niemand mehr gekümmert hatte, in einem gefährlichen Zustand befand. „Naturzerstörung durch Forstwirtschaft“ - diesen treffenden Satz hatten Unbekannte auf die Infotafel am (damals noch) maroden Besucher-Steg geschrieben. Dabei gehören Moore wie das im Spessart nahe der bayerisch-hessischen Landesgrenze zu den ganz seltenen und gefährdeten Lebensräumen.

Was war geschehen? Moore benötigen über weite Teile des Jahres einen Wasserüberschuß. Der herrscht im Wiesbüttmoor während des Frühjahrs auch. Doch begünstigt durch die Hanglage gräbt das Wasser bei Schneeschmelze oder Starkregen tiefe Erosionsrinnen in den weichen Moorboden. In den Sommermonaten, wenn Wassermangel herrscht, wirken diese Rinnen wie Entwässerungsgräben. Das Moor stellt sein Wachstum ein, die charakteristischen Strukturen verschwinden, Pfeifengras, das wechselnd feuchte Zustände liebt, breitet sich aus. Die Torfmoose sind die Verlierer, das Moorwachstum wird unterdrückt. Die Folge: Birken und Nadelbäume können einwandern. Mit einem fatalen Effekt: Diese Bäume wirken wie „Säufer“ und geben der typischen Moorvegetation den Rest.

Zwei Mittel können diesen Prozeß einschränken oder sogar verhindern: der Stau der Erosionsrinnen und die Beseitigung der Kussel, also der Bäume im Moor. „Entkusseln“ nennen die Fachleute diese Arbeit. Sie ist wichtig, denn Büsche und Bäume stehlen Moorpflanzen das Licht. Die HGON griff ein: In Hunderten von Arbeitsstunden trugen die Naturschützer in den vergangenen Jahren Berge von Ästen aus dem Moor, und im vergangenen Winter entkusselten sie das ein Kilometer lange Moor komplett. Nur die Birken blieben stehen, denn Botaniker sollen zunächst klären, um welche Birkenarten es sich handelt. Sollten sich rare Moorbirken darunter befinden, wovon die HGON ausgeht, sollen diese Bäume stehen bleiben.

Schon 2011 waren in einer gemeinsamen Aktion von behördlichem und ehrenamtlichem Naturschutz mit 200 Jute-Sandsäcken einige Entwässerungsgräben geschlossen worden. Die weitere Austrocknung und damit Sackung des Moorkörpers wurde dadurch zunächst verhindert. Der von der HGON vorgeschlagene Einbau von Spundwänden, wie er langfristig erfolgreich von Naturschutzgroßprojekten Südwestdeutschlands oder in der Schweiz praktiziert wird, ist von den hessischen Naturschutzbehörden leider verworfen worden. Die jetzt von den Behörden geplante Moorwiedervernässung, bei der Freiwillige mit Bohlenkonstruktionen in diesem Sommer einen Stau erreichen sollen, lehnt die HGON als untauglich ab.

(vergleiche: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 159).

 

Judenborn (am oberen Ende des Wiesbüttmoors):

Das Judenbörnchen gibt uns durch seinen Namen einen Hinweis auf die heute vergessene Tätigkeit des Viehhandels durch jüdische Händler im Spessart. Ein weiterer Brunnen dieses Namens konnte an der Birkenhainer Straße gefunden werden. Diese Brunnen wurden als Viehtränken seit dem Mittelalter genutzt, wo der Durchzug einer Ochsenherde aus Ungarn nach Mainz für das Jahr 1422 bezeugt ist. Einige Quellen belegen, daß sich der Viehhandel im Spessart seit dem 18. bis ins 20. Jahrhundert in der Hand jüdischer Händler befand, die vor allem in Lohrhaupten heimisch waren. Diese stillten auf ihrem Weg zum Markt in Wiesen hier ihren Durst und tränkten ihr Vieh. In der Nähe soll sich auch ein Luftschacht des Bergwerks befinden.

Die Stelle ist allerdings nicht leicht zu finden. Wenn man südlich am Wiesbüttmoor entlang geht, bemerkt man die Stelle nicht. Auf der Karte des Kulturweges ist der Brunnen am oberen Ende des Naturschutzgebietes eingezeichnet, man denkt, er sei an der Fortsetzung des südlichen Weges. Man kann auch nicht so recht entscheiden, wo nun das obere Ende ist, denn entlang des Baches hat man noch weiter nach oben abgeholzt und somit das Naturschutzgebiet erweitert. Am oberen Rand ist diese Fläche wieder durch einen Querweg abgeschlossen, so daß man auch denken könnte, dies sei der obere Rand.

Wenn man im Internet „Judenborn“ eingibt, dann liest man überall bei Flörsbachtal nur die Angabe „am Rande Naturschutzgebietes“. Das sagt natürlich gar nichts. Das ist wieder einmal ein Beispiel dafür, daß solche allgemeinen Angaben dem Nutzer gar nichts nützen. Nur eine genaue Beschreibung ist hier hilfreich, so daß auch ein Wanderer die Stelle findet, der noch nie dort war.

Wenn man aber „Judenbörnchen“ eingibt, findet man unter dem 39. Eintrag die Seite „OpenStreetMap“. Hier steht ganz unten die Angabe „Juden­börnchen“ mit einer Karte, die sich auch vergrößern läßt. Daraus geht hervor, wo der Brunnen liegt. Die Wegkreuzung beim Brunnen hat übrigens die Koordinaten N 50 Grad 07.465 E 009 Grad 23.369.

Wenn man das alles weiß, kann man auch die Informationstafel auf der anderen Seite des Moors deuten, nämlich als die Stelle des Judenborns. Aber es fehlt ein Wegweiser an der Schutzhütte oder das Zeichen des Kulturweges. Es empfiehlt sich, zunächst auf der Südseite des Moors zu gehen, damit man den Besichtigungssteg benutzen kann. Dann aber wechselt man an der Schutzhütte auf die andere Seite zum Judenborn und geht nördlich weiter. Dann kommt man auch auf die Schneise, die steil nach oben führt zur Kreisstraße nach Mosborn und darüber hinaus.

Ein an derer Zugang ist möglich vom Parkplatz „Drei Buchen“ an der Straße von Flörsbach nach Wiesen. Von hier geht zunächst ein breiterer Weg nach Süden ab. Nach einem kurzen Stück zweigen hier links und rechts Wege ab. Man nimmt den rechten (westlichen) Weg und kommt kurz vor dem Naturschutzgebiet auf einen Querweg, der am nördlichen Rand des Naturschutzgebietes vorbeiführt. Hier ist das „Judenbörnchen“. Der aufgeschüttete Weg führt dann weiter über das Moor und zu der Schutz­­hütte, die einer Köhlerhütte nachempfunden ist.

 

An der Straße zwischen Schöllkrippen und Wiesen ist auf der Höhe das „Kreuz“, weil hier der

Eselsweg kreuzt. Nach rechts geht es von hier auf dem Eselsweg zum „Volkertskreuz“.

 

 

Flörsbachtal

Der Name „Flörsbachtal“ steht sowohl für ein typisch‑enges Spessarttal als auch für einen Gemeindeverband aus den vier Orten Flörsbach, Lohrhaupten, Kempfenbrunn und Mosborn. Hier ist der Spessart am schönsten. Mehrere hundert Kilometer gut ausgeschilderte Wander- und Spazierwege, ein Naturerlebnispfad, anspruchsvolle Mountainbikestrecken, ein umfangreiches Radwegenetz mit überregionaler Anbindung erwarten den Gast zum Aktivurlaub.

„Fit mit Spaß“ und „Naturerlebnisse“ sind weitere Leitmotive: Dafür sorgen drei Kneipp­anlagen, ein Naturbadesee, das beheizte Freibad.

Ob Wandern ohne Gepäck auf den Fern­wanderwegen Eselsweg und Birkenhainer Straße, die sich hier kreuzen, Kräuter- und Pilz­exkursionen, Wildbeobachtungen, Raubüberfälle und Planwagenfahrten: Langeweile kommt nicht auf. Hotel, Pensionen, Privatzimmer und Ferienwohnungen, ein prädikatisierter Jugendzeltplatz sowie eine Ferienhausanlage bieten Unterkünfte für jeden Anspruch.

Es ist schwierig das genaue Alter Flörsbachs zu bestimmen so wie die Namensgebung zu erklären. Pollendiagramme konnten nachweisen, daß Menschen hier seit 3.000 vCh die Landschaft gestalten. Nach Dr. Siebert soll Flörsbach als „Fleredesfelt“ im Jahr 976 erstmals urkundlich erwähnt worden sein. Tatsächlich ist in einer Abschrift aus dem Evangeliar des Klosters Aschaffenburg, vor dem Jahr 984, der Name „Fleredesfelt“ genannt. Doch geht daraus nicht zweifelsfrei hervor, ob es sich dabei um eine Siedlung oder nur um eine Flurbeschreibung handelt. Es kann als Flörsbacher Höhe oder als Ursprung von Flörsbach gedeutet werden.

Nachfragen bei der Stadt Flörsheim am Main und des Ortes Flörsheim bei Worms ergaben, daß man auch dort keine sichere Erkenntnis über die Entstehung der Ortsnamen hat. Doch glaubt man dort ziemlich sicher zu sein, daß der Name von dem Patronat einer adeligen Familie namens „Fleres“ (um das Jahr 800) abzuleiten ist (Archiv in Lorch am Rhein). Es besteht die Möglichkeit, daß auch Flörsbach (Fleredesfeld) zur gleichen Zeit seinen Namen dorther hat (Gleiche Zugehörigkeit zum Bistum Mainz). Dann wäre Flörsbach heute bereits 1200 Jahre alt. Erst 1324 erscheint der Ort wieder, diesmal in hanauischem Besitz.

 

 

Geschichte:

869

Erste urkundliche Erwähnung von Flörsbach als „Fleredesfelt“

1057

Erste urkundliche Erwähnung von Lohrhaupten als „Larahobedum“

1324

Erste urkundliche Erwähnung von Kempfenbrunn als „Kempinborn“

1767

Gründung von Mosborn

1972

Die Gemeinden Flörsbach, Kempfenbrunn und Mosborn im Landkreis Gelnhausen werden mit Wirkung vom 1. April zu einer Gemeinde mit dem Namen „Flörsbachtal“ zusammengeschlossen

1974

Zusammenschluß der Gemeinde Flörsbachtal und der Gemeinde Lohrhaupten

1991

Bau des Dorfgemeinschaftshauses in Kempfenbrunn (bis 1994)

1991

Renovierung und Erweiterung des Rathauses in Lohrhaupten (bis 1995)

1999

Umfassende Sanierung und Neugestaltung des beheizten Freibades in Lohrhaupten

 

 

Flörsbach

Naturparkplatz Hosse-Wieschen:

Aus 425 Meter Höhe geht es steil nach Flörsbach hinab. Östlich liegt der Parkplatz wo auch zwei Spazierwege von 2,5 und 5 Kilometer Länge markiert sind. Es ist bezeichnend, daß an der Tafel an dieser Stelle der Name einmal als „Hohewieschen“ und daneben als „Hosse­wieschen“ angeschrieben steht. Richtig ist: „Hossewieschen“. Hosse war die Bezeichnung für den Gemeindehirten. Es war die Wiese für den jeweiligen Hirten. Noch bis zum Ende des zweiten Weltkrieges bewirtschaftete der Flörsbacher Schweinehirt diese Wiese. 

Hier trifft der Eselsweg auf die Birkenhainer Straße und verläuft nach Westen ein Stück mit ihr gemeinsam. Er kommt aus Richtung Norden von Bad Orb und Villbach her. Die Birken­hainer Straße geht vom Parkplatz nach Osten über die Wachthütte und die Bayerische Schanz nach Gemünden am Main.

Steinzeitliche Funde entlang dieser Handels- und Heerstraße belegen, daß diese Fernstraße schon seit etwa 4000 Jahren benutzt wurde. Nicht von ungefähr wurde sie auch die „Birken­hainer Heerstraße“ genannt. Gerade hier weisen Flurnamen wie in der Nähe des Siebenwegekreuzes „Das Kriegerschloch“ darauf hin, daß es hier in der Geschichte zeitweise sehr kriegerisch zugegangen sein mag. Die vielen alten Grenzsteine hier in der Nähe zeigen, daß hier seit Jahrhunderten immer wieder Grenzveränderungen, nach meist kriegerischen Auseinan­dersetzungen, stattgefunden haben.

Dank dieses Steilstückes profitierten nämlich die Flörsbacher über Jahrhunderte von den weltweiten Fuhrunternehmen des benachbarten Frammersbach. Hier hinauf halfen die Flörs­bacher mit Vorspanndiensten den Fuhrleuten, wenn diese die Birkenhainer Straße für einen Abstecher in ihren Heimatort verlassen hatten und am Hosse‑Wieschen wieder den Anschluß bekommen mußten. Immer wieder werden die Flörsbacher als Fuhrleute genannt, vor allem in Zusammenhang mit der Überwindung der letzten Steigung zur Flörsbacher Höhe

 

Die Raststelle im Hartgrund (westlich von Flörsbach):

Bei den Bauarbeiten zu dem „Hartgrundsee“ in den siebziger Jahren, wurden die Fundamente eines Anwesens freigelegt (jetzt unter dem Damm). Um die Arbeiten nicht lange unterbrechen zu müssen, ließen die Verantwortlichen, die Gemeindeoberen und die Baufirma, schnell weiterarbeiten und haben enorm wichtige Fundstätte zugeschüttet, ohne daß vorher die Lage des Gehöftes vermessen und kartiert wurde.

Ein Flörsbacher Einwohner hat in eigener Regie noch einen gut erhaltenen Kugeltopf sicher­gestellt. Das Senckenberginstitut in Frankfurt hat mit modernen Methoden das Alter dieses Kruges zuverlässig mit fast tausend Jahren bestimmt. Der Krug ist im Heimatmuseum in Gelnhausen zu besichtigen (leider ist dort statt Flörsbach als Fundort Gelnhausen eingetragen).

In der Nähe des Gehöftes hat sich gemauerter Felsenkeller befunden, in welchem noch im vorigen Jahrhundert die Flörsbacher Gastwirte ihre Getränke kühlten. Leider wurde auch dieser im Zuge von Bauarbeiten „wegplaniert“. Die Quellen in der Nähe dieses natürlichen Kühlraumes sind extrem kalt und haben zu jeder Jahreszeit die exakt gleiche Temperatur von + 7° Grad. Die Quellen in und um den Hartgrundweiher haben seit mehr als 300 Jahren die zentrale Wasserversorgung von Flörsbach gespeist. Zunächst von etwa 1725 an die öffentlichen Brunnen im Oberdorf (über eine Holz - Wasserleitung) und seit fast 100 Jahren die zentrale Wasserleitung in alle Haushaltungen Flörsbachs. 

Diese Stelle ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Ursprungsort der Siedlung Flörsbach. Hier konnten die Reisenden auf den Fernhandelswegen Einkehr halten, ihren Durst stillen, Proviant kaufen sich Ausruhen und übernachten. Nach Dr. Siebert verdankt Flörsbach seine frühe Besiedlung dieser „Raststätte“.

 

Die Burg:

Hierbei handelt es sich um keine Festungsanlage, aber immerhin wohl um eine feste Wohnanlage mit Stallungen, in welcher die Reisenden sicher unterkommen und auch ihr Vieh unterstellen konnten (Der Burgweg geht nahe der Durchgangsstraße vom Hartweg ab).

 

Flachsbrunnen („Samerschborn“):

Der noch erhaltene Brunnen aus dem 17. Jahrhundert ist kein Trinkwasserbrunnen, sondern diente den Bürgern als sogenannte „Flachsquelle“ in doppeltem Sinn (Quelle und Aufquellen). Schon der Zugang zeigt, daß er zur Wasserentnahme höchst ungeeignet ist. Bei der Verarbeitung von Flachs weichte man diesen darin ein. Etwas oberhalb davon stand bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein hölzerner Trog zur Wasserentnahme und zum Tränken des Viehs. Die Quelle welche das Wasser für diese beiden Brunnen lieferte, speiste auch etwa von 1725 bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts den Brunnen am heutigen Denkmal für die Opfer der beiden Weltkriege ((am Quellenring südlich des Hartwegs).

 

Der Denkmalsbrunnen

Dort wo er wahrscheinlich um das Jahr 1725 (so die eingemeißelte Jahreszahl) installiert wurde, befand sich natürlich damals kein Denkmal. Sein ursprünglicher Name war: „Unterdorfer Brunnen“. Der große Brunnentrog an der Dorfstraße war zum Tränken des Zugviehs so gut geeignet, daß man das Vieh dabei nicht ausschirren mußte. Der alte steinerne Brunnentrog aus dem Jahr 1725, der Brunnenstock und das Auslaufrohr bestanden ursprünglich aus Eichenholz. Der rechts sichtbare, sandsteinerne Brunnenstock wurde erst im Jahr 1920, im Zusam­menhang mit der Denkmalsweihe gefertigt. Das Wasser kam durch eine etwa 100 Meter lange Holzwasserleitung von der Samerschquelle.

 

Feuerwehrhaus:

Neben dem Feuerwehrhaus wacht an der Rückseite des Brunnens der Flörsbacher Löwe.

 

Kirche:

Die evangelische Kirche muß bereits in vorreformatorischer Zeit bestanden haben, da aus ihr ein geschnitzter Flügelaltar vorhanden ist, der seit Anfang dieses Jahrhunderts im Landesmuseum in Marburg aufgestellt ist. Eine Abbildung ist im Turmdurchgang zu sehen. Die Kanzel ist aus Sandstein gearbeitet (Ende des 16. Jahrhunderts) und trägt das Wappen der Grafen von Hanau; unter ihr ist ein Wappenstein (?). In der Stirnwand sind zwei Sakramentsnischen. Die Fenster an der Westseite sind abgetreppt, ein Fenster ist besonders klein. Zwei gedrehte Holzsäulen tragen die Empore.  In den Jahren 1927 / 1928 wurde an das Kirchenschiff ein Turm aus Sandstein angebaut. Da Wallfahrtskapellen in der Regel keine Kirchtürme haben, hatte auch die Flörsbacher Kirche nur einen kleinen Dachreiter für eine Glocke. Der jetzige Kirchturm wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg  im Jahr 1923 gebaut und eingeweiht.

Es ist höchstwahrscheinlich, daß es sich bei dieser kleinen Kirche um das älteste sakrale Bauwerk in weitem Umkreis handelt. Beweis: Die Empore um 1700 herum nachträglich eingebaut, wie eine dehnchronologische Altersbestimmungen des verwendeten Gebälks durch die Universität in Frankfurt zweifelsfrei ergab. Tragekonstruktionen verlaufen so zum Beispiel mitten durch die Fensterräume. Da Wallfahrtskapellen keine Emporen und keine Kirchtürme hatten, kann davon ausgegangen werden, daß es sich um eine solche handelt. Auch das Verhältnis von Mauerstärken zu der Größe des Kirchenschiffs lassen ebenfalls diesen Schluß zu. Da bei Renovierungsarbeiten im Kirchenschiff die Gebeine von Menschen zutage kamen kann als sicher angenommen werden, daß es sich dabei um solche von katholischen Geistlichen handelt. Die Einwohner von Flörsbach hatten unmittelbar nach der Reformation - entsprechend der Religion ihrer Herrscher, der Grafen von Rieneck und von Hanau - evangelisch zu werden. Damit scheint bewiesen, daß die Kirche schon lange vor der Reformation gebaut wurde.

Der „Flörsbacher“ Altar scheint immerhin bedeutsam genug, daß er den Einband des Museumsführers des Kulturhistorischen Museums in Marburg ziert. Dieser Altar, der in dem Museum in Marburg ausgestellt ist, wird als der „Flörsbacher Altar“ beschrieben. Er wird der Schule um Tilmann Riemenschneider zugeordnet. Da Tilmann Riemenschneider von um 1460 bis 1531 lebte, kann ebenfalls gefolgert werden, daß die Kirche schon vor dem Jahr 1500 bestand. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Altar zu Beginn des vorigen Jahrhunderts nach Marburg kam.

 

SKG – Halle:

Die SKG - Halle wurde in Gemeinschaftsarbeit der Flörsbacher Vereine und Bürger von einer, nach dem Zweiten Weltkrieg gebauten Dreschhalle, zu einer Halle der Flörs­bacher „Sport - und Kultur - Gemeinschaft“ umgebaut und 1976 ihrer neuen Bestimmung übergeben

 

Forstamtsgebäude:

Die Forsthausstraße geht im Süden des Ortes nach Norden. Seit dem 14. Jahrhundert zu Hanau gehörig, wurde hier 1723 ein herrschaftliches Forstamt eingerichtet, das bis 1968 bestand. Es war die für damalige Verhältnisse stattliche Residenz des obersten Forstbeamten in der Region. Das Haus verfügt über einen Brunnen im Keller und Wirtschaftsgebäude sowie Stallungen für die Pferde sowie Unterkünfte für das Personal. Wiesen im oberen Teil des Bieber­grundes. „Die Herrnwiesen“ standen für die Futter - und Heugewinnung für die Pferde der „Herren Forstverwalter“ zur Verfügung. Das heutige Forstamt ist in der Waldstraße 1.

 

Wanderung zur Wiesbütt:

Ausgangspunkt ist die Gaststätte Flörsbacher Hof etwas südlich des Ortes. Am nördlichen Rand des Grundstücks geht ein steiler Pfad am Zaun entlang, dann geht man rechts und zunächst immer nach Süden. An der nächsten Abzweigung geht es im spitzen Winkel nach Norden, bis man auf die Birkenhainer Straße kommt (gekennzeichnet nur ein B auf weißem Grund). Dort geht es links weiter. Dort kommt man in den Bereich des Eichenwaldes, der früher zur Herstellung von Eichenlohe genutzt wurde (Punkt 2 des Kulturweges, der Punkt 3 liegt weiter westlich und auch nördlich der Birkenhainer Straße). Im Bereich des Sendemastes ist schon das Wanderzeichen „Eselsweg“ (schwarzes E auf weißem Grund markiert), aber laut Karte kommt der Eselsweg erst im Bereich des Rastplatzes östlich des Waldrandes von Villbach herunter.

Nach Westen laufen die historischen Fernwege gemeinsam mit der Straße. Aber schon nach der ersten großen Linkskurve gehen die Fernwege wieder in den Wald hinein. Man kann diese Stück Landstraße aber auch umgehen, indem an rechts in den Wald geht und steil auf einem etwas wüsten Weg nach oben geht und sich dann etwas rechts hält. Auf einem Forstweg geht es bis zu einer Stelle, an der rechts ein gelb gestrichener Stein steht. Dort geht es im rechten Winkel nach links und man kommt bald wieder auf Bir­ken­hainer Straße und Eselsweg, die zum Wiesbüttsee führen. Erst ein Stück dahinter am Dr. Kihn-Platz biegt der Eselsweg nach Süden ab Richtung Weibersbrunn und Miltenberg.

Am Wiesbütt-See geht man über den Damm und dann nach links am Wiesbüttmoor entlang (siehe eigene Datei). Man kommt an dem Steg vorbei, der in das Moor hineingebaut ist. Das obere Ende des Moors war früher bei der Schutzhütte, die einer Köhlerhütte nachempfunden ist.

Hier geht man auf dem Weg, der über das Moor aufgeschüttet ist und kommt zum Judenborn, der durch eine Informationstafel markiert ist. Heute ist oberhalb des früheren Endes des Moors noch eine Fläche abgeholzt, die wieder durch einen Querweg abgeschlossen wird.

Man geht nördlich des Moors weiter und kommt auf eine Schneise, die steil nach oben. Sie führt über die Kreisstraße nach Mosborn und noch ein Stück darüber geht es rechts ab. Am Wegweiser „Flörsbach“ geht man nicht weiter, sondern rechts ab. Dann dem Wegweiser „Kempfenbrunn“ folgen und an der Gabelung rechts gehen. Kurz vor dem Tal geht es noch einmal rechts am Waldrand hoch (einen direkten Übergang auf die andere Talseite gibt es nicht)

Man geht in den Ort hinein zum Friedhof. Dort wieder links zur Straße nach Mosborn und zur Durchgangsstraße, wo die alte Linde steht. Geradeaus geht es in den Lindenweg, dann links in die Straße „Am Hüttberg“ und dann rechts steil in der Straße „Am Sportplatz“ und dang links auf dem Radweg nach Flörsbach.

Alternativen:

1. Durch den Hartgrund und über die Birkenhainer Straße direkt zur Wiesbütt.

2. Vom oberen Ende des Wiesbüttmoors geradeaus nach Mosborn, durch den Ort hindurch und südöstlich des Ortes in Höhe des Parkplatzes Abkürzung über den Pfingstbrunnen und dann auf der Kreisstraße nach Kempfenbrunn.

 

Kulturweg „Grenzdorf an der Spessartkreuzung“ (12 Kilometer).

In der Blütezeit des Bieberer Bergbaus arbeiteten viele Flörsbacher im Lochborn, wohin sie auf dem „Bergleute-Weg“ gingen. Die Verkehrs- und Grenzlage Flörsbachs erläutern die Stationen des (verschwundenen) Dreimärker-Steines und an der Wiesbütt. Nicht weit davon entspringt das Judenbörnchen, das als Tränke für das Vieh jüdischer Händler bei dem Transport über den Spessart diente. Ergänzend tritt die Waldbewirtschaftung der „Eichenlohe“ hinzu, die hier betrieben wurde.

 

(1) Dorfmitte, Kirche, Brunnen

 

(2) Eichenlohe (nordöstlich des Ortes): Die Verarbeitung von Eichenrinde, mit der ein Gerbstoff für die Ledererzeugung hergestellt wurde, war im 19. Jahrhundert ein besonders einträgliches Geschäft. Die Lohe (= Eichenrinde) wurde von jungen Eichen mit dem Lohlöffel am stehenden Stamm abgeschält. Aus den Wurzeln des abgestorbenen Stammes entwickelte sich ein neuer Trieb, der nach einigen Jahren wieder als Stamm abgeschält werden konnte. Bei Flörsbach ist ein Eichenbestand erhalten, in dem noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg Eichenlohe gewonnen wurde. Die nächste Lohmühle befand sich über dem Berg in Bieber­gemünd-Kassel. Hier wurde die Rinde von den jungen Eichen entfernt. Im Siegerland wird die Eichenlohe noch heute betrieben.

 

(3) Dreimärker: Bereits 1580 wurden Grenzsteine zwischen Flörsbach und Wiesen gesetzt, wie die Rienecker Landkarte vom Ende des 16. Jahrhunderts dokumentiert. Der „Dreimärker“ aus dem 16. Jahrhundert ist ein Grenzstein des späten Mittelalters, mit dem Mainzer Rad auf der einen und dem Wappen der Grafen von Rieneck sowie dem Hanauer Wappen auf den beiden anderen Seiten. Die Flur lautet seit der Erstellungszeit dieses Grenzsteins: „Am Dreimärker“.

Kürzlich wurde dieser Stein, den ein Flörsbacher Bürger vor mehr als 20 Jahren mit einem Betonfundament besonders sicherte, trotzdem gestohlen. Die Diebe müssen mit schwerem Gerät, Bagger, Traktor oder (und) Kran den Stein aus dem Erdreich gezogen haben. Der Stein steht stellvertretend für den Verlust von Kulturdenkmälern unserer Kulturlandschaft in der Moderne. Die Info-Tafel sensibilisiert den Besucher für den Reichtum an kulturellen Gütern, der am besten durch soziale Kontrolle geschützt werden kann.

Das Hochplateau unterhalb des „Dreimärkers“ in südlicher Richtung heißt. „Am Wellplätt­chen“. Dieses Gelände bekam die Gemeinde Flörsbach 1919 und 1933 von der staatlichen Forstverwaltung im Tausch für das Naturparadies „Flörsbacher Höhe“. Die „Flörsbacher Höhe“ hatten die Flörsbacher im Jahr 1912für ihr riesiges Waldgebiet zwischen Flörsbach und Lettgenbrunn bei der Einrichtung des Truppenübungsplatzes Villbach - Lettgenbrunn im Tausch bekommen. Die unterschiedlichsten behauenen Grenzmarkierungssteine mit den verschiedenen Wappen und Jahreszahlen, rings um das quadratische Ackerareal zeigen, daß dieses Gebiet oft in der Zeitgeschichte den Besitzer wechselte.

In der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hat man hier Wild erlegt. Dieses Gebiet ist sehr wildreich und da nach Kriegsende selbst die Förster keine Waffen mehr besitzen durften, hat man wegen der großen Wildschäden, besonders durch Schwarzwild, große Fallgruben angelegt. Wenn Wildschweine in diese durch Palisaden befestigten Gruben gefallen waren, hat man sie entweder erschlagen oder amerikanische Besatzungssoldaten kamen und erschossen die Tiere.

Bei der Urbarmachung des Waldes im Wellplättchen nach dem Ersten Weltkrieg 1918 / 1919 und nach 1933 wurden große Mengen von Hufeisen und Waffenfragmenten aus vergangenen Jahrhunderten gefunden. Die Fundgegenstände wurden an das Hessische Landesmuseum in Darmstadt abgegeben, wo sie zu besichtigen waren und möglicherweise auch noch sind. Dabei ist zu bemerken, daß der leichte sandige Boden dort nur in geringem Umfang in der Lage ist metallische Gegenstände zu konservieren und zu erhalten. Durch diese Rodungsarbeiten wurden die Hohlwege, durch welche die Birkenhainer Heerstraße führte, größtenteils eingeebnet und die Straßenführung verändert. Das Gleiche gilt auch für die Führung des Eselsweges und der Weinstraße. 

(3a) Hosse-Wieschen

(4) Wiesbütt

(5) Judenborn (am oberen Ende des Wiesbüttmoors)

 

 

 

Kempfenbrunn

Kempfenbrunn wird bereits 1324 erstmals als „Kempinborn“ genannt. Der Ort ist ein ehemaliges Waldarbeiter- und Glashüttendorf. An der Durchgangsstraße - wo die Straße nach Mosborn abzweigt - steht eine „tausendjährige“ Linde“.

Eine überraschende Vielfalt an Sehenswürdigkeiten bietet die Kirche zu Kempfen­brunn. Neben dem Eingangsportal ist das hanauische Wappen in die Wand eingelassen. Die Kirche ist ein schlichter Saalbau, der 1728 um fast das Doppelte erweitert wurde. Der Turm, ursprünglich spätromanisch, wurde im gleichen Jahr aufgestockt.

Bei der Renovierung des Gotteshauses in den Jahren 1977 / 1978 wurden im Bereich des um 1200 erbauten Turms mittelalterliche Malereien entdeckt und fachgerecht freigelegt. Die Bilder zeigen fragmentarisch die Passion Jesu in der unteren Hälfte und in der oberen Bildreihe Jesus Christus als Weltenrichter, neben ihm Jünger mit Spruchbändern in den Händen, die nicht mehr zu entziffern sind. In einzelnen Feldern sind schablonenhaft Heiligenfiguren dargestellt. Das Alter der Malereien wird auf 500 Jahre geschätzt. Diese Bilder gelten als Ersatz eines Flügelaltars, für dessen Anschaffung die Gemeinde zu arm war. Nur dem Umstand, daß die Bilder einst übertüncht worden waren, ist ihr Vorhandensein zu verdanken.

Links vom Chorraum („in einer Nische des Turmes“) steht eine Madonnenfigur mit dem Kinde (Holzplastik) aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts und weitere Figuren (Vier weitere Figuren derselben Schule stehen im Landeskirchenamt Kassel). Der Korpus des Altarkreuzes dürfte aus dem frühen 18. Jahrhundert stammen, die Leuchter sowie der Kreuzsockel sind Jugendstilarbeiten.

Münzen, die im Opferstock um 1750 aus unbekannten Gründen verblieben, weisen auf die weitläufigen Verbindungen hin, die durch das Fuhrmannswesen im Lohrtal gepflegt wurden. Das zeigt, daß Kempfenbrunn an einer Handelsstraße lag und viele Fuhrleute hier Rast machten. Die am weitesten entfernte Münze stammt aus Solothurn in der Schweiz.

Die Kanzel ist aus Sandstein gearbeitet und trägt das Wappen der Grafen von Hanau. Bei der Renovierung im Jahre 1978 wurde unter dem Altar ein altes Weihwasserbecken gefunden, mit einem Fuß versehen dient es heute als Taufbecken. Dazu wurde ein schmiedeeisernes Kreuz für die Taufnische angefertigt.

In der Kirche wurden Emporen eingebaut und die einzelnen Felder mit Apostelbildern mit Apostelbildern und weiteren Heiligen ausgemalt. Die Emporenbilder entstanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ursprünglich im Bauernbarock, im Laufe der Jahre wurden einzelne Bilder übermalt.

Neu in dem Gotteshaus ist die Orgel der Firma Schmidt aus Gelnhausen. Die Kirche wurde in den Jahren 2001 – 2003 im Dachbereich saniert und erneut renoviert. Dafür waren 265.000 Euro aufzubringen. Dabei wurden im Turm weitere Bemalungen gefunden.

 

Der Kulturrundweg in Kempfenbrunn / Mosborn: „Das grüne Fieber“ (12 Kilometer).

Der Kulturrundweg verbindet Kempfenbrunn und Mosborn und erschließt die von ihren Bewohnern geprägte dazwischen liegende Kulturlandschaft. Über die den Kempfenbrunnern 1768 zugeschlagene Freifläche Bergfeld, dann die „Bindseil“ Insel, die Glashütte Laubers­bach, die Siedlung Mosborn und zurück über die Terrassenäcker nach Kempfenbrunn wird deutlich, daß der Spessart ein vom Menschen gestalteter Kulturraum ist. Dabei liegen diesen Bemühungen ganz unterschiedliche Arten der Kultivierung zugrunde: Ackerbau, Herstellen von Grundstoffen zur Glasherstellung, Glasfabrikation sowie Holzentnahme.

 

(1) Start an der Kirche

(2) Das „grüne Fieber“ (am südwestlichen Ortsrand):

Für die Waldbewirtschaftung wurden bereits in den 50er Jahren schwere Raupen zur Befestigung der Waldstraßen eingesetzt. Das Material für den Waldstraßenbau wurde kleinen Steinbrüchen vor Ort entnommen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand die Idee, die reichlich vorhandenen Spessartfichten als Weihnachtsbäume zu vermarkten, und zwar dort, wo viele Menschen leben – in der Stadt. Dies war die Geburtsstunde dessen, was seither ab Mitte November einen Großteil der Kem­pfenbrunner befällt, das „Grüne Fieber“. Im Jahre 1954 machten sich die ersten Kempfen­brunner auf, ihre Tannen und Fichten am Eisernen Steg in Frankfurt am Main als Weihnachtsbäume zu verkaufen - und so ist es bis heute geblieben.

 

(3) Bindseil-Inseln (westlich des Eckardkopfs):

Walter Bindseil (1895 - 1969) stammte aus Simmern im Hunsrück. Er folgte dem Vorbild seines Vaters, der Oberförster war und kam nach seiner Ausbildung als Leiter an das staatliche Forstamt in Bieber. Er engagierte sich sehr stark für die Belange seines Waldes, insbesondere für die Einführung einer von ihm propagierten Form der Waldbienenweide durch die so genannten „Bindseil-Inseln“. Dies sind isolierte Anpflanzungen großfrüchtiger Laubhölzer an Waldrändern. Die Anlagen sind nicht nur für die Vogelwelt von Nutzen, sie dienen vor allem der Bienenweide. Bis heute werden etwa 20 Bindseil-Inseln gepflegt, aber auch neue angelegt.

 

(4) Glashütten im Lauberbachtal:

Die Täler um Bieber und Lohrhaupten waren ein Zentrum der hanauischen Glasherstellung. Seit dem 17. Jahrhundert waren Glasmacher an wechselnden Standorten tätig. Allein aus dem Laubersbachtal sind sechs Hüttplätze bekannt, von denen die meisten jedoch nicht datiert sind. Die Glashütte, die im Laubersbachtal von 1722 bis 1740 produzierte, ist aufgrund des guten Archivmaterials die erste im Spessart, die uns über die Belegschaft einer Glashütte Auskunft gibt. Da gibt es einen Glasmeister, einen Kelchmacher, einen Glasschneider – ins­gesamt dürften hier über achtzehn Jahre hinweg etwa hundert Menschen gelebt haben. Die Produktion wurde vor allem nach Holland geliefert, wie die vielfach mit Spessartglas bestückten Stilleben niederländischer Meister dokumentieren. Der Römer hat charakteristische Beerennuppen, die auch im Laubersbachtal gefunden wurden.

 

(5) Mosborn:

Mosborn ist die jüngste Siedlung, die im Spessart angelegt wurde. Als die Zeit der Glashütten vorüber war, in den Hungerjahren nach 1748, wanderten allein aus Flörsbach und Kempfen­brunn 167 Menschen nach Amerika aus. Kempfenbrunn zum Beispiel wurde zwischen 1717 und 1766 von 90 Personen verlassen. Deshalb schenkte 1765 Erbprinz Wilhelm von Hanau (später Kurfürst Wilhelm I.) den Siedlern das Land der Glashütten‑Wüstung Laubersbach zur Gründung des Ortes Mosborn. Bis 1768 waren in Mosborn acht Höfe errichtet worden, in denen 40 Menschen lebten.

Er besteht aus acht Gehöften, die gleichmäßig angelegt sind: An das Wohnhaus schließen sich Scheuen und Stallung an, das Nachbargrundstück hat diese Reihenfolge dann spiegelverkehrt. Am westlichen Ortsrand steht das Gasthaus „Mosborner Hof“, eine ländliche Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeiten, mit vielen Tieren und einer Terrasse. Der Erholungsort bietet allerdings nicht sehr viel als diese Bauernhöfe. Bis heute hat sich das Ortsbild von Mosborn kaum verändert. Im Luftbild wird die Struktur einer geplanten Siedlung deutlich. Die Höfe konnten ein Teil ihres ursprünglichen Aussehens bewahren.

Im Jahre 1994 pachtete eine Familie einen Hof und stellte ihn auf ökologischen Landbau um. Im Jahre 2004 erwarb sie ihn. Inzwischen sind auch alle anderen Höfe auf biologischen Landbau umgestiegen. Sie verkaufen im Hofladen und auf dem Aschaffenburger Wochenmarkt.

Der Lehrpfad: Mosborn: „Eine planmäßige Siedlung des 18. Jahrhunderts“.

 

 

 

Frammersbach

Frammersbach ist ein alter Spessartort, in dessen Umgebung in Mittelalter und Neuzeit zahlreiche Glashütten bestanden. Berühmt wurde er jedoch vor allem durch seine Fuhrleute, die seit dem 15. Jahrhundert die Straßen Europas als „Spediteure“ befuhren. Rund um Frammers­bach haben sich zahlreiche Zeugnisse der intensiven Nutzung der Kulturlandschaft Spessart erhalten. Wässerwiesen, Lehmgruben, Köhlerplatten, Glashütten, Ackerbauterrassen, Lesesteinriegel und Lesesteinhaufen zeugen von den ausgedehnten wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen durch die Jahrhunderte. Aber auch an einzelnen Bäumen, an der Bodenbedeckung durch Heidekraut und vielen anderen kleinen Merkmalen in der Landschaft, läßt sich deren Geschichte ablesen.

Als Hessen sind die Frammersbacher Fuhrleute in die Ge­schichte Antwerpens eingegangen. Noch heute steht in Antwerpen auf dem Hessenplein das Hessenhaus, wo die Hessenwagen über Jahrhunderte ent‑ und beladen wurden, um bis nach Lissa­bon und Moskau zu rollen. Die starken Männer aus dem Spessart, die als kurfürstliche Jagdfahrer begonnen hatten und ein europaweites Fuhrunternehmen daraus machten, waren eigentlich Bayern, ihr Heimatdorf lag unmittelbar an der Grenze zu Hessen. Von Dialekt und Kleidung her, mit hohen Stulpenstiefeln, breitkrempigem Hut und langem Leinenkittel angetan, gaben sie sich aber doch stets hessisch. Legendär war ihre Tagesleistung. Wo 30 Kilometer als guter Durchschnitt galten, schafften die Frammersbacher auch schon mal 100.

Die Bewohner verdienten sich über Jahrhunderte auf ganz le­gale Weise ihr Brot und trugen den Na­men des Ortes bis nach Italien oder Hol­land. Vom zwölften Jahrhundert an ist der Ort weltweit bekannt als das Dorf der Fuhrmannszunft. Seit dem 15. Jahrhundert durchquer­ten die Frammersbacher Fuhrleute alle be­deutenden Straßen Europas, besaßen zeit­weilig eine „Mo­no­polstellung“ und waren lange die wichtigsten Spediteure für die Fugger.

Es ist es heute kaum mehr vorstellbar, daß die­ser abseits gelegene Ort in den vergangenen Jahrhunderten den gesamten Rollverkehr zwischen Antwerpen und Triest beherrschte und später noch einen ausgedehnten Papierhandel betrieb. Im Wappen des Ortes stellt eine Mannsfigur einen Angehörigen der Frammers­bacher Fuhrmannszunft dar. Daneben stehen das Rad des Kurstaats Mainz und drei Balken aus dem Rienecker Wappen. Die Zunft war alt und bedeutend und löste sich erst im 19. Jahrhundert auf.

Heute rollen nur noch die motorisierten Pferdestärken der Erholungssuchenden nach Fram­mersbach. Man hat in der Gemeinde die Zeichen der Zeit verstanden und sich auf die Gäste eingestellt mit Pensionen, einem Wanderwegenetz und dem Bau eines beheizten Terrassen­schwimmbades, das weit und breit nicht seinesgleichen findet. Dem zwanzigsten Jahrhundert haben sich die Bewohner auch noch anders angepaßt durch den Holzhandel, den Unterhalt von Sägewerken und besonders die Kleiderindustrie.

 

Kulturweg Route 1, Herbertshain: Fuhrleute und Wallfahrt

(1) Nahverkehrsweg:

Beginnend in der Nähe des geplanten zukünftigen Museumsgebäudes führt der Weg auf dem Zubringer zur Wiesener Straße bergan. Dieser Weg weist noch eine alte Pflasterung auf. An manchen Stellen lassen sich die großen Steine erkennen, mit denen der Wegrand befestigt war. In Teilen der alten Pflasterung sind tiefe Bremsspuren eingegraben, die von den Hemmschuhen der schweren Karren stammen. An der Straße nach Wiesen wird ein Punkt beschildert, an dem im Bauernkrieg 1525 etliche Bauern hingerichtet wurden.

Weiter oben haben sich Ackerterrassen im Wald erhalten. Zusammen mit verwachsenen Buchen zeigen sie an, daß hier noch bis in die jüngere Neuzeit Ackerbau und Viehzucht betrieben wurden. Entlang des Gebirgskammes finden sich Erlen, die auf feuchten Boden hindeuten. Hier ist der Waldboden von Kratern übersät, aus denen sich die Frammersbacher früher den Lehm für den Hausbau geholt haben.

 

(2) Fernverkehrsweg:

Der Weg führt weiter über die alte Wiesener Straße, entlang der Grenze von Gemeinde- und Staatswald. Er ist wechselseitig rechts und links von historischen Mainzer Grenzsteinen des 18. Jahrhunderts begleitet. Direkt am Wegrand liegt ein ehemaliger Bergbauschacht. Hier versuchte man sich zeitweise am Abbau von Schwerspat. Die Wiesener Straße war ein wichtiger Verkehrsweg im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit (15. bis 18. Jahrhundert). Auf ihr erreichten die Frammersbacher Fuhrleute die Birkenhainer Heerstraße, eine der wichtigsten Fernverkehrsverbindungen der damaligen Zeit.

 

(3) Pilgerweg (Kreuzkapelle):

Die alte Wiesener Straße führt zur Kreuzkapelle, einer der ältesten Kirchen der Umgebung. Sie wurde im 14. Jahrhundert von Glasmachern noch vor der Gründung der Pfarrkirche in Frammersbach erbaut. Später wurde sie in eine Wallfahrtskirche umgewidmet. Jahreszahlen an der Kirche verweisen auf wesentliche Umbauten, etwa 1506 und 1681. An einem Fenster verweist ein Wappen der Grafen von Rieneck auf die Bedeutung dieses Adelsgeschlechts für die Entwicklung des Spessarts im Mittelalter.

Wenn man mit dem Auto kommt fährt man zunächst westlich in Richtung Wiesen und Schöllkrippen. Wo ein kleiner Zierbrunnen links im Vorgarten steht geht es links hoch in die Hofreithstraße. Wo diese sich gabelt geht es links weiter 2,5 Kilometer in den Wald. Auf dem Auberg steht die mittelal­terliche Heiligkreuzkirche aus dem 14. Jahrhundert, das gemeinsame Gotteshaus der Glasma­cher­dörfer. Sie liegt im Wald auf dem 387 Meter hohen Auberg und wurde vom Stift Aschaffenburg errichtet.

Die Kreuzkapelle steht hier aus der Zeit der „Kolonisation“ des Spessarts und ist die älteste Kirche zwischen Aschaffenburg, Lohr und Lohrhaupten. Vom Rande her wurden die bis ins 17. Jahrhundert als schauerlich, gefährlich und undurchdringlich bekannten Wälder durch Klöster und Jagdhöfe erschlossen. Am stärksten war der Einfluß von Kurmainz. Es veranlaßte im 14. Jahrhundert unter anderem, Glashütten anzulegen, um das Holz an Ort und Stelle zu verwerten. Aber auch die Grafen von Rieneck spielten eine große Rolle bei der Gründung der Glashütten

Die Kreuzkapelle darf als Ergebnis eines Kompromisses zwischen Landesherrn, Kirche und Kolonisatoren im Spessart gelten. Im 14. Jahrhundert sind im Spessart vielfach Glasmacher anzutreffen, die in „fliegenden Glashütten“ arbeiten. Sie hielten sich dort zwischen Ostern und Martini auf. Ihre Zahl muß so groß geworden sein, daß über eine seelsorgerliche Betreuung nachgedacht wurde, da der Weg nach Lohrhaupten sehr weit war. Die Herren von Rieneck und das Stift St. Peter und Alexander in Aschaffenburg hatten ihrer Aufsichts- und Seelsorgepflicht zu genügen. Die Glasmacher waren durch ihr unstetes Leben jedoch nicht an eine Pfarrei zu binden. So entstand an einem Verkehrsknotenpunkt die Kreuzkapelle als Versammlungsort der Glasmacher.

Das Aschaffenburger Stift hatte das Besetzungsrecht für die Pfarrei Lohrhaupten und war seit 1317 in Frammersbach begütert. Deshalb kümmerte es sich besonders um die Glasmacher.

 Missionare nahmen sich von Zeit zu Zeit der einsam lebenden Glasbrenner an und ließen dann auch diese Kirche bauen. Auf Wunsch eines Stiftsherren des Aschaffenburger Stiftes St. Peter und Alexander bauten die Bewohner der Glashütten bei den heutigen Orten Wiesthal, Habichsthal, Neuhütten, Krom­menthal und Heigenbrücken die Kreuzkapelle. Eine Glashütte befand sich nur 500 Meter von der Kapelle entfernt, die anderen waren im Süden und Westen.

Die Messe soll an Sonn- und Festtagen abwechselnd von einem Stiftsherren und dem Pfarrer von Lohrhaupten gelesen worden sein. Von dem Pfarrer seien auch die Kinder der Glasmacher getauft und unterrichtet worden.

Die Entstehung der Kreuzkapelle ist in das Jahr 1349. einzuordnen. Zwei Inschriften belegen die Bautätigkeit: Die eine befindet sich an einem Eckstein des Chores, eine Jahreszahl in römischen Ziffern, aber in gotischen Minuskeln geschrieben und gibt die Jahreszahl 1483 wieder. Die zweite Jahreszahl befindet sich nur wenige Meter daneben und datiert auf das Jahr 1506, als die Kapelle erweitert wurde. Nachdem sie zum Wallfahrtsziel für die umliegenden Ortschaften geworden war, mußte sie mehrfach erweitert werden, erstmals im Jahre 1506.

Der heutige Bau wurde 1681 vollendet und im Jahre 1685 geweiht (ersichtlich an der Jahreszahl über dem Eingang). Das Wappen der Herren von Rieneck findet sich an dem kleinen Fenster der Kirche an der Nordostseite.

Der Neubau der Pfarrkirche in Frammersbach im 19. Jahrhundert gefährdete die Existenz der Kreuzkapelle. Weil Baumaterial teuer war, sollte die Kreuzkapelle abgerissen werden, um Rohstoffe gewinnen zu können und um die Stiftungen für die Kreuzkapelle auf die Pfarrkirche übertragen zu können. Die meisten Informationen über die Kirche stammen dann auch aus dem Schreiben des Frammersbacher Pfarrers Stephan Joseph Romeis an das erzbischöfliche Ordinariat in Würzburg aus dem Jahre 1824. Von dort war der Vorschlag gekommen, die Kapelle abzureißen, um aus der dann freiwerdenden Stiftung den Neubau der Frammers­bacher Pfarrkirche zu finanzieren. Pfarrer Romeis begründete seinen Widerspruch mit der „alten Tradition“ der Kreuzkapelle.

Bis ins späte 18. Jahrhundert wallfahrteten viele Prozessionen zum Fest der Kreuzauffindung von Lohr, Rieneck, Oberndorf, Wiesen und Wiesthal. Im Jahre 1810 wurde die Wallfahrt zum Fest des Heiligen Rochus von Frammersbach zur Kreuzkapelle eingeführt. Die heutige Wallfahrt dokumentiert das Bemühen der Kirche, einen Ersatz für die verlorene Funktion als Glasmacherkirche zu finden. Die Kapelle ist heute von Grund auf renoviert als schmucke Waldkapelle. Die originalen Barockaltäre wurden in der Pfarrkirche Frammersbach aufgestellt, aber auch jetzt hat die Kirche einen schönen Altar. Für eine Wanderung ist auch besonders empfehlenswert der Weg der blaumarkierte Weg 2 rund um Frammersbach herum.

 

(4) Hohlweg:

Nach der Kreuzkapelle führt der Weg wieder bergab. Dabei durchquert man einen beeindruckenden Hohlweg von bis zu 6 Metern Tiefe. Die Frammersbacher Fuhrleute haben diesen Zubringer zur alten Wiesener Straße über Jahrhunderte hinweg eingetieft. Ein Holzschnitt von 1574 zeigt den typischen Frammersbacher Fuhrmann, der in jener Zeit Güter quer durch Europa transportierte. Das Gemälde von Gillis Mostaert aus Antwerpen - dem wichtigsten Zielort der Frammersbacher Fuhrleute - zeigt die schweren Karren, mit denen Waren etwa von Nürnberg nach Antwerpen gelangten. Leider sind selbst so eindrucksvolle Hohlwege wie dieser hier noch heute durch illegale Müllablagerungen gefährdet.

 

Kulturweg, Route 2: Rinderbachtal „Waldwirtschaft und Wiesenbewässerung“

Durch die intensive Bewirtschaftung von Wald und Wiesen erhielt die Kulturlandschaft ihre heutige Gestalt. Im Bereich der Wässerwiesen finden wir deshalb heute eine so außergewöhnliche Flora und Fauna vor, daß das Rinderbachtal im Jahr 2001 unter Naturschutz gestellt wurde.

 

(1) Start:

Vom Naturschutzgebiet Spessartwiesen ausgehend beginnt der Kulturrundweg „Rinderbachtal“ des Archäologischen Spessart-Projekts. Das Rinderbachtal und der anschließende Forst Haurain sind Beispiele für völlig unterschiedliche Nutzung der Kulturlandschaft in der Vergangenheit. Anschaulich wird hier vor Augen geführt, daß der Mensch in seinen Bemühungen um land- und forstwirtschaftliche Erträge verschiedenste Strukturen auszunützen verstand.

 

(2) Haurain:

Der Blick über die Wässerwiesen zur Forstabteilung Haurain dokumentiert die scharfe Trennung zwischen Feld und Wald. Der oberste Wässergraben wurde in späteren Zeiten als mit Steinen abgemarkte Grenze zwischen Centwald bzw. Mainzer Wad festgeschrieben. Eine Ausweitung der Wiesenfläche wurde damit unterbunden.

 

(3) Forstabteilung Haurain:

Hanauer, Mainzer und die Interessen der Einheimischen trafen hier, im „Centwald“, aufeinander. Noch heute ist die vielfältige historische Waldnutzung zu erkennen. Man findet hier jahrhundertealte Buchen, die inzwischen von etwa zweihundert Jahre alten Kiefern umgeben sind. Während die Buchen Relikte des spätmittelalterlichen offenen Waldbestandes sind, sind die Kiefern Beleg für die ersten Aufforstungen noch in Mainzer Zeit. Seit dem späten Mittelalter war der Haurain Streitobjekt zwischen den Obrigkeiten und der Gemeinde Frammers­bach. Die endgültige Grenzziehung im 20. Jahrhundert ist heute bereits im Luftbild durch die differierenden Baumarten zu erkennen.

 

(4) Wiesenbewässerung:

Die Wiesen im Rinderbachtal wurden noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf zwei verschiedene Arten bewässert, um mehrmals im Jahr Gras schneiden zu können. Sichtbar sind die drei Stufen der Hangbewässerung entlang der Talflanken. Durch Aufstauen konnte das Wasser von oben in die Schräge eindringen. Die zweite Methode bestand im Anlegen von sogenannten Rückenwiesen auf der Talsohle. Das über den Firstgraben eingeleitete Wasser rieselte rechts und links in die Abzugsgräben und zurück in den Bach. Beide historischen Wässersysteme sind bei genauem Hinsehen von diesem Standpunkt aus erkennbar.

 

(5) Kalbsbaum:

Ein Abstecher in die Kulturlandschaft führt zum vermutlichen Standpunkt des sogenannten „Kalbsbaums“. Eine Landkarte aus dem späten 16. Jahrhundert erzählt von der grausamen Begebenheit, die sich an diesem Ort zutrug. „Alhie bei diesem Kalbsbaum so ein hoher langer stein ist gewest sind Anno 1525 ein antzahl Bauern erschlagen worden.“ Die Spuren dieser Exekution sind heute verschwunden, doch mahnt uns diese Tat, daß dieser heute abgelegene Platz einstmals ein Brennpunkt der lokalen Geschichte war. Die Lage an der vielbefahrenen „Wiesener Straße“ setzte für die passierenden Bauern und Händler ein Zeichen, welches Schicksal Aufrührern drohte.

 

Lohrhaupten

Von Kempfenbrunn fährt man erst nach Süden und dann wieder nach Nordosten nach Lohr­haupten. Man fährt nicht gleich nach links zur Kirche ab, sondern erst bis zu der Kurve, an der rechts die Straße nach Rengersbrunn abgeht. Dort links fahren. Man kommt vorbei am Rathaus (links) und am Herrnshof (rechts), einem 200 Jahre altes Fachwerkhaus, wo die Frau Wirtin unter anderem 500 Kaffeekannen geschickt ins Bild gesetzt hat (dienstags Ruhetag). Von der Hauptstraße biegt links die Borngasse ab, wo die Matthäusquelle und der Waschtrog sind.

In der frühen Neuzeit litt der Ort unter der Zersplitterung der Grundherrschaft in mehrere Territorien. Als ab 1684 hanauisches Gebiet verlor Lohrhaupten den strategischen Wert für die Landgrafen. Die seit Jahrhunderten hier lebende Bevölkerung mußte jedoch weiterhin ein Auskommen finden, was sich auf dem kargen Boden als beschwerlich erwies. Mit welchen Mitteln sich die Menschen zu helfen wußten, zeigt der etwa neun Kilometer lange Kulturrundweg. Der Ort ist auch bekannt für die Wirtschaftsform der Eichenlohegewinnung und für die Alphörnerherstellung, eine Wagnerwerkstatt wurde als Museum eingerichtet.

Wo die Hauptstraße nach rechts abbiegt steht links ein Brunnen mit Steinbogen. Dort geht es steil den Kirchberg hinan zur Kirche. Im hochgelegenen, ehemals befestigten Kirchhof links am Fuße des Berges, der Lohrhaupten umzieht, liegt das Gotteshaus des Dorfes, die Matthäuskirche.

Die Kirche zu Lohrhaupten beherbergt die älteste (im Jahr 1057) beurkundete Pfarrei im Spessart. Den ältesten baulichen Bestandteil stellt der Turm aus dem 15. Jahrhundert dar,

in dem sich ebenso alte Fresken befinden, die das Weltgericht zeigen. dar. Das spätbarocke Kirchenschiff wurde 1765 nach einem Kirchenbrand errichtet. Es liegt quer vor der Westseite des Turmes und besteht aus einem saalartigen Schiff. Die Kirche hat stichbogige große Fenster sowie auf den Schmalseiten rechteckige Türen. Die Kirche wurde bei ihrem Bau als evangelische Predigtkirche konzipiert. Der Raum besitzt stichbogig geschlossene Fenster und rechteckige Türen an den Schmalseiten. Nord-, Ost-, und Südseite der Kirche sind mit Emporen versehen.

 

Zur Geschichte der Kirche: Auszug aus der Chronik der Kirche ab 1953:

1953

Zusammenschluß von Lohrhaupten, Lettgenbrunn und Pfaffenhausen zum gemeinsamen Kirchspiel

1957

900-Jahr-Feier. Mit großem finanziellem Aufwand wird die Kirche renoviert (Fußböden, Außenanstrich, neues Dach, elektrisches Geläut, Beleuchtung usw.)

1961

Die Pachtverträge der Ländereien laufen aus und werden nicht verlängert

1962

Im Januar werden Hinweisschilder zu den Gottesdiensten aufgestellt

1963

Taufen sollen nur noch in der Kirche stattfinden, in der Regel während des Gemeindegottesdienstes

1964

Der Kirchenvorstand sammelt Geld für die Kirchenerneuerung

1965

Pfarrer Hertl verunglückt tödlich im Urlaub in Südnorwegen

1971

Die Leichenhalle wird neben dem Friedhof errichtet

1972

Ein heftiges Sommerunwetter macht eine erneute Kirchenrenovierung nötig. Die Kosten werden je zur Hälfte von der politischen Gemeinde und der Kirchengemeinde getragen

1978

Erstmals Seniorennachmittage und Frauenkreisabende

1979

Die Kirche bekommt eine neue Heizung

1980

Ab Oktober finden die Gottesdienste wegen der Renovierung im Gasthaus „Adler” statt

1984

Die Fresken im Turm der Kirche werden freigelegt

1985

Kreiskirchentag in Lohrhaupten vom 20. bis 22.9. unter dem Thema „Solange die Erde steht”

1988

Das Kirchturmdach wird neu eingedeckt

1989

Erster Kirchweihgottesdienst

1991

Friedensgebete während des ersten Golfkriegs

1992

Baubeginn des Gemeindehauses

1993

Das Taufbecken, das lange Zeit in der Treppe des Herrnshofs (Hauptstraße 13) eingemauert war, wird nach der Restaurierung wieder eingeweiht. Das neue Gemeindehaus wird am 27. Juni eingeweiht. Passions- und Adventsandachten werden wieder eingeführt

1994

Das neue Gesangbuch der Kirche in Kurhessen-Waldeck wird eingeführt

1996

Die goldenen und diamantenen Konfirmanden stiften ein neues Kruzifix

1997

Der Turm wird zum Raum der Stille umgestaltet. Der alte / neue Taufstein wird wieder in der Kirche eingesetzt. Es findet der erste lebendige Adventskalender statt

2001

Die Orgel wird renoviert. Das Gemeindehaus kann nun auch für kirchliche Familienfeiern angemietet werden. Auch Kinder empfangen das Abendmahl. Einmal im Monat gibt es einen Abendgottesdienst

2002

Der MGV Liederkranz und der Singkreis schließen sich zum Gesangverein Liederkranz zusammen

2004

In Lettgenbrunn wird auf die Baulastablösung durch die politische Gemeinde teilweise verzichtet. Lohrhaupten nimmt dies komplett an

2005

Während einer Trauerfeier löst sich ein Stück der Kirchendecke und fällt herunter. Eine erneute Dachsanierung steht an

2007

Im Rahmen des Mittelalterfestes lassen sich Norman und Maden Zauske in historischer Gewandung trauen

2007

Kirche in Bau: Es wäre so schön gewesen - wenn die Kirche zur 950-Jahr-Feier schon fertig renoviert gewesen wäre! Doch leider ergaben sich im Dachstuhl der Kirche größere Schwierigkeiten als zuerst angenommen. Schädlinge hatten das Holz zerfressen, so daß Wasser eindringen konnte und zu weiteren Schäden führte.

 

Rundgang durch die Kirche:

Kanzel:

Im Inneren der Kirche fällt der Blick zunächst auf die Kanzel mit kunstvollen Intarsienarbeiten an den barocken Bauchungen. Sie ist das aus Eichen- und Nußbaumholz gefertigte Werk eines unbekannten Meisters. Vermutlich stammt sie aus einer Würzburger Werkstatt. Mit der sie umgebenden Täfelung, die mit barocker Illusionsmalerei verziert ist, dem Eingang zur Sakristei und dem alten Pfarrer-Küsterstand schmückt sie Westseite der Kirche.

Der Altar:

Vor der Kanzel in der Mitte des Gotteshauses ist der Altar aufgestellt. Ihn umgibt - typisch für einige Kirchen des Hanauer Land das „Paradies“, ein Holzgitter, dessen Verzierung mit Rosen Anspielung auf das Wappen Martin Luthers verstanden wer kann. Das Gestühl steht vor und neben dem Altar.

Taufbecken:

Im Mittelgang zum Turm hin befindet sich der alte Taufstein der Matthäuskirche. Nach Schätzungen stammt er aus dem 15. Jahrhundert, entstand also zur gleichen Zeit wie der Turm. Der Taufstein wurde vermutlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus der Kirche entfernt: Im Hof einer Lohrhauptener Familie überlebte er fast ein Jahrhundert als „Kartoffelwaschtrog“, bis er im Jahre 1992, nach einer gründlichen Restaurierung wieder seinen Platz in die Kirche fand. Die Taufschale stammt aus dem Jahr 1888, die Taufkanne aus dem Jahr 1889. Sie sind aus Zinn gefertigt.

Orgel:

Auf der Ostempore befindet sich die Orgel. Der barocke Prospekt stammt aus der Entstehungszeit der Kirche und wurde vermutlich ebenfalls in Würzburg hergestellt. Er blieb auch beim Umbau der Orgel im Jahre 1904 erhalten. Damals wurde von der Firma. Steinmeyer eine romantische Orgel mit pneumatischer Traktur in den vorhandenen Prospekt eingebaut. Dabei wurde die Orgel offenbar auch vergrößert. Die Orgel besitzt heute 18 Register in zwei Manualen und einem Pedal. Auch die Emporen‑ Stirnwände zeigen schöne barocke Formen.

Standessitze: Unterhalb der Emporen befinden sich auf der Süd-, Ost- und Nordseite der Kirche Standessitze. Sie waren in früheren Zeiten den Honoratioren des Dorfes vorbehalten. Auf der Südseite saßen die Beamten der Gemeinde (Förster), im Südosten die Vertreter der politischen Gremien (Gemeindevertretung), im Nordosten der Kirchenvorstand (Presbyterium) und im Norden fand die Pfarrfamilie ihren Platz.

Turm:

Der Turm stammt wahrscheinlich aus der Zeit von 1500. Im Obergeschoß hat er zweiteilige Spitzbogenfenster. Das Mittelgeschoß hat schmale Schlüssellochscharten. Im Erdgeschoß enthält der Turm ein Kreuzgewölbe mit hohl profilierten Rippen und Schlußstein. Der untere Turmraum war wahrscheinlich der Chorraum eines früheren Gotteshauses. Mittelalterliche Fresken sind dort freigelegt.

Der Turm ist durch eine breite Rundbogenöffnung mit dem Kirchenschiff verbunden, die offenbar 1765 beim Bau der neuen Kirche zur jetzigen Gestalt verengt wurde. Der Turm wurde im Jahre 1997 zu einer Kapelle umgestaltet, die Besuchern einen Ort der Stille und der Meditation bieten möchte. Die Umgestaltung wurde durch eine Spende von Herrn Erich Zeiss senior ermöglicht Der Turm besitzt ein einfaches Kreuzgewölbe, dessen Schlußstein eine Christusdarstellung zeigt. Eine kleine Konsole auf der Ostseite zeigt das Hanauer Wappen.

 

Wandfresken:

 Den wohl schönsten Schmuck des Turms bilden die im Jahre 1984 freigelegten Wandfresken. Auch sie stammen wohl aus der Entstehungszeit des Turms und dürften somit im 15. Jahrhundert. entstanden sein. Das Bild zeigt auf einer Fläche von 160 mal 240 Zentimeter eine Darstellung des Weltgerichts. In der Mitte thront Christus auf einem Regenbogen sitzend als Weltenrichter. Die segnend erhobenen Arme lassen deutlich die Wundmale erkennen. Lilienstengel und Schwert berühren die Wangen des Heilandes. Die Füße ruhen auf einem zweiten Bogen, der die Welt symbolisiert. Zur rechten Christi kniet Maria mit über der Brust gefalteten Händen. Zu seiner Linken wendet sich Johannes der Täufer mit ebenfalls gefalteten Händen Christus zu. Maria und Johannes sind als Fürbitter der Menschen dargestellt. Zwei posaunenblasende Engel grenzen nach den Seiten hin den oberen Teil der Darstellung ab. Den Hintergrund bildet ein Sternenhimmel.

Zu Füßen Christi vollzieht sich die Auferstehung der Toten. Sie tragen Kleidung, die sie als Angehörige der verschiedenen Stände des ausgehenden Mittelalters ausweisen. Rechts steigen die Erlösten zur ewigen Seligkeit, zur Linken werden die Verdammten dem Höllenrachen zugetrieben. Im Höllenrachen selbst ist eine Säule zu erkennen. an die ein Teufel gekettet ist.

Unterhalb der Menschengruppe ist eines der Weihekreuze zu erkennen, das zeitgleich mit der übrigen Malerei gefertigt wurde.

Die Weltgerichtsdarstellung selbst ist nur ein Teil der ursprünglichen Ausmalung des Turms.

Bei der Malerei im Turmraum handelt es sich um eine Kalk-Secco-Malerei, aufgebracht auf einlagigem Kalkmörtel. Diese Technik entspricht den meisten in dieser Zeit in Deutschland angefertigten Wandbildern.

Auf dem einschichtig aufgetragenen Kalkmörtel wurde eine leicht getönte Kalkschlämme gestrichen. Diese Kalkschlämme dienten der Hintergrundfarbigkeit, die an den nicht bemalten Flächen die Funktion der Tünchschicht übernahm. Bei der Malerei herrschten die Farbtöne schwarz, grau und Ockergelb vor (Erdpigmente und Rußschwarz?). Die Farbe rot wurde vorwiegend zur Konturierung benutzt. Die Bemalung wurde unmittelbar auf die Hintergrund-Kalkschlämme aufgetragen. Durch diese rasche Verarbeitung der Farben entstand eine Oberflächenversinterung. Hierdurch zeigt die Oberfläche heute noch einen stabilen, festgebundenen und farbintensiven Erhaltungszustand. Bis zur Freilegung der Fresken waren diese teilweise durch drei Farbschichten überlagert. Im Deckenzwickel ist noch ein Engel mit einem Spruchband zu erkennen, dessen Schrift heute nicht mehr lesbar ist.

 

Mutter mit Kind:

In der Südwand des Turms befindet sich eine Wandnische, die laut Chronik der Pfarrei über Jahrhunderte vermauert war, Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie im Zuge von Renovierungsarbeiten wieder entdeckt und geöffnet. Damals fand man die zerbrochenen Teile einer Pieta, einer Darstellung Mariens mit dem toten Christus im Schoß. Die Teile wurden entnommen und in der darüber befindlichen Fensternische vermauert. Im Jahre 1989 wurde in dieser Nische eine moderne Holzplastik des Hausener Künstlers Konrad Franz aufgestellt. Sie trägt den Titel: Mutter mit Kind. Die Plastik wurde im Rahmen des alljährlich stattfindenden Lohrhaupter Kulturwochenendes erworben und von den Familien Zeiss senior und junior für die Matthäuskirche gestiftet.

 

Gedenkstein:

Zu beiden Seiten des Eingangs zum Turm befinden sich Grab- bzw. Gedenksteine. Sie erinnern an die Pfarrer Johannes Schmalberger (1717 - 1754) und an seinen Sohn und Nachfolger Johann Heinrich Schmalberger (1754 - 1807), den Erbauer der heutigen Matthäuskirche. Zusammen dienten beide der Gemeinde Lohrhaupten über 90 Jahre als Pfarrer. Johannes Schmalberger war von 1701 bis 1717 Pfarrer in Kempfenbrunn gewesen, bevor er nach Lohrhaupten wechselte. Im Jahre 1754 wurde er hier in den Ruhestand versetzt. Ein Grabstein zweier Töchter von Johannes Schmalberger ist noch im Außenbereich der Kirche, an der Nordseite der Sakristei erhalten geblieben. Der Sohn und Nachfolger, Johann Heinrich Schmalberger betrieb nach seinem Amtsantritt den Neubau der Kirche in Lohrhaupten.

 

Wappen:

Über dem reichprofilierten Eingangsportal an der Nordseite der Kirche befindet sich ein verziertes Wappen. Es handelt sich um das Wappen der Landgrafschaft Hessen-Kassel, wie es von 1763 bis 1803 geführt wurde. Die Inschrift darunter lautet: „Gott zu Ehren/u. zu heilsamer Erbauung/wurde unter der Regierung des Durchl. Fürsten und Herrn/Herrn WILHELM Landgrafen und Erbprinzen zu Hessen regierenden Grafen zu Hanau/ dieser Kirchenbau aufgeführt von der Evangelisch Lutherischen Gemeinde/zu Lohrhaupten im Jahre 1765“. Die einzelnen Wappenteile zeigen die Herrschaften an, die den Landgrafen von Hessen unter-standen. Der Elefant als Wappenträger weist Wilhelm als Träger des dänischen Elefantenordens aus, den ihm sein Schwiegervater, König Frederik V. von Dänemark, im Jahre 1760 verliehen hatte.

 

Spinnerei:

Udo Weiß beherrscht noch eine alte Handwerkskunst: Er sitzt am Spinnrad, um aus der Wolle von möglichst in Herden freilaufenden Schafen die Fäden zu spinnen, die er für Praktisches und Dekoratives verwebt. Zweierlei gibt dem Weber Zukunft: Rustikale Jacken und Schals in vielen Farben finden ihren Markt bei Leuten, die außergewöhnliche Kleidung schätzen. Gefragt sind als außergewöhnliche Dekoration Wandteppiche und natürlich in geduldiger Handarbeit gestaltete Altardecken für Kirchen. Sie sollen den Blick zum Altar lenken, aber nicht von der Andacht ablenken. Die filigrane Handarbeit für Gotteshäuser, wie jetzt auch für die Kirche in Kempfenbrunn, hat ihren Preis. „Bis zu mehreren tausend Euro”, meint Weiß. Der Weber gibt gern Informationen über das von ihm praktizierte alte Handwerk, versucht immer wieder Kinder und Jugendliche hierfür zu begeistern.

 

Die Verlängerung der Hauptstraße nach Westen ist die Pfaffenhäuser Straße .Dort geht es weiter vorbei am Engetal (links). Auf der Höhe steht die Wachhütte (482 Meter). Hier kreuzten sich Heeres- und Handelswege der Nomadenvölker Römer, Alamannen, Franken und Kaufmannsleute. Hier kreuzen sich auch Eselsweg und Birkenhainer Landstraße. Die Wachhütte war ein ehemaliges kurmainzisches Geleitshaus, das um 1776 die Birkenhainer Straße sicherte.

 

Jüdische Gemeinde:

Eine jüdische Gemeinde bestand bis in das Jahr 1936, die Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Nur ein Betsaal war anfangs vorhanden. In den Jahren 1885/ 1886 erbaute man eine neue Synagoge, deren beim Novemberpogrom 1938 Fenster eingeworfen wurden. Weitere Zerstörungen sind nicht bekannt, das Gebäude in der Pfaffenhäsuer Straße in der Ortsmitte wurde bereits 1935 verkauft. Ab 1951 blieb es in Privatbesitz, bis es im Jahre 1974 abgebrochen wurde.

 

Lehrpfad:

Für den Lehrpfad: Lohrhaupten: „Die älteste Spessart‑Pfarrei“ (9 Kilometer) ist der Startpunkt an der Kirche. Dort hängt an der Kirchhofsmauer auch ein Kasten für Informationsmaterial. Ein Schild weist auf die erste Tafel des Lehrpfades hin, der im Dorf nach rechts Richtung Gemünden geht.

(1) Kirche:

Der Kulturrundweg führt über fünf Stationen zu den Themen Verkehrslage, Wilderei, alte Ackerterrassen, vergangene Waldbewirtschaftung sowie zu einem Panoramablick auf die Rhön. Der Startpunkt an der Lohrhauptener Kirche bietet einen Gesamtüberblick der Strecke. Weiterhin erfährt man von den mittelalterlichen Kirchenfresken und von dem ‑ damals innovativen ‑ Versuch des Dorfpfarrers Carl Heyde, um 1900 eine Geflügelzuchtgenossenschaft in Lohrhaupten zu etablieren.

 

(2) Gemündener Tal:

Das Gemündener Tal stellte einen wichtigen Abschnitt der Verbindung von Gelnhausen nach Gemünden (daher der Name) über die Birkenhainer Straße dar. Lohrhaupten profitierte als wichtiger Rastplatz von seiner Lage an einer Abkürzung an der überregionalen Handelsstraße, die hier einen Bogen macht. Damit sicherte sich der Landesherr (Mainz und später Hanau) Zolleinnahmen. Über Jahrhunderte hinweg hat sich hier die Kulturlandschaft verändert. Während das Gemündener Tal heute von Wald umgeben wird, lagen hier einstmals Felder, die von Lohrhaupten aus bewirtschaftet wurden. Die einst bewirtschaftete Flur „Langenacker“ im Gemündener Tal ist heute vollständig bewaldet.

 

(3) Das Wilderertum:

Die Armut der Lohrhauptener Bevölkerung äußerte sich in einem Phänomen, das typisch für den Spessart zu sein scheint: dem Wilderertum. Doch die Auseinandersetzungen zwischen örtlichen Forstbeamten und wildernden Dorfbewohnern haben einen tiefreichenden sozialen Hintergrund, der besonders im Lauf des 19. Jahrhunderts für Unruhe sorgte. Bis nach dem Ersten Weltkrieg war das Wildern immer wieder ein Ausweg, die eigene Existenz zu sichern. Ein dramatischer Fall von Wilderei ereignete sich in der Gemarkung Lohrhaupten noch im Jahr 1920.

 

(4) Panoramablick auf die Rhön:

Eine kleine Rodung gibt den Blick frei für eine im Spessart seltene Fernsicht. Die Rhön präsentiert sich hier von der Milseburg bis zum Kreuzberg.

 

(5) Ackerterrassen:

Der Landverbrauch war im Mittelalter sehr hoch. Das erklärt, daß viele Flächen, die heute bewaldet sind, früher als Ackerboden benützt wurden. Teilweise sind solche „Waldäcker“ („Röderbau“) noch heute erkennbar, wie hier bei Lohrhaupten. Eine von der Forstverwaltung geschlagene Schneise legt mehrere ehemalige Ackerterrassen im Wald frei, so daß sie begangen werden können.

 

(6) Niederwaldbewirtschaftung:

Besteht heute die Waldbewirtschaftung hauptsächlich darin, einen möglichst geraden Stamm zu erhalten, war in der Vergangenheit die Nutzung äußerst vielfältig. Sie ging so weit, daß wir uns den Wald als ausgeräumt vorzustellen haben, da von den Blättern über die Triebe und Äste usw. jedes Material abtransportiert wurde. Schafherden, Ziegen, Gänse und Schweine wurden in den Wald getrieben. Ehemalige Niederwaldbuchen von heute mächtigen Ausmaßen bezeugen ihre vergangene Bedeutung als Wirtschaftsfaktor.

 

 

In der Ortsmitte ist eine Übersichtskarte zu einem 16 Kilometer langen Rundweg über die

Sonnenhänge Lohrhauptens. Er bildet eine der sieben „Spessartfährten“, die der Main-Kinzig-Kreis als Premiumwanderwege ausgezeichnet hat (www.spesxart-tourismus/wandern).

 

Die Hermannskoppe (südöstlich von Lohrhaupten)

Die höchsten Erhebungen des Spessarts sind bescheiden: Geiersberg, 586 Meter, Lärchhöhe, 573 Meter, Hohe Warte, 572 Meter, allesamt in Bayern. Als höchster Berg im hessischen Spessart folgt auf Platz vier und immerhin mit 567 Metern, die Hermannskoppe. Ihre mangelnde Höhe macht die Hermannskoppe durch ein mächtiges Gipfelkreuz wett. Dass auf dem Gipfel kaum mehr Bäume stehen liegt am Orkan Kyrill, der im Januar 2007 große Schäden angerichtet hat. Bei Schnee werden rund um die Hermannskoppe wunderschöne Loipen präpariert, Länge zwischen fünf und 15 Kilometer: Der höchste Berg des Main-Kinzig-Kreises nicht die Hermannskoppe, sondern der Haag bei Sinntal-Oberzell ist noch fast 20 Meter höher. Der wird von den meisten aber schon Rhön zugerechnet.

 

 

 

 

 

Pfaffenhausen

Hohe kirchliche Herren sollen sich hier aufgehalten haben, um der Jagd nachzugehen. Eine andere Erklä­rung des Ortsnamens lautet übrigens, daß der Flecken gleich von fünf Geistlichen erst­mals in der Kirchen­chronik erwähnt wor­den sein soll. Es gibt allerdings auch die Erklä­rung, wonach der Ort um das Jahr 800 von Mönchen des Klosters Fulda gegründet worden sein soll. Die erste urkundliche Erwäh­nung findet sich 1059 in einer Ur­kunde über den Wildbann von Kaiser Heinrich IV.

Auf den ersten Blick fällt ei­ne rege Bautätigkeit vergangener Jahr­zehnte auf: Viele neue Häuser, der alte klei­ne Kern des Dorfes verschwindet beina­he dagegen. Rund 1.100 Einwohner zählt der staatlich anerkannte Erholungsort inzwi­schen. Keine Mark Schulden belastet das Konto der Kommu­ne. Der Ort ist schuldenfrei, weil die Einwohner immer wieder selber mit anpacken beim Bau des Kindergartens, der Gehsteige oder des Gemeinschaftshauses. Es gibt eine Volkstanzgruppe, Kolpingfamilie, katholische Frauen, Kirchenchor, Gesangverein, Tennisclub und einen Fußballverein.

Nach rechts geht es in die Kalbachstraße zur Kirche. Im Jahre 1712 wurde auf dem Platz, wo einst die Schule stand, eine Kapelle erbaut. Diese war wahrscheinlich dem Hl. Wendelinus geweiht und in ihr wurde am 18. Juli 1715 zum ersten Mal eine Heilige Messe gelesen. Diese Kapelle brannte im Jahre 1725 wieder ab und wurde nicht mehr aufgebaut. Damals wütete ein Großfeuer im Ort, dem 90 Prozent aller Ge­bäude zum Opfer fielen. An der Stelle der Kapelle wurde in den Jahren 1920 / 1921 die eigenwillige Konstruktion der ka­tholischen Herz‑Jesu‑ Kirche, die sich an den Hang schmiegt. Sie wurde im Jahre 1944 renoviert.

Schon in den Jahren ab 1965 trug man sich mit dem Gedanken, im Zuge der Re­novierung des Gotteshauses mehr Raum zu schaffen, da sich die Gemeinde stark vergrößert hatte. Im Frühsommer 1971 wurden der Gemeinde zwei Entwürfe vorgestellt. Sie kamen jedoch nicht zum Zuge und so wurde aus beiden Entwürfen ein drittes Modell entwickelt, das zur Ausführung kam.

Die erweiterte Herz-Jesu-Kirche wurde am 21. Juli 1973 feierlich eingeweiht. Das Gotteshaus weist einen quadratischen Innenraum,einen Turm,  eine Sakriste und den ehemaligen Altarraum (jetzt als Marienkapelle) auf. Die Plastiken der alten Kirche sowie der Kreuzweg von 1828 sind wieder zur Aufstellung gekommen und bilden den eigentlichen Schmuck der Kirche. Die Orgel wurde von der Firma Klaus Gabriel (Fulda) erbaut und am 23.Dezember 1979 geweiht.

Unterhalb der Kirche wurde das ehemalige Raiffei­sen‑Lager zum Dorfgemeinschafts­haus umgebaut. Schließlich soll das Bürgerhaus das re­ge Vereinsleben noch mehr intensivieren. Bislang mußten Volks­tanzgruppe, Kol­ping, katholische Frauen, Kirchenchor und Gesangverein nämlich mit dem rela­tiv kleinen Pfarrsaal unter der Kirche vor­lieb nehmen. In Pfaffenhausen gibt es au­ßerdem noch einen Tennisclub, eine starke Feuerwehr und den Fußballverein, der sich immerhin in der Bezirksliga behauptet.

In der Kalbachstraße 12 ist die Revierförsterei ist in einem romanti­schen alten Fachwerkhaus aus dem vorletzten Jahrhundert untergebracht.

Weit außerhalb und daher nur auf Befra­gen der Einheimischen zu finden, liegt die „größte Kneippan­lage Deutschlands“ im „Hatches­grund“ mit Grillplätzen und Liegewie­sen. Es ist es dort beinahe wie im Englischen Garten in München. Auf den zweieinhalb Hektar können Familien bei freiem Eintritt Wasser treten und Kaffee kochen und brutzeln, wie es ihnen gerade gefällt.

Am Übergang der Jossa, wo links die Mühlstraße abgeht, steht die Statue des heiligen Wendelinus ‑ der Schutzpa­tron Pfaffenhausens. Das „Aalewirtskreuz“ ist das älteste Kulturdenkmal von Pfaffenhausen aus dem 15. / 16. Jahrhundert. Damals mußte nach einer Straftat, bei der jemand zu Schaden kam, der Verursacher ein Kreuz zur Mahnung der Tat errichten lassen. Darauf sind Schneiden, Klingen oder ähnliches zu sehen. Eine Sage erzählt die Geschichte, daß beim Kegeln im Wirtshaus ein Streit aufkam. Daraufhin sei ein Mann ermordet worden, weshalb sich das Kreuz auf dem Grundstück der Gastwirtsfamilie Rützel befand (heute andere Position).

Wenn man von Pfaffenhausen nach Lettgenbrunn will, kann man auch parallel zur Lohr­hauptener Straße am Bach entlang durch die Mühlstraße fahren. Dort steht noch ein großer Kruzifix. Dann geht es rechts ab direkt nach Lettgenbrunn. Vorbei am Parkplatz „Langer Grund“ (rechts) und Parkplatz „Minenwerfergrund“ (links, ohne Hinweisschild)

 

 

Lettgenbrunn

Lettgenbrunn fiel dreimal wüst und wurde wieder neu besiedelt. Das erste Mal geschah dies nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 ‑ 1648). Die zweite Aussiedlung wurde 1912 angeordnet, als die kaiserliche Armee hier ein 3.519 Hektar großes Gelände erwarb und einen Truppenübungsplatz anlegte. Das Gelände erstreckte sich vom Wegscheideküppel über den Orber Reisig bis an die Gemarkung Flörsbach und den Langen Grund. Auf dem Wegscheideküppel wurden Kasernen für 9.000 Soldaten errichtet, die Dörfer Villbach und Lettgenbrunn mußten für einen Artillerieschießplatz der kaiserlichen Armee geräumt werden.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet wieder besiedelt, zunächst ab 1920 von deutschen Siedlern aus dem Elsaß und Lothringen, die aus Frankreich ausgewiesen wurden, später auch von anderen Bewohnern, die 15 Jahre später erneut umgesiedelt wurden.

Im Jahre 1935 mußten alle Bewohner die beiden Orte verlassen, denn der obere Joßgrund sollte der Wehrmacht als Bombenabwurfgelände dienen. Sämtliche Häuser wurden vollkommen zerstört, Im Jahre 1945 war nur eine Kraterlandschaft übriggeblieben. Mit den Worten „Friede ernährt, Unfriede zerstört“ legte der Gelnhäuser Landrat Kress im Jahre 1947 den Grundstein für die neue Siedlung Lettgenbrunn‑Villbach. Die Fläche wurde Flüchtlingen aus den Ostgebieten zugewiesen, die aus dem Trümmerfeld ein schmuckes Dorf machten. Straßennamen und die Namen der Gaststätten erinnern heute noch an die Herkunft der Siedler aus dem Sudetenland und Ostpreußen: An der Nordseite der Durchgangsstraße stehen der Sudentendeutsche Hof und der Znaimer Hof.

Die Siedler verdienten ihren Lebensunterhalt zunächst als Landwirte und als Waldarbeiter, später kam der Fremdenverkehr dazu. Heute befinden sich die Arbeitsplätze meist im Kinzigtal und im Rhein‑Main‑Gebiet. Die Katholische Kirche „St. Jakobus“ ist aus den Jahren 1953 – 1954.

Östlich des Ortes liegt der Lange Grund. Das Jossatal ist in diesem Bereich so eng, daß die Fuhrleute früher Angst bekamen, als sie den „Bangen Grund“ durchqueren mußten, aus dem später der „Lange Grund“ wurde. Zum Fürchten sieht es heute in dem lieblichen Tal überhaupt nicht mehr aus. Angsteinflößend ist eher der Name des Parkplatzes im „Langen Grundes“: der „Minengrund“. Im Grund fließt das Wasser der Jossa, die in Lettgenbrunn entspringt, aber häufig versickert und dann erst vor Pfaffenhausen zutage tritt (Wanderungen an Main und Kinzig, Seite 74, und in Elvira Klein, Spessart, 123).

 

Beilstein

Der Beilstein ist ein vulkanischer Basaltkegel, der vor 10 ‑ 20 Millionen Jahren durch den Buntsandstein brach. Die Burgruine wurde erstmals im 14. Jahrhundert erwähnt und bestand nur kurze Zeit. Die geologische Besonderheit des Beilsteins läßt eine besondere Fauna und Flora gedeihen, weshalb hier 1930 eines der ersten hessischen Naturschutzgebiete entstand. Der Basalt des Beilsteins ragte früher weit sichtbar über den Talgrund. Heute ist er weitgehend zugewachsen.

Wenn man von Lettgenbrunn nach Westen fährt und schon den ersten Hof von Villbach sieht, liegt rechts in Wald der Beilstein. In seiner Mitte geht ein Weg rechts hochwärts, links vor der Schranke ist eine Parkmöglichkeit. Wenn man ein Stück geradeaus höher geht, kommt man an eine Weggabelung.

Hier sieht man schon die ersten Felsen des 500 Meter hohen Beilsteins. Hier hat sich der Basalt einen Weg durch einen fast zylindrischen Kanal zur Erdoberfläche gebahnt. Durch die Verwitterung wurde der umgebende Sandstein abgetragen. Der Basalt zeigt. in der Grundmasse Olivinknollen und Einzelkristalle dieses Materials. Durch die Hitze des geschmolzenen Gesteins wurde der damit in Berührung gekommene Sandstein in seinem Gefüge verändert, er wurde „gefrittet“.

Das Wanderzeichen roter Balken weist nach rechts und nach links. Man geht aber erst nach rechts, aber nach einem kurzen Stück nicht den breiten Weg weiter, sondern links aufwärts.

Auf der Höhe geht noch einmal ein Weg nach links ab (mit einzelnen Treppenstufen), der zum Gipfelplateau führt.

Auf dem Basalt‑Felsen stand eine frühmittelalterliche Höhenburg, die von 1343 bis 1427 erwähnt wird. Sie diente vermutlich zum Schutz der Or­ber Salzquellen und der Sicherung der Handelsstraßen Eselsweg und Birkenhainer Straße, die sich vier Kilometer südlich vom Beilstein kreuzen. Es gibt noch spärliche Trümmer einer Burg, die Eckmauern in Richtung Tal. Die Burg verfiel aber vermutlich schon fast hun­dert Jahre später.

Man geht dann wieder vom Gipfel herunter und ein Stück weiter, wo dann spitz nach links der Wanderweg mit dem roten Balken und der blauen 18 abgeht. Auf diesem Weg sieht man sehr deutlich die säulenartig geschichteten Basaltformationen. Wenn man schon fast wieder herum ist, geht links ein Pfad in eine Art Steinbruch. Dort sieht man sehr schön die Basaltkugeln und etwas weiter hinten ein Geröllfeld.

Dieser felsige Abhang bildet im Frühsommer einen wahren Blumengarten. Einzigartig ist vor allem der reiche Bestand an Tür­kenbund, unserer schönsten Waldlilie mit den purpurrosa Blüten. Daneben die weißen Blütensterne der ästigen und der traubigen Graslilie, Pechnelken, drei Arten Salomonssiegel, Schwarze Flockenblume mit dunkelroten und Bergflockenblume mit großen kornblumenblauen Blüten, sowie eine Reihe zierlicher Felsfarne,

Wieder zurück auf dem Rundweg und ein Stück weiter ist wieder ein Pfad zu einer Höhle.

Diese hat zu einer Sage angeregt. Tief im Fels sollen große Schätze verborgen sein, zu denen nur der gelangen kann, der die berühmte blaue Blume findet und den Felsen damit öffnet. Das soll einst einem jungen Mann aus Lettgenbrunn gelungen sein. Mit Gold und Silber beladen eilte er ins Freie, doch die blaue „Schlüsselblume“ ließ er zurück. Weder sie noch der Eingang wurden jemals mehr gefunden.

Im Zweiten Weltkrieg befand sich hier ab 1935 ein Beobachtungsbunker für die Bombenabwürfe des benachbarten Truppenübungsplatzes Lettgenbrunn und Villbach. Seit 1905 ist das Naturdenkmal unter Schutz gestellt und heute Flora-Fauna-Habitat (vergleiche auch Natur­schutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 133, und Hoher Berg bei Lettgenbrunn, Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 135).

Villbach

Der Weiler Villbach war im 14. Jahrhundert Gerichtsstandort ‑ wohl wegen der Lage an der alten Handelsroute „Eselsweg“. Bei der Einrichtung des Truppenübungsplatzes wurde der Ort 1912 ausgesiedelt und blieb bis nach 1945 unbewohnt. Hinter den wenigen Häuser von Villbach erstreckt sich der Golfplatz von Bad Orb. Von hier führen zwei Wanderwege nach Bad Orb, die man auch als Rundweg gehen kann.

Auf der Rückfahrt nach Bad Orb könnte man von der Straße über die Wegscheide nach links abbiegen zum nahegelegenen Jagdhaus Horst. Es ist ein bei vielen Urlaubern über Jahre bekanntes Ausflugsziel. Die Anlage ist vom Golfclub übernommen. Im früheren Gästehaus ist Einkehr möglich, auch Nicht‑Golfer sind jederzeit willkommen (Montag Ruhetag). Es ist allerdings nicht besonders sehenswert, es sind nur neue Gebäude. Besser fährt man also über die Wegscheide.

 

Wegscheide

Infozentrum:

In Kooperation mit der Stiftung Frankfurter Schullandheim Wegscheide ist im September 2006 im ehemaligen Pförtnerwohnhaus im Eingangsbereich des Schullandheims in Bad Orb das Infozentrum des Naturparks Hessischer Spessart entstanden. Nach der Eröffnung war das Infozentrum während der Öffnungszeiten des Schullandheimes von Mitte April bis Anfang Oktober für. Besucher zugänglich. Großes Engagement zeigen die ehrenamtlichen Naturparkführerinnen und -führer des Naturparks Spessart, die an insgesamt 50 Wochenend- und Feiertagsterminen (jeweils samstags von 13 bis 16 Uhr, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr) Dienst im Infozentrum geleistet haben.

Neue Hinweistafeln sollen es den Besuchern erleichtern, das Infozentrum zu finden. Geplant sind für 2008 auch einige Zusatzangebote, zum Beispiel Diavorträge und geführte Wanderungen, die am Infozentrum starten. Neben dem Verkauf von Wanderkarten und Spessart-Büchern werden demnächst auch kleine Andenken und Mitbringsel, alle mit Erkennungsmerkmalen des Spessarts, angeboten.

Das Infozentrum zeigt im ersten Raum Wissenswertes über den Spessart, die Wegscheide, Bad Orb und die abwechslungsreiche Landschaft. Ein zweiter Raum informiert die Besucher über die markante Baumart des Spessarts: die Eiche. Hier gibt es Informationen über die Biologie, die Mythologie und die Verwendung der Eiche durch den Menschen. In den Entdeckerschränken - vor allem bei den Kindern sehr beliebt - finden Neugierige die Produkte rund um die Eiche. Die Eichenuhr zeigt den Jahresverlauf eines Baumes vom Frühjahr bis zum Winter.

Öffnungszeiten können unter Telefon (06051) 883532, oder per E-Mail an naturpark-spessart@mkk.de erfragt sowie unter www.naturpark-hessi-scher-spessart.de im Internet eingesehen werden.

 

Geschichte:

Angesichts von hungernden und notlei­denden Kindern hatten sich private Fürsorgeorganisationen unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg zur „Frankfurter Kinderhilfe“ zusammengeschlossen. Der Reformpädagogik und der Tradition der Jugendbewegung verbunden, hatte der Rektor der Kaufunger Schule in Bocken­heim, August Jaspert, auch das Rezept gegen das Elend: zurück zur Natur, zum Leben in der Gemeinschaft ohne soziale Schranken. Den passenden Ort hatte er im Spessart gefunden: Verwaiste Holz­baracken und Pferdeställe eines früheren Truppenübungsplatzes bei Bad Orb. Im Jahre 1920 wandelte Rektor August Jaspert das zuvor als Trup­penübungsplatz konzipierte 34 Hektar gro­ße Gelände zur Erholungsstätte um.

Dank des privaten Engagements konnten am 20. August 1920 die ersten 500 Frankfur­ter Schulkinder für vier Wochen in das verlassene Lager ziehen. Als die nicht nur begeistert, sondern gesund und wohlge­nährt zurückkamen, wurde der vierwöchi­ge Aufenthalt bald darauf zur festen Ein­richtung für alle achten Klassen. Die Kinder waren zum er­sten Mal von daheim weg. Da ließ es sich sogar verkraften, daß er nur einmal in der Woche duschen konnte und zum Plumps­klo raus vor die spartanisch eingerichteten Baracken mußte. Aber am schönsten war das Tanzen mit den Mädchen auf der „Hö­he“. Wollbom­mel und geschnitzte Herzchen sind für alte Wegscheider noch ebenso lebendig wie die Erinnerung an Lagerfeuer und die klammen Finger, wenn sie im kalten Ab­wasch­wasser Teller schrubbten.

Es gibt aber auch die ande­re Geschichte der Wegscheide. Erst übten Schuljungen mit „genagelten Stiefeln“ den Gleichschritt und knüpften an den kei­nesweg unmilitärischen Wegscheide­geist an. Ende August 1939 wurden alle Schulklassen hektisch und vorzeitig nach Hause gebracht. Das war die vorerst letz­te Freizeit. Bereits im November richtete die Wehrmacht dort das Kriegsgefange­nenlager STALAG IX B ein. Die Gefange­nen mußten als Zwangsarbeiter bei Bau­ern und Betrieben der Umgebung rackern und unter unsäglichen Bedingungen hau­sen: bei Hungerrationen, in ungeheizten Baracken, ohne wärmende Kleidung. Al­lein 1.430 russische Gefangene wurden Opfer dieser Form der Vernichtung.

Nach der Befreiung durch amerikanische Pan­zerverbände am 2. April 1945 dienten die Baracken zunächst der Aufnahme von Flüchtlingen. Erst im Juli 1949 zogen wieder Kinder auf die Wegscheide. Bis in die sechziger Jahre fuhren Sonderzüge direkt bis Bad Orb. Vom Bahnhof ging es zu Fuß den rund fünf Kilometer langen An­stieg zur Wegscheide. Die Strecke führt durch einen Steinbruch, dessen Buntsand­steine zum Bau der Kurklinik Küppels­mühle ebenso Verwendung fanden wie im denkmalgeschützten Bahnhof von 1926 oder der 1962 errichteten Michaelskirche.

 

Wegscheide heute:

Bis zu dreitausend Besucher kommen alljährlich zum Tag der offenen Tür in das 466 Meter hoch im Spessart gelegene Kinderdorf Fa­milien, die neugierig auf das künftige Feri­enquartier sind, halten sich die Waage mit jenen, deren Kinder stolz zeigen, wohin die Nachwanderung führte oder wo am La­gerfeuer „Auf der Höhe da droben, da we­het der Wind“ angestimmt wurde, ein Lied, das vor allem älteren Men­schen gegenwärtig ist. Generationen von Frankfurtern haben Europas größtes Landschulheim besucht.

Von den spartanischen Holzhäusern sind nur noch wenige wie etwa das 75 Jah­re blau schimmernde „Willeminehaus“ er­halten. Da auch am Eingang die einst als Pferdeställe konzipierten Steinhäuser ab­gerissen wurden, suchen viele ehemalige Wegscheide‑Bewohner etwas orientie­rungslos nach einstigen Unterkünfte, be­richtet Bürgermeister Joachim Winter, der nun in der achten und für ihn letzten Saison pädagogischer Leiter auf der Weg­scheide ist.

Die Einrichtung der Stadt Frankfurt hat sich seit den achtziger Jahren in ein modernes Kinderdorf mit 700 Betten verwandelt. Bis zu 10.000 Übernachtun­gen werden jährlich gezählt. Jeweils am Ende der Osterferien wird es nach der langen Winterpause wieder lebendig im Wegscheidedorf, in dem gleichzeitig 26 Schulklassen mit ihren Lehrern oder, bei voll ausgenutzter Kapazität der Wohnhäuser, in den Sommerfe­rien 1.000 Kinder Unterkunft finden und auf dem 32 Hektar großen Gelände der Sport‑ und Freizeiteinrichtungen den entsprechenden Auslauf.

Ein eigenes Klärwerk und eine moderne Holzheizungs­anlage unterstreichen den ökologischen Ansatz des Feriendomizils, das in seiner pädagogischen Ausrichtung eng mit Verei­nen wie „Umwelt und lernen“ oder dem „Na­turpark Hessischer Spessart“ kooperiert. Heute können die Nachtwanderungen Neunjährigen mal eine echte Abwechs­lung zu den Computerspielen zu Hause bieten.

Wenn es in Frankfurts Schulen um die bevorstehende Klassenfahrt geht, kennen manche Eltern schon jedes Detail. Seit Generationen fahren die Frankfurter Schüler an denselben Ort: In das rund 70 Kilometer entfernte Schullandheim Wegscheide außerhalb von Bad Orb. Ziel ist es, daß jedes Frankfurter Kind einmal auf der Wegscheide war. Vergleichbares ist dem Verband Deutscher Schullandheime aus keiner anderen Stadt zwischen Ostsee und Allgäu bekannt. Die Großeltern wissen noch, wie sie über die „Teufelsleiter“ – die extrem steile Feuerschneise durch den Wald - zum Haselbach gegangen sind.

Das größte der rund 360 Schullandheime in Deutschland. das bereits 1920 gegründet wurde, ist keineswegs verstaubt. Es wirbt aber auch mit seiner Tradition. Dafür stehen neben Liedern wie den „Wegscheidekindern aus Frankfurt am Main“ und der seit rund 30 Jahren ständig aktualisierten Liste der Besten im speziellen Schullandheim-Zehn­kampf beispielsweise die Bommel. die aus Stoff gemacht werden, und die Herzchen, die in Baumrinde geschnitzt werden. Was viele Großeltern und Eltern nicht wissen: Einige der Häuser des Kinderdorfs haben inzwischen eine Spülmaschine. Neben den Sport- und Fußballferienfreizeiten gibt es auch Englischkurse, eine Seilstation für Teamtraining und neue Spielplätze. Außerdem kommen längst nicht mehr alle Schüler nur aus Frankfurt.

Insgesamt 24 Klassen finden auf der Wegscheide gleichzeitig eine Unterkunft, so manche Schule kann also geschlossen auf dem eingezäunten Gelände mit seinen zahlreichen Wiesen, Bäumen, Spiel-, Sportplätzen und Baumhäusern unterkommen. Die meisten Gäste des „Kinderparadieses“ gehen in die dritte bis siebte Klasse. Ob die Frankfurter Schulen auf die Wegscheide fahren, entscheiden sie selbst. Vor allem Grundschulen zieht es in das Haus, das über eine Stiftung von der Stadt getragen wird. Nicht nur wegen der Nähe und den vergleichsweise niedrigen Kosten, sondern, „weil es da einfach schön ist“. In den weiterführenden Schulen wollten die Jugendlichen häufiger lieber nach Barcelona oder Rom. Die Gruppen können in den Häusern machen, was sie wollen, solange sie andere nicht beeinträchtigen. Das Essen wird in Thermos-Gefäßen auf Wagen von der Großküche in alle Speiseräume der Häuser gebracht. Einmal in der Woche gibt es für alle eine gemeinsame Disco.

Fledermäuse, Wald. Filzen, Solarkollektoren, Holzhackschnitzelheizung und Erlebnispädagogik, Umwelt ist der Schwerpunkt des Bildungsprogramms. Daneben wird soziales Lernen, Sport und Werken groß geschrieben. Gemeinsames Leben in der Gruppe und in der Natur war eine der Hauptforderungen der Reformpädagogik, aus der das Schullandheim in dem verlassenen Militärlager nur wenige Kilometer von Bad Orb entstand.

In den neunziger Jahren drohte das finanzielle Ans. Die Stadt habe mit Krediten geholfen, seit einigen Jahren ist der Haushalt wieder ausgeglichen, und die Belegungszahlen steigen wieder. Rund 45.000 Übernachtungen zählt die Wegscheide jedes Jahr. Das Schullandheim ist zunächst für Schulklassen reserviert. Die Saison beginnt im April und endet mit den Herbstferien. Danach kann man nur wenige Klassen überzeugen, hierher zu fahren. Wenn man wüßte, daß es immer Schnee gibt, könnte man auch den Winter belegen.

Vor allem an den Wochenenden kommen auch Vereine. Dies ist wichtig, weil die Dauer der Klassenfahrten zurückgeht. Wurde den Großstadtkindern in den fünfziger und sechziger Jahren die ländliche Region noch in Freizeiten von drei Wochen näher gebracht, so ist inzwischen ein Aufenthalt von Montag bis Freitag die Regel. Viele Lehrer brauchen wegen der gestiegenen Unterrichtsbelastung das Wochenende inzwischen für sich. Vor zehn, 15 Jahren haben sie es noch freiwillig drangehängt und sind mit ihren Klassen zehn Tage geblieben. Manche bleiben jetzt sogar nur noch drei Tage und sitzen dann letztlich mehr im Bus.

 

Aufstieg vom Bahnhof Bad Orb:

Vom Bahnhof Bad Orb geht es in die Haselstraße ins schmale Tal des Haselbaches (roter Rhombus Nr. 66 und Ziffer 3). Zwi­schen Wald und Wiese kommt man zum künstlich gestauten Haselweiher und schließlich zur Haselquelle mit der Einkehr zur „Haselruh“.

Nun beginnt der Aufstieg. Eine kurze Weile leistet der Rhombus noch Gesellschaft, dann schwenkt er links ab nach Burgjoß. Man klettert geradeaus den Stich weiter hinan. Kurz vor Erreichen der Straße zweigt parallellaufend ein Pfad nach rechts ab und leitet am Jägerzaun entlang zum Wegscheidetor.

Gegenüber dem Tor beginnt der Abstieg nach Bad Orb über die sogenannte „Himmelsleiter“, das heißt, auf einen Kilometer sind 200 Meter Höhenunterschied zu überwinden. Sinnigerweise zeigt das rote Kreuz Nr. 75 den Weg. Man folgt dem Zeichen, bis man nach Waldaustritt zu einer kleinen Ranch kommt. Wenn hier das Kreuz rechts abbiegt, geht man geradeaus entlang der Jungen Orb, überquert die Lettgenbrunner Straße und läuft drüben nach rechts im Wald weiter. An seinem Ende bietet sich zweimal die Möglichkeit zur Einkehr. Ist man an beiden vorbei, zweigt links von der Straße ein Wiesenpfad ab, der sich ganz nah an die Orb heranschlängelt und gemeinsam mit ihr in den Kurpark übergeht (Spessart, Seite 99).

 

 

Bad Orb

Mancher Wanderer, der die fast endlos scheinenden Wälder des Spessarts durchstreift, wird sich fragen, wo beginnt eigentlich diese Landschaft und wo hört sie auf. Kinder dieser Gegend würden mit einem Satz antworten, den sie im Heimatkundeunterricht lernen: „Kinzig, Sinn und Main schließen all den Spessart ein“. Wenn dieser Satz die geographische Lage auch sehr vereinfacht umreißt, so heißt das doch, daß dieses 1165 Quadratkilometer große Gebiet von dem offenen Mainviereck mit den Eckpfosten Aschaffenburg, Miltenberg und Gemünden eingeschlossen und nach Norden von der Kinzig mit den Orten Gelnhausen und dem nahegelegenen Bad Orb begrenzt wird.

Der nördliche Teil des „Spechtshardt“ tritt erstmals im Jahre 839 in einer Urkunde Ludwigs des Frommen ins Licht der Geschichte, als dem Fuldaer Abt Rabanus Maurus diese Besitzun­gen durch Tausch zugespro­chen wurden. Geistliche und weltliche Herrschaften befehdeten sich in der Folgezeit um diese Güter. Es entstanden verschiedene Zentren der Jagd, der Glas­macherei und der Holz‑ und Eisenverarbeitung. Die Wälder über dem Hasel‑ und Orbbachtal, in deren Wiesengrund Bad Orb liegt, sind erst in jüngster Zeit zur Bedeutung gelangt: als stilles Erholungsgebiet fur den Großstädter.

 

Bodenfunde:

In der Nähe der Ludwigsquelle von Bad Orb fanden Arbeiter 1936 beim Straßenbau ein etwa 3500 Jahre altes Steinbeil. Der Heimatforscher Heinrich Hardt schrieb aus diesem Anlaß, es sei denkbar, „.. daß der Mensch der jüngeren Steinzeit bereits um die Quellen gewußt hat ... Diese Stellen wurden vom Wild als natürliche Salzlecke aufgesucht ... Die Jagd führte dann den Menschen ... an das begehrte Salz.“ Heute weiß man sicher, daß hier zumindest schon im ersten nachchristlichen Jahrtau­send in beträchtlichem Umfang Salz gewonnen wurde: Wer im Altstadtbereich von Bad Orb tief genug gräbt, kommt auf eine Erdschicht, die von Holzkohlenasche aus dem Salzgewin­nungsprozeß schwarz gefärbt ist. Aus der 50 bis 75 Zentimeter dicken Schwarzerdeschicht der Baugrube des vor zwanzig Jahren errichteten neuen Pfarrhauses schickte man Erdproben an das Niedersächsische Bodenforschungsinstitut, wo ein Radium‑Carbon‑Test die Verbrennungsrückstände in die Zeit zwischen 620 bis 670 datierte. Demnach waren die Orber Säl­zer schon vor mehr als 1300 Jahren aktiv.

 

Geschichte:

Die Geschichte Bad Orbs steht im Zeichen seiner Salzquellen. Sie zogen die ersten Siedler ins Tal der Orb und sie sorgten für den Wohlstand der mittelalterlichen Stadt. Die erste Erwähnung des Namens Orb als „Orbaha“ erfolgte 1059 in der Verleihung des Wildbannes durch König Heinrich IV. an das Kloster Fulda. Nur fünf Jahre später, 1064, wurde die Siedlung vom König an den Erzbischof von Mainz übergeben.

Siedlungsgebiet und Salinenbetrieb waren ab 1767 räumlich getrennt. Das weitreichende Gelände südlich der Stadt mit rund ein Dutzend Gradierwerken läßt sich heute nur noch erahnen

Der Salzhandel hatte jedoch Mitte des 19. Jahrhunderts ein Ende. Es war viel billiger, Salz bergmännisch abzubauen, als es mühsam durch Verdunsten aus schwachprozentiger Brunnensole zu gewinnen. Orb, damals noch unter bayerischer Verwaltung, sank zum Armenhaus im Königreich Bayern herab. Rettung kam in Gestalt des Apothekers Leopold Koch, der die Zeichen der Zeit erkannte und 1837 die erste Badeanstalt ins Leben rief. Um den wachsenden Ansprüchen der Kurgäste zu genügen und sich gegen die Konkurrenz besonders der Taunusbäder zu behaupten, wurde der Kurpark angelegt. Als Architekt konnte der Gartenbauexperte Franz Heinrich Siesmayer gewonnen werden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts war die Kur das wirtschaftliche Standbein von Bad Orb. Die Strukturveränderungen seit den neunziger Jahren haben wieder zu fundamentalen Veränderungen geführt: Die klassische Kur gibt es nicht mehr. Heute ist Bad Orb auf dem Weg zu einem modernen Gesundheitszentrum.

 

Als aufgebrachte Orber das Militär verjagten

Kummer mit ihrer 1814 erworbenen Orber Provinz waren die bayerischen Monarchen gewohnt. In der ehedem kurmainzischen Stadt im Spessart grassierte das soziale Elend, das auch eine Kollekte unter Ludwig I., die dem Ort neue Häuser, Straßen und ein Hospital bescherte, nicht beseitigen konnte. Durch den Niedergang der Salzproduktion in den Gradierwerken, die mit den Salzbergwerken nicht zu konkurrieren vermochten, waren zwei Drittel der knapp 5.000 Einwohner praktisch ohne jedes Einkommen. In den Jahren 1846 und 1847 verschärften Mißernten die Lage. In Verzweiflung häuften sich Diebstähle und Wildfrevel.

Alarmiert durch unaufgeklärte Gewalttaten sowie die revolutionären Umtriebe im benachbarten Hanau und Unterfranken verlegte die Regierung im Dezember 1848 ein 46köpfiges Militär-Detachement nach Orb, das weitere Gesetzesverstöße unterbinden sollte. Die Einquartierung der Militärs hatte indes nicht die erhoffte Wirkung. Die mit veralteten Waffen ausgerüsteten Soldaten, zumeist einfache Bauern, genossen in der Bevölkerung wenig Ansehen. Zu­sammengepfercht auf engem Raum; in Konkurrenz um den täglichen Broterwerb, kam es ständig zu Reibereien mit den Einheimischen. In der Stadt kursierten Schmähschriften gegen den König:

In der Gaststätte „Zum Braunen Hirschen” kam es am 1. März 1849 zum offenen Konflikt, der als auslösender Funke der Ereignisse gilt, die später als „Orber Revolution” bekannt. wurden. In dem Wirtshaus - vor dem bereits 1836 der Landgerichtsassessor Rösch unter ungeklärten Umständen erschossen wurde - entwickelte sich eine Rauferei zwischen einer Patrouille und zahlreichen Zivilisten. Im Handgemenge erlitt ein Soldat einen Messerstich, ein weiterer stürzte zu Boden und verletzte sich schwer, heißt es in den Militärdokumenten.

Noch am Abend zogen 50 bewaffnete Orber zur Kaserne am Stadteingang, in der sich die Militärs verschanzt hatten. Als Signal zum Angriff läutete am nächsten Tag um 16 Uhr die Sturmglocke vom Rathaus. Bewaffnet mit Flinten, Heugabeln, Sensen und glühenden Eisenstangen bahnten sich rund 1.000 Aufständische den Weg zum Militärquartier und besetzten das Gebäude. Verfolgt von der aufgebrachten Menge flüchteten die Soldaten aus der Stadt. Obgleich Steine flogen und Schüssen fielen, gab es auf beiden Seiten nur eine Handvoll Verletzter.

Drei Tage später schlugen die Militärs zurück. Aus Aschaffenburg setzte sich ein 500 Mann starkes Exekutionskommando mit vier Kanonen in Bewegung, um der „schändlichen Meu­terey” Einhalt zu gebieten. Schon der Geschützdonner der Artillerie erstickte jeden weiteren Widerstandsgedanken der Orber Bevölkerung im Keim. Am 9. März konfiszierten die Soldaten in der Stadt 207 Waffen. 17 Einheimische wurden als „Rädelsführer” des Aufstandes umgehend festgenommen.

Über 50 Personen waren einem gerichtlichen Untersuchungsverfahren ausgesetzt. Gegen 23 von ihnen wurde am 21. Mai 1950 in Würzburg der Prozeß eröffnet. Das Urteil der Richter fiel milde aus. Neun der Angeklagten wurden wegen Widersetzung gegen die Obrigkeit zu Gefängnisstrafen zwischen 3 und 15 Monaten verurteilt. Offenbar profitierten die Beschuldigten von den neuen Schwurgerichten, die im Zug der bürgerlichen Revolution eingerichtet worden waren. Der Ausgang eines Verfahrens hing demnach nicht mehr alleine von den dem König verpflichteten Richtern ab.

Ein Blick auf die Berufsstruktur- der Aufständischen verbietet den Gedanken an einen Aufruhr von „Halbkriminellen”. Als „Haupttumultanten” wurden kleine Handwerker und. Gesellen überführt, die, am Rande der Armut vom Abstieg ins Proletariat bedroht, für die politischen und sozialen Forderungen der Freiheitsbewegung besonders empfänglich gewesen seien.

Die Kombination aus Not und Freiheitswillen bildet die explosive Mischung. Auch die bayerische Regierung distanzierte sich schnell von der Einschätzung der Militärs, die alleine die republikanischen Parteien Hessens für die Orber Revolution verantwortlich wähnten: Sie konnten hoffen, daß an einem Ort, wo Verbrechen an der Tagesordnung waren, es an Werkzeugen nicht fehlen würde, gewisse Zwecke zu erreichen ((Monika Schmittner: „Der Traum von der freien Republik” und Arbeit von Roman Fischer).

 

Kleinbahn:

Ende des 19. Jahrhunderts stand die Kurstadt am Scheideweg und hatte vor allem auch durch ih­re Lage abseits der großen Verkehrswege so manche wirtschaftlichen Rückschläge hinnehmen müssen. Da waren Gespräche, die sich 1897 mit dem Bau einer Bahnlinie nach Wächtersbach beschäftigten, von größter Bedeutung und Ausdruck der Hoff­nung auf bessere Zeiten. Mit dem Kurhaus‑Hotel kam 1900 das elektrische Licht in das Spessart­städtehen Orb. Exotische Pflanzen im Kur­park ließen zur gleichen Zeit etwas vom sprichwörtlichen Duft der großen, weiten Welt spüren.

Finanziell ging es um 500.000 Mark, die an Gesamtkosten veranschlagt wurden. Schon 1899 waren die Planungen weit fort­geschritten. Nicht alle vom Streckenbau betroffenen Grund­eigentümer zeigten sich von der Bahnidee begeistert; auch Enteig­nungen mußten so in Betracht gezogen werden. Bis dann am 30. Dezember 1899 im Bad Orber Anzeiger die erlösende Nach­richt zu lesen war, daß der Kreistag ein­stimmig dem Bau der Strecke zugestimmt habe.

Dann ging es Schlag auf Schlag: Im Januar 1901 wurden nach den entsprechenden Vorarbeiten die Gleise verlegt, ein erster Bahnhof war bald fertiggestellt. Am 23. Mai rollte dann feierlich der erste Zug, gezogen von zwei Tenderlokomotiven, auf einem 6,5 Kilometer langen Schienenstrang in Bad Orb ein. Gleichzeitig wurde die bis da­hin verkehrende Postkutsche stillgelegt.

Eine wichtige Zäsur gab es dann mit dem Bau des neuen Bahnhofs, der noch heute ein beeindruckendes Bau­werk darstellt, ein al­tes Sandsteingebäude mit freskenverzier­ter Empfangshalle, das zum 25‑jährigen Jubilä­um der Kleinbahn der Öffentlichkeit über­geben wurde. Mit dem Eisenbahnzeitalter eng ver­knüpft war der wirtschaftliche Aufstieg des 1909 offiziell zum Bad ernannten Kur­ortes. Aus den späten zwanziger Jah­ren gibt es im Bahnhof die sehenswerten Wandmale­reien des Kunstmalers Hans Brasch.

Am 4. März 1995 um 13.15 Uhr fuhr schließlich zum letzten Male ein fahrplanmäßiger Zug von Wächtersbach nach Bad Orb. Gelassen, ja fast schon gleichgültig haben die Einheimi­schen zur Kenntnis genommen, wie der von den Kreiswerken Gelnhausen betriebe­ne knallrote Dieselfuhrpark im März 1995 endgültig auf das Abstellgleis geschoben wurde.

Doch es gelang dem Nostalgiebahnbetreiber Rolf Jirowetz, das Interesse wieder zu wecken. Zusammen mit dem Oldtimerfan und Mäzen Siegfried Theimer bot er der Stadt an, seine Emma, eine 78 Jahre alte Dampflok aus der Schmiede der Firma Hohenzollern, in die Kurstadt schnaufen zu lassen.

Seit 1901 tuckerte die normalspurige Kleinbahn zwischen Wächtersbach und Bad Orb. Unzählige Kurgäste, Bürger und Schüler nutzten die „Bimmel“. Im März 1995 wurde der Betrieb eingestellt. Es gab verschiedene Ideen, die Touren weiterzuführen, die letztendlich nicht umgesetzt werden konnten.

Im Jahre 1989 fand Rolf Jirowetz seine „Emma“, Jahrgang 1923, verrostet und als Klettergerüst genutzt auf einem Spielplatz Nahe Coburg. In dreijähriger Arbeit restaurierte der Eisenbahningenieur das alte Dampfroß. Er zerlegte die Lok, reinigte und reparierte sie. Fehlende Teile stellte er in mühevoller Kleinarbeit wieder her. Später machte Jirowetz sich daran, aus alten Teilen neue Personenwagen zu bauen. „Emma“ kam zunächst in Bad Brückenau zum Einsatz. Die Strecke zwischen Bad Soden und dem Stausee Ahl kam nicht zustande. Zum ehemaligen Bad Orber Bürgermeister Wolfgang Storck fand Jirowetz sofort einen Draht, und 2000 kam die Dampfkleinbahn nach Bad Orb.

Die Idee, den verwitterten und verroste­ten Gleiskörper durch eine Feldbahn wie­derzubeleben, hat zuletzt 14 Auszubilden­de der Deutschen Bahn beschäftigt, die entlang der Trasse eine komplette Schiene für die reduzierte Spurbreite von 60 Zenti­meter verlegen mußten. Dampflok „Emma“ ist Baujahr 1923. Die Ausflugs­wagen wurden eigenhändig montiert. Der gelernte Kraftfahrzeug Meister Jirowetz schweißte Seitenwände alter D‑Zug‑Wagons auf die Rahmen österrei­chischer Güterwagen, Baujahr 1911. Platz nehmen die Reisenden auf Holz­bänken, die einst zur Inselbahn Wangerooge gehör­ten.

Mit Freunden versetzte Jirowetz die „Bimmel“-Gleise auf „Emmas“ Feldbahnbreite und richtete die Strecke her. Im Jahre 2001, zum 100-jährigen Bestehen der Bahnstrecke, durfte „Emma“ mit einer Sondergenehmigung bis zur Aumühle fahren. Nach einer langen Genehmigungsphase nahm die Dampfkleinbahn im August 2002 ihren Betrieb bis zum Aufenauer Berg auf, bis sie schließlich im Oktober 2006 erstmals wieder in den Bahnhof Wächtersbach einfuhr. Inzwischen besteht der Fuhrpark aus der Lok mit Tender, drei grünen Personenwagen vorwiegend aus Teilen von original DB-Waggons zusammengebaut und dem roten Salonwagen, ergänzt durch zwei Dieselloks.

Zum 100. Jubiläum dieses Ereignis­ses erfährt der Schienenverkehr eine Re­naissance. Die Schmalspurbahn lockt bis in den Herbst hinein an Wochenenden zusätzliche Ausflügler an: Am Samstag, 26. Mai 2001, läuft wieder eine Dampflok in den Bad Orber Bahnhof ein. Grund genug, um die Wiederauferstehung der Bimmel zu feiern. Ganz gemächlich geht es mit einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 25 Stundenkilometer durch die Bad Orber Ge­markung, was laut Bürgermeister Wolf­gang Storck durchaus zum Kurstadt‑Mot­to des „Entschleuni­gens“ paßt.

Zunächst fuhr das Dampfbähnchen, das offiziell auf den Na­men „Bad Orber Bimmel“ getauft wurde, nur etwa die Hälfte der ursprünglichen Strecke bis Wächtersbach zurücklegen: Auf halber Strecke mach­te sie an der Haltestelle Aumühle kehrt und fährt zurück. Um in Wächtersbach ins dortige Gleis 21 einzufahren, wo einst die Zugreisenden in die Kurstadt um­stiegen, bedurfte es noch einiger Abstim­mung mit der Deutschen Bahn. An Sonntagen (und den meisten Fei­ertagen) pendelt die Or­ber Bimmel jeweils zwischen 11 und 15 Uhr (drei Fahrten). Die Fahrten kosteten für Erwachsene fünf und für Kinder zwei Mark, inzwischen aber 20 Euro für die Familie. Inzwischen geht die Fahrt bis Wächtersbach

Wer tiefer in die Geschichte der Bad Orber Kleinbahn eintauchen möchte, dem sei das gleichna­mige Buch von Reinhold Winter und Joa­chim Volz empfohlen. Winter und Volz, Vorstands‑ Mitglieder im Heimatverein Birstein und bereits Au­toren eines Buches über die Vogelsberger Südbahn, haben die Entwicklungsge­schichte der Bahnstrecke Bad Orb  ‑  Wäch­tersbach beleuchtet, ebenso deren Bedeu­tung für die Kurstadt. Vor allem für Eisen­bahn‑ Fanatiker ist ihr Werk ein Muß ‑ es bietet unglaublich viele Zahlen, Daten und Fakten rund um Bau und Betrieb der Gleisanlage, des freskenverzierten Bahn­hofs und des über die Jahre wechselnden Fuhrparks. Das Buch hat eine Aufla­ge von 2.000 Stück, kos­tet 39,90 Mark und ist dank der ISBN‑Bestell­nummer 3‑9804‑078‑1‑0 auch au­ßerhalb Bad Orbs in je­dem Buchladen erhält­lich.

Im September 20111 feierte man „Zehn Jahre Dampfkleinbahn Emma in Bad Orb“. Man sucht ja immer nach Alleinstellungsmerkmalen zum optimalen Verkaufen der Touris­mus­region. Mit der Dampfkleinbahn hat Bad Orb seit zehn Jahren eine solche Attraktion.

Von Ostern bis Ende Oktober dampft die schmucke „Emma“ die sieben Kilometer bis zur Messestadt und zurück. In zehn Jahren hat sie rund 50.000 Personen transportiert. Auch aus Japan, China, Schweiz oder England. Viele Gäste, die ansonsten nie in den Spessart gekommen wären, kamen der Bahn wegen und lernten so auch Bad Orb kennen. Und weil die Dampfkleinbahn auch ein Höhepunkt für alle Kleinen und Junggebliebenen ist, wurden zur Jubiläumsfahrt auch Kinder eingeladen.

Betreiber ist Rolf Jirowetz. Heute arbeitet sein Sohn mit bei der Kleinbahn und sein Enkel macht den Zugbegleiter, der Fahrscheine verkauft und die Züge abwinkt und abpfeift.

Ehrenamtliche Bahnfreunde stehen zur Seite. Die Fahrgeldeinnahmen dienen der Deckung der Kosten und Unterhaltung der Bahnstrecke. Frenz und Kornherr hatten als Geburtstagsgeschenk eine 1000 Euro-Spende mitgebracht. Und darüber freute sich der kommissarische Vorsitzende des „Freundes- und Förderkreises Dampfkleinbahn Bad Orb- Wächtersbach“, Eberhard Eisentraud, natürlich ganz besonders: „Die beste Emma-Förderung ist es, mitzufahren.“

 

Rundgang:

Man kommt nach Bad Orb hinein durch die Frankfurter Straße. Nach links biegt man ab in die Martinusstraße. Am „Aubach“, wie der Orbbach ab dem Untertor genannt wird, steht die dritte Heilquelle Bad Orbs: die Martinus­quelle (23), die 1874 erbohrt wurde. Am Überlauf kann man ihr Wasser kosten.

 

Hospital:

Man führt wieder zurück auf die Frankfurter Straße und fährt weiter Richtung Innenstadt. Links steht das Hospital (24). Es wurde 1836 (nicht 1834, wie an dem Haus steht) unter König Ludwig I. zusammen mit den Häusern in der Ludwigstraße, von den Geldern einer in ganz Bayern befohlenen Sammlung für das verarmte Orb errichtet. Alle „bayerischen“ Gebäude waren übrigens einst unverputzt und sie haben alle das ums Haus laufende Steingesims. Gegenüber dem Eingang des Hospitals steht im Garten eine Ma­donna, die einst den Marktbrunnen zierte.

 

Wasserburg:

Nach links geht es in die Burgstraße. Über eine alte Steinbrücke erreicht man einen Hof, der im Volksmund die „Borg“ (19) heißt ‑ also im Gegensatz zur Burg am Burgring mit „o“ gesprochen. Hier stand zwischen Orb‑ und Haselbach die Wasserburg der Ritter Baumann von Hohenberg. Die Steingewände der Fenster, die ba­rocke Dachform und der Kellereingang zeigen, daß es sich um ein altes Haus handelt, das auf den Mauern der Burg errichtet wurde. Später war hier eine Mühle.

 

Bahnhof:

Auf der Burgstraße geht es weiter zum 1926 erbauten Bahnhof (20). In der ehemaligen Halle hat der Karls­ruher Kunstmaler Hans Brasch auf Wandgemälden die Arbeit der Bauern im Jahreslauf, das Leben der Wegscheidekinder sowie eine Jungbrunnendarstellung als Huldigung an die Orber Quellen an die Wände gemalt. Die Halle ist heute allerdings Gaststättenraum und erst nach 16.30 Uhr zugänglich.

 

Ludwigsvorstadt:

Man fährt weiter nach links entlang der Schienen und dann nach rechts über den Bahnübergang. Nach rechts geht es dann in die Ludwigsvorstadt (22), die auf Veranlassung von König Ludwig I. von Bayern zur Be­hebung der Wohnungsnot 1839 ‑ 1845 erbaut wurde. Einige Häu­ser sind zum Glück noch unverputzt und haben noch die Stalltüre, so daß man sich ein Bild von dieser damals fortschrittlichen Sied­lung machen kann. Das ganze Gebiet trägt auch den Namen „Zie­gelhütte“: Hier befand sich die Ziegelei der Saline und die Faulha­berstraße wird von den Orbern heuten noch „Lehmkaute“ genannt.

 

Lauzen‑ oder Haselmühle:

Am Ende der Vorstadt biegt man nicht mit der abbiegenden Hauptstraße ab, sondern nach links in die Lauzenstraße. Vom Berg grüßt die katholische St.­ Michaels‑Kirche, die 1962 - 1964 errichtet wurde. Nach etwa 50 Metern kommt rechts die ehemalige Lauzen‑ oder Haselmühle (21). Das Steinrelief am Haus­eingang zeigt das Wappen der Ritter von Lauzen oder Ste­phani mit der Jahreszahl 1535. Das Mühlengebäude wurde 1770 auf den Überresten der Burg errichtet. Heute wird das Haus genutzt als „Haus Lauzenburg“, das Fremdenzimmer anbietet.

 

Standbild des „Peter von Orb“:

Von dort fährt man wieder zurück und nach links am Bahnhof vorbei auf die Stadtmauer zu. Dort steht am Untertor das Standbild des „Peter von Orb“ (18). Er war einst ein berüchtigter Spessarträuber. Die über ihn erzählte Sage wird im Zusammenhang mit dem Molkenturm dargestellt.

Im Jahre 1856 erschien sein Sagenbuch aus dem Spessart, in dem der damalige Aschaffen­burger Bürgermeister fleißig seinem Bil­dungsideal gefrönt haben dürfte. Und so findet sich dann etwa der Freischütz in der später von Pfarrer und Lehrer Oscar Haseneier überarbeiteten bekanntesten Geschichte aus der Orber Volksliteratur, dem Wilderer „Peter von Orb“.

Sagen wurzeln im Versuch, Unerklärli­ches zu vermitteln und Ideologien zu trans­portieren. Die vom Madstein - der als „Wild­frauenhaus“ schon im 9. Jahrhundert Er­wähnung findet - hat sich in Orb einge­prägt. Die vom Beilstein - die Geschichte von der blauen Blume - findet sich varian­tenreich überall in Deutschland. Ebenso die Sage vom Wilden Jäger, die ihren Ur­sprung im Wotan der germanischen My­thologie hat.

 

Spessart-Klinik:

Man biegt nach links ab in die Würzburger Straße. Hier liegt links das Gelände der „Spessart Klinik“ für Kinder und Erwachsene (12). Im Volksmund heißt sie immer noch „Kinderheilanstalt“, als die sie 1884 (siehe Station 30) gegründet wurde. Im Park steht das Denk­mal des Geheimen Sanitätsrates Dr. Wilhelm Hufnagel. Er und sein Bruder, der Hanauer Pfarrer Friedrich Hufnagel, waren die Grün­der der Einrichtung.

 

Martin‑Luther‑Kirche:

Etwas weiter, auch auf der linken Seite, steht die evangelische Martin‑Luther‑Kirche (4). Sie wurde 1902 ­- 1903 im neugotischen Stil erbaut. Die letzte deutsche Kaiserin Auguste Viktoria stiftete zur Einweihung am 10. September 1903 die noch vorhandene Altarbibel mit eigenhändiger Widmung. Die Kirche bestand damals aus einem Lang‑ und Querschiff und einem Turm.

In den letzten Kriegstagen 1945 wurde der Turmhelm in Brand geschossen und dabei schmolz die einzige noch verbliebene Glocke, nachdem die Geläute bereits 1914 und 1939 abgeliefert werden mußten. Im Jahre 1953 wurde der Turm wieder aufgebaut. Zwei Leihglocken vom Hamburger „Glockenfriedhof“ (eine von 1673 aus Reichenstein in Schlesien, die andere von 1706 aus Schloßberg in Ostpreußen) und eine neue Glocke konnten wieder zum Gottesdienst rufen. Die Kirche selbst wurde 1956 so erweitert, wie sie sich jetzt zeigt. Die alte Vorderfront und die Orgelempore wurden abgetragen und nach außen gerückt. Es entstand die Fensterfront mit dem Seiteneingang. Im Jahre 1982 wurde die Kirche renoviert.

 

Toskana Therme:

Dann fährt man noch ein Stück weiter. Ehe die Straße steiler ansteigt, fährt man nach rechts in die Villbacher Straße und die Rot-Ahorn-Allee. Am Gelände des Neuro-orthopädischen Reha-Zentrums parkt man das Auto und geht zu Fuß weiter.

Zum Kuren gehört das Baden. Ab 2010 wird das in der „Toskana Therme“ möglich sein. Der futuristische Bau soll eine einzigartige Ther­men­landschaft mit 600 Quadratmetern Wasserfläche umfassen; alle Becken sind mit Bad Orber Sole gefüllt. Am Ende des Kurparks beginnt der längste Barfußpfad Deutschlands.         

 

Gradierwerk:

Am Orbbach entlang geht man durch den Kurpark (Eintritt nur im Sommer). Man hält sich etwas links, geht an der modernen Konzerthalle vorbei und kommt zum 1806 errichteten Gradierwerk Nr. 10 (1). Das unter Denkmalschutz stehenden Gradierwerk ist das letzte von einstmals neun. Am östlichen Ende liegt ein viereckiger Gradierstein, der bei der Kastengradierung entstanden ist, einer frühen Form der Sole-Eindickung.

Das Bauwerk hat die enorme Länge von 156 Meter eine Breite von 12,3 Meter und eine Höhe von 18 Metern. Die Verteilung der Sole erfolgt über sogenannte „Hahnenkästen“, die mit etwa 400 Zapfhähnen das gleichmäßige Berieseln der Schwarzdornreisigfelder in 13 Meter Höhe ermöglichen.

Es wurde in der selten verwendeten doppelwandigen Art aufgebaut. War zur damaligen Zeit die Windunempfindlichkeit der maßgebende Faktor, so ist sie heute ideal für die Inhalation geeignet. Zum Zweck des Gradierverkes gehörte es, die Salzkonzentration durch Verdunsten zu erhöhen und die Sole von unerwünschten Bestandteilen zu befreien. Die Salzkonzentration beträgt in Bad Orb 3,2  Prozent, während zum wirtschaftlichen Sieden mindestens 18 Prozent benötigt wurden, um den Brennstoffbedarf beim anschließenden Sieden niedriger zu halten.

Begonnen hat die Zeit der Salzgewinnung in Bad Orb etwa 700 nach Christus. Zum Zweck des Gradierverkes gehörte es, die Salzkonzentration durch Verdunsten zu erhöhen und die Sole von unerwünschten Bestandteilen zu befreien. Durch die Verdunstung und den verminderten Wassergehalt verflüchtigt sich die Kohlensäure und es kommt zur Ausfällung von gelöstem Kalk, Gips und Eisen.

An den hoch aufgeschichteten Reisigbündel rieselt das salzhaltige Wasser herunter und wurde durch natürliche Verdun­stung eingedickt (gradiert). Die Salzkonzentration beträgt in Bad Orb 3,2 Prozent, während zum wirtschaftlichen Sieden mindestens 18 Prozent benötigt wurden, um den Brennstoffbedarf beim anschließenden Sieden niedriger zu halten. Erst das Aufkommen der Salzbergwerke machte diese Art der Salzgewinnung im 19. Jahrhundert langsam unrentabel.

Der ganze Vorgang führt zur Versteinerung des Schwarzdornreisigs zu „Dornstein“. Dadurch entsteht aber auch in den Gradierwerken eine künstliche „Seeluft“, die für den Kurbetrieb zur Inhalation genutzt wurde und wird. Dornstein entstand im Gradierwerk durch Ablagerungen der tropfenden Sole am Schwarzdorn (Mariengrotte, wenige Meter oberhalb von Burg und Kirche). Gradierstein bildete sich durch das Absetzen von Ablagerungen in mit Sole gefüllten Holzkästen (mehrere Blöcke vor dem Museum).

Heute führen Salsieder bei verschiedenen Veranstaltungen vor, wie das so lebenswichtige Salz vor langer Zeit gewonnen wurde. In der Sudpfanne wird die Sole unter ständigem Rühren erhitzt, bis das Wasser so weit verdunstet ist, daß nur noch ein dicker Salzbrei übrigbleibt. Dieser wird später in einem Ofen endgültig getrocknet und erhält so seine feine streufähige Form. Das Salz ist sofort verwendbar und durchaus genießbar. Die in der Sole enthaltenen Mineralien machen das Salz dunkler und würziger als das herkömmliche Steinsalz und sehr schmackhaft.

In etwa zwei Stunden werden 165 Liter Sole zu 2,7 Kilogramm Salz gesotten. In schweißtreibender und harter Arbeit wird die Sole die ganze Zeit des Kochens ständig gerührt, während das Feuer immer wieder neue Holzscheite braucht, damit es genügend Hitze liefert. So mag man sich in etwa vorstellen, welche Mühe und welch ein Aufwand es war, als in Bad Orb mit einem personellen Aufwand von circa 360 Mann pro Jahr 40.000 - 50.000 Zentner Salz produziert wurden. Das dazu benötigte Holz belief sich auf bis zu 4.500 Klafter im Jahr (1 Klafter = 3,8 Festmeter). Das war selbst für die waldreiche Gegend hier eine hohe Belastung für den Waldbestand.

 

Der Bildungsort der Solewasser liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit 30 Kilometer nördlich von Bad Orb im Gebiet von Neuhof und Flieden. Das dort in 275 Meter hoch liegende Grundwasser läuft durch Steinsalz-, Kalisalz- und Anhydritlager bis in das 100 Meter tiefer liegende Orb - Tal. Gefördert wird das kontinuierliche Fließen zudem von Kohlendioxid-Gas, das aus mehreren Kilometern Tiefe kommend, auf die letzten vulkanischen Tätigkeiten hinweist. Die Austrittsquellen wurden durch Kalk- und Dolomitsteine des Zechsteins gebildet. Für den Aufstieg des Gases und somit der Sole verantwortlich ist ein Zusammentreffen dreier tektonischen Strukturen. Aus WSW - ONO die „erzgebirgische“, aus NW - SO „herzynische“ und aus NNO - SSW die „rheinische“ Verwerfung. Die Heilquellen sind natürliche Wasseraustritte, die durch 50 - 70 Meter tiefe Brunnenbohrungen lediglich erleichtert wurden.

 

Wurde anfänglich das Salz noch im Ortskern gesotten, verlagerte man im 17. Jahrhundert die Gewinnung auf das heutige Parkgelände, wo das Prinzip der Strohgießhäuser angewandt wurde. Im Jahre 1602 waren es 6 Gradierwerke, um 1730 gar 7 Stück und um 1780 standen 12 der riesigen Bauwerke. Im 18. Jahrhundert stieg man um auf den Schwarzdornreisig, der die Berieselung besser aushielt als das vorher verwendete Stroh. Erst das Aufkommen der Salzbergwerke machte diese Art der Salzgewinnung im 19. Jahrhundert langsam unrentabel. Ende des 18. Jahrhunderts erreichte die Produktion mit 40.000 Zentnern Salz pro Jahr ihren Höhepunkt. Unter bayerischer Herrschaft ab 1814 und ab 1867 unter preußischer Regierung ging der Salzbetrieb stetig zurück.

 

Den medizinischen Nutzen der Sole erkannte jedoch schon 1837 der Apotheker Franz Leopold Koch. Der Verdunstungsprozeß schafft ein Kleinklima wie am Meeresstrand. Der Aufstieg zum bedeutenden Badeort erfolgte ab 1899 mit dem Verkauf der gesamten Salinenanlage an eine Gruppe von Frankfurter Investoren, hervorgegangen aus einer Jagdgesellschaft.

So entstand um 1900 in Bad Orb ein Heilbad mit Kurhaus, Trinkhalle, Wandelhallen und dem schönen Kurpark.

Auf dem Gelände zwischen dem Rathaus und den heuti­gen Tennisplätzen standen elf, später zehn solcher Gradierwerke, dazu Solebehälter, Pumpwerke, Sudhäuser, Salzmagazine und Werkstät­ten. Im Jahre 1899 wurde die Saline abgebrochen und an ihrer Stelle die Kuranlagen mit Kurhaus und Badehaus geschaffen. Eine 155 Meter lange Saline blieb stehen ‑ als Freiluftinhalatorium und eindrucksvolles Technikdenkmal aus der Zeit der Salzgewin­nung. Heute schätzen die Besucher die fein zerstäubten Salzpartikel, die ein Kli­ma wie am Meer erzeugen und beim Gang durch das Gradierwerk die Atem­wege kurieren.

Seit 1909 durfte sich die Stadt dann stolz „Bad Orb“ nennen. So entstand um 1900 in Bad Orb ein Heilbad mit Kurhaus, Trinkhalle, Wandelhallen und dem schönen Kurpark. Das Kurwesen sorgte für einen stetig steigenden Wohlstand. Nach der Reform des Gesundheitswesens hat sich Bad Orb dieser Herausforderung gestellt und verfolgt neue Wege hin zu einem modernen Gesundheitszentrum des 21. Jahrhunderts.

 

Ein engagierter Förderverein und ein modifizierter Reparaturplan haben die Restaurierung des letzten Bauwerks wieder in greifbare Nähe gerückt. 420 Mitglieder zählen die 1997 gegründeten Freunde des Gra­dierwerks. Unter dem Motto „Rettet unse­re Saline“ haben sie durch Spenden und Aktionen bereits 185.000 Euro zusammen­getragen und in den Erhalt des städti­schen Wahrzeichens im Kurpark inves­tiert

Im zur Alt­stadt gelegenen Nordteil des Industrie­denkmals offenbart die Skelettbauweise auffallende Kontraste. Zwischen alten grauen Eichenpfosten schimmern rötliche Balken aus Lärche und Fichte. Mehr als 100 Kubikmeter Holz wurden als Längs‑ und Quer­streben sowie als Tragständer für die Dornwände verbaut. Dazu wurden die aus Bruchsteinen gemauerten Auflagensäulen renoviert und ein neuer Bohlenboden für die Sole‑Auffangwanne eingezogen.

Zunächst sollen 18 Schwarz­dornfelder wieder bestückt werden, aber 72 Reisigfel­der faßt das Bad Orber Gradierwerk ins­gesamt.

Die zuletzt auf vier Millionen Euro ge­schätzte Sanierung des Gradierwerks ist durch einen Reparaturplan des Diplom‑In­genieurs Lenz Weber vorangetrieben worden. Der hatte festgestellt, daß die Anlage auch unter historischen Konstruktionsfehlern ächzt. Wechselseitige Krafteinwirkungen und überlaufende Sole setzten ihr zu. Statt in klei­neren Bauabschnitten wurde das Gerüst zu­letzt in einem Schwung erneuert. Rund 100 Kubikmeter Eichenholz wurden im Bereich von Längs‑ und Querstreben durch Balken aus Lärche und Fichte ersetzt und das Bau­werk mit Schlehdorn wieder aufgefüllt. Im Jahr 2004 werden Handwerker und Zimmerleute auf die gegenüberliegende Sei­te wechseln und die Reisigfelder der Doppel­wandkonstruktion räumen.

Der ans Gradierwerk östlich angelehnte Steinbau ist das einzige noch er­haltene Gebäude, das zur Erstausstattung der Kuranlagen von 1900 gehörte. Es enthielt damals das Inhalatorium und beherbergt heute als „Haus am Gradierwerk“ Spiel‑ und Werkräume.

 

Eingang des Kurparks:

Am Eingang des Kurparks (innen) steht das Denkmal des Geheimen Sanitätsrats Dr. Franz Josef Scherf. Er war neben seiner Tätigkeit als Arzt, fast 25 Jahre (1905 ‑ 1929) Kurdirektor und hat viel für den Auf­schwung des Bades geleistet. Daß Bad Orb als Herzheilbad bekannt wurde, ist vor allem seinen medizinischen Veröffentlichungen zu danken. Für den Kurpark gibt es an den Parkeingängen einen zwölfseitigen Führer mit Lageplan, Erklärung der Bäume und Sträucher, Geschichte des Kurparks und Erläuterungen zum Gradierwerk.

 

Außerhalb des Kurparks steht links ein stattliches Sandsteingebäude mit quad­ratischem Grundriß. Es ist das ehemali­ge Zollhaus der Saline (2). Das Gebäude rechts neben dem Zollhaus (links vom Eingang des früheren Sanatoriums Quellenhof) ist die ehemalige Villa Saline. Sie war eine der ersten Kur‑Pensionen in Orb und wurde 1896 erbaut (also vor Abriß der Saline und Anlage des Kurparks). Das Gelände vom Kurpark bis zum Rathaus war einst der von Ge­bäuden eingerahmte Salinenbetriebshof mit den Sudhäusern.

Vor dem westlichen Ausgang des Kurparks liegt ein Baumstamm aus dem Jahr 1814, als Orb noch zu Bayern gehörte. An ihm sind die Jahresringe markiert mit Jahreszahlen. Die Tafel daneben erläutert, was in dem entsprechenden Jahr in Orb geschah.

 

Rathaus:

Rechts auf dem Salinenplatz steht das um 1770 erbaute Rathaus (3). Der Teil mit dem Uhrtürmchen war das ehemalige Verwaltungsgebäude der Sa­line und bis 1866 Sitz eines bayerischen Hauptsalzamtes. Das schmalere Nebengebäude wird immer noch „Inspektorenhaus“ ge­nannt. Hier waren die Dienstwohnungen der Salinenbeamten.

 

Alte Stadt-Apotheke:

Jetzt geht es in die Altstadt. An ihrem Eingang steht die Alte Stadt-Apotheke (5). Eine Holztafel rechts des Eingangs erinnert daran, daß hier der Apotheker Franz Leopold Koch lebte, der das Bad gründete. Koch wurde 1782 in Erfurt geboren, sein Vater war dort kurmainzischer Kammerrat. Im Jahre 1807 kam Koch als „Provisor“ einer Aschaffenburger Filial‑Apotheke nach Orb, die er 1809 übernahm. Im Jahre 1812 erbaute er seine Apotheke. Koch - als Apotheker in Mainz einmal schwer erkrankt - hatte im benachbarten Wiesbaden die Heilkraft der Thermen am eigenen Leib verspürt. Das brachte ihn auf die Idee, eine Badeanstalt zu gründen.

 

Badehaus II:

Rechts neben seiner Apotheke eröffnete er 1837 das erste Badehaus mit acht „Badecabi­net­ten“. Damit begann also vor über 150 Jahr Kur in Bad Orb. Dieses „Badehaus II“ (6) und der 1912 unter Dr. Scherf als „Kaiser‑Friedrich‑Bad“ er­richtete Fachwerkbau wurden nach langen Diskussionen im Stadtparlament abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Man geht die Straße „Quellenring“ neben dem Orbbach weiter und macht nach links einen Abstecher in die Jössertorstraße.

 

Amtskellerei:

Im Haus Nr. 15 auf der rechten Seite war bis 1795 die Amtskellerei, der Sitz des „Amtskellers“ (7), d. h. der kurmainzischen Verwaltung. Auf alten Stichen ist das Haus mit einem gotischen Treppengiebel abgebildet. Das massive Steinhaus war in die Stadtmauer einbezogen. Die Gartenmauer und die Stein­gewände an den Fenstern verraten noch heute etwas von seiner ein­stigen Bedeutung. Gleich daneben wölbte sich der Turm des Jösser­tors über die Straße, der aber 1823 niedergelegt wurde. Schräg gegenüber der Amtskellerei auf der linken Seite ist die Alte Schmiede. Ein paar Schritte weiter auf der rechten Seite (neben dem Kebabhaus) steht noch ein Torbogen, der aber nur der Eingang zu einem Patrizierhof war und nichts mit dem Jössertorturm zu tun hat.

 

Goldenes Rad:

 Dann geht man wieder zurück, überquert den Orbbach und geht in die Wendeliniusstraße. Man geht geradeaus auf das „Goldene Rad“ (8) zu, ein üppig dekoriertes Fachwerkhaus. In der ehemaligen Gastwirtschaft von 1605 hat Franz Leopold Koch, der Gründer des Bades, seine Frau kennengelernt (sie war die Schwä­­gerin des Besitzers). Später soll die Wirtschaft der Treffpunkt der Orber Wilderer gewesen sein. Heute ist in dem Haus ein Antikgeschäft. Vor dem Haus grüßt St. Wendelin, der Schutzpatron der Bauern und Hirten, von seiner barocken Brunnensäule.

 

Henkershaus:

Man geht wieder ein Stück zurück. In der Kapellenstraße links ist an der Hauswand ein Torbogen von 1582 zu sehen. Man biegt aber nach rechts in die Meistersgas­se ein. An ihrem Ende steht das Henkershaus (9). Die Orber nennen das ei­gentümliche Fachwerkhaus mit den zwei Giebeln schon immer so. Daß es tatsächlich das Wohnhaus des Henkers und Schinders war, dafür sprechen der Standort außerhalb der Stadtmauer sowie ur­kundliche Erwähnungen, daß es in Orb ein Hochgericht (kurmain­zisches Jurisdiktionalbuch 1664) und einen Galgenberg (Schwör­buch 1606) gab. Die Straßenbezeichnung „Meistersgasse“ deutet auf eine weitere Tätigkeit des Bewohners (Wasenmeister = Schinder) hin. Der Kern des Hauses stammt aus dem 16. Jahrhundert, laut In­schrift wurde es 1707 erneuert.

 

Gerber­haus:

Nach links geht man weiter über die kleine Brücke und wieder nach rechts am Bach entlang. Man kommt zum „Gerber­haus“ (10), das 1810 an Stelle eines älteren Hauses erbaut wurde. Der hier tief zwischen Mauern eingezwängte Orb­bach mußte das Antriebswasser für die Lohmühle liefern („Lohe“ ist ein aus gemahlener Eichenrinde gewonnener Gerbstoff). Die Gerber brauchten für ihr Gewerbe viel Wasser. Deshalb und wegen des unangenehmen Gestanks, hatten sie ihr Haus oft außerhalb der Stadtmauern.

 

Stadtmauer:

Links ist der noch am besten erhaltenen Teil der Stadtmauer (11) zu sehen. Der einzige eckige Wehrturm erhebt sich gegen­über dem Gerberhaus, alle elf anderen waren halbrunde Türme. Zinnen und Wehrgänge wur­den bereits 1838 abgetragen. Vom Torbogen an erkennt man noch den Verlauf des Wassergrabens, der einst die gesamte Stadt umgab.

Unter dem Dach des letzten erhaltenen Stadtportals, das vermutlich aus dem 13. Jahrhundert stammt, sind noch ein alte Gefängnispritsche und Wandkritzeleien er­halten. Die Turmstrafe wurde in der Salz­siederstadt schon im 17. Jahrhundert er­wähnt, verbrieft ist die Kerkerzeit von 1838 bis kurz nach dem zweiten Welt­krieg.

An der Stadtmauer ist auch eine Zapfstelle für die Orber Quellen: „Philipp“ und „Martin“ kann man hier kosten. Herz‑ und Kreis­laufkranke sollten ohne Befragen ihres Arztes nicht zu viel davon trinken. Mit dieser Zapfstelle erfüllt die Kurgesellschaft den Passus im Salinenverkaufsvertrag, „den Einwohnern von Orb die unent­geltliche Entnahme von Sole aus den Quellen zu gestatten“.

In diesem Bereich befinden sich auch die zwei Hauptquellen von Bad Orb (11): In den Anlagen vor der Stadtmauer (Quellenring) steht die Philippsquelle, für die erste Bohrungen aus dem Jahre1729 be­zeugt sind. Sie hat eine Tiefe von 73,5 Metern und eine Ergiebigkeit von 400 Litern pro Minute (Pumpenleistung), PH-Wert: 6,0, Wassertemperatur: 13,3 Grad. Charakteristik: Fluoridhaltiger Natrium-Chlorid-Säuerling.

Innerhalb der Ringmauer (Gutenbergstraße) steht die Ludwigsquelle, die erstmals 1821 erbohrt wurde. Die Schüttung jeder Quelle beträgt 24 Ku­bikmeter pro Stunde. Die beiden gläsernen Brunnentempel wurden 1959 und 1961 erbaut und stehen neben den unterir­dischen Brunnenstuben. Sie hat eine Tiefe 58 Metern und eine Ergiebigkei0t von 400 Litern pro Minute (Pumpenleistung), PH-Wert: 5,9, Wassertemperatur: 12,8 Grad. Charakteristik: Fluoridhaltiger Natrium-Chlorid-Säuerling.

Die Martinsquelle in der Martinusstraße hat eine Tiefe von 30,1 Meter und eine Ergiebigkeit von 28 Liter pro Minute. PH-Wert: 6,0 Wassertemperatur: 12,9 Grad. Charakteristik: Fluoridhaltiger Natrium-Calcium-Chlorid-Säuerling.

Etwa an der Stelle des Philips‑Brunnentempels stand einst der „Kunstturm“ (Kunst = bergmännisch „Getriebe“). Ein Wasserrad (Wasserkunst) trieb nicht nur die Pumpen für die Philippsquelle, über ein Kraftgestänge wurden auch die Pumpen und Hebewerke der nahen LudwigsqueIle und der fast 200 Meter entfernten Fried­richsquelle (an der Stelle des alten Badehauses II) angetrieben, um die Sole zu den Gradierwerken zu leiten.

 

Greten­bach:

Nach links durch den Torbogen in der Stadtmauer kommt man in das Stadtviertel „die Greten­bach“. Die gleichartigen Steinhäuser fallen auf. Im Jahre 1852 brannte nämlich der ganze Stadtteil ab und wurde neu in Stein erbaut. Dabei wurden auch die Gemeinschaftsscheunen entlang der Stadtmauer errichtet. Manche dieser Scheunen hat acht und mehr Eigentümer. Die Giebel, die man bereits von außerhalb der Stadtmauer gesehen hat, wurden auf die teilweise geschleifte (abgetragene) Wehrmauer gesetzt.

An der Ludwigsquelle sieht man die Grenze des großen Häuser­brands von 1852: Nördlich die nach gleichem Bauplan errich­teten Steinhäuser, südlich die älteren Fachwerkhäuser, zum Beispiel das Haus „Zum Salzgrafen“.

 

Patrizierhäuser:

Geradeaus weiter geht es in die Hauptstraße (Nr. 28 und 30) zu den „Patrizierhäusern“ (13), zwei reichverzierten Kaufmannshäusern. Das linke Haus trägt rechts auf einem Stein die Jahreszahl 1607. In diese Zeit datieren Fachleute den Bau der oberen Stockwerke beider Häuser, die auf massives älteres Bauwerk aufgesetzt wurden. Das Mainzer Rad am rechten Haus war im Schlußstein eines gotischen Spitzbogens, dem früheren Eingang an dieser Stelle. Der Bär an der rechten Seite war eine Verzierung eines zugemauerten Fenstersturzes.

Im „Braunen Hirsch“ (dem Haus links neben den Patrizierhäusern, damals war die Wirtschaft allerdings im Haus Nr. 30) begann 1849 die sogenannte „Orber Revolution“, wie eine zum Aufruhr gewordene Wirtshausstreiterei zwischen bayeri­schen Soldaten und Einwohnern genannt wird. Die bayerischen Soldaten waren im Gefolge des „tollen Jahres“ 1848 und zur Unterbindung des Wilderns nach Bad Orb verlegt worden.

 

Marktplatz:

Nach rechts geht es zum Marktplatz. In einem Haus auf der linken Seite war seit 1851 die Alte Posthalterei (Postkutsche seit 1861). Den Marktbrunnen (14) krönt das „Marktborns­kindchen“, ein Symbol der Marktfreiheit, das einen Schild mit den Stadtfarben weiß‑blau und eine Wetterfahne mit dem Mainzer Rad hält. Orb hatte das Recht, zweimal im Jahr einen Markt abzuhalten. Die heutigen Krammärkte, am „Ostermarkt“ zwei Wochen vor Ostern und an „Kerb“ (Kirchweih), gehen darauf zurück. Aus vier Speiern mit Löwenköpfen plätschert das Wasser in den Brunnentrog. Bevor es eine allgemeine Wasserleitung gab, wurde das Wasser vom Fuße des Kasselbergs (dort gibt es die Marktbrunnenstraße mit dem Quellaustritt) in hölzernen Rohren um Hauptbrunnen geleitet ‑ kein Problem für die Orber Hand­werker, die das Salzwasser schon immer weit und auch gegen den Berg pumpen mußten.

 

Weißes Roß:

Hinter dem Marktbrunnen steht das „Weiße Roß“ (13). Gemeint ist das rechte alte Fachwerkhaus des dreigiebeligen Hotels. Es ist das älteste Gasthaus in Bad Orb ‑ und war einst die städtische Herber­ge, die allein das Recht hatte, Fremde zu beherbergen. Es wird übri­gens zu den 500 ältesten Gasthäusern in Deutschland gerechnet.

 

Kleinstes Haus („Bügeleisenhaus“):

Von dort geht es hinauf in die Kirchgasse. Es ist die letzte fast lückenlose Fach­werkstraße Bad Orbs. Bei allen Häusern ist das Fachwerk freigelegt und renoviert. Zum Teil sind noch schöne alte Haustüren erhalten. Am Ende steht links in der Kirchgasse 23 das „Kleinste Haus“ (16), wie der Anbau vor dem eigentlichen Haupthaus liebevoll genannt wird. Das 1634 auf einem Gewölbekeller aus Bruchstein errichtete Haus ist von einer Bauzeitschrift bei einem Wettbewerb als „schmalstes Fachwerkhaus Hessens“ festgestellt worden. An der schmalsten Stelle, wo es sich fast spitz zulaufend wie ein Schiffsbug in die Altstadt schiebt, mißt es nur 1,58 Meter. Seine außergewöhnliche Form verdankt das Lieblingsmotiv von Fotografen dem fränkischen Erbrecht, das dem Bauern, der seinen Hof an die Nachkommen wei­tergab, Anspruch auf ein eigenes Zimmer sicherte. Vermutlich im 18. Jahrhundert entstand so der bügeleisenförmige Anbau am Ge­bäude.  Es ist vielleicht eines der meistfotografierten Häusern Hessens.

Doch das Gebäude mit der ungewöhnlichen Architektur hat auch seine Tücken. Hier ist alles krumm und schief. Es ist sehr unpraktisch, zum Möblieren wahnsinnig schwer. Man braucht lauter Maßanfertigungen - und das kostet eine Menge Geld.

Auch die Sandstein-Fassade des denkmalgeschützten Hauses bröselt etwas weg. Das Haus stammt aus dem Jahr 1634. Ein Holzbalken im Haus trägt diese Zahl. Wer an der langgezogenen Fassade entlang geht, sieht aber schnell, daß es nach hinten wesentlich breiter wird. Das zweigeschossige Haus hat eine Wohnfläche von 84 Quadratmetern plus einen 64 Quadratmeter großen Dachboden. Das Haus soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und genutzt werden.

In dem Gebäude wurde 1896 die Orber Raiffei­senkasse gegründet. Im Jahr 1997 wurde das Kleinod in den Rang eines Kulturdenkmals gehoben. Bis 1927 fungierte das Haus als Zahl­stelle. Im Jahr 1983 erstand die Stadt das leerste­hende Gebäude für 150.000 Mark und nutzte es zwischenzeitlich als Stiftungs­sitz und Archiv der Deutschen Gesell­schaft für Sportpublizistik sowie als Bera­tungsbüro für die Stadtsanierung.

Im Jahre 1997 entschied sich die Kurstadt nach aufwendiger Sanierung, die Touristenattraktion als offenes Künstleratelier nut­zen zu wollen. Heute wird das Haus bewohnt von Helmut Jahn, einem Maler aus Offenbach, dessen Augen oft schelmisch durch riesige Brillengläser lugen. Bilder und Kunstwerke nahezu sämtlicher Stilrichtungen stürzen auf den ein, der sich in Jahns pittoresken Altstadt­domizil umschaut. Vieles erscheint chao­tisch und überfrachtet. Man kann es auch anders betrachten: In den verwinkelten Zimmern des 350 Jahre alten Fach­werkge­bäudes eröffnet sich die erstaunliche Band­breite eines Malers und Grafikers, der of­fenbar wenig Berührungsängste kennt und sich allenfalls gegen allzu kumpelhaf­tes Schulterklopfen wehrt.

Das Haus ist eine in Hessen wohl weitgehend unbekannte Sehenswürdigkeit. Viele Touristen, die daran vorbeikommen, zücken jedoch schnell den Fotoapparat oder das Handy, um ein Bild zu knipsen. Bis zu seinem Tod wohnte der Künstler Helmut Jahn in dem Haus. Seine Schwester Helga Schoenewolf-Jahn will als neue Nachmieterin daraus ein Museum und eine kulturelle Begegnungsstätte machen. Am 16. März 2014 soll es zum ersten Todestag des Malers eröffnet werden. Im Gedenken an ihn und sein Wirken will die 74 Jahre alte Ballettmeisterin aus Mainz das Haus fortführen.

Der beleibte Maler mit dem Rauschebart liebte es großformatige, meterhohe Bilder zu kreieren. Er war dann wie im Farbrausch. Er tobte sich wie ein moderner Barockmaler in Farborgien aus. Seine abstrakten Bilder malte er aber nicht in seinem kleinen Häuschen, sondern in seinen Riesen-Ateliers in den Räumen einer ehemaligen Kinderklinik. Der Multikünstler Jahn schrieb aber auch und schuf Plastiken.

Ein Teil seiner Kunst soll nun bald in dem schmalen Fachwerkhaus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Haus solle aber auch für Lesungen, Malkurse oder Musikveranstaltungen genutzt werden können.Der Maler Jahn ist 2013 gestorben. Jetzt wird das Haus genutzt als eines der Standesämter, es hat aber nur für 20 bis 30 Personen Platz.

 

Amtskeller:

Hinter hohen Mauern und mit schmiedeeisernen Gittern an den Parterrefenstern präsentiert sich rechts von der Kirchtreppe das als kurmainzischer Amtskeller erbaute, spätere königlich bayerische Rentamt (17). Es wurde 1799 nach dem Abbruch der Mühle errichtet.

 

Zehntscheune:

Über die Kirchentreppe steigt man hoch zum (26). Rechts liegt die große Zehntscheune. Sie wurde 1621 (oder 1651) von Kurmainz errichtet und 1981 ‑ 1982 restauriert und stilgerecht umgestaltet. Im heutigen „Haus des Gastes“ befinden sich die Stadt‑ und Kurbücherei sowie ein Vortragssaal. Links neben der Zehntscheune steht das „Sälzerdenkmal“ (25), ein Standbild des Orber Bildhauers Hans Prasch.

 

 Burg:

Das hohe Gebäude im Anschluß an die Zehntscheuer ist der Palas der einstigen Burg der Herren von Milchling. Das Datum der Erbauung der Orber Burg ist unbekannt. Möglicher­weise stammt sie aus der romanischen Zeit. Man rechnet aber auch mit einer Erstellung nach Vollendung der Stadt­mauer im 13. Jahrhundert. Erstmals erwähnt wurde die Burg 1064 in einer Schenkungsurkunde an Mainz. Das dort erwähnte „castellum“ umfaßte wahrscheinlich insgesamt das Gelände der Burg, der Kirche, des Schiffers­hofs und des Freihofs, da dieses Gelände nochmals von einer Mauer umgeben war. Später erst, als die Lehensgüter erblich geworden waren, zerfiel es in einzelne Besitzungen verschiedener Adelsgeschlechter.

Ab 1328 gehörte Orb zum Erzbistum Mainz und die Burg war der Verwaltungssitz der Main­zer Amtmänner. Um 1570 wurde der Palas unter Erzbischof Daniel Brendel von Homburg im Stil der Renaissance umgebaut (manche datieren das doppelte Rundbogenfenster in diese Zeit). Der Palas diente nun zeitweise als Wohnsitz der Adelsfamilie von Milchling. Im Jahre 1621 wurde die Zehntscheune an der Westseite angebaut (heute „Haus des Gastes“). Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg nicht mehr bewohnt und wurde als Fruchtspeicher genutzt.

 

Rentamt:

An der Gartenmauer des Rentamtes befindet sich über einer niedrigen Torwölbung eine Steinplatte mit der Jahreszahl 1410. Es wurde auch vermutet und wieder bestritten, daß es sich hier ursprünglich um die Burg („castrum“) handelt, die im Jahre 1064 von König Heinrich IV. an das Erzstift Mainz gegeben wurde. Die Schenkungsurkunde - durch die Orb für fast 740 Jahre an Kurmainz kam - ist die erste Erwähnung Orbs.

Im Jahre 1865 wurde das Anwesen von der Firma Oldenkot in Hanau angekauft und darin eine Zigarrenfabrik eingerichtet. Dabei wurden die gleichförmigen Fenster durch die Mauern gebrochen. Im Jahre 1935 erwarb die Stadt Bad Orb die Burg. Der Palas wurde in den Jahren 1986 ‑ 1988 grundlegend restauriert und um den Zugangsturm mit Treppenhaus und Lift erweitert. Bei der Restau­rierung wurden dann noch weitere zugemauerte romanische Rundbogen ent­deckt. Für die Nutzung als städtisches Museum wurde 1988 der Zugangsturm mit Treppenhaus und Lift gebaut.

In der Burg befindet sich das „Museum Bad Orb“. Zu besichtigen sind das Parterre mit der Abteilung über Leben, Wohnen und Arbeiten im Spessart, der erste Stock mit der Abtei­lung über die Geschichte des Heilbads, der zweite Stock mit der die Abteilung über Orber Kirchen und Volksfröm­migkeit und das Dachgeschoß mit dem Modell der einstigen Saline Orb. Bad Orb ist auch im Großfoto zu sehen. Dort zwängt es sich noch tief im Tal zwi­schen dem mittelalterlichen Mauerring, ein Beispiel der weitverbreiteten Dürftig­keit des damaligen Lebens. Der alte Kern war ein Gewirr von Wohnhäusern, Schup­pen, Verschlägen kreuz und quer ver­schachtelt und gedrängt, nichts sonder­lich herausgeputzt. Zwischen einigen Gassen gibt es solche versteckten Winkel einer uns heute unvorstellbaren Vergangenheit noch, und sie besitzen jetzt einen eigen­tümlichen Reiz, den man bewahren will.

Der Zugang zum Museum erfolgt über den Eingang im Haus des Gastes, die Eintrittskasse ist bei der dortigen Stadt‑ und Kurbüche­rei. Das Museum ist geöffnet: Vom 1. März bis 31. Oktober: Montag ‑ Freitag 9.00 ‑11.45 und 15.15 ‑18.00 Uhr, Samstag 9.00‑11.00 Uhr, 1. bis 4. Sonntag im Monat 10.00 ‑ 12.00 Uhr. Vom 1. November bis 28. Februar: Nur Montag und Donnerstag 9.00 ‑11.45 und 15.15 ‑18.00 Uhr.

Im Burghof liegen einige mächtige Steine, auch im Hof des „Haus des Gastes“ lagern große Brocken davon. Es sind Gradier­steine, die beim Abriß eines Hauses in der Solgasse zum Vorschein kamen. Sie stammen aus der Zeit, als sich die gesamte Saline inner­halb der Stadtmauer befand und die Sole noch in großen Holz­kästen gradiert wurde.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlegte man die Saline vor die Stadt. Das freigewor­dene Gelände vom heutigen Solplatz bis zum „Neuen Tor“ (so nannte man eine eigens für den Zugang zur neuen Saline gebroche­ne Lücke in die Stadtmauer am Ende der heutigen Hauptstraße) wurde besiedelt. In der heutigen Solgasse aber waren die Ablagerungen der Gradierkästen so mächtig und fest geworden, daß man sie als Fundamente für die Häuser benutzen konnte.

In der Grünanlage vor der Burg sind auch zwei große Sandsteinplatten aufgerichtet. Sie zeigen Muster von Wellenriffelung und von Troc­kenrissen und erlauben somit einen Blick in die Erdgeschichte, wie der Spessart‑Sandstein entstanden ist. Gefunden wurden sie am Aufenauer Berg beim Autobahnbau. Die Kombination von Burg und Kirche direkt nebeneinander ist typisch für das Hochmittelalter, im Spessart jedoch nur selten in dieser Einheit bis heute erhalten.

 

St.‑Martins‑Kirche:

Man geht den Burgring wieder zurück zur St.‑Martins‑Kirche (27). Vorher darf man an Stelle der Kirche die Burgkapelle vermuten. Die gotische Hallenkirche stammt aus dem 14. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammen noch der Flügelaltar, der Grabaltar, die Kreuzigungsgruppe, das Sakramentshauschen und die Wandmalereien. Die Decken der drei Kirchenschiffe waren ur­sprünglich alle gleich hoch und flach. Der mächtige Turm gehörte einst zur Stadtbefestigung. Sieht man sich den Grundriß der Kirche an, so kann man feststellen, daß die Südseite des Kirchenschiffs beträchtlich verkürzt ist. Der Turm steht nicht in der Chorachse. Die nördliche Seitenkapelle ist etwa 100 Jahre später an den Chor angefügt worden.

Größte Kostbarkeit der Kirche ist das Altarbild von einem unbekannten Meister aus der Zeit von 1440. Es gilt als bedeutsames Werk der damaligen mittelrheinischen Kirchenbild‑ Malerei. Kunsthisto­riker schreiben es auf Grund ver­gleichbarer Motivwahl und Maltechnik dem Meister zu, der im Darm­städter Landesmuseum Passionsszenen auf Altarflügeln des 15. Jahrhunderts zeigt.

Der Mittel­teil stellt das große Mysterium des Erlösertodes dar. Der linke Außen­flügel zeigt die thronende Madonna mit dem Kind und der Lilie, der linke Innenflügel die An­betung der Heiligen Drei Könige und eine Palastszene, der rechte Innenflügel die Verehrung des Kreuzes durch den Kai­ser Konstantin und die Heilige Helena, der rechte Außenflügel den Gnadenthron.

Die Flügel des Altarbildes wurden aber von der Kreuzigungstafel in der Mitte abgetrennt und verkauft. Sie gingen 1821 in den Besitz des preußischen Königs. Dadurch blieben sie im Original erhalten, während das mittlere Tafelbild beim Brand der Martinskirche 1983 für immer verloren ging. Die von den USA im Jahr 1945 beschlagnahm­ten Seitenflügel gingen an die Stiftung Preußischer Kul­tur­besitz. Sie wurden 1999 / 2000 aufwendig restauriert und sind in Berlin‑Tiergarten dauerhaft zu sehen.

Im 17. Jahrhundert erhielt die Kirche unter Kurfürst-Erzbischof Philipp von Schönborn zu Mainz eine reiche barocke Innenausstattung (Hochaltar, Kanzel, Antonius‑ und Marienaltar).

Das Mittelschiff wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts erhöht. Die gotischen Wandmalereien wurden übertüncht. Der Flügelaltar wurde aus dem Chorraum entfernt und an seiner Stelle ein barocker Hochaltar errichtet. Das Ölgemälde im Bad Orber Hochaltar zeigte die Verehrung des Altarsakramentes. Im Jahre 1886 wurde das Gemälde durch ein anderes ersetzt, das die Kreuzaufrichtung darstellt.

Während der Restaurierung 1935 - 1938 wurde der barocke Hochaltar abgebaut und der Chorraum wieder gotisiert. Der große gotische Flügelaltar, das „Orber Altarbild“ von 1440, wurde im Chor aufgestellt und die gotischen Wandmalereien freigelegt (Fragmente). Es wurde eine große Empore eingezogen.

In den Jahren 1978 bis 1979 wurde die Kirche wieder umgebaut. Die Emporen wurden ent­fernt und dafür zwei weitere Seitenschiffe angefügt. Der barocke Hochaltar kam wieder in den Chor. Das Altarbild - mittlerweile durch Kopien der zugehörigen Flügel ergänzt-kam in das nördliche Seitenschiff. Die gesamte Ausstattung wurde restauriert. Beim Wiederauf­bau wurde im Inneren statt der Barockausstattung die ur­sprüngliche gotische Stilform gewählt nach Entwürfen von Dombaumeister Schädel aus Würzburg. Neugeschaffene Kunstwerke wurden mit angekauf­ten Originalstücken kombiniert. Das gotische Altarbild, die goti­sche Grablege, die barocken Marien‑ und Josefstatuen wurden rekonstruiert. Die Kirche ist durch einen Seiteneingang zugänglich

Heute wird die barocke Kanzel von 1684 durch die Statuen der vier Evangelisten, in ihrer Mitte Christus, geschmückt. Den Schalldeckel der Kanzel krönt St. Martin. Der Taufstein von 1683 ist aus Sandstein mit einem barocken Deckel aus Holz. Die Orgel steht auf der oberen Empore, sie wurde 1772 durch den Orgelbauer Gott­fried Silbermann erbaut, im Jahre 1951 renoviert und in den Jahren 1956 / 1957 nochmals er­weitert. Die neue Orgel von der Firma Hey aus Urspringen wurde 1980 eingeweiht.

Zur Ausstattung des Gotteshauses zählen des Weiteren die Plastiken im Chor, die Wandbilder in der nördlichen Seitenkapelle, der Gefallenen-Altar, eine kleine Plastik „Die Taufe Jesu“ und der Antoniusaltar. In unmittelbarer Nähe stehen Statuen des Hl. Wendelins, des Hl. Michaels und Hl. Josephs. Im Turmeingang und Chorraum befinden sich noch verschiedene Epitaphien.

In der Grabkapelle in der Chornische des südlichen Seitenschiffes ist die Grablegung Christi zu sehen. Von den Bildern zwischen den Gewölberippen der Kapelle konnten die Landung der Hl. Ursula in Köln und der Pestheilige Rochus freigelegt werden. Auf der Stirnwand der Grabkapelle sind in zwei Reihen die 14 Nothelfer dargestellt. An der Südwand des Kirchenschiffes konnten 1937 / 1938 drei Gemälde freigelegt werden, die Ankunft der Hl. Barbara im Paradies, ein Marientod und die Himmelfahrt der Gottesmutter. Diese Fresken wurden 1978 abgenommen.

 

Schiffershof:

Neben der Kirche befindet sich der „Schiffershof“ (28), ein altes Hofgut, das auf den Überresten der Fischborn’schen Burg errichtet wurde. Schräg gegenüber beim Friedhofsein­gang steht eine Mariengrotte von 1894 aus Gradiersteinen. Durch den Kirchhofswinkel („Kerbes­winkel“) geht man zwischen Schiffers­hof und Stadtmauer bis zur Heppengasse. Bemerkenswert sind die Fachwerkhäuser, die sich in der Heppengasse an die Altstadtmauer lehnen. Oft in mehrere Wohnpartien ge­trennt, verfügen sie über einen zweiten Zugang im Dachstuhl, der sich vom Burg­ring her erschließt.

 

Freihof:

Sowie man in der Heppengasse steht, geht es links weiter zur Ka­nalstraße. Rechts an dem Haus ist ein Torbogen von 1708 zu sehen. Weiter unten auf der linken Seite liegt der Freihof mit der Hausnummer „Freihof 2“. Der Name Freihof erklärt sich, weil Bechtold Faulhaber 1425 für sein Besitztum Steuerfreiheit auf alle Zeiten erlangte.

 

Faulhaber­sche Burg:

Aber erst wenn man weiter nach unten geht und nach links in den Hof hineinsieht, kann man den ganzen Hof übersehen. Es ist die ehemalige Faulhaber­sche Burg (29), wie der Wappenstein zeigt, der Schlußstein eines ehemaligen gotischen Eingangs war. Das älteste erhaltene Baufragment ist ein doppeltes Rundbogenfenster am Nordgiebel, das in das 12. Jahrhundert datiert werden kann. Die Ausstemmungen an den Ständern des oberen Fachwerkstockwerkes lassen vermuten, daß dieses Gebäude noch ein überkragendes Stockwerk gehabt hat.

Nach rechts geht es ein Stück in die Kanalstraße hinein. Rechts steht das Haus Nr. 44 (30), in dem 1884 die Kinderheilanstalt (die heutige Spessart‑Klinik) ihren Anfang nahm (Gedenktafel).

Das Eckhaus Solplatz / Kanalstraße war von 1871 bis 1938 die Synagoge der ehemaligen jüdischen Gemeinde. Dort ist am Salinenstein auch eine Gedenktafel angebracht. Der Judenfriedhof befindet sich am Ende der Rhönstraße.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein Betsaal oder eine erste Synagoge eingerichtet. In den Jahren 1869/ 70 erbaute man eine neue Synagoge. Im August 1938 wurde die Synagoge an eine nichtjüdische Familie verkauft und blieb dadurch von einer Zerstörung beim Novemberpogrom 1938 verschont. Das Gebäude wurde zu einem Wohn- und Geschäftshaus umgebaut und ist als solches bis heute erhalten.

 

Jubiläumsbrunnen:

Nach links macht man einen Abstecher zum „Jubiläumsbrunnen“ (30a). Er wurde 1987 von der Stadt zum 150. Heilbad‑Jubiläum errichtet. Hans Prasch hat hier den drei Orber Heil­quellen Philipp, Ludwig und Martin in Gestalt der „drei Buben“ auf der Brunnensäule ein Denkmal geschaffen. Wie der Orber Boden­schatz, die Sole, die die drei Quellen zutage treten lassen, im Laufe der Jahrhunderte die Geschicke der Stadt bestimmt hat, zeigt der Bilderfries, der sich im Schaft der Bronzesäule windet.

 

Haus „Alt Orb“:

Dann geht es wieder zurück die Obertorstraße hinauf. Man kommt zum Haus „Alt Orb“ (31) auf der rechten Seite. Diesen Namen trägt das Haus erst seit seiner beispielhaften Restaurierung, die manchen Hausbesitzer zur Nachahmung ermutigt hat. Das Haus muß von alters her ein Bäckerhaus gewesen sein. Man beachte das Zunftzeichen, die Brezel, über der Haustür. Der Heimatforscher Dr. Heinz Dehmer vermutete hier die Bäckerei der Sommerlads. Die Familie ging später nach Gießen und ein Zweig von dort nach Leipzig. Von letzterem soll die jetzige schwedische Königin Silvia abstammen.

 

Obertor:

Am Ende der Straße steht das Obertor (32), das einzige der ehemals drei Stadttore, das erhalten ist, weil es als Gefängnis verwendet wurde. Rechts vom Turm plätschert der Roßborn, dessen Wasser früher über Mofetten (Kohlensäu­reaustritte) geleitet wurde und den Sauerborn vor dem Amtsge­richt speiste. Neben dem Brunnen ist eine Gedenkstätte der Orber Heimkehrer aus Kriegsgefangen­schaft (Heimkehrer-Mahnmal). Wenn man das Obertor von der anderen Seite betrachtet, sieht man hoch oben das vergoldete Mainzer Rad.

 

Land­gericht:

Nach links geht man dann zum heutigen Polizeigebäude (33). Es wurde 1821 / 1822 als königlich bayerisches Land­gericht (Landratsamt und Gericht in einem) erbaut. Danach war es preußisches und hessisches Amtsgericht.

 

Hausbrauerei „Kärrner“:

Zurück geht es durch die Kur­parkstraße nördlich des Kurparks. Dort befindet sich noch ziemlich am Anfang links die Hausbrauerei „Kärrner“. Der Name erinnert an die alten Salzfuhrleute erinnert. In den beiden Sudkesseln werden Hopfen und Malz mit weichem Orber Wasser zu mildem Bier aufbereitet.

 

Ausflüge:

Vom Nachmittags­spaziergang bis zur zünftigen Tageswan­derung ‑ aus dem Netz der Bad Orber Rundwanderwege können Sie wählen, was Ihnen Spaß macht. Die Wege werden vom Ortsverein des Spessartbunds betreut und sind mit farbigen Nummern markiert. Die meisten Wege beginnen und enden in Bad Orb, einige an einem Parkplatz außerhalb. Wege, die großteils durch die Feldflur oder am Waldrand entlangführen, sind zusätzlich als „Sonnenwege“ ge­kennzeichnet. Sie eignen sich besonders im Frühjahr, Herbst oder Winter zum Sonnenstrahlen‑Tan­ken. Im Sommer, wenn es sehr warm ist, werden die Wege durch den schattigen Wald bevorzugt. Alle Wege mit Beschreibung findet man auf der neuen Bad Orb-Wanderkarte.

Rund um Bad Orb gibt es mehrere „Park-und-Wander‑Parkplätze“ des Naturparks Spessart. Von hier gehen kürzere Rundwanderwege aus (meist für eine bis zwei Stunden). Diese Wege sind vom Forst dicht mit Tier­-Symbolen markiert. Der Wegverlauf ist jeweils am Parkplatz auf einer Übersichtstafel angegeben. Eine Übersicht der „Park-und-wandre-­Parkplätze“ findet man auf den großen Wandertafeln am Rathaus und beim Verkehrsbüro sowie auf der neuen Bad Orber Wanderkarte.

 

Haselruh und Haselberg (nordöstlich):

Man biegt in die Bahnhofstraße ein und gleich rechts in die Haselstraße und in das Haselbachtal. Dieses muß allerdings vom Landschaftspflegeverband von Aufwuchs freigehalten werden, damit der „Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling“ seinen Lebensraum behält.

Mit der Markierung 3, der oberhalb des Haselbaches entlang­läuft, geht man Richtung Haselruh. Zunächst kommt man an einem Fachwerkhaus vorbei zu einem kleinen Weiher, dem Haselweiher. Er wurde künstlich angelegt ‑ zur besonderen Freude der Kinder des nahegelegenen Frankfurter Landschulheimes Weg­scheide, die ihn gerne als Ausflugsziel wählen. An einem Natur­parkplatz mit großer Liegewiese und altem Baumbestand steht das Jagdhaus „Haselruh“, vor dessen Haustür der Haselbach entspringt. Das Haus wurde 1907 von dem Frankurter Industriellen Walther vom Rath erbaut, eine Art Fertigteilhaus aus Holz aus Schweden auf einem Sandsteinsockel.

Man kann aber auch mit dem Auto bis zur Haselruh fahren. Mit der Markierung Nummer 20 geht es bergan, bis nach einem halbstündigen Marsch in­mitten eines Fichtenhochwaldes die Nummer 1 den Weg schneidet. Sie bestimmt nach links die weitere Route. Wenn sie den Wander­weg Orb ‑ Mernes kreuzt, öffnet sich der Wald zu einem Blick auf ein gleichsam grünes Meer, in das nur die roten Dächer des Dörf­chens Alsberg einen Farbtupfer setzen. Hier wird verständlich, daß sich um diese einst undurchdringlichen Wälder ein Kranz von Sagen windet. Kaum merklich ist die Höhe des 388 Meter hohen Haselberges er­reicht worden. Von hier aus fällt der Weg. weiter in Begleitung der 1, ständig bis Bad Orb (Wochenende, Seite 117).

 

Jagdhaus Haselruhe (Route „Sieben Berge“):

Rund um Bad Orb ist die MTB-Route „Sieben Berge“ ausgeschildert. Und da es in den Spessart geht, ist die ganz schön happig. Die ersten Markierungen, ein weißes Fahrradsysmbol auf blauem Grund, findet man in der Haseltalstraße, die vom Bahnhof aus stadtauswärts führt.

Der Kompromiß: Man beginnt wie die MTB-Route in der Haseltalstraße, begnügt sich aber mit dem knapp fünf Kilometer langen Anstieg auf der Zufahrtsstraße zum Jagdhaus Haselruhe. Wenn man die 100 Höhenmeter überwunden hat, wird man zustimmen, daß man durch eins der schönsten Tälchen des Spessarts gefahren ist. Und es lohnt sich, von der erhöht liegenden Terrasse des Jagdhauses den Blick zurück über das Tal schweifen zu lassen.

 

Molkenberg / Wartturm:

Westlich des Ortes hoch über der Stadt steht der Wartturm, der ein Teil der Stadtbefestigung war. .An der Polizei vorbei kommt man in die Molkenbergstraße. An der Friedhofsmauer findet sich die rote 5, die die Route bergauf bestimmt. Nur am alten schmiedeeisernen Wegweiser wird sie für einen kurzen Abstecher nach rechts „Zum Wartturm“ verlassen. Der Anstieg beginnt. Am Ende des Friedhofs zweigt rechts ein Fußweg zum Wartturm ab. Ebenso etwas später auf der Höhe einer Bank links ab, einen Schlängelpfad hinauf zum Turm und gleichnamigen Café. Mit dem Auto erreicht man den Turm, indem man von der Burgringstraße nach rechts in die Molkenbergstraße abbiegt und dann wieder rechts in Richtung Restaurant fährt.

Über eine Außentreppe kann man den Turm besteigen und die herrliche Aussicht auf Bad Orb genießen: Vom Orbtal rechts über das gegenüber liegende Haseltal und nach links in das Kinzigtal bis zum Hohe Vogelsberg (Sendemast). Der Orber Turm gestattet einen der wenigen Fernblicke im Spessart. Mit dem Wartturm ist die Sage des Peter von Orb verknüpft, der hier eingesperrt gewesen und durch seinen zahmen Fuchs befreit worden sein soll. Dort findet jährlich ein Johannisfeuer statt.

Der Wart‑ oder Wachtturm an diesem dominierenden Platz hat auch Eingang in die mit Orb verbundene Sagenwelt gefunden. Er gehört zu dem Sagenbereich von insgesamt vieren aus der nahen Umgebung Bad Orbs, die an den Wänden des Badehauses III von dem Maler Reinhold Schön bildlich dargestellt sind: Der wilde Jäger (?), Fuchsstein (= Molkenberg), Madstein (südöstlich der Orbquelle) und Beilstein (Kreisstraße 890 nach Villbach, noch vor der Orbquelle, aber nicht der Beilstein bei Villbach).

In dem Gebiet um Bad Orb trieb Peter von Orb, der „Schinderhannes“ des Spessarts, sein Unwesen. Als man endlich seiner habhaft war, wurde er im Wartturm auf dem Molken­berg eingemauert. Doch er blieb nur kurz in dieser Gefangenschaft. Ein von ihm zuvor gezähmter Fuchs witterte die Fährte seines Herrn und grub sich unter der Turmmauer durch. Der Räuber erweiterte die Öffnung und konnte flie­hen. Nicht aber der Fuchs: Er wurde erschlagen, in der Öffnung vergraben und mit einem schweren Stein zugedeckt, der fortan „Fuchsstein“ hieß. Dieser Stein liegt heute noch an dem Turm.

Auf dem Rückweg mit dem Auto fährt man zunächst wieder zurück bis zur Molkenbergstraße, fährt aber dann nach rechts um den Berg herum und kommt an der Hubertusstraße wieder heraus, die auf den Burgring und zur Frankfurter Straße führt.

 

Küppelsmühle:

An der Küppelsmühle läßt sich ihre mehr als drei Jahrhunderte umspannende Geschichte noch gut ablesen Um 1670 erstmals erwähnt, lebt und arbeitet hier seit 1788 die Familie Freund. Durch den wirtschaftlichen Niedergang am Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Landwirtschaft intensiviert. Deshalb wurde eine Gastwirtschaft eingerichtet, die sich zu einem Ausflugslokal entwickelte. Die entscheidende Neustrukturierung er folgte 1889 durch die Eröffnung einer Kaltwasserheilanstalt. Nach dem Erlaß der Bismarckschen Gesetze belebten „Kassengäste“ das Haus, in dem bald ein Arzt Einzug hielt. Im Jahre 1928 wurde das Wohn‑ und Gasthaus der Küppelsmühle abgerissen und an gleicher Stelle der heutige Mühlenhof errichtet. In wehmütigem Gedenken wurde das kleine Mühlchen als Modell gebaut. Alle paar Minuten schaut der Müller aus dem Fenster und nickt. Aufgabe der heutigen Inhaber Raimund und Ulrich Freund war es, gemeinsam mit ihrem 1983 verstorbenen Bruder Dr. med. Heinrich Freund auf dem vorhandenen Grundstock die Küppelsmühle zu einer modernen Reha‑Klinik zu gestalten.

 

Wildpark:

Hinter dem Wildpark in der Kurparkstraße beginnt der vier Kilometer lange Barfußpfad, der von einem Lehrer der Kreisrealschule entworfen du von den Schülern umgesetzt wurde.

Der Kurpark verliert sich allmählich im Wiesengrün, das beiderseits der Orb die Hänge bis zum beginnenden Wald überzieht. Es ist eine abwechslungsreiche, durch Baumgrup­pen und Heckenstreifen gegliederte Landschaft, von Spes­sartbergen umrahmt. Der schmale Weg ist befestigt, also bei jedem Wetter begehbar. Er leitet mit freier Sicht in leichtem Bogen zum Wald hinan und zum dortigen Wildpark. (Hunde dürfen das Gatter nicht passieren. Sie müssen nach links un­ten außen herumgeführt werden.)

Die Markierung 8 bringt in das von Damwild und Mufflons besetzte Gehege zum jen­seitigen Ausgang. Und da sind wir einer zweifachen Einkehr­möglichkeit ganz nahe. Das „Café Waldfriede” winkt mit dem Mohrenkopf als Hauspezialität, während man im „Café Wildpark” Windbeutel empfiehlt.

Kurz hinter dem Wildgehege in Bad Orb am Fuße des Winterberges (nördlich des Wildparks), der die artenreiche Flora der näheren Umge­bung von Orb fast vollzählig vereint, wächst die größte Seltenheit der Spessartflora, die „Orber Wicke“, eine atlantische Pflanze, deren eigentliche Heimat Westeuropa ist und die das deutsche Florengebiet nur an einigen wenigen Punkten im Spessart erreicht Als weitere Besonderheit finden sich hier das Berg-Lungenkraut mit großen, samtweich behaarten Blättern, Bayerisches Leinblatt, Wohlriechende Odermennig und Schwarzwerdende Platterbse.

 

Orbquelle:

Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 143.

 

Kulturweg:

Der Kulturweg in Bad Orb überrascht neben der üblichen Übersetzung in Englisch mit einer zweiten in chinesischer Sprache: Bad Orb macht sich bereit für die Gäste der Zukunft. Aber die Absicht, daß Chinesen eine Klinik übernehmen, zerschlug sich.

Der Kulturweg 1 „Orber Dornstein“ ist 7 Kilometer lang und umfaßt folgende Stationen:

(1) Burg und St. Martinskirche:

(2) Vom Gradierwerk zum Kurbetrieb:

(3) Die Geschichte der Salzgewinnung:

(4) Die Orber Jagdgesellschaft:

(5) Die Küppelsmühle

(6) Wartturm:

 

Waldlehrpfad

Auf der Wegscheide, nahe dem Frank­furter Kinderdorf gleichen Namens, gibt es einen Waldlehrpfad. Auf Tafeln werden die geologischen und klimatischen Gegebenheiten im Bunt­sand­stein‑Spessart und die daraus resultierende Waldbestockung dar­gestellt und erläutert. Startpunkt ist der Parkplatz Weg­scheide. Am Tor des Kinderdorfs beginnt auch der Wegscheide­-Geschichtslehrpfad.

Ganz neu ist der Naturlehrpfad Orbtal. Er beginnt an den Tennisplätzen, Markierung ist ein Schmetterling.

 

Waldfriedhof Wegscheide:

Etwa ein Kilometer südlich des jetzigen Landschulheims Wegscheide liegt der Waldfriedhof an der Landesstraße L 2905, die östlich des Schullandheims nach Süden abzweigt. Er ist eine Kriegsgräberstätte für mehr als 1.400 Kriegsgefangene aus Polen, Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion, die im Zweien Weltkrieg auf der Wegscheide in Gefangenschaft waren.

 

Grenzsteinwanderung nach Bad Orb:

Das Gebiet des heutigen Main‑Kinzig‑Kreises war bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts in mehrere Kleinstaaten aufgeteilt. Grenzen und Zollschranken behinderten den reibungslosen Verkehr durch das Kinzigtal. Grenzsteine wecken Neugierde, sooft man ihnen in Feld und Wald begegnet, denn sie markieren einen Gang durch die Geschichte des jeweiligen Landstrichs. Vielerorts wurden diese steinernen Dokumente vergangener Jahrhunderte aller­dings zu Stolpersteinen für den Straßen‑ und Wohnungsbau oder die Anlage von Freizeitparks ‑ und beseitigt. Das rief Heimat‑ und Denkmalforscher auf den Plan, die Grenzstein­zeugen zu schützen.

Grenzsteinrundwanderwege wurden in dafür aussagekräftigen Gebieten angelegt. Als Zeugen dieser Kleinstaaterei sind viele Grenzsteine erhalten geblieben. Der von den Gemeinden Bad Orb und Wächtersbach in Zusammenarbeit mit dem Verein Naturpark Hessischer Spessart markierte und teilweise beschil­derte Weg macht es möglich, den Aufenthalt in der freien Natur mit einem lebendigen Geschichtsunterricht zu verbinden.

Die Kurstadt Bad Orb hat zusammen mit Wächtersbach und dem Naturpark Hessischer Spessart jetzt ebenfalls einen Grenzsteinrundwanderweg ausgewiesen. Er liegt im „Dreiländereck“ an der „Großen Kuppe“, wo die Grenzen des Fürst­bistums Fulda, des Kurfürstentums Mainz und des damals selbständigen Territoriums Aufenau zusammentrafen.

Die Kennzeichnung ist bundesweit einheitlich ein schwarzer Kreis mit Querbalken auf gelbem Grund. Der Grenzsteinweg ist 9,5 Kilometer lang, wenn man den Rückweg über den sogenannten „Forstweg“ geht, wie er auf der Informationstafel ausgewiesen ist. Etwa 8 Kilometer lang ist der Weg, wenn man vor Salmünster schon eher auf einem westlichen Weg zurückgeht, der wieder zum Dreiländereck führt. Noch kürzer ist die Strecke, wenn man vom Dreiländereck dieses kürzere Stück geht, nämlich 5 Kilometer.

Die markantesten Steine liegen östlich vom Dreiländereck. Die Grenzsteine sind fast ausnahmslos mit Buchstaben, Nummern und Jahreszah­len versehen. Es stehen die Zeichen „FF“ für Fürstbistum Fulda, „CM“ für Churfürstentum Mainz, „Z“ (Wolfsangel) für das Zeichen der Herren von Forstmeister in Aufenau, „A“ für Aufenau, „O“ für Orb, „SS“ für Stadtwald Salmünster, „KB“ für das Königreich Bay­ern und „KH“ für das Kurfürstentum Hessen. Der vorgeschlagene Grenzsteinwanderweg ist gut für Leute, die gern wandern. Aber die Hauptsache findet man schon, wenn man nur zum Dreiländereck fährt.

 

Von Bad Orb aus:

Von der Bahnhofstraße fährt man (fast geradeaus, nicht Richtung Aufenau) in die Salmünste­rer Straße. Man darf sich nicht irritieren lassen, die geteerte Straße führt weit hinauf auf den Berg bis zum Parkplatz am Dreiländereck. Dort stehen zwei Reihen locker aufgestellter Grenzsteine in einer Art Grenzsteingarten. Wenn man etwas nach links geht an dem Zaun entlang, kommt man zum auffälligsten Stein des Grenzstein‑Wan­derwegs. Auf der nördlichen Seite trägt er das Fuldische Kreuz, auf der südlichen das Mainzer Rad. Hier ist die Grenze, die zwischen dem Fürstbistum Fulda (daher das „FF“) und dem Kurfürsten­tum Mainz („CM“) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestanden hat

Im Jahre 1803 war es durch den Reichsdeputationshauptschluß vorbei mit den geistlichen Territori­en, und nach dem kurzen napoleonischen Zwischenspiel ‑ zu kurz, um steinerne Zeu­gen zu hinterlassen ‑ wurde auf dem Wie­ner Kongreß der ehemals kurmainzische Besitz im Spessart dem Königtum Bayern zugeschlagen, und das, was im Kinzigtal zu Fulda gehörte, kam als Großherzogtum Fulda an das inzwischen zum Kurfürsten­tum aufgestiegene Hessen ‑          Kassel. Damit markiert dieser Hauptstein ab 1816 die Grenze zwischen dem Königreich Bay­ern und dem Kurfürstentum Hessen.

Neue Steine brauchten nicht gesetzt zu werden, nur die Bezeichnungen hatten sich geän­dert. Nur einen Stein hat man zwischen 1816 und 1866 nachgesetzt. Er steht etwa 100 Meter vom Dreiländereck nach Norden (nicht Osten, also nicht auf dem eigentlichen Wanderweg) und trägt die Nummer 19. Dieser Stein mit „KB“ (Königtum Bayern) auf der westlichen und „KH“ (Kurfür­stentum Hessen) auf der östlichen Seite erinnert an die territoriale Veränderung zwischen Bay­ern und Hessen.

Im Jahre 1866 wurde wieder alles anders. Der hessi­sche Kurfürst hatte im preußisch‑öster­reichischen Krieg auf das falsche Pferd gesetzt, sein Gebiet wurde preußisch. Und die Preußen bekamen Orb hinzu, das damals als bayerisches Armenhaus galt und erst durch den später einsetzenden Kurbetrieb zu Wohlstand kam

Das Stück östlich des Dreiländerecks trennt das Fürstbistum Fulda („FF“) im Norden von dem Kurfürstentum Mainz („CM“) im Süden. Dann geht der Weg nach Norden ab und trennt den Fuldaer Wald („FF“) vom Stadtwald Salmünster („SS“). Das ist die heutige Gemarkungsgrenze zwischen Bad Orb und Bad Soden ‑ Salmünster. Die Steine wurden 1775 gesetzt. In der Zeit von 1814 bis 1866 war dies die Landesgrenze zwischen dem Kurfürstentum Hessen und dem Königreich Bayern. Auf diesem Weg könnte man bis Salmünster gehen. Einfacher ist jedoch der Rückweg, nicht wie auf der Orientierungstafel eingezeichnet ganz rechts nach Aufenau, sondern den mittleren der drei Wege, der zum Dreiländereck führt.

 

Vom Aufenau aus:

Von der Autobahnabfahrt Bad Orb fährt man zunächst in Richtung Wächtersbach und dann rechts ab nach Aufenau. Dort geht es rechts ab Richtung Bad Orb. Wenn man die Autobahn unterquert hat, liegt links der Wanderparkplatz. Von dort läuft man noch etwa hundert Meter entlang der Kreisstraße bis auf die Höhe. Dort nimmt man den Weg links, der im spitzen Winkel von der Kreisstraße abgeht.

Im west­lichen Abschnitt des Grenzsteinwanderwegs verläuft die Grenze zwischen der bis 1787 reichs­unmittelbaren Herrschaft der Herren von Forstmeister zu Gelnhausen (oder Aufenau) im Norden und der Stadt Orb (bzw. dem Kurfürstentum Mainz) im Süden. Die Steine mit einem „Z“ (Wolfsangel) sind nur schwer zu entdecken. Es gibt auch Steine mit einem „A“ für Aufenau. Der Weg empfiehlt sich besonders für einen Winterspaziergang.

 

Von Bad Soden-Salmünster aus:

In Bad Soden‑Salmünster fährt man nach Osten von der Autobahn ab und fährt nach rechts in die Straße „Am Palmusacker“. Nach rechts und wieder nach links kommt man in die Beethovenstraße. An ihrem Ende geht man geradeaus weiter in den Wald. Der Wanderweg ist mit einem roten Winkel markiert. Im Wald trifft man auf die Markierungen des Grenzsteinwegs ‑ ein schwarzer Kreis auf gelbem Grund. Hier teilt sich der Weg praktisch in drei Äste. Der Grenzsteinweg ist der Weg ganz links (Osten), um dem ehemaligen Grenzverlauf zwischen der Stadt Salmünster und dem Fürstentum Fulda zu folgen. Westlich der Großen Kuppe wendet sich der Grenzsteinweg nach Westen. Hier ­stieß das Für­stentum Fulda an das Kurfürstentum Mainz. Die Bedeutung dieser Grenze läßt sich an der Größe der Grenzsteine ablesen. Am Dreiländereck kann man schon den Weg nach rechts nach Salmünster zurückgehen. Sonst geht man weiter bis Aufenau.

 

Orber Reisig:

Ziel der Wanderwege ist mehrfach das „Orber Reisig“, ein Höhenzug im Nordspessart, der im 540 Meter hohen „Horst“ gipfelt. Der Name ist auf eine früh einset­zende Waldübernutzung durch Salzsiedeln (daher der Name „Rei­sig“) zurückzuführen. Es ist Quellzentrum vieler Wasserläufe: Kling­bach, Orb, Bieber, Jossa, Aura, Kahl und Lohr.

Der Wald um Orb, der Ende des 18. Jahrhunderts wegen der Salzsiederei fast völlig abgeholzt war („Orber Reisig“), wurde in bayerischer Zeit (1814 ‑ 1866) vorwiegend mit Nadelholz wieder aufgeforstet. Im Jahre 1861 wurde die Jagd in Orb erstmals verpachtet. Jagdherren waren wohlhabende und einflußreiche Frankfurter Geschäftsleute, die so genannte „Orber Jagdgesellschaft“. Der Orber Stadtwald – Lebensraum unter anderem für Rot‑, Auer‑ und Haselwild ‑ wurde 1906 in der Zeitschrift „Wild und Hund“ als die beste Jagd Süddeutschlands beschrieben. Durch die Errichtung eines Truppenübungsplatzes 1913 und die Unterbrechung des Ersten Weltkrieges wurde der Orber Stadtwald neu strukturiert. Im Jahre 1934 wurde im Orbtal der erste Wildpark mit Damwild eingerichtet, der 1937 an den heutigen Standort verlegt und im Jahre 2002 neu gestaltet wurde. Derzeit besuchen jährlich etwa 35.000 Gäste den Bad Orber „Spessart‑Wildpark“. Dort kann man Rotwild, Damwild, Muffelwild, Sikawild und Wisente beobachten.

 

Wanderung vom Molkenberg zur Güntersmühle und Alteburg:

Vom Molkenberg geht es links die Straße weiter zum Waldrand. Von den drei hinter dem Wildgatter abzweigenden Wegen ist der linke der richtige. Das rote Kreuz taucht später wieder auf. Man verläßt es an der ehemaligen Günters­mühle (westlich der Alteburg), folgen der Zufahrtsstraße in Begleitung des Zeichens „Schmetterling“, dessen Farbe zwischen blau und orange schwankt. Wenn am Waldrand der Falter nach links davonfliegt, schließt man sich rechts der Markierung grüne Tanne auf den aussichtsreichen Weg über dem Biebertal mit seinem Ortsteil Kassel an und trifft schließlich nach Passieren des Füllsenders und der „Mittleren Tannenhütte“ auf den roten Rhombus Nr. 66, der zunächst abwärts ins Hirschbachtal, dann steil bergan in ein Wildschutzgatter weist. Am Zaun entlang wird ein breiter Höhenrücken erreicht, der uns die Sicht über das Kinzigtal zum Vogelsberg ermöglicht. Hinter einer Schutzhütte vorbei geht es hinunter zum Reiterhof Altenburg (westlich Bad Orb), und auf dessen Zufahrtsstraße zurück nach Bad Orb (Spessart, Seite 185).

 

Gipfelsberg:

Zwischen Wartturm und Café folgt man dem befestigten Weg in einem Rechts‑Links‑ Bogen abwärts bis zum vierarmigen Wegweiser am Vorfahrtssträßchen. wo sich das Kreuz wieder einfindet. Im Verbund mit der roten Ziffer 5 geht es gegenüber bergauf. Der Wald rückt heran, beginnt die hügelig aufgelockerten Streuobstwiesen zurückzudrängen. Sobald er sich linksseitig schließt, ist auf einen Zeichen­wechsel zu achten: spitzwinklig links ab, der grünen Ziffer 11 nach in den Forst. Geradeaus, entlang der Flanke eines Steil­hanges über dem Orbtal stellt die 11 die Verbindung her zum nächsten Zahlenlotsen, der ockerfarbenen 15. Sobald die 11 in einer abrupten Drehung steil abwärts zielt, laufen wir aber geradeaus weiter und damit nach wenigen Metern der 15 zu.

Die Markierung ist absolut zuverlässig in dieser einsamen Waldregion, die Wege sind kurortmäßig gepflegt und „federnd“. Weit ausholend muß der schmale Taleinschnitt des Habers­baches (südlich Küppelsmühle) umgegangen werden. Ist die Sohle mit der frühe­ren Habers­mühle erreicht, heißt es wieder aufwärts, dann einige Etagen höher links ab richtungsändernd weiter. Be­quem wird der Gipfelsberg umrundet, noch ein Bogen, dann steuert die 15 abwärts via Orbtal zum Waldrand und Wild­park in diesem Bereich. Durch das Falltor setzt man den Weg jetzt mit Ziffer 8 fort, sicher nicht, ohne sich mit einem „Mohrenkopf“, der Spezialität des Cafés „Waldfriede“ ge­stärkt zu haben.

 

Pfarrküppel und Wildpark:

Mit der 5 geht es zum Naturparkplatz „Friesenheiligen“ ­am 461 Meter hohen Pfarrküppel südlich der Küppelsmühle und über 312 Meter hohen Bocksberg. Ein sonniger Waldweg, der zum Heidelbeerpflücken einlädt, führt zur Bieber­hütte. Hier besteht die Möglichkeit. nach links, auf dem um fünf Kilometer kürzeren Weg mit der 5 nach Bad Orb zurückzu­kehren. Die 5a zieht einen größeren Bogen über die 533 Meter hohe Bieberhöhe südöstlich des Pfarr­küppels und den 541 Meter hohen Horst durch den Bremer Grund zum Wildpark und zum Café Waldfrieden. Ist beim Abstieg das Wald­stück Birkenhof (Holzschild) erreicht, muß darauf geachtet wer­den, daß vor der weißen Jagdhütte die 5a nach links abbiegt (das Zeichen ist schlecht sichtbar auf der Rückseite eines Baumes).

Nach stetigem Abstieg gelangt man oberhalb des Cafés zum Fall­gattereingangstor des Wildparks und wechselt hier zur 8 und 9. Über zwei Dutzend Stück zahmes Damwild bewegen sich frei in ihrem großen Gehege und nehmen zutraulich Futter aus der Hand des Besuchers. Die 8 und die 9 führen am anderen Ende des Wild­parks zum Falltor hinaus und geleiten durch den Orbgrund und den Kurpark zurück zum Bahnhof. Hunde dürfen nicht in den Wildpark. Wer einen Vierbei­ner mit sich führt, geht kurz entlang der Straße, kommt nach dem zweiten Café den Wiesenhang herauf und fädelt sich in den lieblichen Orbtalweg ein, der nahtlos in den Kurpark übergeht. Wer keine notwendige Karte für den Durchgang während der Saison nehmen möchte, geht oberhalb entlang (Wochenende, Seite 127).

 

Madstein und Horst (südlich):

Am Bahnhof Bad Orb nimmt man den Bus Richtung Lett­genbrunn das Orbtal aufwärts bis zur Haltestelle Wildpark. Autofahrer finden oberhalb am Café Waldfriede einen schat­tigen Parkplatz am Waldrand. Es ist auch gleichzeitig die Stelle, wo einen die örtliche Markierung Ziffer 2 erwartet. Sie weist den Parkstreifen entlang und zieht auf breitem bequemen Forst­weg leicht steigend im Hochwald über dem Wiesental der Orb weiter, dabei mit ausholenden Bogen mehr auf Distanz gehend.

Angepeiltes Zwischenziel ist die Orbquelle unten im Wiesengrund. An einer grünen Bank biegt die Ziffer 2 links ab auf einen Pfad, der sich zwischen Bäumen hinunterhangelt. Auf einem Holzsteg über ein Bächlein, die Straße querend, und man ist an der Orbquelle. Ins Sandsteinbecken plätschert sie nicht mehr, unterirdisch gefaßt beginnt die Orb ihren Lauf durch den Kurort und zur Kinzig.

Man setzt den Weg geradeaus mit der neuen Mar­kierung Ziffer 8 fort, unübersehbar am Hinweis „Madstein“ in gleicher Richtung. Und wieder geht es bergan im licht­durchfluteten Buchengrün aus dem Pfaffengrund hoch. Bis nach einem kurzen Stellstück eine Wegespinne erreicht ist, braucht man nach dem Felsengebilde Madstein keine Aus­schau zu halten. Weiter mit der 8 und der hinzugekomme­nen 17 biegen wir scharf rechts ab, vollzieht den großen Wegebogen nach und beginnt dann erst auf den rechts abzweigenden Hinweis „Madstein 7 Min“ zu achten. Es ist ein Abstecher zu einem Basalt‑Pfropfen, genau wie der Beilstein in der Nähe, entstanden durch vulkanische Bewe­gungen im Buntsandsteingebirge des Spessarts, ebenfalls sagenumwoben, hier die Geschichte der des Diebstahl be­zichtigten Mad (= Magd) Vroni, die ihre Unschuld beweist, indem sie an ihrer Richtstätte den riesigen Stein aufheben kann.

Zurück zur 8 geht es auf dem bisherigen Hangweg weiter an einem Naturschutzgebiet entlang des Hohen Berges, fast übersät mit dem selten gewordenen kolbenförmigen weißen Aronstab. Auf der Höhe darüber der aufgelassene und unter Naturschutz gestellte Steinbruch aus Säulenbasalt. Man kommt zur Straße Bad Orb‑Jossgrund. Wer abkürzend jetzt schon den Rückweg antreten möchte, trifft drüben auf den roten Strich, der rechts in den Urlauberweg“ nach Bad Orb weist. Das heißt, wieder im Hochwald über dem Taleinschnitt sein, auf Höhe der Orbquelle vereint mit Ziffer 2 und zurück zum Aus­gangspunkt.

Für die größere Runde geht man nach links die Straße aufwärts und kommt nach wenigen Metern zu dem vielen Urlaubern über Jahre bekannten Ausflugsziel „Jagdhaus Horst“. Die Anlage ist vom Golfclub übernommen. Im früheren Gästehaus ist Einkehr möglich, auch Nicht‑Golfer sind jederzeit willkommen (Montag Ruhetag).

Ohne Markierung geht man die Straße weiter, biegt rechts ab und erreicht gegenüber der Abzweigung Lettgenbrunn am ersten Haus von Villbach die Markierung roter Diagonalstrich, der mitten durch den Golfplatz führt. Das Golfhotel ist das Jagdhaus Horst an der Landstraße. Es geht weiter im hohem Fichtenwald, bis man an einer Kreuzung auf die Ziffer 4 stößt, die jetzt die Führung nach rechts zum Horst übernimmt, mit 541 Metern der höchste Berg im hessischen Spessart. Keine Aussicht bietet sein Scheitelpunkt, er ist nur an zwei Funkmasten erkennbar. An dieser Stelle biegt die 4 links ab. Man läuft in bisheriger Richtung ohne Zeichen geradeaus abwärts, teilweise steil den Horstberg wieder hinunter, bis man auf die Ziffern 17 und 8 stößt. Ihnen schließt man sich auf dem Querweg nach links an. Bei Teilung der Zeichen bleibt die 8 maßgeblich, die in weitem Bogen zum Parkplatz und zur Bushaltestelle zurückbringt (Frankfurt II, Seite 173).

 

Bad Orb - Lettgenbrunn:

Die Wanderung vom Wildpark aus geht durch Fichtenforst. Je höher man kommt, desto mehr nehmen vereinzelt ste­hende Eichen und Kiefern zu. Auf dem Kamm wandert man sogar durch reine Streifen von Eichenwald. An den Stellen, an denen der Hang aufgerissen ist, tritt der rötli­che Sandstein zutage, den man auch an den historischen Bauwerken von Bad Orb wiederfindet. Langsam aber si­cher nähert man sich dann dem Höhepunkt der Wande­rung, dem Beilstein. Durch den anstehenden Buntsand­stein ist Lava durchgebrochen und erstarrte zu Basalt­säulen. Diese sieht man unterhalb des Gipfels, wo sie zu mächtigen Wänden „geschichtet” scheinen. Aus der Mit­te dieses Naturschutzgebietes ragt der Beilstein heraus und bietet einen schönen Blick über Lettgenbrunn hinweg weit in den Spessart hinein. Auch der schönste Wegabschnitt über erdige Pfade und Wege führt um den Beilstein herum. Nach Lettgenbrunn folgen dann Waldab­schnitte, in denen sich zwischen den vorherrschenden Fichten vereinzelt Birken mischen. Eine weitere „komi­sche” Baumkombination für ein deutsches Mittelgebirge findet sich abschließend im Tal der sich windenden Orb. Auf einer kleinen Waldparzelle stehen dicke Kiefern wie­derum neben Birken. Ein wirklich ungewöhnlicher Anblick im idyllischen Orbtal (Spessart, 229).

 

Autal bei Bad Orb: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 132.

 

 

 

 

Jossatal

 

Kulturweg „Perlen der Jossa“ (25 Kilometer).

Auf einer Länge von etwa 25 Kilometern reihen sich die Dörfer des Jossgrundes wie Perlen an einer Kette aneinander. Deshalb und wegen der hier früher in großen Mengen vorkommenden Flußsperlmuschel trägt der Kulturweg den Namen „Perlen der Jossa“. Ein früher selbstverständlicher Bewohner der Jossa und anderer Spessartbäche war die Flußperlmuschel. Sie kann ein Alter von über 100 Jahren erreichen. Im Spessart wurden seit dem 17. Jahrhundert mehrere Versuche unternommen, die Flußperlmuschel auszubeuten (um 1680 an der Jossa), doch erwiesen sich die Perlen als „ganz schlimm und schepp“. Mit der voranschreitenden Industrialisierung und der nachlassenden Nutzung der Wiesentaler verlor die Flußperlmuschel ihren Lebensraum und gilt als beinahe ausgestorben.

Die Geschichten, die dieses Tal erzählt, umfassen alle Facetten und Zeitalter der Kulturlandschaft: Von der sagenumwobenen Burgruine sowie einem ehemaligen Truppenübungsplatz nahe der Quelle der Jossa über ein altes Wirtshaus, einen verschwundenen Eisenhammer, das Getränk „Klickerwasser“ und ein historisches Wasserwerk bis zur letzten traditionell arbeitenden Spessart‑Töpferei und den Schachblumenwiesen im Sinngrund. Der Besucher staunt nach einer Reise durch den Jossgrund über die ‑ beinahe vergessene ‑ Vielfalt unserer Heimat.

 

Wässerwiesen:

Es gibt einen Rundweg „Die Wässerwie­sen im Spessart“. Auf der Sinnwiese kann man auch die frühere Wasserwirtschaft an der Jossa studieren: Wiesenfähiges Land gab es in den Talsohlen der Spessartbäche flächenmäßig nicht viel. Vom Gras‑ und Heu-Ertrag aber hing das Wohlergehen der Landbevölkerung ab. Da dieses Land jedoch bei einfacher Bewässerung zur Verdichtung neigt, mußte eine Lösung gefunden werden. Da hatte Bauer Künstler aus Fellen eine gute Idee, die bald auch im Jossatal nachgeahmt wurde: Er entwickelte die „Rückenwiese“. Das Wasser aus den Bächen und Quellen an den Hangfüßen wurde durch massive Bewässerungswehre angestaut und durch Hauptzuleiter zu den zu bewässernden Parzellen geführt. Von diesen aus regulierte man mit Schiebern vor den abzweigenden Verteilern den Wasserfluß außerhalb der einzelnen Parzellen. Zwischen je zwei Verteilern befindet sich ein Ableiter, der überschüssiges Wasser wieder dem Bach oder, je nach Lage, das Wasser einer tieferen Wiese zuführt. Die Wiesen wurden niemals künstlich gedüngt, da genug Mineralstoffe im Bachwasser gelöst waren.

Die Anlage der Wiesenrücken ‑ eine beachtliche körperliche Leistung ‑ der Gräben, der Wehre und deren Unterhaltung war Angelegenheit jedes einzelnen. Wahrscheinlich hat man sich, wie es in Dörfern üblich ist, gegenseitig geholfen. Die Arbeiten im Jahresablauf gestalteten sich folgendermaßen: Im Herbst öffnete der Wieseneigentümer in Handarbeit mit dem Wiesenbeil die zugewachsenen und zugeschlämmten Gräben und löste den Aushub mit einer Blatthacke. Der Aushub wurde gleichmäßig auf dem Rücken verteilt. Die im Herbst einsetzende Bewässerung sorgte für ein ausgeglichenes Kleinklima, deshalb wuchs das Gras im zeitigen Frühjahr viel früher als normal. Die Bewässerung ermöglichte normalerweise eine dreimalige Mahd im Jahr, die mit der Sense vorgenommen werden mußte. Wenn ein gleichmäßig temperiertes Quellwasser auf kurzem Wege den Bewässerungsgraben zugeleitet werden konnte, dann gaben die Wiesen auch mehr als drei Schnitte her. Im Sommer wurde nicht permanent gewässert, da die Tagesbewässerung bei starker Sonnenstrahlung dem Gras nicht gut bekam (Kinzig, Seite 94).

Solche Wiesen gibt es heute noch  am Sahlensee bei Mernes, Kirschwiesen bei Marjoß, Müsbrücke und Rückesteg, am Westernbach, Westerngrund von Neuengronau und Breunings, die großen Wiesen von Mottgers und die Struth von Altengronau (siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-.Kinzig-Kreis und Hanau, Seite 25).

 

Wacholder (in Burgjoß und Mernes):

Der Wacholder gehört zur Familie der Zy­pressengewächse, die auf der Nordhalbku­gel mit 60 Arten vertreten ist. Er wird in der Regel nur einen bis vier Meter hoch, kann aber in Ausnahmefällen allerdings auch bis in eine Höhe von zwölf Meter wachsen. Die Wuchsform ist unterschied­lich: Sie muß nicht nur die auffällige säu­lenartige Form erreichen, es gibt auch nie­derliegende Sträucher.

Der immergrüne Nadelbaum ist in der Regel „zweihäusig“, das heißt, männliche und weibliche Blü­ten befinden sich auf zwei Bäumen. Nur selten gibt es auch einhäusige Exemplare. Die Beerenreife benötigt zwei bis drei Jah­re. Die darin enthaltenen dreikantigen braunen Samen werden mit ihrer fleischi­gen Hülle von etlichen Tieren gefressen ‑ und damit verbreitet. Die Wacholderdrossel gehört dazu, auch das Birkhuhn, das auch in den Bäumen Deckung findet.

Der Wacholder ist in Asien, Europa und Nordafrika weit verbreitet. Als anspruchsloses, hitze‑ und kälteresistentes, aber lichtbedürftiges Gewächs verkümmert er im Wald. Arme Sandböden (wie im Spessart) oder flache Kalkböden (wie im Altmühltal), aber auch Moorböden, Feldformationen, sogar lichte Kiefernwälder können seine Heimat sein. Von der Ebene bis ins Gebirge (bis 1600 Meter) kommt der Wacholder vor. In Sage, Brauchtum und in der Volks­heilkunde spielt das Nadelgewächs eine Rolle, er gilt sowohl als Toten‑ wie als Le­bensbaum. Schon seit früher Menschheits­geschichte wurden seine Inhaltsstoffe et­wa zur Förderung des Appetits und als Einreibemittel bei Ischias und Hexenschuß benutzt.

Das Holz ist weich, aber zäh. Es enthält kein Harz, aber ihm entströmt dieser typische kampferartige Geruch. Pfeifen, Spazierstö­cke, sogar Schuhe oder Geschirr haben die Altvorderen aus dem hellgelben bis rötlich­-weißen Holz mit dem manchmal blauvio­letten Kern geschnitzt, und bis heute gilt Wacholder‑Geräuchertes als Delikatesse. Aus der Landschaft aber - zumindest in den Sandsteinlagen etwa des Spessarts - sind diese einst landschaftsprägenden Zeu­gen der alten bäuerlichen Kultur fast voll­ständig verdrängt worden.

Manche Wacholder‑Heide wurde ein­fach untergepflügt, andere verschwanden unter Weihnachtsbaumkulturen, wieder andere wurden aufgeforstet mit monotonen Fichtenreihen: So geschehen zum Beispiel bei Burgjoß am Rande der drei für den Nordspessart noch verbliebenen kümmer­lichen Reste einer einst häufigen Vegeta­tionsform. Der Wacholder hat zusammen mit Zwergstrauchheiden als wichtiger Begleitart einst das Landschafts­bild in den Tallagen und Hängen der Spes­sartdörfer dominiert.

Entstanden durch Schafbeweidung - die Tiere meiden die stechenden Nadeln - ist heute von diesen Landschaften wenig üb­rig. Bei Burgjoß sind es gerade zwei Flä­chen: ein Hektar die eine, die andere gerade noch ei­nen Viertel Hektar groß. Eine dritte Fläche befindet sich auf dem „Sta­cken“ bei Mernes, und selbst im südlichen Spessart finden sich diese Zeugen frühe­rer Landbewirtschaftungsmethoden nur noch an der Mainschlinge.

Bis in eine Entfernung von Tages­marschlänge der Hirten waren die mit Wacholder bestandenen Heiden rund um die Dörfer verbreitet. Wo diese Flächen später nicht unter den Pflug ka­men, wurden die meist mageren Standor­te aufgeforstet ‑ oder der Wald bemächtig­te sich allein dieser Areale. Denn immer dann, wenn die Beweidung mit Schafen stoppt, keimt neuer Wald und verdrängt die maximal zwölf Meter hohen, in der Re­gel aber viel kleineren Nadelgehölze rela­tiv rasch. Es gibt küm­mernde Wacholder in Wäldern des Spes­sarts ‑ es sind Zeugen, daß diese Gehölze früher viel stärker verbreitet waren.

Heute finden sich die meisten Heideres­te des Spessarts, dann allerdings ohne Wa­cholder, an Orten, die dafür zunächst gar nicht prädestiniert scheinen: an Straßen­rändern. Dort werden sie manchmal ge­mäht, aber doch nicht vernichtet. Der Stra­ßenrand: ein modernes Rückzugsgebiet?

Die Biologen unterscheiden zwei Typen der Wacholder‑Vorkommen: jenen Typ auf kalkhaltigen Böden, wie er zum Beispiel für das Altmühltal, für die Rhön oder auch für einige Orte im oberen Kinzigtal bekannt ist. Und jenen auf dem sauren Sandstein. Im Spessart gibt es nur die Sandstein‑Ausprägung, und deren biologischer Reichtum ist weit weniger augenfällig. Während in den basenreichen Gebieten des Kalks Orchideen in Hülle und Fülle vorkommen, muß selbst der Biologe in den Sandstein‑Gebieten genauer hinschau­en, um die Raritäten zu entdecken.

Doch die sind vorhanden: So kommt im Jossgrund mit der „Ästigen Mondraute“ ei­ne kleine Farnpflanze vor, die es nirgends sonst in Hessen gibt. Das gilt auch für den „Zierlichen Augentrost“, der hessenweit ebenfalls nur dort vorkommt. Auch die in­zwischen seltene Kreuzotter - die im Spes­sart allerdings einen Verbreitungsschwer­punkt hat - bevorzugt lichte Wälder und da­mit auch Heideflächen. Und wer Glück hat, beobachtet einen Feuerfalter.

Wacholder‑Heiden sind in Deutschland bereits seit Mitte der dreißiger Jahre als Biotop unter Naturschutz gestellt, und sie gehören europaweit zu den vorrangig zu schützenden Lebensräumen, für die nach der Fauna‑Flora‑Habitate‑Richtlinie der Europäischen Union Schutzareale ausge­wiesen werden müssen.

Wie die Vergangenheit gezeigt hat, reicht das indes nicht aus. Aktive Hilfe wird benötigt. Ei­nen Anfang hatte das ört­liche Forstamt im Jossgrund gemacht, indem es die Flächen ent­buschen ließ. Inzwi­schen konnte auch ein Schäfer gewonnen werden, der die Heiden bewei­det und so verhindert, daß der Wald wie­der Oberhand gewinnt. Dieser Landwirt arbeitet jedoch nicht als Wanderschäfer, weshalb die Gebiete eingezäunt werden mußten. Die Landwirtschaftliche Renten­bank hat den Zaun und auch die wissenschaftliche Studie, die das Projekt begleitet, mit 25.000 Euro gesponsert. Schafmaul und Schaftritt sollen durch ih­re Auslese für den charakteristischen Pflanzenbewuchs sorgen.

Vor Ort weisen nun zwei Informationsta­feln auf die Relikte hin, die man bei der Sencken­bergischen Forschungsstation als „Zeitzeugen“ betrachtet, die zum natur­räumlichen Charakter und zur kulturhistorischen Identität einer Region beitragen können. Der Leiter der Forschungs­­station sieht in dem Projekt einen Beitrag für einen Versuch, um Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus zu einen.                  

Für Spaziergänger ist das Projekt leicht zu finden: Es wurde ein Rundwanderweg mit Infotafeln eingerichtet, der in Burgjoß im Burgwiesenpark beginnt. Doch mittlerweile tauchen neue Probleme auf. Die Wacholder im Jossgrund, die eigent­lich gerettet schienen, haben Vermehrungsprobleme. Obwohl die Keimbedin­gungen gut seien, kommt keine Verjüngung zustande. Die Gründe sind bislang unbekannt. Inzwischen haben die Forscher die Staatsdarre in Hanau‑ Wolfgang eingeschaltet und dort Beeren zur künstlichen Vermehrung abgeliefert. Auch das gehört zum Rettungsversuch.

 

 

Jossgrund

Etwa 3850 Einwohner leben in der Gemeinde Jossgrund, bestehend aus den staatlich anerkannten Erholungsorten Burgjoß, Oberndorf und Pfaffenhausen sowie Lettgenbrunn. Gut markierte Fern- und Nahwanderwege, Parkanlagen, die größte Kneippanlage Deutschlands und das Sportangebot wie 18-Loch-Golfanlage, Minigolf, Tennis, Radfahren, Kegeln. Abfahrtski und Skilanglauf machen Jossgrund zu einem beliebten Ferienort, der im Naturpark Spessart sanften Tourismus bietet. Stolz sind wir auf unsere vier großzügigen durch Eigeninitiative der Bürger entstandenen Kinderspielplätze „Kinder im Dorf“, „Tabaluga“, „Villa Kunterbunt“ und „Jossa-Quelle“.

 

  850 

Erste Erwähnung in den Akten des Klosters Fulda als  „Jazaha“ (Burgjoß)

1059

Erste Erwähnung von Pfaffenhausen und Beilstein: Der Wildbann in der Urkunde  des Kaisers Heinrichs IV.

1160

Die Herren von Jazaha, Lehnsherrn in Burgjoß (bis 1313/57)

1167

Basilika ‑ Älteste Kirche in Jazaha: St. Martin in Oberndorf

1313

Erste Erwähnung von Lettgenbrunn: Brauneck verkauft an Mainz

1313

Verkauf von Yaza an die Herrn Apel von Küchenmeister / Schwarzenfels

1404

Erste Erwähnung von Oberndorf als „Aberndorf“

1481

Auflösung des „Gerichts uff der Joß“ durch Frowin von Hutten

1522

Verwüstung des Jossgrundes durch Hanauer Soldaten

1525

Unterdrückung des bäuerlichen Aufruhrs durch Hanau und Hessen

1540

Erwerb des Jossgrundes durch Kurfürst Albrecht von Mainz

1559 

Huldigung an den Kurfürsten im Schloß Burgjoß

1573

Umbau der Burg in ein Schloß: Daniel von Brendel

1634

Pestzeit im Jossgrund: Patrone Sebastian, Rochus Wendelin

1650 

Neubesiedelung von Lettgenbrunn / Villbach, Amt Orb

1658 

Neuerrichtung der Kirche in Oberndorf und der Pfarrei durch Johann Philipp von Schönborn aus Mainz

1712 

Neuaufbau der Kirche in Pfaffenhausen (bis 1715)

1713

Renovierung der Kirche St. Jakob in Lettgenbrunn  (Altar aus der Riemenschneider‑Schule Würzburg)

1718

Erweiterung der Kirche (das Langhaus) in Oberndorf

1723

Erster Lehrer: Deckert in Pfaffenhausen

1725

Großbrand in Pfaffenhausen (zu 90 Prozent vernichtet, auch die neue Kirche)

1803

Reichsdeputationshauptschluß: Der Joss­grund kommt zum Fürstentum Aschaffenburg des Erzbischofs Karl Theodor von Dalberg

1810

Napoleon errichtet das Großherzogtum Frankfurt, mit Einschluß des Jossgrundes

1814

Der Jossgrund wird mit dem Amt Orb bayeri­sches Land, zunächst Amt Aura

1822

Erstes Schulhaus in Pfaffenhausen auf dem Kirchplatz (bis 1823)

1846

Erste Verhandlung, betreffs Gemeindewald zwischen Bayern und Kurhessen,

weil Lohr­haupten schon kurhessisch ist

1851

Ratifizierung des Vertrages Gemeindewald: König von Bayern / Landgraf von Hessen

1867

Der Jossgrund wird preußisch mit dem Amt Orb, außer Deutelbach;

 kirchlich Wechsel der Diözese von Würzburg nach Fulda

1891

 Abriß des Chores, Sakristei und Querschiff . Am 29. September wurde dieser neue Teil der Kirche von Bischof  Joseph Weyland aus Fulda eingeweiht

1903

Die Feuerwehr wird in Pfaffenhausen gegründet

1904

Errichtung des neuromanischen Turmes in Oberndorf

1909

Neubau einer Schule in Oberndorf

1912

Aussiedlung der Dörfer Lettgenbrunn / Vill­bach für Truppenübungsplatz Weg­­schei­de. Kleinbahn von der Wegscheide bis Lettgenbrunn und Minenwerfergrund. Auch von der Pfaffenhäuser Gemarkung kommt ein Fünftel zum Truppenübungsplatz

1912

Erstes elektrisches Licht in Oberndorf (bis 1913)

1919

Neubesiedelung Lettgenbrunns zum zwei­ten Mal durch ehemalige Anwohner,  Kriegs­versehrte und Elsaß‑Lothringer Fabrikarbei­ter

1920

Bau der Herz‑Jesu‑Kirche in Pfaffenhausen (viel Eigenleistung der Einwohner).  Einweihung: 20.10.1921

1920

Elektrisches Licht in Pfaffenhausen durch das E‑Werk von Gelnhausen (bis 1921)

1932

Wasserleitung in Pfaffenhausen (bis 1933)

1936

Wasserleitung in Oberndorf von der Breiten­bach aus

1938 

Beginn eines neuen Schulgebäudes: Bau auf der Sandkaute Oberndorf

1945

Der Jossgrund kommt zu Hessen, Regie­rungsbezirk Kassel, dann zu Wiesbaden, schließlich zu Darmstadt

1947

Beginn der dritten Neubesiedelung von Lett­genbrunn / Villbach

1969

Einweihung der Kirche in Burgjoß durch Bischof Bolte

1971

Zusammenschluß der Gemeinde Jossatal mit den Ortsteilen Oberndorf,

Burgjoß und Pfaffenhausen am 31. Dezember.

1974

Die Gemeinde Jossgrund entsteht durch Zusammenschluß der Gemeinde Jossatal und Lettgenbrunn  am 1. Juli

1976

Das Wappen für die Gemeinde Jossgrund: Mainzer  Rad und Schwarzspecht,

vier Eichblät­ter für die vier Ortsteile

 

 

Oberndorf

Während das benachbarte Burgjoß mit seiner Burg der weltliche Mittelpunkt des Jossatals war, lag in Oberndorf mit der Kirche das geistliche Zentrum. Die Ersterwähnung einer Kirche im Jossgrund im Jahr 1167 („basilica in Jazaha“) spricht nicht von Oberndorf, es wird jedoch angenommen, daß die Kirche, die für die benachbarten Dörfer zuständig war, gemeint ist. Im Jahre 1444 wird die Oberndorfer Kirche erstmals beim Namen genannt.

Die Kiliansglocke in der katholische Kirche „St. Martinus aus dem Jahre 1459 deutet darauf hin, daß in der Gemeinde bereits früher eine Kirche vorhanden war, die im Dreißigjährigen Krieg zerstört und danach wieder notdürftig aufgebaut wurde. Im Jahre 1718 wurde das Langhaus vergrößert und 1891/92 der neuromanische Teil des Gotteshauses erbaut. Auch 1952 /  1953 wurde das Langhaus nach beiden Seiten und zum Friedhof hin erweitert. Im Jahre 1977 erfolgte die Innen­renovierung.

Die Kirche ist aus rötlichem Spessartsandstein erbaut und hat im Grund­riß eine Kreuzform. Der neuromanische Teil ist weiß verputzt, ebenso der größte Teil des Turmes. Er ist bis zum Turmknopf 43 Meter hoch und bekam bei der Außenrenovierung im Jahre 1967 ein Kupferdach. Eine besondere Zierde ist die Turmuhr in den Farben schwarz, rot, gold.

Die Fenster im Chorraum und Querschiff wurden 1892 geliefert und stellen in der Apsis den Hl. Martin als Kirchenpatron, daneben Rochus und Sebastian dar. Über dem Südportal sieht  man die „Unbefleckte Empfängnis“, über dem Nordportal den Hl. Wendelinus. Die Fenster im Längsschiff stammen aus den Jahren 1952 / 1953. Der Altartisch aus dem Jahre 1977 besteht aus Michelnauer Tuff. Die zwölf Apostel wurden im Jahre 1978 von Franz Katzenberger (Burgjoß) gemalt.

Die Kreuzigungsgruppe stammt aus der Werkstatt des Bildhauers Richter (Bad Kissin­gen). Sie ist eine Kopie von Werken Tilman Riemenschneiders. Weitere Figuren in dem Gotteshaus sind Moses / Isaias, der auferstandene Christus (links vom Altar in der Nische), die barocke Strahlenkranzmadonna (rechts vom Altar in der Nische) und  der Hl. Josef (rechts am Pfeiler).

Die Hl. Anna (von 1930) (links am Pfeiler) stammt vom Bildhauer Fleck (Fulda) und ist eine Kopie nach Riemenschneider.

Die Gruppe an der Südwand zeigt  den Hl. Sebastian, Hl. Stephanus, Hl. Josef (Barock).  Über der Gruppe ist das Bild des Hl. Martinus. Die Gruppe an der Nordwand zeigt ein altes Marienbild „Geburt Jesu“, St. Martinus, Jesusknabe. An der hinteren Wand (Ausgang) sind zu sehe n St. Wendelinus, St. Franziskus (1928, Brüder Fleck, Fulda). Über dem Beichtstuhl befindet sich ein Bild von der Heimkehr des verlorenen Sohnes. Ein alter Kreuzweg ergänzt die Ausstattung der Kirche.

 

Burgjoß

Die Talburg Burgjoß bildet den weltlichen Mittelpunkt des Tals der Jossa, das von der Abtei Fulda aus erschlossen wurde. Burgjoß wurde im Jahre 850 erstmals im Güterver­zeichnis des Fuldaer Klosters erwähnt. Es wurde zu einem Viertel von den Herren von Ysenburg und zu drei Vierteln von den Fürstäbten zu Fulda erbaut. Mit dem Ort sind aber auch die Geschlechter der Herren von Jossa, von Hanau, von Thüngen, von Jülich und von Hutten verbunden.

Die hier ab 1157 (andere Angabe 1176) erscheinenden Herren von Jossa dürften die Burg gegründet haben, deren Besitzer mehrmals wechselten. Die Herren von Hutten vereinigten beide Teile des Ortes und besaßen ihn bis  1450.  Im Jahre 1541 wurde die Burg kurmainzisch. Im 19. Jahrhundert mußten sich die Einwohner alle paar Jahre an neue Besit­zer gewöhnen. Von 1803 bis 1810 gehörte die Gemeinde zum Fürstentum Aschaffen­burg, ehe das Groß­herzogtum Frankfurt bis 1814 das Sagen hatte. Danach wurde der Ort -  wie das ganze Gebiet um Orb - bayerisch und kam schließlich nach dem Krieg von 1866 zu Preußen.

 

Am Eingang des Ortes von Bad Orb aus sieht man rechts ein schönes Fachwerkhaus mit einem Weinstock (und einer Hinweistafel des NABU). Vor der Kurve  ist auf einem Parkstreifen die Möglichkeit, das Auto abzustellen. Rechts geht ein Fußweg zur Park- und Kneippanlage. Ein kleines Bächlein durchzieht den anschließenden Park und speist die kleine Kneippanlage. Auch im Sommer bleibt das Wasser eisekalt. Zum Park ge­hört ein Freilandschach. Ein Spielplatz mit Halfpipe schließt sich an. Die Dörfler vertrauen ihren Gästen so sehr, daß es für die kleine Minigolfanlage im Burgpark noch nicht einmal einen Kas­sierer gibt. Schläger, Bälle und Punkteta­bellen sind frei zugänglich und lediglich vor den Unbilden des Wetters geschützt, dazu eine Kasse und die schriftliche Auf­forderung: „Bitte erst zahlen, dann spie­len.“

 

Die ehema­lige Wasserburg ist der Namensgeber des früheren Gerichtsortes ist. Der mit Was­ser gefüllte Burggraben ist allerdings nur noch hinter der Burg zu ahnen. Aus der Zeit um 850 stammt wahrscheinlich auch die hölzerne Urversion des Schlos­ses. Die ältesten Teile der 12. Jahrhundert von den Herren von Jazaha (Jossa) errichteten Wasserburg lassen eine roma­nische Anlage erkennen. Die Mainzer Geistlichkeit brachte 1541 die Burg durch Kauf in ihren Besitz. Damals begann der Um­bau der Burg unter Da­niel Brendel von Homburg, Kurfürst von Mainz. Der Umbau konnte 1573 abgeschlossen werden. Vor allem entstand ein dreistöckiges Herrenhaus mit hohem Giebel, bei dem der bisherige Turm aufgestockt wurde. Im 18. Jahrhundert bauten die Besitzer in der Burg eine Kapelle ein, die bis 1815 bestand. Eine Besichtigung der Räume ist nicht möglich.

An die Kurmainzer erinnert das Mainzer Rad auf dem hölzernen Tor neben den Insignien des Landes Hessen und das über der Eingangstür in den Sandstein gehauene Wappen mit dem typischen Rad, Kreuz, Schwert und Bischofsstab. Das sechsspeichige Mainzer Rad wird von den meisten Chroniken zusammengebracht mit Erzbischof Willigis, der von Kaiser Otto II. im Jahre 975 auf den bischöflichen Stuhl berufen worden war. Als eines Wagners Sohn kam der gelehrte Mann zu höchsten Ämtern und Würden. Es heißt, daß er nie einen Hehl aus seiner Herkunft gemacht habe, sie im Gegenteil durch das Aufhängen von Wagenrädern im bischöfliche Oratorium dokumentiert und mit den Worten unterstrichen habe: „Willigis, Willigis, gedenke, woher du kommen bist!“ Neuere Wappenforschung will die alte Auslegung allerdings nicht mehr anerkennen, bestenfalls das Körnchen Wahrheit, das ja in jeder Legende steckt.

Anfang  des 19.Jahrhundertsgelangte die Burg in den Besitz Kurhessens und war seitdem Sitz der Oberförsterei. Schon zu bayerischen Zeiten wurde die Burg als Forstdienststelle für das königliche Forstrevier Burgjoß be­nutzt. Seit 1875 war sie Sitz eines preußischen Forstamtes. Dieses Amt ging 1945 an das Land Hessen Am 1. Januar 1976 erhielt das Forstamt den Namen des Tales und der neuen Gemeine Jossgrund. Eine Besonderheit ist das hier zeitweise abgefüllte „Klickerwasser“.

Um die massige Burg und ihre Bewoh­ner ranken sich Erzählungen und Sagen. Die bekannteste Geschichte ist wohl die eine­s Bauernsohns, der sich in das Ritter­fräulein verliebt hatte und ihr eine Halskette von Muscheln aus der Jossa zum Ge­schenk machen wollte, um sie für ihn günstig ­zu stimmen. Er hatte schon eine Reihe von prächtigen Muscheln gesammelt. Aber es fehlte noch eine, die von allen die schönste sein sollte. Nun ist die Jossa ein schnell fließender Bach, weshalb sie früher „Jazaha“ (die Jagende) genannt wurde. Gerade da, wo der Jüngling eben jene Mu­schel entdeckte, die das Geschmeide vol­lenden sollte, befand sich ein reißender Strudel, und als der Verliebte dennoch hi­neinsprang, wurde er von der Strömung weggerissen und ertrank. Das traurige Ende: Die Maid erhielt die Halskette und zugleich auch die Nachricht von der heimlichen Liebe des jungen Mannes. Nur ein Jahr trug sie den Schmuck, dann kränkelte sie und starb bald darauf.

Tatsächlich waren in der Jossa früher Perlmuscheln zu finden. So belegt eine Ge­richtsakte aus dem 17. Jahrhundert, daß dem kurmainzischen Kellermeister das Recht zustand, Fische und Muscheln aus der Jossa zu fangen. Er hatte auch dafür zu sorgen, daß das Leben im Bach gedieh. Der Kellermeister hatte wiederum seinem Schreiber das Fischereirecht anvertraut. Der allerdings lieferte die zuweilen in den Muscheln gefundene Perlen nicht ab, son­dern ließ daraus eine Halskette für seine Frau anfertigen. Als die den Schmuck in ihrer Eitelkeit beim nächsten Schloßfest zur Schau trug, wurde der Betrug ruchbar. Der Schreiber verlor seine Stellung, die Kette wurde konfisziert.

Einen regelrechten Muschelrausch gab es im Jossgrund im Jahr 1680. Große run­de Perlen wurden allerdings nur wenige gefunden, die meisten seien ganz schlimm und „schepp“ gewesen, berichtet ein Chronist. Gleichwohl wurde im Okto­ber jenes Jahres verfügt, daß der Fische­rei‑Pächter jede aufgefundene Muschel beim Landesherrn abzuliefern hätte. Im anderen Fall drohten hohe Strafen.

 

Die katholische Pfarrkirche „Zu Ehren des kostbaren Blutes“ (westlich der Burg im Kapellenweg) will sich so gar nicht einfügen in das ansonsten recht harmonische Ortsbild. Sie ist ein typischer Sichtbe­tonklotz von 1968 - 1969. Im­mer hatten die Burgjoßer Gläubigen ins be­nachbarte Oberndorf laufen müssen, wenn sie ihrer Sonntagspflicht nachkom­men wollten. Daher wurde schon kurz nach dem Zweiten Welt­krieg ein Kirchen­bau‑Verein gegründet, um endlich ein eige­nes Gotteshaus zu realisieren.

So klobig‑nüchtern der Bau von außen wirkt, ein Blick ins Innere lohnt sich gleichwohl. Hier wirken die hochaufragen­den verklinkerten Mauern beinahe fili­gran. Zum Baustil paßt die Ausstattung aus gegossenen Kunststeinen und Metall­plastiken. Daneben ging in diesem Ensem­ble dann allerdings die gute Absicht, die neue Orgel mit einem barocken Gehäuse einzufassen. Der Name der Kirche leitet sich übri­gens vom nordbadischen Wallfahrtsort Walldürn ab. Dort wird das heilige Blut Je­su. verehrt, das sich auf einem Korporale (Tuchunterlage für Hostie und Kelch in der Messe) abgebildet haben soll. Einmal im Jahr pilgern die Gläubigen aus Burgjoß zu Fuß dorthin, „beim frühen Morgen­licht“ durch den Spessart, wie es im Wall­fahrtslied heißt ‑ die Seele auftanken.

 

Bei der Ausfahrt aus dem Ort auf der Seestraße sieht man rechts die Gaststätte „Fuchsbau“. Lorenz Fahls hat das herrschaftliche Haus 1844 erbaut (Inschrift über der ehemaligen Freitreppe). Es fungierte zunächst als Gasthaus („Zur Brezel“). Seit 1851 diente es außerdem als Postamt, ferner als Sta­tion zum Pferdewechsel. Das sehr schön gearbeitete Wirtshausschild mit der Kutsche weist noch auf diese Tradition. Später war das Gebäude ein  Forsthaus. An beiden Giebeln sind noch heute Heiligenfiguren zu sehen. . Am Haus stand an einem dunklen Eichenbalken­ der Sinnspruch: „Wer da bauet an den Straßen, muß die Leute reden lassen.“

 

Die Pension „Wirtshaus im Spessart“ in Burgjoß bietet in sei­nem Kurzurlaub‑Arrangement ein „Spess­arträuber‑Examen“ an, das mit einer mehrstündigen Wanderung beginnt. Zur Stärkung gibt es anschließend Erbsenein­topf, ehe die Teilnehmer sich dem prakti­schen Teil zu unterwerfen haben: Holzsä­gen, Holzstapeln, Saufederwerfen (die Sau­feder ist eine Art Spieß, mit dem früher Schwarzwild gejagt wurde), Holzscheiben­rollen, nicht zu vergessen das Räubertrin­ken und schließlich das Schleuderschie­ßen. Für die besten gibt es neben dem Spaß beim Mitmachen ein Räuber‑Di­plom.

 

Mernes (zu Steinau gehörend)

Der 1267 erstmals erwähnte Ort Mernes und seine Umgebung sind bereits in viel früherer Zeit bewirtschaftet worden. Als „Stegun“ ist der gegenüberliegende Berg „Stacken“ (465 Meter) in einer Grenzbeschreibung 1059 namentlich erwähnt. An der Straße nach Salmünster steht rechts ein Brunnen mit der Wiedergabe der Ersterwähnungsurkunde: 1267. Mitglieder des Burggerichts Gelnhausen geben allgemein bekannt, daß die Söhne des Rudolf, genannt von Mernolfe, und Miterben verzichten auf ihre Ansprüche an Gütern zu Neuses, die Wolfram von Neuses, Bürger zu Gelnhausen, dem Kloster zu Meerholz auf immer übertragen hatte. Im Namen des Königs siegelten Reinhard de Jazaha (Jossa) und die civitatis (?) Gelnhausen. Zeugen waren Propst Wiegand von Selbold, Procuator Rudiger von Meerholz, Hermanus Buszechin, scutetus von Gelnh., Cunradus de Gundsrot, Cunradus Sleichdon, Orto de Mernolfes, Theodor Faulhaber, alle Ritter (und andere mehr).

Ein Stück weiter hinter der Jossabrücke liegt links die Gaststätte „Zum Jossatal“ mit dem schönen, auf einer Halbinsel gelegenen Biergarten.

Die katholische Kirche „St. Peter“ geht zurück auf eine erste Kapelle, die wahrscheinlich nach 1350 erbaut wurde. Die spätere Kirche 1660 / 1671 auf älteren Resten erbaut. Über dem Portal der Kirche befindet sich ein aus dem Jahre 1660 stammendes Mainzer Wappen. Nach einem Spendenaufruf eines Merneser Bürgers kam es zu einer Sammlung unter ehemaligen Mernesern in den USA und ab 1933 wurde die Kirche in der Nordsüdachse erweitert: Die mittlere Tür ist der alte Eingang, gegenüber liegt der Chor der alten Kirche. Diese Kirche wurde nach beiden Seiten erweitert (Grundstein an der Nordseite) und die Kirche um 90 Grad gedreht. Im Jahre 1964 wurde das Gotteshaus innen und im Jahre 1965 außen renoviert.

Das Gotteshaus ist einschiffig, besitzt eine Kassettendecke und spitze Fenster. Zur Ausstattung der Kirche gehört der Hochaltar mit Kruzifixus. Bei den Ar­beiten 1965 entdeckte man, daß der im Jahre 1935 von der aufgelösten Kirchengemeinde Lettgenbrunn gelieferte Altar wahrscheinlich aus der Schule Riemenschneiders stammt.  Unter beiden Armen des Kruzifixus sieht man oben je ein Engel mit Kelch zum Auffangen des heiligen Blutes, darunter Maria und Johannes unter dem Kreuz. Als Nebenfiguren aus der alten Kirche sieht man rechts Wendelinus und links Petrus. Der Marienaltar nahe dem alten Eingang zeigt die Strahlenmadonna. Die barocke Kanzel hat einen Deckel.

Am Zugang zum alten Chor ist rechts in der Nische eine Pietà. Der Taufstein steht im alten Chor. Die Kirche hat einen Kreuzweg, zwei alte Opferstöcke aus Holz, ein altes Vortragekreuz, mehrere Figuren und verschiedene Bilder. Die Orgel wurde von der Firma Fritz Clewing (Fulda) um 1891 erbaut. Die Reparatur und Aufstellung der Orgel auf der Rückempore des neuen Kirchenraumes erfolgte durch die Firma Bernhard Schmidt (Gelnhausen) im Jahre 1936.kaholischen Frauengemeinschaft ein Früchteteppich angelegt, der von Mitte Oktober bis Mitte November bewundert werden kann

Das Merneser Wasserwerk, erbaut 1913/14 im Jugendstil, ist heute ein Industriedenkmal. Damals benötigte das Militär eine Wasserquelle für den Truppenübungsplatz in Lettgenbrunn / Villbach. Das Wasser lieferte die Gemeinde Mernes kostenlos.- Aber dr Bürgermeister handelte aus, den eigenen Wasserbedarf bin in alle Ewigkeit ebenfalls kostenfrei decken zu dürfen. Heute ist um stritten, wer das Gebäude erhalten soll. Er gehört der Stadt Bad Orb, die es zusammen mit der Wegscheide an die Stadt Frankfurt verpachtet hat.

 

 

 

 

 

Marjoß (zu Steinau gehörend)

Die erste Erwähnung von Marjoß erfolgt 1351 als „Mergenjazza“. Der Ort gehörte erst zum Kloster Schlüchtern und ab 1377 zur Grafschaft Hanau (und wurde deshalb später evangelisch). Man fährt vorbei am Naturschutzgebiet „Sahlensee“, das sich weit in Richtung Mernes hinzieht (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 146).

Rechts steht in der Straße „Am Kirchberg“ die Kirche (mit Parkplatz). Marjoß hat schon im 9. Jahrhundert eine sogenannte „Zelle“ gehabt. Die evangelische Marien‑Magdalenenkirche ist in den Jahren 1492 /  1493 erbaut worden. Der Chorturm ist im Kern romanisch und wird von einer schlanken barocken Laternenhaube bekrönt. In der Turmostwand stand ein Sakramentshäuschen. Die Spitzbogenfenster sollen aus dem Jahre 1551 stammen, sie wurden 1945 bei der Sprengung der Dorfbrücke beschädigt. Die Kirche ist von einer Mauer umgeben. Das Gotteshaus ist ein einfaches Längsschiff und besitzt eine Tonnendecke aus Holz Die Emporen befinden sich an der Längsseite. Bei der Renovierung 1961 / 1962 wurde die Empore über dem Altar zugemau­ert. Im Kirchenschiff befindet sich an der Nord­wand ein Wappen der Catharina Belgica, in Nähe der Mitteltür ein Holzopferstock mit der Jahreszahl 1686. An der Westempore steht die 1887 durch die Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen) hergestellte Orgel.

In der Mitte des Ortes geht es links nach Norden ab zur Gaststätte „Charlott“, ein bekannter Landgasthof mit fahrradfreundlichen Öffnungszeiten. Der Biergarten und die Terras­se liegen hinter dem Haus, die Speisekar­te ist umfangreich.

 

Marjoß ist ein historischer Töpferort. Die erste Erwähnung der Töpferei erfolgt 1391. Damit ist Marjoß einer der am frühesten genannten hessischen Töpferorte. In der letzten Töpferei in der Brückenauer Straße am Ortsausgang links (Familie Ruppert) wird heute in der fünften Generation gearbeitet. Gertrud Weihmann und Georg Ruppert haben eine Idee: Der Spessart der Zukunft könnte als Ergänzung seiner Infrastruktur und als „Aha-Erlebnis” für die Besucher des Landstrichs der bunten Wälder ein Museum der alten Handwerke bieten. Es könnte zeigen, wie geschickte Hände Schmückendes und Praktisches aus Ton produzieren, aus Reisern Besen binden, aus Pulverholz Körbe flechten, aus Brennnesselfasern, Hanfstengeln und Flachs rustikale Stoffe zaubern, damit auch die noch heute praktizierten Techniken nicht verloren gehen, vielleicht neue Impulse erhalten.

Möglich werden könnte dies durch das Entwicklungskonzept, das der Verband Spessart regional derzeit mit ehrgeizigen Zielen schmiedet: Die Region will vom Land als Förderregion anerkannt werden, in den Genuß der von der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen ihres Strukturfonds bereitgestellten Mittel kommen, um das hessische Gebiet des Naturparks zu stärken und als Fremdenverkehrsregion attraktiver zu machen.

Die Basis dafür legen als Letzte ihrer Zunft im einstigen Töpferdorf Marjoß der „Döbbe­schorsch” Georg Ruppert und seine Tochter Gertrud Weihmann, Töpfermeisterin und bemüht, über die traditionellen Muster und Formen neue, künstlerische Akzente zu setzen. Wie dies geschieht, können Interessenten vor Ort sehen, in der Werkstatt und einer zum Ausstellungsraum umgebauten Scheune.

Des „Döbbeschorschs” und seiner Tochter Produkte sind längst hessenweit bekannt, zum Beispiel durch die Vorstellung weit und breit einmaliger Krüge mit Schraubverschluß. Einst wichtig, um die Suppe warm zu jenen zu bringen, die auf denm Wiesen das Gras mähten, Ackerfrüchte ernteten, zu weit von daheim arbeiteten, um zur Mittagspause nach Hause zu kom­men. Töpfe und Deckel aus Ton verlangen höchste Kunstfertigkeit. Sie wird in der Werkstatt Ruppert gepflegt.

Doch wie lange noch? Die übrigen Töpfer in Marjoß haben die Segel gestrichen, der „Döbbe­schorsch” ist inzwischen 81 Jahre alt, Meisterin Gertrud Weihmann steuert auf das Rentenalter zu. Sie könnte Nachwuchskräfte ausbilden. Allerdings: Dies läßt der Ertrag dieser Töpferei nicht zu. Gertrud Weihmann, die zusammen mit ihrer Schwester Ursula Kay den Vater unterstützt: „Wir brauchen Hilfe.”

 

Von Lettgenbrunn bis zur Mündung in die Sinn durchfließt die Jossa ein zauberhaftes Tal. In unzähligen Schleifen mäandert das schnell wachsende Flüsslein ohne jegliche Begradigung oder Kanalisierung durch sattgrüne Wiesen, die heute weitgehend der Natur gehören. Am Ortsausgang  liegt links das Naturschutzgebiet „Kirschenwiese“. Man kann es gut betrachten, wenn man vor dem Friedhof rechts parkt und ein Stück auf die Wiesen zugeht

(Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 136).

Allerdings muß man viel Phantasie haben, um das alte Bewässerungssystem der Wässer­wiesen zu erkennen: Wiesenfähiges Land gab es in den Talsohlen der Spessartbäche flächenmäßig nicht viel. Vom Gras‑ und Heu-Ertrag aber hing das Wohlergehen der Landbevölkerung ab. Da dieses Land jedoch bei einfacher Bewässerung zur Verdichtung neigt, mußte eine Lösung gefunden werden.

Da hatte Bauer Künstler aus Fellen eine gute Idee, die bald auch im Jossatal nachgeahmt wurde: Er entwickelte die „Rückenwiese“, auch Rieselwiesen genannt, Das Wasser aus den Bächen und Quellen an den Hangfüßen wurde durch massive Bewässerungswehre angestaut und durch Hauptzuleiter. Sie wurden auf dem First eines etwa 50 Zentimeter hoch aufgeschütteten Rückens zu den zu bewässernden Parzellen geführt. Von diesen aus regulierte man mit Schiebern vor den abzweigenden Verteilern den Wasserfluß außerhalb der einzelnen Parzellen. Zwischen je zwei Verteilern befindet sich ein Ableiter, der überschüssiges Wasser wieder dem Bach oder, je nach Lage, das Wasser einer tieferen Wiese zuführt. Die leicht angehobenen Parzellen sind etwa drei bis fünf Meter breit und fallen zu den beidseitigen Abflussrinnen leicht ab. Das Wasser rieselt nun also in den Fluss zurück über die Wiesenwülste, hält sie feucht und steigert den Anteil an wertvollen Süßgräsern

Die Wiesen wurden niemals künstlich gedüngt, da genug Mineralstoffe im Bachwasser gelöst waren. So konnten die Landwirte im rauhen Spessart bis zu fünf Ernten einfahren, die in harten Wintern eine wichtige Futtergrundlage für ihr Vieh waren. Diese Technik in den Tälern von Sinn, Aura, Jossa und Fella wurde streng überwacht. Und die Redewendung „jemandem das Wasser abgraben“ soll auf diese Methode zurückgehen. Nördlich von Obersinn, kurz hinter der Grenze zu Franken, sind die Rückenwiesen auf einer kleinen Fläche reaktiviert worden. An der Jossa ist das wellige Relief nur noch bei genauem Hinsehen zu erkennen

 

Die Anlage der Wiesenrücken ‑ eine beachtliche körperliche Leistung ‑ der Gräben, der Wehre und deren Unterhaltung war Angelegenheit jedes einzelnen. Wahrscheinlich hat man sich, wie es in Dörfern üblich ist, gegenseitig geholfen. Die Arbeiten im Jahresablauf gestalteten sich folgendermaßen: Im Herbst öffnete der Wieseneigentümer in Handarbeit mit dem Wiesenbeil die zugewachsenen und zugeschlämmten Gräben und löste den Aushub mit einer Blatthacke. Der Aushub wurde gleichmäßig auf dem Rücken verteilt. Die im Herbst einsetzende Bewässerung sorgte für ein ausgeglichenes Kleinklima, deshalb wuchs das Gras im zeitigen Frühjahr viel früher als normal. Die Bewässerung ermöglichte normalerweise eine dreimalige Mahd im Jahr, die mit der Sense vorgenommen werden mußte. Wenn ein gleichmäßig temperiertes Quellwasser auf kurzem Wege den Bewässerungsgraben zugeleitet werden konnte, dann gaben die Wiesen auch mehr als drei Schnitte her. Im Sommer wurde nicht permanent gewässert, da die Tagesbewässerung bei starker Sonnenstrahlung dem Gras nicht gut bekam (Kinzig, Seite 94) (siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Hanau, Seite 25).

 

Der Ort liegt an der Mündung der Jossa in die Sinn. Ein 35 Meter hohes und 100 Meter langes Eisenbahnviadukt überspannt das Jossatal. Östlich liegt die Schnellfahrstrecke in einem Tunnel.  Jossa wurde um 1730 gegründet und ist der jüngste Ort im Tal der Jossa. Im Jahre 1698 wird allerdings ein „Joßmüller“ zweimal genannt. Auch die Kirchenbücher von Neuen­gronau, wohin Jossa eingepfarrt war, geben für die Anfangszeit des Ortes nur un­genaue Kunde. In der Chronik heißt es, daß Jossa in den Jahren 1725 bis 1730 durch Einwohner von Breunings und Burgjoß angelegt wurde. Im Jahre 1734 führte es bereits den Namen „Jossa“. Wenn man durch den Ort fährt, sieht man auf der rechten Seite (an der Abzweigung) noch ein richtiges Mühlrad.

Erst ab 1760 werden die Ein­tragungen für die einzelnen Orte des Kirchspiels getrennt geführt. Danach wurden die Kinder der Joßmühle in der Kirche zu Altengronau getauft, besuchten die dortige Volksschule, wurden dort konfirmiert und selbst auf dem Altengro­nauer Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Schon früh hatte der kleine Ort eine Schule. Im Jahre 1847 wurde die alte Schule durch einen statt­li­chen Neubau ersetzt. Das weitere Ansteigen der Bevölkerung verlangte im Jahre 1937 einen Schulneubau mit drei Klassenräumen. Den entscheidenden Entwicklungssprung machte Jossa durch den Bau der Eisenbahn Gemünden‑Fulda 1874. Mit der Eisenbahn kamen Ende der fünfziger Jahre die ersten Feriengäste nach Jossa. Seit 1978 ist Jossa staatlich anerkannter Erholungsort.

Der Kirchengemeinde stand ab 1795 ein Betsaal zur Verfügung. Im Jahre 1895 löste sich Jossa vom Kirchspiel Neuen­gronau und wurde Filiale der Kirchengemein­de Marjoß. Am 2. Mai 1909 wurde der Grund­stein für die Kirche gelegt, die 1910 einge­weiht werden konnte. Das Gotteshaus ist ein neuromanischer Zweck­bau mit einer Empore an der Nordwestwand und der Orgelempore mit einer Orgel der Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen) aus dem Jahre 1910, die 1973 repariert wurde. Im Jahre 1968 wurde die Kirche renoviert.

Wenn man von Jossa nach Osten fährt in Richtung Altengronau, unter dem Eisenbahnviadukt hindurch, geht es rechts ab zum Parkplatz an der Kläranlage. Hier ist die Mündung der Jossa in die Sinn. Von dort geht man über die linke Brücke auf die Sinnwiesen. In diesem Naturschutzgebiet blühen Ende April, Anfang Mai die Schachbrettblumen (lateini­scher Name: fritillaria meleagris), auch Kiebitzei, Kuckucksei oder Schachblume (siehe Sinntal, Altengronau).

Der Weiler Emmerichsthal hat einen Vorläufer im Mittelalter, das Bauerndorf Steinbach. Um 1573 verlassen, versuchte die mainzische Verwaltung, aus dem Waldbesitz Kapital zu schlagen. So wurde 1768 eine Glashütte errichtet, die bis 1826 in Betrieb war. Danach arbeiteten die verbliebenen Bewohner im land‑ und forstwirtschaftlichen Bereich. Seit 1814 ist Emme­richs­thal bayerisch, als Ortsteil von Obersinn. Die Fackenhofenkarte von 1791 zeigt den Weiler Emmerichsthal auf einer Lichtung bei Obersinn.

Müsbrücke - Speckesteg: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 141.

 

 

Altengronau

Das Dorf Altengronau wurde erstmals im Jahre 780 urkundlich erwähnt. Im Jahre 907 kam Altengronau durch Tausch der Klöster Echternach und Fulda in den Besitz des Klo­sters Fulda, welches Altengronau den Herren von Hutten zu Lehen gab. Altengronau war über Jahrhunderte das Zentrum der Ritter von Hutten, eines der bekanntesten fränkischen Adelsgeschlechter Der erste Burgherr war Ludwig von Hutten. Er erhielt das Lehen im Jahre 1300. Alle seine Besitzungen bildeten ein eigenes Amt und Gericht (bis zur Auflösung im Jahre 1821). Im Jahre 1336 heißt der Ort „Burggronau“.

 

Altengronau „Im Land der Ritter von Hutten“ (5 Kilometer)

Der europäische Kulturweg führt vorbei an den Burgen der Ritter von Hutten und  mit dem Judenfriedhof und dem Auengrund zu Perlen der Kulturlandschaft zwischen Spessart

und Rhön. Der Rundweg führt vom Kirchplatz mit einem kurzen Abstecher zur Alexanderburg zum alten Wasserschloß / ehemalige Steinverarbeitungs-Fabrik. Über den traditionellen Weg wird der jüdische Friedhof erreicht und schließlich die Sinntalaue mit den Ortsteilen Aspen und Hütte.

 

(1) Kirche:

Südlich der Straße steht die Kirche. Die älteste Kirche von Altengronau muß in den Jahren zwischen 907 und 1167 erbaut worden sein. Zumindest bestand bereits 1167 hier eine Kirche. Von Cyriax Eitel von Hutten be­richtet man, daß er den in der heutigen Kirche stehenden Taufstein aus Sandstein gestiftet habe. Von ihrer Zerstörung während des Dreißigjährigen Krieges weiß eine Chronik von 1663: „...daß dieße Kirche durch daß leydige Kriegswesen also ruinirt undt verfallen, daß ohne das blose Gemäuer, sie gantz undt gar hatt müssen aufgerichtet werden...“.  Im Jahre 1662 wird berichtet, daß von der Altengronauer Kirche nur noch das Gemäuer als Folge des Dreißigjährigen Krieges steht. Einhei­mische und andere Spender ermöglichten den allmählichen Wiederaufbau. Die Kirche war früher eine Kapelle, die später vergrößert wor­den ist; sie wurde 1727 und ihr Turm im Jahre 1800 neu hergestellt. Im Jahre 1904 wurde sie abgebrochen, um einer neuen und schöneren Platz zu machen.

Das heutige Gotteshaus ist ein neuromanischer Bau von 1804 mit einem Rechteckchor aus dem 16. Jahr­hundert, der 1727 er­neuert wurde. Der heutige Chorraum enthält noch eine Sakraments-Nische des Vorgängerbaues, sowie einen Taufstein von 1579. Durch einen spitzen Turm gelangt man in das Kirchenschiff, das in gotischem Stil gehalten ist. Hinter dem Altar befinden sich zwei Grabplatten derer von Hutten, Alexander gestorben 1576 und Sebastian gestorben 1577. Links vom Altar stehen der Taufstein, der 1613 gestiftet wurde, und die Kanzel. Die 1905 von der Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen) unter Erhaltung des barocken Gehäuses neu erbaute Orgel wurde 1963 umgebaut. Vor der Kirche steht ein überdachter steinerner Tisch. Heute trägt das Gotteshaus den Namen Christi-Himmel­fahrt-Kirche. Gegen­über der Kirche steht ein Haus mit einem Wappenstein. Die Straße von der Kirche nach unten führt zu einer alten Brücke.

 

(2) Huttenburg:

 Die Freiherren von Hutten prägen seit fast 900 Jahren die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte des westfränkischen Kulturraums. Die erste mit ihrem Namen verbundene Burg ist die Steckelburg, wenige Kilometer nördlich von Altengronau, wo sie 1131 urkundlich genannt werden. Die Familiengeschichte umfaßt mehrere Hauptlinien mit zahlreichen Nebenlinien. Eine herausragende Stellung nehmen der Humanist Ulrich von Hutten (1488 - 1523), der Konquistador Philipp von Hutten (1511 - 1546) und der Eichstätter Bischof Moritz von Hutten (1503 - 1552) ein. Der Ritter, Humanist und Rebell Ulrich von Hutten (1488 - 1523) polarisierte seine Zeitgenossen durch geniale Streitschriften ebenso wie durch seinen Einsatz für die Reformation.

Die Huttenburg in Altengronau steht am nordöstlichen Ende des Ortes, nördlich der Straße. Soviel bekannt waren die ersten Besitzer der früher bestehenden Burgen und Gebiete die beiden Familien von Hutten und von Thüngen. Die von Alexander von Hutten in den Jahren 1548 - 1552 fertiggestellte dreigeschossige Burg ist ein Um‑ und Neubau, die vierte der Huttenburgen in Gronau. Die Jahreszahl „1552“ an einem Fenster dokumentiert das Jahr des letzten großen Umbaus am Äußeren der Huttenburg.  Die Bauabfolge der Alexanderburg könnte wie folgt sein: Die erste Bauphase mit Wehrmauer und Fachwerkbau könnte um 1300 so ausgesehen haben (links). Im 14. Jahrhundert könnte der steinerne Hauptbau entstanden sein (Mitte). Rechts das Renaissanceschloß um 1550, das auf Alexander von Hutten zurückgeht. Die Burg hat auf der Talseite zwei abgetreppte Sützpfeiler, zum Berg hin befinden sich an beiden Ecken in den Baukörper integrierte Rundtürme.

Die Huttenburg wurde mehrfach zerstört, im Dreißigjährigen Krieg  zusammen mit der Kirche und der Wasserburg. Als letzter des von Alexander begründeten Zweiges der Familie starb Adam von Hutten im Jahre 1627 auf der Burg.

Im Jah­re 1648 kam die Burg durch Kauf an Hessen‑Kassel: Philipp Daniel von Hutten zu Sannerz verkaufte den Ort Altengronau mit den verfallenen Burganlagen an Landgräfin Amalie von Hessen-Kassel.  Sie wurde zum Fruchtspeicher zur Samm­lung und Aufbewahrung des Zehn­ten verwandt.  Im Jahre 1752 wurde das Schloß erneuert und bis 1821 als Amtshaus genutzt

Während des Baues der Eisen­bahnlinie Elm-Gemünden  um 1870 diente die Huttenburg als Lazarett für Eisenbahnarbeiter. Im Jahre 1875 kaufte die Gemeinde die Burg und machte ein Schulhaus daraus bis zum  Jahre 1968. Kurz vor dem Verfall kam sie 1980 (oder 1983)  wieder an die Familie von Hutten, deren Oberhaupt Friedrich Karl das Gebäude seither bewohnt. Im Jahre 2000 wurden die Räume der Burg für den ortsansässigen Schützenverein als Clubhaus hergerichtet, auch andere Ortsvereine planten, sich dort eine Bleibe zu schaffen. Eine Besichtigung ist nicht möglich.

 

(3) Wasserschloß:

Wenn man weiter nach Westen durch den Ort fährt, geht es links in die Schloßstraße. Über die Eisenbahn kommt man in ein Gewerbegebiet, das an der Stelle des Wasserschlosses errichtet wurde. Nachdem die  alte Burg Gronau 1492 zerstört worden war, deren verfallene Mauerreste inmitten großer Steine noch in der Nähe der Wasserburg zu sehen sind, erbaute Eitel Sebastian von Hutten 1527 eine neue Burg, eine Wasserburg, das „Neue Haus“. Das von Wassergräben umgebene Burggelände war  über eine Zugbrücke zugänglich und bebaut mit Wohnhaus, Fruchthaus, Pulverhäuschen, Scheunen und Ställen.

Eitel Sebastian bezog das Haus mit seiner Frau Margarete von Boy­ne­burg‑Lengsfeld und stellte es noch im gleichen Jahr unter hessischen Schutz. Sie vererbten es ihrem Sohn Sebastian, der mit Elisabeth von Küchen­meister aus Wächtersbach vermählt war. Als nächste Besitzer werden Georg Friedrich, Sohn des Sebastian, und seine Frau Amalie von Berlichingen genannt. Danach liegt die Geschichte der Burg fast dreihundert Jahre im Dun­keln. Bereits im Dreißigjährigen Krieg wurde sie zerstört. Der letzte Bewohner war 1641 Georg Friedrich von Hutten, der Enkel des Erbauers.  Erhalten blieben das im 18. Jahrhundert erneuerte zweistöckige Haupthaus von 1551 und das Fruchthaus. Die Burg war auch noch bis in die neuere Zeit von zwei Wassergräben umgeben und bis zum Jahre 1832 soll sie als ganzes Vorwerk bestanden haben.

Die Gebäudereste dienten zunächst als Basis für einen Mühlenbetrieb. Mit dem Bau der Eisenbahn von Jossa nach Brückenau im Jahr 1890 kaufte Christian Gerhäuser 1898 das Gelände und errichtete dort die „Marmorwerke Altengronau“, eine Steinbearbeitungsfabrik größeren Ausmaßes. Die Industrieanlagen überlagerten die historischen Überreste bis auf wenige Ausnahmen. Nach der Schließung der Firma beherbergt das Gelände zweierlei Archäo­logien: historische und Industriearchäologie. Das nochmals veränderte Bauwerk wurde im 20. Jahrhundert eine Zeitlang von dem Arzt Dr. Ernst Volth bewohnt und gehört heute dem Fabrikanten Dipl. Ing. W. Gerhäuser. Eine Besichtigung ist nicht möglich. 

 

Das alte Forstamt (Forststraße 2, am Westrand des Ortes, nördlich der Durchgangsstraße):

Im Jahre 2007 ersteigerten die Gartenplanerin und der Agraringenieur Sandmann mit ihren fünf Kindern das romantische Amtshaus in Altengronau und zogen von der Wetterau ins Sinntal. Aus dem verwilderten Garten haben Veronika und Andreas ein grünes Paradies gezaubert. Alles blüht in den prächtigsten Farben, vor lauter Idylle weiß man gar nicht, welches Eckchen zwischen historischen Obstbäumen, Rosen und blumenumrankten Sitzgelegenheiten der Lieblingsplatz soll. Und den können sich Gäste tatsächlich aussuchen, denn seit ein Teil der Kinder ausgezogen ist, haben die Sandmanns den Hühnerstall zum Ferienhaus und das hangseitige Erdgeschoss zur Ferienwohnung ausgebaut. Ein weiteres Appartement ist in Planung.

Einen Teil ihres großen Hauses halten sie für Forstanwärter in Ausbildung frei. Und auch die Wildkammer erinnert noch an die Ursprünge des Gebäudes, dort können sich die Gäste mit frischem Fleisch eindecken oder bei einer Zerlegeschulung lernen, wie Hirsch und Reh fachmännisch zerkleinert werden. Wer das zu blutig findet, geht mit Hobby-Imker Andreas Bienen beobachten oder macht sich auf die Suche nach Bibern, die von diesem Haus aus in den achtziger Jahren in Westdeutschland erstmals wieder eingebürgert wurden.

 

(4) Jüdischer Friedhof:

Der jüdische Friedhof wurde um 1661   1662 eingerichtet und ist damit einer der ältesten der Region. Er hatte eine zentrale Funktion, da hier Juden aus den Dörfern des nördlichen Spessarts und der südlichen Rhön beerdigt wurden. Das Gelände ist in einen alten und in einen neuen Teil gegliedert. Besonders interessant ist der Weg, der vom Dorf zum Friedhof führt, das so genannte „Judenpflaster“, das in seiner historischen Form heute noch erhalten ist. Von diesem Platz kann man anhand der Fotos auf der Tafel einen guten Eindruck von der Veränderung der Kulturlandschaft in wenigen Jahrzehnten erhalten.

Bis 1938 bestand in Altengronau eine jüdische Gemeinde. Ihre Entstehung geht in mittelalterliche Zeiten zurück. In einem 1717 erbauten Haus in jüdischem Privatbesitz ind er Frankfurter Straße 3 war ein Betsaal eingerichtet. Im Jahre 1930 gehörte das Haus zuletzt Benjamin und Salomon Münz, die das Haus 1936/ 1937 verkauften. Es wurde dänach zu einem bis heute bestehenden Wohnhaus umgebaut.

 

(5) Aspen und Schachblume:

Hier tritt uns die Kulturlandschaft in der Talaue entgegen. Der Ortsteil „Aspen“ (kommt vom „Anspannen“ der Pferde) geht auf zwei Höfe zurück, mit deren Zugtieren die Fuhrkarren angespannt wurden, um den Aufstieg auf die Höhe zu bewältigen. Die daneben liegende „Hütte“ hat ihren Namen von einer Glashütte, die zwischen 1765 und 1791 an dieser Stelle bestand. Im Jahre 1719 wurde noch das Amt Brandenstein an das Amt Altengronau ange­schlossen und von hier aus mitverwaltet. Zur besseren Verwendung des Holzes aus den Ämtern Schwarzen­fels, Altengronau und Brandenstein beschloß Landgraf Friedrich II. von Kassel im Jahre 1765 in Altengronau eine Spiegelglashütte zu errichten, die bis zum Jahre 1791 in Betrieb war. Das Haus, wo der Hüttenmeister der Altengronauer Glashütte (1765 - 1791) wohnte, steht heute noch im Ortsteil „Hütte“. Obwohl das Tal vollständig von Menschenhand gestaltet ist, hat sich hier der Biber, der um 1990 ausgesetzt wurde, stark vermehrt. Eine botanische Seltenheit tritt uns mit der Schachblume entgegen, einer Lilienart, die es sonst in so starken Vorkommen nur noch einmal in Norddeutschland gibt. Sie blüht Ende April / Anfang Mai.

 

 

Schachbrettblumen:

Wenn man von Jossa nach Osten fährt in Richtung Altengronau, unter dem Eisenbahnviadukt hindurch, geht es rechts ab zum Parkplatz an der Kläranlage. Hier ist die Mündung der Jossa in die Sinn. Von dort geht man über die linke Brücke auf die Sinnwiesen. In diesem Naturschutzgebiet blühen Ende April, Anfang Mai die Schachbrettblumen (lateini­scher Name: fritillaria meleagris), auch Kiebitzei, Kuckucksei oder Schachblume.

Die Schachbrettblume ist ein Liliengewächs und steht in ganz Mit­teleuropa unter Naturschutz. Bei erwach­senen Pflanzen steckt die Zwiebel etwa 20 Zentimeter tief im Boden, sie wird 15 ‑ 30 Zentimeter hoch. Die Blüten sind glocken­artig, werden 3,5 Zentimeter lang, scharlachfarbig und schachbrettförmig mit hellen Flecken besetzt. Sie wird hauptsächlich durch die Insek­tenbestäubung von Bienen und (Erd-) Hummeln verbreitet, aber auch durch Überschwem­mungen. Von der Samenkeimung bis zur ersten Blütenbildung vergehen sieben bis acht Jahre. Die Pflanze wird mehr als 30 Jahre alt.

Das „einmalige“ Naturschau­spiel ist von kurzer Dauer. Nur etwa fünf` Tage öffnet das seltene Liliengewächs sei­nen schachbrettartig gemusterten Kelch. Da nicht alle Pflanzen ihre purpurfarbene Blüte gleichzeitig entfalten, ist die Pracht auf den Schachblumenwiesen bis Anfang Mai zwei Wochen lang zu bewundern.

Vier bis fünf Millionen Exemplare sind es in diesen Sinnwiesen bei Altengronau (andere Angabe: 10 Millionen Pflanzen).  Auf keinem anderen Fleck in Mitteleuropa existieren vergleich­­bare Vorkommen wie in dem 72 Hektar großen Naturschutzgebiet. Warum die Schach­blumen an der Sinn üppig blühen, aber ein paar 100 Meter weiter an der Jos­sa nicht mehr, weiß kein Mensch.

Die Pflanzen werden bei Überschwemmungen allein durch die Sinn mit Nähr­stoffen versorgt. Die daher mageren Wiesen bieten der Schachbrettblume einen idealen Lebensraum. Durch Stickstoffdüngungsverzicht und späte Mahd werden die Auwiesen vertraglich geschützt. Die Pflanze steht auf der Roten Liste.  Damit sie nicht im Konkurrenzkampf mit anderen Pflanzen untergeht, muß die Wiese geschnitten werden. Die Kooperation mit den Landwirten hat die erheblichen Bestandsrückgänge Ende der siebziger Jahre gestoppt. Auf ei­nigen Flächen sind zuletzt wieder Zunah­men zu verzeichnen gewesen.

Führungen ver­mittelt das Hessische Forstamt Sinntal, Telefon 06665 / 96100. Die HGON hat ein Faltblatt über die Schachblume veröffentlicht, das über Vorkommen, Besonderheiten und Be­standspflege der seltenen Pflanze infor­miert. Es ist gegen eine freiwillige Spende von zwei Euro beim Arbeitkreis Main‑Kin­zig der HGON, Gartenstraße 37, in 63517 Rodenbach, Telefon 06184 / 56160, oder un­ter der E-Mail‑Adresse hgon.mkk@t‑online. de erhältlich.   Siehe auch; Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 48 und 149. Struth von Altengronau: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 152.

In Altengronau laden die Landfrauen traditionell am letzten Sonntag im April zum Schachblumenfest an der Grillhütte.

 

Wässerwiesen:

Es gibt einen Rundweg „Die Wässerwie­sen im Spessart“. Auf der Sinnwiese kann man auch die frühere Wasserwirtschaft an der Jossa studieren: Wiesenfähiges Land gab es in den Talsohlen der Spessartbäche flächenmäßig nicht viel. Vom Gras‑ und Heu-Ertrag aber hing das Wohlergehen der Landbevölkerung ab. Da dieses Land jedoch bei einfacher Bewässerung zur Verdichtung neigt, mußte eine Lösung gefunden werden. Da hatte Bauer Künstler aus Fellen eine gute Idee, die bald auch im Jossatal nachgeahmt wurde: Er entwickelte die „Rückenwiese“. Das Wasser aus den Bächen und Quellen an den Hangfüßen wurde durch massive Bewässerungswehre angestaut und durch Hauptzuleiter zu den zu bewässernden Parzellen geführt. Von diesen aus regulierte man mit Schiebern vor den abzweigenden Verteilern den Wasserfluß außerhalb der einzelnen Parzellen. Zwischen je zwei Verteilern befindet sich ein Ableiter, der überschüssiges Wasser wieder dem Bach oder, je nach Lage, das Wasser einer tieferen Wiese zuführt. Die Wiesen wurden niemals künstlich gedüngt, da genug Mineralstoffe im Bachwasser gelöst waren.

Die Anlage der Wiesenrücken ‑ eine beachtliche körperliche Leistung ‑ der Gräben, der Wehre und deren Unterhaltung war Angelegenheit jedes einzelnen. Wahrscheinlich hat man sich, wie es in Dörfern üblich ist, gegenseitig geholfen. Die Arbeiten im Jahresablauf gestalteten sich folgendermaßen: Im Herbst öffnete der Wieseneigentümer in Handarbeit mit dem Wiesenbeil die zugewachsenen und zugeschlämmten Gräben und löste den Aushub mit einer Blatthacke. Der Aushub wurde gleichmäßig auf dem Rücken verteilt. Die im Herbst einsetzende Bewässerung sorgte für ein ausgeglichenes Kleinklima, deshalb wuchs das Gras im zeitigen Frühjahr viel früher als normal. Die Bewässerung ermöglichte normalerweise eine dreimalige Mahd im Jahr, die mit der Sense vorgenommen werden mußte. Wenn ein gleichmäßig temperiertes Quellwasser auf kurzem Wege den Bewässerungsgraben zugeleitet werden konnte, dann gaben die Wiesen auch mehr als drei Schnitte her. Im Sommer wurde nicht permanent gewässert, da die Tagesbewässerung bei starker Sonnenstrahlung dem Gras nicht gut bekam (Kinzig, Seite 94).

Solche Wiesen gibt es heute noch am Sahlensee bei Mernes, Kirschwiesen bei Marjoß, Müsbrücke und Rückesteg, am Westernbach, Westerngrund von Neuengronau und Breunings, die großen Wiesen von Mottgers und die Struth von Altengronau (siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Hanau, Seite 25).

 

Altengronaui

Altengronau ist vom Wirken des Rittergeschlechtes von Hutten geprägt, das vom 13. bis in das 17. Jahrhundert hier residierte. Das Dorf Altengronau wurde erstmals im Jahre 780 urkundlich erwähnt. Im Jahre 907 kam Altengronau durch Tausch der Klöster Echternach und Fulda in den Besitz des Klo­sters Fulda, welches Altengronau den Herren von Hutten zu Lehen gab. Altengronau war über Jahrhunderte das Zentrum der Ritter von Hutten, eines der bekanntesten fränkischen Adelsgeschlechter

Der erste Burgherr war Ludwig von Hutten. Er erhielt das Lehen im Jahre 1300. Alle seine Besitzungen bildeten ein eigenes Amt und Gericht (bis zur Auflösung im Jahre 1821). Im Jahre 1336 heißt der Ort „Burggronau“. Seit 1980 ist die Familie Hutten wieder durch den Chef des Hauses, Friedrich Karl, vor Ort vertreten.

Zwei Burgen sind (teilweise) erhalten, die Huttenburg und Reste des Wasserschlosses. Die Geschichte der Huttenburg weist auf die vielfältigen Erschwernisse hin, die Altengronau in Mittelalter und in der frühen Neuzeit zu erdulden hatte. Seine glanzvollste Zeit erlebte der Ort unter Sebastian und Alexander von Hutten in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Ihre Grabplatten sind in der Kirche zu sehen.

 

(2) Huttenburg:

Am nordöstlichen Ende des Ortes, nördlich der Straße, steht die Huttenburg. Soviel bekannt waren die ersten Besitzer der früher bestehenden Burgen und Gebiete die beiden Familien von Hutten und von Thüngen. „Die Hutten die stölz’sten, die Thüngen die töll’sten“ - so sagt der Volksmund über die beiden bedeutendsten Rittergeschlechter im Nordspessart. Dies weist hin auf das Selbstbewußtsein, mit dem die Freiherren von Hutten seit fast 900 Jahren die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte des westfränkischen Kulturraums prägen.

Die erste mit ihrem Namen verbundene Burg ist die Steckelburg oberhalb von Ramholz, wenige Kilometer nördlich von Altengronau, wo sie 1131 urkundlich genannt werden. Ihren Namen verdanken die „von Hutten“ dem Dorf Hutten zwischen Rhön und Vogelsberg. Die Familiengeschichte umfasst mehrere Haupt- und zahlreiche Nebenstämme. Von den vier Hauptlinien sind drei ausgestorben: Gronau, Steckelberg und Franken. Die nach der Burg Stolzenberg oberhalb Bad Soden benannte noch erhaltene Linie wurde von Altengronau aus begründet.

Eine herausragende Stellung nimmt einer der bekanntesten deutschen Humanisten ein, nämlich Ulrich von Hutten (1488 – 1523, der hier aufgewachsen ist. Er polarisierte seine Zeitgenossen durch geniale Streitschriften ebenso wie durch seinen Einsatz für die Reformation.

. Der von Kaiser Maximilian I. zum Dichterfürsten gekrönte Ulrich verstrickte sich aber im politischen Machtstreben seiner Zeit, mußte 1522 in die Schweiz flüchten und fand auf der Insel Ufnau im Zürichsee seine letzte Zuflucht. Dort liegt er begraben. Sein Vetter Frowin von Hutten (~1469-1529) nahm 1521 als Hofmeister zur Begleitung des Mainzer Kurfürsten Albrecht von Brandenburg (1490-1545) am Wormser Reichstag teil.

Zu diesem Zweig der Familie zählt auch der Generalkapitän Philipp von Hutten (1505 - 1546, der im 16. Jahrhundert Gouverneur der Provinz Venezuela war. Er begann seine Karriere am Hof Kaiser Karls V. Gemeinsam mit Georg Hohermuth suchte er ab 1535 im Auftrag des Handelshauses der Welser in der spanischen Kolonie „Venosala“ (heute Venezuela, Süd-Amerika) nach den sagenhaften Goldschätzen von El Dorado. Mehrere Expeditionen führten

ihn tief in den Urwald, das erhoffte Gold fand er jedoch nie. Im Konflikt mit Juan de Carvajal

wurde er gemeinsam mit Bartholomäus von Welser d.J. gefangen genommen und 1546 ermordet. Carvajal wurde daraufhin hingerichtet.

Auch zu diesem Zweig gehört auch Moritz von Hutten (1503 – 1552), der. Bruder von Philipp. Ein Epitaph-Altar im Bayerischen Nationalmuseum in München erinnert an ihn. Er war seit 1539 Bischof von Eichstätt, zeichnete sich durch seine tolerante Einstellung zum Protestantismus aus und arbeitete durch seine Präsidentschaft am Regensburger Religionsgespräch 1546 auf Weisung Kaiser Karls V. an einer Vereinigung der Kirche, Er setzte sich sehr stark für das literarische Erbe seines Vetters Ulrich von Hutten ein.

Zu den herausragendsten Mitgliedern der Stolzenberger Linie zählten der Würzburger Fürstbischof Christoph Franz (regierte 1724-1729), dem der Lohrer Stadtteil Steinbach das Schloß, die Barockkirche und die Gründung der Pfarrgemeinde verdankt, sowie sein Neffe Franz Christoph (regierte 1743-1770), ein baufreudiger Rokokofürst und Bischof von Speyer,

der das Bruchsaler Schloß ausbauen ließ.

Der Stammvater der Gronauer Linie war wohl Ludwig von Hutten, der um 1300 lebte. Zu seinen Nachkommen zählen die Brüder Sebastian (gestorben 1577) und Alexander (gestorben 1576). Alexanders Zweig starb 1627 mit Adam aus. Der letzte Nachkomme Sebastians war Johann Hartmann, der 1704 in Sannerz verstarb

 

Die von Alexander von Hutten in den Jahren 1548 - 1552 fertiggestellte dreigeschossige Burg ist ein Umbau bzw. Neubau zu einem Renaissanceschloß. Die Jahreszahl „1552“ an einem seitlichen Fenster dokumentiert das Jahr des letzten großen Umbaus am Äußeren der Huttenburg.  Die Bauabfolge der Alexanderburg könnte wie folgt sein: Die erste Bauphase mit Wehrmauer und Fachwerkbau könnte um 1300 entstanden sein. Im 14. Jahrhundert könnte der steinerne Hauptbau entstanden sein, Schließlich folgt das Renaissanceschloß aus der Zeit um 1550 (siehe die Zeichnungen auf der Informationstafel). Die Burg hat auf der Talseite zwei abgetreppte Sützpfeiler, zum Berg hin befinden sich an beiden Ecken in den Baukörper integrierte Rundtürme.

Die Huttenburg wurde mehrfach zerstört, im Dreißigjährigen Krieg zusammen mit der Kirche und der Wasserburg. Als letzter des von Alexander begründeten Zweiges der Familie starb Adam von Hutten im Jahre 1627 auf der Burg. Im Jah­re 1648 verkaufte Philipp Daniel von Hutten zu Sannerz den Ort Altengronau mit den verfallenen Burganlagen und mit dem gesamten Grundbesitz für 28.500 Gulden an Landgräfin Amalie von Hessen-Kassel. Damit endete die seit dem 13. Jahrhundert währende Herrschaft der Familie von Hutten in Altengronau.

Im Jahre 1752 wurde die Ruine wieder aufgebaut, mit neuen Fenstern und mit einem Man­sarddach versehen. Das Gebäude diente nun zunächst als Amtshaus.

Während des Baus der Eisenbahnlinie Elm-Gemünden um 1870 wurde hier ein Lazarett für Eisenbahnarbeiter eingerichtet. Von 1875 bis 1983 gehörte das Schloss der Gemeinde, die hier bis zum Jahre 1968 eine Schule unterhielt. Ab 1976 wurde es kurzzeitig von den Schützen als Vereinsheim genutzt. Seit 1983 ist das Schloss wieder in Besitz der Familie von Hutten, die es mit Unterstützung des Landesdenkmalamtes renovierte. Hier lebt heute Freiherr Friedrich Karl von Hutten mit seiner Familie.

Kurz vor dem Verfall kam die Burg 1983 wieder an die Familie von Hutten: Deren Oberhaupt Friedrich Karl Freiherr von Hutten sanierte das Gebäude - ab 1994 zusammen mit seiner Frau - und 1997 von ihm und seiner Familie bezogen. Er stammt aus der Stolzenberger Linie und begründete so mit seiner Frau und den beiden Söhnen einen neuen Familienzweig in Altengronau. Im Jahre 2000 wurden die Räume der Burg für den ortsansässigen Schützenverein als Clubhaus hergerichtet, auch andere Ortsvereine planten, sich dort eine Bleibe zu schaffen. Eine Besichtigung ist nicht möglich.

 

(1) Kirche:

In der Mitte des Ortes steht südlich der Straße die Kirche. Die älteste Kirche von Altengronau muß in den Jahren zwischen 907 und 1167 erbaut worden sein. Zumindest bestand bereits 1167 hier eine Kirche. Um 1500 wurde von Friedrich von Hutten an dieser Stelle eine Kirche „in dem Dorf auf dem Seynen“ erbaut. Von Cyriax Eitel von Hutten be­richtet man, daß er den in der heutigen Kirche stehenden Taufstein aus Sandstein gestiftet habe.

Im Jahre 1662 wird berichtet, daß von der Altengronauer Kirche nur noch das Gemäuer als Folge des Dreißigjährigen Krieges steht. In der Chronik heißt es 1663: „...daß dieße Kirche durch daß leydige Kriegswesen also ruinirt undt verfallen, daß ohne das blose Gemäuer, sie gantz undt gar hatt müssen aufgerichtet werden...“.  Einhei­mische und andere Spender ermöglichten den allmählichen Wiederaufbau.

Die Kirche war früher nur eine Kapelle, die später vergrößert wor­den ist. Sie wurde 1727 und ihr Turm im Jahre 1800 neu hergestellt. Im Jahre 1904 wurde sie bis auf den Chorraum abgetragen abgebrochen, um einer neuen und schöneren Platz zu machen. Der heutige Chorraum enthält noch eine Sakramentsnische des Vorgängerbaues sowie einen Taufstein von 1579. Heute trägt sie den Namen Christi-Himmelfahrt-Kirche.

Durch einen spitzen Turm gelangt man in das Kirchenschiff, das in gotischem Stil gehalten ist. Hinter dem Altar befinden sich zwei Grabplatten derer von Hutten, Alexander gestorben 1576 und Sebastian gestorben 1577. Links vom Altar stehen der Taufstein, der 1613 gestiftet wurde, und die Kanzel

Die Grabmale von Alexander (gestorben 1576) und Sebastian (gestorben 1577) von Hutten

weisen im Gotteshaus auf zwei wichtige Vertreter der Adelsfamilie hin. Alexander baute die Burg um und Sebastian ließ das Wasserschloss errichten. Zahlreiche weitere Grabdenkmäler belegen, dass die Kirche eine der Grablegen der von Hutten bis zum Aussterben dieser Linie war.

Das Grabmal der Margarete von Hutten, die mit Florian von Hutten (gestorben 1627) verheiratet war, zeigt auch das Wappen der von Berlichingen, mit denen die von Hutten mehrfach verschwägert waren. Ihr Vorfahre Götz von Berlichingen (gestorben 1569), der „Ritter mit der eisernen Hand“, hatte zwischen 1512 und 1522 mehrere huttische Familienmitglieder befehdet. Unter anderem trat er durch einen Überfall auf Nürnberger Kaufleute bei Wiesthal im Hochspessart in Erscheinung (Thema des dortigen Kulturweges). Den Kirchenschlüssel erhalten Sie beim „Kirchenbäcker“ zu den üblichen Öffnungszeiten.

Die 1905 von der Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen) unter Erhaltung des barocken Gehäuses neu erbaute Orgel wurde 1963 umgebaut. Vor der Kirche steht ein überdachter steinerner Tisch.

 

Gegen­über der Kirche steht an der Hauptstraße ein Haus mit einem Wappenstein, das alte Zollhaus mit dem Wappen der Landgrafen von Hessen. Es weist auf die nahe mainzische

und später bayerische Grenze hin, die an der Brücke über die Sinn war.

 

Brücke:

Der Hüttenweg südlich der Kirche führt zu einer alten, der Brücke über die Sinn. In dieser Form wurde sie 1753 errichtet und erlaubte die Erhebung von Zollgeld. Das reich geschmückte Wappen der Landgrafen von Hessen prangt heute noch in der Mitte des Übergangs. Im 18. Jahrhundert musste für das Passieren der Brücke in Altengronau Brückengeld gezahlt werden. Der Zoll wurde für auswärtige Fuhrwerke, Reiter, Fußgänger, Karren oder Tiere (Ochsen, Kühe, Schweine, Schafe) mit 2 bis 8 Hellern angesetzt. In Altengronau galt das Kurhessische Münzgesetz, das den Kurs in Talern, Groschen und Hellern festlegte. Daraus ergaben sich Schwierigkeiten für die Passierenden aus dem benachbarten mainzischen Gebiet, wo die Währung in Gulden, Kreuzern und Pfennigstücken gerechnet wurde. Die Brücke führt zu zwei Erweiterungen des Ortes

 

(5) Aspen:

Nach links geht der Aspenweg ab. Jenseits der Sinn befanden sich zwei Höfe, die später den Namen „Aspen“ erhielten. Diese Bezeichnung leitet sich daher ab, dass an dieser Stelle Anspannpferde bereit gehalten wurden, mit deren Unterstützung der Anstieg in Richtung Rossbach bewältigt wurde. Aus „anspannen“ wurde mit der Zeit „aspen“.

 

In Verbindung mit dem Übergang über die Sinn an der Kirche war dies vermutlich seit dem Mittelalter ein Handelsweg, der bis nach Hammelburg führte. Darauf gibt der nahe gelegene Hohlweg einen Hinweis, dessen Mächtigkeit auf ein hohes Alter schließen läßt. Er ist heute leider nicht mehr gangbar. Seine Freilegung wäre die Rückgewinnung eines Teiles unserer Kulturlandschaft - und ein Stück „live“ erlebten historischen  Weges, der wiederbelebt würde.

Eine Badestelle befand sich an der „Waag“ („Wooch“) unterhalb von Aspen, wo im Übrigen auch die Pferde gebadet wurden. Früher war es selbstverständlich, im Fluss zu plantschen.

 

Glashütte:

Von der Brücke geradeaus geht es zur Glashütte. An diese erinnert heute noch die Bezeichnung des Ortsteils „Hütte“. Im Jahr 1765 wurde in Altengronau ein Nebenbetrieb der Blaufarbenfabrik Mottgers errichtet: die Glashütte in Altengronau. Das Einrichten von Glashütten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erschien den Landgrafen von Hessen-Kassel eine einträgliche Geldquelle zu erschließen, denn Spiegel waren ein gefragtes Produkt der Zeit. So entstand die Mainzer Hütte in Rechtenbach oder die Würzburgische in Fabrikschleichach im Steigerwald.

In Altengronau versprach man sich davon auch eine „bessere Verwendung des Holzes“. Etwa 14 Personen waren mit dem Schmelzen von Glas zum Beispiel für Spiegel beschäftigt, die zur Weiterverarbeitung nach Mottgers geschafft wurden. Bis zum Ende der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts machte die Glashütte Gewinn, danach ging es bergab. Immens gestiegene Holzkosten und Absatzschwierigkeiten bewirkten den Entschluss zur Aufgabe der Glashütte im Jahr 1791.

Im Haus des Verwalters der Altengronauer Glashütte betrieb Konrad Gärtner um 1920 „auf der Hütte“ einen Lebensmittelladen. Das Anwesen ist bis heute erhalten geblieben. Links daneben steht das kleinere Haus des Hüttenmeisters. Das 30 Meter lange Werksgebäude der Spiegelglashütte ist verschwunden. Eine Steinplatte aus der Altengronauer Glashütte zum maßgerechten Zuschneiden von Flachglas befindet sich heute im Spessartmuseum in Lohr.

 

(4) Jüdischer Friedhof:

Der Weg zum Friedhof verläuft von der alten Sinntalbrücke über einen mit Sandstein gepflasterten Weg - das so genannte „Judenpflaster“ - das in seiner historischen Form heute noch erhalten ist und heute eine Verlängerung des Hüttenweg ists. Erführt zunächst ein ganzes Stück nach Süden und dann nach links hoch

Der Friedhof in Altengronau hat eine Größe von 8.887 Quadratmeter und beherbergt 1.489 Grabsteine aus der Zeit zwischen 1691 und 1937. Das Totenhaus, das zum Waschen der Toten diente, wurde 1856 erbaut. Seit der Gründung 1661 war die Gemeinde Mitglied im „Israelitischen Totenhofverband“, einem Zusammenschluss kleinerer umliegender Gemeinden, deren Verstorbene auf dem Altengronauer Judenfriedhof beerdigt wurden.

Der Friedhof ist groß, weil er Verbandsfriedhof für die jüdischen Gemeinden der Umgebung war (Altengronau, Bad Brückenau, Burgsinn, Heubach, Lohrhaupten, Mittelsinn, Oberzell, Rieneck, Sterbfritz, Uttrichshausen, Völkersleier, Zeitlofs, Züntersbach, also für Juden aus den Dörfern des nördlichen Spessart und der südlichen Rhön.  Solche Verbandsfriedhöfe waren bis ins 19. Jahrhundert üblich. Erst danach begannen jüdische Gemeinden, Land in der Nähe ihrer Ortschaften zu kaufen, um kleinere Friedhöfe anzulegen.

 

Der jüdische Friedhof wurde um 1661 / 1662 eingerichtet und ist damit einer der ältesten der Region. Das Gelände ist in einen alten und in einen neuen Teil gegliedert. Die älteste Grabinschrift für einen Altengronauer lautet: „Abraham, Sohn des Jechiel, sel. aus Altengronau, gest. 8.3.1697.“

 

Jüdische Friedhöfe werden nach biblischer Überlieferung am Wasser oder auf einem Berg angelegt. Nichts darf dort verändert werden. Deshalb werden auch die Gräber im Gegensatz zu christlichen nicht gepflegt. Kein Baum wird beschnitten, kein Blatt entfernt, kein Grab nach Jahren aufgelassen. Tote haben ein ewiges Recht auf ihren Grabplatz. Die Einfriedung dient dem Schutz des heiligen Ortes. Dass Juden keine Kränze und Blumen, sondern kleine Steine auf die Grabsteine legen, hat seinen Ursprung in der Überlieferung des Auszugs der Israeliten aus Ägypten. Tote, die in der Wüste begraben werden mussten, wurden mit Steinen bedeckt, um zu verhindern, dass ihre Körper Tieren zum Opfer fielen.

 

Die Grabsteine sind in der Regel nach Osten in Richtung Jerusalem ausgerichtet, die Reihen

der Steine sind nach Sterbedatum aufgestellt. Bis in das 19. Jahrhundert hinein blieb die Gestaltung der Grabsteine einheitlich. Als Grundform wurde die numerische Stele, die uralte orientalische Form eines aufrecht stehenden, behauenen Steines mit oben gewölbter Kante, verwendet. Grabinschriften wurden in hebräischer Schrift gehalten. Nach der Bezeichnung „Hier ruht“ folgen Name, Herkunft und Sterbedatum, am Ende dann die Inschrift T.N.Z.B.H., was „Thi Nafscho Zerurah Bizror Hachajim“ heißt und so viel wie „Seine/Ihre Seele sei dem Lebensbunde einverleibt“ bedeutet. Auf den älteren Grabsteinen wurden die Jahresangaben

nach der jüdischen Zeitrechnung vorgenommen, die 3761 vCh beginnt.

Eingemeißelte Symbole wie der Davidstern, der siebenarmige Leuchter, Trauben oder segnende Hände haben ebenso eine Bedeutung wie Tiere, Blumen und Wappen, die auf den Namen oder den Beruf des Toten hinweisen. Ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte sich das Aussehen der Grabsteine - es gab jetzt auch Säulen, Obelisken oder Minitempel – und die Aufschriften wurden nicht mehr nur in hebräischer, sondern auch in deutscher Schrift ausgeführt.

 

Jüdische Gemeinde:

Jahrhunderte lang lebten Christen und Juden im Dorf zusammen. In den dreißiger Jahren wohnten die jüdischen Familien Goldschmidt, Katzmann, Levi, Löwenstein, Mayer, Münz, Stern, Stiebel und Strauß in Altengronau. Gute Nachbarschaft, Hilfe in Not, Einkäufe und Handel der Erwachsenen waren genauso selbstverständlich wie gemeinsame Kinderspiele und Unterrichtsstunden in der Dorfschule. Die religiösen Unterschiede wurden gegenseitig respektiert.

Mitglieder der jüdischen Gemeinde wirkten als angesehene Bürger im dörflichen Vereinsleben und in der gemeindlichen Politik mit. Nach dem Ersten Weltkrieg war Benjamin Münz lange Gemeindevertreter und einige Zeit stellvertretender Bürgermeister. Außerdem betätigte er sich in der örtlichen Wohlfahrtspflege. Alfred Löwenstein war ein begeisterter Fußballspieler und amtierte viele Jahre als Schiedsrichter des Vereins.

Salomon Münz wurde 1914 zum 1. Vorsitzenden der Freiwilligen Feuerwehr gewählt. In dieser Zeit wurde „die Kameradschaft in der Feuerwehr stark gefestigt“, wie die Dorfchronik berichtet. Im Jahre 1923 wurde Salomon Münz einstimmig im Amt bestätigt, woraus zu schließen ist, dass er hochgeachtet war.

Christliche und jüdische Nachbarn zogen gemeinsam als deutsche Soldaten vaterlandsbegeistert in den Ersten Weltkrieg und ließen ihr Leben. Auch unter der NS-Diktatur lebten christliche und jüdische Familien zunächst friedlich und in Freundschaft verbunden in Altengronau. Doch das Leben wurde durch die Maßnahmen der Regierung zunehmend schwieriger. Am

9. November 1938 wurden unter dem Einfluss ortsfremder Nazis Altengronauer Juden zusammengetrieben. Man zog mit ihnen durchs Dorf und sperrte einige bis zum Abend in die Arrestzelle des Dorfes. Manche fanden dann Beistand bei ihren christlichen Nachbarn. Die einst als Bürger geachteten jüdischen Familien sahen sich nun gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die letzten 24 jüdischen Einwohner zogen in der Zeit vom 17.11.1938 bis 21.01.1939 nach Frankfurt/Main. Nicht alle konnten ihr Leben durch Flucht ins Ausland

retten. Zehn von ihnen wurden im Herbst 1941 oder im Spätsommer 1942 aus Frankfurt deportiert und an verschiedenen Orten ermordet.

Heute meint man in Altengronau: „Wir wollen die jüdischen Nachbarn nicht vergessen. Die einstige Bedeutung ihrer Synagoge bleibt Teil unserer Dorfgeschichte, desgleichen das Leid der Verfolgten und der Toten!“ Der Holocaustüberlebende Max Mannheimerdrückt es so aus: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“

 

In Altengronau bestand nachweislich seit dem 17.Jahrhundert über Jahrhunderte eine jüdische Gemeinde. Ihr Zentrum war das Geschäftshaus der Brüder Münz. Das Fachwerkgebäude in der Frankfurter Straße 3(Nähe der Kirche) wurde 1717 erbaut und war in Privatbesitz. Im Erdgeschoss befand sich der Betsaal. Er wurde vermutlich schon im 18. Jahrhundert als Synagoge genutzt und diente zugleich für den jüdischen Religionsunterricht. Im Synagogenraum gab es einen abgeteilten Bereich für die Frauen. Die Thora-Rollen wurden in einem Schrank verwahrt. Ein rituelles Bad („Mikwe“) war früher vorhanden, aber schon zur Jahrhundertwende nicht mehr in Gebrauch. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Religionslehrerangestellt, der zugleich Vorbeter war.

Im Jahre 1930 gehörte das Haus zuletzt Benjamin und Salomon Münz. Sie verkauften das Haus unter den Bedingungen zunehmender Einschränkungen und Zwangsmittel im Jahr 1936 / 1937 an befreundete nichtjüdische Nachbarn. Die Familie Münz wohnte dann noch etwa ein Jahr lang im Haus. Der Betsaal wurde weiterhin genutzt. 1938/1939 zog die Familie Münz nach Frankfurt. Die Thora-Rolle wurde vermutlich bei ihrem Auszug mitgenommen.

Der ehemalige Betsaal wurde von den neuen Hausbesitzern ab 1939 für einige Zeit als Jugendraum zur Verfügung gestellt. Diese „Spinnstube“ diente der Dorfjugend als Treffpunkt

und für Feiern. Das Haus ist nach 1945 zu dem bis heute bestehenden Wohnhaus umgebaut worden

Entwicklung der jüdischen Einwohnerzahlen Altengronaus im 19./20. Jahrhundert:

1861 36 (4,6 % von 785 Einwohnern), 1885 44 (5,2 % von 833 Einwohnern, 1895 40 (4,4 % von 891 Einwohnern), 1905 51 (5,2 % von 982 Einwohnern), 1932 46 (4,4 % von 1040 Einwohnern), 1933 39 (3,8 % von 1014 Einwohnern).

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland wurden zwischen 1933 und 1945 ausgelöscht.

Seit 1939 leben auch in Altengronau keine Juden mehr. Von den 39 im Jahre 1933 in Altengronau aufgeführten Mitgliedern der Familien Goldschmidt, Katzmann, Levi, Mayer, Münz, Löwenstein, Stern, Stiebel und Strauß sind 7 bereits 1933 in die USA ausgewandert, 2 Kinder

wurden 1936/1938 nach London gebracht, 7 Personen starben zwischen 1935 und 1938 in Altengronau. Die Übrigen wurden deportiert und vermutlich in Auschwitz ermordet.
Im März 2004 wurden in Sterbfritz und auf dem Judenfriedhof in Altengronau drei Tafeln gestiftet, die an die Ermordung der Sinntaler Juden erinnern.

 

Eine Landschaft verändert ihr Gesicht:

Der wunderschöne Blick vom jüdischen Friedhof auf Altengronau verdeutlicht uns im Vergleich mit den Fotografien auf der Tafel die Veränderungen, die die Kulturlandschaft in nur wenigen Jahrzehnten erfahren hat.Auf der schwarz-weißen Aufnahme aus der Zeit um 1900 dominiert die offene Feld und Wiesenlandschaft. Jeder Quadratmeter Boden wird genutzt. Das Dorf grenzt sich scharf von der Fläche ab.

Ganz anders wirkt der Blick bei dem Foto aus den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Landschaft ist bereits zu großen Teilen verbuscht - ein Kranz von Hecken und Bäumen umsäumt den Ort, der auf diese Weise wesentlich harmonischer in die Landschaft eingebettet scheint.

Wenn man nun zuletzt selbst den Blick auf den Ort richten, sollte Ihnen noch eine typische Veränderung der jüngsten Zeit auffallen. Richtig: Heute zieht die Leitung der Stromversorgung für die parallel verlaufende ICE-Trasse durch das Tal.

 

(3) Wasserschloß:

Vom jüdischen Friedhof geht man dann wieder zurück bis zur Brücke über die Sinn und dann nach links talabwärts, bis links die Schloßstraße abgeht. Über die Eisenbahn kommt man in ein Gewerbegebiet, das an der Stelle des Wasserschlosses errichtet wurde. Es liegt in dem Winkel, den Sinn und Gronaubach miteinander bilden.

Nach der schweren Beschädigung der alten Burg Gronau bei der Einnahme durch Hanauer Truppen im Jahr 1492 erbaute Eitel Sebastian von Hutten (gestorben 1538) im Tal unterhalb von Altengronau eine neue geräumige Burg. Das etwa 8¼ Morgen (etwa zwei Hektar) große Gelände war von Wassergräben umgeben, über eine Zugbrücke zugänglich und bebaut mit Wohnhaus, Fruchthaus (Fruchtspeicher zur Ablieferung des Zehnten durch die Untertanen), Pulverhäuschen, Scheunen und Ställen. Das Haupthaus mit einem Küchengarten war innerhalb dieser Anlage von einem weiteren Wassergraben umgeben und verfügte über eine Mauer mit Schießscharten, von der heute noch Reste vorhanden sind. In der Wand neben dem Treppenturm ist ein Wappenstein mit der Jahreszahl 1551 eingelassen, der wahrscheinlich als Schlussstein eines Einganges der Wasserburg gedient hatte.

Im Jahre 1527 bezog Eitel Sebastian das „Neue Haus“ mit seiner Frau Margarete von Boy­ne­burg‑Lengsfeld und stellte es noch im gleichen Jahr unter hessischen Schutz. Sie vererbten es ihrem Sohn Sebastian, der mit Elisabeth von Küchen­meister aus Wächtersbach vermählt war. Als nächste Besitzer werden Georg Friedrich, Sohn des Sebastian, und seine Frau Amalie von Berlichingen genannt. Danach liegt die Geschichte der Burg fast dreihundert Jahre im Dun­keln. Bereits im Dreißigjährigen Krieg wurde sie zerstört. Der letzte Bewohner war 1641 Georg Friedrich von Hutten, der Enkel des Erbauers, der kinderlos blieb. Seine Gruftplatte ist an der Südseite der Kirche angebracht.

Danach stand das Schloss zeitweilig leer. Zwischenzeitlich befanden sich eine Papiermühle, eine Försterwohnung und Bauernhöfe auf dem Gelände. Haupthaus und Fruchthaus wurden zu Wohnzwecken genutzt. Auf der historischen Karte des Amtes Schwarzenfels von 1736 ist der Grundriss des Wasserschlosses von Altengronau genau abgebildet. Erhalten blieben das im 18. Jahrhundert erneuerte zweistöckige Haupthaus von 1551 und das Fruchthaus. Die Burg war auch noch bis in die neuere Zeit von zwei Wassergräben umgeben und bis zum Jahre 1832 soll sie als ganzes Vorwerk bestanden haben. Verfallene Mauerreste inmitten großer Steine sind noch in der Nähe der Wasserburg zu sehen. Die Gebäudereste dienten zunächst als Basis für einen Mühlenbetrieb.

Die Lage des Schlosses an Sinn und Gronaubach sowie die Anbindung Altengronaus an die Bahnlinie von Jossa nach Brückenau im Jahr 1890 ermöglichten die Ansiedlung eines Wirtschaftsbetriebes in der Steinbearbeitung. Im Jahre 1898 kaufte Christian Gerhäuser den Großteil des Wasserschloss-Geländes und errichtete die „Marmorwerke Altengronau“. Marmorblöcke, die mit der Bahn angeliefert wurden, wurden hier (anfänglich Bercher & Gerhäuser) geschliffen und bearbeitet und an die Auftraggeber ausgeliefert. Das Unternehmen florierte, so dass der Betrieb in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter der Leitung von Walter Gerhäuser erweitert wurde.

Es war eine Steinbearbeitungsfabrik größeren Ausmaßes. Die Industrieanlagen überlagerten die historischen Überreste bis auf wenige Ausnahmen. Die Firma verfügte über bis zu drei Privatgleisanschlüsse an die Bahnverbindung Jossa - Bad Brückenau. Im Jahr 1977 betrug das Frachtaufkommen 11.280 Tonnen. Als die Firma am 31.12.1985 in Konkurs ging, wurden die Gleise von der Nachfolgefirma Marmor Sandstein Granit GmbH & Co. Betriebs KG übernommen. Der Betrieb ist seit mehreren Jahren geschlossen. Die Gleisanschlüsse sind noch vorhanden, werden jedoch nicht mehr genutzt.

Das nochmals veränderte Bauwerk wurde im 20. Jahrhundert eine Zeitlang von dem Arzt Dr. Ernst Volth bewohnt und gehört heute dem Fabrikanten Dipl. Ing. W. Gerhäuser. Eine Besichtigung ist nicht möglich.  

 

Die Eisenbahnlinie Jossa-Bad Brückenau:

Nach Anfängen in der Zeit um 1868 wurde auf Betreiben des Brückenauer „Eisenbahn-Komitees“ 1887 von der bayerischen Abgeordnetenkammer in München wegen dem „Nothstand der Bevölkerung“ wegen „geringer Bodenergiebigkeit“ und „Mangel sonstigen Verdienstes“ der Bau der Eisenbahnlinie von Jossa nach Brückenau beschlossen. Ziel war die Förderung der regionalen wirtschaftlichen Lage durch Transportmöglichkeiten für Bodenschätze wie Sandstein und Schwerspat. Es folgten langwierige Verhandlungen mit den preußischen Behörden über die Streckenführung, denn 12,4 Kilometer der geplanten Strecke verliefen auf bayerischem, 4,6 Kiliometer auf preußischem Gebiet.

Nach der Eröffnung der Strecke am 15.10. 1891 legten fünf Zugpaare in einer Stunde Fahrtzeit regelmäßig die Strecke von Jossa über die Haltestellen Altengronau, Zeitlofs, Trübenbrunn, Rupboden, Eckarts, Wernarz, Bad Brückenau und Sinnthalhof nach Stadt Brückenau zurück, die 1908 bis Oberwildflecken auf 30,87 Kilometer verlängert wurde. Die Eisenbahnlinie Jossa-Oberwildflecken war (mit Jossa als wichtigem Knotenpunkt an der Schienenstrecke von Norden nach Süden) bis in die sechziger Jahre ein bedeutendes Verkehrsmittel der Region. Dann begann wegen fehlender Wirtschaftlichkeit der Abbau durch die Bundesbahn, der Personenverkehr wurde 1988 eingestellt.

Zunächst eingerichtet als „Bahnagentur Altengronau“ erfolgte 1938 die Einstufung als „Bahnhof“. Nach der Sprengung der Brücke bei Jossa durch deutsche Truppen im Jahr 1945 blieb Altengronau bis zur Brückeneröffnung 1951 Endbahnhof für die Strecke von und nach Brückenau-Stadt. Als 1985 die Marmorwerke Gerhäuser Konkurs anmeldeten, ging einer der letzten großen Kunden im Güterverkehr verloren und die Bedeutung der Haltestelle Altengronau nahm weiter ab, bis 1988 mit einer letzten Fahrt des „Rhön-Expresses“ der Personenverkehr auf der gesamten Bahnstrecke eingestellt wurde. Noch im Jahr 2001 wurde aus den umliegenden Waldungen Holz für Exporte nach Österreich oder Skandinavien verladen.

 

 (5) Schachblume:

In Richtung Jossa geht es vor dem Eisenbahnviadukt nach links ab zum Parkplatz an der Kläranlage. Hier ist die Mündung der Jossa in die Sinn. Von dort geht man über die linke Brücke auf die Sinnwiesen. Hier in den Feuchtwiesen des Naturschutzgebietes im Sinngrund

findet sich das größte zusammenhängende Vorkommen der Schachblume in Deutschland, die sonst nur noch im Hamburger Raum in größeren Vorkommen erscheint

Die Lilienart Schachblume (lateini­scher Name: fritillaria meleagris) verdankt ihren Namen der schachbrettartig gemusterten, purpurfarbenen Blüte. Sie heißt auch Kiebitzei oderKuckucksei. Sie blüht Ende April / Anfang Mai. Aus diesem Anlaß findet in Altengronau alljährlich das Schachblumenfest statt, zu dem die Landfrauen traditionell am letzten Sonntag im April zum Schachblumenfest an der Grillhütte einladen

Bei erwach­senen Pflanzen steckt die Zwiebel etwa 20 Zentimeter tief im Boden, sie wird 15 ‑ 30 Zentimeter hoch. Die Blüten sind glocken­artig, werden 3,5 Zentimeter lang, scharlachfarbig und schachbrettförmig mit hellen Flecken besetzt. Sie wird hauptsächlich durch die Insek­tenbestäubung von Bienen und (Erd-) Hummeln verbreitet, aber auch durch Überschwem­mungen. Von der Samenkeimung bis zur ersten Blütenbildung vergehen sieben bis acht Jahre. Die Pflanze wird mehr als 30 Jahre alt.

Das „einmalige“ Naturschau­spiel ist von kurzer Dauer. Nur etwa fünf` Tage öffnet das seltene Liliengewächs sei­nen schachbrettartig gemusterten Kelch. Da nicht alle Pflanzen ihre purpurfarbene Blüte gleichzeitig entfalten, ist die Pracht auf den Schachblumenwiesen bis Anfang Mai zwei Wochen lang zu bewundern.

Vier bis fünf Millionen Exemplare sind es in diesen Sinnwiesen bei Altengronau (andere Angabe: 10 Millionen Pflanzen).  Auf keinem anderen Fleck in Mitteleuropa existieren vergleich­­bare Vorkommen wie in dem 72 Hektar großen Naturschutzgebiet. Warum die Schach­blumen an der Sinn üppig blühen, aber ein paar 100 Meter weiter an der Jos­sa nicht mehr, weiß kein Mensch.

Die Pflanzen werden bei Überschwemmungen allein durch die Sinn mit Nähr­stoffen versorgt. Die daher mageren Wiesen bieten der Schachbrettblume einen idealen Lebensraum. Durch Stickstoffdüngungsverzicht und späte Mahd werden die Auwiesen vertraglich geschützt. Die Pflanze steht auf der Roten Liste.  Damit sie nicht im Konkurrenzkampf mit anderen Pflanzen untergeht, muß die Wiese geschnitten werden. Die Kooperation mit den Landwirten hat die erheblichen Bestandsrückgänge Ende der siebziger Jahre gestoppt. Auf ei­nigen Flächen sind zuletzt wieder Zunah­men zu verzeichnen gewesen.

Führungen ver­mittelt das Hessische Forstamt Sinntal, Telefon 06665 / 96100. Die HGON hat ein Faltblatt über die Schachblume veröffentlicht, das über Vorkommen, Besonderheiten und Be­standspflege der seltenen Pflanze infor­miert. Es ist gegen eine freiwillige Spende von zwei Euro beim Arbeitkreis Main‑Kin­zig der HGON, Gartenstraße 37, in 63517 Rodenbach, Telefon 06184 / 56160, oder un­ter der E-Mail‑Adresse hgon.mkk@t‑online. de erhältlich.  

Siehe auch; Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis, Seite 48 und 149. Struth von Altengronau: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 152.

 

Der Biber:

Seit Ende 1980 wurde der Biber im Hessischen Nordspessart wieder eingebürgert. Seitdem hat er sich stetig vermehrt und auch um Altengronau sind inzwischen vielfach die Spuren seiner Anwesenheit festzustellen. Obwohl das Tal vollständig von Menschenhand gestaltet ist, hat sich hier der Biber, der um 1990 ausgesetzt wurde, stark vermehrt. Um einen Biber zu beobachten, braucht man allerdings ein viel Zeit und ebenso viel Glück, denn er ist dämmerungsaktiv

 

Wässerwiesen:

Es gibt einen Rundweg „Die Wässerwie­sen im Spessart“. Auf der Sinnwiese kann man auch die frühere Wasserwirtschaft an der Jossa studieren: Wiesenfähiges Land gab es in den Talsohlen der Spessartbäche flächenmäßig nicht viel. Vom Gras‑ und Heu-Ertrag aber hing das Wohlergehen der Landbevölkerung ab. Da dieses Land jedoch bei einfacher Bewässerung zur Verdichtung neigt, mußte eine Lösung gefunden werden. Da hatte Bauer Künstler aus Fellen eine gute Idee, die bald auch im Jossatal nachgeahmt wurde: Er entwickelte die „Rückenwiese“. Das Wasser aus den Bächen und Quellen an den Hangfüßen wurde durch massive Bewässerungswehre angestaut und durch Hauptzuleiter zu den zu bewässernden Parzellen geführt. Von diesen aus regulierte man mit Schiebern vor den abzweigenden Verteilern den Wasserfluß außerhalb der einzelnen Parzellen. Zwischen je zwei Verteilern befindet sich ein Ableiter, der überschüssiges Wasser wieder dem Bach oder, je nach Lage, das Wasser einer tieferen Wiese zuführt. Die Wiesen wurden niemals künstlich gedüngt, da genug Mineralstoffe im Bachwasser gelöst waren.

Die Anlage der Wiesenrücken ‑ eine beachtliche körperliche Leistung ‑ der Gräben, der Wehre und deren Unterhaltung war Angelegenheit jedes einzelnen. Wahrscheinlich hat man sich, wie es in Dörfern üblich ist, gegenseitig geholfen. Die Arbeiten im Jahresablauf gestalteten sich folgendermaßen: Im Herbst öffnete der Wieseneigentümer in Handarbeit mit dem Wiesenbeil die zugewachsenen und zugeschlämmten Gräben und löste den Aushub mit einer Blatthacke. Der Aushub wurde gleichmäßig auf dem Rücken verteilt. Die im Herbst einsetzende Bewässerung sorgte für ein ausgeglichenes Kleinklima, deshalb wuchs das Gras im zeitigen Frühjahr viel früher als normal. Die Bewässerung ermöglichte normalerweise eine dreimalige Mahd im Jahr, die mit der Sense vorgenommen werden mußte. Wenn ein gleichmäßig temperiertes Quellwasser auf kurzem Wege den Bewässerungsgraben zugeleitet werden konnte, dann gaben die Wiesen auch mehr als drei Schnitte her. Im Sommer wurde nicht permanent gewässert, da die Tagesbewässerung bei starker Sonnenstrahlung dem Gras nicht gut bekam (Kinzig, Seite 94).

Solche Wiesen gibt es heute noch am Sahlensee bei Mernes, Kirschwiesen bei Marjoß, Müsbrücke und Rückesteg, am Westernbach, Westerngrund von Neuengronau und Breunings, die großen Wiesen von Mottgers und die Struth von Altengronau (siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Hanau, Seite 25).

 

Kulturweg Altengronau „Im Land der Ritter von Hutten“ (5 Kilometer)

Der Kulturweg Sinntal-Altengronau wurde schon einmal bearbeitet, jetzt aber noch mit weiteren Informationen erweitert. Der Rundweg führt vom Kirchplatz mit einem kurzen Abstecher zur Alexanderburg zum alten Wasserschloß / ehemalige Steinverarbeitungs-Fabrik. Über den traditionellen Weg wird einem der ältesten jüdischen Friedhöfe der Region erreicht. Dem jüdischen Leben in Altengronau ist auch die Starttafel gewidmet. Wieder zurück im Sinngrund wird der Blick auf ein hier heimisches Tier- und Pflanzenpaar gerichtet: auf die Schachblume und den Biber. Abschließend folgt ein Blick auf die Altengronauer Spiegelglashütte, die hier zwischen 1765 und 1791 produziert hat., und den Ortsteil Aspen. Wieder zurück im Talgrund wird in der Blütezeit der Blick auf die heimische Pflanzenwelt gerichtet, nämlich auf die Schachblume.

 

Fünf Stationen führen durch die Kulturlandschaft von Altengronau:

Station 1: Im Lande der Ritter von Hutten / Altengronauer Synagoge

Station 2: Die Huttenburg - ältester bekannter Sitz der Freiherrn von Hutten

Station 3: Vom Wasserschloss zur Fabrik

     Industrielle Erschließung im Sinntal kam mit der Bahn

Station 4: Jüdischer Friedhof - seit über 300 Jahren Teil der Altengronauer Kulturlandschaft

Station 5: Aspen und Schachblume - Die Landschaft in der Talaue

 

 

 

Neuengronau

Neuengronau wird erstmals 1295 als „Nuwen­gronouwe“ erwähnt. Im Jahre  1396 wird ein Pfarrer in Neu­engronau genannt. Die Pfarrei Neuengronau wird erstmals 1453 erwähnt. Sie war eine Tochtergemeinde von Ramholz. Die Umwandlung in eine selbständige Pfarrei bleibt einstweilen im Dunkeln. In den Kir­chenbüchern wird berichtet, daß der Umfang der Pfarrei zu verschiedenen Zeiten unter­schiedlich groß war. Vor 1453 war er gewiß sehr groß, denn damals gehörten auch Zeitlofs, Roßbach, Weißenbach und die im Sinngrund aufwärts gelegenen Orte dazu.

Ein Zeugnis aus jener Zeit hat sich bis heute in den Bezeich­nungen „Kirchweg“ und „Pfaffensteg“ erhalten. Der „Kirchweg“ führte von Neuengronau über den Moosrain, den heutigen Brunnenweg, die Schulstraße, Gasse über den alten Keller, schräger Burgweg (alte Landstraße) - „Pfaf­fensteg“ (heutige Brücke über die Schmale Sinn nach Zeitlofs). Dieser Steg kann nur dem Fußverkehr zwischen Neuengronau-Altengro­nau und Zeitlofs und zwar in erster Linie dem Pfarrer gedient haben. Im Jahre 1453 wurde Zeitlofs zur selbständigen Pfarrei erhoben.

Die Pfarrei Neuengronau war viele Jahre ver­waist. Nach der Chronik wurde in den Jahren 1653 - 1665 das gänzlich zerfallene Pfarrhaus, aus dessen Trümmern heraus Bäume wachsen, wieder hergestellt, ebenso die verwüstete Kir­che. Im Jahre 1663 wird Israel Rosa, früher Stiftsadjunkt in Rotenburg an der Fulda, von Landgraf Wil­helm VII. von Hessen zum Prediger nach Neu­engronau berufen, wo seit 24 Jahren kein Pfar­rer mehr gewohnt hatte. Er soll „Kirchenwe­sen und Disziplin wieder herstellen“. Im glei­chen Jahr wird erstmals namentlich der Schulmeister genannt: Carl Muth.

In der Zeit von 1778 ‑ 1780 entstand die einfache barocke Kirche des Ortes. Eine Vor­gängerin des Gotteshauses war eine Basilika aus dem Jahre 1167. Durch den Kirchturm gelangt man in das Gotteshaus. Links des Eingangs fährt eine Treppe zu den Emporen, die sich an der Süd, West‑ und Nordseite des Gotteshauses befinden. Hinter dem Altar steht auf der Nordempore die Orgel, die von der Firma Wilhelm Ratzmann  (Gelnhausen) 1906 gebaut und 1970 umgebaut wurde. Rechts vom Altar befindet sich eine alte Kanzel. Das 1947 gemalte Deckengemälde zeigt den auferstandenen Christus.

Weinberg von Neuengronau:

Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 154.

Westerngrund von Neuengronau und Breunings:

Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 157.

 

Breunings

Breunings ist in der Zeit zwischen 800 und 900 entstanden, und zwar siedelten hier im Zuge der sogenannten  Karolingischen  Kolonisation Franken aus der Gegend von Hammelburg. Erst im Jahre 907 wird Breunings als „Prunin­ges“ erstmals urkundlich erwähnt. In einer wei­teren Urkunde aus dem Jahre 950 tauscht das Kloster Fulda von Brun, dem Bruder Kaiser Otto I., Güter und Hörige unter anderem in Breunings. Von Breunings, Sannerz und Weipers sind 300 „iur­nales“, das sind 600 Morgen Land, an das Klo­ster Fulda gekommen. Mit welchem Anteil Breunings beteiligt war, wird urkundlich nicht auseinandergehalten.

Die nächste Urkunde ist 40 Jahre älter und stammt aus dem Jahre 1351, in der man von einem Adeligen „Göpel von Breunings“ hört, der einen Mauerhaken in seinem Wappen führt. Im Jahre  1357 wird ein „Gerlach von Breunings“ erwähnt. Urkunden des ausge­henden 14. Jahrhunderts wissen noch von zwei Adeligen, „Abel von dem Berge“ und „Heinz auf dem Berge“ zu berichten. Hier hat sich der Name Bruninges bereits in Brunges ge­wandelt.

Während Breunings noch 1453 zum Gericht Gronau gehörte, ist es bereits 1493 dem Gericht Schwarzenfels zugeteilt und hat seine Mal- und Gerichtsstätte auf der Breiten-First zwi­schen Weichersbach und Grundhelm. Im Jah­re 1510 wird erwähnt, daß der Vater Ulrichs von Hutten die Wüstung Brunges wieder bauen und besetzen ließ und die Bauern ihm zins­pflichtig waren. Eine Siedlung war beim karo­lingischen Landesausbau entstanden und dann wieder untergegangen. Später wird von Breunings noch berichtet, daß um die Jahre 1725 - 1730 viele Einwohner nach dem neu ent­standenen Jossa übersiedelten. Im Jahre 1747 brachten durchziehende kaiserliche Truppen das kleine Dorf in mancherlei Nöte, wie die Ein­tragungen in den Kirchenbüchern nur andeu­ten.

Die Grafen von Degenfeld hatten seit 1731 in Breunings erheblichen Besitz, der Hof verfüg­te nach Zukäufen über 92 Hektar. Solange der Hof bestand, war Breunings eine arme Gemeinde, denn die besten Grundstücke waren Hofgut. Nach mehrmaligem Wechsel ging das Hofgut schließlich am 20.01.1894 für 60.000 Reichsmark in Gemeindebesitz über. Dies war für die künf­tige Entwicklung der Gemeinde entscheidend.

Der Ort hatte seit 1720 einen Betsaal. Im Jahre 1953 wurde die Friedenskirche erbaut, ein modernes Gotteshaus, das  im unteren Geschoß einen Raum für Veranstaltungen hat. Der Turm mit einem Walmdach hat an seiner Spitze ein zwei Meter hohes Kreuz. Auffällig ist die Wandmalerei im Chorraum der Kirche, die das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen darstellt. Neben dem Kreuz in der Mitte des Gotteshauses ist auch ein Taufbecken aus massivem Holz vorhanden. Glasmalereien zieren die Fenster links und rechts vom Altar. Im Jahre 1968 wurde durch die Firma Willi Peter (Köln) eine Orgel auf der Chorempore aufgestellt.

 

Hohe Wiese und Steinfirst bei Breunings: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 136

 

 

Die Biber am Willingssee:

Das Dorf liegt westlich der Straße, aber hinter dem Dorf geht es nicht weiter. Man orientiert sich am Hinweis zum weit außerhalb gelegenen Gasthaus „Waldesruh“.  Man fährt zuerst in den Ort hinein und dann nach Süden. Den letzten Abzweig zum Gasthaus ignoriert man, fährt nicht links, sondern geradeaus, passiert auf dem nun sehr schmalen landwirtschaftlichen Weg noch zwei Gehöfte und gelangt zum Parkplatz Willingsgrund (Auf den zur Zeit im Buchhandel verkauften Wanderkarten ist der „Winkel‑Weg“ in diesem Bereich mit einem ganz anderen Verlauf eingezeichnet).

Am Willingssee hat die Forstverwaltung einen Biber‑Informationspfad rund um den kleinen See angelegt. Der mit fünf Schautafeln ausgestattete Lehrpfad des Forstamts Altengronau bie­tet einen Einblick in das Leben einer Tier­art, die wie keine zweite ganze Landschaf­ten umgestalten kann.

Die Tafeln skizzieren nicht nur das Ver­halten der Biber, ihre Wohnbauten, ihre Fähigkeiten ganze Landschaften umzu­bauen. sondern geben auch einen Über­blick über die bevorzugten Lebensräume: abwechslungsreiche Landschaften Ufer­säume mit krautiger Deckung bietender Vegetation und natürlich die Weichhölzer wie Erle und Weide, die er fällt, um an die nahrhaften Zweige heranzukommen. Schade, daß genau diese Tafel am Rande eines monotonen Fichtenstangenwaldes aufgestellt wurde. Auch Tips, wie sich Obstbaumbesitzer gegen die Nager schüt­zen können, gibt der Lehrpfad, vor allem aber eine Rat: „Verweilen Sie in Ruhe! und nehmen Sie außer neuen Eindrüc­ken nichts anderes mit!“ Den scheuen Nager am neuen Lehrpfad am Willingsgrund­weiher wird nur derjenige zu Gesicht bekommen, der mit Ruhe und Ausdauer, vor al­lem aber mit Fernglas und abends ansitzt.

Die Biber waren bis zum Ausgang des Mittelalters in den hessischen Mit­telgebirgen heimisch.

Der Biber war lange Zeit in Hessen verschwunden. Die letzten Tiere gab es 1596 in Stockstadt an der Gersprenz und 1684 an der Werra. Verschwunden ist der Biber nicht durch den Verlust seines Lebensraums. Sie wurden ausgerottet: als vermeintliche Fischräuber (sie sind Vegetarier), als Fastenspeise (aus lauter Scheinheiligkeit bekamen sie sogar einen Schuppenschwanz angemalt, um sie besser als Fische ausgeben zu können), wegen ihres Fells und des Sekrets der Bibergeildrüse, dem „Bibergeil“, dem potenzsteigernde Wirkung zugeschrieben wurde.

Im Jahr 1987 hat das hessische Forstamt die  Biber von der Elbe gekauft, erst sechs, ein Jahr später zwölf Tiere und an der Jossa ausgesetzt. Stolzer Stückpreis 6.000 Mark. Es gibt auch heute noch leichte Zweifel, ob die Elbe‑Biber sich im Spessart auf Dauer ausbreiten können oder ob sie nicht viel­leicht doch noch aufgrund einer zu schma­len genetischen Ausstattung Opfer einer Inzucht‑Depression werden und letztlich eingehen. Derzeit scheint alles bestens zu laufen: Um die 120 Biber leben heute wieder in Hessen und dem angrenzenden bayeri­schen Gebieten von Sinn und Fränkischer Saale.

Aus den 18 Bibern, die in den Jahren 1987 und 1988 im hessischen Spessart angesiedelt wurden, seien inzwischen etwa 600 Tiere geworden. Rund 250 davon lebten in Hessen, rund 350 in Unterfranken. In Hessen gebe es Biber in den Landkreisen Main-Kinzig, Fulda, Hersfeld-Rotenburg, Offenbach, Wetterau und Dieburg. „Der Biber wird bald auch in den Odenwald, in den Kreis Gießen und in das Lahnsystem, in den Vogelsbergkreis, in die untere Fulda und im Schwalm-Eder-Kreis in die Eder vordringen. 

Die Ansiedlung kann durch attraktive Auenbereiche gefördert werden. Der Biber benötige Uferflächen mit Stauden und Gehölzen wie Weiden und Pappeln. Nur bei genügend Nahrungsangebot wird er seßhaft und zieht nicht weiter. Die Förderung von Auwald­entwicklung sei aber sehr viel einfacher, wenn der Biber noch nicht da sei. Sei er erst einmal da, würden die Gehölze rasch abgefressen. Durch den Bau von Biberdämmen, der Anlage von Biberseen, Initiierung von Uferabbrüchen und der Schaffung von Totholz im Auenbereich schafft der Biber neue Strukturen, die vielen anderen Tieren zugute kommen. So profitieren Fische, Libellen, Frösche und Kröten von den neu geschaffenen Teichen. Wasservögel oder der Schwarzstorch können dort Nahrung finden. In Uferabbrüchen nisten Eisvögel, in toten Uferbäumen Spechte oder die Weidenmeise. Die Artenvielfalt in Biber-Lebensräumen nimmt deutlich zu.

Inzwischen bewegt die Experten schon eine ganz andere Sorge: Wie läßt sich verhindern, daß, wenn die Wande­rung etwa in Richtung Fulda voranschrei­tet, der Biber nicht wieder unter Verfolgungsdruck gerät, weil er hier und da Wiesen unter Wasser setzt, Wohnbauten unter ufernahen Wegen anlegt, Fischtei­che anbohrt oder in Kläranlagen Schäden anrichtet?

Nach wie vor lebt das Gros der Biber‑Familien in der unmittelbaren Gegend jenes Ortes, an dem ihnen die Zoologen ein zunächst provisori­sches Quartier ga­ben. Und dort versuchen die Förster jetzt mit einer an­schaulichen Information, Spaziergän­gern mehr über den Biber nahezubrin­gen. Der Ort ist gün­stig gewählt, denn mitten auf der Insel im Willingsgrund­weiher lebt eine Bi­ber‑Familie: Genug Distanz zwischen Beobachtern und Nagern, aber auch wieder nah genug, um mit einem guten Fernglas in der Dämmerung das Pelztier zu erspähen. Der Weg rund um den Weiher mit sei­ner Biberburg nimmt nur zehn Minuten in Anspruch.

Westlich des Sees liegt das Naturschutzgebiet Ratzerod. Die Wiesen des Ende des 15. Jahrhunderts wegen der Pest ausgerotteten Dorfes wer­den teilweise heute noch landwirtschaftlich genutzt (Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite  49 und 144).

 

 

 

Sinngrund  und  Sindersbach

 

Obersinn

Oberhalb von Obersinn ist ein Naturschutzgebiet. In der Pfarrkirche ist eine Relief­figur des heiligen Wolfgang (mit Einflüssen der Riemenschnei­der-Schule).

 

Mittelsinn

Evangelisch-lutherische Kirche aus dem frühen 14. Jahrhundert, darin eine Orgel mit Rokoko-Muschelwerk-Schmuck und Flachschnitzereien (Man muß dazu in den Ort hineinfahren, aber auf dem gleichen Weg auch wieder zurück)

 

Burgsinn

Der Ort wurde 983 als „Sinna“ beurkundet. Die Freiherren von Thüngen, denen das Dorf im unteren Sinntal vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis 1816 ge­hörte, ließen sich hier nicht weniger als drei Wohnstätten bauen:

 (1) Das Neue Schloß sieht man, wenn man von Mttelsinn kommt, links ein we­nig erhöht am Nordrand des Ortes (hinfahren kann man über die links abbiegende Bahnhofstraße und dann wieder links in die Schloßallee. Der Spätrenaissancebau von 1620 hat schöne Terras­sen­gärten und einen hübschen Park.

(2) Die Wasserburg ist das älteste freiherrliche Gebäude. Sie liegt am Ende der Mittelsinner Straße und am Beginn der Hauptstraße auf der linken Seite in einem Park. Das Gelände der Burg kann man aber nicht betreten. Der 22 Meter hohe Bergfried stammt aus dem 10. Jahrhundert. Die Befestigungsanlage mit Ecktürmchen ist von 1339, das Wohn­haus mit Treppenturm an der Ostseite ist von 1543. Der Rest der Anlage wurde vom 14. bis zum 18. Jahrhun­dert mehrfach um‑ und aus­gebaut; sie wirkt noch heute reizvoll.  Nach Norden zu stehen noch zwei Reste von Wehranlagen, in einem Turmstumpf ist das Wappen des Ortes gepflanzt und erläutert: Das Widderhorn auf goldenem Grund ist ein gemindertes Wappen der Voit (Vögte) von Rieneck, die einen Widder im Wappen trugen.

 (3) Das Fronhof‑ Schlöß­­chen erreicht man, wenn man kurz vor dem südlichen Ende der Hauptstraße nach rechts in die Mühlenstraße abbiegt und an der Aura entlang nach links in die Kreuzstraße einbiegt Dort steht rechts an der Ecke Schlöderstraße das Schloß. Es ist geziert mit einem hübschen Renaissance­-Erker und einem runden Trep­pentürmchen von 1607. Es war Witwensitz der Philippine von Thüngen. Ein Stück weiter trifft man auf die Fellener Straße, in die man nach links abbiegt, um dann nach rechts abzubiegen und durch den Torturm am Südausgang des Ortes zu kommen. Außer ihm gibt es nur noch ein Stück der Ringmauer

Heute ist Burgsinn eine Verwaltungsgemeinschaft mit 6.825 Einwohnern, die aus fünf selbständigen Gemeinden besteht. Sitz ist Markt Burgsinn mit rund 2706 Einwohnern. Die weiteren dazugehörigen Gemeinden sind: Aura im Sinngrund (1093 Einwohner), Fellen (957 Einwohner), Mittelsinn (950 Einwohner) und Obersinn (1109 Einwohner).

 

Rieneck

Im Sinngrund, von Wald umgeben, liegt das historische 1200 Jahre alte Städtchen Rieneck mit 2.300 Einwohnern. Zur Burg Rieneck kommt man, wenn man nach der Rechtskurve dem Wegweiser folgt und den steilen Schloßberg hinauffährt. Allerdings ist der Parkplatz schon gleich hinter dem ersten Haus. Der Parkplatz weiter oben ist nur mit Sondergenehmigung zu benutzen. Burg Rieneck wird heute von den Christlichen Pfad­findern benutzt, doch man darf sich ausdrücklich in dem Bauwerk umschauen.

Die Burg wurde um 1160 unter Ludwig von Rieneck als Stammsitz der Grafen von Rieneck erbaut. Im Jahre 1559 starb das Geschlecht aus. Kurmainz verkaufte 1673 die Hauptmasse an die böhmischen Grafen von Notsitz zu Falkenstein. Aber die Anlage verfiel. Im Jahre 1860 erfolgte eine neugotische Wiederherstellung. Burgkapelle, nördlicher und östlicher Bergfried sind erhalten ge­blieben. Im 19. Jahrhundert später wurde die Burg neugo­tisch restauriert ‑ was allen (außer feinfühligen Kunsthi­storikern) durchaus gefällt, zumal die Anlage inzwi­schen wieder reichlich Zeit hatte, Patina anzusetzen­.

Der „Dicke Turm“ wurde 1168 von Ludwig I. von Rieneck erbaut. Der 19 Meter hohe Turm ist außen unregelmäßig siebeneckig und innen regelmäßig achteckig. Die Mauerstärke beträgt zwischen vier und acht Meter. Im dritten Geschoß befindet sich eine romanische Mauerkapelle in Kleeblattform. Sie ist die einzige aus dieser Bauperiode auf dem euro­päischen Kontinent, die in Kleeblattform angelegt wurde. Den Schlüssel dazu erhält man im Büro neben dem Turm.

Wenn man wieder den Schloßberg hinunter fährt, und nach rechts abbiegt, steht gleich links das Rathaus, an dem noch das Halseisen vom ehemaligen Pranger bau­melt. Dieser ist der letzte Rest des Centgerichts Rieneck, das auch zum Tod verurteilen durfte. Gleich daneben steht Haus auf Säulen (drei vorgebaute Holzsäulen). Wenn man aus dem Ort herausfährt ist links Herrgottsberg mit der Kreuzkapelle. Wanderfreunden steht ein großes Wanderwegenetz zur Verfügung, besonders zu erwähnen ist der Nonnenpfad, ein mittelalterlicher Weg zum Kloster Schönau, südöstlich von Rieneck.

 

Zollberg

Auf der Höhe südlich von Schaippach ist eine ehemalige Zollstation zwischen Kurmainzer und Würzburger Hochstift. Ein Stück weiter auf dem charakteristischen Bergkegel des Einmals befindet sich der „Ehrenfriedhof“ von Langenprozelten, ein Soldatenfriedhof mit einer Kapelle.

Jetzt muß  man erst bis Langenprozelten fahren (Seite Main Ost), dann nach Westen  und Nordwesten   nach Ruppertshütten.

 

Sin­dersbach‑Stausee

Kurz hinter Langenprozelten geht nach rechts  die Straße nach Ruppertshütten ab. In diesem Tal liegt der Sin­dersbach‑Stausee,  das Pumpspeicherkraftwerk Langenprozelten. Zuerst kommt man zu einem kleinen schmalen See, dann zum großen See. Die Bahn AG gewinnt hier seit 1976 mit einem zweiten Stausee auf der Höhe des Sackenbacher Forsts elektrischen Strom. Tagsüber wird das Wasser auf den Berg gepumpt, um morgens mit dem abfließen­den Wasser Strom für das stark belastete Netz im Berufsverkehr gewinnen zu können. Beim großen Stausee muß man aufpassen, denn es geht erst ein Weg hinab zur Staumauer, dann kommt eine Bushalte­stelle und erst dann der  Wanderparkplatz.

 

Daten zum Bauwerk:

Bauzeit: 1971 – 1975

Höhe über Talsohle: 17 Meter, Höhe über Gründungssohle: 18 Meter,

Höhe der Bauwerkskrone: 536,40 Meter ü. NN

Bauwerksvolumen: 680.000 Kubikmeter

Kronenlänge: 1311 Meter, Kronenbreite: 4 Meter

Höhe des Stauziels: 534,40 Meter  ü. NN bzw. höchstes Stauziel 535,40 Meter  ü. NN

Wasseroberfläche bei Vollstau: 11,6 Hektar

Speicherraum: 1,675 Millionen Kubikmeter

Maximales Energiespeichervermögen 950 MWh

Technische Daten:

Das Wasserkraftwerk hat mit seinen zwei Francis-Pumpturbinen eine Leistung von 160 MW. Das Oberbecken liegt etwa 300 Höhenmeter oberhalb des Unterbeckens und ist mit diesem durch einen etwa 1,3 Kilometer langen Stollen verbunden. Die maximale Fallhöhe ist 320 Meter. Das Oberbecken hat ein Fassungsvermögen von etwa 1,5 Millionen Kubikmeter.

Das im Unterbecken gestaute Gewässer ist der Sindersbach. Er führt im Sommer meistens kein Wasser. Deshalb wird bei Bedarf aus einem weiteren Rückhaltebecken, das 1,2 Kilometer unterhalb des Unterbeckens liegt, Wasser hochgepumpt. Beide Absperrbauwerke (Ober- und Unterbecken) sind Steinschüttdämme mit einer Asphaltbeton-Außendichtung.

 

Katharinenbild

Südwestlich des Unterspeichers ist das Katharinenbild, ein Marterlstock mit Glasbild. Auf der Orientierungstafel sieht es so aus, als ginge der Weg in der Mitte des Unterspeichers los. Laut topographischer Karte geht der Weg aber erst am Parkplatz gegenüber dem Pumpspeicherwerk los. Man geht hoch über den Forstweg hinweg und noch vor dem zweiten Forstweg nach rechts und immer weiter über einen Forstweg bis zu einem Forstweg, auf dem es nach links zum Katharinenbild geht. Der Maintalhöhenringweg verläuft nur ein paar Meter am Oberbecken auf der Sohlhöhe vorbei. Zum Oberbecken gelangt man auch vom Katharinenbild auf der öffentlichen, aber nicht geteerten Straße von Lohr über die Rote Mühle nach Ruppertshütten über einen etwa einen Kilometer langen mit einem Fuchssymbol markierten Weg.

 

 

Rupperts­hütten

Ruppertshütten feierte 2002 sein 500-jähriges Jubiläum als Glashüttensiedlung. Über 200 Jahre lang lebte der Ort von den Glasmachern und ihren Zuarbeitern (zum Beispiel für die Holzbeschaffung). Als 1726 die letzte Glashütte geschlossen wurde, litt Ruppertshütten bis ins 20. Jahrhundert bittere Armut. Heute ist es das „Blumendorf”.

Mit der Bezeichnung des nach Osten führenden Kulturwegs  „Alle Wege führen nach Rom“ (zehn Kilometer) ist mit „Rom“ allerdings nicht die italienische Hauptstadt gemeint, sondern Ruppertshütten, dessen Bewohner von den Nachbarn als „Römer“ bezeichnet werden. Historischer Hintergrund dafür ist, daß die Ruppertshüttener während der Gegen­reformation zum katholischen Glauben zu­rückkehrten, dank des Wirkens des Kapuzinerpaters und Volks­predigers Martin von Cochem. Er hat auch  eine kleine Kirche gebaut. Er setzte bis 1685 auch den Bau einer Schule sowie einer weiteren Glashütte durch. Erst ab 1825 war ein eigener Kaplan für Ruppertshütten zuständig, der jedoch von Frammersbach aus wirkte.

Der Standort der Kirche erwies sich jedoch im 19. Jahrhundert als immer ungünstiger, weil der Bau durch Überschwemmungen vielfach beschädigt wurde. Deshalb wurde 1877 ein neugotischer Kirchenbau am nordöstlichen Dorfrand errichtet. In ihr entdeckte man 2001 im Grundstein  eine Zeichnung  mit einer Ansicht der alten Kirche. Diese ist heute ein Wohnhaus

etwas westlich des Dorfmittelpunkts in Richtung Eschenweg, in dessen Keller sich noch Reste der alten Kirche finden.

 

Bayerische Schanz

Das Gasthaus ist Mittelpunkt für zahlreiche gut markierte Wanderwege. Hier ist der Kreuzung alter Handelswege, auf der Fuhr‑ und Kaufleute hier die preu­ßisch ‑ bayerische Grenze passierten. Durch ihre Lage hatte sie seit frühester Zeit  strategische Bedeutung ‑ vor allem wegen der Birkenhai­ner Straße. Die Schanze war deshalb ein militärischer Stütz­punkt an der Grenze von Bayern und Hessen (früher Preußen). Das hübsche Fachwerkhaus kam an diese Stelle, um Zölle zu erheben.

Und wo Soldaten und Kaufleute sind, durfte ein Wirtshaus nicht fehlen. Ge­schäfte wurden dort abgeschlossen, reelle und dunkle. Es kamen auch Schmugg­ler vor­bei, um Waren zu verkaufen, besonders Salz, das sie unverzollt über die Grenze gebracht hatten. So kam es, daß der Mit­wisser und Erbpächter Philipp Werthmann 1795 verurteilt wurde. Wer will, kann sich vorn Pächterehepaar Lothar und Christel Münch das hand­ge­schriebene Geschichtsbuch des histori­schen Gemäuers ausleihen.

Die „Schanze“ ist bis Ende April samstags und sonn­tags geöffnet, von Mai bis in den Spät­herbst dann nur nicht montags und diens­tags. Der Kuchen ist berühmt, das warme Essen hat einen guten Ruf (Fränkische Ochsenbrust beispielsweise mit Meerrettich, Preisel­beeren und Salzkartoffeln).

 

 

Rengersbrunn

An der Kirche tritt aus dem Hang die Quelle der Fella hervor. Der einsame Born soll der Sage nach von Kaiser Barbarossa auf einem Jagdstreifzug entdeckt worden sein, als er bei der Jagd halb verdurstet war.  Das Wasser habe den Herrscher so gestärkt, daß er die Quelle fortan für sich und sein Gefolge als Rastplatz erkor. Aus „Regisborn“, dem Königsbrunnen, entwickelte sich der Name „Rengersbrunn“.

Die Fella wird in einem Brunnen aufgefangen, dessen Sandsteinaufbau das Wappen des Fürst­bischofs Johann Philipp von Schönborn trägt, der 1647 den Brunnen stiftete (andere Angabe. Kurfürst Lothar-Franz). Das Wasser floß ursprünglich aus den Brüsten der Maria im Madon­nen­relief. Hier liegt das seltene Motiv der „Maria lactans“ (stillende Maria) vor. Vor einigen Jahren hat man die Quelle tiefer verlegt. Man fand es wohl anstößig, Wallfahrer das „Augenheilwasser“ auf diese Weise schöpfen zu lassen. Heute ist an der Mauer um den Brunnen eine Bronzetafel mit einem Gedicht, das ein Pfarrer des Ortes verfaßt hat.

Der Legende nach geht die Wallfahrt nach Rengersbrunn bis in das Jahr 1460 zurück, als ein Schäfer unter einem Haselnußstrauch ein Marienbildnis gefunden haben soll. Historisch belegbar ist dies natürlich nicht: Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen beginnen erst 200 Jahre später.

Die romantisch inmitten weiter Spessartwälder liegende Wallfahrtskirche „Mariä Geburt“ gilt bei Kennern als „intimer Wallfahrtsort“. Der heutige Kirchenbau wurde im Jahre 1777 errichtet und zeugt von der – zumindest lokalen – Bedeutung der Wallfahrt. Das Marienbild auf dem Hochaltar, das von Figuren aus der Werkstatt Johann Peter Wagners umkränzt wird, steht noch immer im Mittelpunkt der Verehrung. Noch immer kommen alljährlich zahlreiche Grup­pen sowie Einzelpilger, Wanderer und Radfahrer nach Rengersbrunn.

Die Wallfahrtskirche wurde 2005 einer gründlichen Innensanierung unterzogen. Die Entdeckung einer reichhaltigen barocken Deckenausmalung, eine neue liturgische Ausstattung (maßgeblich gestaltet vom Domkapitular Dr. Lenssen), sowie die komplette Neufassung sämtlicher Oberflächen ließen einen stimmigen Gesamteindruck entstehen.

 

Wanderung  Fellen-  Rengersbrunn- Wohnrod:

Man fährt hindurch bis zum Ortsende von Fellen, wo links ein großer Platz ist. Von dort geht man wieder ein Stück zurück an dem Bauernhof mit Café vorbei und dann in die Straße „Engental“ nach Süden den Berg hoch.

Die ersten drei Kilometer geht es auf einem Naturweg ziemlich steil bis auf über 400 Meter Höhe. Am ersten Querweg geht es kurz links und dann gleich wieder rechts. Es folgt noch ein Querweg, ehe man mühsam auf einem naturbelassenen schmalen Weg die Höhe erreicht, etwas unterhalb der 468 Meter hohen Koppe. Das letzte Stück des Wegs ist gar nicht in der Karte eingezeichnet, es geht aber direkt nach oben.

Hier geht es fast eben rechts weiter bis zu einer Wegspinne am Bildstock, der 466 Meter hoch ist. Hier geht es rechts weiter auf dem fränkischen Marienweg hinab nach Rengersbrunn. Der 200-Einwohner-Marienwall­fahrtsort Rengersbrunn gehört zur Gemeinde Fellen mit den Ortsteilen Wohnrod, Neuhof und Rengersbrunn.

An der Kirche tritt aus dem Hang die Quelle der Fella hervor. Der einsame Born soll der Sage nach von Kaiser Barbarossa auf einem Jagdstreifzug entdeckt worden sein, als er bei der Jagd halb verdurstet war.  Das Wasser habe den Herrscher so gestärkt, daß er die Quelle fortan für sich und sein Gefolge als Rastplatz erkor. Aus „Regisborn“, dem Königsbrunnen, entwickelte sich der Name „Rengersbrunn“.

Man geht dann auf der Straße weiter bis zum Ortsausgang. Dort geht auf der rechten Seite ein geteerter Weg stark bergauf, nachher in Pflaster übergehend. Oben macht der Weg einen Bogen nach rechts und ist nun nicht mehr ganz so steil. Es geht über einen Querweg und im Wald etwas links immer weiter auf dem Marienweg. Die höchste Stelle liegt 515 Meter hoch und wird „Dankbarkeit“ genannt. Hier treffen sich wieder verschiedene Wege.

Man geht nach rechts und folgt dem Wegweiser „Neuhof“. Dieser besteht allerdings nur aus dem Gasthof „Zum Waldfrieden“, erbaut 1905. Wenn man eingekehrt ist, muß man aber wieder ein kleines Stück zurück gehen und nach Nordosten einen kleinen Anstieg bewältigen, ehe es auf einem schönen Stück Weg hinunter geht nach Wohnrod. Hier ist der Dorfplatz sehr schön neu gestaltet, auch in die Kirche kann man einmal hineinsehen. Die katholische Saalkirche St. Kilian mit eingezogenem Chor und Dachreiter ist von 1765.

Dann geht man ein Stück die Dorfstraße hinunter und dann links in den Wald. Der Weg führt knapp oberhalb der Landstraße in Richtung Fellen. Man muß nur aufpassen, daß man auf dem geschotterten Forstweg mit der Markierung des Radwegs nach rechts abbiegt. Man trifft wieder auf den Parkplatz. Etwas weiter unten ist die „Obere Mühle“, wo man „Ferien auf dem Bauernhof“ machen kann und wo man in dem schon erwähnten Café sich stärken kann.

 

 

Fellen

Zur Großgemeinde zählen die Ortsteile Wohnrod, Neuhof und Rengersbrunn. Die Außenfassade der Kirche in Fellen wurde bereits 2000 saniert wurde und die 2005  / 2006 auch innen saniert wurde. Seit der letzten waren über 30 Jahre vergangen und die Beheizung der Kirche mit einem Warmluftkessel für Holzscheite taten ihr übriges dazu, daß der vorher /  nachher-Effekt umso drastischer ausfällt. Wie schon in Rengersbrunn praktiziert, steuerte das Bischöfliche Bau- und Kunstreferat die Planung der liturgischen Neuordnung bei. Herr Dr. Lenssen entwarf die neuen Ausstattungsgegenstände und ich kümmerte mich um den Rest. 

 

 

Aura

Das Auraer Schlößchen war einst hochstiftliches würzburgisches Amtshaus aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts mit Wappen des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Greiffenklau. Die Kirche enthält Epita­phien.

Wann Aura gegründet wurde, läßt sich nicht mehr genau feststellen. Der Name „Uraha“ (Aura) unter Anspielung auf den für den Ortsnamen bestimmenden Bach wird im Rahmen einer Wildbannverleihung durch König Heinrich IV. für das Kloster Fulda im Jahre 1059 erstmals erwähnt. Es steht allerdings fest, daß das Rittergeschlecht derer von Hutten schon 1310 in Aura Güter belegt hatten. Es war der älteste Huttensche Ansitz in unserem Bereich. Auch das Rienecker Dienstmannengeschlecht, die Diemar von Rieneck, besaßen 1316 in Aura ein Stammgut. Nach einem Kaufbrief von 1401 waren die Grafen von Rieneck Besitzer dreier Güter in Aura.

Bis zum Jahre 1405 gehörte Aura Sinngrund zum Hochstift Würzburg, deren Amtssitz Burg­sinn das Zentrum Würzburgischer Machtstellung in weltlicher und geistlicher Beziehung war. Aura ging in diesem Jahr im Zuge des Verkaufs des Amtssitzes Burgsinn an Wilhelm von Thüngen über. 1444 besaß Karl von Thüngen in Aura ein Schloß, das er noch im selben Jahr an Lorenz von Hutten verkaufte. Im Jahr 1616 verkauften die Steckelberger (Linie von Hutten) ihr Gut in Aura an Konrad von Breitenbach, genannt Breitensteiner. Sehr bald kam dieser Besitz über die von Guttenberg an die von Fronhofen und von da 1692 an das Hochstift Würzburg, das auch den Thüngenschen Besitz in Aura übernahm und das „Schlößchen“ und freieigentümliche Rittergut mit den Gebäuden, Scheuer, Schaffhaus und Breuhaus von Philipp kaufte..

Bis in die Reformationszeit behauptete Würzburg seine Lehensherrlichkeit über die Mutterpfarrei Burgsinn und ihre Filialen Aura, Mittelsinn und Fellen. Die bisher bestehende Vierherrschaft, begründet durch je zwei Zweige derer von Thüngen und von Hutten, fortgesetzt durch das Hochstift Würzburg, das Juliusspital, die Hutten von Altengronau und die von Breitenstein, bzw. Fronhofen, übten 1672 nur noch das Hochstift Würzburg, das Juliusspital und die Fürsten von Hessen-Kassel zu verschiedenen Teilen aus.

Streitigkeiten an der Frage des Obergebotes in der Zent und vierherrlichem Wald, an dem Beteiligungsschlüssel bezüglich der Gefälle (Abgaben) und an der Abgrenzung von Grundbesitz waren an der Tagesordnung. Dazu kamen noch die konfessionellen Streitigkeiten, ausgelöst durch das Hochstift Würzburg im Zuge der Gegenreformation.

Die Bedeutung, welche damals dem Bekenntnis von den Landesherren beigemessen wurde, entsprang auf allen Seiten weniger der Sorge um das Seelenheil ihrer Untertanen, als vielmehr weltlich-staatspolitischen Absichten. Mit allen Mitteln, von der Anordnung gelinden Drucks bis zur offenen Gewalt und klarem Rechtsbruch, versuchte jeder seine Hoheit zu festigen und womöglich auszubauen. In Aura hatte sich das Hochstift Würzburg mit seiner Gegenreformation durchgesetzt und seine vorher protestantischen Untertanen zum katholischen Glauben zurückgeführt. In einem Vertrag wurde die vor dem lutherische Kirche in Aura vom katholischen Hochstift übernommen.

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts war für den Würzburger Besitz das Amt Aura mit einem Beamten, der nur den Titel „Keller“ führte, besetzt. Dieser unterstand dem Oberamtmann des Amts Gemünden. Sitz des Kellers war das „Fronhofer Schlößchen“ in Aura. Die Rechts­ordnung des Amtes Aura, wie des hessischen und das Spitalteils im Sinngrund, war in den Ganerbenverträgen seit thüngisch-huttischer Zeit festgelegt. Charakteristisch war die umfassende Zuständigkeit der vierherrschaftlichen Zent, die sich nicht nur auf alle peinlichen Sachen, sondern auch auf schuldsachenrechtliche Streitfälle (Geld, Gut, Dienstbarkeit und andere Rechte) erstreckte. Über die einzelnen Untertanen übte die zuständige Herrschaft die „territoriale und vogteiliche Obrigkeit“ für sich allein aus. In Aura besaß das Hochstift Würzburg eindeutig die Dorfherrschaft - den Frondienst beanspruchte Würzburg für sich allein. Auch der Graf von Nostitz-Rieneck und das Prämonstratenserkloster Oberzell hatten zur gleichen Zeit noch Besitzungen in Aura.

Im Jahre 1800 war Aura ein katholisches Kirchdorf mit 55 Wohnhäusern und 70 Familien. Im Jahre 1801 veränderten die außenpolitischen Ziele des revolutionären Frankreich das Staatenbild des Reiches. Im Jahre 1814 kam Aura mit dem Fürstentum Aschaffenburg nach dem Vertrag vom 3. Juni 1814 mit Österreich zu Bayern. Im Jahre 1862 / 1863 wurde Aura unter Aufhebung des Zentkondominats zum Bezirksamt Gemünden am Main zugeteilt.

 

Kirche „Sieben Schmerzen Mariä“:

Die Kirchengemeinde Aura war ursprünglich eine Filiale der Pfarrei Burgsinn. Um 1314 löste sich Aura von der Muterpfarrei und wurde eine selbständige Pfarrei.

Im frühen 14. Jahrhundert wurde die Kirche St. Erasmus erbaut und mit einem herrlichen Chorraum ausgestattet. Aus dem frühen 16. Jahrhundert stammt die Pieta. Die Heiligenfiguren St. Wendelin, St. Sebastian und St. Kilian sind Holzschnitzereien aus dem 16. / 17. Jahrhundert. Eine der drei Glocken, die früher im Turm der Kirche hingen, trägt das Relief der Gottesmutter und die Jahreszahl 1471. Im Jahre 1787 fand eine Erweiterung der Kirche statt, was diese Jahreszahl über dem Westportal beweist. Das Mauerwerk zeigt zu beiden Seiten einen Absatz über der Höhe der Fenstersohlbank. Von da ab wurde die Kirche wahrscheinlich erneuert.

Die Reformation spaltete Aura in zwei Lager - die meisten Einwohner wurden protestantisch. Nach der Chronik des evangelischen Pfarramts Mittelsinn sollen zeitweise drei evangelische und lediglich ein katholischer Pfarrer in Aura tätig gewesen sein. Dieser Umstand zeigte solche Spannungen, daß beide Pfarreien aufgelöst wurden. Die evangelischen Einwohner kamen zu Mittelsinn und die Katholiken zu Obersinn.

Von dort kam der sogenannte Laufkaplan über den Mittelsinn Berg und hielt den sonntäglichen Gottesdienst, Sonntagsschule und Seelsorge. Letzter dieser Kapläne war Franz Dietz. Er wirkte in Aura von 1887 bis 1888, denn am 10. März 1888 kam als erster selbständiger Kaplan Dr. Franz Josef Lutz aus Miltenberg nach Aura und blieb bis 1890. Danach wurde Expositus Gräf nach Aura versetzt. Ihm folgten Kaplan Schultheiß und Kaplan Müller, die alle noch in privaten Wohnungen untergebracht waren. Im Jahre 1911 begannen unter Kaplan Lindner die Vorbereitungen für einen Pfarrhausneubau. Das für 23.000 Mark erstellte Pfarrhaus war am 13. Oktober 1913 bezugsfertig.

Auch die Kirche war mittlerweile zu klein und so legte am 30. November 1914 Architekt Fuchsenberger die ersten Pläne zum Neubau einer Kirche vor. Vorher sollte die alte Kirche abgebrochen werden. Da aber die Abbruchkosten auf 6.000 Mark veranschlagt waren und bei einem Umbau die Rechte der Protestanten aus Mittelsinn noch Gültigkeit gehabt hätten, nämlich in der Simultankirche einmal im Monat nach Anhörung des hiesigen Geistlichen einen Gottesdienst abzuhalten, ließ man den Plan wieder fallen.

Am 10. November 1919 beschloß der Gemeinderat 73.000 Mark für einen Kirchenneubau aufzubringen. Der Bauplatz am Kirchberg wurde für 3.000 Mark gekauft und am 17. Mai 1920 erfolgte der erste Spatenstich. Eine große Einsparung brachten auch die freiwilligen Dienste, die viele Bürger auf sich nahmen, um am Bau mitzuhelfen. Trotzdem betrugen die Gesamtbaukosten über 150.000 Mark.

Die im Jahre 1920 aus einheimischem Rotsandstein erbaute Kirche steht an einem Steilhang oberhalb der Ortsmitte. Am 13. Oktober1921 konnte Erzbischof Jakobus von Hauck von Bamberg die Gottesstätte einweihen. Die alte Kirche wurde im Jahre 1967 unter der Regie des damaligen Kuratus Raimund Merget renoviert und im Rahmen der Auflagen des Denkmalschutzes zu einer Leichenhalle umgebaut (die kleinere der beiden Kirchen).

 

Geschichte der Ziegelhütte:

Nach dem Friedensvertrag von 1866 wurde Deutelbach und die Ziegelhütte (Forsthaus Zieg­ler­feld) der Gemeinde Aura angegliedert. Das Forsthaus Zieglerfeld wurde nach 1928 aus dem Auraer Gemeindeverband wieder ausgeschieden und für „ausmärkisch“ erklärt. Im  Jahre 1703  entsteht die Siedlung Ziegelhütte zur gewerblichen Nutzung des tonreichen, weil grund­wassernahen Bodens in einer Ziegelbrennerei. Lehm und Holz als Roh-, Bau- und Brennstoff ist jeweils reichlich vorhanden. Im Jahre 1814  wird das Gebiet Teil des Königreichs Bayern.

Zur Erwähnung von Holz- und Entnahmerechten an Lehm sowie landwirtschaftlichen Nutzungsrechten in Zieglerfeld kommt es 1826, aber es werden  auch Pflichten  auferlegt, wie beispielsweise die Mitwirkung im Forstbetrieb sowie die Lieferung von Ziegeln.

Seit  1837  gibt es eine  wirtschaftliche Übernutzung und einen gesellschaftlichen Niedergang. Die Ziegelei wird wegen Mangel an Holz zunehmend im Nebenerwerb betrieben. Sie ist nun Herberge mit Branntweinwirtschaft und dient Schmugglern, Holz- und Wilddieben als Treffpunkt. Durch den Friedensvertrag von 1866 kommt Jossgrund zu Hessen. Der Sinngrund bleibt bei Bayern. Die Ziegelhütte kommt zur Gemeinde Aura.

Im  Jahre 1872  gibt es einen erfolgreichen Ankauf von Grundstücken und Rechten (7.000 Gulden) durch die Forstverwaltung. Die Gebäudereste werden weitestgehend abgetragen

 Die Brunnenanlage wird 1975  durch die Bayerische Staatsforstverwaltung, Forstamt Mittelsinn rekonstrukiert. Nach den Schäden durch den Orkan Kyrill im Jahre 2007 entstehen Feuchtbiotope. Im Jahre 2009  wird der Brunnen durch die Bayerischen Staatsforsten, Forstbetrieb Hammelburg erneuert.

Östlich des Ortes an der Straße nach Mittelsinn steht das Aurakreuz aus dem 19. Jahrhundert. Auf dem Weg nach Bad Orb man muß aber erst wieder auf dem gleichen Weg aus dem Ort herausfahren und dann über Burgjoß und Bad Orb zurückfahren.

 

 

 

Sinntal

 

Bergwinkel

 

Bergwinkel

Der Landrücken ist ein Höhenzug zwischen der Westrhön und dem Vogelsberg. Die Grenz­scheide verläuft zwischen dem Fuldaischen im Norden und dem Hanauischen im Süden, die Wasserscheide zwischen Weser und dem Rhein. Geologisch han­delt es sich um eine basaltische Hochfläche mit interessanter Fauna und Flora und wechselndem Landschaftsbild. Die größte Erhe­bung ist der Schwarzenberg mit dem Taufstein (596 Meter).

Des „Rei­ches Straße“ führte seit uralten Zeiten über den Landrücken. Seit 1914 besteht die Eisenbahnverbindung durch den  3.575 Meter langen Distelrasentun­nel. Die Landschaft im Süden des Landrückens wird auch „Bergwinkel“ genannt.

Bergwinkel heißt die reizvolle Landschaft zwischen den Ausläufern des nördlichen Spessarts, des südlichen Vogelsberges und der westlichen Rhön. Ein wenig vom Charakter eines jeden dieser drei Gebirgszüge hat sie übernommen. Herbheit, Strenge und Sanftheit, zusammen ergaben sie den Nährboden des Märchenlandes der Brüder Grimm.

Der Bergwinkel ist nie reich gewesen, vielmehr nur ein Durchgangsland an der alten Handelsstraße Frankfurt- Leipzig, auf der die Planwagen der Kaufleute zur Messe rollten, sich die Kriegsmaschinerien der napoleonischen Heere dahinwälzten, plündernde Soldatesken die entferntesten Orte aufspürten und prunkvolle Krönungswagen gen Frankfurt fuhren. Die Zugehörigkeit dieses Gebietes zu verschiedenen Herren in schneller Folge gewährten kulturellen Strömungen nur in stark verwässerter Form Einlaß. „Arm Volk und Landschaft“, urteilte der Schlüchterner Abt Petrus Lotichius im sechzehnten Jahrhundert

 

Herolz

An der aus dem 17. Jahrhundert stammenden Kirche waren Mauerwerk und die Holzteile nicht mehr zu reparieren.Dshalb wurde  die katholische St. Jakobuskirche in der Zeit von 1911 - 1913 im Barockstil neu  erbaut. In den Jahren 1969 - 1971 wurde die Kirche renoviert. Zur Innenausstattung gehören neben dem barocken Altar ein barockes Altarbild „Christus an der Geiselsäule“ sowie Bilder und Figuren aus dem 19. Jahrhundert. Auch eine gut klingende Orgel ist vorhanden.

 

Vollmerz

Rechts vom Bahnübergang Vollmerz liegt der schon lange stillgelegte Bahnhof Vollmerz. In Richtung Herolz kommt ist rechts der jüdische Friedhof . Die Huttensche Wasserburg in Vollmerz besteht nicht mehr. Frowin von Hutten spricht 1375 von einem „burglichen Bau“ und erwähnt 1391 das Schloß Vollmerz. Der Großvater Ulrichs von Hutten behielt sich bei einer Güterteilung 1482 Schloß Vollmerz nachdrücklich vor und mußte 1492 die Eroberung seiner Burg miterleben. Das huttensche Besitztum kam 1613 an Johann Gottfried von Hutten. Vom Ende des 16. Jahrhunderts an diente ein Nebengebäude als Gasthaus. Das Anwesen blieb dieser Zweckbestimmung bis in die neueste Zeit treu. Im Jahre 1962 wurde es niedergelegt.

Neben der Bahn in Richtung Ramholz fällt das im historischen Stil erbaute Maschinenhaus auf.

Es versorgte die Schlossanlage Ramholz und das angegliederte Mustergut mit Strom.  Heute ist es ein Tagungshaus.

 

 

Ramholz

Kirche:

Wenn man von Vollmerz aus durch den Ort fährt und sich links hält, kommt man nicht nur zu einer ökologischen Landschaftssiedlung, sondern auch zu dem Tor, an dem das Pförtnerhaus des Parks steht. Vorbei an dem Hofgut von 1776 kommt man zum Haupttor zur Parkanlage. Links steht die Kirche, rechts im Garten ein hochherrschaftliches Pfarrhaus.

Die Kirche zu Ramholz war schon früh der geistliche Mittelpunkt eines ausgedehnten Bezirkes. Im Jahre 1039 geht sie in den Besitz des Klosters Schlüchtern über. Dies ist die erste urkundliche Erwähnung der Kirchengemeinde. Die Kirche zu Ramholz war die Mutterkirche für fast alle Gotteshäuser im östlichen Altkreis Schlüchtern. Im Jahre 1785 wurde die alte romanische Kirche, die in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg stark beschädigt worden war, abgebrochen und das jetzige Gotteshaus in den Jahren 1785 - 1788 erbaut.

Der Zwiebelturm der heutigen Kirche steht an der Westwand des Langhauses. An den beiden Längsseiten befinden sich jeweils vier Fenster. Die Ramholzer Kirchenorgel ist ein frühbarocker Orgelprospekt, der um 1650 entstand. Nach mehreren Reparaturen wurde um 1890 von der Firma Ratzmann (Gelnhausen) ein Neubau der Orgel durchgeführt, wobei das Gehäuse von 1650 erhalten blieb. Im Jahre 1934 wurde die Kirche renoviert, die Orgel erhielt ihren grünlichen Anstrich, das linke Seitenornament wurde von einem einheimischen Schnitzer ergänzt, am Unterbau wurden Engelsköpfe und Fruchtgehänge angebracht. Im Jahre 1967 wurde die Orgel umgebaut durch  den Orgelbauer Willi Peter (Köln). Das Gehäuse ist eines der ältesten im Altkreis Schlüchtern und in der Fachwelt weit über die Grenzen hinaus bekannt. Zur Ausstattung der Kirche gehören ein frühbarockes Gemälde des Gekreuzigten und die Gedenktafeln für die Gefallenen der Kriege 1813, 1870 - 1871, 1914 - 1918 und 1939 - 1945. Am herrschaftlichen Stand ist ein Allianzwappen derer von Degenfeld-Schonburg und derer von Riedesel angebracht. In die Wand in Richtung Schloß Ramholz ist ein Gedenkstein an die Gräfin Ludovica von Degenfeld-Schonburg eingelassen.

 

Schloß:

Neben dem Dorf wird 1167 eine „curia Ramholz“ genannt. Im Jahre 1482 erhielt Lorenz von Hutten den im Ramholzer Talgrund gelegenen Herrenhof Ramholz aus dem 12. Jahrhundert. Die Wasserburg wurde wahrscheinlich 1493 zerstört. Anfang des 15. Jahrhunderts errichtete die Familie Hutten ein Schlößchen. Im Jahre 1613 wohnte Johann Gottfried von Hutten hier. Im Jahre 1642 verkaufte Philipp Daniel jedoch den Besitz an den Herrn von Landas. Die Besitzer des Schlößchens wechselten noch sehr oft. So werden 1698 die Herren von Degenfeld und 1852 der Fürst von Ysenburg-Büdingen genannt. Das „Alte Schloß“ wurde 1889 renoviert und bildet heute einen Seitenflügel des neuen Schlosses (Westflügel).

Im entlegensten Zipfel des Bergwinkels, hinter einer engen Eisenbahnunterführung, thront völlig unerwartet der prächtigsten Schlösser Hessens. Der riesige Bau mit 80 Zimmern ist ein wilder Stilmix aus Renaissance, Barock, Klassizismus und Anklängen von Jugendstil, die sich aber stimmig zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk vereinen.

 

Hugo Freiherr von Stumm erwarb 1883 die Herrschaft Ramholz von den Fürsten von Ysenburg samt der Burg Steckelberg. Er stammte aus der Neunkircher Eisendynastie und war Mitinhaber des saarländischen Eisenindustriekonzerns „Gebrüder Stumm“.

Entstanden ist das Schloß aus einer Art Überbietungswettbewerb dreier Industriellensöhne aus dem Saarland. Die Familie Stumm - später mit Adelstitel ausgestattet - hatte es mit Eisenhütten zu so viel Geld gebracht, dass Spross Ferdinand Eduard zunächst in Rauischholzhausen bei Marburg ein unfassbar protziges Anwesen bauen ließ. Das konnte der Erstgeborene, Carl Ferdinand, natürlich nicht auf sich sitzen lassen und zog mit Schloss Halberg bei Saarbrücken nach. Und dann kam Hugo Rudolf und stellte mit dem Neubau neben dem alten Schloss derer von Hutten in Ramholz alles in den Schatten.

Im Wunsch nach größerer gesellschaftlicher Anerkennung hatte er aber die Militärkarriere der Mitarbeit im Eisenkonzern vorgezogen. Die geistesgeschichtliche Bedeutung des Orts (Ulrich von Hutten) gab ihm die Möglichkeit, sich traditionsbewusst und national gesinnt zu zeigen.

Er wurde Rittmeister im Ersten Hessischen Husarenregiment Nummer 13 in Frankfurt und wurde 1888 in den preußischen Freiherrenstand erhoben. Trotz seiner Abgeschiedenheit lag Ramholz für damalige Verhältnisse verkehrsgünstig in der Nähe der Bahnstrecken der 1880 eröffneten Frankfurt - Berlin und Fulda - München. Vom an Eisenbahnstrecke Elm – Gemün­den gelegenen Ramholz hatte von Stumm gute Verkehrsverbindungen, um seinen beruflichen Verpflichtungen als Rittmeister des in Frankfurt am Main stationierten Regiments nachzukommen und bei gesellschaftlichen Ereignissen in der neuen Reichshauptstadt Berlin anwesend zu sein.

Die Anfahrt vom Bahnhof aus war besonders repräsentativ angelegt, um die Gäste gleich beim ersten Blick zu beeindrucken. Auf der leicht erhöhten Zufahrt wurden die Besucher von Sphin­genfiguren und einer Orangerie empfangen. Vor dem Schloß steigt man an der Herkulesstatue die Treppe hoch auf den darüber an dem Schloß vorbeiführenden Weg.

In den Jahren 1893 bis 1895 ließ Stumm das Anwesen nach seinen Vorstellungen erbauen. Emanuel und Gabriel von Seidel hießen die Baumeister von Schloß Ramholz, einst waren sie Architekten des bayerischen Königs. Das alte Schloß wurde bis 1910 geschickt in den Neubau integriert, was auch heute noch zu erkennen ist. Der der Epoche entsprechender Mix aus verschiedenen Stilrichtungen mit Anklängen an Renaissance und Gotik fügen sich dennoch harmonisch ein ohne jeden Anflug von Kitsch.

Die Schloßfassade reckt sich den Blicken stolz entgegen. Eine Kamin-Landschaft mit Löwen und Katzen als Zierrat strebt gen Himmel, die Blätter des wilden Weins umspielen grün die Holzgesimse, deren Details handwerkliches Können und gestalterische Präzision des Bauherren verraten. Kunstvoll geschmiedete Gitter, eine Sandsteinmauer mit ägyptischen Sphinxen, ein englisches Höfchen mit Renaissance-Brunnen sind nur einige der sorgsam gewählten und ausgearbeiteten Einzelheiten. Es ist eine bewegte  Sandstein- und Basaltkulisse aus gotischen Giebeln, englischem Tudor-Fachwerk, barocken Türmen und fein ausgearbeiteten Renaissance- Fenstern.

Im Ersten Weltkrieg diente ein Teil des Schlosses als Lazarett, im Zweiten Weltkrieg als Außenstelle des Kreiskrankenhauses Schlüchtern. Heutiger Besitzer ist Frau Baronin Jutta von Kühlmann- Stumm, die Gattin des bekannten Politikers Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm, der 1976 tödlich verunglückte.

Bis ins neue Jahrtausend blieb der Palast im Besitz der Familie und ihrer Nachkommen. Allerdings sorgten die horrenden Betriebskosten dafür, dass Ramholz irgendwann als „märchenhaftes Renaissanceschloss“ auf einem Immobilienportal landete. Für knapp sieben Millionen war es zu haben, nur kaufen wollte lange Zeit keiner. Bis schließlich 2014 - nach langem Hin und Her und noch mehr Gerüchten - ein chinesischer Investor zugriff. Der nutzt das Schloss heute privat, hält das Anwesen aber vorbildlich in Schuss. Es kann nur von außen besichtigt werden, aber es erweckt von jeder Seite einen anderen Eindruck. Und der Eigentümer gestattet den Zutritt zu den Parkanlagen rund um seinen Besitz. Ein bisschen traurig stimmt viele Stammbesucher, dass das beliebte Café in der Orangerie seit einigen Jahren geschlossen hat.

 

Vom Gutshof unterhalb der Orangerie werden die Blicke auf ein verwirrend verschachteltes Dachgeflecht gelenkt. Zwischen zahlreichen Giebeln und 56 Schloten sticht ein Wappenkamin hervor, von Löwen flankiert und recht herrschaftlich anmutend. Nebenan lehnt sich der Gründerzeit-Palast an Teile aus der Bauepoche der Renaissance, formvollendet durch Staffelgiebel und einen runden Treppenturm. Der quadratische Schloßturm, ahmt einen mittelalterlichen Wehrturm

Rechts führt der Weg durch ein schmiedeeisernes Tor auf den Pleasure-Ground. Über barock wirkende Beete schweift das Auge auf die repräsentativste Ansicht des Bauwerks, das hier seine Pracht ganz im Stil eines viktorianischen Herrensitzes entfaltet. Weinlaub wuchert über den Sandstein, schräg zieht sich Fachwerk durch die Fassade: Einerseits gibt es hier Vielfalt und andererseits dieses erstaunlich harmonische Gesamtkunstwerk. Ramholz ist weit mehr als das steinerne Denkmal.

 

 

 

 

 

 

Dreiburgenweg

Den „Drei-Burgen-Weg“ kann man in mehr oder weniger großen Schleifen laufen: Der längste Weg ist von Schlüchtern über alle drei Burgen bis nach Schwarzenfels und wieder zurück. Der Weg hat aber viele Anstiege, zum Beispiel muß man erst nach Weichersbach hinab, nach Schwarzenfels hoch und dann auf dem Rückweg kommt noch einmal der lange Anstieg von Mottgers nach Sterbfritz. Einfacher ist es, von der Steckelburg nach Ramholz  abzusteigen und nach Schlüchtern zurückzukehren. Noch kürzer ist der Aufstieg von Vollmerz (großer Wegweiser im Ort) über Neuberg zur Burg Brandenstein und von der Steckelburg über Ramholz nach Vollmerz. Empfohlen wird, die Dörfer mit dem Auto zu besuchen und die Burgen mit dem Fahrrad abzufahren, wobei man Ramholz und Schwarzenfels auch mit dem Auto erreichen kann.

 

Radtour: Bei Anfahrt mit dem Auto fährt man am besten erst rechts um Schlüchtern herum, erst Richtung Bad Brückenau  und an der großen Ampelkreuzung links ab und dann wieder links ins Gewerbegebiet, wo man das Auto stehen lassen kann.

Wenn man vom Bahnhof kommt, muß man den Radweg Nr. 3 finden: die Bahnhofstraße hinunter, links von der Alten Apotheke führt ein Durchgang mit einer Treppe auf eine Straße, die zum Gewerbegebiet im Osten Schlüchterns führt und von dort weiter nach Elm.

Fast am Ortsausgang von Elm geht rechts die Straße nach Bad Brückenau ab. Jetzt folgt man den Hinweisschildern „Burg Brandenstein“. Den ersten großen Rechtsbogen kann man allerdings abschneiden, indem man geradeaus steil hoch schiebt. Dann geht es nach links immer weiter hoch bis zur Burg.

 

 Burg Brandenstein

Die Burg wurde um 1250 auf einer Bergkuppe wahrscheinlich von den benachbarten Herren von Steckelburg zur Sicherung ihres Vogteigebietes Schlüchtern angelegt. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte im Jahre 1278.  In der Zeit von 1278 - 1307 werden die Edlen von Brandenstein als Burgherren genannt. Ihr Wappen besteht aus einem springenden Wolf in goldenem Felde, der eine silberne Gans im Rachen halt. Aus einer Urkunde vom 21. Juni 1300 ist zu entnehmen, daß Konrad von Brandenstein die Brüder Hutten mit einer Vogtei bei Elm belehnte. Schon um 1300 wurde die Anlage zerstört.

Im Jahre 1424 ging die Burg zunächst als Pfand, später als hanauisches Lehen an Mangold von Eberstein. Unter Reinhard I.  und Ulrich III. bestand 1419 neben einem festen Haus bereits ein Wirtschaftshof.  Im Jahre 1432 wurde die Burg wieder aufgebaut. Sie stellte auch das Zentrum des „Brandensteiner Gerichtes“ dar, welches ab 1375 die späteren Grafen von Hanau zum Leben hatten.

Auf der Burg wuchs die Mutter Ulrichs von Hutten auf. Hier wirkte Anfang des 16. Jahrhunderts der berühmt-berüchtigte „Raubritter“ Mangold von Eberstein. Seine Familie saß nach dem Aussterben der Herren von Brandenstein (13. Jahrhundert) auf der Burg. Er führte die „Brandensteiner Fehde“ gegen die Reichsstadt Nürnberg, die mit der Eroberung der Burg endete. Auf kaiserlichen Befehl wurde die Anlage 1522 erobert und  auch teilweise niedergebrannt.

Die beiden Vorburgen und das Herrenhaus sind gotisch. Im Jahre 1522 wurde die Burg erneut aufgebaut im Renaissance-Stil. Das vorderste Burgtor entstand 1559, die hufeisenförmige innere Vorburg 1633. Über einem gewölbten Keller befindet sich der Hauptbau mit vorgelegtem Treppenbau. Am zweitenTorbogen befand sich bis 1745 eine Zugbrücke.

Im Jahre 1642 wurde die Burg durch das Aussterben der Hanau- Münzenberger Linie kurz von Würzburg besetzt. Im Dreißigjährigen Krieg diente sie der Bevölkerung der umliegenden Orte als Zufluchtstätte. Im Jahre 1719 wurde sie an Hessen-Kassel verpfändet, 1786 der Regierung in Hanau unterstellt. Von 1832 an war die Burg Staatsdomäne. Bauliche Veränderungen wurden im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts vorgenommen.

Die heutigen Brandensteiner haben nichts mit den Erbauern und Namensgebern der Burg zu tun. Die starben schon Anfang des 14. Jahrhunderts aus. Ein neuer Brandensteiner kaufte das Gemäuer dann im Jahr 1895, offenbar weil ihm die Namensgleichheit gefiel. Dessen Nachfahre ehelichte die Tochter des Luftschiffkonstrukteurs Graf Zeppelin, so daß die heutigen Besitzer sich Brandenstein-Zeppelin nennen dürfen.

Offizier Gustav von Brandenstein - aus dem thüringischen Orlagau stammend - fand Gefallen an dem „Schloß“, als er auf einer Dienstreise mit der Bahn 1888 den Brandenstein-Tunnel passierte. Im Jahre 1895 erwarb er die Burg, weil sie zufällig so hieß wie seine Familie. Seit 1909 heißt die Familie Brandenstein-Zeppelin (siehe Wappen am Eingang). Die Ehefrau Gustavs von Brandenstein war die Tochter des bedeutenden Arztes und Naturforschers Philipp Franz von Siebold (die Sammlungen des Japanforschers sind in der Burg untergebracht). Beider Sohn, Carl Alexander, heiratete die Tochter des Grafen Zeppelin.

Als im Jahre 1930 der württembergische Generalleutnant a. D. Graf Ferdinand von Zeppelin mit seinem 128 Meter langen Luftschiff über dem Bodensee aufstieg, jubelten ihm Tausende von Menschen zu. Trotz mancher anfänglichen Fehlschläge bei der Erprobung der Zeppelin’schen Luftschiffe ermöglichten die Deutschen, voller Begeisterung für dieses neue Verkehrsmittel, durch Sammlungen den Weiterbau. So gaben die reichen Frankfurter Bürger eine Millionengarantie für die erste Luftfahrtschau (ILA) in ihrer Stadt. Aus diesem Anlaß landete am 31. Juli 1909 zum erstenmal ein Zeppelin in Frankfurt.

Auf Flügen, die den Grafen über das Schlüchterner Gebiet brachten, drehte er mit seiner „Riesenzigarre“ stets eine Ehrenrunde über Burg Brandenstein bei Elm, wo seine einzige Tochter lebte, die mit dem Grafen Alexander von Brandenstein verheiratet war. Graf Zeppelin liebte den Bergwinkel, jenes Gebiet, das weder zur Rhön, zum Vogelsberg, noch zum Spessart gehört, doch von ihren Bergen wie von Wächtern umstanden ist.

Die heutige Burgherrin, Isa von Brandenstein, richtete im ehemaligen Marstall ein Holzgeräte- Museum ein, das handwerkliche Holzgeräte aus Haus, Stall, Feld und Wald beherbergt, die in Pferdestallboxen untergebracht sind. Neben diesem sehr interessanten Museum ist die stilvolle Einrichtung der Burg beachtenswert. Schöne Barock- und Hessenschränke, Truhen, Jagdwaffen und Rüstungsteile stellen einen besonderen Wert dar. Außerdem befindet sich auf Brandenstein ein Familienarchiv aller Namensträger von Brandenstein.

Vor hundert Jahren war hier noch alles kahl. Daher auch der Name „Brandenstein“, der etwa  „verbrannter Felsen“ bedeutet. Erst 1888 wurde das Gelände aufgeforstet, so daß der Mischwald in diesen Tagen den ersehnten Schatten spendet. Am terrassenförmig angelegten Südhang dagegen  scheint es, als befände man sich in der Provence.

Der Verwalter („Burggraf“) Kretschmann, ein Landschaftsarchitekt, verbindet die Museumsführung mit einer Burgbesichtigung und stellt Verbindungen zum bäuerlichen Leben und der Landschaft rund um die Burg her. Dazu wird eine Brotzeit gereicht, zu trinken gibt es den ausgezeichneten Elmer Apfelsaft von den Äpfeln der am Burghang liegenden Streuobstwiesen. Die Südhanglage und die vor Frost schützenden Frühnebel sind die Garanten für eine außerordentliche Obstqualität. Zur Tradition sollten die Märkte werden, auf denen Handwerker traditionelle Formen der Holzverarbeitung (zum Beispiel Herstellung von Rechen, Zäunen, Holzschuhen) vorführen.

Das Schloß ist bewohnt und kann nicht besichtigt werden. Doch wurde in einem Seitenflügel ein Holzgerätemuseum eingerichtet, in dem „von der Wäscheklammer bis zum Holzpflug“ aller Hausrat zusammen getragen wurde. Wer das Museum besichtigen will, muß sich vorher unter der Telefonnummer 06661 / 5859 anmelden.

Am zweiten Sonntag im Mai gibt es dort das Apfelblütenfest. Dabei gibt es Apfelsaft, Apfelschorle und Radler (dunkles Bier mit Apfelsaft). Der Saft wird aus einer Streuobstwiese gewonnen, die etwa 1900 gepflanzt wurde. Ein Metzger bietet Apfelbratwurst an (Wurst mit zehn Prozent Äpfeln). Bemerkenswert auf dem Burggelände sind die geflochtenen Ziegenzäune, bei denen verschiedene Muster verwendet wurden.

 

Historisches Leben und Arbeiten auf Burg Brandenstein

Spektakuläre Ritterspiele bleiben auf der Anlage außen vor. Hier geht es nicht um große Figuren der Geschichtssehreibung. Der eher unbeachtet gebliebene Alltag des einstigen ländlichen Lebens ist unser Thema“, erklärt Burgvogt Uwe Kretschmann. Sein 1997 gestartetes Projekt „Historisches Leben, Arbeiten und Genießen auf Burg Brandenstein“ stößt auf reges Interesse.

Die mit dem Umweltpreis des Main-Kinzig-Kreises prämierte Idee macht Historie tatsächlich begreifbar. Sie bietet die Möglichkeit, selbst Hand anlegen zu dürfen. Vor authentischer Kulisse wird gezeigt, wie Besen gebunden werden, wie man Körbe flechtet, Brot backt, Lehmöfen baut, Trockensteinmauern schichtet, stabile Flechtzäune fertigt oder mit Pferd und Maultier eine Ziegenherde austreibt. Es darf über offenem Feuer gekocht, Apfelsaft gekeltert und Bier gebraut werden. Darüber hinaus wartet ein Zauberwald am Burghang auf große und kleine Künstler, die aus Naturmaterialien Einfallsreiches und Ansehnliches wie Holzkrokodile oder Geister-Mobiles zu arrangieren verstehen. Schließlich bietet Kretschmann, der diplomierte Landschaftsökologe, noch Führungen durch Wald und Flur an, um zu zeigen, wie durch historische Prozesse Landschaften nachhaltig geformt werden.

Führungen und Veranstaltungen - nach Vereinbarung -

Dipl.-Ing. Uwe Kretschmann, Burg Brandenstein, 36381 Schlüchtern Telefon: 06661 / 3888

 

Mit über 800 hölzernen Geräten und Gegenständen aus früheren Zeiten - sozusagen von der „Wäscheklammer bis zum Pflug“ oder vom „,Butterfaß bis zur Mehlsackausklopfmaschine“, etwa 45 Minuten, Gebühr: Erwachsene 3 Mark, Kinder 2 Mark.

Burggeschichte: Etwa 30 Minuten, Gebühr: Erwachsene 3 Mark, Kinder 2 Mark.

Landschaftsgeschichte: Auf einem Rundgang über den Burgberg kann ausgehend von den wunderschönen, versteckten Gartenanlagen an der Burg anhand alter Landschaftszeugen, wie Hutebuchen, Kopfbäumen, aber auch Blumen- und Streuobstwiesen, die wechselvolle Geschichte der Nutzung und des jeweiligen Erscheinungsbildes unserer Landschaft erklärt werden. Eine Vielzahl alter Pfade umzieht den ganzen Burgberg, uralte riesige Hutebuchen sind zu entdecken. Alte Zäune, Treppen, Wälle und Gräben, Quellen und Bäche sowie eine riesige  Streuobstwiese warten auf Erkundung.  Vieles ist bereits so verwachsen, daß kaum man etwas sehen kann, aber mit ein paar fleißigen Händen können diese alten Strukturen wieder freigeräumt und sichtbar gemacht werden. Eine kleine Ziegenherde hilft heute bei der Bewirtschaftung und hält den Gehölzaufwuchs am Südhang im Zaum. Etwa 30 - 45 Minuten, Gebühr: Erwachsene 3 Mark, Kinder 2 Mark oder 3 - 4 Stunden, 100 DM.

Bau von Flecht-, Steckenzäunen, Reißigwällen oder Gebücken:                               

       Zu unterschiedlichsten Zwecken mußten früher unzählige Abgrenzungen erstellt werden, was nur mit den vor Ort aus der Natur gewinnbaren Materialien wie Stecken Ruten oder Gestrüpp zu leisten war. An vielen Steilen um die Burg befinden sich bereits solche Zäune, die ständig ergänzt und weitergebaut werden müssen. Auch Hecken. die sich durch Verflechten zu undurchdringlichen Gebücken verwandeln lassen, sind schon vorhanden. 3 - 4 Stunden, 100 DM.

Spaziergang zur Ziegenherde:                                                                                                Besonders für Kindergruppen ist die Begegnung mit Liese, Lotte, Paul und den anderen Tieren ein bleibende Erinnerung. Auf den großen Koppelflächen können die Kinder den Ziegen beim Fressen, Klettern, Herumtollen, Kämpfen und der Jungenaufzucht über die Schulter schauen. Die neugierigen Ziegen lassen sich auch sehr gerne mit ein paar Streicheleinheiten oder Brotbrocken verwöhnen. etwa 30 - 45 Minuten, Gebühr: 35,00 DM

Lehmbackofen:                                                                                                                           Der 1998 nach uralten Vorbildern erstellte Backofen im Wirtschafshof kann auch zum Backen von eigenem Brot, Brötchen, Zwiebelkuchen oder Pizza benutzt werden. Sowohl Teigbereitung wie Ausformen und auch das Sammeln und Bündeln von Brennreisig gehören zu den Tätigkeiten. Unter fachkundiger Anleitung können so Familien, Vereine, aber auch Kindergruppen erleben, wie man aus „klebrigem Teig knuspriges Brot“ bäckt. Etwa 4 Stunden. Gebühr: 126,00 DM, Material 5 DM pro Person. (bei Bedarf und Interesse kann auch aus Rahm eigene Butter für die Brotzeit hergestellt werden).

Bau eine Lehmbackofens:                                                                                         

      Mit Weidenruten wird ein Gerüst aufgebaut, das dann dick mit Strohlehm bedeckt wird ein schön schmutziger Spaß für heiße Tage! Der Ofen kann gleich nach Fertigstellung angefeuert werden, um die Feuchtigkeit herauszutreiben.6 Stunden, 200 DM (ohne Materialien).

Kochen im großen Kessel:                                                                                                     Leckere Eintöpfe und Suppen können über offenem Feuer zubereitet werden. 3 Stunden, 100 DM (ohne Materialien). Natürlich kann immer auch ein Lagerfeuer angezündet und dort bzw. auf dem Holzkohle- oder auch Gasgrill gegrillt werden. Dauer und Gebühr nach Aufwand.

Keltern von Apfelsaft:                                                                                                          Zwischen September und Ende Oktober walten Unmengen von Äpfeln in den Streuobstwiesen am Burghang auf ihre Verarbeitung zu leckerem Apfelsaft. Mit dem Bollerwagen wird das Obst herbeigeholt, gewaschen und mit historischen Geräten geschnitzelt und gepreßt. Mit handbetriebener Schnitzelmühle und Spindelpresse kann die Herstellung von eigenem Most ausprobiert werden. Besonders auch für Kinder- und Jugendgruppen geeignet. 3 Stunden,  100 bis 120 Mark.

Bierbrauen:                                                                                                                             Die Herstellung von Bier aus Wasser, Gerstenmalz und Hopfen ist ein Erlebnis, um zu erfahren, wie aus einer trüben, brodelnden Brühe nach Gärung und Reifezeit klares schmackhaftes Bier entsteht. 5 Stunden, 250 Mark (ohne Materialien und Verkostung).

„Apfelsaft und Brotzeit“ im Hof:                                                                                           Für Wanderpausen, vor oder nach einer Führung, kann ein Umtrunk mit hauseigenem Apfelsaft und Apfelwein und eine deftige Brotzeit angeboten werden. Möglichkeiten zum Grillen oder Kochen am alten Holzherd oder gar im großen Kessel überm offenen Feuer sind vorhanden; Grillware und andere Verköstigungen können in Zusammenarbeit mit der Schlüchterner Metzgerei Hausmann geliefert werden. Gebühr je nach Aufwand

Herstellung von Bienenwachskerzen:                                                                                  Nach unterschiedlichen Verfahren wie Rollen. Ziehen oder Gießen kann erfahren werden, wie mit einfachen Mitteln wunderschöne, duftende Kerzen entstehen. 2 - 4 Stunden, 70  bis 130 DM.

Wenn Burgherr Constantin von Brandenstein-Zeppelin und seine Frau  zu Bett gehen, fliegen bis zu 15 Fledermäuse über ihre Köpfe.  Außer den geheimnisvollen Fliegern findet sich ungefähr 20 verschiedene Viecher auf Brandenstein. Das Sagen hat natürlich Fips der Rauhaardackel - nur die Ziegen wissen leider noch nichts davon und unternehmen gelegentlich ebenso ungenehmigte wie flurschadenträchtige Exkursionen in den Obstgarten. Auch ein paar Katzen streifen durchs Gelände, in dem es von Salamandern, Eidechsen und Schlingnattern wimmelt. Hummeln und Hornissen dürfen ohne Anfeindungen durch die Lüfte brummen und das Käuzchen hat sich im Schornstein eingemietet.

Constantin von Brandenstein-Zeppelin und seine Frau Amelie Prinzessin zu Löwenstein- Wertheim-Freudenberg schätzen die exklusive Lage ihres Domizils, begegnen aber sogleich verklärenden Vorstellungen vom Leben hinter den zwei Meter dicken Mauern.  Romantisch war das Burgleben nicht.  Alles, was gebraucht wurde, mußte früher von Hand den Berg hochgeschleppt werden, tausende von Ladungen Holz etwa, für die offenen Feuerstellen, die viel Brennstoff verbrauchten und wenig Wärme spendeten. Und auch die Wasserleitung, die von einer nahen Quelle gespeist wird, gibt es erst seit der Neuzeit.

Manche Unbequemlichkeit ist auch heute in Kauf zu nehmen. Der Einbau einer modernen Heizungsanlage liegt noch nicht lange zurück. Es war schon ein komisches Gefühl, die großen Flure zum ersten Mal warm zu erleben.  Daß die unterdimensionierten Fenster wenig Licht hineinlassen, ist jedoch nicht zu ändern. Wohnkomfort im heutigen Sinne lasse sich in diesem Baudenkmal nur eingeschränkt realisieren. Einen großzügig zugeschnittenen Rittersaal sucht man vergeblich auf Brandenstein: In Burgen gibt es immer nur kleine Räume und kleine Fenster. Angesichts der einzigen Entscheidungsmöglichkeit zur Zeit der Erbauer entweder warm oder hell, sei die Wahl klar gewe sen. Die umfangreiche Waffensammlung, die zu einer Burg nun einmal gehört,  ist schon lange weggepackt. Die Burgherrin Frau will nicht im Museum wohnen.

Kostengünstig residiert man schon gar nicht auf einer Burg. An irgendeiner Stelle ist immer etwas zu reparieren, so daß jedes Jahr zigtausende von Mark für die Unterhaltung der Anlage aufgebracht werden müssen. Für den Preis der Sanierung des Torbaus hätte  man sich ein schönes Einfamilienhaus bauen können.

Aufgewachsen ist Constantin von Brandenstein auf dem schwäbischen Schloß Mittelbiberach, ein prächtiger Renaissancebau, der an seinen älteren Bruder fiel. Neben seiner beruflichen Tätigkeit in der Finanz- und Vermögensberatung steht für ihn soziales Engagement im Mittelpunkt. Schon lange ist er beim Malteser Hilfsdienst engagiert. Seit Jahren führt er die karitative Organisation als Bundesvorsitzender und nimmt als ausgebildeter Sanitätshelfer an Hilfsaktionen teil. „Helfen ist das Gegenteil von Gewalt. Völkerverständigung und -freundschaft sind das Gegenteil von Hass“, gießt von Brandenstein-Zeppelin seine Prinzipien in knappe Sätze. Seine Frau Amelie, die das Regiment in H   aus, Hof und Garten führt, teilt das soziale Engagement. Die Geologin ist bei den Maltesern als Diözesan-Oberin der Diözese Fulda für Aus- und Weiterbildung der Schwesternhelferinnen verantwortlich und Ansprechpartnerin für die gesamte weibliche Helferschaft.

Besonderen Stellenwert haben für die Brandenstein-Zeppelins Bande nach Japan, die mittlerweile zur Gründung von Nippons erster Malteser-Gruppe in Nagasaki geführt haben. Auch dieser Kontakt gehört zu den gerne gepflegten Familientraditionen. Constantin von Brandensteins Ururgroßvater war der Würzburger Arzt Philipp Franz von Siebold (1796 - 1866), der als Japanforscher und Mittler zwischen West und Ost berühmt wurde, in Japan weitaus mehr als in seiner Heimat.  Die Burg Brandenstein beherbergt neben dem bekannten Holzgerätemuseum seit einigen Jahren auch eine Siebold-Ausstellung mit zahlreichen Aufzeichnungen und Schriften aus Siebolds Sammlung. Die Besucher sind zu 90 Prozent Japaner.

Exotisches und Exquisites verspricht die Japan-Sammlung des einstigen Mediziners und Universalgelehrten Philipp Franz von Siebold. Der Vorfahre der Familie von Brandenstein- Zeppelin, der seit 1895 die Burg gehört, nutzte einen Japanaufenthalt von 1823 bis 1829 zu umfangreichen Studien des damals in Europa nahezu unbekannten Inselreiches. Eine originelle Führung zeigt private Erinnerungsstücke des Forschers und beschreibt seine Bemühungen um den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse zwischen Europa und Japan. ^

 

Von der Burg Brandenstein geht es rechts abwärts (mit den Zeichen E 3, E 4 und dem gelben Tropfen (nicht ganz rechts, sondern im rechten Winkel). Der Weg führt an der Eisenbahn entlang. Vor dem Haineshof biegt man nach rechts ab und kommt geht hinauf zur Fahrstraße (rechts geht es nach Herolz). Ein kleiner Weg führt geradeaus in den Wald, der Aufstieg ist kurz und heftig. Auf der Höhe steht ein Grenzstein von 1732. Dort verläßt man die Bahnlinie und der Weg geht links weiter zum Ortsteil Hinkelhof.

Man fährt die Straße nach rechts hinab und dann wieder hinauf zur Eiche an der Haltestelle Dreibrüderhof. Der Wegweiser dort steht falsch, denn es geht nicht auf der schmalen Straße weiter, die im spitzen Winkel von der Eiche abgeht, sondern auf der breiteren Straße, die ungefähr im rechten Winkel abgeht. Von dieser Straße geht rechts ein schmaler Fußweg zur Steckelburg hinauf. Man kann aber auch die Straße weiterfahren bis auf die Höhe und dann im spitzen Winkel nach rechts. Der Weg ist zunächst eben, dann fällt er ab bis vor die Steckel­burg. Dort läßt man das Fahrrad unten stehen und geht den steilen Weg zur Ruine hinauf.

 

Ruine Steckelberg                                                                                        Führungsblatt 105

Als frühmittelalterlicher Hauptort des oberen Kinzigtales erscheint 796 - 923 ein Dorf Kinzicha (Kinzig), das mit Ramholz gleichgesetzt werden kann. Seine Mark entsprach weitgehend der Pfarrei Ramholz, die um 1020 von Fulda an das Kloster Schlüchtern geschenkt wurde, zu der 1167 zehn Tochterkirchen gehörten und die den gleichen Bereich umfaßte wie das Zentgericht (Verwaltungsbezirk) auf der „Breiten First“, dem Vorgänger des späteren hanauischen Amtes Schwarzenfels.

Bedeutendste ältere Macht in diesem Gebiet - dem Bergwinkel zwischen Rhön, Spessart und Vogelsberg - waren die 1131 erstmals genannten Herren von Steckelberg, die sich eine vom Landrücken bis in den Jossgrund reichende Herrschaft aufgebaut hatten. Ihr Stammsitz war die Burg Steckelberg (Stechelnberc = steiler Berg), die auf einem östlichen, „Nickes“ genannten und heute als „Altenburg“ bezeichneten Ausläufer der „Breiten First“ lag. Über diesen basaltbedeckten Höhenrücken, der die Wasserscheide zwischen Kinzig und Sinn bildet, führte mit der Weinstraße die alte Verbindung von Fulda nach Franken.

 

Die Altenburg - die alte Burg Steckelberg - war jedoch nicht die älteste Befestigung in diesem Bereich. Selbst auf einer Basaltkuppe auf dem schmalen, von Osten nach Westen kräftig, nach Norden und Süden steil abfallenden Bergausläufer gelegen, findet sich rund 200 Meter östlich oberhalb von ihr - am spitzwinkligen Ende des ebenen Plateaus des „Nickes“ - eine kleine Ringwallanlage von 0,38 Hektar Größe, die  - erst 1969 entdeckt - alle Merkmale einer frühmittelalterlichen Befestigung zeigt.

Gegen das Plateau hin ist der Innenraum durch einen im leichten Bogen von Steilkante zu Steilkante geführten Wall von etwa 70 Meter Länge mit vorgelegtem Graben geschützt. Er setzt sich an der nördlichen Plateaukante als Wall fort, während er im Süden auf 10 bis 12 Meter Länge scharfwinklig umbiegt und zwischen sich und dem Stellrand einen Zugang freiläßt.

Der Wall auf der südlichen Steilkante, an seinem Beginn ein wohl nur kleines Stück weit abgegraben, setzt neu an und lief ursprünglich auf 3 bis 5 Meter Länge mit dem Ende des umgebogenen Wallschenkels parallel, an welcher Stelle der Torbau mit einem rund 3 Meter breiten Durchgang gestanden haben muß. Der Graben ist vor dem Tor nicht durchgeführt. Auch in seinem Zug über die Hochfläche ist er nur teilweise regelmäßig ausgehoben. Etwa in der Mitte der Befestigungslinie, wo auf dem Kamm des Bergrückens eine Basaltrippe verläuft, die sich nach Westen hin zum schmalen Grat verjüngt, ist er nur ganz flach in den harten, plattigen, großscholligen Basalt eingetieft.

Ein zweites Tor lag im Westen der maximal nur 70 Meter langen Befestigung. Auch bei ihm greifen die Wallenden, durch eine Geländestufe an der südlichen Torwange bedingt und begünstigt, leicht übereinander, ohne daß sich die genaue Bauart erkennen ließe. Ein späterer Grenzwall zieht quer durch den Westteil der Anlage, die vor allem in ihrer Nordhälfte dadurch ebenso wie durch Wegeführungen und Steinentnahme beeinträchtigt und teilzerstört ist. Die zum Wall zerfallene Befestigungsmauer war, vermutlich mit stützenden Holzeinbauten, aus dem anstehenden Basalt errichtet. Die großen, plattigen Basaltsteine erleichterten den Aufbau. Die heute auf dem Wall der Ostseite aufgesetzten Steine sind kaum ursprünglich, sondern machen den Eindruck einer romantisierenden Wiederherstellung.

Wie weit diese Anlage in das frühe Mittelalter zurückgeht, ob sie schon im 8. Jahrhundert als Herrschaftssitz angelegt wurde oder vor allem dem Schutz der Weinstraße diente, wer ihre Herren waren, läßt sich (noch) nicht sagen. Ihre enge räumliche Verbindung zur alten Burg Steckelberg ist aber kaum ein Zufall.

 

Die Burg, deren Ruine wir heute vor uns haben, liegt rund 500 Meter südwestlich der Altenburg in Fortsetzung des Bergausläufers „Nickes“, von dem sie durch einen tiefen Sattel getrennt ist. Die alte Burg Steckelberg mit einer Größe mit 0,4 Hektar hat außer steilen Böschungen und einem kurzen Grabenstück an ihrer Ostseite kaum Spuren im Gelände hinterlassen. Sie ist auf drei Seiten von einem Graben umgeben, der im Osten in den Fels eingehauen, im Norden und Westen durch Abstellen des Berges und Aufwurf eines mächtigen Außenwalles geschaffen worden ist. Sie hatte ihren Zugang wahrscheinlich im Osten dort, wo auch heute noch der Weg in das Innere führt. Der Verlauf ihres Beringes im Norden ist aber nicht sicher festzustellen.

Die Burg ist eine kleine regelmäßige Rechteckanlage mit einem Innenraum. Sie nimmt einen ovalen Raum von knapp 100 Meter in der Länge und gut 50 Meter in Breite ein. Sie besitzt ein oberes rundliches Plateau von 20 bis 25 (24 mal 32) Meter Durchmesser. Als Reste der einstmals trutzigen Burg ragen heute die Umfassungsmauer, Wände eines Wohnhauses und der halbrunde Turm auf der Südseite hoch empor. Im Innenhof der stimmungsvollen Ruine stehen Picknick-Bänke. Von der Plattform hat man einen herrlichen Ausblick.

Die Burg wurde erstmals 1131 gebaut. Sie war aber schon 1273 nicht mehr im Besitz der Steckelberger (das Geschlecht ging im niederen Adel auf), sondern gehörte dem Hochstift Würzburg, das sie an die Herren von Hanau verpfändete. Die Burg war jedoch durch die Glieder der buchischen Ritterschaft besetzt worden, die sie als Stützpunkt für ihre Räubereien benutzte.

Im Jahre 1276 wurde sie auf kaiserlichen Befehl geschleift: Reinhard von Hanau eroberte mit dem Wetterauer Landsturm 1276 die Burg und erreichte vom Kaiser Rudolf von Habsburg am 14. Oktober 1276 das Urteil, daß „die Burg Steckelberg niedergebrochen und ohne kaiserliche Erlaubnis nie wieder aufgerichtet werden sollte“. Graf Reinhard führte die Schleifung durch, die - wohl in Verbindung mit späterem Steinraub - zu dem heutigen Zustand geführt hat. Schon 1290 ist nur noch von dem Berg die Rede als „mons in quo situm fuit castrum Steckelnberg“.

Im Jahre 1388 wurde die Burg neu gebaut. Im Laufe des 14. Jahrhunderts kamen Teile der ehemaligen steckelbergischen Herrschaft in den Besitz der Familie von Hutten. Ulrich I. von Hutten, dessen Mutter eine von Steckelberg war, erbaute vor 1388 auf einer steilen, kegelförmigen Muschelkalkhöhe oberhalb des Erbguts Ramholz eine neue Burg Steckelberg, „daz slosze Stechelnberg, daz ich nuwelich uffgeslagen und han tun buen“, ließ sich von Würzburg damit belehnen und konnte sie trotz des Widerstands von Hanau halten.

Bauliche Erneuerungen und Veränderungen nahm um 1500 Ulrich III. von Hutten (der Vater des Dichters) vor, der un ter an derem den halbrunden, unterkellerten Geschützturm vor die Eingangsseite setzte (bzw. 1509).

 

Am 21. April 1488 wurde hier Ulrich von Hutten geboren (1488 - 1523), Reichsritter und Humanist. Am 12. Juli 1517 wurde Ulrich von Hutten in Augsburg vom Kaiser Maximilian zum Dichter gekrönt.  Er weilte sehr oft auf der Burg und richtete zur Herstellung seiner Flugschriften sogar eine Handdruckerei ein (Gedenktafel von 1988). Er nahm aber nur gelegentlich auf der „arx Huttenica“ Aufenthalt.

In seinem bekannten Brief von 1518 an den Nürnberger Patrizier Willibald Pirckheimer schildert er das mühsame Leben auf den Burgen:  „Die Burg selbst, ob sie nun auf einem Berg oder in der Ebene liegt, ist nicht zur Behaglichkeit, sondern zur Sicherheit erbaut, mit Graben und Wall umgeben, im Inneren eng, durch Stallungen für Klein- und Großvieh im Platz begrenzt; daneben finstere Kammern, die mit Kanonen, Pech und den übrigen Geräten an Kriegsmaschinerie angefüllt sind; überall Geruch nach dem Pulver und Kanonen; dann die Hunde und der Hundedreck - auch das ist ein unangenehmer Duft, denke ich. Reiter kommen und gehen, unter ihnen Räuber, Diebe und Mörder, denn meistens stehen unsere Häuser allen offen, da wir entweder nicht wissen, wer der Betreffende ist oder auch nicht viel danach fragen. Es ist das Blöken der Schafe, das Brüllen der Rinder und das Bellen der Hunde zu hören, das laute Schreien der Arbeiter auf dem Feld, das Quietschen und Rattern der Karren und Wagen, ja bei uns zu Hause sogar das Bellen der Wölfe, weil die Wälder ganz nah sind.“

Da die Mittel nicht mehr ausreichten, die Burg zu erhalten, beschlossen die von Hutten nach dem Beispiel der Reichsschlösser in der Wetterau, die Huttenburg als Ganerbenschloß auszuweisen. Im Jahre 1452 traten die Ritter Mörle zu Uerzell in die Ganerbengemeinschaft der Steckelburg ein. Es wurden 32 Ritter von den von Hutten als Teilhaber an ihrer Burg angenommen. Sie mußten 100 Gulden Eintrittsgeld und einen Jahresbeitrag von 5 Gulden zur baulichen Instandhaltung der Burg zahlen. Außerdem mußte jeder einzelne 4 Handbüchsen, 1 neue Armbrust mit Winde, 500 gestielte Pfeile, 20 Pfund Pulver und 20 Pfund Blei auf der Burg ständig bereithalten. Dafür durften sie die Steckelburg als Schlupfwinkel benutzen. Im Jahre 1458 wurde die Burg von dem Bischof von Würzburg belagert und eingenommen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts löste sich die Ganerbengemeinschaft auf.

Im Jahre 1495 machten die von Hutten ihre Besitzrechte allein geltend.

Angeregt durch die Ulrich-von-Hutten-Renaissance zu seinem 500. Geburtstag 1988 werden viele festgestellt haben, daß dieser große Humanist eine differenziertere Betrachtung verdient. Huttens Mißbrauch als historische Leitfigur durch die Nazis hat hierzulande lange ein unvor­eingenommenes Urteil über den Freigeist verhindert. Zu entdecken ist eine sehr widersprüchliche Persönlichkeit, die gewis­sermaßen mit dem Blick zurück nach vorn schaute und besonders stark den epochemachenden Umbruch seit 1500 verkörperte.

Als Reichsritter noch im Mittelalter geboren und vielfach darin ver­wurzelt – man denke nur an seine Fehdefreudigkeit– war von Hutten andererseits durch sein frühaufklärerisches Denken der Zeit und den Zeitgenossen weit voraus. Daß er scheiterte und am Ende selbst von Nahestehenden wie Luther, Sickingen oder Erasmus völlig isoliert war, spricht für sein konsequentes und unbequemes Handeln.

Anders als die meisten Humanisten des städtischen Gelehrten­milieus war er ein Mann der Tat – mochte er äußerlich mit gerade 1,50 Meter Körpergröße und seinem starken Hinken auch eher dem Ritter von der traurigen Gestalt entsprochen haben als dem Ruf eines „Ritters gegen Tod und Teufel“, den ihm Nachgeborene anhängten. Die Veranlagungen seiner Vorfahren, Zielstrebigkeit, Selbstbewußtsein und Tatkraft - mit der sich das Regionalgeschlecht derer von Hut­ten über Jahrhunderte gegen mächtige Territorialherren behauptete - waren Ulrich im Übermaß gegeben. Anschaulich beschreibt er später de knorrige Bodenständigkeit des Großvaters und den Selbstbe­hauptungswillen des Vaters, der vorzugsweise mit den Waffen sein Recht einforderte. Der kleine Ulrich muß miterlebt haben, wie sich sein gleichnamiger Vater zusammen mit zwei Brüdern 1492 /  1493 rüstete und nach erfolgreicher Belagerung seine verbrieften Rechte am Amtssitz der Burg Schwarzenfels zurückeroberte.

Diese Feste gehört zu jenem Burgen- und Schloß-Triumvirat im hes­sisch-bayerischen Grenzgebiet zwischen Rhön und Spessart, wo die Spuren der Huttens Plastizität gewinnen. Neben Schwarzenfels sind das der Stammsitz der Familie, die Steckelsburg und ihr zu Füßen der spätere Wohnort, Schloß Ram­holz. Trotz der Jubiläumsfeierlichkeiten 1988 ist die Steckels­burg kein touristischer Wallfahrtsort geworden. Sie liegt völlig einsam im tiefsten Tann und kann nur zu Fuß über einen munter steigenden Pfad erreicht werden. Lediglich eine kleine Tafel erinnert daran, wer hier am 21. April 1488 vormittags um halb zehn das Licht der Welt erblickt hat, auf der es nach Ulrich von Hutten ungeachtet schwerster Krankheit eine „Lust zu leben“ war.

Über das Aussehen der Burg  is tman durch einen Grundriß und eine Ansicht aus dem 17. Jahrhundert recht gut unterrichtet.  Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts verfiel  die Burg, nachdem die Bewohner schon Ende des 16. Jahrhunderts nach Ramholz gezogen waren und sich dort ein Herrenhaus erbaut hatten Im Jahre 1783 starb die Linie des Geschlechts von Hutten in Franken aus Die Ruine kam 1783 an die Grafen von Degenfeld, die schon seit 1677 Besitzer der Herrschaft Ramholz waren, mit dieser 1852 an die Fürsten von Ysenburg-Büdingen und 1883 an die Freiherrn von Stumm (jetzt von Kühlmann-Stumm).

 

Der Weg von der Steckelburg nach Schwarzenfels ist noch weit und beschwerlich. Es empfiehlt sich daher, den Ort Schwarzenfels mit dem Auto zu besuchen in Verbindung mit Sterbfritz, Weichersbach, Bad Brückenau und den Bibern im Westerngrund zum Beispiel.

Dennoch wird auch der Weg von der Steckelburg zur Burg Schwarzenfels hier beschrieben. Am Platz unterhalb der Burg biegt man nach links ab und fährt weiter auf dem Drei-Burgen-Weg, Kurz danach kommt man an der Begräbnisstätte der Familie von Kühlmann-Stumm vorbei und kann einen Blick in die Ramholzer Parklandschaft werfen.

Man biegt zweimal links ab, dann geht es ein ganzes Stück leicht bergab und plötzlich wieder steil links hoch (Wegweiser). Auf der Höhe ist eine Kreuzung, wo man erst etwas rechts geht und dann gleich wieder links steil bergab. Der Trampelpfad führt zum Wasserwerk an der Fahrstraße. Auf dieser fährt man ein kleines Stück nach links und dann gleich wieder nach rechts. Es geht immer bergab (nicht rechts hoch) nach Weichersbach.

Man fährt durch den Ort bis zur Kirche und biegt dort nach links ab und steht gleich vor der Sedans-Linde (nicht Eiche), die man 1871 zur Feier des Sieges über die Franzosen gepflanzt hat. An dieser Stelle fehlt wieder die Wegweisung. Es muß an dieser Stelle auf einer der beiden Straßen nach rechts gehen in Richtung Burg Schwarzenfels. Wenn man den Weg geradeaus hoch geht, kommt man weit ins Feld, und an einem kleinen Rastplatz kann man dann im spitzen Winkel nach rechts gehen und kommt auf den Weg zur Burg Schwarzenfels. Diese wird unter „Schwarzenfels“ beschrieben.

 

Gemeinde Sinntal und um Umgegend

Die Gemeinde ist von der großen Sinn durchflossen, die am Kreuzberg in der Rhön entspringt und mit der Fränkischen Saale in den Main mündet. Der Abschnitt Jossa - Gemünden bildet die geographische Grenze zwischen Rhön und Spessart. Im Tal wurde die Bundesbahnstrecke Hannover - Würzburg neu ausgebaut. Das lebhafte Relief der Landschaft weist mit seinen höchsten Erhebungen bei 400 -  475 Meter und seinem tiefsten Punkt bei 225 Meter einen beachtlichen Höhenunterschied aus.

Die Gemeinde liegt im Land Hessen und gehört verwaltungsmäßig zum Regierungsbezirk Darmstadt und zum Main-Kinzig-Kreis (Sitz der Kreisverwal­tung in Hanau/Main). Von der Gesamtfläche sind 45,1  Prozent (5.049 Hektar) landwirtschaftliche Nutz­fläche, während 42,9 Prozent (4.801 Hektar) mit Waldbe­stockt sind. Der Waldanteil liegt mit rund 43 Prozent über dem hessischen Durchschnitt (41 Prozent). Die Ortsteile Jossa und Züntersbach sind staat­lich anerkannte Erholungsorte. Sinntal gehört von der Fläche her betrachtet zu den größten Gemeinden Hessens.

Zur Gemeinde gehören die Ortsteile Altengronau (1.390 Einwohner), Breunings (285), Erholungsort Jossa (691), Mottgers (777), Neuengronau (403), Oberzell (1.124), Sannerz (845), Schwarzenfels (585), Sterbfritz (2.035), Weichersbach (869), Weiperz (589), Züntersbach (740).

In Sinntal befindet sich auch die artenreichste Orchideen-Population von ganz Hessen, oder aber die Schachblumenwiese in Altengronau, einer der letzten Zufluchtsorte dieser seltenen Blume. Zahlreiche Naturlehrpfade informieren Sie über die Entwicklung von Pflanzen und Tieren, Kutschfahrten oder Reiten sind genauso möglich wie ein Besuch auf einem Schulbauernhof.

 

780

Erste Erwähnung Altengronaus

800 

Erste Erwähnung Breunings

815

Erste Erwähnung des Ortsteils Sterbfritz

900 

Erste Erwähnung Züntersbach

907

Erste Erwähnung Weiperz

923 

Erste Erwähnung Mottgers

950

Erste Erwähnung Sannerz

1167

Erste Erwähnung Oberzell

1280

Erste Erwähnung Schwarzenfels

1295

Erste Erwähnung Neuengronaus

1311

Erste Erwähnung Weichersbachs

1400

Schwarzenfels wird Gerichtssitz

1527

Eitel Sebastian von Hutten erbaut eine neue Wasserburg in Altengronau

1552

Alexander von Hutten erbaut die Borg am Ortseingang von Alten­gronau

1557

Burg Schwarzenfels wird zum Schloß umge­baut (bis 1561)

1649

Schloß Schwarzenfels wird zur Ruine erklärt

1666

Errichtung einer Spiegelfabrik in Mottgers

1725

Erste Erwähnung Jossas

1731

Gründung eines Blaufarbenwerkes in Mottgers

1776

Bau der Probstei Sannerz

1821

Einrichtung eines hessischen Justizamtes auf der Burg Schwarzenfels

1850

Das Probsteigebäude in Sannerz wird Heim für verwaiste Knaben

1863

Tausch des bayerischen Züntersbach gegen hessischen Teil von Mittelsinn

1932

Verlegung des Amtsgerichts auf der Burg Schwarzenfels nach Schlüchtern

1953

Einweihung der neuen Mittelpunktschule in Altengronau

1953

Einweihung  der Turnhalle und späteren Mehrzweckhalle in Sterbfritz

1956

Bau der Firma Phönix in Sterbfritz

1959

Beginn der der Firma Tabbert‑Wohnwagenbau GmbH in Mottgers

1965

Einweihung der neuen Mittelpunktschule in Sterbfritz

1969

Altengronau verbindet sich mit Neuengronau.

1969

Freiwilliger Zusammenschluß von Sterbfritz, Breunings, Sannerz und Weiperz  zur Großgemeinde Sterbfritz

1972

Freiwilliger Zusammenschluß von Mottgers, Schwarzenfels und Weichersbach zur Großgemeinde Sinntal

1974

Entstehung der Großgemeinde Sinntal durch Gesetz

1977

Eingliederung von Züntersbach in die Gemeinde Sinntal

1978

Jugendfreizeitlager wird auf der Burg Schwarzenfels eingerichtet.

1985

Baubeginn des Landrückentunnels

1986

Einweihung der Mehrzweckhalle Sterbfritz

1988

Inbetriebnahme des Neubaustreckenabschnitts Fulda‑Würzburg

 

Sannerz

Eine Niederlassung des „Sanderates“, aus der sich das Dorf Sannerz entwickelt hat, wird zuerst in einer undatierten Urkunde aus der Zeit um 950 genannt. Nach ihr tauschte damals das Kloster Fulda von Brun, dem Bruder des Königs Otto I., Güter und Hörige in Sannerz und Weiperz ein. Einer Urkunde aus dem Jahre 1295 ist zu ent­nehmen, daß die Herren von Steckel­berg einen Grundbesitz in Sannerz gehabt haben.

Ulrich von Steckelberg, seine Frau und ihr Sohn Hermann belehnen damals einen Schultheiß auf der Burg Schwarzenfels na­mens Gottfried mit Gütern in Sannerz, die ein gewisser Heinrich Parcus in Sannerz innehat­te. Aus dieser Zeit der zweiten Hälfte des 14. Jahr­hunderts ist bekannt, daß die Herren von Hut­ten in Sannerz begütert waren. Zu dem Grundbesitz dieser Familien von Hutten gehörte ein Hof, der bei einer im Mai des Jah­res 1364 erfolgten sogenannten Todteilung des Fa­milienbesitzes Frowin dem Älteren von Hutten zufiel. Daraus entwickelte sich die Huttensche Burg.

In der Folgezeit vermehrte sich der von Hutten’sche Grundbesitz. Besonders war dies der Fall im Jahre 1457, in dem Lorenz von Hutten aus der Altengronauer Linie von der Pr­obstei Neuenberg außer Gütern zu Vollmerz auch solche zu Sannerz und Weiperz für 220 Gulden kaufte. Nachfolger des hochbetagten Lo­renz von Hutten wurde sein Sohn Ulrich, der Vater des gleichnamigen Humanisten und Dichters. Im Jahre 1552 erlosch die Steckelberger Linie derer von Hutten und der Grundbesitz fiel durch Erbgang an die Nachkommen Frie­drichs von Hutten in Altengronau (nach anderer Angabe erlosch das Geschlecht Hutten-Steckelburg erst 1704  oder 1778, s.u.).

Fürstabt Adolf von Dalberg stiftete mit Stiftungsurkun­den vom 19. Oktober 1735 die Propstei Sannerz. Das Hochstift Fulda war damit zum unbe­schränkten Grundbesitzer in Sannerz, Herolz und Weiperz geworden. Dadurch verschob sich der Mittelpunkt des Fuldaischen Besitzes im oberen Kinzigtal nach Sannerz und Herolz blieb nur Sitz des Pfarrers und eines Justizbe­amten.

Die Huttensche Burg existierte noch im Jahre 1778 und war Domizil der protestantischen Linie derer von Hutten. Nach dem Tode des letzten Steckelberger Hutten ließ Fulda die Burg besetzen und machte sie zum Sitz der neugegründeten Propstei San­nerz. Im Jahre 1776 wurde Karl von Piesport Propst in Sannerz. Der bedeutende Philosoph, Theologe und Förderer der Landwirtschaft ließ die Burg 1778 zu einem repräsentativen Barockgebäude umbauen. Das Eingangsportal mit der hohen, doppelläufigen Sandsteintreppe bildet die Mittelachse des symmetrischen Gebäudes mit Mansarddach. Der seitlich aufragende runde Treppenturm stammt wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert

Im Jahre 1796 überfällt eine Gruppe des französischen Revolutionsheeres auf dem Rückzug Sannerz. Im Jahre 1802 wurde die Propstei sä­kularisiert auf Anordnung des Erbprinzen von Oranien. Am 29. Oktober 1806 wurden die fuldi­schen Gebiete für vier Jahre französisch. Im Jahre 1837 wurde das Huttenschloß von der Familie Sayn‑Wittgenstein­-Berleburg bewohnt.

Im Jahre 1842 hieß die Besitzerin Else Hildenbrand aus Schottland.

Von ihr wurde das Propsteischloß 1845 für 8.000 Gulden durch Bischof Pfaff von Fulda zurückgekauft. Kaplan Waldner richtete darin 1850 eine Erziehungsanstalt „Knabenrettungsanstalt für die Diözese Fulda“ ein. Seit 1946 liegt die Leitung des Hauses bei den Salesianern. Sie nutzen das Gebäude als Jugendhilfezentrum mit beruflicher Fortbildungsstätte. Bei Renovierungsarbeiten 1978 bis 1982  wurde das Gebäude bis auf den Treppenturm und das massive Erdgeschoß abgetragen, Obergeschoß und Dach wurden erneuert.

Der Bau der Sannerzer Kirche erfolgte im Jahre 1895.

 

Weiperz

Die Ansiedlung, die zwischen dem 7. und 9. Jahr­hundert entstand und zum Saalegau gehörte,

läßt schließen, daß die ersten Siedler Franken gewesen sind. Erstmals urkundlich erwähnt wird Weiperz in einer Urkunde über den Tausch von Gütern zwischen dem Kloster Fulda und dem Kloster Echternach bei Trier im Jahre 907.

Die Bewohner von Weiperz betrieben Ackerbau und Viehzucht. Der karge Boden ließ nur mäßige Ernten zu, von denen noch ein Teil an den Lehnsherren abgegeben werden mußte. Außerdem waren noch Frondienste zu lei­sten. Die beiden Grundherren waren die Prob­stei Neuenberg und die Herren von Hanau, die in Herolz als Mittelpunkt einen Fronhof besaßen und ein Hofgericht.

Von Würzburg her zog eine Heerstraße, auch Weyn- oder Wagenstraße genannt, die unterhalb der Klingenmühle die Kinzig überquerte und heute noch als Zeitlofser Furt in alten Karten zu erkennen ist. Die Heerstraße verlief vom Sannerzer Grund über die Sannerz-Weiperzer Straße zum Fuß des Bergackers, wo sie über das Essbach, Ratzerod nach Steinau weiterführ­te. Die Chronik schreibt auch von Ein­quartierungen, an denen die Bauern Vorspann zu leisten hatten.

Viele Weiperzer Familien fanden durch die Ausübung des Nagelschmiedhandwerks ihr dürftiges Auskommen. Der letzte Nagelschmied Ignatz Kraft verstarb 1933. Einige Bauern bauten Flachs und fanden einen Nebe­nerwerb am häuslichen Webstuhl. Zweite und dritte Söhne erlernten einen Beruf, oder gin­gen als Helfer auf den Bau nach Frankfurt oder später nach Westfalen, wo sie auch ansässig wur­den. Viele zog es in die Ferne und sie wander­ten nach Amerika aus.

In den Jahren 1898 ‑  1900 wurde die neugotische Filialkirche als „Kapelle“ erbaut, eine Erweiterung in den Jahren 1958  - 1959 durchgeführt. Im Jahre 1975 fand eine Renovierung des Gotteshauses statt. Die bescheidene Ausmalung erfolgte durch den Restaurator Kiel aus Fulda‑ Lehnerz. Die großflächige Altarwand wird von dem dort aufgestellten Kreuz beherrscht. Der Corpus stammt aus dem Raum Würzburg und ist etwa 250 Jahre alt. Nach Plänen des vorgenannten Restaurators gestaltete der Bildhauer Junk aus Höf und Haid das Kreuz als Baum des Lebens. In der Kirche steht eine Orgel der Firma Walcker.

Das Western­bachtal ist ein Naturschutzgebiet. Weiperz-Berg:  Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 191.

 

Sterbfritz

Sterbfritz liegt im Quellgebiet der Kinzig zwi­schen den Ausläufern des Spessart und der Rhön. Der Name trat 815 zum erstenmal in ei­ner Urkunde als „Starcfrideshuson“ auf und ent­wickelte sich über Starcfrides (um 900), Ster­cfriedes (1167), Sterpfrids (1303) und Ster­pfritz (1543) zu der heutigen Form. „Sterbfritz“ ist eine Verballhornung der alten Bezeichnung „Starcfrideshuson“.  „Huson“ leitet sich vom althochdeutschen „Hus“ für Haus ab, „Starcfrid“ war ein ähnli­cher Name wie Siegfried, wohl der Begrün­der eines einzelnen Gehöfts, das sich erst im Zuge der Sachsenkriege zum Weiler auswuchs.

Es gibt aber eine Geschichte über die Ent­stehung des wunderlichen Namens Sterb­fritz, der auch in der Neuzeit noch für Dis­kussionen in der Bürgerschaft sorgte. Wie so häufig hat auch hier der populäre Erklä­rungsversuch nichts mit den historischen Wurzeln zu tun: „Vor vielen, vielen Jahren kehrte ein Reiters­mann mit seinem Rösslein aus einem Krieg heim. Die langen Jahre und die vielen Entbehrungen hatten Ross und Reiter arg mitgenommen. Der treue Rap­pe war alt und müde, und sein einst so schimmerndes Fell war grauhaarig und rau geworden. So zogen denn die beiden Kriegskameraden gesenkten Hauptes fürbass. Als sie nun dem Landrücken, der alten Wasser­scheide zwischen Fulda und Kinzig näherrückten, wurde der Gang des Tieres immer langsamer. Am Drasenberg blieb er stehen und wollte nicht mehr weiter, so sehr sich auch sein Herr um ihn bemühte und ihm frische saftige Kräuter reichte. Endlich hielt er ihm die letzten Hafer­körner hin und lockte ihn mit den Worten ‚Komm, Fritz!‘ Als schließlich die Höhe an der Kinzigquelle erreicht war, stürzte das völlig ausgepumpte Pferd zu Boden. Hilflos musste der rauhe Krieger mit ansehen, wie sich die Not seines treuen Tieres mehrte. Da beugte er sich zu ihm nieder. Abschiednehmend streichelte seine Hand den noch immer edlen Kopf des Pferdes und mit bewegter Stimme flüsterte er: ‚Sterb, Fritz! Dann hast du endlich Ruhe!‘ und das Rößlein folgte auch diesmal getreu seinem Herrn und verschied.“

Der winzige Schlüchterner Stadtteil Gomfritz  weist die gleiche Entste­hungsgeschichte auf. 

Ende der fünfziger Jah­re geriet Sterbfritz bundesweit in die Schlagzeilen, als eine frühe Bürgerinitiative nach Rück­frage bei der Landesregierung in der Ge­meinde­vertretung den Antrag einbrachte, den Ort wieder nach seinem Na­mensgeber „Starkfried“ zu benennen. Sie sammelten sogar Spenden, um die damals auf rund 6.000 Mark bezifferten Kosten für diesen Verwaltungsakt aufzubringen.

Vielleicht lag es an dieser rührseligen Geschichte, daß die damalige Diskussion dann doch anders ausging. Jeden­falls er­hob sich ein gewaltiger Meinungsstreit pro und kontra Sterbfritz. Germanisten und Namensforscher mach­ten sich über das Thema her, die Leserbriefspalten füll­ten sich weit über den Altkreis Schlüch­tern hinaus. Die Dörfler selbst jedenfalls plädierten in ihrer Mehrheit pragmatisch, nämlich für die Beibehaltung des Status quo. Und ebenso votierte schließlich das Gemeindeparlament. Einerseits sei der Name prägnant und bleibe auch dem Fremden auf Anhieb im Gedächtnis. Ande­rerseits benenne sich auch keine Familie „Schwarz“ um, nur weil die Kinder blon­des Haar hätten.

 

Zum Dorf gehörte auch ein herrschaftlicher Hof, auf dem von 1295 bis 1575 die Herren von Sterb­fritz - Angehörige des niederen Adels - ansässig waren. Im Jahre 1353 erhoben die Hanauer Grafen in Sterbfritz ein Wegegeld. Die Zugehörigkeit zum Amt Schwarzenfels in der Grafschaft Hanau wird dann auch 1453 im Weistum von Schwarzen­fels bestätigt. Im Jahre 1643 kam der Ort zusammen mit dem ganzen Amt Schwarzenfels durch Ver­pfändung an die Landgrafschaft, das spätere Kurfürstentum Hessen-Cassel.

Die erste Kirche von 1167 wurde im Jahr 1792 durch ein neues Gottes­haus er­setzt. Der Turm soll gar noch wesentlich älter sein. Er gehört Ausnahme des Läutwerks noch heute der politischen Gemeinde. In der Rückwand ist ein Grabstein aus dem Jahr 1588 eingelassenen. Früher war hier noch ein Friedhof war, ehe im 18. Jahrhun­dert der Platz für eine Schule gebraucht wurde. In den fünfziger Jahren hat der Blitz in die Kuppel eingeschlagen und der Wetterhahn ist heruntergestürzt. Der Innen­raum mit seiner impo­santen zweistöckigen Empore wurde 1999 renoviert.

Die drei bekanntesten Sterbfritzer waren der Marburger Pädagoge Prof. Dr. Christian Koch (1751 - 1861), der deutsche Gesandte in Peking, Freiherr Gustav Adolf Schenck zu Schweinsberg (1843 - 1909), der dem deutschen Kaiserreich die Kolonie Kiautschau verschaffte, und May Des­sauer, der als Junge emigrieren mußte, sich für die Opfer der Nazi-Herrschaft in Frankreich ein­setzte und seine Sterbfritzer Erlebnisse in sei­nem Buch „Aus unbeschwerter Zeit“ festhielt.

Einen Aufruhr gab es 1830, als Mitglieder eines Sterbfritzer Konventikels für Aufruhr sorgten. Sie stürmten die nahe Burg Schwarzenfels - damals ein Verwaltungssitz - schlugen die Beamten in die Flucht, zerstörten das Mobiliar und vernichteten Akten und Steu­erlisten. Die Sache ging nicht gut aus. Vier Jahre später wurden die Aufrührer fest­genommen. Ihrem Anführer, dem Küfer Papst, gelang zwar nach zwei Jahren die Flucht aus dem Gefängnis, doch entleibte er sich selbst im Rad der Weichersbacher Mühle.

Im Vergleich mit anderen Spessartdör­fern hat der Hauptortsteil der 10.500 Einwohnergemeinde Sinntal bei­nahe städtischen Charakter. Hier gibt so ziemlich alles an Infrastruk­tur, was man benötigt, sozusagen von der Wiege bis zur Bahre, ob Verwal­tung, Kindergarten, Schule, Freischwimm­bad, Mehrzweckhal­le, Geschäfte aller Art, bis hin zum Friedhof. Das Ver­einsleben ist derart rege, daß wir uns auf die Nennung der Exoten beschrän­ken, etwa die Dart­werfer, die Amateur­funker oder den Fan­club der Offen­ba­cher Kickers. Für den Indivi­dualverkehr sorgt ei­ne Straßenmeiste­rei und dem Nicht­besitzer eines Fahr­zeuges hilft ein Bahn­hof beim Fort‑ oder Hinkommen. Aller­dings hält hier nur die Regional­bahn zwischen Fulda und Gemünden.

Der größte Arbeitgeber in Sterbfritz ist Dynamit Nobel, her­vor­gegangen aus der ehemaligen Icas‑Schubfabrik ( erkennbar am alten Backsteinbau der fünfziger Jahre, der heute nur noch als Lager dient), dann von der Hamburger Phönix übernommen und um­strukturiert. Die Sil­houette des riesigen Werks am Hang, mit rund 430 Beschäftigten, prägt inzwischen das Ortsbild. Hergestellt werden hier seit Anfang der 90er Jahre Kunst­­stoffteile für die Automobile der Luxusklasse. Außerdem gibt es in  Sterbfritz die Wohnwagenfabrik Knaus Tabbert. Wie ein romantisches Überbleibsel aus vergange­nen Zeiten mutet gegenüber diesen moder­nen Zweckbauten das alte Sägewerk im Tal an, mit seinen von Backsteinen ausge­füllten Holz­gefachen, ein klassisches In­dustrie­denkmal.

So wirkt Sterbfritz mit seinen mittler­weile über 2.000 Einwohnern kaum noch ländlich, auch wenn 45 Prozent der Flä­che des Sinntals be­ackert werden und der kaum geringere Waldanteil weit über dem hessi­schen Durch­schnitt liegt. Auch findet sich hier abseits der Siedlungen die ar­tenreichste Orchi­deenpopulation des gesamten Bundes­landes.

Der früher in die­se Landschaft einge­bundene Flecken ist mittlerweile weit über sich hinausge­wachsen ‑ und das sieht man ihm auch an. Der historische Orts­kern mit einigen landwirt­schaftlichen Anwesen mit dem obligatori­schen Misthaufen wirkt da beinahe schon wie ein Fremdkörper.

Die Kirche wurde 1729 neu erbaut. Eine Vorgängerkirche soll aus dem Jahre 1167 stammen. Der Glockenturm mit barocker Zwiebelhaube trägt das Datum 1588. Das Schiff ist ein schlichter Saalbau mit zweigeschossigen Emporen. Die Kanzel stammt aus dem Jahre 1829.  Im Jahre 2016 wurde die   Kirche neu eröffnet.

 

Am oberen Ortsrand ist die Kinzigquelle (Hinweisschild an der Durchgangsstraße). Das Bäch­lein sprudelt unspektakulär aus einem Abfluß-Rohr in einem Bruchstein­mäuerchen. Von Bäumen be­schattete Bän­ke und Tische stehen dabei.

 

Stephanskuppe bei Sterbfritz:  Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 182.

 

Weichersbach

Im Jahre 1311 wird Weichersbach als „Wichen­spach“ erstmals urkundlich erwähnt. Die Chro­nik sagt über diesen Ort nicht sehr viel aus. Im Jahre 1666 wird das Schulhaus mit Stroh neu gedeckt. Am 24.Oktober 1697 weihte Prediger Johannes Kuhn die neu erbaute Kirche auf Befehl des „Hochfürstli­chen Consistorii zu Kassel“ ein. Kuhn - der Pfar­rer in Mottgers war - hatte dazu auf einer Reise nach Hanau und Frankfurt „kollektiert“. Im Jahre 1704 wird die Taufschüssel für 8 Albus umgegossen. Im Jahre 1832 wird der Wald „Ehehelle“ bei Wei­chers­bach abgeholzt und bedürftigen Einwohnern zur Ur­barmachung parzellenweise überwiesen. In vier Jahren wurden dort sechs Häuser errichtet.

Das Gotteshaus ist ein Barockbau aus dem Jahre 1694. Der Turm hat ein Dach mit doppelter Laterne. Die Kirche besteht aus einem breiten Schiff und großen Fenstern an der Südseite. Im Innern befinden sich zweigeschossige Emporen, die oberen mit Balustergeländer. Die Kanzel stammt aus dem Jahre 1697. Die Orgel des Gotteshauses wurde 1735 durch den Orgelbauer Peter Schleich aus Lohr gebaut. Im Jahre 1932 wurde eine Orgel der Firma Schmidt  (Gelnhausen) unter Erhaltung des alten Gehäuses erstellt. Im Jahre 1950 wurde durch die Firma Richard Schmidt  (Gelnhausen) ein Umbau durchgeführt.

 

Holzschuhe:

In Weichersbach hat das Holzschuhhand­werk Tradition. „1000 Paar haben mein Va­ter und ich im Winter 1946 /  1947 geschnitzt, alles mit der Hand“, erzählt der Wil­helm Ochs, der bis heute das derbe Schuhwerk bevorzugt. „Bei Kälte hält es die Füße warm, im Sommer schwitzt man nicht.“ Ein paarmal nur saust die Dechsel nieder. Im Nu hat der 71‑Jährige mit seinem kleinen, krummen Beil das passende Stück Holz gespalten. Dann schlurft er in die Werkstatt und spannt den Klotz in einen schweren Block. Drei Flachriemen treiben die Kopierma­schine an. Ein Musterschuh aus Eisen wird abgetastet, daneben fliegen die Spä­ne. Kurz darauf surrt ein zweiter Elektro­motor und ein Löffelbohrer gräbt sich in die Galoschen. Vielleicht noch ein paar kleine Feinarbeiten mit dem Ausputzmes­ser, und nach ein paar Minuten stehen die Pantinen auf dem Tisch.

Jetzt erst ist Geduld gefragt. Noch ist das Schuhwerk je nach Größe und Holzart bis zu 900 Gramm schwer. Wenn sie in eini­gen Tagen ausgetrocknet sind, bringen sie nicht mal mehr das halbe Gewicht auf die Waage. Poliert und mit einem Kunstleder­besatz am Fußknöchel versehen ist des Holzschuhmachers Werk vollendet. Ob je­mals Füße hinein schlüpfen? „Viele ziehen sie gar nicht an, sondern hängen sie zur Zierde oder als Blumengefäß an die Wand“, berichtet Maria, mit der Wilhelm Ochs, Holzschuhmacher in der dritten Ge­neration, seit 47 Jahren verheiratet ist.

Ob Kinder oder Erwachsene: Hier, vor den Toren der Rhön, trug die Landbevölke­rung die billigen Holzschuhe früher wie selbstverständlich. Allen­falls für sonntags gab es ein paar Leder­schuhe. Doch als in den fünfziger Jahren die Gummistiefel modern wurden, ver­schwand das hölzerne Schuhwerk aus dem Alltagsbild. Dabei hatte das Hand­werk vielerorts gerade erst die Automati­sierung entdeckt. Die beiden Holzbearbei­tungsmaschinen, die in Ochs’ Werkstatt bis zu 20 verschiedene Paare nach Vorlage zu produzieren vermögen, wurden kurz nach dem Krieg produziert und gelangten 1967 in seinen Besitz.

In reiner Handarbeit benötigt der Wei­chersbacher etwa drei Stunden für ein Paar. Und Handarbeit ist zuletzt wieder häufig gefragt. Seit Wilhelm Ochs in wei­tem Umkreis als der letzte Holzschuhma­cher gilt, erhält er zunehmend Einladun­gen zu Märkten und Festen, wie beispielsweise am ersten Septemberwochenende zur 850‑Jahr‑Feier von Niedermittlau un­weit von Hanau.

Für historische Handwerksdemonstra­tionen hat Ochs eigens einen Holzklotz zum Arbeitsplatz ausgestaltet und höhlt darauf mit dem rasiermesserscharfen Aus­brecher die Schuhe aus. Grundsätzlich eig­nen sich zur Herstellung sämtliche Weich­hölzer wie Birken oder Pappeln. Am liebs­ten arbeitet Ochs mit Erlen, weil das Holz vergleichsweise fest ist.

In der Werkstatt reihen sich Holzschu­he in gängigen Größen, die auf Vorrat pro­duziert werden. 20 Mark kostet das Paar, ab Größe 40 fünf Mark mehr. Kinderschu­he gibt es meist nur auf Anfrage, obgleich die Holzschuhe gerade im Dorf wieder ver­mehrt auch von jungen Leuten getragen werden. Weichersbach hat zwischenzeit­lich eine Kindergruppe mit Namen „Bau­ern‑Power‑Girls“ ins Leben gerufen, die in dem klobigen Schuhwerk zu tanzen ver­steht.

Geschlossene Holzschuhe wurden tra­ditionell in Holland, Belgien, Nordfrank­reich sowie Niedersachsen und Westfa­len getragen und haben mitunter noch heute landestypische Namen. Doch wohl schon im antiken Rom und im Mittelalter schlurften Menschen in Holzschuhen durch die Gegend. Bereits im 13. Jahrhundert stößt man auch im fränkischen Nürnberg auf Familienna­men wie „Holtschuhe“.

Weil sich das aus Weichholz gefertig­te Schuhwerk speziell bei der Landar­beit als dauerhaft, zweckmäßig und bil­lig erwies, waren die Holzschuhe tag­aus, tagein in Gebrauch. Teure Leder­schuhe schnürten die Menschen allen­falls zu festlichen Anlässen. Derweil wurden die Holzschuhe mit Wasser und Bürste vom Staub und Schmutz einer ganzen Woche gereinigt.

In südlicheren Gegenden waren die Holzschuhe etwas weniger populär, weil sie im Hügelland - wo mühevolles Stei­gen auf den Feldern dazu gehörte - durch ihre unbiegsame Sohle von Nach­teil waren. Im Vogelsberg und der Rhön etwa wurden die Schuhe zumeist kom­plett aus Holz gefertigt, Druckstellen vielfach mit Schafsfell gemildert. Den weichen Lederbesatz am Spannfuß be­kamen erst jüngere Generationen zu schätzen.

Rohstoffknappheit und Armut nach den zwei Weltkriegen ließen die Holz­schuhproduktion kurzfristig wieder an­steigen. Dann wurden sie im Stall oder beim Traktorfahren durch Gummistie­fel verdrängt. Dennoch wissen bis heute bestimmte Berufsgruppen wie etwa Metzger, die auf nassen, steinernen Bö­den arbeiten, die derben Schuhe zu schätzen, weil sie die Füße warm halten und keine Feuchtigkeit durchlassen. Be­quem und pflegeleicht werden sie heute oft auch aus orthopädischen Gesichtspunkten empfohlen.              

 

Schulbauerndorf:

Auf den über 40 kleinen und größeren Bauernhöfen im Dorf erzeugen Bauern und Bäuerinnen gesunde Lebensmittel und erhalten und pflegen mit ihrer Arbeit eine einmalig schöne Mittelgebirgslandschaft. Die Bauern machen Schule in Weichersbach und stellen ihre Höfe und Felder interessier­ten Schulklassen und Kindern als Lern- und Erfahrungsort zur Verfügung, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, einmal die Faszination eines Bauernhofes mit seinen Tieren, den Maschinen und Traktoren oder dem Heu und den Feldfrüchten zu erleben.

Für viele Schulkinder sind heute Kühe und Schweine fremd und exotisch, den meisten Heranwachsenden fehlt das grundlegende Wissen über die Herkunft und Entstehung ihrer Nahrungsmittel.

Im Schulbauerndorf Weichersbach können Kinder und Jugendliche jetzt wieder mit Landwirtschaft in Berührung kommen und zwar so, daß über das Besichtigen hinaus auch noch echtes Mitmachen möglich ist. Schülerinnen und Schüler können einmal selbst Bäuerin und Bauer sein, wenn sie die Kühe füttern, die Schweine misten, den Kälbchen die Milch tränken oder die Rinder auf die Weide treiben. Sie erfahren, wo die Milch herkommt, und wie der frische Kakao zu deftigem Bauernbrot mit selbstgemachtem Quark schmeckt. Vom Acker können sie den Weg des Korns über Mühle bis zum Teig verfolgen, den sie zusammen mit der Bäuerin kneten, formen und zu leckerem Bauernbrot im Backofen backen dürfen und im Herbst werden die Kartoffeln eingesammelt, die man direkt auf dem Acker im Feuer garen kann.

 

Über die Angebote sowie über mehrtägigen Aufenthalte mit Unterbringung in kleinen Gruppen bei Familien und in Ferienwohnungen oder eine Kindergeburtstagsparty im Schulbauerndorf Weichersbach informieren gerne.

Anna Zell, Tannenhof, Hopfenmühle 12, 36391 Sinntal-Weichersbach, Telefon 06664-40120, Fax  0666440121.

Dr. Reinhold Deuker, Schwalbenstr. 2, 36391 Sinntal-Weichersbach, Telefon 06664-8524,

E-Mail: R.Deuker@t-online.de. Internet: httplwww.schulbauerndorf.de

 

Erlenberg bei Weichersbach: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 174.

Stoppelberg bei Weichersbach: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 183.

 

 

Mottgers

Mottgers wird erstmals 923 urkundlich er­wähnt, wonach der aus angelsächsischem Ge­schlecht stammende Graf Hessi seinen gesam­ten Besitz in Mottgers (Otekaresdorf) an das Kloster Fulda schenkt. Im Jahre 1556 wird ein Jakob Paul von Mottgers gräflich hanauischer Fischer „auf der Schmalen Sinn“ von ihrer Mündung bis an die Alte Rainsmühle „unwendig“ Oberzell. Im Jahre 1705 wird die Kirche neu aufgebaut.

Im Jahre 1731 wird das Blaufarbenwerk von dem Landgrafen Friedrich I. gegründet. Die Produktion bestand in der Herstellung von Blaufarben aus Kobalt, Sand und Pottasche geschmolzenem blauem Glas. Die blauen Farben wurden zum Häuseranstrich, zur Glasur von Keramik und auch zum Tuchbleichen gebraucht. In den Jahren 1766/67 wird die Spiegelfabrik Mott­gers (Schwar­zenfelser Manufaktur) auf dem gleichen Gelände errichtet. Die Baukosten beliefen sich auf 2.144 Reichstaler. Hier wurden aus dem in Altengronau hergestellten Spiegelglas Spiegel gefertigt. Wann der Betrieb stillgelegt wurde ist nicht genau bekannt, ver­mutlich um 1791.

In den Jahren 1812 / 1814 wird ein neues Schulhaus hinter den Pfarrgebäuden auf einem von dem Organisten Klebe in Schlüchtern gekauften Grundstück erbaut. Wie hart die Zeiten in unserem Raum waren, beweist ein Ereignis, wonach 1848 Einwohner vor das Pfarrhaus rückten und von Pfarrer Flor Verzichtsleistungen auf verschiedene Einkünfte zugunsten der Ortsbürger forderten. Der Pfarrer flüchtete ins Schulhaus und wurde von Lehrer Schäfer durch die Hintertür des Hauses nach Sterbfritz gebracht, von wo beide erst am nächsten Tag zurückkehrten.

Man fährt durch den Ort bis zur Abzweigung nach Weichersbach. Dort biegt man links ein. Rechts steht der „Friedensstein“, der zur Erinnerung an den Friedensschluß des deutsch / französischen Krieges 1870 / 1871 im Jahre 1872 errichtet wurde. Bür­germeister Jordan aus Weichersbach schloß seine Einweihungsrede mit den Worten: „Ich schließe mit dem aufrichtigen Wunsch, daß die­ser Frieden so lange ungestört bleiben möge, bis dieses Friedenszeichen verwittert ist.“

Hoch über dem Ort liegt die spätgotische Kirche aus dem Jahre 1422, die 1761 erwei­tert wurde. Bereits 1167 soll eine kleine Kapelle vorhanden gewesen sein. An der Nord­seite des Gotteshauses befindet sich der Turm mit hohem Spitzhelm. Die Jahreszahl 1422 weist auf sein Alter hin. Im Kirchenschiff befinden sich eine zweigeschossige Empore und eine Kanzel (Ende des 17. Jahrhunderts). Im Jahre 1975 wurde durch die Firma Bernhard Schmidt (Gelnhausen) eine neue Orgel aufgestellt. In Mottgers gibt es noch die katholische Kirche „Mariae Himmelfahrt“ aus den Jahren 1952 - 1953.

 

Wässerwiesen: (siehe auch Marjoß)

Es gibt einen Rundweg „Die Wässerwie­sen im Spessart“. Auf der Sinnwiese kann man auch die frühere Wasserwirtschaft an der Jossa studieren: Wiesenfähiges Land gab es in den Talsohlen der Spessartbäche flächenmäßig nicht viel. Vom Gras‑ und Heu-Ertrag aber hing das Wohlergehen der Landbevölkerung ab. Da dieses Land jedoch bei einfacher Bewässerung zur Verdichtung neigt, mußte eine Lösung gefunden werden. Da hatte Bauer Künstler aus Fellen eine gute Idee, die bald auch im Jossatal nachgeahmt wurde: Er entwickelte die „Rückenwiese“. Das Wasser aus den Bächen und Quellen an den Hangfüßen wurde durch massive Bewässerungswehre angestaut und durch Hauptzuleiter zu den zu bewässernden Parzellen geführt. Von diesen aus regulierte man mit Schiebern vor den abzweigenden Verteilern den Wasserfluß außerhalb der einzelnen Parzellen. Zwischen je zwei Verteilern befindet sich ein Ableiter, der überschüssiges Wasser wieder dem Bach oder - je nach Lage - das Wasser einer tieferen Wiese zuführt. Die Wiesen wurden niemals künstlich gedüngt, da genug Mineralstoffe im Bachwasser gelöst waren.

Die Anlage der Wiesenrücken ‑ eine beachtliche körperliche Leistung ‑ der Gräben, der Wehre und deren Unterhaltung war Angelegenheit jedes einzelnen. Wahrscheinlich hat man sich, wie es in Dörfern üblich ist, gegenseitig geholfen. Die Arbeiten im Jahresablauf gestalteten sich folgendermaßen: Im Herbst öffnete der Wieseneigentümer in Handarbeit mit dem Wiesenbeil die zugewachsenen und zugeschlämmten Gräben und löste den Aushub mit einer Blatthacke. Der Aushub wurde gleichmäßig auf dem Rücken verteilt. Die im Herbst einsetzende Bewässerung sorgte für ein ausgeglichenes Kleinklima, deshalb wuchs das Gras im zeitigen Frühjahr viel früher als normal. Die Bewässerung ermöglichte normalerweise eine dreimalige Mahd im Jahr, die mit der Sense vorgenommen werden mußte. Wenn ein gleichmäßig temperiertes Quellwasser auf kurzem Wege den Bewässerungsgraben zugeleitet werden konnte, dann gaben die Wiesen auch mehr als drei Schnitte her. Im Sommer wurde nicht permanent gewässert, da die Tagesbewässerung bei starker Sonnenstrahlung dem Gras nicht gut bekam (Kinzig, Seite 94).

Solche Wiesen gibt es heute noch am Sahlensee bei Mernes, Kirschwiesen bei Marjoß, Müsbrücke und Rückesteg, am Westernbach, Westerngrund von Neuengronau und Breunings, die großen Wiesen von Mottgers und die Struth von Altengronau (siehe auch: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 1, Main-Kinzig-Kreis und Hanau, Seite 25 und 134).

 

Der frühere Betriebsbahnhof Mottgers lag nördlich von Altengronau und war Endpunkt eines Rekordversuchs der Bahn. Alles musste stimmen am 1. Mai 1988. Nichts durfte schiefgehen. Denn Deutschland hatte Großes vor. Wochenlang war an der richtigen Strecke getüftelt worden, das Gleisbett wurde verdichtet, Schienen nachgeschliffen und an der Oberleitung vorsichtshalber noch einmal der Fahrdraht ausgetauscht. Und das alles bei höchster Geheimhaltung, selbst die zuständigen Minister wurden erst zwei Tage vorher eingeladen.

Und dann ging es los, Punkt 11 Uhr am Bahnhof Würzburg. Das Ziel: Mit einem deutschen ICE auf der frisch gebauten Trasse einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord aufstellen! Schon zehn Minuten nach der Abfahrt hatte der Zug auf 345 Sachen beschleunigt, kurz darauf waren es 370 und 380, dann unterstützt durch ein Gefälle 400, auf der Maintalbrücke bei Gemünden sogar schon 405 Kilometer pro Stunde. Dann aber: eine leichte Steigung, der ICE wurde langsamer, bevor er auf einem neuerlichen Stück bergab um 11.12 Uhr im Sinntal sagenhafte 406,9 Stundenkilometer erreichte. Jubel an Bord, die Sektgläser klirrten, während Lokführer Romano Henning in die Eisen ging. Das Bremsmanöver dauerte viele Kilometer, das Ende der Rekordfahrt schließlich: der Betriebsbahnhof Mottgers, mitten auf der Landesgrenze von Hessen und Bayern.

Heute hält hier kein Zug mehr. Der viergleisige Ausbau ist nur für Überholmanöver und Notfälle gedacht. Die ICEs rasen durch den Schwarzenfelstunnel am Ort vorbei, kommen beim Campingplatz Hopfenmühle kurz ans Licht und verschwinden dann im Landrückentunnel. Und der Geschwindigkeitsrekord hielt auch nur anderthalb Jahre, getoppt durch einen französischen TGV. Aber dass auf dem Zuglaufschild des vorübergehend schnellsten Schienenfahrzeugs der Welt im Bahnmuseum Nürnberg der Endbahnhof Mottgers steht, diese Ehre wird dem kleinen Ort niemand mehr nehmen können.

 

Schwarzenfels

Geschichte:

Schwarzenfels verdankt seinen Namen dem schwarzen Basalt des Hopfenberges, an dessen Westhang die Burg im Tal der Schmalen Sinn errichtet wurde. Dies geschah nicht sehr lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung als „Swarzen­fels“ im Jahre 1280. Im Jahre 1340 kam  der Ort an die Grafen von Hanau. Die Herren von Hanau benannten damals einen Vogt als Zeugen, den Ritter „Gotfridus advocatus von Swarzenfels“: die Burg stand also unter der Hoheit der Herren und späteren Grafen von Hanau.

Burg Schwarzenfels wurde zur Wiege des Sinntals. Die Sied­lung um die Burg bildete sich im 14. Jahrhundert. Eine Kirche gab es bereits 1167. Die Margaretenkapelle war der erste gottesdienstliche Raum. Sie wird 1280 erwähnt, Ulrich I. von Hanau ließ sie erbauen. Diese Krypta der ehemaligen Burgkapelle stammt noch aus der ersten Bauperiode. Im Jahre 1305 wird ein Kaplan Hermann, später ein Kaplan Hartmann erwähnt.

König Rudolf  I. von Habsburg, der sich um Rückgewinnung des im Interregnum (kaiserlose Zeit 1256 ‑ 1273) widerrechtlich angeeigneten Reichs­gutes bemühte, ernannte Rein­hard II. von Hanau (1227 - 1280) zu seinem Stellvertreter in der Wetterau mit den Aufga­ben eines Landvogtes. Dieser begann im Kampf mit nach Reichsunmittelbarkeit stre­bender Ritterschaft und verwildertem Stiftsa­del seine politische Hausmacht zwischen den geistlichen Territorien Fulda und Würzburg auszudehnen. Um die vom Kerngebiet ent­fernten Neubesitzungen zu sichern, wurden an verteidigungsfähigen Plätzen strategische Stützpunkte mit Wehr- und Wohncharakter angelegt, die das Haus Hanau als Reichslehen erwarb.

Schwarzenfels war ein solcher Stützpunkt. Das „Schloß“ diente trotz zeitweiliger Verwendung als Zuflucht für die Bevölkerung vorwiegend wirtschaftlichen Zwecken und der Verwaltung. Es war Mittelpunkt eines Amtes mit Gerichtssitz. Die bereits im Mittelalter durch Handelsstraßen zugängliche südwestliche Rhön, in der Straßen und Landesgrenzen mit Flußtälern und Gebirgsrändern zusammenfallen, bot mit wald­- und wildreichen Gebieten, mit Ackerbau und Viehzucht, durch Erhebung von Wege‑ und Brückengeldern sowie des Zehnten gute Einnahmen, deren Eintreibung dem Amt oblag.

Von hier aus wurde das Amt durch Angehörige vornehmlich benachbarter Adelsgeschlechter ver­waltet und verteidigt. Häuser der Burg mit auswärtigem Grundeigentum wurden zur Nutzung an Vasallen verliehen, die sich zur Verteidigung verpflichten mußten. Durch Weiter­verleihung entstanden allerhand verwickelte Besitzverhältnisse, die nicht selten zu Fehden untereinander führten.

In den Jahren 1492 / 1493 erschütterte eine hanau‑huttensche Fehde die Burg. Dabei wurde Schwarzenfels - der Hauptstützpunkt des Grafen von Hanau - belagert. Die Brüder von Hutten, unter Ulrich von Hutten (der Vater des Dich­ters), standen mit dem Hanauer Grafen Philipp dem Jüngeren im Kampf, da ihre Hörigen im Gericht Schwarzenfels von Hanau be­steuert werden sollen. Die Grafen von Hanau hatten in diesem Gebiet ihren Besitz so er­weitert und sich mit landesherrlicher Macht umgeben, daß der Unmut der Bevölkerung gegen die Regierenden nicht ausblieb. Der Huttensche Gasthof ging bei dieser Fehde in Flammen auf, die schutzlosen Untertanen wurden geschädigt und die Ortschaften ver­wüstet.

Im Jahre 1557 wurde die Burg erweitert um den zweige­schossigen Marstall. Vom Glanz der Epo­che zeugt noch das mit Wappenschmuck, korinthischen Säulen und Relieffiguren verzierte barocke Portal, das zur Hauptburg führt.

Im 16. Jahrhundert wurde die Burg ausgebaut zu Witwensitz und Residenz und schloßartig erweitert. Sie war ab 1604 Residenz der Hanauer Nebenlinie Hanau-Schwarzenfels und diente gegen Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts als Apanagen‑ und Witwensitz der hanauischen Grafenwitwen. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war die stolze Burg bereits Ruine.

Nach dem Aus­sterben der Linie Hanau-Münzenberg mit Jo­hann Ernst aus der Schwarzen­felser Nebenli­nie 1642 kam das Amt kurzum an die weiter­regierende Linie Hanau-Lichten­berg. Die Landgräfin von Hessen-Kassel, Amalie Elisabeth, eine Tochter Philipp Ludwig II. von Hanau, machte Ansprüche im Erb-Nachfolgevertrag vom 26.  Juli  1643 geltend und bekam das Amt Schwarzenfels zunächst pfandweise und er­warb es später für 28.000 Gulden. Die Anlagen von Burg und Schloß verloren da­mals an ihrer Bedeutung. Im Jahre 1649 wird das Schloß zur Ruine erklärt.

Im Jahre 1796 durchzogen bei Würzburg geschlagene französische Truppen unter Befehl von Gene­ral Jourdan die Gegend, richteten im fuldi­schen Sannerz großes Unheil an, verschonten aber das neutrale Sterbfritz. Beim Rückzug 1813 nach der Völkerschlacht bei Leipzig brachten fliehende Franzosen das „Lazarettfieber“ (Flecktyphus) mit, dem zahlreiche Ein­wohner zum Opfer fielen.

Im Jahre 1830, während der „Krawalle“, waren es be­sonders die Mitglieder eines Sterbfritzer Kon­ventikels, die für Aufruhr und Widerstand gegen die Staatgewalt sorgten. Sie stürm­ten die Burg Schwarzenfels, trieben die Beamten in die Flucht, vernichteten die Ein­richtung und viele Akten und Steuerlisten. Erst 1834 ließ der hessische Amtmann die Auf­rührer festnehmen und 1836 setzte ihr Führer, der Küfer Papst, nach gelungener Flucht aus dem Schwarzenfelser Gefängnis im Rad der Weichersbacher Mühle seinem Leben ein Ende.

Im Jahre 1821 wurde ein Ju­stizamt in Schwarzenfels errichtet. Teile der Burg wurden  wieder aufgebaut und dienten hessischen Verwaltungs‑ und Justizbeamten, von 1866 ‑ 1932 preußischen Amts­richtern und zuletzt Forstbeamten als Diensträume. Das Justizamt wurde im Ok­tober 1932 mit dem Amtsgerichtsbezirk Schlüchtern vereinigt. Als sich der Kurstaat auflöste und eine preußische Provinz wurde, verlor Schwarzenfels an Bedeutung. Die Renterei, die Forstinspektion sowie die Gendamerie-Inspektion wurden aufgelöst bzw. mit anderen zu­sammengelegt.

 

Beschreibung der Burg:

Die Burg wurde auf dem 492 Meter hohen schwarzen Basalt­berg Ende des 13. Jahrhunderts er­richtetet. Bauherr und Alter sind ebenso umstritten, wie die Herkunft der Gerichtsbarkeit, die sich zumindest von einer Gerichts­stätte auf dem Breiten First ableiten läßt. Die auf zwei Höhenebenen errichtete Anlage besteht aus der Kernburg am westlichen Ende des Bergrückens und der östlichen Vorburg. Der Grund­riß entspricht dem gewachsenen Gelände, einem unregelmäßigem Vieleck mit Vor‑ und Rücksprüngen. Die Baugruppe der Kernburg besteht nur noch aus Ruinen und Mauerresten. In der Vorburg stehen die bis in die Gegenwart erhaltenen und genutzten Wirtschaftsbauten und ein Wohn­haus von 1746. Steilhänge, Mauern sowie ein östlicher Tor­bau mit zwei Türmen und gegen die Angriffsseite gerichteten Gebäuden boten Schutz.

 

1. Bauperiode Ende 13. /Anfang 14. Jahrhundert: Amts‑ und Gerichtssitz

Bergfried (1): Kern der Wehranlage war der 26 Meter hohe Bergfried mit Schieß­scharten und Verließ. Vielleicht war er einst in eine kräftige Schildmauer eingebaut, die Kernburg und Vorburg trennte. Er diente als Wacht‑ und Wehrturm und letzte Zuflucht der Burg­bewohner. Der Kupferstich zeigt ihn mit Aufsatz aus dem 16. Jahrhundert. Der verfallene Turm wurde 1974 /  1975 wieder­hergestellt und dient als Aussichtsturm.

Palas (2): Nördlich vom Bergfried bildete ein vermutlich zweistöckiger, nicht mehr vorhandener Wohnbau die Begrenzung der Hof­seite: der Palas, hier sicher als Amtshaus genutzt. Eine am Westgiebel erhaltene dreiteilige Fensteranlage mit flachen Rundbogen läßt zumindest an dieser Seite einen An‑ oder Umbau des 16. Jahrhunderts vermuten.

Krypta (3): Schon früh verfügten die Bewohner über eine Kapelle. Es war die 1305 und 1311 urkundlich erwähnte Margarethenkapelle. Der erhaltene Bauteil auf quadratischem Grundriß mit flachem Kreuzgratgewölbe, das von einem kräftigen Rundpfeiler ge­stützt wird, ist zu besichtigen. Die zur Vorburg hinausführende Rundbogenpforte wurde nachträglich in das Buckelquader­mauerwerk eingebrochen.

 

2. Bauperiode 16. und 17. Jahrhundert: Witwensitz und Residenz, Erweiterungsbauten (4-12)

Mit der Bestimmung zum Wohnsitz für die Witwe Philipps III. von Hanau, Elena von Pfalz‑ Simmern, setzte rege Bautätigkeit ein: Der Südflügel (3) der Hauptburg, ein mehrstöckiger Wohnbau, von dem Gewölbe und zwei vorspringende, ver­fallene Treppentürme mit den Jahreszahlen 1553 (5) und 1570 (6) erhalten sind.

Der zweigeschossige Marstall (7) - eine 26 Meter lange, 8,40 Meter breite und 7 Meter hohe Halle - mag zunächst der gräflichen Hofhaltung gedient haben. Über dem reich profilierten Spitzbogenportal befindet sich die Jahreszahl 1557 und neben dem runden Treppenturm an einem späteren Vorbau die von 1583 (12). Unregelmäßig gruppierte Vorhangfenster wie in Schloß Steinau a. d. Straße erlauben die Zuschreibung an den Steinauer Meister Asmus.

Ein am Westflügel der Hauptburg nach Süden vorspringender An­bau (8), vermutlich Wirtschaftsgebäude, mit der an einem seiner Eckquader erkennbaren Zahl 1561 gehört zum gleichen Bauabschnitt. Die vom Vorhof eingebrochene Tür mit dem Waldeck‑Wappen entstand nach der Eheschließung Philipp Ludwig I. von Hanau mit Magdalena von Waldeck 1576.

Der den Hof der Hauptburg nach Westen abschließende schief‑winklige Bau (10) mit als Ruine aufragenden Mauerresten und Fenstern, dürfte ebenfalls diesem Bauabschnitt zuzurech­nen sein, zumal ein nördlich davon erhaltener gewölbter Torbau, vielleicht Teil des früheren Treppengebäudes, neben den Wappen Hanau und Waldeck an seinem Schlußstein die Jahreszahl 1580 trägt (11). Dazu gehört auch der erhaltene Turm der Vorburg‑Toranlage von 1575 (9), heute Glockenturm.

Der Glockenturm wurde 1575 als Torturm der Toranlage errichtet und erhielt 1580 eine erste Glocke, die auch als Amtsglocke diente und vom Kloster Konradsdorf stammte. Im Jahre 1847 erfolgte ein neuer Aufbau und es wurde zwei weitere Glocken aus Gußstahl aufgehängt. Doch 1860 brannte das Tor und die Renterei (rechts vom Eingang) ab. Doch der Turm erhielt einen neuen Aufbau und eine neue Glocke.

 

3. Bauperiode: Umbauten zur Residenz (13-14):

Von 1604 ‑ 1642 war das Schloß neben Verwaltungssitz auch Residenz Graf Albrechts von Hanau‑ Schwarzenfels und seines Sohnes Johann Ernst. Eine nicht erhaltene, zur Hauptburg emporführende zweiarmige Freitreppe, vor dieser ein Brunnen (13) mit Wappenschilden und Karyatiden sowie ein reich mit Wappenschmuck, korinthischen Säulen und Relieffiguren verziertes barockes Portal von 1621 (14) zeugen vom Glanz der neuen Epoche, der freilich nicht lange währte: am Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde die Anlage zerstört.

Seit etwa 1648 verfiel die nicht mehr benötigte Hauptburg mehr und mehr. Nur die Vorburg wurde stets weiter wirtschaft­lich genutzt. Ein neues Wohnhaus entstand 1865 (15). In den letzten Jahren hat das Land Hessen mit der Aufgabe land­- und forstwirtschaftlicher Nutzung und durch Sicherungsarbei­ten einen neuen Abschnitt in der 700jährigen Geschichte der Anlage eingeleitet: Schwarzenfels als Ausflugsziel, Aussichts­punkt und Ort, an dem ein Teil unserer Vergangenheit mit seinen baulichen Zeugnissen erlebt werden kann. Öffnungszeit: März ‑ Oktober 9.30‑18.00 Uhr, Dienstags geschlossen, außer gesetzliche Feiertage.

 

Vor 25 Jahren richtete das Land Hessen den Bergfried mit seinen Schießscharten und dem Verlies wieder auf. Seitdem ist der 26 Meter hohe Aussichtsturm ein be­liebtes Ausflugsziel. Tausende Besucher klettern jährlich die rund 100 Stufen em­por, um von der Plattform weitschweifig ins Land zu schauen. Seit 1991 hat dieser exponierte Aussichtspunkt eine symbolträchtige Steigerung erhalten. Vor sich sieht man das wildromantische, wie zu Demonstrationszwecken aufgeschnitten wirkende Gemäuer, und tief unten am Fuße des Burgberges huschen die neuen ICE-Züge vorbei.

 

An­fang der neunziger Jahre drohte zunächst einer der schönsten Jugendherbergen Hessens das Aus. Das 38 Betten zählende, von Burgverwalter Roland Gerlach be­treute Freizeitheim, ist im Marstallgebäude unterge­bracht. Aus Brand­schutzgründen mußte es um ein zweites Treppen­haus erweitert werden, aus den Zimmern verschwanden die alten Holzöfen. Die Jugendher­berge erhielt komfortable Naßzellen, neu­e Fenstern und eine bessere Küche. Auch das schiefergedeckte Schloßdach erforder­te eine aufwendige Sanierung.

 Im Marstall befindet sich auch die Kirche:  Im 17. Jahrhundert, nachdem das Schloß nur noch eine Ruine war, diente ein erhal­ten gebliebener Raum der evangelischen Gemeinde als Betsaal.  Der heutige Kirchenraum liegt im ehemaligen Marstallgebäude des Schlosses und wur­de 1810 eingerichtet. Er hat ein gekalktes Gewölbe, ist ohne jeden Schmuck und wird von einem Tonnengewölbe bekrönt. Im Jahre 1818 sollte eine Orgel angeschafft werden, 1863 war es jedoch dann erst soweit. Sie stammt von der Firma Wilhelm Ratzmann  (Gelnhausen) und besitzt ein nachklassizistisches Gehäuse. Der Glockenturm steht am Eingang zum Schloß­hof.

Obgleich von den weiteren Gebäuden des mittelalterlichen Ursprungsbaus wie etwa der Palas im Norden nur noch Mauer­reste erhalten sind, hat sich die Burgruine zunehmend als teures Erbe erwiesen. Wie angegriffen die Standsicherheit der einstigen Wehranlage tatsächlich war, zeigte sich 1998, als Teile der nördlichen Schildmauer einbrachen. Die Reste des Palas, ein ursprünglich vermutlich zweistöckiger Wohnbau, müssen statisch gesichert und die Widerlagerpfeiler stabilisiert werden. Auch die Kryp­ta und das Portal müssen restauriert werden. Es fehlen noch die Gestal­tung des Schloßhofes und die Sanierung des Glo­ckenturms an der Toranlage.

Die Burganlage wurde in den vergangenen Jahren wiederholt als Thea­terkulisse und für Kulturfeste genutzt. Zum Haus der offenen Tür wurde Burg Schwarzenfels wieder, nachdem sie 1977 pünktlich zum 700jährigen Erbauungsjubiläum vom Land Hessen gründlich erneuert worden war.

 

Der Landrücken ist ein Höhenzug zwischen der Westrhön und dem Vogelsberg. Die Grenzscheide verläuft zwischen dem Fuldaischen im Norden und dem Hanauischen im Süden, die Wasserscheide zwischen Weser und dem Rhein. Geologisch han­delt es sich um eine basaltische Hochfläche mit interessanter Fauna und Flora und wechselndem Landschaftsbild. Die größte Erhe­bung ist der Schwarzenberg mit dem Taufstein (596 Meter). Des „Rei­ches Straße“ führte seit uralten Zeiten über den Landrücken. Seit 1914 besteht die Eisenbahnverbindung durch den Distelrasentun­nel (3.575 Meter lang).

 

Zeitlofs  (diesen  Abstecher kann man auch auslassen)

Der Markt Zeitlofs mit den Gemeindeteilen Zeitlofs, Detter, Eckarts, Roßbach, Rupboden und Weißenbach hat etwa 2.300 Einwohner. Zeitlofs wurde im Jahre 1167 erstmals urkundlich erwähnt. Durch Vertrag im Jahre 1426 kam Zeitlofs mit Cent Zeitlofs an das reichsritterliche Geschlecht der Freiherrn von Thüngen, deren Schlösser in Zeitlofs, Roßbach und Weißenbach für die Allgemeinheit nicht zugänglich sind. Mit der Gebietsreform 1978 wurden der Markt Detter und die Gemeinden Eckarts-Rupboden, Roßbach und Weißenbach in den Markt Zeitlofs eingemeindet.

 

 

Bad Brückenau

Das Staatliche bayerische Mineralbad liegt 298 Meter hoch schön und geschützt am Südwest‑Abhang der Rhön im lieblichen Wiesengrund der Vorderen Sinn, dessen ganze Breite durch stattliche Kurgebäude, Logierhäuser usw. ausgefüllt wird. Die Brückenauer Kur bewährt sich in allererster Linie bei Nieren‑ und Harnleiden, ferner bei leichten Herz‑ und Kreislaufstörungen, Frauenleiden, rheumatischen Leiden und Blutarmut.

Die Heilquellen wurden im Jahr 1747 gefaßt. Nachdem das Bad unter Fürstbischof Heinrich von Fulda im 18. Jahrhundert zu hoher Blüte gelangt war, ging es in der französischen Kriegs‑ und Revolutionszeit zurück. Im Jahr 1816 kam es an Bayern. Als Ludwig I. von Bayern Brückenau oft zum Sommeraufenthalt wählte, erlangte das Bad neue Berühmtheit. Er kam im frühen 19. Jahrhundert regelmäßig nach Brückenau zur Kur. Er war so ent­zückt von der Anlage, daß er Bad Brücke­nau zum Kleinod unter den bayerischen Kurbädern machte: 26 Mal weilte er zwi­schen 1818 und 1862 hier, oft in Beglei­tung seiner Geliebten, der Tänzerin Lola Montez. Ludwigs Spuren sind über­all im Königsbad zu finden, Vieles im Staatsbad erinnert an die Zeit Ludwigs I.

Parken kann man an der Durchgangsstraße an der nördlichen Seite. Von dort aus besucht man erst einmal die etwa 1000jährige König-Ludwig-Eiche und den Kräutergarten oberhalb des Parkplatzes. Vom Schloßhotel mit Schloß­terrasse („Fürstenhof“), wo sich Braut­paare aus ganz Deutschland im königli­chen Ambiente das Jawort geben, öffnen sich eindrucksvolle Blick­achsen.

Geht man die Treppe hinunter, über die Straße und in Richtung Osten, liegt rechts etwas zurück­ der vornehm‑schlichte Kursaalbau, mit Rund­bogenarkaden, in den Jahren 1828 / 1833 im Stil der italienischen Renaissance er­richtet. Davor das Denkmal König Ludwigs I. von Bayern, da 1897 enthüllt wurde. Gegenüber liegt das 1900 eröffnete Neue Kurhaus, da­hinter der reizend gelegene Sinntalhof.

Im klassizistisch-biedermeierli­chen Kurzentrum aus den Tagen König Ludwigs steht noch eines der originalen Badehäuser: das zum „Hirschen“ in der Mitte der Allee. Es wird aber längst anders mehr genutzt (zum Beispiel für die Kurseelsorge).

Vor dem Badhotel und Bäderbau findet sich die Brückenauer Stahlquelle. Sie dient zu Trinkkuren bei Bleichsucht, Blutarmut und verwandten Krankheiten, sowie zu Stahlbädern in der vorzüglich eingerichteten Badeanstalt. Weiter im Osten befindet sich die Sinnberger Quelle und die Wernarzer Quelle, kohlensäurereiche und radioaktive erdig‑alkalische Säuerlinge. Die Wernarzer Quelle ist die stärkste und wirksamste, besonders bei Nierenleiden. Die Quellen des Staatsbades wurden schon Mitte des 18. Jahrhunderts erbohrt (nach anderer Angabe: im Jahr 1908). Sie sind extrem kochsalzfrei­. Die Eisenschwefelquelle „Siebener Sprudel“ wird zu Bade‑ und Trinkkuren benutzt, wirksames Heilmittel gegen Gicht und Rheumatismus.

Im Bellevue im Osten lager­ten einst Lebensmittel für die Kurgäste.

 

Stadt Brückenau

Durch das Tal der Sinn zieht sich ein hübscher, asphaltierter Fußweg in gro­ßen Schwüngen über drei Kilometer bis zum eigentlichen Ort Bad Brückenau, der 335 Meter hoch liegt. Die lockere Bebauung im Wiesental der Sinn läßt viel Platz für Parks und Gärten. Das schöne Bild wird von prächtigen Wäldern eingerahmt. Die freundliche Stadt Brückenau liegt an der Sinn, inmitten eines Kranzes schön bewaldeter Berge an den Hängen ansteigend. Das historische Städtchen Brückenau wurde Ende des 13. Jahrhunderts als befestigter Ort erwähnt. Die meisten Häuser sind nach dem großen Brand von 1876 entstanden. Der alte Ortskern lockt mit kleinen Geschäften, einer gemütlichen Fußgängerzone und güns­tigen Restaurants.

 

Ausflüge:

1. Dreistelz (662 Meter, rot bezeichnet): Südlichster Berg der Rhön, ein schön bewaldeter Kegel mit 15 Meter hohem Aussichtsturm; prächtige Aussicht auf Rhön, Spessart, Taunus, und Vogelsgebirge. Am Fuß des Berges Gasthaus Dreistelzhof

2. Schwarzenfels, malerisch am Berg liegendes Dorf das von einem alten, sagenreichen Schloß überragt wird.

3. Kloster Volkersberg (551 Meter, farbige Zeichen): Durch Wald über den Harthberg, an dessen Rand das Dorf Volkers liegt, dahinter auf einem Hügel äußerst malerisch das Kloster.

Die Barock-Kirche auf dem sagenumwobene Volkersberg liegt direkt im Ort.

4. Kloster Maria‑Ehrenberg: Bis zur Haltestelle zwischen Kothen und Motten, dann östlich nach Maria‑Ehrenberg.

5. Über Römershag (Dorf mit altem, malerischem Schloß) Oberriedenberg mit Sauerbrunnen. Eine Viertelstunde entfernt auf halber Höhe des Gerstenbergs Kriegergedenkkapelle mit sehr schöner Aussicht ins Sinntal.

6. Auf den Farnsberg (786 Meter), einen Gipfel im Zuge der Schwarzen Berge. Von der Straße zwischen Unter‑ und Oberriedenberg rechts auf Feldweg an den Barsteinen („Tintenfaß“ und „Streusandbüchse“) vor­über. Vom Farnsberg schöne Aussieht nach dem Sinntal und den um­gebenden Bergen, nach Franken und dem Kreuzberg mit Kloster. Am Westhang eine riesige Halde, das Steinerne Meer genannt.

7. Der Kleine Auersberg (808 Meter) bietet, fast unbewaldet, einen freien Rundblick: der Große Auersberg, dicht bewaldet, bildet durch seine prächtige Form eine Zierde des Sinngrundes. Der (nicht bezeichnete) Weg nach dem Kleinen Auersberg führt über den Schumhof zur Krugfabrik, rechts am Wald weiter zum Sattel nach Altglashütten zu, dann 1inks über Rasen zur Höhe. Am Fuß des Großen Auers­bergs der Weiler Silberhof

8. Feuerberg (834 Meter), im Zuge der Schwarzen Berge. Straße bis zum eisernen Kreuz auf dem Sattel des Höhenzugs, dann 1inks ab und auf der Höhe zur Kissinger Hütte.

 

Züntersbach

Züntersbach (früher Ziuncilesbah, später Zon­zeltsbach) wird um 900 als eine Siedlung im Saa­legau erwähnt und hatte nach den Aufzeich­nungen des Bischofs Herold von Würzburg 1167 eine eigene Kirche. Im Jahre 1306 verkauft Ulrich von Steckelberg die Hälfte des Dorfes an seinen Bruder, den Probst des Klosters Petersberg, und damit wurde dieser Teil Besitz des Stiftes  Fulda.

Eigenartigerweise gab es keine klare Trennungslinie. Das Dorf war in wirr durcheinanderliegende hanauische und fuldische Höfe zerstückelt, von denen allerdings die ful­dischen größtenteils nach dem Tal des Schluppbaches zu lagen, während sich die hanauischen in der Mehrzahl am Berg nach Oberzell und Schwarzenfels zu erstrecken.

Diese Hälfte, die 1349 aus 18 Haushaltungen be­stand, war eine Siedlung der Hanauer Grafen im Amt Schwarzenfels und wurde 1643 mit diesem an die Landgrafschaft Hessen-Cassel verpfändet. Mehr­fach wurde sie im Dreißigjäh­ri­gen Krieg verwüstet und 1766 mit dem unmenschlichen Verbot des Kaffeetrinkens belegt. Die kurhessische Herrschaft dauerte bis 1866, wurde jedoch von 1806 bis 1813 durch die französische Administration unter­brochen, wobei das Dorf bis 1810 zur französi­schen Districtsmairie Schwarzenfels und dann zum Großherzogtum Frankfurt, einem Vasal­lenstaat Napoleons, gehörte.

Viel bewegter erscheint die politische Vergan­genheit des fuldischen Teils. Es war bis 1803 ein Dorf im Amt Brückenau und dem Hochstift Fulda unterstellt. Durch die Säkularisation verloren die Fuldaer Fürstbischöfe ihren welt­lichen Besitz, der dem Hause Oranien-Nassau übereignet wurde. Da der Prinz von Oranien zu den Preußen überging, verlor er den neuge­wonnenen Besitz und die Franzosen gründeten 1806 die Districtmairie Brückenau. Im Groß­herzogtum Frankfurt gehörten beide Ortsteile für drei Jahre von 1810 bis 1813 zu einer Herr­schaft. Im Jahre 1813 geriet der ehemals fuldische Teil sogar unter österreichische Verwaltung, bis 1816 Ludwig I. von Bayern  das Land übernahm. Erst das Jahr 1863 brachte dem gespal­tenen Dorf die for­male Einheit.

Die unterschiedliche politische Zugehörigkeit führte nämlich auch zu einer Spaltung der Bevölke­rung in zwei Konfessionen. Der evangelische Gottesdienst wurde in der Bergkirche abgehal­ten. Im Jahre 1880 wurde von den Katholiken die St. Bo­nifatius-Kirche erbaut. Zuvor waren auch zwei einklassige Schulen entstanden, die von den Kin­dern nach Konfessionen getrennt besucht wurden.

Auch in Züntersbach ist noch nicht alles zusammengewachsen, was eigentlich zusammengehört. Da gibt es immer noch Ri­valitäten zwischen Ober‑ und Unterdorf: „Die sprechen auch manche Worte anders aus!“ Hier sagt man „Grüß Gott“, dort „Guten Tag“, wenn man sich begeg­net. Und in einigen Familien sei es noch immer nicht gerne gesehen, wenn zwei Verliebte konfessionsübergreifend heira­ten wollen.

Wenn man von Oberzell kommt, sieht man im „Oberdorf“ zuerst die filigrane Bonifati­us‑ Kirche aus dem Jahr 1879 mit dem ke­cken Dachreiter. Zu ihr gelangt man von der Hauptstraße aus durch ein knarren­des, schmiedeeisernes Tor über einen Auf­gang, der an Fronleichnam mit einem prächtigen Teppich von Efeu und Blumen­blüten geschmückt war. Der Innenraum mit Altarbild, Kreuz­weg, Tabernakel, mehrfarbiger, geschmackvoller Holztäfelung an der Decke und der kleinen Orgel lohnt den Besuch, vor allem aber die Ikone einer Madonna mit dem Kind gleich rechts vom Haupteingang.

Wie eine klobige Trutzburg wirkt da­gegen die mittelal­terliche ‑ jetzt evan­gelische - „Basilica“ mit dem massigen Turm, wenige hun­dert Meter davon entfernt. Das nüch­terne Innere läßt sich durch einen Blick durch die schmucklosen Fens­ter kaum mehr als erahnen. Sie ist ver­schlos­sen. Nur das Fenster am Chor weist Verzierungen auf. Es scheint, als hätten sich die Er­bauer im Jahr 1167 nicht einigen kön­nen, ob sie den ro­manischen Rund‑, den gotischen Spitzbogen oder viereckige ­Sandsteineinfassungen verwenden sollten.

Nach der Reformation wurde sie von den Christen beider Konfessionen ge­nutzt, bis die Katholiken ihr eigenes Got­teshaus bauten. Auf dem einzigen Friedhof hin­ter der Kirche aber fanden alle Züntersba­cher ihr letzte Ruhe. Allerdings: Die Ka­tholiken liegen rechts, die Protestanten links vom Weg. Nur auf dem neuen Erwei­terungsteil gibt es keine Trennungslinien mehr. Eine Zeit­ lang gab es  auch zwei Grundschulen, die nach Konfessionen aufgeteilt waren.

Die Züntersbacher sehen sich weiterhin als Niemandsland, vernachlässigt von der Landesregierung und „den da oben“ in Ha­nau. Sie fühlen sich nicht wie Hessen. So haben sie auch bei der Gebiets­reform bis zuletzt um ihre Eigenständig­keit gekämpft. Sie wurden als einer der letzten Orte 1976 zwangseingemeindet. Franken oder gar Bayern sind sie aber auch nicht, selbst wenn Bad Brückenau für sie den Hauptbezugspunkt darstellt. Dorthin geht man einkaufen, dort besu­chen die Kinder nach der Grundschule das Gymnasium, selbst wenn die Eltern sie je­den Tag hinfahren müssen, weil es keine Busverbindung gibt. Dort arbeiten viele, während die übrigen täglich weite Wege, etwa nach Fulda oder bis nach Frankfurt, zurückzulegen haben.

Eigene Arbeitsplätze - zum Beispiel, in der Kunststoffabrik, der Schreinerei oder den beiden Busunternehmern - gibt es we­nige. Ein Zubrot verdienen sich manche mit der Zimmervermietung an Touristen, die hauptsächlich aus dem hohen Norden, zum Beispiel Bremen oder Ham­burg, hier­her kommen, um zu Wandern, die intakte Natur zu genießen und am hellichten Ta­ge Baummarder auf dem Hof der Pension miteinander raufen zu sehen.

Einer der prominentesten Besucher war Ludwig I. von Bayern, der häufig in Bad Brückenau weilte und Spaziergänge hier­her unternahm. Einmal soll ihm ein Zün­tersbacher Bub untergekommen sein, der von Kuhfladen zu Kuhfladen hupfte. Auf Befragen erklärte der Junge, das sei schön warm und er besäße keine Schuhe. „Ob nicht der König sich um die Dörfler küm­mere“, soll Ludwig eingewandt und ihm ei­nen Taler geschenkt haben. Die Reaktion war laut Anekdote prompt und derb: „Jetzt kann mich der König am Arsch le­cken!“ Verbürgt ist jedenfalls, daß auch die be­rühmte Mätresse des Königs, die irische Tänzerin Lola Montez, im damaligen letz­ten Schwanzzipfel des bayerischen Löwen zu Gast war.

Der Ort Züntersbach in der buchstäblich hintersten östlichen Ecke des Main‑Kinzig‑Kreises hat außer guter Luft und Sehenswürdigkeiten andernorts anscheinend nichts zu bieten. Es gibt keinen Bäcker, keinen Metzger, keine Bank und keinen Lebens­mittel­laden, wie die Inhaberin der Pension „Sonnenkanzel“, Hannelore Baier, vor allem aus Sicht der Älteren beklagt: Noch nicht einmal eine regelmäßige Buslinie führe nach Sterbfritz, den Hauptort Sinntals, oder gar nach Bad Brückenau, das einen Fußmarsch von 25 Mi­nuten entfernt liegt. Le­diglich die Pendler können morgens nach Fulda fahren und einmal in der Woche bietet ein ört­licher Unternehmer eine Einkaufstour ins Fränkische an.

Gleichwohl hat auch der kleine, fast vergessene Fle­cken seine Reize, et­wa das 300 bis 400 Jahre alte Natur­denkmal „Läus‑Ei­che“ am Brückenau­er Weg, die aller­dings bei einem Sturm vor einigen Jahren viel von ihrer Pracht einbüßte, die landwirtschaftlichen Anwesen mit den groben Holzschindeln an den Fassaden, ein anmutiges, ebenfalls verschindeltes Fachwerk, das heute eine Massage‑ und Naturheilpraxis beherbergt.

Viel bedeutet den Dörflern das gesellige Leben, das sich hauptsächlich im TSG-­Heim oder einer der drei Gaststätten ab­spielt. Da gibt es nicht nur die üblichen Vereine wie Fußballer oder Feuerwehr, sondern auch einen Opel‑Club und die Mo­dellflieger. Über die Grenzen hinaus bekannt aber ist die Laienspielgruppe. Wenn sie auftritt, dann kommen sogar die Bayern nach Zün­tersbach.

Sogar international bekannt ist mittler­weile die 1989 gegründete Hochlandrinder­zucht. Die Kooperative läßt derzeit auf et­wa 40 Hektar Grünland 35 schottische Rin­der grasen, um sie anschließend zu verkau­fen oder aber zu schlachten. Fleisch und Wurst sind direkt ab Erzeuger erhältlich, zum Teil allerdings nur in großen Portio­nen (komplettes Rinderviertel). Die Preise sind mit bis zu 14,50 Mark für das Kilo­gramm sehr moderat. Star auf der Weide der Kooperative ist der Deckbulle mit dem klingenden Namen „Orkan vom Wotan­stein“, bei dessen Nennung jede Kuh ein wohliges Erschauern durchlaufen dürfte. Er erwarb sich 1976 den Titel des besten Jungbullens in Hessen und darf seither für den Herdennachwuchs sorgen.

 

Oberzell

Obwohl Oberzell urkundlich erst 1167 in einer Aufzählung der Besitzungen des Klosters Schlüchtern durch den Bischof Herold von Würzburg erwähnt wird, hat das Dorf doch wahrscheinlich schon einige Jahrhunderte früher bestanden. Der Name Oberzell, zuerst „Cella“ verrät, daß die Gründer des Ortes wahrscheinlich Mönche der Klöster Fulda oder Schlüch­tern gewesen sind. Diese Mönchs­kolonien, deren Vorsteher vom Abt des Mutterklosters ernannt wurden, hießen „Cel­len“. Die Gründer gaben ihrer Siedlung im Tal der Schmalen Sinn den Namen „obere Cella“ im Gegensatz zu den anderen tiefer gelegenen Niederlassungen.

Die Bewohner des Dorfes, das 1549 aus 31 Haushaltungen  bestand,  hatten  nach Schwarzen­fels zu Zinsen und zu Fronen. Im Dreißigjährigen Krieg wurden nur noch neun Fa­milien gezählt. Im Jahre 1731 waren es schon 63 Haus­haltungen.

Die alte Kir­che wurde 1593 wieder hergestellt und 1706 neu aufgebaut wurde. Im Jahre 1808 mußte ein neuer Glockenturm errichtet werden, da der alte baufällig gewor­den war. Im Jahre 1866 wird mit dem Bau einer neuen Kirche be­gonnen, die am 15. September 1867 eingeweiht wird. Die Kirche in Oberzell ist 1866 als Werksteinbau errichtet und bildet frühgotische For­men nach. In das saalartige Schiff schließen sich im Osten ein gewölbter polygonaler Chorraum und im Süden asymmetrisch ein Seitenschiff an. Über der steinernen Empo­re befindet sich die Orgel. Die Nordwand hat hohe Spitzbogenfenster, die Südwand vier spitzbogige Arkaden über Rundpfeilern mit Kelchkapitellen und darüberliegenden run­den Oberlichtern, in welche Sechspässe eingefügt sind, die zum Seitenschiffdach führen und verbrettert sind. Im Chor stehen ein steinerner Altar mit hohem Aufbau und am nörd­lichen Chorpfeiler eine große steinerne Kanzel. Im Jahre 1959 wurde das Innere der Kirche gründlich renoviert, blieb aber in seiner Gesamter­scheinung erhalten. In den Jahren 1975 /  1976 wurde der Kirchturm ausgebessert. Im Jahr 1979 wurde das Mau­erwerk außen ausgefugt und erneuert sowie die große untere Treppe neu verlegt. In der Kirche befindet sich ein Grabstein der Herrin des Eberts­hofes, Anna Katharina Ebert, aus dem Jahre 1730, der 1939 neben der Kanzel aufgestellt wurde.

Zienerwiesen bei Oberzell:  Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 193.

 

Gundhelm

Die evangelische Kirche ist ein einfacher Barockbau aus dem Jahre 1749. Eine Vorgängerkirche wird bereits im Jahre 1167 erwähnt. Der Turm des Gotteshauses ist frühgotisch. Im Kirchenschiff stehen an den Wänden seit 1978 die Grabsteine von Bürgermeister Nikolaus Möller von 1688 und der Pfarrfrau Angelika Schlemmer von 1742. Der Altartisch ist aus Eichenholz, er wurde 1949 gestiftet. Seit 1979 befindet sich im Vorraum der Kirche eine Gedenktafel für die Gefallenen beider Kriege. Im Jahre 1909 wurde eine neue Orgel durch die Firma Wilhelm Ratzmann (Gelnhausen) eingebaut. Bemerkenswert ist das schmiedeeiserne Tor zum Kirchhof, es wurde 1902 von dem Schmiedemeister Häniche aus Schlüchtern hergestellt.

 

 

Hutten

Die evangelische Kirche in Hutten ist ein einfacher rechteckiger Barockbau aus dem Jahre 1764 mit Dachreiter auf der Ostseite. Die Emporen im Kircheninnern befinden sich an der Nord- und Westseite. Die Empore auf der Ostseite wurde 1953 entfernt. Eine Renovierung des Gotteshauses fand in den Jahren 1952-56 statt, dabei wurde auch der Ostteil des Gotteshauses umgebaut. Der Haupteingang an der südlichen Langseite wurde zugemauert und neue Bänke im Kirchenschiff angeschafft. Im Jahre 1977 wurde erneut renoviert. Zur Einrichtung des Gotteshauses gehören der Sandsteinaltar aus Mittelsinn von 1956 und die Kanzel aus der Erbauungszeit.

 

Elm

Die Vorgängerin der jetzigen evangelischen Kirche war eine Wehrkirche, die 1896 wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. In die 1898 eingeweiht neue Kirche wurden ein gotisches Turmfenster im Westen und ein Opferstock übernommen. Zur Ausstattung der Kirche gehört außerdem ein Kreuzigungsgemälde, Kopie des süddeutschen Barockmalers Esperlin, gestiftet von Mathilde von Brandenstein. Kanzel und Decke sind in Holz gehalten. Bereits vor 1700 war eine Orgel vorhanden, 1898 wurde eine neue von der Firma Ratzmann (Gelnhausen) angeschafft. Neben der Kirche befindet sich die Grabstelle der Familie von Brandenstein- Zeppelin.

Bahnhof  Elm: Egal ob einfacher Bürger oder Kaiser Wilhelm II. - alle mussten sie als Bahnreisende Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einen Zwischenstopp im Bahnhof von Schlüchtern - Elm einlegen. Da es auf der Strecke zwischen Frankfurt und Fulda den Landrückentunnel noch nicht gab, waren alle Züge, die Hessen von Norden nach Süden, von Osten nach Westen oder umgekehrt durchfuhren, gezwungen, den Berg im „Eisenbahndreieck Distelrasen“ zu umfahren. In Elm mit seiner in Deutschland einmaligen Spitzkehre wurden die Lokomotiven umgehängt, bevor die Fahrt weiterging.

Kein Wunder also, dass das kleine Örtchen einen für seine Verhältnisse imposanten Bahnhof besaß, der  von 1867 bis 1869 erbaut wurde. Das prägte Elm, verschaffte ihm den Beinamen „Eisenbahnerdorf“. Hessens Drehkreuz lag einmal im Ostkreis. Viele Menschen fanden als ..Bahner“ eine Arbeit. Das ist lange Geschichte. Heute zeugt beispielsweise noch der Name „Eisenbahner- Musikverein“ von der bewegten Vergangenheit.

Das Schicksal des Bahnhofs wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs besiegelt. Im Dezember 1944 beschossen amerikanische Bomber auf einem Abstellgleis abgestellte Wagen mit Munition. Die gewaltige Druckwelle der Detonation riss rund zwei Drittel des Gebäudes weg. Später wurde auch der Rest abgerissen.

Nur rund 100 Meter entfernt wuchs Rolf Jirowetz auf. Das Treiben rund um die Gleise prägte sein Leben und faszinierte ihn. „Hier wurde deutsche Eisenbahngeschichte geschrieben. Elm ist Historie“, schwärmt er. Zeitweise arbeitete der Lokomotivführer selbst bei der Bahn, beispielsweise als Heizer auf Dampfloks.

In seiner Freizeit bastelte und restaurierte er seit jeher Lokomotiven in verschiedensten Größen, zuletzt die Bad Orber Dampfbahn. In all den Jahren ging ihm aber das mächtige Elmer Bahnhofsgebäude nicht aus dem Kopf. Wie würde es in einem stattlichen Nachbau als einzelnes Modell aussehen, fragte er sich immer wieder. Da er als Mitautor des Buches „Eisenbahndreieck Distelrasen“ viele Unterlagen des Bahnhofs Elm zusammengetragen hatte, darunter auch den Original-Bauplan im Maßstab 1:100, rechnete Jirowetz irgendwann nach, welche Abmessungen ein Modell im Maßstab 1:32 haben würde: 2,10 Meter lang und 70 Zentimeter breit. „Da bin ich selbst erschrocken“, erinnert sich der begnadete Bastler: „Doch wenn so ein Virus in mir drin ist, dann lässt er mich nicht mehr los.“

Eines Tages war es soweit. Jirowetz baute zunächst nur das Stellwerk Elm-Ost. Dann ging es an das Hauptgebäude. Unter Zuhilfenahme von historischen Bildern erforschte er in akribischer Kleinarbeit und oftmals mit Hilfe einer Lupe jede Ecke des Gebäudes. Nichts blieb seinem geschulten Auge verborgen. Die dreifach abgesetzten Ränder für die Fenster, die Laufbretter für den Kaminkehrer auf dem Dach, der Zaun vor dem Raum des Bahnhofsvorstehers. Und alles wurde maßstabsgerecht umgesetzt - in unglaublicher Genauigkeit. Auch die Größe ist einmalig: Jirowetz kennt in der Eisenbahn-Fachwelt kein Modell mit diesen Abmessungen.

Er verarbeitete allein rund 60 Meter Kunststoffstangen für die 42 Fenster im Erdgeschoss. Für die 64 Öffnungen im ersten Stock bog er kleine Messingstränge und lötete sie zusammen. Die Türen sind alle dank der Scharniere beweglich. Als Ständer für die Überdachungen der beiden Bahnsteige auf der Nord- und Südseite drechselte er Miniatur-Holzpfosten. Für die Empfangshalle der Ersten Klasse baute Jirowetz einen stattlichen Kronleuchter, den Boden zieren dort Holzdielen. im Eingangsbereich liegen Fliesen. Die Warteräume für die zweite, dritte und vierte Klasse fielen naturgemäß schlichter, aber nicht minder stilgerecht aus. Alle sind mit Öfen ausgestattet, die auf Schutzblechen aus Kupfer stehen.

Im großen Saal schmückt eine Bierzapfanlage die lange Theke. Damenzimmer, Waschräume, Telegrafenstation, die elf Kamine, die rot-weißen Flaggen auf dem Dach, die Sackkarre, die Zugschlussleuchten - das eigentlich tote Objekt sprüht vor Leben. Wer möchte da nicht am kalten Buffet vor dem Gebäude „eine Tasse Kaffee für 25 Pfennig“ mit einem „Stück Kaisergebäck für zehn Pfennig“ kaufen und die Atmosphäre in Ruhe genießen? Oder die Bahnhofsglocke betrachten, die einst das Abfahren der Züge einläutete, und aus Messing en miniature gedreht wurde. Noch fehlen einige Möbel im Inneren, doch Rolf Jirowetz blickt schon jetzt zufrieden auf sein Bauwerk, das in rund 1200 Abend- und Nachtstunden entstand.

 

Unter den Händen des Schlüchterner Eisenbahn-Enthusiast Rolf Jirowetz sind schon zahlreiche Kunstwerke entstanden. Das größte ist die Dampfbahn, die im Sommer an Wochenenden zwischen Bad Orb und Wächtersbach verkehrt. Die Lokomotive, die einst auf einem Kinderspielplatz in Coburg ein kümmerliches Dasein fristete, baute er von Grund auf neu auf. Dazu bastelte er in den Räumen der Firma Theimer in Birstein-Obersotzbach vier Wagen. Die ausgediente sieben Kilometer lange Bahnstrecke baute Jirowetz um, sanierte mehrere Brücken und die neun Bahnübergänge. Heute kümmert er sich um den gesamten Unterhalt der Anlage. Zuvor hatte der Hobby-Bastler schon zahlreiche Lokomotiven für die I-10-Spurweite und eine Miniaturdampf-

lok im Maßstab 1:6 kreiert, die in Darmstadt ihre Runden dreht. Zudem baute der Tüftler das Eisenbahndreieck bei Elm - auch mit dem alten Bahnhof - im HO-Format 1:32 als Gesamtanlage detailgetreu nach. Die Anlage stand lange Zeit im Heimatmuseum Schlüchtern. Gleichzeitig schrieb er als Mitautor über das Thema ein Buch mit dem Titel „Eisenbahndreieck Distelrasen“. Auch alte Autos haben es dem Schlüchterner angetan. Er restaurierte komplett einen Porsche 356 A (Baujahr 1958) sowie einen Citron Treffle (Baujahr 1921). Wer das neue Modell vom Bahnhof Elm besichtigten will, kann dies im Jirowetz‘schen Modellbaulädchen in Schlüchtern tun. Dieses befindet sich an der Krämerstraße 12 und ist an Werktagen meist nachmittags geöffnet. Eine Voranmeldung ist möglich unter Telefon  (0 66 61) 18 40.

 

Naturschutzgebiete:

Am Stein bei Elm: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 169.

Ebertsberg bei Elm: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 173.

Hainberg bei Elm: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 175.

Hundgraben bei Elm:  Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 175.

Weinberg und Giebel bei Elm: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 190.

Im Eschert bei Hutten: Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 177.

Basaltmagerrasen bei Gundhelm:

Naturschutzgebiete in Hessen, Band I, Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau, Seite 170.

 

 

 

 

 

 

 

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