Neue Kirchengeschichte Steinbach-Hallenbergs

 

Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie die Verhältnisse in der Kirchengemeinde Steinbach-Hallenberg ab etwa 1985 waren. Heute gibt es

ein Kreiskirchenamt, das Arbeitsverträge schließt und die richtige Auszahlung der Gehälter überwacht. Es gibt ein Landeskirchenamt, das man im Notfall anrufen kann. Der Dekan ist an die kirchlichen Gesetze und Ordnungen gebunden und man kann seine Entscheidungen überprüfen lassen.

Geblieben ist das Wahlsystem mit Berufung von Kirchenvorstehern und die Möglichkeit, daß auch ein Kirchenvorsteher den Vorsitz haben kann, obne daß die Aufgaben genau abgegrenzt sind. Aber damals in Steinbach-Hallenberg und in Dekanat Schmalkalden machte jeder, was er wollte. Der Dekan berief sich einmal auf hessische Gesetze, dann wieder auf thüringische und dann wieder auf die der Evangelischen Kirche der Union, am meisten aber auf sich selbst. Er schritt nicht ein, wenn es zu Beleidigungen kam, und er sagte nichts, wenn ein Kirchenvorsteher ankündigte, er werde alles in der Sitzung Gesagte seinen Verwandten weitersagen. Wenn man ihn auf gesetzliche Vorschriften hinwies, sagte er: "Das sind doch Kleinigkeiten!". Er versuchte nicht auszugleichen, sondern goß Öl ins Feuer, um sein Ziel zu erreichen.

Und einige Kirchenvorsteher wollten auch das Heft an sich reißen. Im Betrieb oder in der Familie kamen sie nicht so recht zum Zug, aber in der Kirche spielten sie sich auf.  Einer sagte zum Beispiel ohne Auftrag einem Angestellten zu, daß er einen um ein Drittel erhöhten Lohn erhalten sollte. Dem Gesamtkirchenvorstand blieb dann nichts anderes übrig, als das zu sanktionieren. Aber auch der Vorstand beschloß in einer Sitzung so und in der nächsten wieder anders, nur weil jemand sich beschwert hatte. Wenn man dann einen Beschluß umsetzte, konnte man nie sicher sein, daß es dabei blieb.

Ich kann nicht verstehen, wie man behaupten konnte, ich ginge autoritär mit den Angestellten um. In Steinbach-Hallenbergnmachte jeder es so, wie  es für ihn am günstigsten war. Wenn ich dann auf staatliche oder kirchliche Gesetze oder Beschlüsse des Kirchenvorstandes hinwies, wurde ich als gesetzlich bezeichnet, in der Kirche ginge es aber nicht um das Gesetz, sondern um das Evangelium. Ich habe immer nur reagiert und den Kirchen-vorstand zur demokratischen Entscheidung ermuntert. Es ist mir unverständlich, wie man behaupten konnte, ich hätte die Angestellten in meinem Sinne ausgesucht. Einmal fuhr ich mit Kirchenvorstehern bis in die Rhön, um einen Bewerber zu prüfen. Aber den Verwaltungsleiter habe ich auch selber zwei Stunden geprüft, ehe ich mich für ihn einsetzte. Er war auch fähig, jedenfalls besser als der Kirchenvorsteher, der sich zu seinem Vorgesetzten aufspielen wollte. Aber irgendwie bestand die Vorstellung, ein Pfarrer habe unbegrenzte Macht, die aber auf einen anderen übergeht, wenn dieser "Herr Kirchenvorstand" wird .Als Pfarrer aber konnte und wollte ich nicht bestimmen, sondern hörte auf die Stimme der Mehrheit. Unter diesem Vorzeichen sollte man die folgenden Ausführungen sehen.

 

 

 

 

Der Text meiner Chroniken wurde von mir dem Pfarramt Steinbach-Hallenberg in digitaler Form zur Verfügung gestellt. Dabei war auch der vorstehende Text, der aber nur für die Zwecke des Pfarramts gedacht war. Er ist dann ohne mein Wissen und meine Zustimmung im Internet veröffentlicht worden. Deshalb sah ich auch keinen Anlaß mehr, ihn nicht auf meine Website zu stellen (der kurze Abschnitt, in dem Frau Usbeck erwähnt wird, ist dort allerdings etwas präziser gefaßt). Nunmehr ergänze ich diesen Teil noch durch einen Auszug aus meinem Buch „Kirche ohne Staatssicherheitsspitzel?“ über das Verhältnis von Kirche und Staat im Dekanat Schmalkalden. Peter Heckert.

 

Vorgeschichte:

Am 15. September 1967 kam ich nach Steinbach-Hallenberg. Mir ging der Ruf voraus - von der Landeskirchlichen Gemeinschaft ausgestreut - ich sei ein „modernistischer“ Pfarrer, der die Auferstehung leugnet. Daß das nicht so ist, hat die Gemeinde bald erfahren, vor allem auch durch viele Beerdigungspredigten.

Dennoch versuchte der damalige Prediger Mertel, seine Leute gegen mich aufzubringen: zwei Eltern schickten ihre Kinder nicht zum Konfirmandenunterricht, andere wollte er dazu bringen, ihr Kind nicht von mir taufen zu lassen. Doch er kam damit nicht durch, mit seinem Weggang war die Sache erledigt, kam aber gelegentlich doch wieder einmal hoch.

 

Mit Herrn Lieberknecht, dem anderen Pfarrer am Ort, kam ich aus. Auch hier haben manche etwas gewittert. In vielen Orten geht das nicht gut, wenn mehrere Pfarrer am Ort sind. Leider war er in vielen Dingen konservativer als ich und unsre Meinungen gingen da auseinander. Aber in vielen Dingen waren wir uns auch erstaunlich einig (vor allem, wenn es gegen Schmalkalden ging). Damit verblüfften wir manchen Kollegen und auch manchen in der Gemeinde, der einen Gegensatz witterte.

 

Im Kirchenvorstand habe ich immer eine unabhängige Haltung ein genommen. Ich wollte Verantwortung vor Gott, vor den Vorschriften der Kirche und für das Wohl der Gemeinde wahrnehmen. Von meiner ganzen Erziehung her war ich es gewohnt, unerschrocken meine Meinung zu sagen, ohne Rücksicht auf verwandtschaftliche und persönliche Beziehungen und ohne Furcht vor persönlichen Nachteilen.

So habe ich mich immer dagegen ausgesprochen, daß immer mehr Leute für die gleiche oder weniger Arbeit angestellt wurden und dafür noch übertariflich bezahlt wurden. Frau Reffke hatte den ganzen Hausmeisterdienst mit Reinigung und Heizung gemacht und noch viele Stunden in der Küche geholfen; nachher waren 2,5 Leute dafür angestellt.

Im Kindergarten wurden über 90 Kinder zeitweise von drei Kindergärtnerinnen und einer Krankheitsaushilfe betreut. Nachher waren es sechs Kräfte und zusätzlich gelegentlich Praktikantinnen für 80 angemeldete Kinder, von denen im Durchschnitt nur 50 da waren. Sicherlich: Die Zeiten wandeln sich, die Qualität der Betreuung wurde vielleicht besser. Aber man mußte sehen, daß das finanziell nicht durchzustehen war.

Immer wieder habe ich dagegen gekämpft, daß die Kirchensteuer erhöht wird, solange wir damit an der Spitze des Dekanats lagen (von der Steuer behielten wir nur 40 %, Spenden blieben uns ganz). Dennoch wurde von den Angestellten auf der Kirchenkasse die Kirchensteuer erhöht, gegen alle Beschlüsse des Kirchenvorstandes und zum Schaden für die Gemeindearbeit. Auf der Kirchenkasse wurde man schlimmer behandelt als bei staatlichen Behörden („Wenn du nicht die 50 Mark bezahlst, dann nimm auch die 40 wieder mit!“). Welch anderer Ton möglich ist, haben die letzten Jahre gezeigt. Der Wechsel des Personals ist der Gemeinde in vielen Punkten gut bekommen.

 

Ein Lehrbeispiel war die Tätigkeit der Familie Gießler in der Kirchengemeinde. Sicherlich konnten wir froh sein, jemanden aus dem Ort gefunden zu haben, der diesen Dienst übernehmen wollte. Sicher ging es auch darum, eine Wohnung zu erhalten, denn Gießlers mußten aus dem Haus in der Wolffstraße heraus. Es war in den Sommerferien des Jahres 1978, beinahe wären sie ohne Wissen des Kirchenvorstandes eingezogen.

Gießlers waren jedoch mit allem einverstanden. Sie sagten: Wir wissen, daß wir von der Kirche nicht so bezahlt werden können wie vom volkseigenen Betrieb. Aber dafür fielen ja auch Schichtarbeit und Gesundheitsgefährdung weg, eine Dienstwohnung wurde gestellt.

Im Übrigen bestand ja die Möglichkeit, durch das Gräbermachen auf dem Friedhof außerhalb der Arbeitszeit eine Menge Geld hinzuzuverdienen. Es stimmte ja auch nicht, daß von der Kirche nur 400 Mark im Monat gezahlt würden: Es gab Zuschläge und Sachleistungen (kostenloses Mittagessen, verbilligte Energiekosten) und nicht zuletzt Unterstützung in harter Währung, nämlich 900 DM im Jahr für ein Ehepaar.

Doch kaum waren Gießlers in der Wohnung, sah es anders aus. Jetzt sollte Frau Gießler für die Reinigungsarbeiten voll bezahlt werden, obwohl es (aufs Jahr gesehen) bestenfalls eine halbe Stelle ist (auch nach den sehr guten kirchlichen Richtlinien); später wurde behauptet, die Arbeit fülle eine volle Stelle aus, Frau Gießler erhielt 190 Stunden bezahlt, arbeitete aber nur 170 Stunden, ohne daß mit dem Kirchenvorstand auch nur etwas darüber vereinbart worden war.

Herr Gießler wollte nun auf einmal seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Kirchengemeinde stellen und keine Gräber machen. Dafür verlangte er aber eine Erhöhung seines Lohnes. Er und seine Schwester, die auf der Kirchenkasse schaltete und waltete, wandten sich an Herrn Arno Nothnagel, der sich zum Vorsitzenden des Finanzausschusses hatte machen lassen (bisher war immer der geschäftsführende Pfarrer der Vorsitzende, der allein Sitzungen einberufen konnte).

Der Ausschuß tagte ohne Wissen des Kirchenvorstandes und der Pfarrer und machte Gießlers feste Zusagen. Der Kirchenvorstand sollte nur noch entscheiden, ob die Zulage 285 oder 315 Mark beträgt. Herr Nothnagel wollte das nachher nicht mehr so recht wahrhaben, aber es besteht darüber ein von ihm gefertigtes Protokoll.

Als ich ihm sagte, daß es so nicht geht, daß zuerst der Kirchenvorstand befragt werden muß, trat er aus dem Kirchenvorstand aus. Er hat dann zwar auch noch andere Dinge angeführt, aber meine Kritik wegen des Übergehens des Kirchenvorstandes war der Hauptgrund. Herr Nothnagel wollte z.B., daß im Kirchenvorstand bestimmte Dinge durchgepeitscht würden, er wollte mir einmal vormachen, wie man das macht und wie er es im Betrieb macht; ich dagegen vertrat die Meinung, die Dinge müßten ausdiskutiert werden und dafür müsse auch Zeit sein.

Dem Kirchenvorstand blieb nichts anderes übrig, als der Zulage für Herrn Gießler zuzustimmen. Aber nach einiger Zeit fing er dann doch an, auf dem Friedhof Gräber zu machen. Diese Arbeit wurde im Laufe der Jahre immer mehr ausgeweitet, aber auf eigene Rechnung. Viele sagten: „Er ist doch ein tüchtiger Mann!“ weil sie nur diese öffentlichkeitswirksame Tätigkeit sahen. Aber seine eigentlichen Aufgaben bei der Kirche kamen zu kurz.

Zum Beispiel weigerte er sich auf einmal, weiterhin die Uhr aufzuziehen (Ich habe es dann vier Jahre selber gemacht). Aber finanziell stand er sich besser als ein Pfarrer. Es stellte sich heraus, daß der erhöhte Lohn von Anfang an von der Kirchenkasse ausgezahlt worden war. Die angebliche „Sonderleistung“ auf dem Friedhof bestand darin, daß das Gras auf dem Friedhof gemäht (und an die eigenen Kaninchen verfüttert) wurde, alles andere geschah auf private Rechnung - wie jeder weiß, nicht zu knapp.

Aber nun hieß es auf einmal: Einem Mann muß man mehr bezahlen als einer Frau. Doch als dann Kantor Dalberg angestellt wurde, hieß es: Der macht keine körperliche Arbeit, der kann sich selber einen Nebenverdienst suchen. Gegen solche unterschiedliche Behandlung bin ich immer wieder aufgetreten, aber beliebt macht man sich damit nicht.

 

Was sich alles in der Kirchengemeinde Steinbach-Hallenberg in vielen Jahren ereignete, hat mit einer geordneten Verwaltung nichts mehr zu tun. Hier machte sich sehr negativ bemerkbar, daß es keine Aufsicht durch eine Kreiskirchenamt bzw. Rentamt gab. Herr Gießler erklärte, er habe 1979 einen Arbeitsvertrag unterschrieben, aber er war nirgends aufzufinden. Deshalb konnte er behaupten, das Aufziehen der Kirchturmuhr sei nur eine freiwillige Leistung, aber im Protokollbuch des Kirchenvorstandes steht, daß das zu seinen Dienstpflichten gehört.

Frau Holland-Cunz, die auf der Kirchenkasse arbeitete, hatte einen Arbeitsvertrag unterschrieben, nachdem sie in die Dienstaltersstufe 1 eingeordnet war, weil sie vorher nicht im kirchlichen Dienst war. Frau Jäger hat ihr aber von Anfang an Lohn nach der Dienstaltersstufe 3 gezahlt. Angeblich hätte der Dekan das so angeordnet. Aber es lag nichts Schriftliches vor, außerdem kann der Dekan das gar nicht ohne den Kirchenvorstand. Dieser mußte wieder nachträglich zustimmen.

An Frau Gießler wurden im 1. Halbjahr 1983 sogar noch 47 Überstunden bezahlt, obwohl sie 73 Stunden weniger als bei einer vollen Anstellung geleistet hat. Alles geschah ohne den Kirchenvorstand und so, daß die Mitarbeiter unterschiedlich behandelt wurden: Die einen kriegten etwas zugeschanzt, bei den anderen ging es streng nach Vorschrift bzw. sie sollten nach Möglichkeit weniger kriegen (z.B. Frau Reffke).

 

Ich verlangte dann, daß alle Ausgabebelege mir erst zur Zahlungsanweisung vorgelegt werden, wie das in jedem Betrieb üblich ist. Eine Zeitlang wurde es dann auch in einigen Fällen gemacht, aber nachher unterblieb es wieder: Jeder, der mit einem finanziellen Anliegen auf die Kirchenkasse kam, wurde sofort bedient; der Pfarrer durfte nur nachträglich unterschreiben bzw. der Kirchenvorstand mußte notgedrungen zustimmen, da das Geld ja ausgegeben war.

Dennoch behauptete Frau Jäger, ich würde selbstherrlich handeln und alles selbst bestimmen wollen. Als ich jedoch nach einem konkreten Beispiel fragte, konnte sie keines nennen. Der Sachverhalt war ja auch umgedreht: Ärger hat es nur gegeben, weil ich auf die Einhaltung der Beschlüsse des Kirchenvorstandes und der kirchlichen Bestimmungen gedrungen habe und die Vetternwirtschaft nicht mitmachte.

 

Besonders deutlich wurde das auch bei der Kirchensteuer. Der Kirchenvorstand hatte dazu klare Richtlinien erlassen, die sich an die Praxis im Dekanat anlehnten. Wir lagen im Dekanat einsam an der Spitze. Deshalb sollte die Höhe der Kirchensteuer eingefroren werden. Der Kirchenvorstand machte sich die Mühe, straßenweise jede Familie durchzugehen und zu veranlagen. Dennoch wurden die Rentner und Jugendlichen eigenmächtig von Frau Jäger heraufgesetzt.

Und dann war es so: Wer gut zahlte, wurde erhöht, wer säumig war, blieb auf seinem Stand.

Mein Bestreben war immer, nicht die Kirchensteuer zu erhöhen, sondern die Ausgaben zu beschränken. Man hielt mir - auch von Seiten einiger Kirchenvorsteher vor - man müsse großzügiger sein, im staatlichen Bereich sei es auch so. Aber ich war der Meinung, mit dem Geld der Gemeinde (!) müsse peinlich genau umgegangen werden und jeder Anschein von Unregelmäßigkeiten vermieden werden. Und der Kirchenvorstand sollte zu seinem Recht kommen. Es ist mir unverständlich, wie man behaupten konnte, der Kirchenvorstand sei von mir übergangen worden: Einzelne (!) Mitglieder kamen mit ihren Vorstellungen nicht zum Zuge, weil sie überstimmt wurden; aber das geht auch einem Pfarrer so und er muß es respektieren.

 

Ein weiteres kompliziertes Feld war der Kindergarten: Da die langjährige Kindergartenleiterin mit der langjährigen Kirchenkassenangestellten eng verbunden war, gab es die gleichen Schwierigkeiten auch in diesem Bereich, denn Frau Jäger ist ja die Schwester von Herrn Gießler.

Jetzt wurden die Enkel der Frau Jäger eindeutig bevorzugt. Sie waren nicht getauft, wurden aber in den Kindergarten aufgenommen (die Kindergartenordnung wurde extra für sie geändert). Jetzt durften sie länger schlafen oder sie kriegten extra etwas zu trinken unten in der Küche (Apfelsaft, der zum Erntedankfest gespendet worden war).

Angeblich war eine besondere Zuwendung nötig, weil es sich um Behinderte handelte. Aber körperlich behindert war nur das Mädchen. Es gab auch andere behinderte Kinder. Doch die geistig behinderte Tochter von Weidauers wurde geschimpft, als sie einmal ohne Erlaubnis in einen Apfel gebissen hatte.

Als eine Mutter bei einer angeblich anonymen Befragung im Kindergarten die Bevorzugung einiger Kinder beklagte, wurde sie zur Leiterin bestellt und mußte Abbitte tun, weil sie sonst Nachteile für ihr anderes Kind im Kindergarten befürchtete.

Über die Aufnahme in den Kindergarten sollte der Kindergartenausschuß entscheiden. Doch manche wurden schon vorher abgewiesen mit der Behauptung, es sei schon alles voll (Familie Marr, Wolffstraße). Andere wurden aber schon vor der Sitzung des Ausschusses aufgenommen, gute Freunde auch noch später. Eine Frau schaffte es, drei ungetaufte Kinder in den Kindergarten zu bringen, ohne auch nur jemals Kirchensteuer bezahlt zu haben.

Manche Kinder wurden vor dem gesetzlich zugelassenen Alter von drei Jahren aufgenommen (Susanne Tautenhain, Marco Bahner). Dieser Zeitpunkt konnte mit Zustimmung des Kreisschulrates um zwei Monate vorverlegt werden, wenn das Kind in der Krippe war und die Krippe das Kind für kindergartenfähig erklärte.

Doch in einem Fall wurde auch ein Kind eher genommen, das nicht in der Krippe war, weil die Mutter als Verkäuferin gebraucht wurde; angeblich hat der Kreisschulrat zugestimmt, aber schriftlich lag nichts vor. Umgedreht wurden Eltern abgewiesen, deren Kind in der Krippe war, mit der Behauptung, es sei dann in unserem Kindergarten nicht versichert. Es war ebenso wie beim Staat auch: Beziehungen waren alles!

Das andere Problem im Kindergarten war die angebliche Arbeitsüberlastung und Raumnot. Aber eine Putzfrau war meist nicht zu erhalten; als aber eine da war, wollte man sie nicht. Mit der Aufsichtspflicht haperte es immer wieder: Auch wenn sechs Kräfte da waren, hat oft nur eine Kindergärtnerin die Kinder draußen beaufsichtigt.  Der Zaun vor dem Gemeindehaus brachte eine Verbesserung der Sicherheit. Aber man kann sich nur wundern, daß nicht mehr passierte.

Dem Kindergarten wurde ein großer Raum im Leben der Kirchengemeinde eingeräumt. Oft geschah das auf Kosten anderer Arbeitsgebiete. Zeitweise stand der Kirchengemeinde in dem großen Gemeindehaus kein einziger Gemeinderaum zur Verfügung. Dennoch wurde von Seiten des Kindergartens viel Unzufriedenheit laut. Es wurde dabei der Eindruck erweckt, es läge alles nur an dem guten Willen des für den Kindergarten zuständigen Pfarrers.

 

Die beiden Problemkreise - Einstellung der Familie Gießler und Führung des Kindergartens - wurden dann miteinander verknüpft. Es ging um das Essen, das Erziehungsgeld und die Sache mit den Bananen.

Die kirchlichen Angestellten hatten für ihre Kinder im Kindergarten immer das Erziehungs- und Speisungsgeld gezahlt (z.B. die Köchin Jutta Wahl). Als aber die Enkel der Familie Gießler in den Kindergarten kamen, zahlten sie nichts. Ihre Mutter Andrea Gießler wurde erst danach stundenweise in der Küche beschäftigt; dann wurden die Stunden immer mehr ausgeweitet, auf einmal vor sie die volle Zeit da, und der Kirchenvorstand hat sie angestellt (auf diese Weise liefen mehrere Anstellungen).

Die Gießlerkinder und nachher die Jägerkinder durften am Tantentisch mitessen, wo es Sonderrationen gab, besonders der Nachtisch war reichlicher. Die Angestellten erhielten ihr Essen kostenlos von der Kirchengemeinde, nur sollten es bei Fleisch und Nachtisch die Kinderrationen sein. Herr Gießler aber erhielt z.B. zwei Schnitzel, weil er doch so schwer arbeitete (angeblich hat er es extra bezahlt, aber in den Büchern steht nichts davon).

Knappe Sachen sollten allein den Kindern vorbehalten bleiben: der erste Salat und Südfrüchte. Doch jahrelang wurde die Hälfte der Bananen an die Angestellten verkauft, weil das angeblich eine Sonderlieferung war, die nur durch eine zusätzliche Bestellung der Kirchenkasse geliefert wurde. Nun weiß jeder, wie selten Bananen in der DDR waren. Die Zuteilungen wurden auch immer knapper. Da beschloß der Kirchenvorstand: Keine Bananen an die Angestellten (für die Erwachsenen wird ein extra Nachtisch gemacht).

Doch ein Teil der Angestellten, besonders aus dem Kindergarten, murrten: Sie müßten schwer arbeiten und brauchten deshalb auch gutes Essen. Einmal wollten die Kindergärtnerinnen sogar einen Rest Bananen vor den Augen der Kinder essen, während diese etwas anderes erhielten; der Verwaltungsleiter hat sie ihnen wieder vom Tisch weggeholt und dafür gesorgt, daß sie gestückelt an die Kinder ausgegeben wurden.

Solche Vorfälle gingen meiner Bemerkung im Rahmen der Abkündigungen an Heiligabend 1985 voraus, wo ich meinte: Angesichts des Hungers in der Welt kann man doch nicht so tun, als würde man verhungern, nur weil man keine Bananen erhält. Die Sache wurde von den Kindergärtnerinnen in einem Elternabend vorgebracht, der an sich ein anderes Thema hatte. Doch der Schuß ging mehr nach hinten los, denn ich hatte nur Andeutungen gemacht, jetzt wußten alle, daß das im Kindergarten vorgekommen war.

Die Schwierigkeit in all den Jahren bestand darin, daß einfach etwas an dem bestehenden Zustand geändert wurde, ohne daß der Kirchenvorstand oder sonst jemand danach gefragt worden wäre. Dem Kirchenvorstand blieb dann nichts anderes übrig, als um des Friedens willen alles nachträglich zu genehmigen. Wo das aber aus prinzipiellen Gründen nicht möglich war, gab es dauernd neuen Ärger.

 

Es wurden auch viele Gespräche geführt. Danach war dann auch alles klar. Aber zwei Tage später wurde wieder alles in Frage gestellt, weil inzwischen wieder Frau Jäger gehetzt hatte.

Oft ging es auch um Dinge, wo man auch mit staatlichen Gesetzen in Konflikt kam. Gießlers erhielten zum Beispiel immer wieder privaten Besuch in der Küche. Auch die Kinder spielten oft dort.

Einmal hatte sich das Mädchen im Kindergarten verletzt und wurde in der Küche mit blankem Hintern auf die Anrichte gesetzt. Die Hygiene hätte doch die Küche geschlossen, wenn so etwas bekannt geworden wäre. Aber Gießlers behaupteten, ich spioniere ihnen nur nach und wolle unbedingt etwas finden. So etwas sei gesetzlich und es fehle an der Liebe!

Doch hier brauchte man gar nicht zu überwachen. Ich habe nur das vorgebracht, was entweder ich oder meine Frau selbst gesehen haben. Dabei ging es nicht um bestimmte Personen. Aber wer sich an die Beschlüsse des Kirchenvorstandes hielt, brauchte nicht kritisiert zu werden.

 

Die Beschwerde des Herrn Erwin Häfner, Wolffstraße 6

Am 15. Juli 1985 reichte Herr Häfner nach Rücksprache mit dem Ehepaar Gießler, Frau Jäger, Frau Holland (Kälberzeil 25) und Frau Holland-­Moritz (Hauptstraße 60) eine Beschwerde beim Landeskirchenrat in Eisenach gegen mich ein. Seine Punkte waren:

1. Pfarrer Heckert hat Frau Gießler des Diebstahls von 42 Bananen beschuldigt, da sich gewichtsmäßig eine Differenz zwischen der Zahl der gelieferten und der ausgegebenen Bananen ergab. „Aus eigener Erfahrung weiß ich - ich bin in Ländern gewesen, in denen Bananen wachsen - daß die einzelnen Früchte (unterschiedlich) groß und besonders durch Umfangsdifferenz verschiedenes Gewicht haben!“

Nach den Bananen hatte ich gefragt, weil ich befürchtete, daß welche verderben könnten. An die Kindergartenkinder waren an zwei Tagen je eine halbe Banane von etwa 60 Gramm Gewicht ausgegeben worden, es hätten noch etwa 60 da sein müssen. Frau Gießler beteuerte, nur zwei Bananen an die erkrankte Köchin Frau Häfner verkauft zu haben (in den Büchern stand davon allerdings nichts). Ich habe nicht behauptet, daß die Bananen anderweitig verwendet worden seien. Vielmehr vermutete ich, daß das Gewicht vom Großhandel nicht richtig angegeben worden war und wies deshalb die Küche an, bei Lieferung gleich nachzuwiegen.

 

2. Der Malermeister König wurde von Pfarrer Heckert verdächtigt, er hätte einen privaten Auftrag der Familie Gießler zur Renovierung des Wohnzimmers doch der Kirchengemeinde in Rechnung stellen wollen. Die Firma König konnte uns damals nur die Zusage zur Renovierung von vier Räumen im Gemeindehaus geben.

Dennoch erreichte es Herr Gießler, daß sie ihm nach Feierabend noch das Zimmer machten (wie er das erreicht hat, wurde später deutlich). Ich suchte Herrn König nur auf, um sicherstellen, daß der Auftrag des Kirchenvorstandes sich nur auf die vier Zimmer bezieht.

 

3. Herr Gießler wurde von Pfarrer Heckert beschuldigt, eine Urne bei der Beisetzung verwechselt zu haben. Tatsache ist, daß Herr Gießler die Urnen beisetzte, wo er wollte, auch wenn das laut Friedhofsordnung nicht zulässig war. Er meldete die Beisetzung der Urne Elbel, obwohl diese erst Tage später mit der Post kam. Er nahm die Benachrichtigungen eigenmächtig aus dem Briefkasten, holte die Urnen auf der Post und stellte sie im Keller des Gemeindehauses, im Schuppen auf dem Friedhof oder in der Friedhofskirche ab (von dort ist einmal eine Urne verschwunden, weil das Bestattungsinstitut sie wieder mitgenommen hatte). Diese Dinge wurden dann geordnet und dem Bestattungsinstitut mitgeteilt, wer zur Entgegennahme von Urnen berechtigt ist. Gebrauchte Einfassungen sollten nicht mehr beim Totengräber bezahlt werden, sondern auf der Kirchenkasse (dennoch hat Herr Gießler ohne Quittung weiterhin Einfassungen gesetzt).

 

4. Pfarrer Heckert hat in einer Kirchenvorstandssitzung erklärt, die Rechnungsführung der Frau Jäger sei nicht in Ordnung und für Unterschlagungen von Spenden sei Tür und Tor geöffnet. Sie habe ihr Arbeitsverhältnis auf Grund dieser Verdächtigungen gelöst. Pfarrer Heckert hat ,,trotz Widerstände und schwerer Auseinandersetzungen im Kirchenvorstand einen jungen Mann als Kirchenrechner angestellt, der einen artfremden Beruf erlernt hat, keiner Kirche angehört, weder getauft noch konfirmiert war und mit einer Frau in außerehelicher Gemeinschaft lebte.... Man kann mit normalen Sinnen diese Vorgänge und Handlungsweise eines Pfarrers nicht fassen, aber es ist so geschehen in Steinbach!“

An Frau Jäger habe ich kritisiert, daß sie eigenmächtig und willkürlich Löhne erhöht hat. Ich habe mich immer darauf verlassen, daß ihre Berechnung gestimmt hat und unbesehen unterschrieben. Als sich dann die Überzahlung herausstellte, machte mir Herr Adolf Holland-Cunz den Vorwurf, ich hätte besser aufpassen müssen (obwohl seine Frau die Begünstigte war); daraufhin habe ich 274 Mark Schadensersatz gezahlt. Frau Jäger hatte schon jahrelang gesagt, daß sie mit Erreichen des Rentenalters ausscheiden wolle. Allerdings wollte sie erreichen, daß Frau Marianne König (Hauptstraße 13) ihre Nachfolgerin wird. Sie hat sich auch dem Kirchenvorstand vorgestellt, wurde aber nicht gewählt (schon wegen einer „Drei“ in Mathematik).

Angestellt wurde Herr Winfried Hey, Lindenstraße 44a, der vor einiger Zeit aus Jena zugezogen war. Er wurde zunächst von mir eingehend geprüft, mußte die Aufstellung der Kirchenrechnung und ein Gespräch über Kirchensteuerfragen vormachen. Danach wurde er vom Kirchenvorstand und Dekanatssynodalvorstand unter die Lupe genommen. Daß er für den Posten gut geeignet war, wurde schnell deutlich. Er konnte die Arbeit ohne lange Anlernzeit übernehmen, seine Gehaltsforderung war mäßig.

Bedauerlich war, daß einige ihn verdächtigten, er könnte Geheimnisse an staatliche Stellen oder an die katholische (!) Kirche verraten, weil seine Frau der katholischen Kirche angehört. Dabei gibt es auf der Kirchenkasse keine vertraulichen Dinge außer dem Kirchensteuergeheimnis (das aber kaum ins Gewicht fällt, weil die Steuer sowieso pauschaliert ist). Außerdem werden doch von den Kirchenvorstehern selbst alle möglichen Dinge nach außen getragen. Woher hätte Herr Häfner sonst seine Informationen?

Diese ganzen Verdächtigungen waren nur vorgeschoben. Der Kirchenkassenraum war damals ohne Schwierigkeiten auch nach Feierabend zugänglich, für alle kirchlichen Angestellten und auch leicht mit einem Nachschlüssel. Interne Dinge wurden ohne Bedenken am Telefon erzählt. Auch im Kindergarten hörten die Kinder manches mit und erzählten es dann zu Hause. Ein Oberschüler sagte: „Wenn ich wissen will, was im Kirchenvorstand besprochen wurde, dann erfahre ich es!“

Zum Beispiel hatte ich den Namen eines Interessenten für die Stelle genannt. Daraufhin ging Frau Jäger zu dem Betreffenden in die Wohnung und behauptete, als Verwaltungsleiter müsse man auch Gardinen waschen und Brote schmieren, so daß der Betreffende sich gar nicht erst beworben hat. Diese Sache hatte ich ausdrücklich für vertraulich erklärt und darum gebeten, den Mann nicht deswegen anzusprechen.

Ende Juli 1984 hatte allerdings der Kirchenvorstand mit knapper Mehrheit und bei vielen Enthaltungen die Anstellung von Herrn Hey abgelehnt. Einige Kirchenvorsteher fühlten sich allerdings durch die Ausführungen des anwesenden Dekans verunsichert, andere fühlten sich nicht genug informiert, wieder andere hatten die zur Abstimmung gestellte Frage (Verneinung eines früheren Beschlusses) falsch verstanden.

Allerdings muß ich zugeben, daß auch einige Ungeschicklichkeiten passiert sind: Es gab Terminschwierigkeiten, so daß Herr Peters nicht von Anfang an dabei sein konnte; einen Brief des Dekans zur Sache habe ich nicht gleich zu Anfang im Wortlaut vorgelesen. Ich war aber schon damals bereit, mein Amt aufzugeben, weil ich mir nicht die Arbeit mit jemand aufladen wollte, der der Sache nicht gewachsen war, während auf der anderen Seite ein fähiger Mann zur Verfügung stand. Herr Hey wurde dann am 10. September 1984 mit 16 : 5 Stimmen gewählt. Er wurde vor der Anstellung getauft und konfirmiert und bald darauf kirchlich getraut, verheiratet war er seit 1982. Von den Behauptungen des Herrn Häfner stimmte nur der Name.

 

5. Die Leiterin des Kindergartens wurde von Pfarrer Heckert beschuldigt, von Spenden des Kindergartens gekauftes Eis an Kinder der Familie Gießler gegeben zu haben, die nicht mehr in den Kindergarten gingen. Es handelte sich dabei um ein besonderes Geschenk an die Kindergartenkinder aus Anlaß des Internationalen Kindertages. Dieses wurde sonst immer von der Kirchenkasse bezahlt.

Dieses Jahr erklärte Schwester Anni, sie habe das Geld von ihrem privaten Geld gespendet und deshalb das restliche Eis nach Belieben verteilt. Aber man muß mir auch zugestehen, daß ich nach dem Sachverhalt frage, wenn die Enkel der Familie Gießler und deren Freunde mit dem Eis aus der Gefriertruhe aus der Küche kommen und noch versuchen, das Eis vor mir zu verbergen.

Man muß ja auch bedenken, was vorausgegangen ist: Die Eheleute Gießler haben mehrere Personen ihrer Verwandtschaft mit Essen aus dem Gemeindehaus versorgt. Nicht nur daß Herr Werner Gießler mehrfach reichhaltiges Sonderessen erhielt, weil ihm das Kindergartenessen nicht zusagte.

Auch der Sohn Horst Gießler hat wochenlang mitgegessen, wenn ihm der Speiseplan zusagte, aber nicht die Kosten bezahlt, sondern nur 1 Mark pro Essen, und das auch nicht immer. Der Großvater erhielt Essen, die Schwiegertochter, wenn sie zu Besuch war. Am 4. Mai 1985, einem Samstag (an dem nur Rüstzeit war) haben 5 Personen ein Sonntagsessen mit Klößen und Fleisch erhalten; davon hat nur Karin Gießler 1,25 Mark bezahlt.

Das Essen für die Gießlerkinder wurde nie bezahlt, während Miriam Heckert pro Essen eine Mark bezahlen mußte, obwohl sie offiziell noch Kindergartenkind war und beide Eltern ganztags auf der Kirchenkasse bzw. im Kindergarten vertreten mußten.

 

Am Schluß seines Briefes kommt Herr Häfner dann noch auf den eigentlichen Grund seiner Beschwerde zu sprechen: Pfarrer Heckert hat alte Kirchengeräte verkauft. Doch dabei handelte es sich nicht um Kirchengeräte, sondern ganz weltliche Zinnkannen, die nicht mehr gebraucht wurden. Diese wurden auf Beschluß des Kirchenvorstandes verkauft. Aber da Herr Häfner zufällig bei dieser Sitzung nicht dabei war, aber auf solche Dinge scharf war, wurde er nicht bedacht. Deshalb trat er aus dem Kirchenvorstand aus, aber auch weil er wegen des Erdkabels für die Kirche mit dem Kirchenvater Huhn Differenzen hatte. Daß ich Herrn Häfner „mehrere Male belogen“ hätte, muß ich entschieden zurückweisen.

Schließlich vertrat Herr Häfner noch die Meinung: „Nach Ansicht vieler Mitglieder der Kirchengemeinde hätte Pfarrer Lieberknecht seine Gemeinde in Steinbach-Hallenberg nie verlassen, wenn eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Pfarrer Heckert möglich gewesen wäre!“ Diese Behauptung stammt wohl von Frau Jäger. Hier taucht auch der Begriff ,,gedeihliche Zusammenarbeit“ auf, den Frau Jäger aus dem entsprechenden kirchlichen Amtsblatt kennt, das sie ausführlich studiert hat (wie ich selber sehen konnte).

Zum Schluß heißt es in der Beschwerde: „Die meisten Predigten von Pfarrer Heckert offenbaren mangelnde Vorbereitung, sie geben wenig Kraft zur Stärkung des christlichen Glaubens und dienen kaum zur Erbauung im täglichen Leben. Nach meinem Dafürhalten ist der Charakter von Pfarrer Heckert dumpf und stumpf, sonst könnten derartige Machenschaften durch ihn nicht vorgenommen werden. Die Kirchengemeinde.... schrumpft von Jahr zu Jahr zusammen. Die Ursache hierfür ist nicht nur in der Umwelt...... zu suchen, sondern einen großen Teil Schuld trägt auch Pfarrer Heckert durch sein Verhalten bei!“

Der Beschwerdebrief wurde vom Landeskirchenrat an den Dekanatssynodalvorstand verwiesen. Daraufhin fand am 13. September 1985 im Dekanat Schmalkalden eine Besprechung statt, an der außer den Beteiligten auch die Kirchenväter und der Dekanatssynodalvorstand teilnahmen. Herr Häfner betonte zu Anfang noch einmal, sein Brief habe das Ziel gehabt, Pfarrer Heckert aus seiner Stelle zu verdrängen: „Er soll dahin gehen, woher er gekommen ist!“

Frau Gießler hat bei der Besprechung noch einmal unter Tränen beteuert, sie habe keine Bananen anderweitig vergeben. Auch im HO-Laden hätten sie gesagt, daß in einem Karton nur 100 Bananen wären. Schon vorher hatte sie in zwei Schreiben ausgeführt: „Da mir von Pfarrer Heckert ständig unberechtigt Mißtrauen entgegengebracht wird...“ und ,,es wurden mir und meinem Mann ungeheure Beschuldigungen vorgehalten!“

Doch Herr Jochen Reumschüssel wußte: „So viel ich mitgekriegt habe, sind aber doch welche verkauft worden!“  Auf einmal gab Frau Jäger zu: ,,Die Arbeiter gehören mit dazu!“     Gemeint waren die Maler, die Bananen erhielten, damit sie nach Feierabend noch Gießlers Wohnstube machten. Aber Herr Gießler fragte dreist: „Wo sind welche verkauft worden?“ Seine Frau gab jetzt zu: „Utes Mutter hat zwei Bananen gekriegt. Auch Frau Häfner habe ich zwei gegeben, aber die habe ich aus der eigenen Tasche bezahlt!“ Herr König widersprach: „Ute hat zweimal drei Bananen gekriegt, aber auch Andrea hat welche gekriegt, wahrscheinlich genau so viel“

Auf einmal wurden es immer mehr. Ich traute meinen Ohren kaum. Eine peinliche Stille trat ein. Da wußten also längst alle Bescheid, nur ich war ahnungslos. Es wurde nicht weiter gebohrt, wer alles bedacht wurde. Aber wahrscheinlich haben alle Angestellten etwas gekriegt. Jetzt konnte ich mir auch denken, weshalb Herr Holland-Cunz und seine Frau nicht schlafen konnten: Sie waren beteiligt, sagten aber nichts. Gießlers konnten offenbar darauf vertrauen, daß alle dicht halten. Ich war mir selber im Zweifel, ob man ihnen nicht Unrecht tut. Aber sie hätten ungeniert eine Lüge benutzt, um einen Pfarrer in die Pfanne zu hauen, wenn nicht Herr Reumschüssel geredet hätte.

Gießlers wollten dann zu dem anderen Punkt überlenken: Die Spannungen hätten begonnen, als Pfarrer Lieberknecht wegging. In Wirklichkeit begannen sie, als Gießlers ins Gemeindehaus kamen und sich nicht an das Vereinbarte hielten. Auch Herr König meinte: „Auch Frau Jäger hat geherrscht, und nicht zu knapp. Und gekündigt hat sie, weil sie mich beleidigt hatte und ich nur von einer Klage abgesehen habe, weil sie gehen wollte. Pfarrer Heckert hat sich da total herausgehalten!“

Dekan Schreiber verlas dann den Abschnitt über Pfarrer Lieberknecht. Herr Häfner schob nach: „Warum war Pfarrer Heckert nicht bei der Verabschiedung von Pfarrer Lieberknecht dabei. Ich finde das traurig und beschämend!“ Doch der Termin war vom Dekan festgesetzt worden, obwohl ich im Urlaub war, weil er am nächsten Sonntag seinen Sohn in Schmalkalden einführen wollte.

Herr Häfner hat sogar Pfarrer Lieberknecht gefragt, ob er wegen Pfarrer Heckert gehe. Er habe gesagt: „Ich bin gerufen worden!“ Der Dekan hatte am gleichen Tag noch einmal bei Pfarrer Lieberknecht angerufen. Der hatte geantwortet: „Das hat Herr Häfner erfunden!“ Er wäre nicht 13 Jahre geblieben, wenn er es nicht hätte aushalten können. Seine Bemerkung: „Wir müssen ja gehen!“ bezog sich nicht darauf, daß er strafversetzt worden sei, sondern er wollte sagen: „Wir haben nun einmal zugesagt, da gehen wir auch, so wie Gotha hat uns keiner gerufen!“

Das Gespräch ging noch eine ganze Weile weiter. Herr Gießler führte z.B. aus: ,,Wenn mir ein Meister sagt, ich solle etwas machen, dann tue ich es noch lange nicht. Das habe ich bei den Nazis gemacht. Über Fehler kann man reden. Aber hier werden vermeintliche Fehler gleich aufgetischt. Unsre Probleme aber werden als banal abgetan!“ Er wollte sich also nichts sagen lassen.

In der Praxis mußte ich auch immer vorsichtig fragen, ob er denn bereit wäre, dies oder jenes zu machen. Und wenn er es nicht wollte, mußte ich es tun (wie bei dem Abwasserkanal für den Kindergarten, wo wir von der Hygiene eine Frist von vier Wochen hatten und Herr Gießler wollte eine Firma bestellen). Ebenso weigerte er sich, den denkmalswerten Grabstein vom Friedhofstor in die Kirche zu räumen, wie er es vor einem Jahr versprochen hatte (ich habe ihn dann zusammen mit Herrn Hey in die Kirche gebracht).

Schließlich wollte Herr Häfner die Behauptungen über Herrn Hey wieder abschwächen: Außereheliche Gemeinschaft habe nur im Konzept gestanden, nicht im Brief. Aber die Ablichtung des Originalbriefes lag vor, und da stand nicht „außerkirchlich“.

Nach diesen drei Punkten und vielen Abschweifungen wurden die anderen Punkte nicht mehr behandelt. Sie sind genauso ein Sammelsurium von Tatsachen, Halbwahrheiten, Verleumdungen und Lügen wie die anderen. Weder hat Herr Häfner seinen Brief zurückgezogen noch haben Gießlers auch nur ein Wort des Bedauerns gefunden. Sie haben nicht zugesagt, daß sie die Autorität des Kirchenvorstandes und der von ihm beauftragten Personen achten wollen und den Verwaltungsleiter akzeptieren wollen.

Herr Häfner hat sich ein Jahr später noch einmal an den Landeskirchenrat gewandt und eine schriftliche Antwort auf seine Beschwerde verlangt. Diese wurde ihm am 21. Juli 1986 gegeben: „Aufgrund des am 22.10.1985 von Herrn Dekan Schreiber gegebenen schriftlichen Berichts sowie des diesem Bericht beigefügten Protokolls und der zusätzlichen mündlichen Informationen haben wir keine Veranlassung gesehen, seitens des Landeskirchenrats Weiteres zu unternehmen!“ Es wurde darauf hingewiesen, daß Herr Häfner ja selber an der Sitzung in Schmalkalden teilnahm und dort auch entsprechende Antworten erhielt.

Es ist aber auch schon hier die Rede von einer besonderen rechtlichen Stellung des Dekanats, durch die der Landeskirchenrat keine Möglichkeit habe, unmittelbar einzugreifen, er sieht aber auch keine Veranlassung, angesichts der schriftlichen Stellungnahme des Gemeindekirchenrats und der eingehenden Verhandlung in der Sitzung des Dekanatssynodalvorstandes weitergehende Maßnahmen in Erwägung zu ziehen!“ Damals war noch der gelernte Jurist Mitzenheim der Dezernent im Landeskirchenrat.

 

Am 17. Oktober 1985 sprach ich noch einmal mit Frau Jäger in ihrer Wohnung. Ich machte ihr den Vorwurf, daß sie sich nicht loyal gegenüber der Kirchengemeinde verhalten habe: Sie hätte wenigstens mitteilen müssen, daß da ein Brief geplant ist, dann hätte man vielleicht die schlimmsten Auswüchse verhindern können. Sie aber sagte: „Ich bin nur froh, daß ich einmal zu Gott komme und dann alles offenbar wird, wie es gewesen ist. Dann wird sich herausstellen, daß ich nie gelogen habe. Ich kann ja gar nichts Böses tun, weil ich mich einmal vor Gott zu verantworten habe!“

Im Verlauf des Gesprächs behauptete Frau Jäger wieder, ich hätte ihren Bruder des Diebstahls einer Kollekte bezichtigt. Am gleichen Tag hatte ich erfahren, daß schon sein Vater beim Diebstahl einer Kollekte erwischt worden war; deshalb war sie sicher so empfindlich.

Auch behauptete sie wieder, Herr Häfner habe nicht „außereheliche Gemeinschaft“ geschrieben, sondern „außerkirchlich“, obwohl doch die Ablichtung vorgezeigt worden war. Was nützen da alle Informationen, wenn doch wieder das Alte behauptet wird. Sie behauptete auch, ihr Bruder hätte die Kosten für die Renovierung des Wohnzimmers übernommen, wenn sie mit auf unsrer Rechnung gestanden hätten; aber wie soll man das glauben, wenn er nicht einmal sein Essen bezahlt!

Bei den Angestellten änderte sich nichts: Die Leiterin des Kindergartens weigerte sich weiterhin, die Urlaubsmeldungen auf der Kirchenkasse abzugeben und verschwand selber ohne Abmeldung zu Tagung und Urlaub. Als sie dann eine Liste vorlegte, stimmte diese nicht mit dem tatsächlich genommenen Urlaub überein. Oliver Gießler aß weiterhin bei seiner Oma in der Küche, obwohl seine Mutter wegen der Krankheit des anderen Kindes freigestellt und Zuhause war. Die Küchenleiterin nahm erneut für sich und ihren Mann zwei Bananen und behauptete, darauf habe sie ein ,,Recht“.

 

Die Arbeit im Kirchenvorstand:

In der Kirchenvorstandssitzung am 2. Dezember 1985 wollte ich dann durch den Kirchenvorstand feststellen lassen, ob bei Frau Jäger noch die Voraussetzungen für die Wählbarkeit zum Kirchenvorstand gegeben sind oder ob sie diesen verlassen muß: Bei der Beschwerde des Herrn Häfner war sie der wesentliche Zuträger und gab erneut zu, mit ihm gesprochen und vertrauliche Dinge aus den Sitzungen ausgeplaudert zu haben; sie hetzt ständig Angestellte gegen den Kirchenvorstand und leitende Angestellte auf, beteiligt sich aber nicht am kirchlichen Leben, wie das Pflicht eines Kirchenvorstehers ist.

Zunächst sollte darüber abgestimmt werden, ob dieser Punkt überhaupt verhandelt wird. Ich wollte das schriftlich machen, weil Frau Jäger sich weigerte, die Sitzung zu verlassen, wie das Vorschrift ist, wenn man am Gegenstand der Verhandlung persönlich beteiligt ist. Als der Kasten mit den Abstimmungszetteln aber zu Herrn Adolf Holland-Cunz kam, nahm er die schon eingelegten Zettel heraus, zerriß sie und steckte die Schnipsel ein. Ich war zunächst sprachlos, stellte den Punkt zurück, Herr Erich Nothnagel verließ die Sitzung.

Es ging dann um die Beihilfe an Frau Jäger, die sonst am Jahresende an alle Angestellten gezahlt wurde. Wieder befürwortete Herr Holland-Cunz sie warm und wollte, daß hier nach den Gepflogenheiten gehandelt werde. Als er aber hörte, daß nur der bedacht wurde, der am Jahresende noch da war, machte er wieder einen Rückzieher, nachdem er einsehen mußte, daß ich nicht gegen die Gepflogenheiten gehandelt hatte.

Daraufhin stellte Herr Gerhard Huhn den Antrag, es dennoch bei Frau Jäger anders zu machen und ihr eine anteilige Beihilfe zu geben. Der Antrag wurde in geheimer Abstimmung mit 9 : 6 Stimmen abgelehnt. Damit war deutlich, wie die erste Abstimmung ausgegangen wäre, die Herr Holland-Cunz verhindert hatte.

Er fühlt sich Frau Jäger aus irgendeinem Grund verpflichtet, der mit seiner Frau zusammenhängen könnte, zumindest aber mit den Bananen, wo er vielleicht denkt, wir wüßten noch nicht, daß er auch welche erhalten hat.

Bei Herrn Huhn dachte ich zunächst, er fühle sich der Familie Beckmann verpflichtet, in deren Firma seine Frau und Tochter arbeiten, und Beckmanns gehören ja zur Familie Gießler (sie haben sich aber aus allem herausgehalten). Der wahre Grund stellte sich erst später heraus: Die Eheleute Huhn hatten vor, sich scheiden zu lassen, wollten vorher aber beide noch eine Reise in den Westen machen; nun fürchteten sie, Beckmann bzw. Gießlers könnten etwas verraten, wenn er ihnen nicht beihalte.

 

Es gab auch Kirchenvorstandssitzungen, in denen sachlich geredet wurde und viele Punkte erledigt werden konnte; aber da waren die Quertreiber nicht da. Aber oft ging es bei den Punkten durcheinander. Es wurden Dinge vorgebracht, die nicht auf der Tagesordnung standen, auch absichtlich vorher nicht mitgeteilt wurden. Nichts wurde abgeschlossen, vieles an die Ausschüsse verwiesen, wo es dann versandete.

Dort lief es dann zum Beispiel folgendermaßen: Im Friedhofsausschuß hatte ich eine Vorlage eingebracht, die vom Ausschuß beraten und abgeändert worden war. Herr Holland-Cunz aber machte am anderen Tag einen anderen Entwurf, der in der Substanz Änderungen enthielt, und legte diesen dann ohne Rücksprache mit dem Ausschuß den Angestellten vor. Der Verwaltungsleiter mußte ihm dann sagen, was für einen Unsinn er geschrieben hatte. Zum Beispiel wollte er, daß die Totengräber nicht vom Kirchenvorstand bestellt werden, sondern von der Friedhofsverwaltung, weil er sich für diese hielt. Als Herr Holland-Cunz aber hörte, daß darunter der Verwaltungsleiter zu verstehen ist, war er wieder dagegen.

Eine ungute Rolle spielte auch Herr Pfarrer Hoffmann aus Springstille. Er hatte auf der letzten Dekanatssynode im Anschluß an den Arbeitsbericht des Dekanatssynodalvorstandes seine persönlichen Ansichten zu den Vorgängen in Steinbach-Hallenberg mitgeteilt, ohne dazu ermächtigt zu sein oder einen Tagesordnungspunkt beantragt zu haben. Ich war bei dieser Tagung nicht dabei. Herr Hoffmann muß auch irgendwie der Frau Jäger verpflichtet sein. Diese hat ihn immer wieder angerufen, sie macht ihm auch weiter die Kirchenrechnung und die Kirchensteuer, nachdem er überhastet und ohne seine Kirchenvorstände zu fragen die Kirchensteuerkartei aus der Kirchenkasse mitgenommen hat. Er hat auch Herrn Häfner den Rat gegeben, sich nach Eisenach zu wenden, anstatt die Sache in den eigenen Reihen zu halten.

Am 21. Mai 1985 bat ich noch einmal den Dekanatssynodalvorstand, auf Frau Jäger einzuwirken, daß sie die Sitzungen verläßt, wenn es um ihre Verwandten geht. Daß sie am Gegenstand der Verhandlungen beteiligt ist, wird daran deutlich, daß sie diesen alle Einzelheiten erzählt, auch bloße Erwägungen, die gar nicht zum Beschluß wurden, und oftmals natürlich entstellt. Gießlers waren ja sogar der Meinung, sie hätten ein Recht darauf, über alle Einzelheiten informiert zu werden, und zwar durch Frau Jäger.

Dadurch können es viele Kirchenvorsteher nicht wagen, ihre Meinung offen zu sagen. Abstimmungen können nur noch geheim vorgenommen werden. Doch ich erhielt auf mehrere Briefe in dieser Sache keine schriftliche Antwort, man sagte mir nur einmal nebenbei, das könne man nicht machen. Offenbar ist es leichter, einen Pfarrer zu entlassen, der seine Pflicht tut, als einen Kirchenvorsteher, der seine Pflicht verletzt.

 

Am 19. Dezember 1985 war eine außerordentliche Kirchenvorstandssitzung mit dem Dekan und Pfarrer Hoffmann, in der es sehr erregt zuging. Herr Gerhard Huhn bestätigte noch einmal, daß er den Pfarrer Heckert gern ,,zum Teufel jagen“ würde. Frau Holland-Moritz behauptete, Pfarrer Heckert würde dauernd alles herumdrehen und schon wieder lügen. Herr Reumschüssel dagegen zitierte Ausdrücke wie „Pharisäer“, „Meister“ und ,,Lügner“, die von seiten der Familie Gießler bzw. durch Frau Jäger gefallen sind. Herr Gießler hatte sogar den schönen Ausdruck ,,Ölmännchen“ gefunden. Der Dekan war immer dabei, sagte aber nichts dazu. Je länger je mehr hat er nicht auszugleichen versucht, sondern im Gegenteil noch geschürt.

Es ging dann wieder um Bananen, die angeblich im städtischen Kindergarten auch an die Angestellten ausgegeben würden. Die Kinderdiakonin Körber war am gleichen Tag ja fast ohnmächtig geworden, weil sie keine Bananen gekriegt hatte; zumindest heulte sie und legte sich nachher in der Schwesterstation hin, war aber bald wieder putzmunter.

Herr Huhn warf mir Kleinlichkeit vor. Man müsse es so machen wie Arno Nothnagel, der mit Gießlers übereingekommen sei, „aber der Pfarrer Heckert hat es wieder zunichte gemacht“ (die Einigung erfolgte auf Kosten der Kirchengemeinde und zum Nachteil der anderen Angestellten). Ich verwies darauf, daß ich ja seit September alles habe laufen lassen. Aber das wurde von der anderen Seite nur ausgenutzt, es war schlimmer als vorher.

Der Dekan meinte dann zwar, es sei nicht gut, wenn man alles laufen lasse. Und es gäbe in der Tat auch viel Positives aus Steinbach zu vermelden. Aber er meinte dann auch wieder: Es gibt bestimmte Dinge, die drehen wir nicht zurück, z.B. den Einkauf während der Arbeitszeit.

An Heiligabend führte ich dann im Rahmen der Abkündigungen aus: „Wir haben viel zu viel Angst, wir könnten etwas verpassen und brauchten immer noch mehr. Zum Beispiel möchten einige unsrer kirchlichen Angestellten gern von den Bananen und Apfelsinen abhaben, die uns der Großhandel nur für die Kindergartenkinder selten genug zur Verfügung stellt. Sie sagen: Sie müßten schwer arbeiten und brauchten deshalb gutes Essen, anderswo werde es auch so gemacht und sie hätten ein Recht darauf. Doch damit würden wir den Kindern das wegnehmen, was sie brauchen, während ein Erwachsener auch darauf verzichten kann. Aber ist es im Großen nicht auch so, daß wir in den reichen Ländern uns alles nehmen, was die Erde uns bietet, es damit aber den Kindern in der Welt wegnehmen. Wir könnten uns alle einmal fragen: Wo könnte ich frohen Herzens etwas von dem abgeben, was ich eigentlich nicht lebensnotwendig brauche? Statt zu klagen könnten wir uns lieber zur Dankbarkeit anleiten lassen!" Alles war eingekleidet in die Aufforderung zu Spenden für die Aktion ,,Brot für die Welt“.

Im Januar griffen die Kinderdiakoninnen dieses Thema in einem Elternabend auf, in dem ich über ein ganz anderes Thema gesprochen hatte. Ich stellte klar, daß ich nicht behauptet habe, die Kindergärtnerinnen hätten sich Bananen genommen, denn sie wurden ihnen ja gebracht (man kann ihnen nur den Vorwurf machen, daß sie sie genommen haben. Sie haben sogar mehr erhalten als die Kinder, wofür diese nur die Erklärung fanden: Die sind ja auch größer als wir, da brauchen sie mehr).

Vom Kindergarten war überhaupt nicht die Rede. Man fühlte sich nur angesprochen, weil das dort gesagt worden war (aber nicht nur dort). Erst durch den Elternabend erfuhr die Öffentlichkeit, daß das im Kindergarten vorgekommen war. Keinesfalls habe ich behauptet, die Kindergärtnerinnen gönnten den Kindern die Bananen nicht. Weder das Wort „Kindergärtnerinnen“ noch das Wort „gönnen“ kamen vor. Im Grunde haben die Kinderdiakoninnen sich selber geschadet, weil nun die Eltern sagten: „Zu solchen Tanten schicken wir unsre Kinder!“ Wieviel Bananen geliefert wurden, sahen sie daran, als diese voll an die Kinder weitergegeben wurden.

Alles wurde immer ausführlich bei den Pfarrkonferenzen ausgewertet, natürlich einseitig, weil immer nur der Dekan sprach und ich nur die gröbsten Ungenauigkeiten richtigstellen konnte. Schon am 22. Januar 1986 wollte Pfarrer Schreiber junior ein Zeichen setzen durch einen Wechsel im Vorsitz des Kirchenvorstandes. Und Pfarrer Fischer ging noch weiter: „Wenn Schalke schlecht spielt, muß der Trainer gehen!“ Man will nicht sehen, daß es auch an der Mannschaft bzw. einzelnen Spielern liegen kann. Wenn einer nicht mannschaftsdienlich spielt, wird er nicht mehr aufgestellt!

 

In der Kirchenvorstandssitzung am 24.März 1986 ging es wieder hoch her. Als Herr Reumschüssel ausführte, daß die Kinder keine Bananen erhalten sollten, aber die Tanten, rief Frau Holland-Moritz: „Dein Roman ist zu schön, der müßte ins Witzblatt!“ Frau Jäger leugnete auf einmal entschieden ihre Ankündigung, sie wolle mit Erreichen des Rentenalters aufhören. Doch das hat sie mehrfach mir gegen über, aber auch vor Gemeindegliedern und Rüstzeitteilnehmern erklärt, lange vor den bekannten Schwierigkeiten. Man kann nicht das Ausscheiden aus der Arbeitsstelle ankündigen, so daß die Verantwortlichen um Ersatz bemühen, wenn dieser aber da ist dann sagen: Ich wollte ja gar nicht! Offenbar ging es aber darum, daß sie selber aussuchen wollte, wer ihr Nachfolger sein sollte; den (bzw. die) wollte sie dann „anlernen“ und immer noch die Fäden in der Hand halten.

Als Herr Reumschüssel ausführte: „Als wir uns um einen Nachfolger bemühten, hat sie alle Interessenten schlechtgemacht und ihnen sogar noch falsche Dinge über die Tätigkeit erzählt!“ da rief Frau Holland: „Man meint, der müsse einen Vogel haben!“ Als Herr Reumschüssel Frau Jäger fragte, ob ihr das Wohl der Gemeinde am Herzen liege, da sagte Frau Holland-Moritz: „Hast du noch mehr so Märchen in deinem Dingsda. Lies nur so weiter mit deinen Schmierereien!“ So war der Ton!

Frau Jäger war erstaunt, daß diese alten Dinge wieder aufgerollt wurden. Sie wäre ja nur Vertretung auf der Kirchenkasse gewesen. Ihr Bruder sei angestellt worden, als Frau Killenberg noch da war. Seine Frau ist aus ,,Not“ in die Küche gegangen. „Aber mit mir hat das nichts zu tun!“

Doch die Familie ist vor allem wegen der Wohnung ins Gemeindehaus gezogen. Sie hätten ja weiter arbeiten können für die Kirchengemeinde, auch ohne Wohnung. Und Frau Gießler übernahm die Küchenleitung, weil ihre Schwiegertochter nur unter dieser Bedingung eintreten wollte.

Ich wurde dann aufgefordert, auch einmal privat mit den Angestellten im Kindergarten sprechen. Aber ich war da für mehr Zurückhaltung und habe sie auch dem Verwaltungsleiter Hey empfohlen. Denn es könnte ja sein, daß man sich sonst andersherum aufregt über angeblich zu enge Kontakte.

Erst hat man mir glaubensmäßig etwas anhängen wollen, jetzt verwaltungsmäßig. Das Nächste wäre eine Behauptung unter der Gürtellinie, da kann man sicher sein, daß die Kirche gleich eingreift. Deshalb habe ich auch darauf gedrungen, daß ich nicht mein Büro im Pfarrhaus in einer gemeinsamen Wohnung mit der Kinderdiakonin haben mußte, wie das einige Kirchenvorsteher wollten.

Frau Ida Marr brachte die Sache auf den Punkt: „Müssen sich denn nun die Angestellten fügen oder können sie machen, was sie wollen?“ Frau Holland wollte wissen, wer sich denn nicht fügt. Darauf Herr Nothnagel: „Sie gaben keinen schriftlichen Bericht über den Elternabend, wie ich ihn angefordert hatte. Die Beschäftigten wollen dem Kirchenvorstand Vorschriften machen und unterstellen unlautere Motive. Auch Schwester Anni wollte nicht, daß die Angestellten eine Stellungnahme abgeben!“

Aber auch im Kirchenvorstand arbeiteten immer einige dagegen. Sie machten dann die Kirche in der Öffentlichkeit schlecht und hetzten die Angestellten immer wieder auf, weil sie nicht bereit waren, sich einer Mehrheitsentscheidung zu beugen. Der Dekan sprach davon, daß man auch auf eine Minderheit Rücksicht nehmen müsse, in der Brandenburgischen Synode hätten die zwei Reformierten sogar ein Vetorecht (aber da geht es nur um Glaubensdinge, und einen Einspruch muß man nachvollziehbar begründen können).

Vor allem geht es aber nicht, daß man Beschlüsse nachträglich wieder umstoßen will und von außen den Hebel ansetzt. Schließlich hieß der Dekan sogar noch das Handeln von Herrn Holland-Cunz gut, das sei eine Notmaßnahme gewesen. Er hat also einem einzelnen ein Vetorecht zugestanden. Doch das Recht, Beschlüsse zu beanstanden, hat nur der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, aber dann muß die Entscheidung durch eine höhere Stelle angerufen werden.

Aber auch Herr Pfarrer Bunge meinte, einen Kirchenvorsteher könne man nur entlassen, wenn er die Kirche und ihre Lehre grundsätzlich angreift; wenn er sich nur moralisch falsch verhält oder die Arbeit in der Gemeinde sabotiert, läßt sich nichts machen.

 

Unmittelbar vor der Kirchenvorstandssitzung am 21. April 1986 gab Frau Christa Holland drei Briefe im Oberstädter Pfarrhaus ab, gerichtet an Herrn Pfarrer Peters, den Dekan und Pfarrer Bunge. Darin erklärte sie ihren Austritt aus dem Kirchenvorstand. Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes erhielt keine Nachricht, obwohl er doch die alleinige Adresse gewesen wäre; aber offenbar wollte man Breitenwirkung erzielen und die Sitzung mit diesem Thema sprengen.

Zunächst griff sie Herrn Reumschüssel an, dem gegenüber sie ja aus der Rolle gefallen war. Dann griff sie mich an, ich hätte die Kindergartenmitarbeiter ungerechtfertigt angegriffen und hätte das Ehepaar Gießler und Frau Jäger schlechtgemacht, die doch so große Verdienste um die Kirchengemeinde haben. Nach einem Gespräch mit dem Dekan und Pfarrer Bunge hat sie diesen Brief wieder zurückgezogen (man kann also nicht behaupten, sie habe schriftlich festgelegt, daß sie wegen Pfarrer Heckert ausgetreten sei).

 

Die Kündigung der Familie Gießler:

Am 8. Mai 1986 reichten die Eheleute Gießler eine schriftliche Kündigung ein, die aber nicht einfach sachlich die Tatsache mitteilt, sondern Vorwürfe enthält. Frau Holland hatte ja dazu das Vorbild gegeben: „In den letzten zwei Jahren wurde es immer deutlicher, daß die Leitung der Kirchengemeinde, insbesondere Pfarrer Heckert, ein völlig anderes Verständnis vom Miteinander im üblichen wie im christlichen Sinn hat. Dies wurde sichtbar, indem man den Mitarbeitern mit ständigem Mißtrauen entgegenkam, und mit welcher Art und Weise man Frau Jäger, die über zwei Jahrzehnte in der Kirchenkasse tätig war, aus dieser Arbeit herausgedrängt hat, ihr außerdem auch noch nahegelegt hat, aus dem Kirchenvorstand auszutreten und man dabei noch nicht einmal vor Verleumdungen zurückgeschreckt ist.....Von da an waren wir ständig Gesprächsthema in den Vorstandssitzungen, ohne uns die Möglichkeit zu geben, Unklarheiten richtigstellen zu können, abgesehen davon, daß man Verleumdungen einfach im Raum stehen ließ..... Wir bedauern es sehr, daß gerade von Pfarrer Heckerts Seite, der doch eigentlich auch Seelsorger sein sollte, in keiner Weise Versöhnungsbereitschaft und Einlenken in diesem Spannungsfeld zu erkennen war. Dies läßt den Schluß zu, daß er zu dem, was er von Gottes Wort verkündet, keine persönliche und innere Beziehung hat und sich einer Verantwortung der Kirchgemeinde sowie der ganzen Stadt gegenüber nicht bewußt ist!"

Dabei war gerade der Entwurf einer Dienstanleitung für die Küchenleiterin erstellt worden, die noch einmal auf Gießlers Wünsche einging. So wurde erlaubt, auch private Lebensmittel in der Gefriertruhe der Gemeinde aufzuheben oder während der Arbeitszeit privat einzukaufen. Aber im Grunde handelte es sich dabei um Dinge, die anderswo gar nicht vorkommen, wo kein Angestellter solche Ansprüche stellt. Es gab auch nachher darüber keine Diskussionen mehr, die Dienstanweisung wurde ohne Diskussion akzeptiert.

Es ist keinem Mitarbeiter mit Mißtrauen begegnet worden, sondern es stellten sich Unregelmäßigkeiten heraus, die mit Beschlüssen des Kirchenvorstandes und allgemeinen Regeln nicht übereinstimmen. Daß Frau Jäger verdrängt worden sei, hat sie erst nach ihrem Ausscheiden behauptet; der Kirchenvorstand ist ihr nur nicht gefolgt, als es um die Anstellung eines Nachfolgers ging. Ich habe ihr nicht nahegelegt, aus dem Kirchenvorstand auszuscheiden, sondern Wünsche von Kirchenvorstandsmitgliedern aufgegriffen, aber meine Meinung bewußt offengelassen.

Bei den angeblichen ,,Verleumdungen“ hätte man konkreter sein müssen. Mit den Eheleuten Gießler ist oft und intensiv gesprochen worden, in vielen Dienstbesprechungen, in Schmalkalden waren sie mit dabei und einmal verschaffte sich sogar Herr Gießler ungeladen Zugang zur Kirchenvorstandssitzung und wurde gehört. Gießlers wurden oft angehört, aber sie haben nicht in allem Recht gekriegt. Von meiner Seite wurde viel Entgegenkommen und Einlenken gezeigt. Ich habe mich, je länger je mehr, aus allem herausgehalten. Aber es zeigte sich, daß dafür die Kirchenvorstandsmitglieder den gleichen Angriffen ausgesetzt wurden, die nun die Sache in die Hand nahmen.

Das Wort „Versöhnungsbereitschaft“ ist mir zu hoch gegriffen. Ich wüßte nichts von meiner Seite, das eine Versöhnung erforderlich machte, denn ich habe keinen Groll oder sonst etwas gegen Gießlers. Um eines Amtes und meiner inneren Glaubwürdigkeit willen weise ich aber ganz entschieden die Behauptung zurück, ich hätte zu Gottes Wort keine persönliche und innere Beziehung. So etwas sagt man nicht über einen Pfarrer, das ist so schwerwiegend wie der Vorwurf der Irrlehre.

 

In einem Gespräch am 20. Mai 1986 beharrten Gießlers im Wesentlichen bei ihrer Aussage, wonach ich nicht die Qualifikation zum Pfarrer hätte. Sie waren nur bereit, das zu ihrer subjektiven Meinung zu erklären. Zu den „Verleumdungen“ wußten sie nur zu sagen, ich hätte gesagt, sie hätten sich an der Friedhofskollekte ,,bereichert“ (das Wort fiel nie). Sie versuchten dann immer wieder, neue Dinge heranzuziehen.

So behaupteten sie etwa, bei der Einstellung von Andrea Gießler hätte ich gesagt, sie brauche kein Erziehungsgeld an den Kindergarten zu zahlen; das konnte ich gar nicht sagen, weil kein Beschluß des Kirchenvorstandes vorlag, außerdem hätte ich immer darauf gedrungen, daß –wenn schon, dann - alle Angestellten so eine Vergünstigung erhalten. Das Gleiche gilt von der Behauptung, ich hätte im September 1984 erlaubt, daß Oliver Gießler in der Küche mit ißt und nichts dafür bezahlt. Als ich eine Änderung dieser eigenmächtig eingeführten Praxis verlangte, wurde Horst Gießler erstmals sehr aggressiv gegen mich und sagte, so daß es ein Kirchenvorsteher hören konnte: „Dem Schweinehund haue ich auch noch einmal die Fresse voll!“

Daß Gießlers in der Bananensache gelogen haben, daß sie die Kirchengemeinde um Tausende von Mark geschädigt haben (durch Nichtbezahlung von Leistungen) und zunehmend weniger für die Gemeinde gearbeitet haben, das kam alles nicht in den Blick. Es war immer nur die Rede von Beschuldigungen und Verleumdungen von meiner Seite, als hätte ich sie nur ärgern wollen und als gäbe es gar keine Anhaltspunkte für meine Nachfragen.

Auch auf dem Friedhof kam es zu Unregelmäßigkeiten. Die Familie König, Bermbacherstraße 8, zahlte z.B. 30 Mark für eine Einfassung, aber Herr Gießler lieferte nur 10 Mark an die Kirchenkasse ab (angeblich war der Rest für das Setzen der Einfassung, aber das wurde extra bezahlt, bekanntlich mit 50 Mark). Über den Verbleib von sechs Grabsteinen, die im mittleren Schuppen abgestellt waren, zu dem nur Herr Gießler einen Schlüssel hatte, konnte keine Auskunft gegeben werden. Außerdem war in Steinbach bekannt, daß der Totengräber Schiwek in der Schmiede Zahngold zum Preise von 100 Mark pro Gramm verkaufte, wobei nicht klar war, ob das Gold aus alten Gräbern stammte oder Leichen entnommen wurde (menschliche Zähne, denen die Goldkronen entfernt wurden, fanden sich jedenfalls im Aufenthaltsraum der Totengräber).

Bei Übergabe des Gemeindehauses (Dienstwohnung, Arbeitsräume) machte ich ein Protokoll, von dem ich einen Auszug an Gießlers übergab. Es stellte sich nämlich heraus, daß Heizkörperteile fehlten, der Feuerzugregler total auseinandergenommen war, am Gasdurchlauferhitzer Knöpfe fehlten, die Bosch-Bohrmaschine samt Zubehör erst auf Nachfrage wieder beschafft wurde, im Ofen war noch Asche drin, die Züge waren nicht gereinigt.

Es fanden sich viele Materialien, die längst hätten verwendet werden können, z.B. Deckel für Kinderklosetts, die jahrelang nicht zu beschaffen gewesen waren (ich fuhr mit Herrn Hey nach St. Kilian und konnte mit einem Trick fünf Stück erlangen, dabei lagen welche bei uns im Keller).

Vor allem war die Wohnung für Wohnzwecke unbrauchbar gemacht worden, denn der Fußbodenbelag war herausgerissen, obwohl sie mit Fußbodenbelag übergeben worden war. Es war so gut wie kein Brennmaterial vorhanden und mußte schnell besorgt werden. Der Abfluß der Kinderwaschbecken war seit Wochen verstopft und wurde jetzt sofort gereinigt. Die alte Autokarosse auf dem Kinderspielplatz wurde nach vielem Reden entfernt.

 

In der Dienstbesprechung Anfang August 1986 erklärte Frau Andrea Gießler auf Befragen, der Termin ihrer Kündigung stehe noch nicht fest. Anschließend lief sie (während der Arbeitszeit) zu ihrem Mann und der erklärte gegenüber Herrn Reumschüssel: „Meine Frau will gar nicht kündigen. Sie hat das damals aus einem Impuls heraus gesagt, weil die Schwiegereltern gekündigt hatten. Aber jetzt will sie weiterarbeiten!“

Mit anderen Worten: Sie hatten uns damals unter Druck setzen wollen (auch Ute König sprach ja von Kündigung). Sie dachten, wir kriegten niemand anders und würden sie dann bitten, doch weiterzuarbeiten. Aber inzwischen war es klar, daß wir schon jemand hatten.

Vor allem aber ging es wohl um die Sonderzuwendungen. Ich hatte alle Gießlers nach ihrer mündlichen Kündigung in Eisenach abgemeldet. Als die Zuteilung des Geldes ausblieb, beschwerte sich Frau Jäger telefonisch (!) bei der Sachbearbeiterin und stellte es so dar, als hätte gar keine Kündigung vorgelegen und ich hätte eigenmächtig gehandelt.

Frau Gießler hätte ihre Kündigung innerhalb einer Woche zurückziehen können. Aber alles so in der Schwebe zu lassen, war nicht fair. Ich lief herum, suchte Arbeitskräfte und gab ihnen gute Worte, halte sie aber hin, weil die Stelle noch nicht wirklich frei ist. Aber als es dann ernst wird, heißt es: „Ich kündige überhaupt nicht!“ Dabei gilt eine mündliche Kündigung genau wie eine schriftliche; sie war ja vor genügend Zeugen erfolgt.

Mit Evelyn Reumschüssel hatten wir eine tüchtige Kraft gewinnen können. Sie wollte nicht aus dem VEB heraus, um später in der Wirtschaft der Eltern helfen zu können, denn sie hatte gerade ihre Ausbildung im ,,Thälmann“ in Oberhof beendet und war noch in gar keinem Betrieb. Aber wenn sie in unsrer Küche arbeitete bzw. sie sogar leitete, sollte natürlich auch alles Fleisch für die Küche beim Fleischer Reumschüssel gekauft werden, der uns ja sowieso zugeteilt worden war. Die anderen Geschäfte waren Bäcker Marr und das Geschäft Hornig. Dort hätten wir alles kaufen können, was gebraucht wurde; dort wurden auch spezifizierte Rechnungen für einen größeren Zeitraum ausgestellt, die Abrechnung war einfach.

Die Angestellten in der Küche kauften jedoch gegen jede Weisung auch in anderen Geschäften ein, bis hin zum Delikatladen. Aber dazu brauchten sie Bargeld in der Küche. Einmal wurden 400 Mark aus der Küche gestohlen; aber nachher war das Geld doch wieder da. Die Angestellten entnahmen Lebensmittel aus der Küche für den privaten Bedarf und zahlten Geld in diese Kasse (z.B. für Bananen). Auch die Kaffeekasse lief darüber.

Diese Kasse zog ich ein, damit nur noch in den zugewiesenen Geschäften gegen Rechnung gekauft werden konnte. Es stellte sich heraus, daß es der Verkaufsstellenleiterin im Geschäft Hornig sogar lieber war, wenn wir auch die Milch gegen Rechnung bezogen. Jetzt erhielten wir auch exakte Aufstellungen, nicht einen Zettel mit der Aufschrift „diverse Fleischwaren“ oder ähnlich.

Durch die Einstellung von Evelyn Reumschüssel konnten wir nur gewinnen. Wenn Andrea Gießler ausscheiden würde, könnten wir verhindern, daß ab September dann zwei Schulkinder in der Küche sitzen. Jetzt behauptete sie auf einmal, ich hätte ihnen verboten, zwischendrin einmal eine Tasse Kaffee zu trinken. Schließlich hieß es sogar, sie dürften auch nicht Mittagspause machen, den einen Tag nahmen sie das Essen im Stehen ein. Dabei habe ich nie über solche Dinge mit den Küchenfrauen gesprochen.

Man muß dazu wissen, daß alle Angestellten in der Kirchengemeinde Steinbach-Hallenberg (angeblich) ohne Pause durcharbeiten. Das ist niemals angeordnet worden, ist auch gegen die Vorschriften und vom Arbeitsablauf her nicht erforderlich. Im Gegenteil: Weil die Küchenfrauen schon 15.15 Uhr gingen, blieb der Abwasch vom Nachmittagskaffee des Kindergartens stehen (der sollte während der Zubereitung des Abendbrots gemacht werden). Tatsache war auch, daß schon früh Kaffee getrunken wurde, manchmal länger als eine halbe Stunde. Dagegen wäre auch nichts zu sagen gewesen, wenn nicht immer wieder geklagt worden wäre, die Arbeit sie nicht zu schaffen.

Früher, als Frau Minna Wahl, Anna Gerlach und Minna Reumschüssel in der Küche arbeiteten, wurde die Arbeitszeit dem Bedarf angepaßt. Die geleisteten Stunden wurden in ein Buch geschrieben und mit der Kirchenkasse abgerechnet. Das war von Vorteil für die Kirchengemeinde, denn bei wenig Arbeit gingen die Angestellten, aber am Wochenende schaffte eine Kraft allein in neun Stunden alles (unter Gießlers wurden dazu bis zu 16 Stunden, verteilt auf zwei Kräfte, aufgeschrieben). Früher war es möglich, mit zweieinhalb Kräften alle Arbeit einschließlich Abendbrot und Wochenende abzudecken. Jetzt wurden dazu dreieinhalb Kräfte gebraucht. Oft wurde die Zeit aber nur abgesessen, um auf die 8¾ Stunden täglich zu kommen.

Man war aber nie zu Überstunden (bzw. einer Verlagerung der Arbeitszeit) bereit; als einmal Freitag noch spät eine Gemüselieferung kam, hat man sie verkommen lassen, anstatt sie noch zurechtzumachen und einzufrieren (es hatte ja unbedingt eine Gefriertruhe hergemußt). Außerdem wurde die Zeit nicht ehrlich aufgeschrieben, mehrfach eine bis eineinhalb Stunden mehr.

Da war es ehrlicher, eine feste Arbeitszeit zu vereinbaren, während der alle anwesend sein mußten und auch die Arbeit schaffen mußten. Dann mußte nur noch der Wochenenddienst aufgeschrieben werden und wann dieser „abgebummelt“ wurde. Aber es ging immer noch durcheinander: Wenn einer fehlte, bummelte er angeblich ab, aber nachher wurde es wieder in „Urlaub“ umdeklariert (und umgedreht), aber auf der Kirchenkasse war kein Urlaub gemeldet. Doch „Überhangstunden“ sollten nur abgebummelt werden, wenn keine Rüstzeit ist. Doch man machte, was man wollte, fehlte wie man wollte und die Kirchenkasse wußte nicht Bescheid.

So war auch der Zustand der ganzen Kirchengemeinde. Nach wie vor wurde Rüstzeitessen an Angestellte (und deren Kinder) ausgegeben; einen Tag blieb Kindergartenessen übrig, während acht Rüstzeitgäste unversorgt blieben bzw. Brot essen mußten. Die Totengräber suchten immer wieder Gräber aus, die ihnen gar nicht angewiesen worden waren; die Kirchenkasse hatte einer Familie zugesagt, daß ein Grab für sie reserviert wird, aber plötzlich war es von den Totengräbern belegt; niemand wollte glauben, daß sie nicht auf Anweisung gehandelt hätten.

Das sind nur Beispiele, wie die Arbeit in der Kirchengemeinde immer wieder erschwert wurde. Eigenmächtigkeiten und Böswilligkeiten mußten immer wieder eingedämmt werden. Die Ursache lag vor allem darin, daß neue Leute nicht mehr die Auffassung von ihrem Beruf hatten wie noch die älteren Mitarbeiter der Kirchengemeinde. Die hätten nicht einmal dem Pfarrer widersprochen, wenn er unrecht gehabt hätte. Hier aber suchte man bewußt Widerspruch und führte Beschwerden, obwohl man im Unrecht war. Leider wurde ihnen von Verantwortlichen zugestimmt mit dem Argument: „Wenn man alles laufen läßt, ist das der einfachere Weg. Lieber die Augen zumachen, aber Ruhe haben!“

Mit der Kündigung von Andrea Gießler ging es dann schnell. Voraus ging ein Gespräch zwischen ihr und meiner Frau in der Tür zur Küche des Gemeindehauses. Meine Frau fragte, weshalb die Kinder der Familie Gießler nicht zur Christenlehre kommen; so ist es ihre Pflicht, so tut sie das auch bei anderen Leuten, Die Antwort war: „Die gehen zur Landeskirchlichen Gemeinschaft; das reicht, dort gefällt es ihnen besser!“ Meine Frau bemerkt, daß sie dann Pfarrer Peters als den zuständigen Pfarrer benachrichtigen muß.

Schon im Gehen sieht meine Frau, wie Frau Gießler in Richtung auf die beiden anderen Köchinnen eine abfällige Bewegung macht; ob sie damit einen Vogel zeigen wollte, läßt sich nicht genau sagen. Meine Frau drehte sich noch einmal herum und sagte: „Frau Gießler, können Sie es nicht lassen, andere aufzuwiegeln?“ Frau Gießler schrie: „Das müssen Sie gerade sagen!“

Auf dem Heimweg wurde meine Frau kurz vor der Erbstalbrücke von Herrn Horst Gießler, dem Mann von Andrea, eingeholt. Er fuhr dicht neben ihr mit dem Fahrrad, drängte sie immer mehr auf die Seite, erst nach rechts, dann nach links. Er rief: „Wenn Sie meine Frau nicht in Ruhe lassen, passiert ein Unglück. Mit meinem Vater haben Sie es schon so gemacht. Ich schlage Sie zusammen. Sie können froh sein, wenn ich ihnen nicht auf die Fresse schlage. Es passiert ein Unglück, das können Sie wissen. Ich werde Sie am besten gleich zusammenschlagen!" Meine Frau blieb stehen und sagte: „Tun Sie es doch!“ Darauf Herr Gießler: „Sie blöde Kuh, ich poliere Ihnen gleich die Fresse!“ Passanten wurden aufmerksam. Meine Frau sprach zwei Urlauber wegen Hilfe und als Zeugen an, aber sie wollten nicht hineingezogen werden.

Vier Tage später, am 15. September, zog Herr Polte während der Kirchenvorstandssitzung die Kündigung von Andrea Gießler heraus. Wieder hatte sich ein Kirchenvorsteher dazu hergegeben, nicht den normalen Weg zu gehen, hatte auch den geschäftsführenden Pfarrer nicht vorher unterrichtet, sondern half mit, Stimmung zu machen (er ist Pate von Andrea Gießler).

In der Kündigung hieß es nach bewährtem Muster: „Da ich die Mitarbeiter, laut Frau Heckert, sowieso nur verhetze und Unruhe hervorrufe, bitte ich auf die Kündigungsfrist zu verzichten!“ Damit kam sie nur einer Kündigung durch den Kirchenvorstand zuvor.

Dennoch behauptete Frau Jäger wieder, meine Frau habe gesagt: ,,Wann hören sie endlich auf?“ Doch das wäre völlig unmotiviert gewesen, so zu fragen. Diese Sache ging meine Frau nichts an, sie bezog sich nur auf die Handbewegung von Frau Gießler. Diese wird den zweiten Teil des Satzes gar nicht mehr richtig mitgekriegt haben: „Wann hören sie auf, andere Leute aufzuhetzen?!“ Das ist etwas anders als: „Wann hören sie auf zu arbeiten?“ Jedenfalls wurde der Wortlaut, wie ihn meine Frau wiedergegeben hat, von den Zeugen aus der Küche bestätigt.

Frau Jäger verplapperte sich dann, als sie sagte: „Frau Heckert lief ja so schnell. Horst wollte ja nur mit ihr reden. Aber sie lief immer schneller. Da hat er dann das Rad quergestellt!“ Tatsache ist, daß er von Anfang an gebrüllt hat. Meiner Frau war das peinlich und sie wollte fortkommen.

Die Kündigung zitiert ja auch genau das, was gesagt wurde: „......da ich die Mitarbeiter nur verhetze!“ Es steht nichts davon da, daß ihr nahegelegt worden sei zu gehen. Der Kirchenvorstand nahm die sofortige Kündigung bei vier Enthaltungen an. Daraufhin verzichteten wir auf eine Anzeige bei der Polizei, denn die Kündigung war das Eingeständnis. Eine Menge schwieriger Dinge für die Kirchengemeinde war damit gelöst. Die neuen Kräfte waren ja da.

 

,,Maßnahmen“ des Dekanatssynodalvorstandes:

Auf der Frühjahrssynode 1986 wurde Pfarrer Bunge in Trusetal beauftragt, sich mit der Situation in Steinbach-Hallenberg zu befassen. Zusammen mit dem Dekan nahm er an Sitzungen des Kirchenvorstandes teil und führte etwa 20 Einzelgespräche. Auf Grund seines Berichtes, der positive und negative Dinge aufführte, wurde ich am 1. September 1986 zur „Urteilsverkündung“ nach Floh bestellt. Dekan Schreiber, Pfarrer Hoffmann, Pfarrer Peters und Pfarrer Bunge waren zugegen.

Der Dekanatssynodalvorstand hatte als Maßnahmen beschlossen:

l. Die Geschäftsführung des Pfarramts geht an Pfarrer Peters über

2. Ein „Laie“ wird zum Vorsitzenden des Kirchenvorstandes gewählt

3. Altersbach und Rotterode führen getrennte Sitzungen durch.

Das sollte alles sein, war aber nur eine einseitige Schuldzuweisung, denn an den sachlichen Problemen wurde nichts geändert. Es wurde mir sogar ausdrücklich die Schuld zugeschoben, denn ich hätte die Ansätze zur Besserung verwischt, indem ich immer wieder Öl ins Feuer gegossen hätte. Als ich nach einem konkreten Beispiel fragte, nannte man aber nur das Übergabeprotokoll über die Hausmeisterwohnung, das überflüssig gewesen sei.

Ich übergab ein Protokoll über die Dinge, die sich seit August wieder ereignet hatten und auf die nach meiner Ansicht eine Reaktion erfolgen sollte. Ich betonte, daß ich immer nur reagiert habe. Wenn nichts vorgefallen wäre, hätte ich auch nichts zu sagen brauchen. Herr Bunge sagte mehrfach, daß er auch dieses oder jenes nicht billige (wenn Herr Gießler Weisungen nicht befolgt oder wenn man offen erklärt, die Vertraulichkeit im Kirchenvorstand nicht wahren zu wollen). Aber Folgerungen wurden daraus nicht gezogen.

Nun war allerdings sowieso vorgesehen, daß die Geschäftsführung turnusmäßig wechselt. Am 1. September waren die üblichen sechs Jahre herum. An sich hätte man schon bei der Neuwahl des Kirchenvorstandes wechseln können. Aber Herr Peters war noch zu neu, so daß vereinbart wurde, erst nach drei Jahren zu wechseln, aber Herr Peters sollte dann auch sechs Jahre machen. Das hatte ich auch schon vorher dem Dekan mitgeteilt (den Brief hat er übrigens im Dekanatssynodalvorstand verlesen, obwohl ich ihn um Vertraulichkeit gebeten hatte; aber er war der Meinung, solche Dinge bedürften nicht der Geheimhaltung). Die jetzt angeordneten „Maßnahmen“ gingen ins Leere.

Das Gleiche trifft für den Laienvorsitz zu. Dafür bin ich immer gewesen, hatte auch zweimal einen Anlauf dazu genommen, aber es hatte sich niemand dazu bereiterklärt. Diese Maßnahme richtete sich mehr gegen Pfarrer Peters, weil man ihm unterstellte, er schaffte diese Aufgabe nicht.

Ich dagegen erklärte, ich würde auch weiterhin eine Lüge als Lüge bezeichnen, ich würde das sogar noch entschiedener tun, wenn ich nicht mehr Vorsitzender wäre. „Ich lasse mir nicht den Mund verbieten!“ Aber im Kirchenvorstand würde ich mich gegenüber Herrn Peters ruhig verhalten, so wie er es auch meist getan hat.

Die Abkopplung der Kirchenvorstandsmitglieder aus Altersbach und Rotterode wäre rechtlich problematisch. Dazu hätten die Dörfer erst zu Filialorten werden müssen, um einen eigenen Kirchenvorstand bilden zu können. Damit wollte man ihnen die Verantwortung für die Steinbacher Dinge abnehmen, die sie nicht so interessierten. Aber man wollte auch die ausschalten, die mir in der Regel geschlossen beihielten.

In dem Gespräch war immer wieder die Rede davon, daß ich mich ändern müsse, bei den an­deren sei nichts zu verändern. Sie meinten, sie könnten mich noch zurechtbiegen, nun nicht mehr nur die Angestellten, sondern auch die Pfarrer. Sie forderten mich auf: „Sehen Sie doch einmal, wie das überall gemacht wird - auch in der Kirche!“ Aber das war es ja gerade, womit ich mich nicht abfinden konnte. Als ich sagte: „Ich werde nie gutheißen, daß Angestellte ihre Kinder ohne Bezahlung mitessen lassen!“ da antwortete der Dekan nur: ,,So eine Kleinigkeit!“ (immerhin über 1.000 Mark im Jahr).

Aber mit dem Recht stand der Dekanatssynodalvorstand einmal mehr auf Kriegsfuß. Er hat ja eine Disziplinarmaßnahme ergriffen, ohne daß ein Disziplinarverfahren durchgeführt wurde und ohne daß ich mich vorher dazu äußern konnte. Man hat gleich ein Urteil gefällt und angeordnet. Die Verfügung des Wechsels der Geschäftsführung ist im Amtszuchtgesetz von 1966 ausdrücklich als Maßnahme vorgesehen, kann also nur in einem solchen Verfahren (mit Anhörung von Zeugen und Rechtsbeistand) erfolgen.

Doch der Dekan meinte: Es handelt sich nicht um ein Disziplinarverfahren, denn es sei mir ja nichts vorzuwerfen. Es handelt sich um einen Beschluß des Dekanatssynodalvorstandes, der Vollmacht von der Synode habe; er könne das Gleiche verfügen, was sonst nur durch ein Disziplinarverfahren möglich ist. Hier wurde als pseudo-juristisch gehandelt, anstatt zuerst einmal das Gespräch zu suchen und die Sache ,,brüderlich“ zu behandeln, wie man sonst so gern sagt.

Im Gegenteil: Dieses Vorgehen bezeichnete man als ,,brüderlich“, aber man drohte, man könne auch juristisch vorgehen. Dabei täte juristische Sachlichkeit der Kirche viel besser als eine sogenannte „Brüderlichkeit“, die zu viel tieferen Verletzungen führt (wie uns einige Zeit vorher ein Referent auf einem Pastoralkolleg ausführte).

Die Logik des ganzen Gesprächs war: Ein ,,gedeihliches Wirken“ von Pfarrer Heckert ist nicht mehr möglich. Schon hier tauchte dieser Ausdruck auf; man merkte, wie sehr Frau Jäger über Pfarrer Hoffmann in den Kirchenvorstand wirken konnte. Wenn der Wechsel in der Geschäftsführung nicht hilft, dann muß überlegt werden, ob beide Pfarrer auf der richtigen Pfarrstelle sind.

Nun sollte auf einmal ein Gegensatz zwischen den beiden Pfarrern konstruiert werden. Auf so etwas hat man schon immer gelauert, gerade im Kreise der anderen Pfarrer. Aber Pfarrer Peters erklärte auf Befragen: Wenn Pfarrer Heckert nicht einverstanden ist, übernehme ich die Geschäftsführung nicht! Dabei ging es ihm zunächst einmal darum, der undankbaren Mehrarbeit zu entgehen; aber immerhin war er der erste, der auch einmal nach mir gefragt hat.

Er meinte, jetzt wo der Karren im Dreck stecke, könne er ihn auch nicht herausziehen. Vor allem behauptete er, es seien keine Arbeitskräfte da. Doch da konnte ich darauf verweisen, daß am 1. September 1986 alle Stellen besetzt waren und der Abgang von fünf Leuten verkraftet war, denn der neue Hausmeister hatte gerade sein Kommen angekündigt.

Besonders durchtrieben fand ich es, daß man nun nachträglich noch meine Zustimmung zu den „Maßnahmen“ haben wollte: Ich sollte mich nicht nur äußerlich fügen, sondern auch innerlich zustimmen und noch dankbar dafür sein, daß mir so geholfen wurde. Theologisch gesprochen: Ich sollte meine Schuld bekennen, dann würde mir auch Vergebung gewährt und ich wieder in die Gemeinschaft aufgenommen.

Doch schon das Wort „Maßnahmen“ hat in der Kirche nichts zu suchen, es ist aus dem Wortschatz der Nazis. Maßnahmen kann man nur über sich ergehen lassen. Sie auch noch innerlich bejahen zu sollen, ist psychologischer Druck, der einer christlichen Gemeinde unwürdig ist.

Doch kaum war meine „Absetzung“ verkündet, wurde mir von Herrn Bunge mitgeteilt, daß ich weiterhin amtierender geschäftsführender Pfarrer sei, bis der Termin der Übergabe bestimmt sei. Am Mittwoch wiederholte er das noch einmal in scharfer Form in Gegenwart anderer Mitglieder des Pastoralkollegs, ich würde mir sonst Ärger einhandeln. Es war wirklich etwas sonderbar.

Nun wollte ich mir natürlich nicht noch nachträglich etwas zuschulden kommen lassen. Aber mit den Unterschriften unter die Zahlungsanweisungen hatte es wirklich noch Zeit, die wurden sowieso immer erst nachträglich gegeben. Ansonsten lag nichts zum Entscheiden an bzw. jede Entscheidung hätte verschoben werden müssen, nachdem ich doch bisher alles falsch gemacht hatte. Das ist schon komisch, wenn man wegen erwiesener Unfähigkeit abgesetzt wird und zwei Stunden später wieder „amtierend“ eingesetzt wird und für alles verantwortlich sein soll.

Mit dem ganzen Verfahren wollte man – bildlich gesprochen - das Immunsystem ausschalten, damit die Krankheit nicht mehr angezeigt wird. Weil ein Arzt gesagt hatte: „Da ist etwas krank, wenn ihr nicht etwas dagegen tut, wird der ganze Körper daran kaputtgehen!“  wollte man zu einem anderen Arzt gehen, der nicht so verantwortlich ist.

Wenn man aber nach dieser Logik gehen wollte, dann hätte sich auch der Dekan als unfähig erwiesen. Er hat es ja auch nicht verstanden, mit Pfarrer Hülsemann auszukommen und sich oft mit Pfarrer Bunge auseinandergesetzt, von mir ganz zu schweigen. Er hat sich ja mit der ganzen Pfarrkonferenz angelegt, als es um die Besetzung einer Pfarrstelle in Schmalkalden ging, die er für seinen Sohn freigehalten hat. Aber man kann es ihm doch nicht vorwerfen, wenn sich die Pfarrer oder auch nur einzelne von ihnen querlegen. Aber das war die Taktik von Frau Jäger: Immer neue „Fälle“ schaffen, damit es keine Ruhe gibt. Dann zeigt man auf den Sündenbock, der immer allein daran schuld sein soll, denn den hat man eher in der Hand als eine Gruppe.

Genauso kann kein Vorsitzender des Kirchenvorstandes etwas dafür, wenn z.B. Herr Gerhard Huhn sich so ungebührlich benimmt, daß ein Mitglied den Antrag stellt, ihn von der Sitzung auszuschließen. Da dann man dem Vorsitzenden doch nicht vorwerfen, er sei unfähig, die Sitzung zu leiten. Man darf dabei doch nicht vergessen, daß die meisten sich ja ordentlich verhalten und es mit ihnen keine Schwierigkeiten gibt.

Das galt auch für das Verhältnis Pfarrer und den Angestellten: Nach dem Ausscheiden der Familie Gießler gab es da nichts mehr, selbst mit dem Kindergarten ging es in der Regel. Erst nachher gab es mit Ute König wieder Schwierigkeiten, weil sie Gießlers damit einen Gefallen tun wollte.

Ich bat den Dekanatssynodalvorstand darum, nicht öffentlich zu verkünden: „Das war kein turnusmäßiger Wechsel, sondern wir haben ihn abgesetzt!“ Wenn es einen Neuanfang geben soll, darf keiner das Gesicht verlieren. Mir hätte schon eine Formulierung genügt wie: „Der Dekanatssynodalvorstand hat dem Wunsch von Pfarrer Heckert entsprochen!“ Aber von der Sache her hätte auch genügt: „Der Dekanatssynodalvorstand nimmt davon Kenntnis, daß die Geschäftsführung gewechselt hat. Er schlägt vor, einem Laien den Vorsitz im Kirchenvorstand zu übertragen!“

Doch in der Kirchenvorstandssitzung am 15. September sagte der Dekan ausdrücklich: „Ab sofort (!) ist ein Wechsel in der Geschäftsführung vorzunehmen. Der Dekanatssynodalvorstand ist in der Lage, solche Maßnahmen zu ergreifen. Normalerweise zieht man zu so etwas einen Juristen heran. Aber wir wollen das unter uns regeln. Ich habe zwei Juristen befragt. Die haben gesagt: Das ist die einzig richtige Maßnahme, wenn man ein Disziplinarverfahren vermeiden will!“

Natürlich ist es immer besser, ein Verfahren zu vermeiden. Aber ob die Juristen auch so geurteilt hätten, wenn sie den ganzen Sachverhalt gekannt hätten? Der Dekan fuhr dann fort: „Allerdings geschieht die Maßnahme ohne Schuldzuweisung. Schuld ist immer auf beiden Seiten, so wie in der Ehe oder Familie. Pfarrer Heckert hat den Wechsel sowieso vorgehabt, aber auch ohne das wäre es so von uns ausgedrückt worden. Hiermit wird aber keinerlei Strafmaßnahme vorgenommen!“

Doch das ist natürlich ein Widerspruch: Es wurde ganz allein etwas gegen mich unternommen, wie soll man das nicht als Strafmaßnahme verstehen? Außerdem ging es nicht darum, ob ich bereit war, zu übergeben oder nicht, sondern von der Ordnung der Gemeinde (und Kirche) her war das einfach so erforderlich; deshalb war es nicht nötig, ausdrücklich zu betonen: Wir haben ihn abgesetzt, er ging nicht turnusmäßig. Im Protokoll wurde dann festgehalten: „Maßnahmen, die ohne Zuweisung von Schuld zum Wohle aller sein sollen!“

Pfarrer Peters meldete sich mit einer längeren schriftlichen Erklärung zu Wort: Der Kirchenvorstand müsse erst darüber entscheiden, ob ein Pfarrer das Recht hat, sich der Verantwortung zu entziehen, denn es liegt eine lange Liste nicht erledigter Aufgaben vor. „Unter diesen Umständen bin ich nicht bereit, die Geschäftsführung zu übernehmen. Mit dem Schreiben vom 20. August wollte Pfarrer Heckert nur den vermuteten Maßnahmen zuvorkommen. Pfarrer Hoffmann hat dazu schon in Floh gesagt: Das ist wieder so ein geschickter Schachzug von Pfarrer Heckert!“ Wieder wurde etwas zitiert aus einem als vertraulich erklärten Brief. Da braucht man sich nicht darüber zu wundern, wenn Kirchenälteste sich auch nicht an die Vertraulichkeit halten.

In einem Pfarramt gibt es immer eine lange Liste unerledigter Dinge. Die Liste sollte nur eine Hilfe für Herrn Peters sein. Sie enthielt Dinge, die sich eben nicht sofort erledigen ließen. Herr Peters aber verlangte, daß erst alles erledigt sei und auch erst die Jahresrechnung abgeschlossen sei. Ab 1. Januar 1987 wolle er dann die Geschäftsführung übernehmen. Schließlich wies er noch auf seinen Gesundheitszustand hin und verwies auf Bandscheibenschaden und ein defektes Hörgerät.

Der Dekan verwies aber darauf, daß ein Pfarrer bei Übernahme eines Pfarramtes oder bei Neuwahl eines Kirchenvorstandes die Geschäftsführung übernehmen muß. Herrn Peters habe man nur eine Einarbeitungszeit gelassen. Eine Übernahme ist zumutbar, aber es muß eine ge­ordnete Übergabe erfolgen.

Dazu war ich natürlich sofort bereit, es war alles vorbereitet. Aber ich war nicht bereit, noch weiter die Heizung im Gemeindehaus zu besorgen, nachdem ich abgesetzt worden war. Dennoch wurde im Kirchenvorstand noch abgestimmt, ob ein Wechsel in der Geschäftsführung vorgenommen wird (bei einer Gegenstimme von Herrn Holland-Cunz), obwohl das durch Kirchengesetz geregelt ist und gar nicht im Belieben des Kirchenvorstandes liegt.

Dann ging es um den Vorsitz im Kirchenvorstand. Der Dekan wollte dafür einen „Laien“, also jemand, der nicht Pfarrer ist. Das wäre eine Hilfe für Pfarrer Peters, denn die Last und die Verantwortung werde auf zwei Schultern verteilt. Herr Erich Nothnagel meinte, das dürfe für einen Pfarrer kein Problem sein, diese Aufgabe zu übernehmen. Herr Bühner meinte, für einen Laienvorsitzenden sei die Aufgabe zu umfangreich, das könne man nicht nebenher machen. Herr Marr vermißte die Bereitschaft zur Einarbeitung, obwohl ich doch gesagt hatte, daß ich für Rückfragen und Erläuterungen zur Verfügung stehe.

Es wurde dann Meinungsforschung betrieben, wer Laienvorsitzender werden sollte. Bei der Abstimmung haben vier Mitglieder den Namen „Peters“ auf den Zettel geschrieben; diese Stimmen wurden für ungültig erklärt. Nothnagel wurde achtmal genannt, Holland-Cunz viermal, dazu noch andere.

Jetzt erst wurden die Erstgenannten gefragt, ob sie kandidieren wollen. Ich wollte die Sache an den Dekanatssynodalvorstand zurückverweisen. Der Dekan aber drohte wieder mit Auflösung des Kirchenvorstandes (,,Aber das soll keine Drohung sein!“) und sagte: ,,Der Dekanatssynodalvorstand wird von seinem Beschluß nicht abgehen!“

Eine Abstimmung ergab dann 8 Stimmen für Überweisung an die Kirchenväter, 9 Stimmen für Überweisung an den Dekanatssynodalvorstand. Der Dekan drohte noch einmal: „Sie übersehen die Folgen nicht......Es muß hier weitergehen, und es wird hier weitergehen!“ Er war so ärgerlich, weil er mit all seinen Maßnahmen nicht zum Zug gekommen war: Herr Peters wollte die Geschäftsführung nicht übernehmen, es fand sich kein Laie für den Vorsitz und den dritten Punkt hat er gleich fallen lassen (Abkopplung der Dörfer). Alle drei Punkte waren mehr oder weniger ungesetzlich.

Natürlich ist eine Lösung unterhalb des Disziplinarverfahrens besser, aber das setzt gegenseitiges Einvernehmen voraus. Das wurde hier aber nicht gesucht, sondern gleich angeordnet. Daß es sich um eine Strafmaßnahme handelte, wurde noch einmal deutlich, als der Dekan sagte: „Wir hätten auch so entschieden, wenn Pfarrer Heckert nicht einverstanden gewesen wäre!“

Kein Kirchenvorstand kann gezwungen werden, einen Laienvorsitzenden zu wählen, noch dazu mit der Drohung, im Falle der Weigerung den Kirchenvorstand aufzulösen. Wenn der Dekan damit nach Eisenach gegangen wäre, hätten die gesagt: „Was habt ihr denn da für Sonderregelungen, in Thüringen ist immer der Pfarrer der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates und dieses Recht gilt auch bei euch“ (Der Laienvorsitz wurde erst später - auf Vorschlag unsres Sohnes - in der Synode eingeführt).

Dennoch meinte der Dekan auf der Pfarrkonferenz am 17. September: „Wenn ein Jurist die Sache in die Hand nimmt, gibt es ein Disziplinarverfahren Ansatzpunkte dafür sah er darin, daß ich zur letzten Kirchenvorstandssitzung das Protokollbuch nicht mitgebracht habe (ich war ja nicht mehr Vorsitzender), daß ich auf der Einladung geschrieben hatte „nach erfolgtem Wechsel in der Geschäftsführung“ (was man auch so verstehen kann: wenn der Wechsel erfolgt ist, soll auch der Vorsitz im Kirchenvorstand wechseln) und daß ich Andrea Gießler in Eisenach abgemeldet hatte, damit sie keine Sonderzuwendungen (=harte Währung) mehr erhält („Die Drohung mit der Sonderzuwendungen-Sache ist unmoralisch!“, Originalton des Dekans).

Diesen Punkt nahm Pfarrer Hoffmann zum Anlaß, aus dem Gespräch am 1. September in Floh zu erzählen, und zwar genau den Punkt wiederzugeben, wo er hochheilig versprochen hatte, „wir sind ja unter uns, es erfährt niemand“. Aber was er ausplauderte, war auch noch falsch wiedergegeben. Angeblich hätte ich gesagt: „Ich habe wegen Frau Gießler nach Eisenach geschrieben, damit es mit der Kündigung schneller geht!“ In Wirklichkeit hatte ich gesagt: „....damit es bei der Kündigung bleibt!“ (Sie war ja längst erfolgt, aber ich vermutete sehr richtig, daß sie sich das noch überlegen wird, nicht zuletzt wegen dieser „Sonderzuwendungen“).

Der Dekan wollte den Gang nach Eisenach vermeiden, damit man nicht sagen konnte: Seht ihr, ohne uns kommt ihr nicht aus! Mir lag auch nichts an der Einbeziehung Eisenachs, denn durch solche Dinge gibt man nur Außenstehenden ein Mitspracherecht. Aber dann muß auch auf der örtlichen Ebene alles ordentlich zugehen. Der Dekan Schreiber aber wollte nicht nur oberster Theologe, sondern auch oberster Finanzchef (davon hat er noch die meiste Ahnung) und oberster Jurist sein.

Hier macht sich das Fehlen eines Kreiskirchenamtes (oder Rentamtes) negativ bemerkbar, denn dadurch wäre in den „weltlichen“ Dingen ein Gegengewicht zu dem Dekan gegeben. Da das Dekanat keinem Kreiskirchenamt unterstellt ist, sollte ja der Landeskirchenrat als Kreiskirchenamt wirken. Wenn man ihn wegen einer Verwaltungssache angeht, ändert das nichts am „Status“ des Dekanats, eine juristische Beratung und auch juristisches Handeln des Landeskirchenrates sind im Anschlußvertrag ausdrücklich vorgesehen.

Das war ja gerade das Argument für den Anschlußvertrag: Wir müßten eine übergeordnete Stelle haben, an die wir uns wenden könnten zum Zwecke der Überprüfung. Wenn der Dekan jetzt verlangt, wir dürften diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen, macht er sich zum Alleinherrscher.

Auch Herrn Horst Gießler wußte er zu entschuldigen: Man dürfe nicht vergessen, was vor­ausgegangen sei, er sei ja gereizt worden, meine Frau hätte gar nicht nach der Christenlehre fragen dürfen. Doch das gehört zu ihren Aufgaben, das hat sie bei allen Eltern so gemacht, auch bei den kirchlichen Angestellten. Auch die Woche vorher hatte sie schon Frau Gießler an die Christenlehre erinnert, ohne daß diese etwas gesagt hätte in Richtung darauf, daß das Kind nicht mehr kommen sollte. Sie waren auch zum Familiengottesdienst. Es war gar nicht zu erwarten, daß so eine Reaktion erfolgen würde, man mußte lediglich annehmen, daß es vergessen worden sei und man daran erinnern müsse. Doch der Dekan hat unbesehen die Behauptung der Frau Jäger übernommen, meine Frau hätte gesagt: „Wann gehen Sie endlich?“  (=wann hören Sie an Ihrer Arbeitsstelle auf?).

 

In der Sitzung am 29. September wurde Herr Erich Nothnagel, Hauptstraße 100, zum Vorsitzenden des Kirchenvorstandes gewählt. Verpflichtet auf sein Amt wurde er nicht. Ich bat noch darum, daß eine klare Abgrenzung der Aufgaben des Vorsitzenden des Kirchenvorstandes und des geschäftsführenden Pfarrers zu geben. Der Dekan sagte gleich zu, daß der Dekanatssynodalvorstand das tun werde. Ich hatte dazu einen Vorschlag gemacht, der aber nie zum Zug kam. Kein Dekanatssynodalvorstand, kein Landeskirchenrat in Eisenach und kein Landeskirchenamt in Kassel konnten oder wollten dazu Auskunft geben. Immer hieß es: Darüber muß man sich in der Praxis einigen. Hier aber wurden schon die Weichen falsch gestellt. Das war die Ursache aller späteren Übel.

Immerhin erhielt ich die Gelegenheit, einigen Gerüchten entgegenzutreten, die Kirchenälteste in die Partnergemeinde Jestädt Kreis Eschwege getragen hatten: Der Vervielfältigungsapparat war nicht von mir an Herrn Peters herauszugeben, weil er mein alleiniges Eigentum war, für 700 DM von meiner Mutter über Genex gekauft, auch alles Material und alle Reparaturen wurden von mir bezahlt, obwohl ich ja fast nur für die Kirchengemeinde vervielfältigte. Dann war dem Gerücht entgegenzutreten, der Kirchenvorstand habe sich gespalten. In Wahrheit sind einige ausgetreten und es gibt eine zahlenmäßig unterlegene Opposition, die aber nur auftrat, wenn es um den ehemaligen Hausmeister und seine Familie ging.

Bei dieser Gelegenheit kam in Jestädt zum ersten Mal zur Sprache, was uns viel Neid in Steinbach-Hallenberg eingebracht hat. Es hieß: Von den beiden Pfarrern muß einer gehen. Da aber Pfarrer Heckert ein privates Haus hat, wird das Pfarrer Peters sein müssen. Falsch ist hierbei, einen Gegensatz zwischen den Pfarrern zu konstruieren; das hat jahrhundertealte Tradition, war aber nicht das Problem. Aber in gewisser Hinsicht war es ein Fehler, in Steinbach-Hallenberg als Pfarrer ein Haus zu bauen. Das steht einem Pfarrer nicht zu, das hatten wir noch nie, das ruft Neid hervor, besonders bei denen, die es noch nicht so weit gebracht haben.

Mit dem Hausbau haben wir die günstige Gelegenheit ergriffen, als kinderreiche Familie billige und ausreichende Kredite zu erhalten, um unsre Wohnsituation zu verbessern. Das Pfarrhaus wurde zwar 1967 (dank meiner tatkräftigen Hilfe) zu einem wahren „Schlößchen“ ausgebaut, wie es damals der Dekan sagte. Aber es war in ihm kein Platz für unsre Tochter, die auch mit fünf Jahren noch bei den Eltern schlafen mußte.

Das Unterstädter Pfarrhaus in Steinbach-Hallenberg war das einzige Einfamilienhaus im Dekanat, in dem noch eine zweite Familie wohnte. Die Kantorwohnung sollte auf Dauer so bleiben, denn als Ausgleich waren ja Räume unter dem Dach ausgebaut worden. Doch diese bezeichneten die Kindergärtnerinnen als ,,dunkles, kaltes Loch“, wo man ihnen nicht zumuten könne zu wohnen.

In über zwei Jahrzehnten war die einzige Verbesserung ein Kachelofen, durch den wir erst das Kinderzimmer heizen konnten. Als im Amtszimmer der Kachelofen über Nacht eingefallen war und durch einen untauglichen Stubenofen ersetzt wurde, hat der Kirchenvorstand das fehlende Stück Fußbodenbelag durch ein Stück ausgebessert, das in einem anderen Haus herausgerissen worden war.

Fast alle Fußböden mußten jeden Tag gebohnert werden. Wir hätten hier privat investieren müssen. Da wollten wir es lieber wirklich ganz privat tun. Der Hausbau diente in erster Linie der Verbesserung der eigenen Lebensverhältnisse. Aber er kam auch der Kirchengemeinde zugute, denn nun war ausreichend Platz für die Kantorfamilie und zwei Kinderdiakoninnen, die dringend gebraucht wurden.

Das private Haus gab uns aber auch – wie sich später dann herausstellte - eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Gemeinde und Kirche. So konnten wir jederzeit aus dem kirchlichen Dienst ausscheiden, ohne eine Dienstwohnung zu blockieren. Wir machten die Dienstwohnung mit dem Tag des Ausscheidens frei, während das Oberstädter Pfarrhaus blockiert blieb. Aus dem Unterstädter Pfarrhaus mußte sogar der Kantor umgehend ausziehen, weil nun auf einmal das ganze Haus für einen Pfarrer gebraucht wurde (der aber trotzdem wieder absagte).

Schließlich noch ein drittes Gerücht: „Pfarrer Heckert kriegt immerzu West-Pakete aus der Partnergemeinde, da hat er sich ganz schön daran gesundgestoßen!“ Tatsache ist, daß wir verhältnismäßig viel Westpakete erhalten haben (ohne die Unterstützung aus dem Westen hätten wir kein Haus bauen können). Aber die kamen ausschließlich von privaten Absendern, aber ihr Inhalt ging zum Teil in die Gemeinde (Kleidung, Geschenke für Christenlehrekinder).

Die Partnergemeinde hat 1985 den Motor für die Orgel in Altersbach finanziert, im Jahre 1986 die Wasserhähne und Abwasserrohre für das Gemeindehaus und die Sträußchen für die Goldene Konfirmation, mehr war nicht drin. Auch bei meinen Besuchen in der Partnergemeinde habe ich bewußt nichts mitgenommen und auch alle Fahrtkosten selbst bezahlt. Alle Kaffeepäckchen für Handwerker, Angestellte und Gemeindeglieder wurden privat von mir finanziert, dazu manches andere.

 

In den Kirchenvorstandssitzungen war es jetzt oft so, daß ganz wichtige Dinge unter „Ver­schiedenes“ erst auftauchten, während die anderen Punkte oft unwichtig waren. Es wurden Dinge verhandelt, die der Pfarrer hätte allein bewältigen müssen. Jetzt entstand die groteske Situation, daß Herr Peters immer wieder Herrn Nothnagel fragte nach Dingen, die Herr Nothnagel nicht wissen konnte, aber ein Pfarrer hätte wissen müssen. Herr Nothnagel aber hat freudig entschieden, z.B. daß Arbeitsverträge auch vom Pfarrer mit unterschrieben werden müssen und der Gasherd in der Hausmeisterwohnung inventarisiert werden muß. In der Kirchenvorstandssitzung wurde verhandelt, daß Türen unten abgeschnitten werden sollen und wie man an die Hängelampen in der Kirche herankommt.

Auch die Frage der „Beihilfen“ (manche sagten ,,Prämien“, manche sogar ,,13. Monatsgehalt“) wurde wieder aufgeworfen. Wieder einmal wurde behauptet, die Zahlung sei generell beschlossen. Herr Nothnagel aber sagte in der Sitzung am 29. September 1986: „Darüber muß jedes Jahr neu beschlossen werden!“ Diese Frage spielte ja später eine entscheidende Rolle.

Insgesamt bemühte man sich stark, nichts aufkommen zu lassen. Es sollte demonstriert werden: Mit einem neuen Vorsitzenden geht es besser, es läuft alles glatt, es kommt nicht mehr zu Entgleisungen der Mitglieder, die Maßnahmen haben schon gegriffen. Knifflige Sachen wurden unter den Teppich gekehrt. Zum Beispiel hatte die Köchin Heike Jäger ja sofort wieder gekündigt, als Ute König nach dem Urlaub wieder in der Küche aufgetaucht war.

Fräulein König machte je länger je mehr Schwierigkeiten in der Küche. Es war nicht so ganz klar, ob sie damit der Familie Gießler einen Gefallen tun wollte oder ihr Verhalten in ihrem eigenen Charakter begründet war. Ungünstig war, daß ihr Vater dem Kirchen vorstand angehörte und sie bald kritisierte, bald in Schutz nahm.

Ute König war der Dauerbrenner der Dienstbesprechungen. Sie schoß sich in folgender Reihenfolge auf die anderen Angestellten ein: Hausmeister Künzel, Köchin Reumschüssel, Kindergarten, Kirchenkasse. Ihre Kochkünste waren schwach, nach dem Vorbild des Essens bei Frau Gießler, z.B. ungesalzene Kartoffeln mit viel zu wenig Rotkrautsalat ohne Soße.

Außerdem wurde für die Angestellten auf der Kirchenkasse immer zu wenig Essen bereitgestellt (obwohl diese es bezahlten), z.B. einmal pro Person nur ein kleiner Eierpfannkuchen (obwohl nachher noch viele in die Mülltonne wanderten). Fräulein König legte sich mit Evelyn Reumschüssel an, durch die sich das Niveau der Küche stark gehoben hatte, mit Frau Schwäblein, mit Frau Reffke (obwohl diese sich heraushalten wollte).

Fräulein Reumschüssel wollte lieber die Küche allein machen und schaffte das auch, Essen für Kindergarten und Rüstzeit abzusichern, während Ute König es fertigbrachte, den ganzen August über die Rüstzeitgäste in die Gaststätte zu schicken (obwohl kaum Kindergartenessen zu machen war). Für das Kaffeekochen bei der Goldenen Konfirmation erhielt sie 20 Mark von den Goldenen Konfirmanden und den restlichen Kaffee (mehrere Päckchen), aber von der Kirchengemeinde wollte sie auch noch einmal fünf Stunden bezahlt haben.

Außerdem stellte sie immer neue Anträge auf Lohnerhöhung, obwohl sie innerhalb eines Jahres drei tarifliche Lohnerhöhungen erhalten hatte (wegen Dienstalter, genereller Erhöhung und anderer Versteuerung). Dadurch wäre aber das ganze Lohngefüge durcheinandergekommen. Deswegen gab es ja die landeskirchlichen Richtlinien. Und klar war auch, daß eine voll ausgebildete Köchin besser bezahlt werden mußte, nämlich ebenso wie die frühere Küchenleiterin.

 

Jetzt wollte Herr Nothnagel, daß auf der Kirchenkasse ein Brieftagebuch geführt wird, das er dann kontrolliert, weil der geschäftsführende Pfarrer seinen Aufgaben nicht nachkommt. Ich bemerkte dazu: „Man braucht ja nicht jeden Brief einzutragen!“ (um den Unsinn dieses Verlangens zu zeigen). Da sagte Herr Nothnagel: „Wenn das herauskommt, haben wir ihn!“ Man sieht hieran, was die Absicht war. Ich sagte dazu: „So kann man doch nicht zusammenarbeiten. Der Verwaltungsleiter hat doch eine Vertrauensstellung. Es liegt kein Anlaß vor, ihm zu mißtrauen und Kontrollen einzuführen!“

Aber Herr Nothnagel wollte noch mehr: Der Verwaltungsleiter sollte über jede seiner Tätigkeiten einzeln Buch führen. Das ist natürlich ein Unding bei der Vielfalt der Aufgaben. So etwas dürfte einmalig in der Kirche und Verwaltung sein. Wenn Herr Nothnagel das möchte, dann müßte es schon der Kirchenvorstand beschließen.

Dann ging es um Dienstbesprechungen. Am 18. November konnte keine stattfinden, weil die leitenden Angestellten nicht da waren. Herr Hey hatte es unterlassen, Herrn Nothnagel davon zu unterrichten, weil nur die Besprechung stattfinden sollte, wenn auch Herr Nothnagel und Herr Reumschüssel extra dazu eingeladen werden. Herr Nothnagel behauptete, Herr Hey habe die Dienstbesprechung bewußt „verhindert“.

Als Herr Nothnagel um 7.15 Uhr pünktlich kam (sonst war er oft unpünktlich), habe sich Herr Hey an seinem Auto zu schaffen gemacht und sei erst 20 Minuten später auf die Kirchenkasse gekommen, um mitzuteilen, daß die Besprechung nicht stattfinden kann. Außerdem habe der Telefonhörer neben dem Telefon gelegen, damit niemand anrufen kann, während Herr Hey unten beim Auto ist; das Besetztzeichen sei nämlich gekommen. Da habe er den Hörer aufgelegt, damit die Kirchengemeinde keine Kosten hat (bei Besetztzeichen kostet es nichts).

In Wirklichkeit war Herr Hey dabei, mit dem Gemüsegroßhandel zu telefonieren. Dabei ergab es sich, daß er noch einmal Rücksprache mit der Küche halten mußte. Er war also in der Küche, als Herr Nothnagel kam; sein Fehler war nur, daß er nicht die Kirchenkasse abgeschlossen hatte. Er hat die Telefonverbindung bestehenlassen, weil er froh war, Schmalkalden erreicht zu haben.

Als er zurückkam, hat er in Gegenwart von Herrn Nothnagel noch einmal angerufen mit der Bemerkung: „Wir sind ja gerade getrennt worden!“ Das wird sich wohl jeder verbeten, daß ein Besucher den Hörer auf die Gabel legt. Wenn Herr Nothnagel meinte, etwas kritisieren zu müssen, hätte er Herrn Hey um Abstellung des Mißstandes bitten müssen und nicht von sich aus den Hörer auflegen dürfen.

Auch die nächste Dienstbesprechung am 25. November ist „geplatzt, weil mit Herrn Hey nicht zu reden war“, wie Herr Nothnagel behauptete. Herr Hey hätte ihn angegriffen mit der Behauptung, die Dienstbesprechungen seien nicht vom Kirchenvorstand beschlossen; so etwas hätte er ihm unter vier Augen sagen sollen und nicht vor versammelter Mannschaft. Dabei hatte Herr Nothnagel wie auch sonst üblich das Gespräch eröffnet mit der Bemerkung, die letzte Besprechung sei nicht zustandegekommen, weil Herr Hey nicht ein geladen habe. Erst daraufhin hat Herr Hey versucht, die Sache richtigzustellen, und dabei ist erst die Äußerung gefallen, es läge kein Beschluß des Kirchenvorstandes vor. Von Seiten Herrn Nothnagels mangelte es an der Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Zum Beispiel hat er den Verwaltungsleiter nie über die Beschlüsse des Kirchenvorstandes unterrichtet; deshalb wollte Herr Hey ja das Protokollbuch des Kirchenvorstandes haben.

 

In der Kirchenvorstandssitzung am 18. Mai 1988 wurde unter dem von Herrn Nothnagel aufgestellten Punkt ,,In der Diskussion: der Gottesdienst“ nur Kritik geübt, zuerst an einer Orgelschülerin (deren Vater Mitglied im Kirchenvorstand ist, aber zum Glück nicht da war), dann an beiden Pfarrern. Man hatte den Eindruck, daß jetzt von allen Seiten geschossen werden sollte, auch bei der eigentlichen Gemeindearbeit.

Zum Beispiel redeten alle über den Beitrag von Frau Marr am Palmsonntag über Umweltfragen, aber es waren nur zwei Kirchenvorsteher überhaupt bei dem Gottesdienst dabei. Herr Nothnagel behauptete einfach, hier werde das Hausrecht des Kirchenvorstandes außer Kraft gesetzt. „Bei Frau Marr handelt es sich nicht um ein Mitglied der Kirche. Sie sucht nur ein Podium. Aber sie spricht dann zu Leuten, die wegen etwas ganz anderem in die Kirche gekommen sind. Es ist nicht zweckmäßig, wenn Auswärtige genommen werden, nur Steinbacher dürfen in Steinbach im Gottesdienst mitwirken!“

Daß die Aufforderung zum freiwilligen Verzicht sehr gut zur Fastenzeit paßt, wurde nicht gehört. Man sah das Ganze als eine politische Sache an, die nicht in die Kirche gehört. Der Dekan wollte, daß alles mehr in einen Zusammenhang gesehen wird und nicht einfach „den Leuten vor den Latz geknallt“ (so war der Ton!).

Es wurde dann über das Verhältnis von Frau Marr zur Kirche diskutiert. Herr Nothnagel hatte erst einmal behauptet, sie gehöre nicht zur Kirche. Der Dekan sprach von „Baptisten“ und verbesserte sich dann in „Methodisten“. Doch Frau Jäger wußte, daß beide Eheleute in Herges-Hallenberg Kirchensteuer bezahlen. Später erfuhr ich von Hergeser Gemeindegliedern, daß Frau Marr öfter zum Gottesdienst kommt, und schließlich stellte sich heraus, daß sie in Viernau drei Klassen Christenlehre erteilt. Aber ich hatte einer „Atheistin“ die Kirche geöffnet!

Es stellte sich heraus, daß in Berlin schon über Frau Marr gesprochen worden war. Alle Pfarrer wüßten Bescheid, wer sie ist. Mir war von dem ganzen Hintergrund nichts bekannt. Angeblich wolle sie aber nur vor der vollen Kirche sprechen, nicht aber im kleinen Kreis. Sie war aber dann doch zum Gesprächskreis da. Aber vom Kirchenvorstand kamen - trotz persönlicher Einladung - nur zwei Mann, davon einer aus Altersbach.

All das veranlaßte mich, einmal etwas über „Kritik im Kirchenvorstand“ zu sagen: Kritik sollte zuerst immer bei dem Betroffenen angebracht werden. In den meisten Fällen ist sie damit schon erledigt. Zumindest können sachliche Fehler richtiggestellt werden. Nur wenn man zu keiner Übereinkunft kommt oder die Sache von allgemeinem Interesse ist, sollte sie vor den Kirchenvorstand kommen.

Langjährige Praxis war aber, daß man sich Kritik für die Sitzung aufsparte und dann plötzlich von hinten die Pfeile abschoß. Dann geht der Angegriffene aber sofort in Abwehrstellung und reagiert aggressiver, als wenn er sich die Sache und seine Argumente hat vorher überlegen können. Das Gleiche gilt für die Dienstbesprechungen, wo Kritik nur verbreitert wird und jedes Problemchen breitgetreten wird. Kritik ist notwendig, aber erst nach privater Rücksprache mit dem Betroffenen.

In der Kirchenvorstandssitzung am 13. Juni 1988 führte Herr Nothnagel aus: „Der Verwaltungsleiter sieht sich außerstande, Weisungen von mir durchzuführen. Wenn ich Mängel sehe und diese anbringe, sagt er mir klipp und klar: Weisungen habe nur der geschäftsführende Pfarrer zu geben! Es geht aber nicht, daß mir Angestellte sagen, ich hätte ihnen nichts zu sagen!“

Doch hier muß man den Zusammenhang bedenken. Herr Hey hatte nicht generell die Entgegennahme von Weisungen abgelehnt. Es hätte ja sowieso nichts genutzt, denn Herr Peters hätte ja das gemacht, was Herr Nothnagel ihm gesagt hätte. Es ging wieder einmal um das Protokollbuch. Herr Hey hatte darum gebeten, daß es wieder auf der Kirchenkasse aufbewahrt wird, damit er nachsehen kann, wenn er nicht so Bescheid weiß.

Doch Herr Nothnagel sagte ihm: „Wenn Sie etwas wissen wollen, dann fragen Sie mich. Was ich Ihnen als Auskunft gebe, muß genügen!“ In diesem Zusammenhang sagte Herr Hey: „Sie haben mir gar keine Weisungen zu erteilen!“

Der Dekan sagte dazu: „Es muß eine Zusammenarbeit da sein, sonst muß einer gehen. Wenn der Kirchenvorstand anstellt, gibt er auch die Weisungen. Wer etwas anderes sagt, ist ungeeignet für den Dienst der Kirche. Und wenn im Arbeitsvertrag steht, der geschäftsführende Pfarrer sei der Vorgesetzte des Verwaltungsleiters, dann ist der Vertrag falsch!“

Diese letzte Aussage hat er dann aber korrigiert. Schließlich gab es bei Abschluß des Vertrags die Trennung in geschäftsführenden Pfarrer und Vorsitzenden noch nicht und der Dekan hatte den Vertrag ja mit unterschrieben. Jetzt sagte der Dekan aber: „Der Arbeitsvertrag ist so zu behandeln, als würde dastehen: Beauftragte des Kirchenvorstandes oder deren Stellvertreter!“

„Dienstaufsicht des Kirchenvorstandes“ kann aber nicht heißen, daß jeder einzelne Kirchenvorsteher Weisungen erteilen kann. In jedem Betrieb ist es so, daß jeweils eine einzelne Person der Vorgesetzte ist, weil viele Köche den Brei verderben; auch kann der Zimmermeister nicht dem Fliesenleger Anweisungen geben. Dennoch wurde beschlossen, daß der Vorsitzende des Kirchenvorstandes ebenso weisungsberechtigt gegenüber den Angestellten ist wie der geschäftsführende Pfarrer. Dies ist dann allerdings nicht allen Angestellten mitgeteilt worden, sondern nur dem Verwaltungsleiter.

Wenn der Vorsitzende ein ,,Puffer“ zwischen geschäftsführendem Pfarrer und Angestellten sein sollte, dann hätte jetzt der geschäftsführende Pfarrer der Puffer zwischen Vorsitzendem und Angestellten sein müssen. Als der Dekanatssynodalvorstand den Kirchenvorstand Steinbach-Hallenberg zwang, einen Laien zum Vorsitzenden zu wählen, war die Sache auch noch klar. Da sagte der Dekan noch: „Vorsitzender der Angestellten ist der geschäftsführende Pfarrer. Der Vorsitzende darf nicht zu sehr belastet werden. Er hat nur die Sitzungen vorzubereiten, zu leiten und die Ausführung der Beschlüsse zu überwachen!“

Weil aber Herr Peters seine Aufgaben nur teilweise wahrnahm, sollte der Vorsitzende des Kirchenvorstandes einspringen. Das wäre noch gegangen, wenn es nur um Aufgaben gegangen wäre, die sich aus Beschlüssen des Kirchenvorstandes ergaben. Herr Nothnagel wollte aber auch von sich aus Dinge aufgreifen und das tun, was mir vorgeworfen wurde, nämlich die Angestellten in ihrer Arbeit zu kontrollieren. Aber die Kirchenleitung weiß schon, weshalb sie die Geschäftsführung in die Hand der Pfarrer legt. Nur diese sind theoretisch und praktisch ausgebildet, erhalten die Rundschreiben und sind durch die Pfarrkonferenzen auf dem neuesten Stand; sie allein sind materiell verantwortlich zu machen und sie allein sind von außerhalb und nicht in die örtlichen Verhältnisse verstrickt.

In der gleichen Sitzung ging es auch noch um den Gemeinderaum, weil der Kirchenchor gedroht hatte, seine Arbeit einzustellen, weil das Amtszimmer im Unterstädter Pfarrhaus wegen der Akustik nicht geeignet war. Herr Dalberg durfte seine Wünsche auch in der Sitzung vortragen und es sollte schnell abgestimmt werden: Der Chor sollte in dem vom Kindergarten noch genutzten Unterrichtsraum singen, die Rüstzeit in ihrem Tagesraum essen, den Speiseraum sollte der Kindergarten erhalten.

Später sollte der Unterrichtsraum zum Speisesaal werden und alles andere in dem anderen Gemeinderaum stattfinden (Chöre, Unterricht, Gemeindekreise). Auf meinen Einspruch hin wurde dann doch erst eine Besprechung mit allen Beteiligten durchgeführt, die an sich vorher hätte sein müssen, da hätte man sich 40 Minuten Diskussion im Kirchenvorstand ersparen können.

In dem Gespräch herrschte zunächst eine annehmbare Atmosphäre. Nur Herr Reumschüssel war etwas gereizt, weil ich darauf hinwies, daß ja noch die Schränke für die Chöre da sind und sich die Anschaffung neuer Schränke erübrige, die Herr Reumschüssel schon eigenmächtig bestellt hatte.

Es stellte sich auch heraus, daß der ganze Umbau der Kirchenkasse nicht nötig gewesen war (zwei neue Türen und Verschlag), da der Kindergarten den vorderen Kirchenkassenraum nur zeitweise als Garderobe nutzte (nicht als Büro für die Leiterin) und die Besucher der Kirchenkasse ruhig weiterhin durch diesen Raum hätten gehen können.

Auch die neue Tür für den Aufzug, wegen der sich bisher alles verzögert hatte, war nun auf einmal nicht mehr nötig. Man hätte sie nur gebraucht, wenn die Rüstzeiten in den Ferien im Unterrichtsraum gegessen hätten. Aber all meine schon vorher gemachten Vorschläge wurden nicht beachtet, es entstanden unnötige Verzögerungen und Kosten und es wurde doch keine optimale Lösung gefunden.

Erst als Herr Nothnagel hinzukam, wurde der Ton schärfer. Er legte Wert darauf, daß allein der Kirchenvorstand zu entscheiden habe, wo in zwei Jahren die Rüstzeit essen sollte, obwohl niemand das bestritten hatte, auch nicht, daß solche Beschlüsse zu respektieren seien. Auch hatte niemand bestritten, daß der Kindergarten wichtig für die Gemeinde und das Rüstzeitenheim wichtig für die Gesamtkirche sei. Es ging aber darum, daß alle etwas nachgeben. Es wurde auch ein guter Kompromiß gefunden, auch Schwester Anni zeigte sich durchaus zugänglich.

 

In der Pause der Pfarrkonferenz am 15. Juni wurde ich vom Dekan zu einem Gespräch gebeten, bei dem auch Herr Hoffmann und Herr Bunge zugegen waren. Der Dekan teilte zunächst mit, daß Herr Holland-Cunz ihm einen Brief geschrieben habe, in dem er seinen Austritt aus dem Kirchenvorstand bekanntgibt: Er könne es gesundheitlich nicht mehr schaffen und rege sich zu sehr auf; besonders fühle er sich unter Druck gesetzt, weil Pfarrer Heckert von ihm einen Beleg für seine Aussagen verlangt hat; er sehe das aber nicht als ein juristisches Problem, sondern er wolle den seelsorgerischen Rat geben, sich nach einer anderen Pfarrstelle umzusehen. Da war das, was der Dekan wollte.

Es wurde dann eine Menge anderer Dinge angesprochen. Zunächst ging es um die Beschwerde von Herrn Nothnagel, daß ich zu einem Treffen mit der Partnergemeinde Frankershausen nur Unterstädter eingeladen hatte, so daß seine Tochter nicht mit dabei war. Doch von dort kam nicht eine Junge Gemeinde, sondern eine Konfirmandengruppe, die vorwiegend aus Jungen bestand, von denen es in der Oberstadt in diesem Jahr gar keine gab. Wenn aber sowieso nicht alle eingeladen werden können, nehme ich natürlich nur meine Konfirmanden, wenn der mir zugewiesene Partnerpfarrer kommt.

Dann ging es um Friedhofssachen und den Beitrag von Frau Marr im Gottesdienst (angeblich hatte ich den Kirchenvorstand hintergangen, weil ich nicht eindeutig sagte, daß noch gar kein konkreter neuer Termin mit ihr vereinbart war).

Dann waren die Bilder dran, die Konfirmanden bei der Rüstzeit hergestellt hatten und die ich in den Turm der Kirche gehängt hatte. Es handelte sich um ein Bild aus einer Illustrierten, das den Hintern eines Mannes zeigte, der mit einem Metermaß drapiert war (es ging dabei um das Thema „Abnehmen“). Der Dekan hatte die Collagen nicht gesehen, behauptete aber, die Konfirmanden hätten „Nackte gemalt“ und ich wäre nicht erzieherisch dagegen vorgegangen. Die Eltern hatten keinen Anstoß daran genommen; es ging nur darum, überall etwas Neues zu finden.

Angeblich war die Lage für mich bedenklicher, als ich sie sehen konnte. Doch kritisiert wurde nur, daß ich Probleme angesprochen habe, die angeblich überflüssig waren. Offenbar wollte man mich mundtot machen, wie das schon bei der Synode der Fall war (aber auch da hatte der Dekan mich schon öffentlich gerügt, weil ich angeblich nicht aufpaßte, als er redete).

Scharfmacher war wiederum Herr Hoffmann. Er legte das Schreiben von Herrn Holland-Cunz gleich als Antrag aus und verlangte Konsequenzen von mir. Sicherlich ist wichtig, daß man eine Basis in der Gemeinde hat. Aber das müßte wirklich sachlich festgestellt werden durch Außenstehende, die mit dem Kirchenvorstand und den Angestellten sprechen sollten, ohne daß Pfarrer und Dekan dabei sind; und dann müßte nicht nur gefragt werden, ob sich das Verhältnis verschlechtert hat, sondern auch die Frage gestellt werden, wer denn an dem allen schuld ist.

Zu denken gab mir nur, daß jetzt überall bekrittelt wurde. Ich habe auch schon früher eine Osterkerze im Gottesdienst aufgestellt und niemand hat das kritisiert. Jetzt aber hieß es auf einmal, das sei ,,etwas Katholisches“. Niemand fand etwas dabei, daß sich die Eschweger nur mit den Unterstädtern trafen oder wenn etwas im Turm aufgehängt wurde (zum Beispiel die Zeichnungen der Oberstädter Konfirmanden mit der Unterschrift ,,Jesus, der Freund der Prostituierten“) oder wenn jemand anders als der Pfarrer im Gottesdienst zu Wort kam (daß man Frau Marr aus politischen Gründen nicht wollte, sah ich damals noch nicht). Hier wurde doch das getan, was man mir vorwarf, nämlich überall kritisiert und mit Gewalt ein Anlaß gesucht.

Der Dekan fing dann noch unvermittelt mit der von ihm heraus gegebenen Postkartenmappe über Schmalkalden an, bei der ich ihm 20 Fehler oder Ungenauigkeiten nachgewiesen hatte. Vor allem stritt er sich mit mir über die Schreibweise des Wortes „gottlob“ und behauptete, ich hätte den Duden falsch gelesen (,,Wenn man es im Westen so schreibt, ist es richtig!“). Hier merkte man, was hinter seiner feindseligen und voreingenommenen Haltung steht:

die persönliche Kränkung, weil ich ihm Fehler nachgewiesen habe auf einem Gebiet, wo er sich als Fachmann wähnt.

 

In der Dienstbesprechung am 29. Juli fragte Herr Nothnagel Herrn Hey gleich zu Beginn: „Darf ich jetzt damit rechnen, daß Sie immer die Vertretung für die Totengräber machen oder haben Sie es nur getan, weil es sich um den Professor Usbeck handelte?“ So etwas ist eindeutig eine aggressive Frage, die gar nicht in die Dienstbesprechung mit allen gehört. Herr Noth­nagel hätte besser das öffentlich sagen sollen, was er Herrn Hey als erste Reaktion am Telefon gesagt hatte, als er sich bedankte, daß dieser das Anfertigen des Grabes übernommen hatte.

Der Hintergrund war folgender: Am Mittwoch war die 92jährige Frau Usbeck, Kirchplatz 5, gestorben. Beide Totengräber waren aber in Urlaub. Am Freitag sollte die Beerdigung sein. Am Donnerstagfrüh kam Frau Fischer (die im Haus Usbeck arbeitet, Kirchenälteste aus Altersbach) zu mir und bat um Hilfe. Nach Lage der Dinge mußte es schnell gehen. So habe ich dann zusammen mit dem Hausmeister und dem Verwaltungsleiter das Grab gemacht. Da das Nebengrab schon bepflanzt war, konnte der Aushub nur auf der anderen Seite gelagert werden. Aber dadurch konnte man zeigen, daß es durchaus möglich war, auf den hohen Aufbau rund um das Grab zu verzichten, der den Angehörigen immer so viel Mühe macht und schon oft beklagt worden war.

Ich habe mich hier aus zwei Gründen eingesetzt: Einmal handelte es sich um eine Nachbarin und treue Kirchgängerin und die Schwiegermutter eines Kollegen. Zum anderen ist die Kirchengemeinde gegen Trauerfeiern in Schmalkalden, da muß sie auch mit absichern, daß ein Grab gemacht wird, wenn es gewünscht wird. Wer von den Angehörigen hätte es wohl machen sollen, wo keiner am Ort war? Nur Herr Nothnagel brachte einen Mißklang hinein. Das war selbst Schwester Anni zuviel: Sie wurde heftig, wies Herrn Nothnagel zurecht und verließ den Raum.

In den vorhergehenden Besprechungen war Herr Nothnagel nicht dabei und alles verlief ruhig und sachlich. Die Angestellten im Gemeindehaus waren nicht gut auf Herrn Nothnagel zu sprechen. Das lag einmal daran, daß es dort jeder schwer hat. Aber er hat in seinen erst 20 Monaten auch schon einige Fehler gemacht. Doch er hat auch seine Meinung geändert. Während er früher wollte, daß das Gemeindehaus „sich selbst regiert“ unter Führung des Verwaltungsleiters, wollte er jetzt bei allem gefragt werden und sogar die Sachen machen, die allein Aufgabe des geschäftsführenden Pfarrers sind wie die Erteilung von Urlaub.

 

In der Kirchenvorstandssitzung am 12. September ging es dann mit dem Friedhofsthema weiter. Man muß den Wortlaut hören, um einen Eindruck vom Ton im Kirchenvorstand zu bekommen. Herr König sagte: „Gemeindeglieder haben gefragt, ob wir denn neue Totengräber hätten, weil Angestellte der Kirchengemeinde, darunter Pfarrer Heckert, ein Grab gemacht haben. Das ist doch Sache des Friedhofsausschusses (Bemerkung von Herrn Joachim Lieberknecht, man muß das gut hören: „Ein Wort hätte genügt!“). Der Pfarrer Heckert hat wohl die Frau Usbeck zu Lebzeiten nicht genug beachtet und besucht, so daß er das nach ihrem Tod ausgleichen wollte!“

Hier gab es allerdings Protest aus dem Kirchenvorstand, aber keinen Ordnungsruf des Vorsitzenden oder des Dekans. Dabei war diese Äußerung genauso beleidigend wie die des Herrn Holland-Cunz, nur ging es jetzt um die eigentliche Gemeindearbeit. Doch es wurde auch gesagt: „Da haben Sie nichts Falsches gemacht!“ und: „Was wäre gewesen, wenn das Grab nicht gemacht worden wäre?“

Aber Herr Nothnagel brachte wieder einen Mißklang hinein: „Der Professor Usbeck hat doch so vielen Leuten in Steinbach geholfen. Die Schwester Ilse macht doch die Termine für ihn, die doch Leute aus ihrem Betrieb für das Gräbermachen anstellen können!“ Hier spürt man wieder seine Vorurteile (bzw. seinen Neid) gegenüber Akademikern. Er hatte überhaupt kein Gespür dafür, daß hier den Frauen geholfen werden mußte, und zwar gleich, denn die Männer waren ja alle an der Arbeit, auch der Friedhofsausschuß. Hier geschah Seelsorge ganz praktischer Art, wo der Pfarrer mit gutem Beispiel vorangehen mußte.

Dann ging es um die Strafe von 100 Mark, die von der Hygieneinspektion gegen Ute König verhängt worden war, weil sie das Essen nicht nach Vorschrift hergestellt hatte und einige Gäste nach Ansicht der Hygieneinspektion deswegen erkrankt waren. Jetzt sagte Herr König auf einmal: „Ute ist doch keine Küchenleiterin, sie ist nur Beiköchin und wird nicht als Chefin bezahlt!“ (Sie erhielt 60 Mark Lohnzuschlag, während die Küchenleiterin nur 40 Mark erhielt).

Ich hielt ihm vor, daß sie aber der Hygieneinspektion gegenüber als Chefin aufgetreten sei. Herr Reumschüssel meinte: „Sie müßte schon für ihre Dummheit bestraft werden, weil sie alle Einzelheiten gegenüber der Hygiene ausgeplaudert hat!“ Dennoch meinte er: „Wir sind doch auch sonst kulant, da sollten wir die Strafe bezahlen!“ Herr Marr wollte nicht, daß gesagt werden könnte, wir würden die Maßnahme der Hygieneinspektion unterlaufen. Ich argumentierte: ,,Wenn ich auf dem Weg zur Pfarrkonferenz einen Strafzettel kriege, zahlt den auch nicht das Dekanat!“ Aber Herr Nothnagel entschied: ,,Da zahlen wir ihr die 100 Mark als Prämie für ihre Leistungen!“

Zum ,,Dank“ verlangte Ute für Donnerstag und Freitag überraschend Urlaub. Frau Heubel stimmte dem nicht zu (Herr Hey hatte Urlaub), weil sie dann selber in die Küche hätte gehen müssen. Schon Ende August hatte sie sich ein Kindermädchen besorgt, weil Ute Urlaub machen wollte. Doch sie ging dann doch nicht in Urlaub, kam aber 14 Tage später und wollte Urlaub machen.

Ute drohte wieder: „Da mache ich krank!“ Sie fuhr auch am Donnerstag nach Eisenach zum Hautarzt (warum immer nach Eisenach, wo ein ganzer Arbeitstag verlorengeht?), wurde aber nicht krank geschrieben. Daraufhin lieferte sie wieder miserables Essen, für die Angestellten auf der Kirchenkasse aber wieder viel zu wenig (nachher wurde aber etwas weggeschüttet).

Und schließlich äußerte sie, Frau Künzel wäre eine ,,faule Sau“, die nicht einmal das Geschirr für ihre Familie abwäscht, sondern das die Küche tun läßt (es handelt sich um zwei Teller). Das war die Antwort auf das ,,kulante“ Verhalten des Kirchenvorstandes. Aber offenbar mußte Herr Nothnagel Rücksichten auf Herrn König zu nehmen.

Hauptpunkt dieser Sitzung war aber der Austritt von Herrn Holland-Cunz. Der Brief wurde zunächst nicht verlesen. Aber der Dekan legte aus: „Es ist eindeutig, daß der Pfarrer Heckert und seine Umgangsweise der Grund für den Austritt ist. In den letzten Sitzungen haben Sie ja erlebt, wie Pfarrer Heckert ihn bedrängt hat, Näheres zu seinen Aussagen zu sagen. Ich habe ihm gesagt, daß er das nicht braucht, sein Einwurf ist nicht so wichtig gewesen. Es ist beschwerlich, daß es in dieser Periode der Dritte ist, der meint, nicht mehr mitmachen zu können!“

Nach einem längeren Angriff von Herrn König sagte Herr Lieberknecht: ,,Es war kein spontaner Entschluß. Das hat er jahrelang mit sich herumgetragen. Wir müssen die Entscheidung akzeptieren und sollten uns nicht länger damit aufhalten!“ Darauf Herr Nothnagel: „Wenn es keine Wortmeldungen mehr gibt, schließen wir den Punkt ab!“ Er war auch abgeschlossen, denn es entstand eine längere Pause.

Da hakte der Dekan ein: „Es ist beschwerlich, daß es schon der dritte Fall ist. Ich habe ja Pfarrer Heckert einen Vermittlungsvorschlag gemacht. Aber er hat nur verlangt, daß ich hätte eingreifen müssen. Daß ein Zurückstecken nicht möglich war, halte ich für eine ungute Sache. Die von Herrn Holland-Cunz verlangte Richtigstellung war nicht im Interesse der Gemeindesituation!“

Sonst hat der Dekan immer den Standpunkt vertreten, ein Brief an den Dekanatssynodalvorstand sei ein ,,öffentlicher“ Brief und könne überall verlesen werden. Jetzt aber wollte er erst die Zustimmung von Herrn Holland-Cunz einholen. Sicherlich wollte er von Anfang an, daß der Kirchenvorstand den Brief im Wortlaut zur Kenntnis nimmt, obwohl Herr Holland-Cunz dann ja an den Kirchenvorstand hätte direkt schreiben können.

 

In der Sitzung am 10. Oktober wurde der Brief dann vollständig verlesen. Wieder äußerte sich niemand dazu. Wieder mußte der Dekan bohren: „Das Schwierige ist, daß es nun schon der dritte Austritt ist. Für uns als Kirchenkreisvorstand ist das bedenklich. Aber zunächst einmal diese Information!“ Es war hier schon deutlich, daß er damit nach Eisenach gehen wollte, obwohl der Kirchenvorstand zurückhaltend war.

Nach der Sitzung sagte ich dem Dekan: „Man darf nicht vergessen, was den Austritten vorangegangen ist: Herr Arno Nothnagel hatte den Angestellten ungedeckte Versprechungen auf Lohnerhöhungen gemacht, Frau Holland war an dem Beschwerdebrief des Herrn Häfner beteiligt und Herr Holland-Cunz wußte nicht, wie er aus seiner voreiligen Bemerkung wieder herauskommen sollte!“ (Bisher war es immer so, daß er die Flinte ins Korn warf, wenn es schwierig wurde).

Viermal bat ich darum, daß mir der Brief ausgehändigt wird, damit ich eine Gegendarstellung abgeben kann, aber das geschah nicht.  So bin ich auf das angewiesen, was ich schnell mitschreiben konnte: ,,Es hat alles keinen Sinn, Appelle ändern nichts, ich komme mit meinen Vorstellungen nicht zum Zug. Seit der letzten Sitzung hat mich das Steinbacher Problem noch öfter und tiefer beschäftigt als sonst. Es belastet mich stark und bedrückt mich. Was Pfarrer Heckert braucht, das ist Seelsorge, nicht in die Enge getrieben zu werden. Die Betroffenen sind eines gesunden Urteils nicht mehr fähig. Die Verhältnisse strahlen auf die Pfarrfamilie, die Mitarbeiter und die Gemeinde aus. Ich halte es für besser, wenn durch Sie das Dienstverhältnis gelöst wird, nicht als Strafe, sondern als Hilfe. Ich bitte Sie um Hilfe, für ihn eine andere Tätigkeit zu finden, auch wenn zu befürchten ist, daß es mit der Zeit dort auch nicht anders wird. Ich habe nicht vermocht, die Verhältnisse zu verbessern, sondern ich habe Bedingungen für Zuspitzungen gesetzt. Daher bitte ich um Verständnis, wenn ich mein Amt niederlege!“

Damit hat er in der Tat gesagt, wie es ist: Die Verschärfung ist von seiner Seite ausgegangen! Man kann doch jetzt nicht den Spieß herumdrehen und so tun, als hätte  i c h  ihn beleidigt. Hätte er sich nicht so unqualifiziert geäußert, hätte ich mich nicht zur Wehr zu setzen brauchen und er wäre nicht ausgetreten. Man kann nicht irgendein „Geheimwissen“ andeuten, dann aber nicht dazu stehen. Da schweigt man lieber. Und wenn man austreten will, dann geht man stillschweigend, wie es Gerhard Huhn gemacht hat, anstatt noch ein Faß aufzumachen.

In der gleichen Sitzung fiel Herr König wieder aus der Rolle: „Es ist eine totale Lüge von Herrn Hey, der Kirchenvorstand hätte beschlossen, daß es für die Sonntagsstunden freie Tage gäbe. Es werden nur noch Lügen erzählt, auch von Pfarrer Heckert!“ Darauf sagte ich zum Dekan gewandt: „Herr Dekan, wäre hier jetzt nicht einmal ein Ordnungsruf angebracht?“ Er murmelte etwas, das wie ,,ja“ klang, unternahm aber nichts.

Am Schluß der Sitzung las ich aus dem Beschlußbuch des Kirchenvorstandes vor, das ich für mich angelegt hatte, nachdem mir das Protokollbuch ja nicht mehr zugänglich war. Danach war am 16.1.1984 war beschlossen worden: „Außerdem wird für Sonn- und Feiertagsarbeit allen Mitarbeitern ein unbezahlter freier Tag in der Woche gewährt, allerdings nur, wenn keine Rüstzeit ist.......die anderen Überhangstunden, die während der Woche entstehen, werden stundenweise abgebummelt!“

Dieser Tatbestand war Ute König vom Verwaltungsleiter erläutert worden. Wenn Herr König das nicht glaubt, muß er sich vorher informieren, anstatt von „Lüge“ zu sprechen bei einem Tatbestand, wo er sich einfach irrte (um es einmal so vorsichtig auszudrücken). Es ist ungeheuerlich, wenn ein Pfarrer vor einer Gruppe der Gemeinde der Lüge bezichtigt wird. Das zeigt, wie weit man kommt, wenn man nicht den Anfängen wehrt.

Der Dekan aber meinte nach der Sitzung, ich hätte mich zur Wehr setzen müssen. Dann wäre Herr König auch noch ausgetreten und der Dekan hätte gesagt, es wäre wegen mir gewesen. Hier wäre wieder der Dekan gefordert gewesen.

 

Bald darauf liefen die nächsten Beschwerden auf: Zu dem Familiengottesdienst „50 Jahre kirchlicher Unterricht“ hätte ich auch noch andere Leute und den Dekan einladen sollen und auch die Dörfer hätten beteiligt werden sollen, selbst Kirchenchor und Posaunenchor sollten mitwirken. Anstatt daß man froh war, daß statt 50 Leuten einmal 250 kamen, mußte ich den Eindruck haben: Lieber nichts Besonderes machen, dann kann man sich auch nicht beschweren.

Die Friedensdekade wollte der Kirchenvorstand unbedingt haben. Ich bat darum, daß Herr Peters einmal die Sache in die Hand nimmt und auch der Kirchenvorstand sich beteiligt. Der Dekan meinte, dazu sei gar keine Vorbereitung nötig, man müsse nur da sein (Ich habe für jeden Abend soviel Mühe verwandt wie für einen Sonntagsgottesdienst). Es mußte unbedingt sein, aber vom Kirchenvorstand waren nur zwei Leute an je einem Abend da. Und machen mußte ich es doch, weil sich eine Stunde vor Beginn des ersten Abends Herr Peters rank meldete!

 

Mitten in der Kirchenvorstandssitzung am 7. November fing Herr Nothnagel mit dem an, was er während der letzten Finanzausschußsitzung festgestellt hatte. Der Finanzausschuß hatte vom Kirchenvorstand den Auftrag erhalten, den Stellenplan für die Küche zu prüfen und Möglichkeiten für die Finanzierung zu finden.

Herr Nothnagel kam eine halbe Stunde später, beteiligte sich nicht am Gespräch, sondern nahm sich die Einnahmebelege her und schrieb sich etwas auf. Dieses trug er nun in der Kirchenvorstandssitzung vor, ohne daß es auf der Tagesordnung stand. Er hatte sich nur Dinge herausgesucht, wo er meinte, Herrn Hey und mich kritisieren zu können. Aber anstatt das erst einmal mit dem Finanzausschuß zu besprechen und die Dinge zu klären, brachte er seine Behauptungen gleich im Kirchenvorstand vor.

Zunächst ging es um das Geld für das Anfertigen des Grabes Usbeck. Die Angehörigen hatten es uns ja privat geben wollen, aber wir taten es natürlich in die Kirchenkasse. Jetzt wurde bemängelt, daß es deutlich als Spende hätte gekennzeichnet werden müssen, damit nicht der Eindruck entsteht, wir hätten soviel Geld verlangt. Später stellte sich heraus, daß der übergebene Betrag genau dem entsprach, was zu dieser Zeit von den Totengräbern verlangt wurde. Doch in welche Spalte in der Kirchenrechnung das einzutragen sei, ist allein Sache der Rechnungsprüfung, nicht einer Kirchenvorstandssitzung.

Dann wurde Herr Hey gerügt, daß er aus dem Bestand der Kirchengemeinde ein kleines Tischchen gekauft hat, ohne den Kirchenvorstand gefragt zu haben. Es handelt sich um einen Tisch, der nicht inventarisiert war und in die Heizung wandern sollte, weil er kaputt war. Herr Hey hat 10 Mark Spende dafür gegeben (nur deshalb konnte Herr Nothnagel überhaupt etwas davon wissen. Aber er regt sich auf, wo er doch für über 1.300 Mark Stühle gekauft hat ohne Beschluß des Kirchenvorstandes und Zahlungsanweisung).

Das Gleiche gilt für das Material von dem Trockenklosett hinter der Kirche. Dieses war im Zusammenhang mit der Aufstellung der Baracke aufgestellt worden, wenn ich mich nicht täusche sogar als Zugabe ohne Bezahlung. Es sollte bei übergemeindlichen Veranstaltungen die Lage entspannen. Doch als es soweit war, hieß es: „Das können wir doch Auswärtigen nicht anbieten!“ So wurde es nur von Auswärtigen benutzt, die auf dem Kirchplatz parkten. Kinder trieben dort ihr Unwesen. Es sah verheerend aus.

Nachdem wir erst kürzlich mit der Hygiene zu tun hatten, meinte ich, diesen Schandfleck wieder beseitigen zu müssen, weil ich der Verursacher war. So habe ich dann das Trockenklosett wieder abgerissen und Herr Hey erhielt die Kanthölzer, um sich daraus ein neues Clo zu hauen. Im Grunde hat er bei der Beseitigung der Überreste geholfen, aber er gab 25 Mark Spende dafür.

Nachdem sich jahrelang niemand um diese ,,Baulichkeit“ gekümmert hatte, nicht nach Reinigung und Leerung des Kübels gefragt hatte, hieß es jetzt: ,,Da war einmal eine Gelegenheit, hinter der Tür die Hose runterzulassen (die Tür ließ sich nur nicht absperren!). Können denn die Gottesdienstbesucher das Clo im Pfarrhaus benutzen?“

Mitten in der Diskussion um das Trocken­klosett führte Herr Nothnagel aus: „Die Selbständigkeit des Verwaltungsleiters gehen noch weiter. Da geht Post ein und der Verwaltungsleiter beantwortet sie selbständig. Er sollte aber alle eingehende und ausgehende Post zum geschäftsführenden Pfarrer bringen, denn er kann den Kirchenvorstand nicht ersetzen oder vertreten. Auch im Ausdruck ist manchmal noch etwas zu verbessern. Zahlungsanweisungen werden erst im Nachhinein unterschrieben!“

Ich fragte nach einem Beispiel. Herr Nothnagel nannte das Beispiel des Briefes von Pfarrer Penckert wegen der Weihnachtsbeihilfen. Ich fragte nach weiteren Beispielen. Herr Nothnagel sagte: „Die gäbe es sicher noch, aber ich kann keine nennen!“ Ich wies auch auf die vorhandene Dienstanweisung hin, wonach Rüstzeit- und Friedhofssachen und natürlich Bestellungen für die Küche allein Sache der Kirchenkasse sind, abgesehen von kniffligen Dingen. Alle anderen Schreiben gehen an den geschäftsführenden Pfarrer.

Tatsache aber war: Herr Penckert hat die Liste am Montag an die Kirchenkasse geschickt, weil er wußte, daß er sie dann schneller zurückbekommt, denn Pfarrer Peters hatte das letzte Mal den knappen Termin weit überzogen. Herr Penckert hat ihn aber am Mittwoch bei der Pfarrkonferenz (also gleichzeitig) von dem Schreiben an die Kirchenkasse unterrichtet, so daß er sich darum hätte kümmern können.

Er kam aber erst 6 Tage später auf die Kirchenkasse, als er schon wieder einmal krankgeschrieben war. Er sprach mit Herrn Hey alles durch, erst danach wurde ausgezahlt. Die Zusammenarbeit zwischen dem geschäftsführenden Pfarrer und dem Verwaltungsleiter war nämlich nicht so schlecht, wie Herr Nothnagel immer behauptete. Herr Peters beauftragte Herrn Hey oft mit Aufgaben, die er an sich selber hätte erledigen müssen, es wurde immer alles miteinander abgestimmt.

Ähnlich war es mit der Behauptung, Herr Hey habe die 100 Mark für Ute König nicht ausgezahlt (Ersatz für den Strafbescheid). Tatsache war, daß Herr Hey nach der schriftlichen Zahlungsanweisung das Geld am 29.10. sofort überwiesen hatte, Fräulein König hatte nur ihre Kontoauszüge nicht richtig angesehen (das Geld wurde aufs Konto überwiesen, weil sie ihren Lohn auch auf dem Konto haben wollte).

 

Am 29. November sprach ich etwa zwei Stunden mit Herrn Nothnagel in seiner Werkstatt über die letzte Kirchenvorstandssitzung und bat ihn, den Kirchenvorstand nicht wieder mit Dingen aufzuhalten, die nicht auf der Tagesordnung stehen, nicht im Ausschuß vorbesprochen sind und sich nachher nicht als stichhaltig herausstellen. Aber er antwortete, er werde das jetzt auch mit den Ausgabebelegen machen. Auch lehnte er es ab, seine falschen Behauptungen im Kirchenvorstand richtigzustellen. Im Gegenteil: Jetzt verschärfte er seine Vorhaben sogar noch.

Herr Nothnagel drückte sich jetzt auch vorsichtiger aus und sprach nicht mehr von einem „Beschluß“ des Kirchenvorstandes, sondern die Dienstbesprechungen entsprächen dem Willen des Kirchenvorstandes. Ich sagte ihm: „Dann lassen sie es doch erst einmal beschließen. Aber dann wird erst einmal darüber diskutiert, zum Beispiel auch darüber, wer überhaupt teilnehmen soll; und die Angestellten muß man dann auch erst einmal über ihre Meinung befragen!“

Es ging auch mehrfach in dem Gespräch über Angelegenheiten der Küche. Herr Nothnagel behauptete, Herr Hey habe Frau Hellbach eigenmächtig eingestellt. Doch einerseits wurde darüber geklagt, daß Ute König an drei Sonntagen nacheinander hatte arbeiten müssen und ihr ungezügeltes Verhalten damit entschuldigt, aber andererseits hat man die Anstellung einer neuen Kraft hinausgezögert.

Über eine Bewerbung muß innerhalb von 14 Tagen entschieden sein. Man muß zugreifen, ehe sich die Betreffende nach einer anderen Stelle umsieht. Frau Hellbach wurde nur zur Aushilfe geholt, mit dem geschäftsführenden Pfarrer war das abgesprochen. Aber Herr Nothnagel wollte, daß so etwas auch mit ihm besprochen wird. Doch es ist dann Sache des geschäftsführenden Pfarrers, mit welchen Kirchenvorstehern er sich abspricht, der Verwaltungsleiter kann sich nur an ihn halten.

Jetzt sollte Frau Hellbach nicht mehr die Küche bei den Dienstbesprechungen vertreten, nachdem sie einmal Herrn Nothnagel kritisiert hatte. Dabei war Ute König zunächst auch dabei, obwohl sie keine Leiterin war. Erst als sie sich unmöglich benommen hatte, wurde sie nicht mehr gebeten (einmal hat sie einen Stuhl umgeworfen und ist abgerauscht, einmal sprang sie um 8.15 Uhr auf mit der Bemerkung, sie müsse erst Frühstück machen, obwohl doch angeblich ohne Pause durchgearbeitet wird).

Ich forderte Herrn Nothnagel auf, wenn er schon kontrollieren wolle, dann solle er sich doch einmal die Küche vornehmen, damit dort die Beschlüsse des Kirchenvorstandes beachtet werden. Da sagte er: „Der Verwaltungsleiter soll die Mitarbeiter schulen!“ Doch wenn er das dann tut, dann beschwert sich Herr Nothnagel, der Verwaltungsleiter handele zu selbständig und maße sich Dinge an, die Sache des Kirchenvorstandes sind. Dieser Widerspruch tauchte öfter in dem Gespräch auf.

Ich verwies darauf, daß der Verwaltungsleiter eine Dienstanweisung hat, nach der er sich richtet; diese sollte Herr Nothnagel erst einmal kennen. Ich forderte ihn auch auf, die Belege wirklich gründlich zu studieren. Dann würde ihn auffallen, daß sein (Nothnagels) privater Besuch auch ohne Kirchenvorstandsbeschluß im Gemeindehaus untergebracht worden ist, oder daß seit April kein Geld mehr für Einfassungen auf dem Friedhof eingegangen ist, obwohl ständig welche gesetzt worden, oder daß seit Mai kein Geld mehr für das Essen der Kinder der Familie Künzel eingegangen ist oder daß Frau Holland-Cunz seit geraumer Zeit für 95 Stunden bezahlt wird, obwohl sie nur für 70 angestellt ist (angeblich sollte ein Antrag bei Pfarrer Peters sein, aber es war nicht so).

Sicherlich kann der Vorsitzende auch zum Verwaltungsleiter gehen, wenn sich etwas aus der Kirchenvorstandssitzung ergibt. Er kann Auskünfte einholen und um Ausführung von Beschlüssen bitten. Wenn andere Angestellte dazu gebraucht werden, teilt der Verwaltungsleiter sie ein. Aber es geht nicht, daß Herr Nothnagel die Dienstaufsicht ausüben und selber anordnen will und Herrn Hey zum Laufburschen machen will („Lakai“).

Auch ist das Protokollbuch nicht ,,Eigentum des Kirchenvorstandes“, wie Herr Nothnagel das ansah. Verantwortlich dafür ist der geschäftsführende Pfarrer, der es bei der Pfarramtsübergabe vorweisen muß. Es enthält keine Geheimnisse, die der Verwaltungsleiter nicht wissen dürfte. Die früheren Verwaltungsleiter waren bei den Sitzungen anwesend oder sogar Mitglied des Kirchenvorstandes. Jetzt dagegen können die Mitglieder der Familie Nothnagel ohne Probleme an das Protokollbuch, denn es befindet sich in einer Aktentasche in der Werkstatt. Angeblich braucht Herr Nothnagel es für die Aufstellung der Tagesordnung. Doch mehrfach mußte ich darauf hinweisen, daß in der vorhergehenden Sitzung doch etwas beschlossen worden war, was in der nächsten wieder drankommen sollte (obwohl ich in der Sitzung gar nicht dabei war, aber ich hatte eben das Protokoll gelesen).

In die Verwirklichung der Beschlüsse sollte sich der Vorsitzende hineinknien und nicht in die Kontrolle der Mitarbeiter, die gute Arbeit leisten. Ich mußte Herrn Nothnagel auch vorhalten, daß er ja auch Schriftverkehr selbständig erledigt. So hat er eine Beschwerde eines Rüstzeitleiters über die Qualität des Essens und den Preis nicht ausreichend und sachgemäß genug beantwortet. Eine ganze Reihe Schriftverkehr, der ihm von Frau Holland-Cunz übergeben worden war, befand sich noch in seiner Werkstatt, z.B. der Antrag von Herrn Dalberg auf Zuschuß für eine Rüstzeit. Doch das geschah nicht, den Antrag habe ich mir schließlich beim Dekanat kopieren lassen.

Daß Zahlungsanweisungen  v o  r  der Zahlung erfolgt sein müssen, steht längst in der Dienstanweisung. Praxis ist aber, daß Frau Holland-Cunz an jeden unbesehen Geld auszahlt, der eine Quittung bringt. Ute König hat so z.B. Unmengen an Geschirr gekauft, ohne daß man wußte, ob das zusätzlich angeschafft wurde oder nur verbrauchtes Gerät ersetzte. Doch all diese Dinge wurden gemacht unter Umgehung von Herrn Hey. Nur wußte Herr Nothnagel das nicht, sonst hätte er es wohl nicht vorgebracht, wenn er gewußt hätte, daß Frau Holland-Cunz sich da querlegt.

Schließlich kritisierte Herr Nothnagel erneut, daß unsre Tochter Miriam die Ausgabebelege für von der Kirchengemeinde gekaufte Bücher unterschreibt. Angeblich ist sie nicht ,,ge­schäftsfähig“. Aber dann dürften auch die Kirchenjungen keine Spenden entgegennehmen oder für ihre Aufwandsentschädigung quittieren. Sie erteilt ja keine Zahlungsanweisung, sondern nur den Empfang des Geldes. Herr Nothnagel war erstaunt, als er hörte, daß durch die Abrechnung über den Büchertisch die Portokosten für die Kirchengemeinde und überhaupt der Schriftverkehr gespart werden.

Dann wollte er die Auslastung des Rüstzeitenheims überprüft haben. Er behauptete, sie sei zurückgegangen, und er tat so, als sei das Schuld des Verwaltungsleiters. Tatsache ist, daß im Jahr 1987 die Rüstzeiten zurückgegangen sind, als er bei der Armee war. Damals wurden aber auch Rüstzeiten ohne Rücksprache mit dem geschäftsführenden Pfarrer abgesagt, weil angeblich niemand zum Kochen da war. Vielfach wurden die Gäste auch in die Gaststätte geschickt oder mußten sich selbst versorgen, teilweise sogar selber spülen. Das erhöhte natürlich nicht die Attraktivität des Hauses. Herr Hey dagegen engagierte sich sehr für die Kirchengemeinde. Er hat nicht nur das Bestehende verwaltet, sondern sich Gedanken gemacht und versucht, die Sache voranzubringen. Er sah das Gemeindehaus als seine Aufgabe an und hat sich sehr viel über das übliche Maß hinaus eingesetzt.

 

In der Kirchenvorstandssitzung am 5. Dezember war Herr Hey zunächst mit anwesend. Herr Nothnagel kam auf einige Dinge nicht zurück, z.B. auf die Forderung, über jeden Arbeitsvorgang Buch zu führen. Aber auf dem Posttagebuch und die tägliche Vorlage beharrte er.

Angeblich wäre der Weg zu seiner Werkstatt nicht weit und er wäre dort auch meist anzutreffen (in Wirklichkeit war er meist nicht anzutreffen).

Herr Hey korrigierte ihn: „Sie haben gesagt, ich erteile die Weisung, sämtliche Post zu mir nach Hause zu bringen!“ Frau Marr sagte dazu: „Bei uns auf dem Rathaus darf auch keine Post aus dem Haus!“ Auch der Dekan mußte zugeben, daß bei ihm das Protokollbuch im Pfarrhaus ist und nicht bei dem Laienvorsitzenden.

Herr Hey sagte dann, daß er ja der Weisung nachkommen wolle, aber er wolle wissen, ob es nur um eine Unterrichtung gehe oder auch um den Inhalt. Herr Nothnagel wollte in der Tat jeden Brief erst noch einmal korrigieren und dann noch einmal schreiben lassen. Aber wenn er verlangt, daß jeder Brief zwei Unterschriften tragen sollte, dann ist seine nicht dabei, sondern nur die des geschäftsführenden Pfarrers.

Der Dekan wußte dazu: „Wenn Herr Hey davon spricht, er solle die Schriftstücke in die Werkstatt bringen, so ist das eine Spitze. Herr Nothnagel hat doch ein Büro innerhalb der Werkstatt, das genauso sicher ist wie die Kirchenkasse. Die Briefe sind ja auch keine Geheimnisse!“ Das sagt er, obwohl er nie in der Werkstatt war, die eher einer Rumpelkammer gleicht als einem abgeschlossenen Büro. Und gerade Briefe sind oftmals vertraulich, während es das Protokollbuch nicht ist. Herr Nothnagel bemerkte, er habe keine Zeit, auf die Kirchenkasse zu gehen (wo zu den Öffnungszeiten immer jemand da ist). Aber dann darf er eine solche Forderung nicht stellen oder er muß das Amt aufgeben.

Zu den angeblichen Klagen des geschäftsführenden Pfarrers sagte Herr Hey: „Pfarrer Peters hat oft gesagt, wenn ich ihn fragte oder informierte, das sei doch meine Sache. Er hat sich sogar wohlwollend geäußert, daß Aufgaben auf der Kirchenkasse erledigt werden. Oft weiß er nämlich selber nicht Bescheid. Aber über die Weihnachtsbeihilfe wußte er Bescheid, er hat ja den Auszahlungsbeleg für die Bank unterschrieben!“ Diese Sache war aber Anlaß für die Forderung eines Brieftagebuchs.

Es ging dann noch einmal darum, ob Dienstbesprechungen sinnvoll sind oder nicht. Der Dekan behauptete, Herr Hey wolle nur mit mir zusammenarbeiten und es sei Unsinn, daß der Vorsitzende keinen Einfluß auf den Verwaltungsleiter haben soll (das hatte aber niemand behauptet).

Herr Nothnagel beschwerte sich noch, daß Herr Hey wegen des Heizungsofens für das Gemeindehaus mit dem Bürgermeister verhandelt hatte. Erst war er beauftragt worden, sich um die Baudinge zu kümmern. Jetzt sollte mit dem Bürgermeister auf gleicher Ebene verhandelt werden. Aber dann hätte eben der Pfarrer mitgehen müssen und nicht Herr Nothnagel allein verhandeln können.

Herr Hey fragte noch einmal, an wen er sich wenden solle bei bestimmten Problemen. Da hieß es: „An die entsprechenden Ausschüsse des Kirchenvorstandes!“ Nun kann er sich aussuchen, an wen er sich wenden soll: an den Pfarrer, an den Vorsitzenden oder an die Ausschüsse?

Nachdem Herr Hey verabschiedet worden war, sagte der Dekan noch: ,,Dienstbesprechun-gen sind eine Klima-Angelegenheit!“ Doch in letzter Zeit ist durch sie nur das Klima verschlechtert worden. Und das lag ausnahmsweise nicht an Pfarrer Heckert, denn der war bei den Dienstbesprechungen nicht dabei. Aber in der Regel wurde jede Besprechung nach dem Verlesen der Losung mit einer Spitze von Herrn Nothnagel eröffnet. Die Belastung der Dienstbesprechungen war Herr Nothnagel.

Dann regte sich der Dekan über einen Brief von Herrn Hey wegen der Konfirmandenrüsten auf: „Ich habe hier noch einen Schrieb von Herrn Hey. Eine solche Tonart erlauben sich nur wenige, das erlaubt sich nur der Pfarrer Heckert, sonst keiner. Schreiben Sie es nur mit, Herr Heckert!“ Ein Brief sei an den Dekan zu richten und nicht an das Dekanat, mit Anrede und Gruß. Ich wußte von dem Brief nichts, hatte ihn aber angeblich ,,inspiriert“. Wo ich das denn gelernt hätte, daß man in einem Brief keine persönliche Anrede verwendet, wo ich doch immer solchen Wert auf meine Ausbildung legte.

Ich brauchte nur auf den Brief von Oberkirchenrat Kirchner über die Sondervergütungen zu verweisen, der an das Dekanat gerichtet war, ohne Anrede und Gruß, und der mir ohne Anschreiben des Dekans weitergegeben worden war.

Der Dekan zeigte dann einen Briefumschlag herum, den ich ihm mit einem Brief in Schmalkalden ins Postfach gelegt hatte (bei einem Postfach erübrigte sich meiner Ansicht nach die Anschrift auf dem Umschlag). Auf den Umschlag hatte er ein großes Fragezeichen gemacht; aber die Kirchenvorsteher dachten, dieses sei von mir.

Dann kam erst von Herrn Nothnagel der Hammer dieser Sitzung: „Zwei Gremien versuchen, die Kirchengemeinde zu vertreten: das eine ist der Kirchen vorstand, das andere der Verwaltungsleiter in Verbindung mit Pfarrer Heckert. Ich frage mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn der frühere Hausmeister und die frühere Küchenleiterin geblieben wären. Da haben Kündigungen stattgefunden, die mir jetzt leidtun. Auch der Pfarrer Peters beschwert sich, daß die Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsleiter und Pfarrer Heckert nicht klappt. Pfarrer Heckert stärkt dem Verwaltungsleiter den Rücken gegen mich. Es kann aber nicht sein, daß der Kirchenvorstand kaltgestellt wird und der Verwaltungsleiter und ein Pfarrer alles managen!“

Aber eher ist es so, daß  e r  allein den Kirchenvorstand und die Kirchengemeinde repräsentieren will. An dem Beispiel „Weihnachtsbeihilfe“ war doch gerade erläutert worden, daß keiner übergangen wurde. Es ist schon so, daß Herr Hey mich oft um Rat gefragt hat, weil er von Herrn Peters keine Auskunft erhielt. Wir haben auch oft diskutiert und überlegt, was das Beste ist. Aber ich habe ihn auch immer wieder darauf hingewiesen, daß er dennoch mit Herrn Peters sprechen muß. Mein Fehler war nur, daß ich ihn nicht auch noch an Herrn Nothnagel verwiesen habe.

Aber es ging noch weiter mit Herrn Nothnagel. Zu mir gewandt sagte er: „Es ist Ihnen doch angeraten worden, die Pfarrstelle aufzugeben. Es ist schwer, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Mitglieder des Kirchenvorstandes äußern laut Gedanken über einen Pfarrstellenwechsel. Ich würde Sie bitten - wenn Sie die Möglichkeit sehen - die Pfarrstelle zu wechseln. Ich sehe zuerst die Kirchengemeinde und dann den Pfarrer. Drei Mitglieder sind schon wegen Ihnen ausgetreten!“

Das war natürlich Wasser auf die Mühlen von Frau Jäger: ,,Das ist die Bestätigung, daß wir damals richtig gehandelt haben. Ich bin froh, daß es so schnell zur Einsicht kam. Wir wollten ja nicht, daß der Pfarrer Heckert wegkommt, aber er sollte nicht gegen uns sein. Jetzt bin ich beruhigt und entlastet. Aber ihr habt uns ja nicht geglaubt!“

Herr Reumschüssel erinnerte daran, daß es aber doch auch schlimme Sachen gegeben hat. Und Herr Wilhelm aus Altersbach fragte: „Was wollen wir denn tun, wenn wir noch so einen Pfarrer kriegen wie Pfarrer Peters?“ Darauf antwortete Herr Nothnagel: „Alle Probleme sind lösbar!“ Ich sagte dazu: „Dann überlegen Sie sich einmal, woher Sie in vierzehn Tagen eine Wohnung für Pfarrer, Katechetin und Kantor mit Familien kriegen, von den Kinderdiakoninnen gar nicht zu sprechen!“ Auch Frau Fischer aus Altersbach sagte: „Wir können uns nicht beklagen!“

Der Dekan hat bestimmt wieder behauptet, „der ganze Kirchenvorstand“ sei gegen Pfarrer Heckert gewesen. Dabei hatte nur Frau Jäger dem Herrn Nothnagel zugestimmt, während drei Leute dagegen sprachen. Wie die Meinung wirklich war, zeigte sich bei der Abstimmung über den Rhythmus der Dienstbesprechungen. Der Dekan meinte zwar, darüber brauche man gar nicht abzustimmen, die Meinung sei doch klar. Aber als abgestimmt wurde, da wurde die Festlegung auf einen 14tägigen Abstand abgelehnt.

Herrn Heys Brief wurde noch zweimal verlesen, aber vom Kirchenvorstand als ganz normaler Geschäftsbrief beurteilt (Frau Marr: „Ich hätte auch so geschrieben!“). Ich legte dann noch Wert darauf, daß über die Geschäftsführung etwas protokolliert wird. Der Dekan meinte dazu, es sei doch selbstverständlich, daß sie automatisch auf den zweiten Pfarrer am Ort übergeht.

Ich sagte dazu: „In diesem Fall ist es nicht so, weil ich ja wegen erwiesener Unfähigkeit vom Dekanatssynodalvorstand abgesetzt worden bin!“ Wenn das eine im Protokollbuch steht, muß auch das andere drinstehen. Auch Herr Wilhelm sagte: „Man kann nicht einerseits die Abberufung fordern und andererseits die Geschäftsführung verlangen!“ Ich sagte: „Wenn es so selbstverständlich ist, kann es auch hingeschrieben werden!“

Der Dekan sagte noch: „Wenn Pfarrer Heckert z.B. beurlaubt würde, dann würde eine Regelung von oben erfolgen und z.B. der Vorsitzende als Geschäftsführer eingesetzt. Im Moment aber ist die Sache geregelt!“ Da konnte man schon sehen, was er vorhatte. Aber jedenfalls wurde auf einstimmigen Beschluß protokolliert, daß ich die Geschäftsführung des Pfarramts habe.

Zugeben muß man, daß der Kirchenvorstand der Meinung war, Dienstbesprechungen müßten sein. So kennen sie es ja auch von den Betrieben her. Aber dort werden die Besprechungen vom Betriebsleiter oder Abteilungsleiter einberufen. Der Vorsitzende der Synode in Eisenach hält auch keine Dienstbesprechungen mit den Mitarbeitern des Landeskirchenamtes. Und vor allem geht es nicht, daß der Leiter dabei seine Aggressionen abreagiert.

Zu den Ausführungen von Herrn Nothnagel ist zu sagen: Wenn er den früheren Hausmeister und die frühere Küchenleiterin lobt, dann tut er es wider besseres Wissen. Als ein neuer Hausmeister gesucht wurde, war Herr Nothnagel von Anfang bis Ende in den Vorgang eingebunden. Er wollte gern einen anderen Kandidaten haben (weil er ein ,,Steinbacher“ war). Daß der Kirchenvorstand dann anders entschieden hat, das hat er nicht verwunden und deshalb den gewählten Hausmeister schlecht gemacht.

Der frühere Hausmeister hat sich eines Tages strikt geweigert, die Kirchturmuhr weiter aufzuziehen, während das mit dem neuen anstandslos klappte. Der frühere hat sich geweigert, das Loch für den Kontrollschacht vor dem Gemeindehaus auszuheben, während der neue auf dem Friedhof zwei solcher Löcher samt der dazu gehörenden Gräben gemacht hat. Als der frühere Hausmeister wegen Grippe drei (!) Wochen krankgeschrieben wurde, mußte der Heizer des Kinderkurheims als Vertretung geholt werden, während bei der Krankschreibung des neuen Hausmeisters seine Frau sämtliche Arbeiten übernommen hat und sich kein Pfarrer und kein Kirchenvorstand sich um eine Vertretung bemühen mußte.

Es ist unmöglich, das Küchenkollektiv schlecht zu machen. Da ist eine gute Truppe zusammen, die mit wenig Mitteln viel zuwegebringt, so daß die Küche Gaststätten und sogar Interhotelniveau hatte. Schwierigkeiten gab es nur mit Ute König, die meinte, der früheren Küchenleiterin die Stange halten zu müssen; aber auch sie hatte Zeiten, wo sie sich gut einfügte. Es läuft dort alles bestens, wenn man die Leute in Ruhe läßt.

Der Auftrag an Herrn Nothnagel und Herrn Reumschüssel hätte zurückgezogen werden können, die Besprechungen hätten beschränkt werden können auf Wünsche der Angestellten. Sie waren eingeführt worden, weil der frühere Hausmeister und seine Verwandtschaft Schwierigkeiten machten (nicht wegen Pfarrer Heckert). Aber mit den neuen Leuten gibt es so gut wie keine Schwierigkeiten; da sollte man nur eingreifen, wenn es ausdrücklich gewünscht wird. Jetzt aber ist allein Herr Nothnagel das Problem, der von Verwaltungsleiter, Kindergartenleiterin und Küchenleiterin kritisiert werden muß; doch weil sie ihm widersprechen, macht er sie schlecht.

Er möchte gern über alles informiert sein. Das kann sich aber auf Dinge beziehen, die den Kirchenvorstand angehen. Das Meiste an Verwaltung ist aber nicht Sache des Kirchenvorstandes, die Prüfung der Kirchenrechnung ist Sache der Kirchenaufsichtsbehörde. Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes kann nicht über jede Kleinigkeit informiert werden, das bläht die Verwaltung nur unnötig auf. Der geschäftsführende Pfarrer sollte entscheiden, welche Schriftstücke er dem Vorsitzenden zur Kenntnis gibt. Umgedreht sollten Wünsche des Vorsitzenden an die Verwaltung über den geschäftsführenden Pfarrer gehen, denn auch er muß über wichtige Dinge in der Gemeinde informiert sein. Es geht nicht, daß der Vorsitzende oder auch einzelne Mitglieder des Kirchenvorstandes den Angestellten der Kirchengemeinde Anweisungen geben.

Neu war die Forderung von Herrn Nothnagel, er werde nur den Vorsitz im Kirchenvorstand wahrnehmen, wenn nicht der Pfarrer Heckert die Geschäftsführung hat. Diese Forderung war unbillig, weil er ja gar keine Erfahrungen in dieser Sache hatte. Schließlich war ich ja erst   vierzehn Tage mit der Wahrnehmung der Geschäftsführung beauftragt und hatte dabei nichts mit ihm zu tun. Er dachte dabei wohl an viele Gespräche, in denen ich ihn beraten und ihm auch widersprochen habe und auf Beschlüsse und kirchliche Regelungen hingewiesen habe. Gegen Kritik war er immer sehr empfindlich und reagierte dann mit unqualifizierten Angriffen.

Es war nicht so, daß der Verwaltungsleiter im Verein mit Pfarrer Heckert die Kirchengemeinde allein vertreten wollte, sondern Herr Nothnagel wollte allein die Gemeinde vertreten, sogar gegenüber staatlichen Stellen. Er verstand sich als ,,der Kirchenvorstand“ und gebrauchte dieses Wort als Titel für den Vorsitzenden (der ,,Herr Kirchenvorstand“, so wie es einen Vereinsvorsteher gibt). Er kann aber genausowenig den Kirchenvorstand übergehen wie die Pfarrer oder der Verwaltungsleiter und z.B. Dinge anordnen, die mit dem Kirchenvorstand nicht abgesprochen sind. Er kann überhaupt nichts allein anordnen, sondern nur in Gemeinschaft mit dem geschäftsführenden Pfarrer.

Die Kirche weiß schon, weshalb sie die Geschäftsführung den ausgebildeten und geschulten Pfarrern überträgt. Auch für die anderen hauptamtlichen Angestellten gibt es Ausbildungen und Fortbildungen. Herr Nothnagel aber hat überhaupt keine Ausbildung in kirchlichen Dingen mitgemacht. Oft wird er aber falsch beraten. Herr Dekan Schreiber billigt grundsätzlich jede Maßnahme von Herrn Nothnagel, auch wenn er sie in seinem eigenen Bereich nicht duldet (z.B. Briefe und Protokollbuch im Privathaus). Auch hier wäre es besser gewesen, wenn man die Steinbacher in Ruhe gelassen hätte. Die Aufsicht durch den Dekan und seine „Maßnahmen“ haben nichts gebessert, sondern nur noch mehr Probleme geschaffen.

Hätte Herr Pfarrer Peters im Jahre 1986 den Vorsitz des Kirchenvorstandes turnusmäßig übernommen, hätte Herr Nothnagel nicht eigenmächtig die Ausgabe von Geld veranlassen können, hätte auch Herr Holland-Cunz seine Äußerung nicht zu tun brauchen, hätte Herr Nothnagel keinen Grund gehabt, die Zusammenarbeit mit Pfarrer Heckert abzulehnen. Daß Herr Peters die Aufgaben gepackt hätte, hatte er längst unter Beweis gestellt. Wenn er die Sitzung leitete, ging es sachlicher zu.

Es gab allerdings Probleme mit ihm, die aber wohl durch die Einnahme von Medikamenten hervorgerufen wurden. Zuerst fiel es im Gottesdienst auf, als er die Abkündigungen immer mehr dehnte und mit allerhand Floskeln spickte, gelegentlich kündigte er auch einmal etwas Falsches ab. Im Gottesdienst las er auf einmal eine Lesepredigt vor einschließlich aller Anführungsstriche. Er hatte oft großartige „wunderschöne“ Ideen, die dann andere ausführen sollten. Er wollte burschikos und witzig sein, machte sich dabei aber nur lächerlich.

Einmal hat er uns in der Baracke hinter der Kirche eingeschlossen, als aber niemand reagierte, die Tür noch einmal aufgerissen und gesagt: „Sie hätten nicht herausgekonnt!“ Den Talar in der Friedhofskirche hat er einfach in den Schuppen gehängt, wo er nicht mehr zugänglich war. Als er in Rotterode den Heiligenmeister verabschiedete, hat er mit einer Rosenschere einen kahlen Kirschzweig von den Zweigen in der Vase abgeschnitten und dem Heiligenmeister überreicht. Bei der Verabschiedung der Steinbacher Heiligenmeister fragte er seinen Heiligenmeister in aller Öffentlichkeit nach dem Namen; die Heiligenmeister kamen sich wie Schuljungen vor.

Oft ließ er sich krankschreiben, wenn ihm die Arbeit zu viel wurde und auch wirklich viel Arbeit war, z.B. vor Festen. Aber andere Dinge konnte er durchaus tun, sogar mit dem Auto herumfahren und in den Westen fahren. Nur seine eigentliche Arbeit konnte er nicht tun. Er ging auch nicht in den Gottesdienst, wenn er krankgeschrieben war, auch nicht anderswo. Es war einmal die Rede davon, daß er nur noch Mütterkreis und Hausbesuche machen könnte. Doch wer sollte dann die andere Arbeit machen, wo er doch weiter in der Dienstwohnung saß und auch ungerührt die Fuhrkosten einstrich?

Der Ärztin und dem Staat war es auch egal, denn das Krankengeld mußte ja die Kirche zahlen. Der Dekan drehte und wendete sich und unternahm nichts, obwohl er nach Kirchengesetz dazu verpflichtet war. Er wollte Vertretung aus dem Dekanat anbieten und machte mir sogar Vorwürfe, ich wollte sie nicht haben (Wenn Leute wegen einer Beerdigung zu mir kommen, kann ich sie nicht nach Schmalkalden schicken). Herr Reumschüssel sagte dazu: „Wir brauchen keine Vertretung, sondern einen voll einsatzfähigen Pfarrer!“ Es war bald klar, daß die Sache auf eine vorzeitige Pensionierung hinauslaufen würde.

Im Oktober und November 1988 arbeitete Herr Peters wieder einmal einige Tage. Aber am Samstag, dem 4.11, gab er um 21 Uhr Herrn Nothnagel die wörtlich abgeschriebene Gottesdienstordnung und einen Artikel aus ,,Glaube und Heimat“, damit er am Sonntag den Gottesdienst halte. Ich erfuhr am Montag um 17 Uhr, daß ich um 18 Uhr die Andacht zur Friedensdekade halten sollte; diese hatte der Kirchenvorstand unbedingt haben wollen, aber nun hing wieder alles an mir, vom Kirchenvorstand kam nur zweimal je einer.

Doch die Gemeindearbeit lief wenigstens. Selbst im Kirchenvorstand hätte es gut weitergehen können, denn es wurde eine Zeit sachlich gearbeitet und viel geschafft. Aber dann fing Herr Nothnagel in den Sitzungen am 7.11. und 4.12. an, Dinge herbeizuzerren, die nicht auf der Tagesordnung standen und nicht vorher mit den Ausschüssen und Angestellten abgesprochen waren.

Stundenlang wurde der Kirchenvorstand damit aufgehalten. Aber am Ende stellte sich heraus, daß keine der Aussagen von Herrn Nothnagel Bestand hatte (Klohäuschen hinter der Kirche, Miriams Unterschrift, u.a.). Es wurde endlos diskutiert und richtiggestellt, anstatt das vorher im Ausschuß abzuklären. Aber Herr Nothnagel hätte mir nicht vorwerfen dürfen, ich schaffe Unruhe, nachdem  e r  unqualifizierte Angriffe gestartet hatte. Man muß da schon unterscheiden, wer eine Sache in die Welt gesetzt hat und wer sie nur wieder aus der Welt schaffen wollte.

 

Der weitere Fortgang der Sache wurde bestimmt durch die Frage der Geschäftsführung. Zunächst schrieb der Verwaltungsleiter einen Brief an den Landeskirchenrat in Eisenach, in dem er um Auskunft bat, wie es sich denn nun mit der Geschäftsführung in der Gemeinde verhält, d.h. wer ihm etwas zu sagen hat und ob auch Herr Nothnagel ihm bestimmte Dinge anordnen kann.

Der Bischof antwortete darauf am 9. Dezember: Wenn der geschäftsführende Pfarrer verhindert ist, wird die Geschäftsführung durch den dienstältesten Pfarrer vorgenommen, bei nur zwei Pfarrern am Ort also durch den anderen Pfarrer. Die Weisung, täglich Brief- und Geschäftsverkehr dem Laienvorsitzenden nach Hause zu bringen, kann nicht eingefordert werden. Es ist nicht zulässig, Brief- und Geschäftsverkehr außerhalb des Pfarramtes zu führen.

Der Bischof mahnt auch zur Einigkeit: Man solle sich zusammensetzen und in Offenheit und brüderlicher Gesinnung beraten, wie die Verwaltung der Kirchengemeinde am einfachsten und für die Beteiligten am menschenfreundlichsten geschehen kann.

Aber es wurde auch hier wieder versäumt, direkt einzugreifen. Die Weichen waren ja schon falsch gestellt worden, als entgegen der Verfassung der Landeskirche ein Laienvorsitzender eingesetzt wurde.

 

Inzwischen hatte Herr Nothnagel wiederum für den 19. Dezember eine Kirchenvorstandssitzung angesetzt, ohne den Termin mit mir abzusprechen. Es war das vierte Mal in diesem Jahr. Da konnte man wirklich nicht mehr sagen, ich hätte nur Dienstgeschäfte vorgeschoben und mich vor einer Sitzung gedrückt. Es ist für jeden Außenstehenden unvorstellbar, daß ein Laienvorsitzender eine Kirchenvorstandssitzung einberuft, ohne sich mit den Pfarrern über den Termin abgestimmt zu haben. Aber in Steinbach-Hallenberg wurde das jetzt zur Regel.

Der Dekan sagte dazu aber wieder, ich müßte mich eben entscheiden, was mir hier wichtiger sei.

Ich hatte den Adventsmütterabend in Vertretung für Pfarrer Peters zu halten. Der Termin war Anfang September in der Dienstbesprechung festgelegt worden. Schwester Irma war krank und fiel auch aus. Meine Frau war mit; aber sie konnte unmöglich das Programm von drei Stunden allein bestreiten, bei so einer Sache muß der Pfarrer einfach dabei sein. Für mich war es deshalb klar, wie zu entscheiden war: Ich konnte die Frauen nicht sitzenlassen, nur weil ein Herr Nothnagel nicht weiß, was sich gehört.

 

In der Pfarrkonferenz am 14. Dezember 1988 wurde dann eine Neuregelung der Vertretung für Pfarrer Peters mitgeteilt. Der Dekan vertrat - obwohl er den Brief des Bischofs an den Verwaltungsleiter kannte - die Meinung: Wenn im Krankheitsfall die Vertretung nicht glatt geht und der Fall unklar ist, regelt der Dekan die Vertretung. Dabei gab es bei der Vertretung in der Gemeindearbeit keine Probleme, weil alles lief wie all die Jahre. Und auch in der Verwaltung war alles durch Kirchengesetz klar.

Dennoch sollte jetzt alles auf mehrere Schultern verteilt werden: Der pensionierte Pfarrer Weiß in Springstille (vorher Pfarrer in Steinbach-Hallenberg) wird für den Bereich von Pfarrer Peters die Vertretung übernehmen, die Geschäftsführung übernimmt Pfarrer Schulte aus Oberschönau. Dann ist Herr Nothnagel bereit, den Vorsitz weiter zu führen.

Den Konfirmandenunterricht für die Oberstadt sollte ich allerdings weitermachen. Ausgerechnet das, was wirklich Arbeit macht und mir den einzigen freien Nachmittag noch wegnahm, sollte mir bleiben. Ich bat den Dekan, wenn schon, dann auch das mir abzunehmen. Er meinte auch, es sei wohl nicht schwer, dafür jemand zu finden, aber bis Ende Januar 1990 hatte sich auf diesem Gebiet nichts getan.

Für die Neuregelung der Vertretung lag kein Grund vor. Niemand hatte sich beschwert, daß eine Arbeit nicht getan worden sei, niemand hatte um Entlastung gebeten. Auch in der Verwaltung lagen keine Versäumnisse vor. Es lag kein unklarer Fall vor, höchstens dem Laienvorsitzenden war nicht klar, welches seine Aufgaben sind bzw. nicht sind. Seine eigentliche Aufgabe, die Durchführung der Beschlüsse des Kirchenvorstandes, erledigte er nicht, aber in die Aufgaben des Pfarramtes und des Verwaltungsleiters mischte er sich ein.

Der Störenfried war allein Herr Nothnagel. Er behauptete, auch Pfarrer Peters komme mit dem Verwaltungsleiter nicht hin, während dieser selber sagte: „Ich bin gerade dabei, ein gutes persönliches Verhältnis zu ihm aufzubauen! Eine harmonische Adventsfeier fand statt. Die Behauptung des Dekans, ich sei nur bedingt bereit gewesen, die Geschäftsführung zu übernehmen, stimmt einfach nicht; ich wollte nur, daß ich ordnungsgemäß beauftragt werde, damit nicht jeder behaupten konnte, ich sei ja nicht der Geschäftsführer!“ Als das entsprechend protokolliert wurde, haben weder der Dekan noch der Vorsitzende einen Einwand erhoben.

 

Erst in der Sitzung des Dekanatssynodalvorstandes am 9. Dezember wurde wieder alles anders dargestellt und anders beschlossen. Man muß das schon genau beachten, daß alles klar war und erst von einigen Leuten außerhalb von Steinbach-Hallenberg etwas herbeigezerrt wurde. Doch dann klappte es mit der Vertretung durch Herrn Weiß nicht. Offenbar hat man die Einzelheiten erst nachträglich mit ihm besprochen. Der Dekan hatte eindeutig gesagt, Herr Weiß würde für den Bereich von Pfarrer Peters die Vertretung übernehmen. Jetzt aber sagte er, er werde nur die Amtshandlungen und einen Teil der Gottesdienste übernehmen. Daraufhin sollte wieder Herr Schulte die Einteilung der Gottesdienste organisieren (ohne sich mit mir abzusprechen tat er das!).

Ich rief den Dekan an und fragte ihn nach der Vertretung für Gemeindekreise, Allianzgebetswoche und Geburtstagsbesuche. Er versprach mir, noch einmal alles schriftlich zu geben (später behauptete er, ich habe die Beauftragung für den Konfirmandenunterricht schriftlich haben wollen). Der Dekan sagte mir, ich solle die Abkündigungen zusammenstellen; am nächsten Tag kam aber Herr Schulte und sagte mir, e r  mache das. Die Verwirrung war total.

Für die Gemeindeglieder und die Angestellten wurde dadurch natürlich alles umständlicher. Es wurde nicht einmal mitgeteilt, wo Herr Weiß zu erreichen ist und ob er Telefon hat. Für die Gemeindeglieder ist es schwer verständlich, wenn sie nach außerhalb gehen sollen, wenn noch ein anderer Pfarrer am Ort ist. Später sollten bei Trauerfeiern in Schmalkalden auch noch die Schmalkalder Pfarrer eingesetzt werden und es wurde vorher erst wer weiß wie lange telefoniert, bis sich einer fand. Deshalb bat ich mit einem Schreiben am 21.12. den Landeskirchenrat, die Vertretung zu regeln.

 

Die Antwort des Landeskirchenamtes gab der Diplomjurist Schurig, der Stellvertreter des juristischen Mitglieds des Landeskirchenrates. Er führte aus: In Verwaltungsdingen (z.B. Führung der Kirchenbücher, Patenbescheinigungen) ist der andere Pfarrer der Vertreter des erkrankten Pfarrers. Die Gemeinde-Dienste (Gottesdienste, Amtshandlungen) teilt der Dekan ein.

Doch dieser hatte bisher immer die Meinung vertreten, das regele sich automatisch, da ja im Dekanat immer zwei Pfarrer aneinander gewiesen sind. Außerdem hatte Herr Nothnagel ja nicht an der Gemeindearbeit Anstoß genommen, sondern an der Verwaltung: Als geschäftsführenden Pfarrer wollte Herr Nothnagel mich nicht haben, das wollte er selber machen.

Was ich in dem Telefongespräch mit dem Dekan ausgeführt hatte, wurde von diesem bald wieder verdreht: Ich hatte mich nicht darüber beschwert, daß ich den Konfirmandenunterricht übernehmen sollte, sondern mir ging es darum, etwas schriftlich in die Hand zu bekommen, wie es denn nun mit der Vertretung werden solle, denn seit der Pfarrkonferenz hatte sich da ja wohl einiges geändert bzw. einige Punkte standen noch offen.

Ich habe nicht die Beschlußfähigkeit des Kirchenvorstandes angezweifelt, denn dieser hatte ja nichts zu beschließen, sondern es wurde nur angeordnet. Ich habe auch nicht von mir aus dem Dekan deutlich machen wollen, daß alles von ihm Angeordnete keine Gültigkeit habe, sondern ich berief mich auf eine Auskunft des Landeskirchenrates.

Meinen guten Willen zeigte ich dadurch, daß ich dennoch mit den Oberstädtern Konfirmandenunterricht machte (nur nicht die beiden ersten Wochen im Januar, weil der Unterricht sowieso ausgefallen wäre, weil Pfarrer Peters da im Westen war). Ich hatte auch schon besprochen, daß ich in den Winterferien mit den Oberstädtern Konfirmandenunterricht machen wollte, um den großen Rückstand aufzuholen.

Es kam dann auch gleich zu einer ganzen Reihe von Pannen, weil Herr Pfarrer Schulte zwar anordnen wollte, aber vorher keine Information einholte. Zwar sollte jeder Pfarrer über Verwaltungsdinge Bescheid wissen. Aber bei einer so komplizierten Gemeinde wie Steinbach-Hallenberg war es üblich, daß ein Pfarrer immer erst einmal einige Jahre da war, ehe ihm die Geschäftsführung übertragen wurde.

Am 23. Dezember war nicht in den Kästen ausgehängt, wann die Gottesdienste über Weihnachten sind. Der Kirchenjunge erhielt keinen Liederzettel. Als an Heiligabend eine Beerdigung angemeldet wurde, war niemand greifbar für die Aushänge, die unbedingt nötig waren, weil über die Feiertage keine Zeitung erschien. Es war nicht bekannt, ob am 1.Weihnachtstag Abendmahl sein sollte.

Zum Glück hatten die Oberstädter Heiligenmeister von mir einen Schlüssel zum Panzerschrank, so daß sie an die Abendmahlsgeräte konnten. Nachher standen diese allerdings über Nacht im Flur des Pfarrhauses, eine Dose blieb in der Kirche, ein goldener Löffel fehlte. Auch die Kollekte von rund 600 Mark stand ungezählt in dem Zimmer des Pfarrhauses, das jedermann zugänglich ist.

Erst am 23. Dezember erhielt ich Nachricht, wann und wo ich an Silvester Gottesdienst zu halten habe; da ich für die Dörfer vorgesehen war, mußte ich eine neue Predigt machen; wer die anderen Gottesdienste halten sollte, stand noch nicht fest, ich erfuhr erst am 30..12., daß es damit tatsächlich klappte. Bei einer Trauerfeier fehlte die Orgel, weil versäumt worden war, sie wieder von der Stadtkirche in die Friedhofskirche zu bringen.

Die Prediger nahmen sich die Freiheit, auch einmal etwas anderes abzukündigen, als es im Abkündigungsbuch stand. Herr Weiß ließ die Konfirmanden entgegen der Sitte der Gemeinde zur Psalmlesung aufstehen. Im Gottesdienst am 8. Januar wurde ein Lied ,,Jesus der Gammler“ zur Gitarre gesungen; aber das hat offenbar nicht so sehr gestört wie der Beitrag von Frau Marr zu Umweltfragen.

Bei der Allianzgebetswoche wurde ich einfach ausgebootet: Sonst machten das die Steinbacher Pfarrer mit dem Prediger der Landeskirchlichen Gemeinschaft. Jetzt waren auf einmal auch Herr Schulte und Herr Weiß einbezogen, obwohl Herr Schulte doch nur die Geschäftsführung und Herr Weiß nur die Amtshandlungen machen sollte. Jetzt sollten auf einmal nur vier Abende gemacht werden und ich wurde für einen Abend vorgesehen, wo ich in Altersbach schon Allianzgebetswoche hatte. Doch darauf wurde nicht Rücksicht genommen, ich war eben nicht dabei. Das hat es bisher in Steinbach nicht gegeben und widerspricht auch dem Wesen der Allianz, wonach alle mitmachen. Aber auch diesmal ging es wohl wieder darum, zu beweisen, daß man auch ohne mich auskomme.

Am Nachmittag des 13.1. hing die Einladung zu einer Vorbesprechung für die Goldene Konfirmation in den Kästen, die zur gleichen Zeit angesetzt war wie die Probe des Posaunenchors in dem einzigen Raum, der zur Verfügung stand, obwohl es mit dieser Besprechung durchaus noch Zeit hatte.

Am 12.1. rief mich Herr Nothnagel im Auftrag von Pfarrer Schulte an, am Montag, dem 16.1., sei um 16.30 Uhr eine Finanzausschußsitzung, in der es um Arbeitsverträge gehen sollte. Am gleichen Tag teilte mir der Verwaltungsleiter im Auftrag der Vorsitzenden des Finanzausschusses mit, am Dienstag sei um 16.30 Uhr eine Sitzung des Finanzausschusses, in der die Kirchenrechnung geprüft werden soll. Ich mußte Herrn Schulte erst deutlich machen, daß nach dem Willen des Dekans der geschäftsführende Pfarrer nicht automatisch Mitglied des Finanzausschusses ist (ich war es durch Wahl).

 

Am Montag, dem 16. Januar 1989, war zunächst eine Dienstbesprechung. Als Herr Nothnagel wiederum verspätet erschien, hatte er als erstes zu kritisieren, daß schon die Küchenkräfte mit dabei waren, er hatte zunächst nur mit den Leitern sprechen wollen. Aber nun war es auch so wieder recht und nach zehn Minuten war alles erledigt. Dann wurde noch mit den Küchenkräften allein gesprochen und alle anstehenden Dinge geklärt.

Im Anschluß daran verlangte Herr Nothnagel vom Verwaltungsleiter Hey den Brief, den er an den Landesbischof geschrieben hatte. Herr Hey wollte ihn vorlesen, aber Herr Nothnagel wollte ihn mitnehmen. Ich wies darauf hin, daß der Brief von Herrn Holland-Cunz mir auch nicht ausgehändigt wurde, so daß ich dazu Stellung nehmen konnte.

Herr Nothnagel vertrat ganz im Gefolge des Dekans den Standpunkt, daß es sich nicht um einen privaten Brief handele, da er ja an die Anschrift des Gemeindehauses gegangen sei. Herr Hey konnte jedoch darauf verweisen, daß der Bischof es nicht für nötig erachtet hatte, dem Dekan eine Ablichtung des Briefes zu schicken und auch seine Antwort nicht über den Dekan gehen ließ.

Herr Nothnagel vertrat schließlich sogar die Meinung, der Dienstweg des Verwaltungsleiters in Steinbach-Hallenberg ginge über den Verwaltungsleiter des Dekanats in Schmalkalden. Das war ja nun ganz falsch, denn Vorgesetzter des Verwaltungsleiters ist allein der geschäftsführende Pfarrer. Und wenn der es für richtig und wichtig hält, informiert er den Kirchenvorstand und dessen Vorsitzenden.

Wir sprachen dann noch über alle anderen anstehenden Probleme, über Ute Königs Wünsche nach Lohnzulage, über die Arbeit von Frau Künzel und den fehlenden Arbeitsvertrag, über den Antrag der Altersbacher, Filialort zu werden, über die Beschwerden Herrn Nothnagels über meine Frau. Insgesamt waren es dreieinhalb Stunden. Das Gespräch war - abgesehen vom Anfang - weitgehend sachlich. Herr Nothnagel sagte eindeutig, er werde nicht zurücktreten, auch wenn ich die Geschäftsführung habe.

Am Abend war noch von 17 bis 19 Uhr Finanzausschußsitzung, in der auch ganz sachlich einige schon lange anstehende Dinge geklärt wurden. An sich sah die Lage nach meiner Meinung nicht so schlecht aus. Allerdings hatte ich Herrn Nothnagel eine Zusammenstellung der Stellungnahmen des Landeskirchenamtes mitgegeben, die ich auch einigen anderen Kirchenvorstehern gegeben hatte. Diese brachte er noch am Abend zum Dekan. Dieser war besonders erbost über den Satz: „...ist eine Übertragung der Geschäftsführung des Pfarramtes an einen Pfarrer einer anderen Kirchengemeinde durch das Dekanat als rechtsunwirksam, weil nicht verfassungs-konform, zu betrachten!“

 

In der Pfarrkonferenz am 18. Januar 1989 erfuhr ich dann nähere Einzelheiten aus der jüngsten Vergangenheit. Weil ich auf die Breitseiten von Herrn Nothnagel in der Kirchenvorstandssitzung am 5. Dezember nicht reagierte, wandte er sich an den Dekanatssynodalvorstand und erklärte dort: Weil Pfarrer Heckert und der Verwaltungsleiter gegen mich arbeiten, will ich nicht mehr den Vorsitz wahrnehmen! Eine halbe Stunde hat er dann Einzelheiten aufgezählt. Sicher waren das all die Dinge, die in der Kirchenvorstandssitzung am 7. November längst widerlegt waren. Aber jetzt war ja niemand im Dekanatssynodalvorstand dabei, der ihm widersprechen konnte.

Bei der Sitzung war Propst Albrecht aus Bad Hersfeld dabei, den der Dekan gern als Berater herangezogen hat. Dieser hatte im Jahre 1988 einmal mit mir gesprochen und mir am 1. November 1988 auch einmal geschrieben. Er war der Einzige, der auch mich einmal hat erzählen lassen. Aber jetzt zeigte sich, daß er zwei Seiten hat, wie das die Pfarrer von ihm sagen. Er sagte zum Dekan: ,,Jetzt sind Sie dran!“ Er war es, der dem Dekan die Idee mit der Neuregelung der Vertretung eingab. Auf ihn hat der Dekan mehr gehört als auf das, was vom Landeskirchenamt kam und die Rechtslage beschrieb.

Wieder behauptete der Dekan, mein Fehlen in der Kirchenvorstandssitzung am 19. Dezember sei mutwillig gewesen. Er bezeichnete mich erneut als Lügner und sagte: „Das stimmt alles nicht. Der Termin für den Mütterabend wurde noch nicht im September festgelegt. Diesen Kreis leitet Pfarrer Heckert ja gar nicht!“ Aber wenn Herr Peters nicht krank gewesen wäre, hätte er den Abend halten müssen und hätte in der Kirchenvorstandssitzung gefehlt, auch ihn hätte man bei der Festlegung des Termins nicht übergehen dürfen.

Am 28. Dezember war der Dekan schon einmal in Eisenach beim Baurat und sprach dabei auch mit Herrn Kirchner, dem juristischen Oberkirchenrat, der aber nur den Brief von Herrn Hey kannte, nicht meine „dreiseitige Beschwerde“ vom 21. Dezember (es war eine zweiseitige Anfrage).

Vor der Sitzung des Dekanatssynodalvorstandes am 13. Januar hätte ich den Dekan angerufen und mitgeteilt, ich sei von Eisenach als geschäftsführender Pfarrer eingesetzt. Gesagte hatte ich: „Ich halte mich an das, was Eisenach sagt!“ Darauf hätte Herr Herbert Johannes vom Dekanatssynodalvorstand gesagt: „Es kann doch nicht sein, daß Eisenach sich über die Organe des Dekanats hinwegsetzt. Das kann nur eine Rechtsauskunft sein!“ In Wirklichkeit war es aber so, daß Organe des Dekanats sich über Eisenach hinwegsetzten.

Angeblich hat der Dekanatssynodalvorstand schon an diesem Freitag beschlossen, geschlossen (!) nach Eisenach zu fahren. Aber am Montag war ,,nur dieser Schurig zu erreichen, der diesen Brief verantworten muß. Es war lediglich eine juristische Auskunft, wie es nach der Verfassung ist; über die Verhältnisse ist ihm ja nichts bekannt!“ Doch sicherlich gilt die Verfassung für alle Verhältnisse in der Kirche, und diese sind von mir durchaus nicht verschwiegen worden.

Am Dienstag hat der Dekan zunächst wieder bei Herrn Schurig angerufen und ihn aufgefordert, mir deutlich zu machen, daß es sich nicht um eine Weisung handele, weil es ja nicht um eine normale Angelegenheit geht. Er ist am Telefon so ,,scharf geworden“, daß Herr Schurig den Hörer auflegte.

Der Dekan ließ sich mit Oberkirchenrat Große verbinden, der an diesem Tag als einziges Mitglied des Landeskirchenrates anwesend war. Der mußte also für ein Gespräch zur Verfügung stehen.

Dekan Schreiber, Pfarrer Hoffmann und Herr Nothnagel fuhren noch am gleichen Tag hin und haben ein ,,klärendes Gespräch“ mit Oberkirchenrat Große geführt. Dieser habe angeblich gesagt: „Die juristische Auskunft ist ohne Kenntnis der Sache erfolgt und hat keinerlei Verbindlichkeit!“ Weiter sagte der Dekan: „Die von mir angeordneten Dinge sind in Gültigkeit. Schulte hat die Geschäftsführung und nicht Heckert. Herr Schurig wird sich vorsehen, solche ungeschützten Dinge zu tun!“ Herr Hoffmann sagte dazu: „Die Rechtsauskunft hebt Maßnahmen des Dekanats nicht auf!“ Herr Schulte verlangte gleich eine ordentliche Übergabe.

Nach der Pause griff Pfarrer Krahmer noch einmal das Thema auf und verlas eine Resolution, durch die die Pfarrkonferenz mich auffordern sollte, die Pfarrstelle zu wechseln. Er wolle auch als erster unterschreiben, auch Pfarrer Hauser wollte unterschreiben. Die anderen aber lehnten ab und sahen es als untaugliches Mittel an. Es war schon das zweite Mal, daß Herr Krahmer so eine Unterschriftensammlung machen wollte (das erste Mal, als er sich von mir wegen des Briefes an den Kreisratsvorsitzenden distanzieren wollte); aber auch diesmal wurde es nichts.

Herr Fischer aus Fambach sagte resignierend zu mir: ,,Der Zug ist abgefahren, jetzt müssen Sie sich bewegen!“  Er wollte damit ausdrücken: so kann es einem gehen, auch wenn man im Recht ist.

Weil ich Donnerstag und Freitag drei Trauerfeiern hatte, konnte ich nicht nach Eisenach fahren, obwohl ich wußte, daß am Montag der Landeskirchenrat sich mit der Sache befassen sollte. Aber Herr Hey fuhr auf gut Glück nach Eisenach, konnte dort aber auch wieder nur mit Herrn Schurig sprechen. Dieser ist ein noch junger Mann, der richtig an der staatlichen Fakultät Jura studiert hat, während Oberkirchenrat Kirchner keine juristische Ausbildung hat. Dies ist offenbar das Problem zwischen beiden gewesen, denn der eine war der Fachmann und der andere wollte ihm beweisen, daß er nichts kann.

Herr Schurig hat während des Gesprächs sich zweimal bei Herrn Kirchner vergewissert und dieser hat gesagt: „Wir können nicht gegen die Verfassung handeln!“ Er meinte, es stelle sich alles anders dar, als es der Dekan dargestellt habe. Schlimmstenfalls würde der Landeskirchenrat sich heraushalten.

Aber eine Absetzung sei nicht möglich, wenn einer 20 Jahre Pfarrer gewesen ist, schon gar nicht wegen so einer Sache. Es gäbe auch in anderen Gemeinden Schwierigkeiten mit den Laien, so hätten sie sich das nicht gedacht mit dem Laienvorsitz. Auch mit dem Dekan hätten sie schon allerhand Schwierigkeiten gehabt.

Herr Hey hat noch ein Schreiben von mir mitgenommen, in dem ich versuchte, auf die Hauptargumente des Dekans einzugehen. Am Schluß schrieb ich: ,,Im Augenblick wird das Betriebsklima nur durch Herrn Nothnagel belastet. Wir haben z.Zt. im Gemeindehaus eine gute Truppe zusammen. Auch im Kirchenvorstand sind es nur Einzelne, die mit ihren Ansichten zum Zug kommen wollen, ohne auf das Ganze zu sehen. Ehe man ein Urteil fällt, sollte man erst einmal die Angestellten und den ganzen Kirchenvorstand hören. Es kann doch nicht angehen, daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Pfarrer und Vorsitzendem automatisch dem Pfarrer die Schuld gegeben wird. Da muß man doch erst einmal den Sachverhalt prüfen und dann den in die Schranken weisen, der seine Befugnisse überschritten hat!"

 

Am Montag, dem 23. Januar 1989, war dann wieder Kirchenvorstandssitzung. Der Dekan hatte dazu auch wieder Pfarrer Hoffmann eingeladen, so daß der Dekanatssynodalvorstand zusammen mit Herrn Nothnagel beschlußfähig war, wie der Dekan ausführte (Beschlüsse können aber bekanntlich nur in ordentlicher Sitzung gefaßt werden, zu der alle eingeladen werden).

Zu meinem letzten Brief an den Landeskirchenrat sagte der Dekan scharf: ,,Ich habe überlegt, ob ich den Brief weiterreichen soll, der viele Halbwahrheiten und Unrichtigkeiten enthält. Die Sitzung des Landeskirchenrats wird sich nicht mit der Frage des Vorsitzes in Steinbach-Hallenberg befassen, sondern nur klarstellen, daß sich eine Rechtsauskunft nicht gegen die Organe des Dekanats richtet, zumal schwerwiegende Gründe vorliegen. Es handelt sich nicht um eine Auskunft des Landeskirchenrats, sondern der Rechtsabteilung des Landeskirchenamtes!“

Zu den „Halbwahrheiten“ rechnete der Dekan, daß Arno Nothnagel auch noch andere Gründe für seinen Austritt gehabt habe (ich habe nur den Hauptgrund genannt) oder daß Frau Holland doch einen Brief geschrieben hat (es gab aber drei unterschiedliche Lesarten, an wen er gerichtet worden ist, sie hat ihn auch wieder zurückgezogen; jedenfalls ging er nicht an den Kirchenvorstand, der erfuhr erst jetzt davon).

Nach dem Dekan fuhr gleich Herr Nothnagel fort: „Pfarrer Heckert lügt in dem Brief wie gedruckt. Es gab Pannen und Gerüchte in Rotterode wegen der Konfirmandenprüfung. Es weiß jeder, daß die drei Leute wegen Pfarrer Heckert aus dem Kirchenvorstand ausgetreten sind. Es ist gelogen, daß Arno Nothnagel keinen Auftrag hatte, sich um die Lohndinge zu kümmern. Mit den Prämien für die Angestellten waren wir zwei Jahre im Rückstand; es hätten 10.000 Mark ausgezahlt werden müssen, ich (!) habe nur die Hälfte ausgezahlt. Als ich mit Pfarrer Peters zusammenarbeitete, hat Pfarrer Heckert die Verbindung zu mir reduziert. Die Anschaffung eines Schreibtisches für Frau Heubel war ein Gelegenheitskauf (es war ein überteuerter Ladenhüter der Firma Möbel König). Der Verwaltungsleiter setzt Schriftstücke in Umlauf, die nicht gegengezeichnet sind. Der Kirchenvorstand ist für die Aufsicht zuständig, er darf nicht übergangen werden. Pfarrer Heckert hat übertrieben: Es ist zweckmäßig, daß der Verwaltungsleiter Aufzeichnungen über seine Tätigkeiten macht, aber es stimmt nicht, daß das mit Datum und Uhrzeit verlangt worden wäre. Daß die Dienstbesprechung auf Wunsch der Küchenangestellten auf Montag verlegt worden ist, das ist gelogen, sie ist wegen Pfarrer Schulte auf Montag verlegt worden!“ (Der war gar nicht dabei!).

Inzwischen war es fast 21 Uhr. Herr Manfred Usbeck wandte sich an Herrn Nothnagel: „Ich stehe dir skeptisch gegenüber. Ich denke noch daran, mit welcher Begründung du mich für den Kirchenvorstand geworben hast. Da wurde nur Negatives gesagt. Aber Pfarrer Heckert hat nicht nur Negatives gemacht!“ Frau Fischer und Frau Willing schlossen sich dem an.

Dann wieder der Dekan: ,,Dieser Brief ist völlig unmöglich, nachdem die Pfarrkonferenz zwei Stunden positive Ratschläge gegeben hat. Aber Pfarrer Heckert weiß es ja besser als alle!“

Herr Nothnagel antwortete dann Herrn Usbeck: ,,Ich habe in der Vergangenheit viel für Pfarrer Heckert getan. Bei der Beschwerde Häfner habe ich um Stimmen gebettelt (!). Das war ein Fehler, ich habe meine Strafe gekriegt. Aber ich (!) habe die Dinge zum Wohle der Gemeinde zu entscheiden. Wenn ich feststelle, daß das Verhalten eines Pfarrers sich ungut entwickelt, bin ich gefordert, die Dinge kritisch zu sehen. Ich habe das Wohl der Gemeinde im Auge und nicht persönliche Vorteile (!) eines Pfarrers!“

Dann wurde verlesen, wie Pfarrer Schulte die Zusammenarbeit einschätzt: „Pfarrer Heckert stand mir ablehnend und feindlich gegenüber. Er versuchte, die Arbeit zu behindern, hat Termine verändert oder unmöglich gemacht. Es gab dauernden Streit, wer was macht. Er hat versucht, mir jede Kleinigkeit zuzuschieben. Es sollte bloß der Vorsitzende verächtlich gemacht werden. Und so etwas will ein Pfarrer sein!“ Das war mir gleich klar, daß jetzt noch andere Pfarrer mit hineingezogen werden sollten, um dann auch zu sagen: mit dem kann man nicht!

Ich hatte dann 24 Minuten Zeit, einige Beiträge zu geben, wurde aber ständig von anderen unterbrochen und mußte antworten. Herr Döll wollte dann wissen, wie die Sache steht. Der Dekan sagte: ,,Ich habe Nachricht aus Eisenach, daß eine Auskunft nicht die Organe des Dekanats anweisen kann. Wir werden noch benachrichtigt werden!“

Er war der Meinung, daß erst noch ein Gespräch stattfinden würde, ob ein gedeihliches Zusammenarbeiten noch möglich ist. Ich wandte ein, daß es dafür andere Organe gibt, die im Auftrag des Landeskirchenrates arbeiten. Doch der Dekan sagte: „Das wird heute durchgeführt!“ Sicherlich hatte er dabei im Auge, daß er so allein reden konnte, ohne daß mir Einwendungen möglich waren und ohne einen unabhängigen Vorsitzenden.

Dann formulierte Herr Nothnagel seinen Antrag: ,,Der Kirchenvorstand empfiehlt Pfarrer Heckert, die Pfarrstelle zu wechseln, weil ein gedeihliches Zusammenarbeiten nicht möglich ist!“ Um 22.05 Uhr mußte ich die Sitzung verlassen und wurde um 22.35 Uhr wieder zurückgeholt.

Für die Abstimmung waren schon Zettel vorbereitet gewesen. Sie lautete 14 : 4 für den Antrag bei einer Enthaltung. Wieder einmal hatte der Kirchenvorstand durch Manipulation einiger Leute genau das Gegenteil von dem beschlossen, was er in der vorhergehenden Sitzung festgelegt hatte.

Wie es zu diesem Umschwung kam, ist mir nicht so recht deutlich. Herr Nothnagel muß sich jedenfalls schon vor der Sitzung seiner Sache sicher gewesen sein. Ich kann mir das nur so erklären, daß er vorher bei allen rumgegangen ist (mit Ausnahme der Altersbacher) und ihnen irgendwelche Versprechungen über einen in Aussicht stehenden Nachfolger gemacht hat, denn es waren ausnahmsweise alle anwesend (bis auf zwei Altersbacher), und das trotz gleichzeitiger Stadtverordnetenversammlung. Der in Aussicht genommene Nachfolger wird wohl Martin Lieberknecht gewesen sein. An sich hätte man ihn gern auf der Pfarrstelle in der Oberstadt gehabt. Aber weil Herr Peters die Stelle nicht so schnell frei machte, schoß man sich eben auf mich ein. Das paßte gut zu dem staatlichen Wunsch, daß ich in einen anderen Landkreis abgedrängt werden sollte.

Entschieden haben die Sache die Rotteroder, weil sie Pfarrer Peters loshaben wollten und einen Nachfolger Lieberknecht begrüßt hätten. Wenn sie weiter zu mir gehalten hätten, dann hätte es zusammen mit den Altersbachern unentschieden gestanden. Dann hätte ich noch gekämpft. So aber war alles entschieden!

Es ging dann noch gegen Herrn Hey, der sich den Anweisungen des Vorsitzenden widersetzt habe und Briefe nicht ausgehändigt habe. Er sollte für 14 Tage von seiner Funktion als Verwaltungsleiter entbunden und Frau Holland-Cunz unterstellt werden. Herr Reumschüssel widersprach, denn Herr Nothnagel sei auch manchmal zu aggressiv. Frau Jäger wußte, daß Frau Holland-Cunz gar nicht da sei. So sollte zunächst ein Gespräch der Kirchenväter mit Herrn Hey geführt werden.

 

Am 1. Februar erhielt ich dann gegen 14 Uhr mit der Post ein Schreiben des Landeskirchenrates, daß ich mit sofortiger Wirkung beurlaubt sei und am 16. Februar zu einem Gespräch mit Oberkirchenrat Höser (dem Stellvertreter des Bischofs) und Oberkirchenrat Kirchner kommen sollte. Danach werde der Landeskirchenrat über eine Verlängerung der Beurlaubung oder andere Maßnahmen befinden. Gleichzeitig wurde festgestellt, daß es sich bei dem Schreiben der Rechtsabteilung weder um einen Beschluß noch um eine Weisung des Landeskirchenrates oder des unterzeichneten zuständigen Dezernenten handelte, sondern um eine Rechtsberatung. Durch die Beurlaubung besteht kein weiterer Handlungsbedarf in dieser Sache.

Das war wieder die vom Dekan schon mehrfach erwähnte Lesart der Sache. Doch was Recht ist, muß doch Recht bleiben. Man kann doch nicht eine Rechtsauskunft geben und nachher sagen: Aber wir können auch anders entscheiden, gegen unsere eigenen Gesetze! Welchen Sinn sollen da noch Gesetze und Rechtsauskünfte haben? Aber der Trick war natürlich: Auf diese Art und Weise brauchte man nun nicht mehr in der Sache zu entscheiden, jetzt mußte natürlich ein auswärtiger Pfarrer die Geschäftsführung machen und die ungesetzlichen Maßnahmen des Dekans mußten nicht zurückgenommen werden.

 

Am nächsten Sonntag wurde die Tatsache meiner Beurlaubung im Gottesdienst bekanntgegeben. Der Dekan hielt selber den Gottesdienst, verlor aber kein weiteres Wort über die Gründe. Das gab natürlich den unmöglichsten Gerüchten Nahrung und war sehr belastend für mich und meine Familie.

Der Dekan schob dann noch am nächsten Sonntag eine Erklärung nach, die aber nichts besserte: „Seit Jahren gab es Schwierigkeiten zwischen Pfarrer Heckert und den Mitarbeitern der Kirchengemeinde. Von seiten der Synode und des Dekanats wurden immer wieder Versuche unternommen, die Verhältnisse zu verbessern. Auch meine Maßnahmen vor Weihnachten mit der anderen Einteilung der Vertretung haben nichts genutzt. In der Sitzung am 23. Januar hat der Kirchenvorstand mit großer Mehrheit beschlossen, Herrn Pfarrer Heckert zu empfehlen, die Pfarrstelle zu wechseln. Dieser Beschluß ist jetzt für den ganzen Kirchenvorstand verbindlich! Unabhängig davon hat der Landeskirchenrat beschlossen, Pfarrer Heckert ab 1. Februar zu beurlauben. Es stimmt nicht, daß der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Herr Nothnagel, die Abberufung (!) Pfarrer Heckerts veranlaßt habe. Die Gemeinde wird aufgefordert, anderslautenden Gerüchten keinen Glauben zu schenken. Wir hoffen, daß nun bald eine Beruhigung eintritt!“

Man hat den Eindruck, daß vor allem Herrn Nothnagel Schützenhilfe gegeben werden sollte, der von der Gemeinde her sehr angegriffen wurde. Sicherlich konnte er die Abberufung nicht veranlassen, so groß ist er nun auch wieder nicht. Aber er hat am 5. Dezember 1988 in der Kirchenvorstandssitzung die Empfehlung ausgesprochen, ich solle die Pfarrstelle wechseln, Er war mit in Eisenach und er hat am 23. Januar den Antrag in der Kirchenvorstandssitzung gestellt. Ohne seine Rücktrittsdrohung für den Fall, daß ich weiter die Geschäftsführung habe, wäre es nicht dazu gekommen.

 

Nachdem ich jahrelang nicht ernsthaft krank gewesen war und in über 20 Jahren nur eine Woche krankgeschrieben war, stellte sich ausgerechnet in dieser Zeit eine schwere Erkrankung ein. Ich hatte eine Entzündung im rechten Oberarm (und teilweise auch im linken), die trotz Spritzen nicht zurückging. Ich saß im Sessel, konnte mich nicht rühren und hatte fürchterliche Schmerzen. Erst als ich den Arzt am Sonntag noch einmal angerufen hatte und er mir Kühlung riet, wurde es besser. Aber das war schon belastend, weil mir klar war, daß ich jetzt meinen Lebensunterhalt mit meiner Hände Arbeit würde bestreiten müssen.

Meine Frau hat mir damals sehr geholfen. Aber auch z.B. der Brief eines Gemeindegliedes aus Rotterode (,,Sie haben in vielen Jahren mich persönlich durch die gute Verkündigung des Wortes unsres Herrn Jesus Christus getröstet und dafür möchte ich gerade jetzt herzlich danken"), der Brief eines jungen Ehepaares aus Steinbach-Hallenberg (,,Wir stehen zu Ihnen und hoffen, daß Sie zu Ihrem Recht kommen. Es bleibt dabei, daß Sie unser Pfarrer sind) und vor allem die Unterschriften-Aktion der Altersbacher, die von Frau Ruth Wilhelm angeregt wurde.

Als Pfarrer Weiß in Altersbach die Abkündigung des Dekans verlaß, stand Frau Christa Häfner auf und wollte wissen, welche Gründe vorliegen; als Pfarrer Weiß meinte, er könne dazu nichts sagen, verlangte sie, daß der Dekan dazu Stellung nimmt. Mehrere Altersbacher sprachen persönlich oder telefonisch beim Dekan vor, aber er redete immer nur um die Sache herum. Der Heiligenmeister Weiß legte sein Amt nieder, seine Frau machte keinen Kindergottesdienst mehr.

Jeder vermutete, daß doch irgendetwas Schwerwiegendes vorliegen müsse, weil man ja in der Tat nur wegen schlimmer Sachen so plötzlich beurlaubt wird. Die Gerüchte reichten von ,,Er hat die Hühner des Nachbarn vergiftet" bis zu „Er hat Geld unterschlagen, ein Gerichtsverfahren ist schon eröffnet“ (Es ging bei den Gerüchten nur noch darum, ob es 50.000 Mark in Ost oder in West seien, wobei man natürlich fragen müßte, wie man an beides kommen könnte).

Die drei Anklagevertreter müssen die Verhältnisse ja in den glühendsten Farben geschildert haben, so als ginge in Steinbach alles drunter und drüber. Dabei wurde die Lage erst von außen geschaffen durch die ständigen Eingriffe des Dekans und weil nicht die nötigen Absprachen getroffen wurden. Die drei Stimmen (Dekan, Hoffmann, Nothnagel) kann man aber nur als eine rechnen, denn alle sind ja miteinander verfilzt.

Was noch dahinterstehen könnte, wurde erst später deutlich. Der Zeitpunkt für die Beurlaubung war gut gewählt. Der Bischof war in Urlaub, mehrere Oberkirchenräte fehlten, es waren wohl nur fünf überhaupt anwesend. Und da hat wohl Oberkirchenrat Kirchner das Wort geführt, denn als wir mit Oberkirchenrat Große sprachen, hörte es sich so an, als habe er nur sachlich Bericht gegeben und sich ansonsten herausgehalten. Ein Oberkirchenrat sagte offen, die Beurlaubung sei zu früh erfolgt. Bischof Leich hat zwar später geleugnet, daß die Stasi-Oberkirchenräte mit ihrer Mehrheit entschieden hätten, der Beschluß sei einstimmig gewesen, aber Berichterstatter und Wortführer waren die Stasileute.

Auch das Gespräch beim Landeskirchenrat am 16. Februar wurde vor allem von Oberkirchenrat Kirchner geführt. Wiederum wurde aber keine rechte Begründung für die Beurlaubung gegeben. Disziplinarmäßig läge ja nichts vor. Jetzt berief man sich auf einmal auf den Kirchenvorstand. Aber man hatte ja ohne diesen entschieden und mußte es ja auch tun.

Im Gegenteil: Der Beschluß des Landeskirchenrates hatte ja noch den Kirchenvorstand beeinflußt. Es war ja noch vor der „Wende“, wo die Leute noch eher geneigt waren, die Hand zu heben, wenn „oben“ etwas beschlossen wurde.

Herr Kirchner wollte gleich wissen, wer von den Angestellten in Eisenach denn geplaudert habe. Jedenfalls hat der Dekan in der Sitzung geschildert, daß er nur mit Mühe jemand in Eisenach erreicht hat, der ihm zumindest sagte: „Der Landeskirchenrat hat gegen Heckert entschieden!“ Vom Landeskirchenrat wurde kritisiert, daß der Dekan im Kirchenvorstand hat abstimmen lassen, dazu sei er nicht berechtigt gewesen, das sei die Sache des Landeskirchenrats. Der Dekan hat später dann wieder geleugnet, daß er die Entscheidung aus Eisenach im Kirchenvorstand bekanntgegeben hätte, um ihn zu beeinflussen, aber es war so.

Schließlich wurde der Brief verlesen, den der Dekan am 26. Januar geschrieben hat. Darin hat er auch behauptet, die ganze Pfarrkonferenz habe mir den gleichen Rat gegeben. Wir mußten sagen, daß gerade zwei Leute sich dafür ausgesprochen hatten, aber 14 dagegen, die anderen äußerten sich nicht. Das rief dann doch Erstaunen hervor. Aber so zuverlässig sind eben die einseitigen Berichte des Dekans.

Das Einzige, was nachher noch blieb, war dann offenbar die dicke „Akte“. Dabei handelt es sich aber nicht um die Personalakte, die in meinem Fall auch schon wieder im Archiv war.

Vielmehr hatte der Dekan offenbar allen Schriftverkehr zwischen mir und dem Dekanat nach Eisenach gegeben, auch ganz normale Anfragen und Berichte, um sagen zu können: Der schreibt immerzu Briefe! Aber immerhin wußte man dadurch von meinem schnellen Weggang von Friemar, von der Sache mit Gießlers, von dem an den Kreisratsvorsitzenden. Angeblich war in den 20 Jahren praktisch in jedem Jahr etwas.

Aus den Akten geht angeblich hervor, daß ich oft zu genau und ehrlich gewesen sei. Man müsse aber auch einmal Kompromisse schließen, um mit den Leuten auszukommen, sagten die Vertreter des Landeskirchenrats. Nun sei die Sache aber einmal verfahren. Da greife man zu dem wertneutralen Mittel der Beurlaubung, um die Gegner erst einmal auseinanderzubringen.

Ich könnte ja noch ein Verfahren beantragen, in dem geprüft wird, ob eine gedeihliche Zusammenarbeit noch möglich ist. Aber dazu würden auch nur der Dekanatssynodalvorstand und der Dekan, vielleicht noch der Kirchenvorstand gehört. Die Angestellten oder Gruppen von Gemeindegliedern wie die Altersbacher spielten keine Rolle, man könne sich nur an die gewählten Vertreter halten. Auf alle Fälle stehe am Ende, daß ich über kurz oder lang aus Steinbach fort müsse. Wozu sollte ich da noch kämpfen?

Die Beurlaubung erfolgt nach § 45 des Pfarrerdienstgesetzes. Dort steht, wann ein Pfarrer zu beurlauben ist. Doch dort steht auch, daß er vorher gehört werden muß und daß innerhalb von drei Wochen entschieden werden muß. Doch diesen mittleren Satz hatte Herr Kirchner nicht zur Kenntnis genommen. Er sagte: „Wir können ja nachsehen, ich habe das Pfarrergesetz hier!“ Es wurde nachgesehen, und es stand so da, wie ich es gesagt hatte. Das ist natürlich tödlich, wenn man einem Oberjuristen einen Fehler nachweist. Dabei ist Herr Kirchner gar kein gelernter Jurist, sondern hat sich nur über das Kreiskirchenamt hochgearbeitet. Jetzt wußte er sich nur so zu helfen, daß er sagte: „Sie bieten hier das gleiche Bild, wie es aus den Akten hervorgeht!“

 

Ergänzung im Juli 2011:

„Glaube und Heimat“ (27/2011) berichtet von dem Konflikt zwischen dem Magdeburger Domprediger Giselher Quast und dem Gemeindekirchenrat über Fragen der Geschäftsführung und der künftigen Ausrichtung der Gemeinde. Im September 2010 sollte für Quast eine zusätzliche Predigerstelle geschaffen werden, die mit der Geschäftsführung verbundene Stele sollte neu ausgeschrieben werden.

Doch im Februar klagte Quast vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht dagegen: Die Vereinbarung sei unter zu großem Zeitdruck zustande gekommen, er habe nur 48 Stunden Zeit gehabt und habe nicht Pfarrvertretung und Juristen zu einer Prüfung heranziehen können. Vor allem aber sei das Ergebnis der Visitationskommission verlassen worden. Auch sei das Bewerbungsverfahren zu frühzeitig gestartet worden. Vor allem aber stößt er sich an der öffentlichen „Degradierung“ und dem drohenden Verlust der Dienstwohnung (sechs Jahre vor dem Ruhestand).

Der Personalreferent sagt, nun können nur das bereits eingeleitete Abberufungsverfahren weitergeführt werden. Dazu müssen Gespräche mit dem Gemeindekirchenrat, dem Kreiskirchenrat, dem Propst und Pfarrer Quast geführt werden.

Es gibt also ein eigenes (kirchen-) gerichtliche Abberufungsverfahren. Das gab es sicher zu meiner Zeit auch. Aber man mich nicht über diese Möglichkeit eines Verfahrens vor einem Kirchengericht unterrichtet nur allgemein von der Möglichkeit eines Verfahrens (wie ich annahm vor dem Landeskirchenrat). Man hat aber behauptet, der Landeskirchenrat könne ohne Verfahren einen Pfarrer beurlauben (mit dem Ziel der Zwangsversetzung), denn disziplinarisch liege ja nichts vor. Bei einem Verfahren müssen Gespräche mit allen möglichen Leuten geführt werden. In meinem Fall hat der Landeskirchenrat nicht mit dem Gemeindekirchenrat gesprochen (höchstens mit seinem Vorsitzenden) und mir erst nachträglich, (aber da auch nicht über die Sache, sondern nur über die Versetzung). Eine öffentliche Degradierung ist natürlich auch erfolgt, noch dazu ohne jegliche Begründung.

Man kann also sagen: Nicht nur die DDR war ein Unrechtsstaat, sondern auch der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen von 1989 sowie drei Mitglieder des Vorstandes der Kreissynode des Dekanats Schmalkalden.

 

Angeblich hatte sich der Landeskirchenrat schon mehrfach mit mir beschäftigt. Als ich aber fragte, weshalb man da nicht längst Rücksprache mit mir genommen habe, da sagte er: „Das ist unsere Sache, was wir unternehmen!“ Umso unverständlicher ist, daß man dann innerhalb weniger Tage eine Entscheidung fällte, die nicht mehr rückgängig zu machen war. Ich sagte: „Sie zerstören hier die Existenz einer ganzen Familie. Das hat etwas mit der Frage nach dem Sinn des Lebens zu tun!“

Sie wollten dann unbedingt, daß wir auf eine andere Pfarrstelle gehen, in Südthüringen, wo auch meine Frau mitarbeiten könnte. Dann könnte ich auch - so meinten sie - in Steinbach-Hallenberg weitermachen, bis alles abgewickelt ist. Das wäre vielleicht noch vorher möglich gewesen, wenn sie erst einmal mit mir gesprochen hätten. Dann hätte alles noch aussehen können wie ein normaler Wechsel.

So aber waren Tatsachen geschaffen, durch die eine Tätigkeit in Steinbach unmöglich wurde, auch nicht übergangsweise. Man hätte vielleicht gerne noch die Arbeitskraft ausgebeutet, um in Ruhe die Nachfolge besorgen können. Aber als Pfarrer auf Abruf hätte ich erst recht nichts zu melden gehabt.

Wir entgegneten auch, daß in einer neuen Stelle wahrscheinlich die Wühlarbeit weitergehen würde, daß uns weiterhin wegen unsrer politischen Einstellung Schwierigkeiten von der Kirche gemacht würden. Die Gegner hatten ja schon die Vermutung geäußert, daß es auch an anderer Stelle nicht gut gehen würde. Auch hätte man sicher bei jeder Bewerbung schon vorgearbeitet. Und es bliebe die Angst: Wenn wieder einmal etwas ist, läßt dich die Kirchenleitung hängen, weil sie größere Ziele verfolgt. So eine Enttäuschung mit der Kirche muß man erst einmal verkraften.

Deutlich war jedenfalls, daß man sich nicht in die Dinge des Dekanats hineinhängen wollte. Als der Anschlußvertrag mit Thüringen geschlossen wurde, hieß es: „Wenn Sie einmal etwas gegen den Dekan haben, müssen Sie doch eine Stelle haben, wo Sie sich beschweren können!“ Aber jetzt weiß jeder, was passiert, wenn er sich beschwert: Gegen die ,,Organe des Dekanats" wird nichts unternommen! Man wollte nichts zur Wiederherstellung normaler Verhältnisse tun (Protokollbuch, Schriftverkehr, Aufsicht über Angestellte), sondern dem Dekan freie Hand lassen.

Als ich dann sagte, daß ich lieber ausscheiden wollte, schien Herr Kirchner befriedigt zu sein. Sie wiesen mich jedoch gleich darauf hin, ich stünde dann ohne alles da, auch der Rentenanspruch (nicht nur die Pensionsansprüche) gingen mir verloren. Ich wußte damals noch nicht, wie es sich wirklich verhält. Erst Zuhause konnte ich mich informieren: Schon immer mußte die Kirche in solchen Fällen für die Altersversorgung aufkommen (steht auch im Pfarrerdienstgesetz). Seit dem Vertrag mit der staatlichen Versicherung aus dem Jahre 1979 kommt sogar die staatliche Versicherung dafür auf. Später stellte sich heraus, daß die Kirche sogar für solche Fälle ein vorgedrucktes Formular für die Bescheinigung der Einzahlungen in die Rentenversicherung hat. Man hat mich also glatt angelogen, um mich damit unter Druck zu setzen.

Man eröffnete mir auch keine anderen Möglichkeiten. Sie hätten mich ja in den Wartestand versetzen können (aber dann hätten sie mir auch irgendeine Arbeit zuweisen können). Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, mich ohne Dienstbezüge für fünf Jahre zu beurlauben unter Wahrung aller Rechte und Anwartschaften. Daß in einem Jahr der ganze Spuk mit der DDR zu Ende sein würde, hat damals ja keiner geahnt.

Am Sonntag rief ich bei Herrn Oberkirchenrat Höser an, daß ich kündigen werde, sobald ich wieder gesund bin. Darüber hätte der Landeskirchenrat an sich am Montag entscheiden müssen und mir mitteilen müssen, was geschieht, denn die Frist von drei Wochen war herum. Doch offenbar haben sie den Bischof beauftragt, noch einmal mit mir zu sprechen und mich vielleicht doch noch umzustimmen.

Der Bischof betonte, daß die Tür jederzeit offen stehe. Sie legten Wert auf meine Weiterarbeit und ich wäre sicherlich an einem anderen Ort ein tüchtiger Pfarrer. Aber er zeigte auch Verständnis für meinen Wunsch, jetzt erst einmal auszusteigen. Insgesamt machte er einen niedergeschlagenen Eindruck. Man hatte den Eindruck, daß er auch Gefangener der Verhältnisse war.

Der Bischof widersprach auch nicht, als wir harte Vorwürfe äußerten, weil man uns nicht gehört hatte, weil der Dekan falsche Angaben über die Pfarrkonferenz gemacht hatte, weil er mein Buch über das Dekanat Schmalkalden unter seinem Namen herausgegeben hatte, über Verstrickungen mit der Staatssicherheit.

Er sagte nicht einmal etwas zu meiner Meinung: „Der Dekan hat die Synode entmündigt, den Dekanatssynodalvorstand gekauft und die Pfarrer hält er mit Drohungen in Schach, sie würden ihre Privilegien verlieren!“ Ich forderte ihn auf, in solchen schwierigen Fällen nicht immer gleich den Pfarrer aus dem Verkehr zu ziehen, sondern es auch einmal so zu versuchen, daß man dem Pfarrer beisteht.

Unmittelbar nach dem Gespräch mit den beiden Oberkirchenräten hatte auch meine Frau gekündigt. Herr Nothnagel hatte zwar geäußert, das könne sie gar nicht. Vielleicht nahm er an, wir wären dem Dekanat noch verpflichtet, weil wir noch 5.000 Mark Schulden aus einem Darlehen hatten.

Der Dekan hatte uns ja anstandslos ohne Vertrag 10.000 Mark gegeben, die Zinsen habe ich aus eigenem Willen gezahlt. Heute ist mir klar, daß er mich damit hat auch kaufen wollen. Nun haben wir alles Geld zusammengekratzt und den Rest noch bezahlt.

Meine Frau schrieb an den Kirchenvorstand, daß er wissen mußte, daß er auch sie vertreibt, wenn er mich vertreibt. Unter einem Pfarrer Schulte wollte sie nicht arbeiten, der zwar von sich der Meinung war, er finde immer den richtigen Ton bei den Leuten, der ihr aber in menschlich verletzender Weise entgegengetreten war. Und Herr Nothnagel hat die Kinderarbeit nur kritisiert und behindert, daß kein gedeihliches Wirken zu erwarten war. Sie schloß mit den Worten: „Ich wünsche dem Kirchenvorstand, daß er in Zukunft nicht nur Gebäude und Stühle hat, sondern auch eine katechetische Kraft und die dazugehörigen 200 Kinder. Die Kinder stellen die Zukunft der Gemeinde dar und sollten ihr Recht auf christliche Unterweisung wahrnehmen können!“ 

Ich schrieb in meiner Bitte um Entlassung aus dem Dienst am 2. März 1989: „Die ab 1. Februar ausgesprochene Beurlaubung hat mich und meine Familie sehr betroffen gemacht, da ich bisher der Meinung war, alles für das Wohl der Gemeinde eingesetzt zu haben. Den von Ihnen angebotenen Weg, eine andere Pfarrstelle zu übernehmen, kann ich im Augenblick noch nicht gehen. Ich fühle mich körperlich, geistig und seelisch noch nicht in der Lage, nach dieser Enttäuschung schon wieder eine Gemeinde zu übernehmen. Wenn ich wieder einmal ein Pfarramt übernehme, möchte ich das mit ganzem Einsatz tun!“

 

Ich mußte dann auf die Suche nach einer Arbeitsstelle gehen. Das war auch gar nicht so einfach, weil sie doch Vorbehalte gegenüber einem Pfarrer haben: Er könnte zwei linke Hände haben und er könnte zu sehr in alles hineinblicken. Beim Kombinat Haushaltwaren kam ich dann schließlich an. Ab 20. März arbeitete ich dort.

Das Gehalt für die restlichen Tage des Monats überwies ich zurück ans Dekanat, verdiente ich jetzt doch das Eineinhalbfache bei halb soviel Arbeit. Am 1. April war die Übergabe der Amtsräume und der dienstlichen Unterlagen. Es war ja keine volle Pfarramtsübergabe, weil die Verwaltung immer noch bei Herrn Peters lag und ich für die Gebäude und Finanzen gar nicht verantwortlich war.

Ich hatte schon alles Nötige schriftlich festgehalten: Noch ausstehende Bausachen, Altersbach, kirchlicher Unterricht einschließlich Konfirmandenunterricht, angemeldete Amtshandlungen, pfarramtliche Schriftstücke bei Herrn Nothnagel, nicht erledigte Punkte seit dem Wechsel der Geschäftsführung, usw. Anwesend war auch der „Pfarrer“ Nothnagel, obwohl es sich hier allein um eine Verwaltungssache zwischen dem Übergebenden und dem Übernehmenden handelt.

Beim Thema „Kirchenvorstand“ wies ich darauf hin, daß die Wahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist: Die Gemeinde wurde nicht aufgefordert, Wahlvorschläge zu machen, sondern allein Herr Nothnagel ist herumgegangen und hat sich Leute ausgesucht. Als einer dabei von sich einen Vorschlag machte, lehnte Herr Nothnagel das ab mit der Bemerkung: „Das ist ein Anhänger von Pfarrer Heckert!“ anstatt darüber zu informieren, wie man richtig einen Wahlvorschlag macht. Erst an Ostern, eine Woche vor der Wahl, wurde die Gemeinde überhaupt über die Wahl informiert.

Mir hatte man vorgeworfen, ich sei zu genau, aber so geht es wohl auch nicht. Der Dekan sagte dazu nur: „In dieser Situation war es allein Sache des Kirchenvorstandes, die Liste aufzustellen!“

Mit Billigung des Dekans nahm sich Herr Nothnagel aus dem Vorrat des Pfarramtes amtliche Briefbogen mit, weil er Briefe im Namen der Kirchengemeinde schreiben wollte. Jeder spätere Pfarrer wird hier Schwierigkeiten bekommen, das wieder zurückzudrehen. Auch Herr Schulte hat in Altersbach zugeben müssen, daß er schon mehrfach gegenüber Herrn Nothnagel hat zurückstecken müssen.

Als wir nach Schluß der Besichtigung auf dem Hof standen, fing der Dekan noch an, meine Frau solle doch ihre Behauptungen in der Gemeinde unterlassen. Ich wollte konkret wissen, worum es sich denn handele, erhielt aber keine Antwort. Da fragte ich umgekehrt: „Wie kann man denn behaupten, im Protokollbuch stünde ein Beschluß über die Zahlung von Sondervergütungen, wenn man das Buch gar nicht gesehen hat. Eine solche Sache sollte einmal gerichtlich geklärt werden!“

Das sagte ich, weil der Dekan meiner Frau damit drohen wollte, vor Gericht zu gehen, zumindest vor ein kirchliches Schiedsgericht (aber damit war er in Eisenach abgeblitzt). Jetzt wußte er sich nur noch so herauszureden: „Es waren sich doch alle darüber einig, es wurde nur später protokolliert, daß Sonderzahlungen erfolgen sollten!“ Aber auch das entspricht nicht den Tatsachen. Ich bemerkte noch, daß man mir in Eisenach in der Sache im wesentlichen Recht gegeben hat.

Ich erzählte von der Rüge an den Dekan, weil er noch eine Abstimmung im Kirchenvorstand durchgeführt hat, nachdem die Sache schon in Eisenach anhängig war. Ich machte ihm den Vorwurf, er habe manipuliert, weil er vorher den Beschluß des Landeskirchenrates mitteilte. Dies leugnete er auf einmal. Auch Herr Nothnagel und Herr Reumschüssel behaupteten, das sei erst in der nächsten Sitzung im Februar gesagt worden. Aber da war ich ja gar nicht mehr dabei, wie hätte ich dann davon wissen können?

Es hat wirklich keinen Sinn, mit einem Kirchenvorstand zusammen arbeiten zu wollen, wenn „gestandene Männer“ sich nach zwei Monaten nicht mehr erinnern können, was gewesen ist. Ich hätte unmöglich noch länger mit diesen Leuten zusammenarbeiten können, da hätte ich mich aufgerieben. - Herr Schulte wußte an dieser Stelle zu bemerken: „Jetzt kann ich mir vorstellen, wie es im Kirchenvorstand zuging: nur Gesetze!“ Ich sagte zu ihm: „Lernen Sie erst einmal Menschlichkeit!“ und ging.

Ab 31. März 1989 wurde ich dann aus dem Dienst der Evang.-Lutherischen Kirche in Thüringen entlassen. In der Entlassungsurkunde steht, daß ich alle Rechte aus der Ordination verliere und meine Ordinationsurkunde zurückgeben müsse. Außerdem verliere ich für mich und meine Angehörigen alle Ansprüche aus dem bisherigen Dienstverhältnis.

Es gab dann aber noch eine Unstimmigkeit, weil mir erst mit Schreiben vom 16. März mitgeteilt wurde, daß meine Beurlaubung ab 22. Februar beendet sei. Da mir kein Bescheid zugegangen war, nahm ich an, die Beurlaubung bestehe weiter. Doch durch meine Krankschreibung und die Gewährung des anteiligen Urlaubs kam die Sache doch noch so hin, daß ich das Ende des Urlaubs nicht überzogen hatte.

Es ergab sich dann noch ein Schriftverkehr zwischen Herrn Hey und dem Landeskirchenrat, der aber in meiner Personalakte abgeheftet war. Herr Oberkirchenrat Kirchner schrieb am  28. März 1989: „Außerdem hat der Landeskirchenrat ausdrücklich festgestellt, daß Herr Pfarrer Heckert sich jederzeit um eine andere Pfarrstelle im Bereich der Evang-Lutherischen Kirche in Thüringen bewerben kann und seitens des Landeskirchenrates der Wiederaufnahme in den Dienst der Evang.-Lutherischen Kirche in Thüringen nichts entgegensteht!“

Aber der Landeskirchenrat sei von Anfang an davon ausgegangen, daß ein gedeihliches Wirken in Steinbach-Hallenberg nicht mehr gegeben sei, was keinesfalls von vornherein heißt, daß die Schuld hierfür allein oder überwiegend auf der Seite einer Partei liegt. Angeblich spreche das Pfarrerdienstgesetz hier vom „objektiven Verfahren“, hier werde eine Feststellung nach einer Art „Zerrüttungsprinzip“ getroffen.

Doch dieser Ausdruck kommt im Pfarrerdienstgesetz nicht vor. Es wurde ja auch gerade

k e i n  Verfahren durchgeführt, und „objektiv“ war es schon gar nicht. Wenn nur  e i n e r bestraft wird, ist das eine eindeutige Schuldzuweisung. Der Oberkirchenrat meint, es sei eben leichter, daß ein Pfarrer sich eine andere Gemeinde sucht, als daß die Gemeinde komplett ihre Sachen packen muß, um an einen anderen Ort zu gehen.

Doch diese Polemik geht an der Sache vorbei. Bei einem Pfarrer steht die ganze Existenz auf dem Spiel. Die Beurlaubung bedeutete in der Praxis eine fristlose Entlassung, zwar nicht aus dem Beruf, aber aus der einzigen Arbeitsstelle am Ort. Wenn ein anderer Arbeitnehmer Schwierigkeiten mit dem Betrieb hat, kann er in einen anderen gehen. Wenn man ihn rauswerfen will, muß erst ein aufwendiges Verfahren mit Rüge und Verweis durchgeführt werden; und auch dann noch muß der Betrieb bei der Suche nach einer neuen Tätigkeit behilflich sein.

Doch Herr Kirchner meinte, ein Pfarrer müsse in der Konsequenz seines Dienst- und Treueverhältnisses persönliche Interessen zurückstecken und den Kürzeren ziehen. Aber dann sollte man das schon den Theologiestudenten sagen, wenn man ihnen das Versprechen abnimmt, die Ordnung der Kirche zu wahren: Wer das ernst nimmt, die Ordnung der Kirche zu wahren, den kann es am Ende die Stelle kosten. Die Kirche ist eine Größe eigenen Rechts, da ist man noch wie im Mittelalter dem Feudalherren ausgeliefert.

Natürlich kann man nicht eine ganze Gemeinde versetzen. Aber darum ging es auch gar nicht. Es hätten ja nur einige Kirchenvorsteher und der Dekan in ihre Schranken verwiesen werden müssen. Die Gemeinde war ja wohl versorgt und hat an den Schwierigkeiten im Kirchenvorstand keinen Anstoß genommen. Man sagte: „Krach gibt es überall einmal!“ Viele hielten meine Kritik auch einfach für berechtigt und wollten nicht, daß mit ihrem Geld so umgesprungen wird, wie es in Steinbach-Hallenberg und im Dekanat üblich geworden war. Den Kirchenvorsteher hätte es nicht die Existenz gekostet, wenn er hätte zurückstecken müssen oder aus dem Kirchenvorstand ausgeschieden wäre. Auf die in dem Schreiben von Herrn Hey konkret angesprochenen Probleme und Vorwürfe wollte Herr Kirchner nicht eingehen. „Diese Absicht besteht hier nicht, weil sie nach meiner Überzeugung nichts einbringen wird!“

Der Bischof schrieb dann noch einmal in einem Brief vom 6. September an Herrn Hey: „Die Gemeinden im Dekanat Schmalkalden sind unserer Kirche durch einen Vertrag zugeordnet, der ihnen eine große Selbständigkeit in ihren Entscheidungen einräumt. Dies muß der Landeskirchenrat in jedem Fall respektieren. Er respektiert damit auch die Verantwortung, die die gewählten Gremien in der Kirchengemeinde und im Dekanat tragen!“

Das ist wohl nicht ganz richtig gesehen, denn der Vertrag sollte ja gerade verhindern, daß das Dekanat Schmalkalden zu einer eigenen Landeskirche wird. Der Vertrag gibt dem Landeskirchenrat alle Möglichkeiten. Aber er hat sich wohl gescheut, diese zu nutzen, weil er dann Schwierigkeiten mit der kurhessischen Landeskirche fürchtete, von der er z.B. bei den Bürogeräten völlig abhängig war. Wegen der größeren Zusammenhänge muß ein kleiner Pfarrer dann daran glauben.

Wegen dieser Briefe geriet dann auch Herr Hey in die Schußlinie. Genau wie bei mir verlangte man im September auf einmal von ihm, daß er den im Februar geschriebenen Brief herausgibt (wohlgemerkt: erst nach einem halben Jahr verlangte man das). Leider war dem Bischof die Panne passiert, daß er einen seiner Natur nach vertraulichen Brief in Ablichtung an das Dekanat geschickt hat (er hätte wissen müssen, daß das Ärger gibt, sonst wäre der Brief von Herrn Hey ja über den Dekan gegangen). Doch Herr Hey weigerte sich, den persönlichen, wenn auch nicht privaten, Brief herauszugeben. 

Weil er zu einem angesetzten Gespräch nicht erschien (er wurde im Krankenhaus operiert, hatte sich beim geschäftsführenden Pfarrer krank gemeldet), erteilte man ihm einen Verweis. Am letzten Montag im September brachte Herr Nothnagel gleich den zweiten Verweis und die Kündigung mit. Vor dem Arbeitsgericht hätte Herr Hey Recht bekommen.

Aber es ging ja gar nicht mehr um seine Arbeit, sondern um den Ausreiseantrag, den er im Gefolge der Ereignisse im Januar gestellt hatte. Der Dekan und folglich auch Herr Nothnagel wollten aber keine „Antragsteller“ bei der Kirche beschäftigt haben. Pfarrer Schulte aber wußte schon (vom Rat des Kreises oder der Staatssicherheit), daß der Antrag abgelehnt worden sei.

Am Dienstag übergab Herr Hey die Geschäfte. Am Donnerstag meldete er sich mit Familie in der deutschen Botschaft in Prag. Am Sonntag reiste er mit dem ersten Zug aus. Er erhielt sofort eine preisgünstige Wohnung und arbeitete zunächst in seinem erlernten Beruf als Zahntechniker und nachher als Schichtleiter in einem keramischen Werk bei Karlstadt am Main.

 

Das nächste Opfer war Frau Heubel, die auf der Kirchenkasse ausgeholfen hatte. Im Juni 1987 hatte der Kirchenvorstand der befristeten Anstellung einer Halbtagskraft zugestimmt, weil der Verwaltungsleiter bei der Armee war und Frau Holland-Cunz nur mit 70 Stunden im Monat angestellt war (und Frau Heil wieder aufhören wollte). Als aber Frau Heubel für die Stelle präsentiert wurde, war Frau Holland-Cunz dagegen und behauptete, sie schaffe es auch allein.

Im September konnte sich der gesamte Kirchenvorstand nicht mehr erinnern, daß er der Anstellung zugestimmt hatte, erst das Protokollbuch machte die Sache eindeutig. Ich versicherte mehrmals, es handele sich nur um eine befristete Anstellung. Aber man glaubte mir nicht. Erst als Frau Heubel auf der Kirchenkasse offiziell mitteilte, daß sie einen Ausreiseantrag gestellt hatten, war man es zufrieden.

Herr Nothnagel war übrigens von Anfang an in die Entscheidungsfindung eingebunden und billigte auch die Anstellung einer „Antragstellerin“ (Zitat: Die Kirche dürfe es nicht so machen wie der Staat). Aber je länger je mehr änderte sich die Lage wieder, wollte man Frau Heubel wieder loskriegen.

Das lag auch mit daran, daß Frau Usbeck schon im Hintergrund bereit stand. Sie war öfter auf der Kirchenkasse und machte zunächst nur Kirchenbuchauszüge für andere Leute. Aber Frau Holland-Cunz übertrug ihr - nach dem Vorbild von Frau Jäger - je länger je mehr auch andere Aufgaben und bezahlte sie aus der Kirchenkasse. Sie hat sich nicht nach dieser Arbeit gedrängt, aber sie sollte als Nachfolgerin aufgebaut werden. Zeitweise nahm Frau Usbeck sogar Kirchensteuerunterlagen zur Heimarbeit in ihre Wohnung im Rasenmühlenweg 11 mit, ohne angestellt und verpflichtet zu sein. Frau Usbeck hat das nicht von sich aus betrieben, sie wurde von den beiden anderen da hineingeschoben.

 

Als im Mai 1988 der Verwaltungsleiter wieder von der Armee zurückkam, hätte man über die befristete Anstellung von Frau Heubel entscheiden müssen. Doch das unterblieb, so daß sie stillschweigend weiterbeschäftigt wurde. Erst im Herbst hieß es, sie habe ja überhaupt keinen Arbeitsvertrag und man könne ihr ohne Frist kündigen. Dabei hatte die Kirchengemeinde gegen das Arbeitsgesetz verstoßen, als sie Frau Heubel nicht am ersten Arbeitstag einen Arbeitsvertrag gab. Schließlich hat man ihr doch noch einen Arbeitsvertrag aufgezwungen, nach dem sie auch in der Küche arbeiten sollte. Als sie dann nur noch in der Küche war, hat sie gekündigt. Seit November 1989 wohnt die Familie im Hunsrück.

 

Das nächst Opfer war Kantor Dalberg. Die Stadt wollte ihm die Lehrerwohnung in der Straße der Freundschaft 3 geben; aber dort fehlte ihm das Arbeitszimmer. Dann wurde er auf eine Wohnung im Kantorat, Kirchplatz 20-22, vertröstet, das die Kirchengemeinde getauscht hatte gegen ein Baugrundstück im AWG-Gelände. Herr Dalberg wurde immer mehr unter Druck gesetzt, die Wohnung im Pfarrhaus freizumachen. Inzwischen hatte sich ja ein Pfarrer gemeldet, der das ganze Haus beanspruchte.

Herr Schulte, der nach seiner Meinung ja so gut mit den Leuten umgehen kann, sagte dann eines Tages zu ihm: „Jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht. Wann ziehen Sie nun endlich aus?“ Herr Schulte konnte sich sogar die Bemerkung nicht verkneifen: ,,Wären Sie Pfarrer geworden, dann hätten Sie Wohnung!“ Mehr kann man nicht ins Fettnäpfchen treten, denn bekanntlich hat Herr Dalberg es ja als Theologiestudent versucht, es aber nicht geschafft.

Ganz offen wurde gesagt: Einen Pfarrer brauchen wir wichtiger als einen Kantor!

Offenbar stellte man sich vor, daß Frank Willing ja die Orgel spielen kann. Aber was wird mit den Dörfern und den Amtshandlungen? Die Chöre wird das Ehepaar Holland-Cunz auch noch herunterwirtschaften, so wie das ja schon bei dem Singekreis der Frau Holland-Cunz geschah, der ohne Christenlehre nicht mehr existieren konnte. Wer wird nun Konzerte organisieren, wer Instrumentalunterricht geben? Vielleicht sind ja jetzt die Schuldirektoren Wal­ther und Anschütz wieder zum Orgelspiel bereit! Herr Dalberg jedenfalls wohnt seit Dezember 1989 in Peine bei seinen Eltern. Dort hat er  sofort eine große eigene Wohnung gekriegt. Bald danach wurde er Kantor in Leverkusen.

Im Herbst 1989 wurde auch der Hausmeister des Gemeindehauses zur Armee eingezogen. Die Frage der Wohnung für die Kindergartenmitarbeiterinnen blieb bestehen. Baulich hatte man große Dinge vor: Das Kantoratsgebäude sollte abgerissen und ganz neu gebaut werden, das Pfarrhaus sollte Zentralheizung mit Gasofen erhalten (das angebliche „Schlößchen“ mußte nun auf einmal rekonstruiert werden). Doch erst nach einem halben Jahr wurden erste Arbeiten begonnen.

 

Nach einigem Abstand muß man sich fragen, welches das kleinere Übel war und was der Gemeinde mehr gedient hätte: Hätte man nicht die Meinungsverschiedenheiten im Kirchenvorstand aushalten können und müssen? Hätte man sie nicht durch ein Eingreifen des Landeskirchenrates ausräumen können, indem man die vorliegenden Sachfragen auf Grund der vorliegenden Gesetze klärte? Kann man einen Pfarrer so im Stich lassen, der nur seine Pflicht getan hat? Kann man es verantworten, eine Gemeinde mit fast 5.000 Gemeindegliedern ohne Pfarrer zu lassen? Wie will man vor der Gemeinde die groteske Situation rechtfertigen, daß zwei Pfarrer im Gottesdienst sitzen und ein Kirchenvorsteher liest eine Predigt vor? Wenn zwei Pfarrer sich streiten, müssen beide gehen; warum mußte in diesem Fall nicht auch der Vorsitzende des Kirchenvorstandes gehen?

Bei der Kirchenvorstandswahl erhielt Herr Nothnagel wiederum nicht ausreichend Stimmen Aber er wurde natürlich vom Dekan in den Kirchenvorstand „berufen“, kam auch wieder in Synode und deren Vorstand und ist weiter die führende Kraft in der Kirchengemeinde. Jetzt hat er das, was er wollte: Er kann schalten und walten wie er will, jetzt ist er erst wirklich „der Kirchenvorstand“. Die Gemeinde fragt mit recht: Wozu haben wir da gewählt, wenn es doch so ist wie beim Staat? Das Wahlverfahren stimmte nicht mit den Gesetzen der Landeskirche überein, in die Ausschüsse wurden Gemeindeglieder berufen, bei denen die Voraussetzungen zur Wählbarkeit nicht gegeben waren (Altersgrenze, vorige Periode auf eigenen Wunsch ausgeschieden).

Ein weiteres Beispiel für die bestehende Willkür ist eine Grundstückssache: Im Dezember wurde noch ein Tauschantrag eines Einwohners einstimmig abgelehnt, weil er zehn Jahre keine Kirchensteuer bezahlt hatte, obwohl er seine Kinder ausdrücklich taufen lassen und zur Christenlehre schicken wollte. Im Februar aber wurde einem erneuten Antrag doch stattgegeben. Man wollte das Grundstück aber einem langjährigen Pächter wegnehmen, der kirchlich engagiert ist bis hin zum Gottesdienstbesuch.

Aber der andere hatte seinen Nachbarn, den stellvertretenden Bürgermeister, auf seiner Seite, und dieser war wieder Parteifreund von Erich Nothnagel. Er sollte den schönsten Bauplatz der Kirchengemeinde erhalten, obwohl die Gemeinde noch andere Bauplätze hat. Der Tausch war schon beim Notar beurkundet, wurde aber dann doch wieder rückgängig gemacht. Inzwischen war eine Nachbarin des Kirchengrundstücks im Kirchenvorstand, die CDU wurde eingeschaltet, in der der bisherige Pächter und auch der Nachbar waren. Hier haben der Filz der Steinbacher Gesellschaft und die Beziehungen einmal positiv gewirkt.

Für uns war es schwer, das alles mit ansehen zu müssen. So wie 1989 ist es in 20 Jahren nicht gewesen: Gottesdienste fielen aus, die Leute hatten bei Amtshandlungen umständliche Laufereien, Christenlehre fand zunächst gar nicht statt und nachher nur unzureichend; keine Familiengottesdienste, kein Krippenspiel, kein Erwachsenenunterricht.

Wenn wieder ein Pfarrer kommt, wird er es schwer haben. Es kann natürlich sein, daß der Kirchenvorstand sich still verhält, um zu beweisen, daß es an ihm nicht gelegen hat. Aber eher wird der Pfarrer still sein müssen, damit er nicht auch davongejagt wird. Auch in Steinbach-Hallenberg muß durch die Kirchenleitung geklärt sein, wer das Sagen hat. Es genügt nicht, nur aufzufordern: Ihr müßt euch einigen! Wenn nicht klare Richtlinien bestehen, gibt es noch lange keine Lösung.

 

An dieser Stelle muß auch von der Rolle der Familie Lieberknecht die Rede sein. Beim Landeskirchenrat wurde uns aus einem Brief eines Lieberknechtsohnes berichtet, in dem er seine Sorge um Steinbach-Hallenberg ausdrückt. Als wir später die Personalakte beim Landeskirchenrat einsehen, stellte sich heraus, daß Ullrich Lieberknecht den Brief geschrieben hatte.

Der Brief war schmierig bis eklig, voller religiöser Floskeln, die von großer Sorge um die Gemeinde sprachen, aber in Wirklichkeit nur schlecht machen wollten.

Angeblich habe eine Frau aus Rotterode ihn unter Tränen angefleht, etwas zu unternehmen. Hier kann es sich an sich nur um Frau Döll handeln, die sich sicher wirklich Sorge gemacht hat. Aber ob sie mit dem „etwas unternehmen“ eine Beschwerde beim Landeskirchenrat gemeint hat, die dann auch noch stark ins Gewicht fiel, das ist doch fraglich.

Vielleicht wollte Ullrich Lieberknecht seinem Bruder den Weg bereiten. Jedenfalls hatte Frau Lieberknecht schon lange die Fühler nach Rotterode ausgestreckt. An Weihnachten war der Vater Lieberknecht in Rotterode und Steinbach, da wird schon das Nötige besprochen worden sein.

Die Rotteroder wollten ja schon lange Pfarrer Peters loshaben. Doch als das mit der zögernden Haltung des Dekans zu lange dauerte, hat man es mit dem anderen Pfarrer versucht. Viel leicht bestand sogar der Plan, Pfarrer Peters ins Unterstädter Pfarrhaus zu setzen, damit ein Lieberknecht wieder im Oberstädter Pfarrhaus und in Rotterode war. Das ist nur eine Vermutung, aber eine Möglichkeit, den plötzlichen Umschwung der Rotteroder zu erklären; irgendetwas in dieser Richtung muß man ihnen gesagt haben.

Ich hätte ja eher vermutet, daß die Nachbarpfarrer nach Steinbach drängen. Aber falls sie das vorgehabt haben (vor allem Herr Schulte, aber auch Herr Hoffmann), dann haben sie inzwischen gemerkt, welch heißes Pflaster das ist. Außerdem wußten sie genau, daß sie gegen einen Pfarrer mit dem Namen „Lieberknecht“ keine Chance haben, egal wie dessen Qualitäten sein würden.

Vor allem rechnete man sich dann aus, daß auch die Pfarrfrau mitmachen würde und die Christenlehre ohne zusätzliche Wohnung abgesichert wäre. Deshalb hat wohl auch Frau Marion Lieberknecht etwas Christenlehre übernommen, um die Sache zu überbrücken. Der Dekan war natürlich auch für einen Lieberknecht, weil der aus dem Dekanat stammt und über bestimmte Dinge Bescheid weiß. Dazu paßt auch gut die Aussage von Vater Lieberknecht im Ostergottesdienst: „Gottes Wort wird auch in Zukunft von dieser Kanzel gepredigt werden!“

Doch zunächst einmal machte der Sohn einen Rückzieher, „weil ihm die Nachfolge seines Vaters zu schwer erschien“, wie er sagte, oder weil der Landeskirchenrat keine Genehmigung gegeben hatte oder weil ihm das Dekanat zu klein war und er ja Superintendent werden wollte. Aber entscheidend war dann wohl, daß seine Frau anfing, Karriere in der Politik zu machen. Sie war ja ein aufgehender Stern in der CDU, wurde aber dann durch Ministerpräsident Vogel relativ kaltgestellt.

Ende Juli stellte sich ein Pfarrer Möslein im Gottesdienst vor. Der Dekan war auch da und der Kirchenvorstand tagte im Anschluß im Haus hinter der Kirche. Herr Möslein war der einzige, der sich auf die Ausschreibung hin gemeldet hatte. Aber er hätte in Steinbach nichts werden können. Schon daß er die Gottesdienstordnung veränderte und den Psalm von einem Platz an der Seite aus las, ließ ihn durchfallen. Der Landeskirchenrat hat dann verschiedene Vikare überreden wollen. Aber sie haben sich strikt geweigert, weil inzwischen im Land bekannt war, welchen Kirchenvorstand es in Steinbach-Hallenberg gibt.

Pfarrer Peters mußte zwar seit dem 1. Oktober wieder arbeiten. Aber er sagte ganz offen, daß er es nur noch solange tut, wie er kann. Das heißt, daß er auf eine Invalidisierung hinarbeiten wird wie schon die ganzen Jahre. Diese hat er schließlich ja auch erreicht. Seine Söhne waren schon in der Bundesrepublik. Er wurde mit allen Ehren verabschiedet und wird im Westen aus Kassel rund 5.000 DM im Monat an Pension erhalten.

Ab September wurde etwas Christenlehre gemacht. Frau Lieberknecht machte nun doch die beiden ersten Klassen weiter, aber die Kinder klagten, sie müßten immer nur basteln und malen. Die Klassen 3 bis 6 hat Pfarrer Weiß übernommen. Doch die Kinder, vor allem die Jungen, sehen die Christenlehre als eine Art Belustigung an und treiben allerhand Unsinn. Dafür gibt es dann hin und wieder auch einmal Ohrfeigen. Nur gut, daß es als ersten Oliver Gießler traf.

Weshalb Herr Weiß sich das alles noch auflädt, ist unverständlich. Vor 25 Jahren ist er aus Steinbach weggegangen, weil man ihn unter Druck gesetzt hatte, weil er nicht mit den Konfirmanden zurechtkam. Jetzt macht er ausgerechnet Christenlehre. Inhaltlich vertritt er seine bekannten Thesen, wonach Adam und Eva wirklich gelebt haben usw. Aber es muß für ihn eine späte Genugtuung sein, daß man ihn für die Christenlehre haben wollte, auch wenn der Unterricht miserabel ist. Der Dekan hat sonst immer negativ von ihm gesprochen, aber jetzt konnte er ihn wieder gut gebrauchen.

Bei Trauerfeiern blieb er wiederholt stecken. Bei der Trauung Peters kam er zweimal aus dem Konzept, als Herr Peters „lauter“ rief und als jemand fotografierte. Eine Steinbacher Familie wollte, daß ich ihr Kind noch heimlich im Haus taufe. So hatte es Herr Weiß ja vor Jahren mit dem Kind der Familie Ewald „aus Gewissensgründen“ gemacht;  jetzt wäre Gelegenheit gewesen, es genauso zu machen, aber das machte ich natürlich nicht.

Aber immerhin konnte man sagen, daß Christenlehre sei. In Altersbach machte Frau Schulte etwas, nachdem die Altersbacher nicht nach Rotterode zur Christenlehre gegangen waren (aber Herr Dalberg hat ja dann dort auch keine mehr gemacht).

 

Für uns wurde immer deutlicher, daß man als ehemaliger Pfarrer nicht privat in Steinbach-Hallenberg leben kann. Immer wieder fragen die Leute neugierig, setzen Gerüchte in die Welt, kontrollieren, wer zu Besuch kommt (z.B. wie oft unsre Söhne kommen und mit wem sie kommen).

Im Kombinat Haushaltwaren, wo ich seit 20. März 1989 arbeitete, war es anders, weil dort auch Hergeser und Viernauer sind. Dort wurde ich von der Leitung und von den Kollegen freundlich aufgenommen und es wurde nicht viel nach der Vergangenheit gefragt. Sicher blieb ich auch dort irgendwie noch ein wenig Pfarrer. Aber ich sah das Leben auf einmal von einer ganz anderen Seite, wie fern der Glaube und die Kirche doch den Menschen sind und daß man sie einerseits verstehen, aber andererseits auch ganz anders anreden muß.

Aber je länger je mehr mußten wir erkennen: Wir sind keine Steinbacher, wir gehören nicht dazu. Solange man Pfarrer ist, wird das etwas verdeckt, um nachher umso deutlicher hervorzutreten. So blieb für uns nichts anderes, als wegzugehen.

Und wir sagten uns: Wenn wir schon das mit vielen Mühen aufgebaute Haus aufgeben müssen, dann gehen wir dorthin, wo wir noch ein Haus haben, um das wir uns kümmern müssen, wo wir aber auch Verwandte und Freunde haben, die nicht verstehen konnten, weshalb wir nicht längst diesen Schritt getan haben.

Am 21. August (nicht früher, wie man auch behauptet hat) stellten wir einen Ausreiseantrag und zogen am 15. November 1989 um.

Inzwischen hatte sich nämlich auch herausgestellt und stellte sich in den nächsten Monaten immer mehr heraus, daß der ganze Vorgang auch noch eine andere Dimension hatte. Die ganzen Schwierigkeiten und das Umschwenken des Dekans hatten ja begonnen, als ich einen Beschwerdebrief an den Kreisratsvorsitzenden geschrieben hatte, weil man unseren Söhnen die Fahrt zur Beerdigung ihrer Oma verwehrt hatte.

Kurz darauf durfte allerdings Ute König zum Geburtstag ihres Onkels fahren, obwohl sie ja auch unverheiratet ist. Wie es dazu kam, verriet sie unbedacht bei der Weihnachtsfeier im Gemeindehaus: „Da hat uns der Erich geholfen!“ Mit „Erich“ war nicht der Staatsratsvorsitzende gemeint - wie ich zunächst annahm - sondern Erich Nothnagel.

Da fiel einem natürlich einiges ein: Zunächst einmal die Ausfälle und unqualifizierten Angriffe von Heini König gegen mich und Herrn Hey und einige andere, weil er nun Erich Nothnagel verpflichtet war. Aber auch dessen Verhalten stand nun in einem anderen Licht: Warum hat er plötzlich im Oktober und November 1988 damit begonnen, in der Kirchenrechnung etwas gegen mich und Herrn Hey zu suchen? Warum kam er auf Briefe zurück, die längst erledigt waren? Warum lobte er auf einmal den früheren Hausmeister und machte den neuen schlecht?

Bekannt ist, wie er zu seiner ersten Westreise gekommen ist. Zunächst hatte man ihm die Reise abgelehnt, auch die Leiterin des Volkspolizeikreisamtes hatte abgelehnt. Man weiß genau, daß darüber nichts mehr kommt, auch Berlin nichts anderes entscheidet. Nur eine Möglichkeit gab es noch: die Staatssicherheit!

Kontakt dazu erhielt Herr Nothnagel über Alfred Zimmermann, Karl-Marx-Straße 51, der bei der 750-Jahr-Feier an der Spitze der sowjetischen Genossen im Festzug mitmarschierte, der beim Rat des Bezirkes für die Materialwirtschaft zuständig war und Erich Nothnagel die gewinnbringende Maschine besorgt hatte (Alleinhersteller für die DDR, jährlich 25 Millionen Stück), der Vorsitzender der NDPD und Parteifreund war. Erich Nothnagel brüstete sich ja damit, daß seine Partei ihm geholfen habe, während die CDU das nicht täte. Aber es war nicht die (Block-) Partei, sondern die Staatssicherheit, die geholfen hatte. Prompt konnte er dann ja auch innerhalb von zwei Monaten dreimal in den Westen fahren (Wo kamen denn die vielen Tanten auf einmal her?). Man erzählte in Steinbach, er habe seinen Bruder zu Spitzeldiensten werben sollen, der habe ihn aber hochkant hinausgeworfen.

Tatsache ist, daß Herr Nothnagel von der Staatssicherheit angesprochen wurde wegen Mitarbeit. An den Leuten aus dem Dekanatssynodalvorstand hatte man besonderes Interesse (Herr Johannes war ja schon IM). Herr Nothnagel sollte geworben werden von dem Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Kreises, Horst Möschter, der ja bekanntlich ein Stasi-Mann war (und außerdem Feuerwehrkollege). Damals hat er abgelehnt.

Aber ob er es auch getan hat, als er etwas von der Stasi wollte, als er unbedingt die Westreise erreichen wollte? Das war natürlich der Punkt, wo die Stasi ansetzen konnte. Herr Nothnagel war kein „Inoffizieller Mitarbeiter“ im klassischen Sinn. Das heißt: Es wurde keine Verpflichtungserklärung unterschrieben, es wurde kein Geld gezahlt! Vor solchen Dingen wären kirchliche Mitarbeiter zurückgeschreckt. Aber man hat ihnen offenbar gesagt, welches Verhalten man von ihnen als Gegenleistung erwartete. Damit waren sie keine „Spitzel“, aber sie betrieben das Geschäft der Stasi. Zumindest war allen deutlich, daß man sich bei staatlichen Stellen und bei der Stasi eine gute Nummer machen konnte, wenn man gegen so eine negativ-feindliche Person wie den Pfarrer Heckert vorging.

Zunächst dachten wir, schon die NDPD hätte solche weitreichenden Verbindungen. Sie wurde ja von Mitgliedern selber als „Mafia von Steinbach“ bezeichnet. Auf dieser Ebene liefen solche Geschäfte wie der Kauf von Klappstühlen und eines Schreibtischs vom Parteifreund Möbel-König. Aber Westreisen waren nur in Verbindung mit der Stasi zu beschaffen. Wenn Alfred Zimmermann aussagte, Erich Nothnagel sei nicht bei der Stasi gewesen, dann besagt das gar nichts, wenn er selber dabei war. Hierhin gehören auch manche dunklen Andeutungen von Einwohnern, die vielleicht mehr wissen („Gegen den kommen Sie nicht an, da steckt mehr dahinter!“).

Daß die Staatssicherheit hinter den ganzen Vorgängen stecken könnte, zeigt auch ein Gespräch mit unserem Sohn Hosea in der Kaserne in Merseburg. Da fragte der Politoffizier: „Ihr Vater ist doch Pfarrer. Ist er es denn noch?“ Hosea sagte: „Sie wissen doch genau Bescheid, was ist!“ Seine Antwort: „Wenn Sie sich nicht ändern, dann geht es Ihnen wie Ihrem Vater!“

Man wagt so etwas gar nicht zu denken.

Aber auch in der Gemeindeversammlung in Altersbach sagte der Dekan Ähnliches gesagt. Unter anderem gab er als Grund für meine Beurlaubung an: „Mit den staatlichen Stellen hat er sich ja auch angelegt!“

 

Von der Rolle des Dekans muß in diesem Zusammenhang die Rede sein. Damals sagte er, mein Brief gefährde die guten Beziehungen zwischen Staat und Kirche im Kreis. Man habe gedroht, kein Baulimit mehr zur Verfügung zu stellen (Limit wurde sowieso nicht bereitgestellt und man wollte es auch nicht tun). Aber in Wirklichkeit meinte er: „Unsre Dienstreisen in den Westen werden gefährdet!“ Er selber war ja mehrmals als ,,Kurprediger“ für Wochen in Österreich.

Vor so einer Reise wurde man ins Staatssekretariat für Kirchenfragen bestellt und dort von Stasi-Leuten geeicht. Dabei ging es nicht nur darum, daß man im Ausland nicht die DDR schlecht macht. Es wurde immer auch versucht, inoffizielle Mitarbeiter zu gewinnen. Ich weiß das, weil unser Sohn Markus aus diesem Grunde eine Dienstreise für den Ökumenischen Jugenddienst nach Italien abgelehnt hat (erst im Mai 1990 konnte er nach Schweden fahren).

Man kann sagen, was man will: Durch diese Dienstreisen hat der Staat die kirchlichen Amtsträger diszipliniert. Auch wenn nicht direkt etwas gesagt wurde, so wollte man sich doch erkenntlich erzeigen. Dann wurde eben ein so mißliebiger Mann wie der Herr Heckert nicht mehr eingeladen, wenn man sich bei Abendessen und Wein im „Pfalzkeller“ mit den Vertretern des Rates des Kreises traf.

Dazu kam noch, daß Herr Schreiber meine wesentliche Mitarbeit an dem Buch über Schmalkalden verschwiegen hatte, das in Kassel herausgekommen ist. Erst hat er mir offiziell vor der Pfarrkonferenz den Auftrag dafür gegeben. Dann hat er selber etwas geschrieben und dabei über weite Strecken meinen Text wörtlich abgeschrieben. Der ganze vierte Teil des Buches entstammte meiner Idee, wurde von mir entworfen und von den Ortspfarrern nur noch einmal durchgesehen und korrigiert. Im dritten Teil hat Herr Schreiber sogar den sachlichen Fehler mit abgeschrieben, den ich gemacht habe, andererseits aber auch Fehler hineingebracht, wo er die Sache nicht verstanden hatte bzw. es besser wissen wollte. Weil ich ihn deswegen zur Rede stellte, versuchte er natürlich auch, mich auf anderem Gebiet unglaubwürdig zu machen. Aus diesem Grunde bohrte er in alten Sachen, zerrte neue herbei und brach einfach unnötige Veränderungen vom Zaun

Außerdem vertrat er auf Pfarrkonferenzen und in der Öffentlichkeit politische Ansichten, die einem die Haare zu Berge stehen ließen und die einfach Geschichtsfälschungen waren (Zitat: „Die Mauer in Berlin haben die Amerikaner gebaut!“). Als ich ihm dabei widersprach, wollte er mir sogar das Wort in der Pfarrkonferenz verbieten. Man mußte den Eindruck haben, daß er noch einem anderen Herrn verpflichtet war als dem Herrn der Kirche. Früher hat er jedenfalls anders geredet.

Nach der „Wende“ wurde Herrn Schreiber bei einer Versammlung in Schmalkalden vorgeworfen, er habe sich doch auch heimlich mit Staatsvertretern (d.h. Stasileuten) getroffen. Es wurden auch Tag und Stunde angegeben. Aber Herr Schreiber redete sich damit heraus, an diesem Tag sei er woanders gewesen. Wenn vielleicht auch der Tag nicht genau gestimmt hat, so liegt hier doch ein unabhängiger Hinweis vor, daß da etwas gewesen ist, daß es da Verbindungen gab.

Im September 1989 gab das Ministerium für Staatssicherheit eine Anweisung heraus, wie die nach rechts abgedriftete Kirche und die CDU wieder mehr auf DDR-Kurs zu bringen sei. Man wollte besonders bei kirchlichen Würdenträgern ansetzen. In einer Liste werden einzelne Superintendenten in Thüringen aufgezählt. Erwähnt ist auch das juristische Mitglied des Landeskirchenrates, eben jener Oberkirchenrat Kirchner, der im gleichen Schreiben auch noch einmal namentlich erwähnt ist. Er war „HIM“, das heißt hauptamtlich inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit mit einem Rang. Erwähnt wird in jenem Schreiben aber auch der „Superintendent“ von Schmalkalden, das heißt Dekan Schreiber.

Außerdem geht aus den Stasi-Unterlagen hervor, daß ein ,,Schreiber“ aus Floh einen Fluchtversuch gemacht hat. Nun gibt es dort zwar noch andere Einwohner mit dem Namen Schreiber. Aber ob die entsprechende Söhne haben, weiß ich nicht. Es könnte aber ein Sohn des Dekans gewesen sein, etwa der Arzt, dessen Frau auch nach zwei Versuchen das Staatsexamen nicht geschafft hatte. Bei den Kommunalwahlen 1989 kandidierte er in Roßdorf für die CDU und wurde als einziger im Bezirk Suhl mit Bild und staatsfreundlichem Text auf der ersten Seite der Zeitung ,,Freies Wort“ vorgestellt.

 

Durch die Zusammenarbeit mit Erich Nothnagel war es dem Dekan gelungen, die Mehrheitsverhältnisse im Dekanatssynodalvorstand umzudrehen. Vorher standen meist die beiden Theologen gegen die drei Laien. Durch das Umschwenken von Herrn Nothnagel waren die Verhältnisse umgekehrt, die beiden Schmalkalder Mitglieder wurden zu manchen Dingen gar nicht mehr herangezogen. Der Dekan rügte, daß wir uns um Thomas Päckert kümmerten, der vielleicht bei der Stasi mit einer Röntgenkanone bestrahlt wurde. Der Dekan billigte nicht den Einsatz für Antragsteller wie die Familie Schimmel. Alles fügt sich heute zu einem Gesamtbild zusammen.

Auch das Zusammenspiel von Pfarrer Hoffmann in Springstille und Pfarrer Schulte in Oberschönau wurde immer offensichtlicher. Beide haben ja auch begehrte Auslandsreisen unternehmen können (nach Finnland und USA). Für die Reise nach den USA war ich von den Pfarrern der Vereinigten Kirche eingeladen worden, weil ich gute Englischkenntnisse hatte. Aber diese Einladung wurde gleich umgepolt auf Herrn Schulte, weil da die Genehmigung leichter laufen würde. Aber für mich war es ja auch nicht so interessant, einmal in den Westen zu kommen, ich kannte das ja.

Was uns gedroht hätte, geht aus der Stasi-Akte unsres Sohnes Markus hervor. Er sollte für den Brief an „Herrn Honecker“ vom Januar 1987, in dem er sich auch über fehlende Reisemöglichkeiten beschwerte, viereinhalb Jahre Gefängnis erhalten. Doch die Berliner Stasi lehnte diesen Vorschlag der Suhler ab, weil er zu gute Verbindungen zu kirchlichen Stellen hatte (Mitglied der Landessynode) und man keine Märtyrer schaffen wollte. Sein Brief wurde zusammen mit meinem Brief dem Dekan und seinem Stellvertreter (Pfarrer Hoffmann) beim Kreisrat in Schmalkalden vorgelegt. Damit ist deutlich, was auch für mich vorgesehen war: Ich säße heute (1990) noch im Gefängnis.

Im Januar 1990 arbeitete die Stasi ja noch und plante sogar einen Putsch, der von Gera ausgehen sollte. In diesem Monat hatte Markus zusammen mit Roland Jahn, einem früheren Jenaer, für das ZDF eine Fernsehsendung gemacht, durch die herauskam, daß die Stasi noch Zugang zu Waffen hatte. Wegen dieser Sendung erhielt Markus den höchsten „Titel“, den die Stasi zu vergeben hatte: Er wurde zum „Feind Heckert“, der zu paralysieren sei.

Man glaubt ja gar nicht, welche Vorkehrungen die Stasi getroffen hatte und was sie plante. In Steinbach-Hallenberg waren das ehemalige Haus des Skispringers Recknagel am Schwimmbad und das „Werkzeuglager“ bei der Schmiede des Werkzeugkombinats Stasi-Objekte, aber auch weitere 17 Wohnungen, die zum Teil leer standen, zum Teil bewohnt waren.

Von diesem Gesamtbild her fällt auch ein Licht auf andere Vorgänge: Der Dekan war strikt gegen jede Art von Umweltgruppe, weil die staatlichen Stellen (bzw. die Stasi) ihm deutlich gemacht hatten, daß sie so etwas nicht duldeten. Deshalb war er auch gegen Frau Marr und daß sie etwas in der Kirchengemeinde Steinbach-Hallenberg tut. Die Umweltgruppe in Schmal­kalden genügte ihm schon. Für mich dagegen ging es um ein echtes Umwelt-Engage­ment, das ich für die Pflicht eines jeden Christenmenschen hielt, das etwas mit Bewahrung der Schöpfung zu tun hatte.

Das Bedauerliche ist, daß der Einfluß der Staatssicherheit bis weit in die Kirche hineinreichte, auch und gerade in die höchsten Stellen. Das Magazin „Stern“ schrieb am 29. März 1990: „Martin Kirchner gehörte als Eisenacher Oberkirchenrat zu den vier Unterzeichnern des vor der Wende verfaßten ‚Weimarer Briefe’, eines Dokuments, das heute als Markstein der Parteierneuerung bezeichnet wird.“

In Wahrheit, so behaupten Eingeweihte, habe bei der darin enthaltenen Aufforderung, die DDR endlich realistisch und unbeschönigt wahrzunehmen, die Stasi die Hand geführt, mit dem Ziel, Einfluß auf die an der Basis nach rechts abgetriftete CDU zu wahren. Der Bonner Ratschlag, die Vergangenheit ruhen zu lassen, entspringt nicht nur christdemokratischem Gespür für die Stimmung im Volke, sondern auch Erkenntnissen aus Dossiers und Akten. Zum Beispiel über Martin Kirchner, den Generalsekretär der Ost-CDU. Der gehörte als. „HIM“ zur Stasi. Dieser Kirchner hat es schon vorher mit einem Pfarrer aus dem Bezirk Gera ebenso gemacht wie mit mir.

 

In Steinbach-Hallenberg soll sich nach unserem Weggang noch ein (behinderter) Pfarrer für die Oberstädter Pfarrstelle beworben haben, aber davon hat man nichts weiter gehört. Bewerben wollte sich auch der Superintendent Bär in Ebeleben, der noch einmal zehn ruhigere Jahre haben möchte (ob da allerdings Steinbach-Hallenberg das Richtige ist?). Aber man wollte ihn eigentlich nicht: Der Dekan nicht, weil er nicht einen Gleichwertigen im Dekanat haben wollte, der Kirchenvorstand nicht, weil es der Dekan so wollte und weil man natürlich auch lieber einen schwachen Mann haben will. Bär war dann doch kurzzeitig da, wurde aber bald Beauftragter der Kirchen bei der Landesregierung.

Ansonsten fand man Ende Februar 1990 für die kirchliche Arbeit nur das Wort „Chaos“. Der Kirchenjunge erfährt nicht, welche Lieder anzustecken sind. Die Heiligenmeister sollen den ganzen Kirchendienst machen (da wird es bald keinen mehr geben). Auf der Kirchenkasse sind sie auch nicht im Bild, Herr Hey hat das wenigstens mit dem Liederanstecken organisiert. Nachrichten über stattgefundene Taufen erhält der Kirchenjunge gar nicht mehr, stattdessen will man ihn zu Goldenen Hochzeiten schicken.

Christenlehre ist zwar. Aber oft fällt sie aus, ebenso wie der Konfirmandenunterricht (und das in einer Zeit, wo sich wegen des Niedergangs der Jugendweihe wieder mehr konfirmieren lassen wollen). Jetzt hat man sogar den Konfirmationstermin umgeschmissen, weil Herr Schulte am gleichen Tag Konfirmation bei sich hat (! So etwas ist seit Menschengedenken nicht vorgekommen). Es ging sogar mehrmals hin und her wegen des Termins. Herr Naumann hat mit den Konfirmanden eine Art Rüstzeit in Schmalkalden zusammen mit den Schmalkaldern gemacht. Das hat eher Anklang gefunden. Aber es ist jetzt auch so, daß während der Konfirmandenstunde immer Spiele gemacht werden.

Meist ist Lesegottesdienst, den Herr Nothnagel und Herr Marr (der bekanntlich nicht lesen kann) halten. Die Friedensgebete am Montag machen der altlutherische und der methodistische Pfarrer, auch mal der aus Viernau.

Doch die Unruhe in der Bevölkerung ist mehr wegen der allgemeinen Lage, wegen der Entlassungen und der Frage des Geldumtauschs als wegen der Kirche. Der stellvertretende Bürgermeister ist von der NDPD in die SPD übergetreten. Aber für die CDU findet sich kein Bürgermeisterkandidat. Der erste Bürgermeister hat aufgehört, weil man ihm Vorwürfe gemacht hat, die bis zu Drohbriefen gingen; er macht jetzt Heizer in der Hergeser Schule. Nicht nur die Pfarrer vertreibt man in Steinbach, auch die Bürgermeister.

Auch im Kombinat Haushaltwaren hat es eingeschlagen: Direktor Müller entlassen, Lagerhalter Attila Mangold entlassen, Angelika Trapp und Frau Boitz an der Maschine, insgesamt 140 Entlassungen, die aus dem Westen waren schon da.

 

Ende 1990 hat sich manches geklärt. Jetzt ist deutlich, daß die Stasi große Teile der Kirche unterwandert hatte. In den gedruckten Stasi­quellen steht eindeutig, daß es im Landeskirchenrat in Eisenach und auch auf der Ebene der Visitationsbezirke inoffizielle Mitarbeiter der Stasi gab (Plural!). Stern und Spiegel haben entsprechende Aussagen und Dokumente veröffentlicht, die Fernsehsendung „Panorama“ hat die Aussagen von anderer Seite bestätigt und die Verdächtigten mit Namen genannt und interviewt, z.B. den Oberkirchenrat Christoph Thurm.

Aus den Akten wird sich erheben lassen, wer auf der mittleren und unteren Ebene inoffizieller Mitarbeiter war. Man wird diesen Leuten wohl gesagt haben, daß ihre Akten vernichtet sind. Deshalb leugnen sie auch so standhaft und ungeniert. Aber sie bedenken dabei nicht, daß auch in anderen Akten etwas über sie steht, daß es Zusatzkarteien, Querverweise und einfach Duplikate gibt. Außerdem war es bei kirchlichen Leuten vielfach üblich, daß sie nicht verpflichtet wurden, weil sie davor zurückgeschreckt wären; deshalb genügte auch die mündliche Zusage zur Mitarbeit.

Das Leben genommen hat sich Pfarrer Naumann, der bisher noch nicht verdächtigt worden war. Er hat ja verhindert, daß in Schmalkalden die Stasimitarbeiter von der Bevölkerung gelyncht wurden. Man hielt ihn in der Öffentlichkeit an sich für einen Gegner des Staates. Daß er zu DDR-Zeiten auf Wahlveranstaltungen ge­sprochen hatte und sein Beitrag in der Zeitung erwähnt wurde, konnte man für noch im Rahmen halten.

Doch im Oktober geriet er immer mehr in die Schußlinie, weil jetzt Dokumente in die Öffentlichkeit getragen wurden, die man beim Sturm auf die Stasistelle in Schmalkalden erbeutet hatte und die ihn belasteten. Er leugnete natürlich wie alle, aber offenbar hatte er doch keine reine Weste, denn sonst hätte er sich nicht das Leben zu nehmen brauchen.

Mir wurde dabei deutlich, wie sehr ich in der gleichen Gefahr hätte stehen können. Was hätte man denn gesagt, wenn nicht ein Täter, sondern ein Opfer sich das Leben genommen hätte? Hätte sich dann auch ein Dekan Schreiber hingestellt und sein Bedauern ausgesprochen, wie er das auf der Synode in Hofgeismar getan hat? Hätte man das als ein Zeichen der Unschuld oder ein Eingeständnis der Schuld gewertet. Ich kann nur sagen, daß ich Gott sei Dank nie in dieser Versuchung gestanden habe, weil ich ja ein gutes Gewissen hatte. Aber einfach war es schon nicht.

Einfach ist es auch nicht, daß jetzt einer dem anderen einen Persilschein erteilt, daß sie ungebrochen weiter ihren kirchlichen Dienst tun dürfen oder in Ehren verabschiedet werden, aber mir will man nicht einmal erlauben, einen Gottesdienst zu halten. Bischof Leich hat zwar gesagt, eine Mitarbeit beim Stasi ziehe den Verlust der Ordination nach sich. Aber in der Praxis sieht es so aus, daß nur ich durch meine Kündigung die Rechte aus der Ordination verloren habe bzw. daß sie „ruhen“, wie es richtig heißt.

Leider will die Landeskirche noch alles zudecken, weil man Schaden für die Kirche fürchtet, wenn noch mehr herauskommt. Dabei ist doch wirklich schon genug herausgekommen. Nur die Flucht nach vorn kann noch helfen. Je länger es dauert, desto schlimmer wird es werden. Es kommt alles heraus, davon bin ich überzeugt. Die kirchlichen Mitarbeiter dürften nicht mit dem Verlust ihres Amtes bedroht werden, denn da sagen sie sich: „Wenn ich es jetzt zugebe, verliere ich mein Amt. Wenn es erst später herauskommt, kann mir auch nichts Schlimmeres passieren!“

Jedenfalls könnte die Kirche nur gewinnen, wenn sie ehrlich zu ihrer Vergangenheit stünde. Viele Menschen haben Verständnis dafür, wenn einer schwach wurde oder erpreßt wurde oder Angst hatte. So schnell vergißt man ja nicht, was man selber mitgemacht hat. Bis jetzt ist jedenfalls noch keiner gelyncht worden, der es zugegeben hat, aber er hat eine große Erleichterung erfahren. Die Kirche sollte helfen und anleiten zum Bekenntnis der Schuld und Wege in eine Zukunft weisen.

Nach dem Gesagten ist es klar, daß es auch auf der Ebene der Gemeinde Stasi-Mitarbeiter gab, und zwar unter den Angestellten wie im Kirchenvorstand. Nur stehen diese nicht so im Interesse wie die Prominenten. Und wenn ein Unbeteiligter die Akten liest, kann er sich die Einzelheiten nicht so merken wie einer, der die Verhältnisse kennt. Manchmal ist es auch ein reiner Zufall, wenn ganz nebenbei etwas herauskommt.

Da war jemand beschäftigt mit der Suche nach „Offizieren im besonderen Einsatz“. Er bezeichnete Steinbach-Hallenberg als ,,Stasi-Nest“, denn dort hat es einige gegeben. Bei diesen Forschungen stieß er auch auf den Namen ,,Schwester Christa“. Er wußte nicht, was sie mit der Stasi zu tun hat. Aber ein Steinbacher kann sich schnell einen Reim darauf machen.

Als im Juni die „Tageszeitung“ eine Liste von konspirativen Wohnungen in der ganzen damaligen DDR veröffentlichte, war dabei auch das Evangelische Gemeindehaus in Steinbach-Hallenberg aufgeführt. Ich hielt das damals für eine Verwechslung und sagte: „So etwas hätte ich gemerkt, wo ich jeden Tag dort aus und eingegangen bin!“

Als die Sache in Steinbach bekannt wurde, hat Erich Nothnagel eine „Ehrenerklärung“ der kirchlichen Mitarbeiter und Kirchenvorsteher veranlaßt und in den Bekanntmachungskästen ausgehängt. Darin versichern sie, daß keiner von ihnen ein Stasi-Mitarbeiter gewesen sei. Unterschwellig wird angedeutet, daß vielleicht einer von den Weggegangenen dazugehört haben könnte.

Es wird eine Belohnung von 5.000 DM ausgesetzt für stichhaltige Beweise, worauf die Gemeindeglieder sich wunderten, daß die Kirche kurz nach der Währungsumstellung so viel Geld hat, denn man nahm an, das Geld würde dann von der Kirche und nicht von den Unterzeichnern aufgebracht. Es wurde auch rechtliche Schritte gegen die „TAZ“ angedroht, aber geschehen ist nichts (das sagt an sich schon alles). Allerdings kann es sein, daß die Unterschreibenden tatsächlich nicht davon wußten, denn das Gieslers und Waltraud Jäger waren nicht mehr da und haben deshalb auch nicht unterschrieben.

 Die konspirative Wohnung war aber nicht in der Schwesternstation, wie ich zuerst vermutete. Man wunderte sich, daß Schwester Christa von Steinbach abgezogen wurde, weil man sie im Mutterhaus brauchte. Aber sie wäre auch in der „konspirativen Wohnung Schwesternstation“ im Weg gewesen. Deshalb wurde sie im Mutterhaus schlecht gemacht, deshalb hat man sich nicht mit ihr vertragen, deshalb durfte auch niemand anders kommen. Mit anderen Worten: Schwester Christa war das erste Opfer, das die Stasi aus Steinbach vertrieben hat. Damit ist auch deutlich, weshalb Schwester Irma bei den Leuten immer so neugierig war, so daß diese sie gar nicht mehr gern haben wollten.

Jetzt wird auch deutlich, weshalb die Leute im Kindergarten aufgehetzt wurden und immer wieder wegen Kleinigkeiten ungeheure Schwierigkeiten gemacht wurden. Da wird auch deutlich, weshalb der Dekan sich ganz anders verhielt als vorher, Dinge nicht rügte, die er früher nicht durchgehen ließ (z.B. die Beschimpfung als „Lügner“ in der Kirchenvorstandssitzung). Es wird deutlich, weshalb Herr Nothnagel auf einmal nicht mehr das Ziel hatte, den Dekan von den Kirchenvorstandssitzungen fernzuhalten usw.

Es wurde zwar kein „operativer Vorgang“ der Stasi durchgeführt. Aber sie hat die vorhandenen innerkirchlichen Spannungen ausgenutzt und verstärkt. Es wurden nicht bis in die Einzelheiten Anweisungen gegeben. Aber jeder wußte, was die Stasi erwartete. Da gab es kein Entrinnen mehr. Da hätte es mir auch nichts genutzt, wenn ich mich noch mehr zurückgehalten hätte.

Heute muß ich dankbar sein, daß ich instinktiv das Richtige ahnte, daß es nämlich keinen Zweck gehabt hätte, in eine andere Gemeinde in Thüringen zu gehen. Ich muß sogar annehmen, daß unsre Ausreise das Ziel der Stasi war. Beim Rat des Kreises schienen sie nämlich eher erleichtert zu sein, als wir endlich den Antrag stellten. Wahrscheinlich hat man schon 1987 gehofft, als wir als erstes Ehepaar im Kreis gemeinsam im Westen waren, daß wir nicht mehr zurückkommen. Zumindest hat man unseren Kindern schon gesagt: Die kommen nicht wieder! Vielleicht hat uns nur „gerettet“, daß wir vier Tage früher zurückkamen und sie an der Grenze unsre Zählkarte und vielleicht andere Anweisungen nicht zur Hand hatten, sonst hätten sie uns vielleicht schon damals ausgewiesen.

Heute können wir dankbar sein, daß wir beide wieder eine Arbeit gefunden haben, zwar nicht (oder noch nicht) im kirchlichen Raum, aber doch weit besser entlohnt als früher. Wir haben ein Haus, an dem zwar noch viel zu machen ist, aber wir hoffen, das noch schaffen zu können. Wir haben einen Acker, der heute schon 150.000 DM wert ist und im Laufe der nächsten zwei Jahre bis zu zwei Millionen wert werden kann, je nachdem, wie der Bebauungsplan wird. Unsre Tochter hat sich gut eingelebt, wurde sogar Klassensprecherin, wofür sie im Sozialismus und vielleicht auch in Steinbach-Hallenberg nie eine Chance gehabt hätte. Wir können mit Zuversicht der Zukunft entgegensehen. Wir können auch jedem in Steinbach in die Augen sehen, weil wir ehrlich geblieben sind, während die Stasileute dort immer mit der Angst vor Entdeckung leben müssen. Spätestens im Gericht Gottes wird alles offenbar werden.

 

Garantieerklärung

In einem Sonderdruck der „tageszeitung“ Berlin vom Juni 1990 wird das Evangelische Gemeindehaus „Dietrich Bonhoeffer“ in Steinbach-Hallenberg als Sitz einer konspirativen Wohnung der Staatssicherheit genannt.

Wir, der Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde 5teinbach-Hallenberg, und die Mitarbeiter des Evangelischen Gemeindehauses „Dietrich Bonhoeffer“ möchten uns entschieden dagegen verwahren, mit dieser Veröffentlichung in Zusammenhang gebracht zu werden. Wir erklären hiermit öffentlich, zu keiner Zeit als Informanten der Staatssicherheit gearbeitet zu haben, noch von der Existenz einer konspirativen Wohnung gewußt zu haben. Unser Haus stand zu jeder Zeit kirchlichen Mitarbeitern, Behinderten, Jugendlichen und allen Christen offen, die sich bei uns zur Erholung und Gemeinschaft zusammenfanden und die wir in gutem Glauben beherbergt haben.

Unser Gemeindehaus soll auch weiterhin ein Ort des Zusammenfindens und Vertrauens sein, deshalb wenden wir uns mit Entschiedenheit gegen Gerüchte, die unseren Ruf schädigen.

 

Wir verlangen eine Offenlegung der Informationsquellen der ver­antwortlichen Verfasser dieser Listen und werden uns rechtliche Schritte gegen die ,,tageszeitung" vorbehalten.

Sollte ein Bürger stichhaltige Beweise für eine Stasi-Mitarbeit eines Mitgliedes des Kirchenvorstands oder eines derzeitigen Angestellten des Gemeindehauses erbringen, setzen wir eine

Belohnung von           5.000.00 DM      aus.

 

Mitglieder des Kirchenvorstandes (handschriftliche Unterschriften)

Mitarbeiter des Gemeindehauses (handschriftliche Unterschriften)

 

 

 

Nachwort:

Diese ausgesetzte Belohnung darf man nicht so ernst nehmen, sie wird wahrscheinlich nicht einklagbar sein, weil sie mehr so etwas ist wie eine Spielschuld. Außerdem steht ja vorsichtshalber da „derzeitigen Angestellten des Gemeindehauses“. Insofern tut es mir auch leid, daß ich die Schwestern verdächtigt habe. In der Stasi-Liste über die konspirativen Wohnungen im Bezirk Suhl ist ja auch ausdrücklich der zweite Stock des Gemeindehauses genannt. Im Jahre 2008 hat sich nun ein Mann gemeldet, dessen Vater und Onkel im zweiten Stock des Gemeindehauses von der Stasi verhört wurden, und zwar vor 1985. Dort war die Hausmeisterwohnung, in der damals die Familie Gießler wohnte. Diese hat also nicht nur die Kirchengemeinde bei der Arbeit geschädigt, sondern auch der Stasi die Tür geöffnet in einer Dienstwohnung.

 

 

 

Nochmalige Zusammenfassung der Vorgänge:

Die Schwierigkeiten in Steinbach-Hallenberg ergaben sich aus einem Generationswechsel unter den kirchlichen Mitarbeitern. Anfangs gab es im Kindergarten drei Erzieherinnen und eine Aushilfskraft und bis zu 100 Kinder. Küche und Reinigung wurden von drei Frauen geleistet. Wenn wenig Arbeit war (keine Rüstzeit), gingen diese heim und schrieben auch nur die geleisteten Stunden auf. Wenn wieder mehr Arbeit war, machten sie anstandslos die erforderlichen Überstunden. Über das Jahr gesehen ergab sich so eine volle Anstellung.

Als diese Kräfte aber aus Altersgründen ausschieden, wurden neue Mitarbeiter angestellt, die nur zu der in der DDR üblichen Leistung bereit waren. Sie wollten jeden Tag ihren Acht-Stunden-Tag haben, mehr Mitarbeiter und mehr Vergütung. Der Hausmeisterdienst wurde jetzt von zwei Arbeitskräften versehen. Im Kindergarten waren bis zu sechs Leute angestellt. Die Kinderzahl wurde auf 90 begrenzt, von denen im Durchschnitt nur zwei Drittel anwesend waren. Dafür wurden dem Kindergarten immer mehr Räume zur Verfügung gestellt, so daß am Schluß kein einziger Raum mehr für die Gemeindearbeit zur Verfügung stand.

Die Kirche wurde als Selbstbedienungsladen angesehen: Verwandte durften kostenlos und in immer größerer Zahl mit essen, die Bananen für die Kinder wurden zur Hälfte unter die Angestellten aufgeteilt usw.

Andererseits waren die kirchlichen Tariflöhne regelmäßig erhöht worden. Mehr Personal verursachte natürlich auch höhere Personalkosten. So war in der Kirchengemeinde die Situation entstanden, daß trotz höherer Kirchensteuereinnahmen der Haushalt gerade noch so ausgeglichen werden konnte. Der Kirchenvorstand hatte beschlossen, daß die mehrere Jahre gezahlten freiwilligen Weihnachtsbeihilfen (13. Monatsgehalt) erst nach einem positiven Abschluß der Jahresrechnung ausgezahlt werden. Nähere Einzelheiten sind auf meiner Webseite („peterheckert.org) unter „Steinbach-Hallenberg“ zu finden.

Das war die Ausgangslage für den Konflikt, der am Ende eskalierte. Auslöser war Herr Erich Nothnagel, der nie direkt in den Kirchenvorstand gewählt wurde und dennoch die Kirchen­gemeinde in der Synode vertrat und sogar im Dekanatssynodalvorstand war. Nach einer Gesetzesänderung in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck war er zum Vorsitzenden des Kirchenvorstandes gewählt worden (vorher war das automatisch der geschäftsführende Pfarrer).

Er war Mitglied der NDPD und immer schon relativ staatsfreundlich, jedenfalls nach außen. In einem Gespräch mit dem Dekanatssynodalvorstand am 25. April 1984 äußerte das Mitglied Erich Nothnagel: „Christlich orientierten Bürgern ist es wichtig, sich in der Gesellschaft zu engagieren und nicht die Rolle eines Außenstehenden zu spielen, so wie ich das Einsatzfahrer der Freiwilligen Feuerwehr tue. Es gibt auch Probleme zwischen Staat und Kirche, die man ausräumen sollte. Auf beiden Seiten gibt es Kräfte, die aus subjektiven Vorfällen wie die Stö­rungen des Gottesdienstes in Fambach ein Problem machen!“ (Veranstaltungen zur Gottes­dienstzeit).  Hier wurde er aber von Johannes unterbrochen: Das Problem sei doch vom Rat des Kreises schnell und unbürokratisch gelöst worden.

 

Wie Herr Nothnagel seine Aufgabe sah:

  • Er berief Kirchenvorstandssitzungen ein ohne Abstimmung von Termin und Inhalt mit den Pfarrern
  • Er nahm Pfarramtsakten mit in seine Werkstatt und machte Vorschriften über die Beantwortung von amtlichen Briefen
  • Er nahm selber Lohnberechnungen vor und behauptet, sie seien richtig, auch wenn sie objektiv falsch waren
  • Er spielte sich als Vorgesetzter der kirchlichen Angestellten auf und gab ihnen Anweisungen ohne Rücksprache mit Pfarrern und dem Kirchenvorstand
  • Er verteilte zweckgebundene Baugelder (trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Kirchenvorstandes) nach Sympathie und Antipathie unter die Ange­stellten auf mit dem Argument: Ich habe das Geld besorgt, also kann ich auch damit machen, was ich will.

 

Im Gegensatz zu ihm war ich in kirchlicher Verwaltung ausgebildet und habe mich auch immer in Sachen Verwaltung weitergebildet. Dennoch wollte man mir gerade in Verwaltungsdingen an den Wagen fahren. Ich habe mich immer auf den Standpunkt der staatlichen und kirchlichen Gesetze ge­stellt, weil mir dadurch am ehesten eine Sicherung gegen Willkür gegeben schien. Heute nehme ich an, daß man bewußt meine Genauigkeit in diesen Dingen, meine Unbestechlichkeit und meinen Gerechtigkeitssinn für seine Machenschaften genutzt hat. Man wußte, daß ich bei den Kungeleien und willkürlichen und eigenmächtigen Befehlen nicht mitmachen würde.

Je mehr ich mich zurückhielt und vorsichtig war, desto mehr suchte man in Nichtigkeiten. Hät­te ich aber zu sehr die Augen zugemacht, wäre man mir mit dem Kirchenrecht gekommen und hätte mir Pflichtverletzung vorgeworfen. Das war die Zwickmühle, in der ich mich befand. Vielleicht war es nur im Rahmen üblicher Betrügereien, daß man mich zu falschen Angaben in einem Versicherungsfall verleiten wollte; vielleicht sollte mir aber damit auch ein Bein gestellt werden.

Man muß auch einmal überlegen, wo das Wohl der Gemeinde bleibt: Der eine Pfarrer fiel wegen Krankheit aus. Die Gemeinde wurde trotzdem voll versorgt. Da vertreibt man noch den anderen Pfarrer, dazu innerhalb eines Vierteljahres die Katechetin, den Verwaltungsleiter, den Kantor und den Hausmeister mit Frau. Wenn Herr Nothnagel mir vorgeworfen hat, wegen mir seien drei Mitglieder aus dem Kirchenvorstand ausgeschieden, so muß man ihm vorhalten, daß wegen ihm innerhalb eines Vierteljahres sechs Angestellte der Kirchengemeinde gekündigt haben. Das waren aber keine ehrenamtlichen Mitarbeiter wie die Kirchenvorsteher, sondern hauptamtliche. Herr Nothnagel ist allein dafür verantwortlich, daß nach einem Vierteljahr die Gemeinde ohne alle wichtigen hauptamtlichen Mitarbeiter dastand.

Über Jahre hinaus hat sich dann so gut wie kein Pfarrer für die zwei unbesetzten Pfarrstellen gefunden, vor allem nicht aus Thüringen, weil sich dort herumgesprochen hatte, was vorgefallen war. Die Unterstädter Pfarrstelle konnte nur von Leuten aus dem Westen besetzt werden, die sonst keine andere Stelle fanden.

 

Plötzlich wurde Anstoß genommen an der Osterkerze oder daran, daß angeblich zu einer besonderen Veranstaltung irgendjemand nicht eingeladen worden war. Angeblich hatten die Konfirmanden Bilder von Nackten gemalt, aber es wurde abgelehnt, sich die Bilder tatsächlich anzusehen (auf sexuellem Gebiet versuchte man den Leuten gern am Zeug zu flicken). Ganz klare kirchliche Bestimmungen wurden nicht beachtet: Es war zum Beispiel möglich, daß ein Mitglied in der Kirchenvorstandssitzung offen erklärte, er werde das hier Besprochene in die Öffentlichkeit bringen und der Dekan schritt nicht dagegen ein, wozu er von Amts wegen eindeutig verpflichtet war.

Seit ich den Beschwerdebrief an den Kreisratsvorsitzenden geschrieben hatte, gab es für mich keine Chance mehr. Je mehr ich mich zurücknahm und einlenkte, desto schwerere Geschütze wurden aufgefahren. Der Staatssicherheit hätte es genügt, wenn sie mich zum Schweigen gebracht hätte. Die Kirche aber wollte sicher gehen, daß ich nicht mehr „das gute Verhältnis zwischen Staat und Kirche im Dekanat“ stören würde. Deshalb hatte man meine Zwangsversetzung zum Ziel, wollte also dem Staat gegenüber den Plan übererfüllen.

 

Ich war es gewohnt, Gesetze und Bestimmungen erst einmal ernst zu nehmen. Im Kirchenvorstand in Steinbach-Hallenberg aber ging man so weit, daß man schließlich sagte: „Gesetze sind nur so etwas wie Vorschläge, an die man sich halten kann, die man aber auch nicht beachten muß!“ Und das in einem diktatorischen Staat wie in der DDR! In der DDR versuchte halt jeder, wenn es nur irgend ging, sich diesen Gesetzen zu entziehen und seine kleinen Freiheiten und Vorteile herauszuschlagen. Man machte sich einen Sport daraus, „den Staat“ zu betrügen.

Und wenn es beim Staat nicht ging, dann wollte man wenigstens bei der Kirche „Freiheit“ haben. Freiheit aber bedeutete, daß man machen konnte, was man wollte. Dabei wurden kirchliche Gesetze nicht beachtet und es wurde so entschieden, daß Ungerechtigkeiten gegenüber einzelnen Leuten in der Gemeinde oder auch gegenüber den anderen Gemeinden entstanden.

Damit habe ich mich nie abgefunden, weil ich einen ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn hatte. Ich trat dafür ein, daß man erst einmal die Gesetze ernst nimmt und sich ehrlich und ernsthaft bemüht, sie einzuhalten. Gesetze stellen die schriftliche Form dessen dar, worüber man sich einig ist, worüber man eigentlich nicht mehr zu verhandeln braucht.

Daß es darüber hinaus immer Dinge gibt, die durch ein Gesetz nicht geregelt werden konnten und die man dann aktuell entscheiden und regeln muß, steht auf einem anderen Blatt. Aber ich war dagegen, daß man von vornherein sagte: Gesetze gehen mich nichts an, ich mache was ich will. In der Praxis führte das nur zu Willkür und immer neuen Streitigkeiten.

Der frühere Bundeskanzler Kohl äußerte in der Parteispendenaffäre: „Mir sind Menschen wichtiger als Gesetze!“ Nun kann es zwar den Fall geben, daß man -  um die Absicht des Gesetzes zu wahren - auch einmal ausnahmsweise etwas gegen das Gesetz tut (weil ein allgemeines Gesetz nicht alle Sonderfälle regeln kann). Aber diese Ansicht darf nicht am Anfang des Handelns stehen, um eigenmächtiges Handeln zu rechtfertigen.

Ein Politiker - zum Beispiel ein Bürgermeister - soll heute integrieren können. Er muß den Laden zusammenhalten, sonst bricht alles zusammen. Das habe ich nicht gekonnt, jedenfalls nicht um den Preis, daß ich bei allem mitmachte. Ich wollte nicht mitmachen bei den kleinen Betrügereien, bei der Vetternwirtschaft und natürlich auch nicht bei der Staatssicherheit. Ich wollte, daß es ehrlich zugeht, nicht mach meinem Willen, sondern nach den allgemeingültigen Regeln und Gesetzen.

 

Ich war aber auch einfach in der Zwickmühle: Wäre ich nicht gegen die falschen Lohnberechnungen des Laienvorsitzenden eingeschritten, hätte man mir Pflichtverletzung im Amt vorwerfen können und mich haftbar gemacht, wie es ja auch in einem Fall geschehen ist (Da habe ich den Fehler einer Angestellten mit meinem Geld ausgeglichen). Hätte ich bei dem versuchten Subventions- und Ver­sicherungsbetrug mitgemacht, hätte man auch etwas gegen mich in der Hand gehabt. Mein Fehler war, daß ich bei der verbreiteten DDR-Mentalität nicht mit­gemacht habe und der Meinung war, daß es doch wenigstens in der Kirche anders zugehen müßte. Mein Gegensteuern stellte man dann als „Unruheschaffen“ dar.

Weil ich bei solchen Machenschaften nicht mitmachen wollte, bat ich um Entlassung aus dem kirchlichen Dienst. Ich wollte auch nicht in eine andere Gemeinde gehen, weil ich da sicher auch wieder mit staatlichen Stellen angeeckt wäre und die Kirche mich nicht beschützt hätte (Ober­kirchenrat Kirchner: „Wenn es dort mit den staatlichen Stellen nicht besser geht, werden wir Sie entlassen!“).

Daß der damals zu­ständige Landeskirchenrat mich ohne Prüfung der Umstände so hängenließ, bestärkte noch meine Entscheidung. Ich hatte gehofft, daß die Verantwortlichen in sich gehen und sich sagen: Wir müssen die hauptamtlichen Mitarbeiter, die eine Aus­bildung und Zugang zu Erfahrungen haben, nach Kräften unterstützen; wir dürfen ihnen nicht aus Besserwisserei und Rechthaberei noch Knüppel zwischen die Beine werfen. Den letzten Anstoß gab der Kirchenvorstand, der mir noch zwei Monate vorher das volle Vertrauen ausgesprochen hatte und mich nun los haben wollte, koste es, was es wolle.

 

Vor der Kirchenvorstandssitzung im Januar 1989 suchte Herr Nothnagel alle Kirchenvorsteher mit Ausnahme der Altersbacher auf und forderte sie auf, in der Sitzung meine Abberufung zu fordern bzw. mir den Rat zu geben, eine andere Stelle zu suchen. Erst Jahre später (1994) wurde mir mehr oder weniger deutlich bestätigt, was meine Vermutung war: Man meinte schon einen Ersatz für mich zu haben, denn Pfarrer Martin Lieber­knecht wäre nach Steinbach-Hallenberg gekommen. Nur deshalb kam das Abstimmungsergebnis im Kirchenvorstand zustande (und natürlich durch die Manipulation des Dekans). Da es sich mit dem Weggang von Herrn Peters verzögerte, versuchte man es mit der Unterstädter Pfarrstelle, Herrn Lieberknecht eine Möglichkeit zu verschaffen. Als der Kandidat dann absagte, weil er (bzw. seine Frau) größere Aufgaben in Aussicht hatte, stand der ,,Retter“ Nothnagel im Regen. Er allein ist auch dafür verantwortlich, daß nach einem Vierteljahr die Gemeinde ohne alle wichtigen hauptamtlichen Mitarbeiter da stand.

Nach dem Urteil eines langjährigen Pfarrers aus dem Kirchenkreis Schmalkalden (Bunge) gibt es im Kirchenkreis nur eine Gemeinde, die problematisch ist: ,,Das ist Steinbach-Hallen­berg. Und das liegt am Kirchenvorstand und besonders an dessen Laienvorsitzenden. Steinbach-Hallenberg ist in der Landeskirche das negative Beispiel für den Laienvorsitz!“ Soweit dieses Zitat eines Pfarrers, der die Verhält­nisse kennt.

 

Leider ist nicht ausgeschlossen, daß das Verhalten von Herrn Nothnagel einen Hintergrund hat, der mit der Staatssicherheit zu tun hat. Natürlich hat er nichts unterschrieben oder Geld erhalten und sagt deshalb mit dem Brustton der Überzeugung, er sei „nicht dabei gewesen“.

Tatsache ist aber, daß der für den Kirchenkreis Schmalkalden zuständige Führungs­offizier Möschter bei Herrn Nothnagel einen Anwerbungsversuch für die Staatssicherheit gemacht hat („Wir sind doch Feuerwehrkameraden“). Das hat er mir selber gesagt.

Ich glaube ihm auch, daß er diesen Versuch damals zurückgewiesen und auch (relativ) öffentlich gemacht hat. Ich vermute aber stark, daß er in dem Augenblick schwach wurde, in dem er selber etwas wollte, nämlich als ihn das Visum für eine Westreise von der höchsten zivilen Stelle abgelehnt worden war. In diesem Fall gab es nur noch eine Möglichkeit: die Staatssicherheit! Ein stadtbekannter Staatssicherheitsmann hat ihm die Reise dann auch innerhalb von zwei Tagen vermittelt und innerhalb von zwei Monaten noch zwei weitere Reisen. Man erzählte sich damals in Steinbach-Hallenberg, er habe seinen Bruder im Westen zur Mitarbeit für die Staatssicherheit anwerben sollen, der habe ihn aber hochkantig rausgeworfen.

Nach Aussage des hauptamtlichen Staatssicherheitsmitarbeiters Rämisch konnte Anfang 1988 die Staatssicherheit noch mitreden bei der Vergabe von Visa für Westreisen. Erst nach dem Wegbleiben des Hautarztes Dr. Holland-Cunz, der vom Dienststellenleiter befürwortet worden war, wurde der Staatssicherheit dieses Recht entzogen. Nachdem Herr Nothnagel schon privat gefahren war, bemühte er sich (nach Aussage eines Mitgliedes des Dekanatssynodalvorstandes) um einen Dienstausweis für Westreisen.

Im Grunde kann man auf den Monat genau den Zeitpunkt angeben, von dem an der mitgemacht haben könnte: Als er noch offen von einem Anwerbeversuch berichtete, war noch nichts. Dann aber kamen die Ablehnung und nachher doch noch Genehmigung der West­reise und das entschiedene Leugnen der Staatssicherheitsmitarbeit. Dazu kamen noch Warnungen aus der Gemeinde, sich nicht mit dem Mann anzulegen, hinter ihm stünden stärkere Kräfte.

So ergibt sich aus vielen Mosaikstücken ein Gesamtbild. In dieses Gesamtbild fügen sich nach meiner Meinung auch der Kirchenvorstand und sein Vorsitzender ein. Ich habe allerdings auch keine Beweise für die Unschuld von Herrn Nothnagel.

 

Von dem Tag an fing er an, die bekannten Schwierigkeiten in der Gemeinde zu machen. Nach meiner Meinung läßt sich das nur so erklären, daß er im Zusammenhang mit der Genehmigung der Westreise bestimmte Versprechungen in dieser Richtung gemacht hat oder zumindest erkannt hat, daß man nur mit solchen „Gefälligkeiten“ Erfolg haben kann (Gibst du mir, geb ich dir). Kurz darauf hat er auch einer Angestellten der Kirchengemeinde eine Westreise vermittelt, obwohl diese unverheiratet war und dieser Personenkreis damals noch nicht fahren durfte. Es handelte sich um U. K., deren Vater im Kirchenvorstand war. Bei einem Essen der kirchlichen Mitarbeiter sagte U. K. „Die Reise in den Westen hat mir der Erich besorgt!“ Ich nahm damals an, sie habe Erich Honecker gemeint. Doch da hätte sie wohl nicht die Formulierung „besorgt“ verwendet. Es wird sich wohl um Erich Nothnagel gehandelt haben, aber so ein Entgegenkommen erfordert seinerseits Entgegenkommen.onecker gemeint.

 

Es ist doch erstaunlich, daß die Staatssicherheit in Schmalkalden aus dem Kirchenvorstand in Steinbach-Hallenberg nur die Namen Erich Nothnagel und Heini König kannte. Im Oktober 1989 wird festgehalten, daß die Kirchenvorstandsmitglieder Nothnagel und König sich weigerten, die Kirche für eine Bürgerversammlung aufzuschließen. Deshalb fuhr man nach Oberschönau zu Pfarrer Schulte. Dieser betrachtete sich die Menschen­menge und entschied dann, die Kirche doch zu öffnen (wie es auch Anweisung der Landeskirche war). Nothnagel und König könnten sich hinter IMV „Erich“, IMV „N.N.“ und IMV „N.N.“ verbergen (der Dritte könnte dabei aus einer anderen Gemeinde sein).

 

Danach setzte das irrationale Verhalten Nothnagels und Königs ein, das vom Dekan und einigen Pfarrern in gleicher Irrationalität unterstützt wurde. Jetzt wurden auf einmal längst erledigte Dinge wieder aufgewärmt, unflätige Ausdrücke fielen in der Sitzung und wurden nicht gerügt. Offen wurde von Mitgliedern des Kirchenvorstandes der Bruch der Verschwiegenheit angekündigt. Unnötige Veränderungen in der Geschäftsverteilung des Pfarramts wurden vorgenommen. Kleinlichste Kritik wurde geübt, der Vorwurf der Urkundenfälschung wurde erhoben.

 

Typisch war das plötzlich irrationale Verhalten der betreffenden kirchlichen Mitarbeiter, die unter Druck standen. Da wurden zum Beispiel Dinge wieder aufgegriffen, die ein halbes Jahr zurücklagen und längst erledigt waren. Plötzlich wurde Anstoß genommen an der Osterkerze oder angeblich war zu einer besonderen Veranstaltung irgendjemand nicht eingeladen worden.

Angeblich hatten die Konfirmanden Bilder von Nackten gemalt, aber es wurde abgelehnt, sich die Bilder selber anzusehen (auf sexuellem Gebiet versuchte man den Leuten gern am Zeug zu flicken). Ganz klare kirchliche Bestimmungen wurden nicht beachtet: Es war zum Beispiel möglich, daß ein Mitglied in der Kirchenvorstandssitzung offen erklärte, er werde das hier Besprochene in die Öffentlichkeit bringen und der Dekan schritt nicht dagegen ein, wozu er von Amts wegen eindeutig verpflichtet war.

Besonders „gefährlich“ waren Umweltfragen. In früheren Jahren konnte unbeanstandet ein Gemeindetag des Dekanats zum Thema Umwelt gemacht werden. Als aber Umweltgruppen entstanden, wurde dieses Thema „feindlich-negativ“. Die Schmalkalder Gruppe konnte man nur noch kanalisieren (durch IM). In Steinbach-Hallenberg wollte man eine ähnliche Entwicklung sofort unterdrücken. Da paßte auf einmal eine fünfminütige Zusammenfassung kirchlicher Verlautbarungen nicht zum Charakter des Feiertages Palmsonntag, die Ausgabe des Textes nicht zum Karfreitag.

 

Je mehr ich mich zurückhielt und vorsichtig war, desto mehr suchte man in Nichtigkeiten. Hätte ich aber zu sehr die Augen zugemacht, wäre man mir mit dem Kirchenrecht gekommen und hätte mir Pflichtverletzung vorgeworfen. Das war die Zwickmühle, in der ich mich befand. Vielleicht war es nur im Rahmen der üblichen Betrügereien, daß man mich zu falschen Angaben in einem Versicherungsfall verleiten wollte; vielleicht sollte mir aber damit auch ein Bein gestellt werden.

Natürlich besteht auch die Gefahr, daß man bestimmte Dinge unter das Kapitel Stasi rechnet, obwohl es gar nichts damit zu tun hat. Aber meine Meinung ist, daß man eher zu wenige Dinge darunter rechnet. Etwas mehr Licht käme in die Sache, wenn die Akten vorlägen. Aber da ist es inzwischen ja so, daß die Akten nicht als beweiskräftig angesehen werden, sondern nur ein offizieller Bescheid der Gauckbehörde. Angeblich sei das allein rechtsstaatlich. Doch die Behörde ist damit überfordert, denn es sind ja längst nicht alle Unterlagen erfaßt.

Bis jetzt ist offenbar nur das Material aus den siebziger Jahren zugänglich. Das war schon archiviert. Die laufenden Vorgänge sind vielleicht vernichtet werden. Aber gerade in den letzten zwei Jahren hat die Stasi im Zusammenhang mit den Westreisen einen großen Aufschwung genommen.

Anders war in der letzten Zeit, daß man auch in der Kirche vor einem offenen Rechtsbruch nicht zurückscheute. Im Fall Walter Schilling sagte man noch, man könne einen Pfarrer nicht aus seiner Pfarrstelle vertreiben, wenn er nicht freiwillig gehe. Unter dem Juristen Martin Kirchner ging das. Da wurde erst gar kein Verfahren durchgeführt, sondern einfach eine Beurlaubung ausgesprochen. Damit waren Fakten geschaffen, hinter die man nicht zurückkonnte. Man berief sich zwar auf einen Paragraphen aus dem Pfarrerrecht, nur traf der gar nicht zu bzw. war mit einem anderen vermengt worden. Vor allem hätte man vor der Beurlaubung den Betreffenden hören müssen und ihm die Möglichkeit geben müssen, von sich aus die Folgerungen zu ziehen. So etwas wäre „brüderlich“ und rechtsstaatlich gewesen, aber darauf nahm man keine Rücksicht mehr, um das Ziel zu erreichen.

Geschickt hat man gewartet, bis der Bischof nicht da war und dann schnell alles auf die Spitze getrieben. Der Bischof jagte zwar, die fünf anwesenden Oberkirchenräte hätten einstimmig beschlossen. Aber das Gespräch mit Herrn Kirchner zeigte, daß Herr Höser nur so dabei saß und nicht begriffen hatte, worum es ging. Besonders übel nehme ich ihnen die Behauptung, ich würde bei einem Ausscheiden jeden Pensions- und Rentenanspruch verlieren, obwohl ich doch sicher nicht der Erste war, der ausscheiden wollte. Nachher stellte sich ja auch heraus, daßes sogar einen Vordruck für diesen Fall gab.

 

Auch der Dekan konnte ungesetzlich handeln. Er war zwei Jahre lang in den Kirchenvorstandssitzungen dabei, angeblich um dafür zu sorgen, daß alles richtig zugeht, aber in Wirklichkeit sammelte er wie die Stasi Material und schürte jeden Ansatz von Konflikt. Er berief eine Kirchenvorstandssitzung ein und ließ über mich abstimmen, obwohl er nicht dazu berechtigt war. Er manipulierte die Abstimmung, indem er vorher sagte, daß der Landeskirchenrat schon entschieden habe. Nachher aber leugnete er, das gesagt zu haben, obwohl es doch alle gehört hatten (angeblich hätte er das erst in der nächsten Sitzung gesagt; aber bei der war ich gar nicht mehr dabei). Solche Dinge wären fünf Jahre früher nicht vorgekommen. Das ist eben das Irrationale, das durch den Druck der Stasi bewirkt wurde.

Man muß auch einmal überlegen, wo das Wohl der Gemeinde bleibt: Der eine Pfarrer fiel wegen Krankheit aus. Die Gemeinde wurde trotzdem voll versorgt. Da vertreibt man auch noch den anderen Pfarrer, dazu innerhalb eines Vierteljahres die Katechetin, den Verwaltungsleiter, den Kantor und den Hausmeister mit Frau. Die Pfarrstellen konnten erst nach drei Jahren mit Leuten aus dem Westen wieder besetzt werden, aus Thüringen ging keiner wegen dieses Kirchenvorstandes hin.

Meine Vermutungen beruhen auf ganz kleinen Einzelinformationen aus den Kreisen der Bürgerkomitees, die nach der Wende die Akten eingesehen haben (konspirative Wohnung im Gemeindehaus, Erpressung des Dekans, Inhalt meiner Stasiakte). Dazu gibt es Informationen

aus örtlichen Stasikreisen, die ich über eine kirchliche Familiein Schmalkalden erhielt (besonders über einzelne Pfarrer); dabei wurde ganz klar gesagt, daß ich zu den Opfern der Stasi gehöre. Doch die Vermittler der Information werden in kirchlichen Kreisen wie Aussätzige behandelt.

Dazu kommen eigene Beobachtungen. Wenn in einer Fernsehsendung ein Pfarrer beschuldigt wurde, dann überlegt man sich natürlich, wie er sich in bestimmten Dingen verhalten hat. Und dann erscheint es als wahrscheinlicher, daß er wegen seiner Stasiverstrickung so gehandelt hat als nur aus sich heraus.

Im Falle des Kirchenältesten kann man auf den Monat genau den Zeitpunkt angeben, von dem an der mitgemacht hat. Als er noch offen von einem Anwerbeversuch berichtete, war noch nichts. Dann aber kam die Ablehnung und nachher doch noch Genehmigung der Westreise und das entschiedene Leugnen der Stasimitarbeit. Dann noch Warnungen aus der Gemeinde, sich nicht mit dem Mann anzulegen, hinter ihm stünden stärkere Kräfte. So ergibt sich aus vielen Mosaikstücken ein Gesamtbild.

 

 

 

 

Noch am 17. Januar 1989 hatte ich eine insgesamt sechsstündige Aussprache mit Herrn Nothnagel, in der alles geklärt wurde und in der er sich zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit erklärte. Aber noch am Abend ließ er sich vom Dekan wieder umstimmen und ging am nächsten Tag mit nach Eisenach, um sich zu beschweren. Man hatte den Eindruck, daß verschiedene Leute wie unter Druck handelten. Damals konnte ich mir das nicht erklären. Daß da ein Staatssicherheitshintergrund bestehen könnte, habe ich noch nach der Wende zurückgewiesen. Heute denke ich anders darüber.

 

Es gab dann noch einmal Verstimmung wegen eines Telefongesprächs, das ich mit dem Vorsitzenden der Synode von Kurhessen-Waldeck führte, einem ehemaligen Studienkollegen von mir. Das Telefongespräch mit Herrn Jockel lief wie folgt ab:

Heckert: Habt ihr auch bedacht, daß durch die Wiedereingliederung des Kirchenkreises Schmal­kalden eine neue Situation entstanden ist und ihr die Synodalen von dort einer Überprüfung wegen möglicher Staatssicherheitmitarbeit unterziehen solltet, so wie das in den östlichen Gliedkirchen geschieht?

Jockel : Meinst du Herrn Nothnagel?

Heckert: Ich meine auch Herrn Bunge, er war immerhin Reisekader.

Jockel : Alle Synodalen und kirchlichen Mitarbeiter haben einen Antrag auf Überprüfung gestellt.

Heckert: Dann ist es ja gut so. Das war mir nicht bekannt, denn mich hat man nicht dazu aufgefordert, denn es müßte ja nach dem Stand von 1989 gehen.

Jockel : Meinst du, daß man die ganze kurhessische Synode überprüfen sollte?

Heckert: Das halte ich nicht für erforderlich, denn man sollte die Gauckbehörde auch nicht unnötig belasten.

Damit war das Gespräch für mich an sich beendet und hatte sein Ziel erreicht. Erst jetzt hat mich Herr Jockel noch einmal nach Herrn Nothnagel gefragt. Da habe ich mich dann doch verleiten lassen, meine Meinung zu dieser Sache zu sagen. Ich habe nicht gesagt, was behauptet wurde, nämlich daß er seit 1985 kirchliche Geheimnisse („Interna“) verraten habe. Das wäre nichts Besonderes, denn das haben verschiedene Kirchenvorsteher in Sitzungen angekündigt, ohne daß der anwesende Dekan widersprochen hätte. Ausplaudern innerkirchlicher Dinge war in Steinbach-Hallenberg erlaubt. Auch die Jahreszahl 1985 ist falsch wiedergegeben, denn Ausplaudern geschah erst die letzten beiden Jahre.

Der Name Nothnagel wurde nicht von mir ins Spiel gebracht. Ich habe mich Herrn Jockel gegenüber sehr vorsichtig ausgedrückt. Er mußte wissen, wie hypothetisch diese Aussagen waren und daß sie nicht an die Öffentlichkeit gehörten. Das war mir so selbstverständlich,

daß ich nicht noch einmal extra darauf hingewiesen habe. Außerdem mußte er wissen, daß

ein Gespräch unter vier Augen generell nicht an die Öffentlichkeit gehört. Wenn er es doch öffentlich gemacht hat, muß er das vertreten. Eine Richtigstellung könnte doch wohl nur Herr Jockel vornehmen. Ich kann mich doch nicht für etwas entschuldigen, was ich nicht gesagt habe. Ich habe übrigens auch mit einem anderen Synodalen der kurhessischen Kirche darüber gesprochen und der hat es auch für sich behalten.

Natürlich habe ich nicht behauptet, daß irgendein Mitarbeiter der Kirche im Dekanat Schmal­kalden ein inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen sei in dem Sinne, daß er eine Verpflichtungserklärung unterschrieben hat oder direkte Geldzuwendungen erhalten hat. Aber ich vermute anhand von mündlich mitgeteiltem Wissen von Staatssicherheits­auflösern und aus Indizien, daß der eine oder andere sich für Vergünstigungen erkenntlich gezeigt hat. Diese Vergünstigungen bestanden je länger je mehr in Dienstreisen in den Westen mit Diplomatenpaß und unkontrolliertem Grenz­übergang.

Die Sache mit Rudolf Jockel konnte ich richtigstellen, ich glaube, das hat mir Bischof Zippert in einem Gespräch im Jahre 1994 wohl abgenommen, daß ich da nicht speziell gegen jemand hetzen wollte, sondern nur allgemein auf das Problem hinweisen wollte. Ich betonte noch ein­mal, daß ich sehr genau zwischen Vermutungen, Behauptungen und Tatsachen unterscheide und natürlich selbstverständlich annahm, daß der Inhalt des Gesprächs mit Herrn Jockel vertraulich bleibt.

 

Doch die Staatssicherheitsfrage ist nicht einmal das Entscheidende. Der eigentliche Skandal ist: Da repräsentiert einer als „Muster-Laie“ den Kirchenkreis Schmalkalden, der aber nie auf direktem Weg von der Gemeinde gewählt worden ist. Nur dank seiner großen Verwandtschaft und der geringen Wahlbeteiligung hat er überhaupt die Mindeststimmen­zahl erreicht. Hier sieht man einmal die Schwächen des gemischten Wahlsystems in Kurhessen: Es gibt kaum eine Möglichkeit, jemanden abzuwählen, weil er immer berufen wird, notfalls durch die Kreissynode.

Irgendwann müßte man den Willen der Gemeinde auch einmal respektieren und in nicht wieder berufen. Verschiedene Gemeindeglieder boykottierten die Wahl aus Protest gegen die Aufstellung Herrn Nothnagels. Er schied erst aus dem Kirchenvortand aus, als Pfarrer Scholz ihm sagte, daß er ihn nicht wieder zur Berufung vorschlagen werde. Er kandidierte dennoch, weil er von sich überzeugt war, genügend Stimmen zu erhalten, um direkt gewählt zu werden, scheiterte aber damit.

Außerdem war er ja der Grund dafür, daß 1989 innerhalb eines Vierteljahres sechs hauptamtliche Mitarbeiter de r Gemeinde kündigten. Jahrelang hat die Gemeindearbeit darunter gelitten, vor allem, weil kein Pfarrer da war. Es traten auch Leute wegen Herrn Nothnagel aus der Kirche aus. Auch wenn der Grund dabei nur vorgeschoben ist, sollte man ihnen dennoch nicht diesen Vorwand geben.

Herr Nothnagel hat dennoch in der Kirche Karriere gemacht. Er arbeitete in der Beratung der Kreis­diakoniestelle in Schmalkalden und ist Vorsitzender des Vereins ,,Fami­lienzentrum  Schmalkalden  e.V.“ und wurde Beisitzer im Vorstand des Lan­desarbeitskreises  Thüringen  der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen. Doch dabei hat man den Bock zum Gärtner gemacht, denn in seiner eigenen Familie hat Herr Nothnagel so geherrscht, daß eine Tochter sich später in psychologische Behandlung begeben mußte.

Heute ist Herr Nothnagel nach dem Niedergang seiner Firma Leiter des Altenpflegezentrums in Steinbach-Hallenberg. Dafür hat er keinerlei pädagogische, pflegerische oder kaufmännische Ausbildung. Das gilt auch für seine zahlreiche Verwandtschaft, die er dort mit untergebracht hat. Außerdem darf das an sich gar nicht sein, daß mehrere Familienmitglieder in einer Dienststelle arbeiten, wo es um Geld geht.

 

Weil man in den Synoden einen Vorzeige-Laien braucht, redet man dann lieber nicht über die Verhältnisse vor Ort. In der Gemeinde ist Herr Nothnagel jedenfalls nicht beliebt. Man hat mich mehrfach vor ihm gewarnt. Man hat mir geraten, mich nicht mit ihm anzulegen, „weil hinter ihm noch ganz andere stehen!“ Damals habe ich darüber gelacht, heute kann ich mir einen Reim darauf machen.

Deshalb spreche ich Herrn Nothnagel das Recht ab, die Gemeinde in der Synode zu vertreten, weil er der Gemeinde, der Kirche und unsrer Familie so geschadet hat. Wenn schon das Zer­rüttungsprinzip gelten soll, dann muß man beide Seiten zurückziehen. Man sagt, in so einem Fall seien immer beide Seiten Schuld. Wie andere Beispiele auch aus jüngster Zeit zeigen, wird aber immer allein der Pfarrer versetzt, wenn es „Knatsch“ in der Gemeinde gibt. Man spricht dann vom Zerrüttungsprinzip, will aber keiner Seite Schuld geben.

Angeblich geschieht alles ohne Schuldzuweisung und nur zum Wohle des Pfarrers, aber in Wirklichkeit wird nur er bestraft. Anstatt die Sache juristisch einwandfrei zu klären (wie man dann danach handelt, ist eine andere Frage), will man es ,,brüderlich“ machen, ohne daß angeblich eine Seite den Kürzeren ziehen muß. Aber in Wirklichkeit straft man allein den hauptamtlich angestellten Pfarrer.

Doch das geht sicherlich nicht über einen Brief im Briefkasten und durch eine Kanzelabkündi­gung ohne nähere Begründung, so daß wilden Spekulationen Tor und Tür geöffnet wird. Man sollte das jedem Pfarrer sagen, der in die Dienste der Kirche tritt, daß man bei Schwierigkeiten nicht auf seiner Seite stehen wird. Wenn es darauf ankommt, erhält er von der Kirche keinen Schutz!

Die Begründung für meine geplante Zwangsversetzung war, bei Vorliegen eines zerrütteten Verhältnisses zwischen Pfarrer und einem Gemeindeglied sei es ein­facher, den Pfarrer zu versetzen, als zu klären, welches die Ursachen sind. Die Gemeinde könne man nicht versetzen, aber es gehöre zum „Berufsrisiko“ eines Pfarrers, in so einem Fall gehen zu müssen.

Es stimmt einfach nicht, daß man nur den Pfarrer versetzen kann, im Kirchenvorstand aber alles beläßt. Das ist klar und eindeutig doch eine Schuldzuweisung. Aber man kann nicht nur einen bestrafen. Ohne einen Rücktritt Herrn Nothnagels von allen seinen kirchlichen Funktionen ist ein Gespräch mit ihm sinnlos. Man wird auch nicht verhindern können, daß die Gemeinde die Dinge anders sieht als die Verantwortlichen in der Kirche. Sie sagt: In der Kirche ist es so wie in der Gesellschaft auch: Überall trifft man auf die alten Leute - und die anderen sind in den Westen gegangen!

 

Ich wehre mich gegen die Behauptung, daß ich auch noch an den gegen­wärtigen Schwierigkeiten schuld sein soll. Als ich die Gemeinde verließ, war sie eine Vorzeigegemeinde, auch wenn ich selber unzufrieden war und die Staatssicherheit mein Wirken und nicht zuletzt das meiner Frau maßlos überschätzt hat. Aber immerhin ist in über zwei Jahrzehnten kein Gottesdienst ausgefallen, jede Amts­handlung wurde abgesichert, es war wöchentlich kirchlicher Unterricht, alle Gemeindekreise wurden fortgeführt - auch auf den Dörfern - die Gebäude wurden instandgehalten, Rüstzeitenheim und Kindergarten wurden über die Zeit gebracht, fähige haupt- und nebenamtliche Mitarbeiter gewonnen, die Verwal­tung war in Ordnung (vor 1970 gab es zum Beispiel keinen einzigen Arbeitsvertrag oder Pachtvertrag). Und das alles trotz Krankheit und Babyjahr meiner Frau. Wahrscheinlich lief alles zu gut und weckte Neid bei den Kollegen und Besorgnis bei den staatlichen Stellen.

Die vielbe­schworenen ,,Steinbacher Verhältnisse“ haben erst nach meinem Weggang so richtig eingesetzt. Den Einbruch in der Gemeindearbeit kann man mir nicht zuschieben. In der Gemeinde war alles in Ordnung, sie war rundum wohl versorgt und hat sich an den Querelen nicht gestört (Zitat: ,,Es kommt überall etwas vor“).

Weiterhin hatten nur einige Laien das Sagen. Sie haben einen strom­linien­för­migen Kirchenvorstand geschaffen. Gerade die jungen Leute sind wieder ausgeschieden, weil sie sich dem Diktat der ,,Macher“ nicht beugen wollten. Ein Laie kann eine viel schlim­mere Diktatur au­süben, als es ein Pfarrer je wagen würde. Das sage ich heute, obwohl ich immer für den Laienvorsitz im Kirchenvorstand war. Ich halte ihn auch heute noch für angebracht. Aber wehe, wenn hier jemand hochgespült wird, der anderswo in der Gesellschaft nicht zum Zuge gekommen ist

Es könnte natürlich sein, daß Herr Nothnagel sich inzwischen geändert hat und nicht mehr die Probleme macht wie damals. Herr Pfarrer Scholz sagte im September 1994, die Termine und Inhalte der Kirchenvorstandssitzungen würden jetzt mit ihm abgesprochen, es gäbe kein Einmischen mehr in Pfarrr­amtsangelegenheiten, das Protokollbuch sei nicht mehr bei Herrn Noth­nagel. Daraus kann ich also entnehmen, daß es damals nur gegen mich persönlich gegangen ist, daß Herr Nothnagel nicht der Meinung ist, es müsse immer so verfahren werden, wie damals von ihm verfahren wurde.

Herr Scholz äußerte, daß im Kirchenvorstand auch weiterhin noch ,,dicke Brocken“ sind. Seine Frau wurde noch deutlicher und sagte: ,,Es ist immer noch dasselbe!“ Nur müssen sie halt stillhalten, weil sie ja wissen, was sonst passiert. Offenbar hat sich in den letzten fünf Jahren nichts geändert.

Daß sich nichts geändert hat und Herr Nothnagel weiterhin das Sagen hat, zeigt ein Beispiel, das Herr Scholz erzählte: Bei der Kirmes war Frau Bergit geborene Nothnagel tot umgefallen. Die Angehörigen kamen zur Kirchenkasse, um die Beerdigung anzumelden und diese wurde dort auch vereinbart (offenbar wie üblich ohne Rücksprache mit dem Pfarrer). Erst nachträglich will man bemerkt haben, daß die Verstorbene aus der Kirche ausgetreten war. Nun war aber die Zusage schon gemacht.

Mir ist klar, was ich in einem solchen Fall gemacht hätte (zumal die Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich abgelehnt hatte, ihr Kind zur Christenlehre zu schicken): Ich hätte die Trauerfeier abgelehnt und der Mitarbeiterin auf der Kirchenkasse gesagt, sie müsse den Fehler wieder ausbügeln. Ich hätte so entschieden, um der Glaubwürdigkeit der Verkündigung willen. Aber das wurde mir immer als Gesetz­lichkeit ausgelegt; dabei habe ich nichts anderes gemacht, als was ich schon bei der Ordination versprochen habe, nämlich die Ordnung der Kirche zu wah­ren.

So ein Fehler, daß man nichts von dem Kirchenaustritt gewußt haben will, kann gar nicht vorkommen, weil man ja als erstes die Karteikarte zieht. Doch hier war offenbar die Bekanntschaft (oder sogar Verwandtschaft?) wichtiger. Herr Nothnagel jedenfalls entschied, daß die Trauerfeuer vom Pfarrer gehalten werden muß. Schwer ist für mich nur: Diese Leute wie Herr Nothnagel repräsentieren die Kirche und dürfen Gottesdienst halten. Aber mir wurde zehn Jah­re lang selbst ein ehrenamtlicher Dienst in der Kirche verwehrt.

 

Im September 1994 führte ich ein Gespräch mit dem Oberstädter Pfarrer Scholz, um das mich der Prälat der Landeskirche gebeten hatte. Zuerst wollte ich von Herrn Scholz wissen, ob der Wunsch zu einem Gespräch von Herrn Nothnagel ausgegangen sei. Er mußte das verneinen, der Prälat habe ihn darum gebeten, in dieser Sache zu vermitteln. Das war für mich aus den Worten des Prälaten nicht hervorge­gangen, ich war der Meinung, hier seien schon Sig­nale einer Meinungsänderung von Herrn Nothnagel vorausgegangen.

Aber offenbar sollte Herr Scholz erst nach dem Gespräch mit mir mit Herrn Nothnagel Kontakt aufnehmen. Aber Herr Scholz sagte klipp und klar: Es ist nicht zu erwarten, daß Herr Nothnagel oder auch der Kirchenvorstand ein Wort des Bedauerns finden für das, was damals geschehen ist! Damit ist natürlich jedes Gespräch sinnlos.

Sehr schnell wurde deutlich, was der eigentliche Grund für den Versuch des Prälats ist, die Sache mit Steinbach-Hallenberg aus der Welt zu schaffen: Die Gemeindeglieder fragen immer wieder nach Pfarrer Heckert. „Es vergeht kaum eine Woche, wo ich nicht auf dieses Thema angesprochen werde. Ich kann den Namen Heckert schon nicht mehr hören!“ Das ist es also: Sie wollen Ruhe haben, und ich soll die Hand dazu reichen, ohne daß etwas geklärt ist. Genauer noch: Ich soll mich schuldig bekennen und die Gemeinde dazu auffordern, Gras über die Sache wachsen zu lassen.

Ich mußte Herrn Scholz erst klarmachen, daß ich die Beurlaubung einfach im Briefkasten fand und erst drei Wochen später ein Gespräch mit mir angesetzt war. Warum werden solche Tatsachen nicht klipp und klar mitgeteilt? Falsch ist auch die Behauptung, ich hätte gesagt, eindeutige Beweise gegen Herrn Nothnagel zu haben. Ich habe gesagt, daß ich mehr als nur Hinweise auf einen Staatssicherheitshintergrund habe, nämlich aus den Akten und aus mündlichen Aussagen. Aus diesen Mosaiksteinen ergibt sich für mich ein Gesamtbild, in das nach meiner Meinung auch Herr Nothnagel hineingehört. Das ist aber etwas ganz anderes, als es Oberlandeskirchenrat Bielitz wiedergegeben hat.

Der Sinn der ganzen Veranstaltung war offenbar, daß ich öffentlich zugeben soll, daß ich an der ganzen Misere schuld bin, damit das Gerede in der Gemeinde aufhört. Ich würde in der Tat auch zugeben, daß ich zu vertrauensselig war und mich zu sehr darauf verlassen habe, daß die kirchlichen Vorschriften auch wirklich gelten. Ich hätte besser alles laufen lassen sollen oder die Verant­wortung nach oben abschieben sollen.

Ich kann heute dem Kirchenvorstand und der Pfarrkonferenz kein gutes Gewissen geben. Man hat sich ja längst entschieden und will nie wieder davon abgehen. Ich soll jetzt nur noch klein beigeben und dazu helfen, daß die Gemeinde ruhig ist und das Gerede aufhört. Ich soll meine Opferrolle annehmen und auf alle Fälle auch weiter Opfer bleiben.

Ich sehe nicht so recht, wie ich in dieser Situation helfen kann. Überall soll nur zugedeckt werden. Doch hier eitert ein Geschwür, das eines Tages schlimm her­vorbrechen wird. Dabei könnte längst alles ausgestanden sein. Die Gemeinde hätte Verständnis dafür, wenn wirklich ehrlich und offen aufgearbeitet würde. Doch möglich ist das nur, wenn wenigstens irgendwo ein Versagen eingesehen würde und Worte des Bedauerns ausgesprochen würden.

 

Die Rückkehr nach Kurhessen-Waldeck:

Mit dem Anschluß des Kirchenkreises an die Evangelische Kirche in Kurhessen-Waldeck trat endlich wieder eine Ordnung in der Kirche ein. Jetzt war nicht mehr Schmalkalden zuständig mit einem Rechnungsprüfer, der von Dekan Schreiber abhängig war, sondern jetzt war das Kirchenkreisamt Eschwege zuständig. Über dieses liefen die Arbeits- und Mietverträge, es gab einen Haushaltsplan und eine Rechnungsprüfung, die nicht nur die Addition nachprüfte, sondern auch die sachliche Richtigkeit.

Ein Beispiel für den n[PH1] euen Wind ist die Entlassung einer Kindergärtnerin, die gegenüber einem Kindergartenkind handgreiflich geworden war. Das gab es auch schon vor der Wende - wie meine Frau bei einer Aushilfe im Kindergarten feststellte: Da wurde von einer anderen Kindergärtnerin ein Löffel nach einem Kind geworfen (beide Kindergärtnerinnen wurden übrigens von der Ausbildungsstätte nur mit viel Augenzudrücken zum Beruf zugelassen). Aber ich hätte es damals nie wagen können, dazu etwas zu sagen oder gar eine Abmahnung zu erlassen, das wäre sofort vom Kirchenvorstand und vom Dekan kassiert worden. In dem Unrechtsstaat DDR gab es halt Dinge, die heute nicht mehr vorstellbar sind.

 

Meine Personalakte in Eisenach:

Im zweiten Anlauf gelang es mir dann, daß ich beim Landeskirchenrat in Eisenach meine dortige Personalakte einsehen konnte. Sie war erstaunlicherweise nicht „gereinigt“ worden, so daß mir nachträglich noch einige interessante Einzelheiten bekannt wurden:

Am 16. April 1989 schrieb Herr Nothnagel einen Brief an den Landeskirchenrat, weil ihn der Vorwurf getroffen habe, er sei an der Entfernung von Pfarrer Heckert schuld: „Den Vorsitz im Kirchenvorstand habe ich nicht aus Eigennutz übernommen“. Angeblich hat er über 150 Dienstbesprechungen durchgeführt, „um die Spannungen zwischen Pfarrer Heckert und Mit­arbeitern zu mindern“

In Wirklichkeit hat er nur geschürt und erst zusätzliche Probleme heraufbeschworen. Zwar hat er zunächst aus seinem Posten keine materiellen Vorteile gezogen. Aber damals ging es ihm um die Ehre, um Ansehen, um Einfluß, um bestimmen zu können, so wie er in der Familie tat.

Herr Nothnagel fügt einen Lebenslauf bei, aus dem hervorgehen soll, aus welch christlicher Familie er kommt. Allerdings ist er dabei nicht genau, denn er hat nicht nur den Betrieb seines Vaters übernommen, sondern vor allem den seines Onkels, indem er die Situation ausnutze, als dieser im Gefängnis saß.

In der Personalakte Heckert befand sich sogar der ganze Schriftverkehr mit dem Verwaltungsleiter Hey. Dabei ging es um den Status des Dekanats innerhalb der Thüringer Kirche, die sich aus einer Bemerkung von Herrn Kirchner in einem Brief an Herrn Hey ergab, das Dekanat werde sowieso bald geschluckt  Diese Drohung Kirchners führte wiederum dazu, daß der Dekan Herrn Hey weghaben wollte. Hier mußte sich Herr Nothnagel praktisch beim Landeskirchenrat entschuldigen, weil er wiederum zu heftig reagiert hatte. Diese Sache war nachher sehr peinlich, weil Herr Kirchner als Staatssicherheit­sspitzel enttarnt war und man bestrebt war, alles unter den Teppich zu kehren. Am 19. Juli 1889 waren Pfarrer Schulte und Herr Nothnagel noch einmal beim Landeskirchenrat, um wieder über Herrn Hey zu sprechen (damals war ich längst ausgeschieden).

 

Bei den Akten war dann noch der ganze Schriftverkehr wegen der Rente mit dem Landeskirchenamt in Kassel. Da schreibt ein Herr Metzner im Auftrag des Landeskirchenrats: „Herr Heckert hat alle Versorgungsansprüche verloren und hat lediglich einen normalen Rentenan­spruch. Diese Regelung gilt für alle Pfarrer, die aus dem Kirchendienst in den neuen Bundesländern aus­scheiden!“ Wenn es wirklich so wäre, ist das schlimm, weil der Rentenanspruch längst nicht den höheren Pensionsanspruch abdeckt. Außerdem antwortet diese Stellungnahme nur auf das, was gefragt wurde. Es geht gar nicht darum, daß Hessen nach seinen Vorschriften nachversichern muß.

 

Bedauerlich ist auch ein Brief von Pfarrer Ulrich Lieberknecht, der mir neben den Schwierigkeiten mit Herrn Nothnagel im Februar 1989 beim Landeskirchenrat vorgehalten und in Auszügen vorgelesen wurde, um die Zerrüttung des Verhältnisses zu beweisen. Am 1. September 1987 schrieb Landesbischof Leich noch an Pfarrer Ulrich Lieberknecht, er habe den Eindruck, daß eine Normalisierung in Steinbach-Hallenberg allmählich durchgreift. Lieberknechts Brief zeige aber an, daß dies offenbar nicht so ist. In einem von religiösen Floskeln triefenden Brief hat Herr Lieberknecht seine tiefe Sorge um die Gemeinde Steinbach-Hallen­berg zum Ausdruck gebracht. Eine blühende Gemeinde sei durch Pfarrer Heckert zerstört worden. Ein verdientes Gemeindeglied aus Rotterode habe ihn unter Tränen gebeten, doch etwas zu unternehmen (allerdings hat Frau Döll offenbar nicht gesagt, er solle etwas gegen Pfarrer Heckert unternehmen, wie er es dann tat).

 

Am 17. August 1988 ist Dekan Schreiber der Meinung, daß die Mehrheit des Kirchenvorstandes ebenso denkt wie er, daß Pfarrer Heckert nicht zum Einlenken bereit ist. Erfragt hat Dekan Schreiber seine Aussage aber nicht, daß der Kirchenvorstand so denkt wie er. In der Sitzung des Landeskirchenrats am 19. Dezember 1988 werden die Mitglieder Kirchner und Höser beauftragt, im Januar ein Gespräch mit Pfarrer Heckert zu führen. Dieses Gespräch mit den Oberkirchenräten wurde aber nicht geführt. Das wäre der richtige Weg gewesen. Weshalb Herr Kirchner es nicht tat, liegt auf der Hand.

 

Am 17. Januar 1989 behauptet Dekan Schreiber, die Geschäftsfüh­rung sei Pfarrer Heckert schon einmal am 17. September 1986 entzogen worden. Oberkirchen­rat Kirchner hat schon im Oktober 1988 ein Gespräch über einen Stellenwechsel zugesagt. Schon damals wurde vom Dekan die Einleitung eines Verfahrens nach § 57 des Pfarrergesetzes erbeten. Jetzt wird diese Feststellung von allen Besuchern mit Nachdruck bekräftigt. Pfarrer Hoffmann: „Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem gehandelt werden muß!“

 

Dieses Protokoll ist etwas dürftig. Es geht nicht daraus hervor, was eigentlich der Vorwurf ist. Offenbar genügten die Aussagen der drei Besucher Schreiber, Hoffmann und Nothnagel, das mit Nachdruck verlangte Verfahren zu beginnen, das aber dann doch nicht durchgeführt wurde.

 

Dekan Schreiber legte eine dicke Mappe vor, die aber im Wesentlichen nur den üblichen Schriftverkehr zwischen mir und dem Dekanat enthielt. Sie sollte aber beweisen, daß ich schon immer ein Querulant war. Oberkirchenrat Höser hat diese Akte durchgearbeitet. Angeblich war sie die Grundlage für den Beschluß des Landeskirchenrates, mich ohne Anhörung fristlos zu beurlauben mit dem Ziel der Strafversetzung. Aber offenbar hat die Akte in Wirklichkeit keine Rolle gespielt, in der Personalakte ist sie nicht erwähnt.

Das Minderste wäre gewesen, die andere Seite zu hören, so ist es Gesetz und so ist es menschlich („brüderlich“). Daß der Landeskirchenrat so überstürzt handelte, lag wahrscheinlich an seiner Rücksichtnahme auf Kassel. Am 23. Januar 1989 beschloß der Landeskirchenrat einstimmig die Beurlaubung nach § 45,2 zum 1. Februar 1989.

In der Sitzung wird die Position von Dekan Schreiber übernommen, bei dem Schreiben von Herrn Schurig handele es sich nur um eine Rechtsauskunft, nicht um einen Beschluß des Landeskirchenrats. Aber immerhin hatte ich nicht an Herrn Schurig, sondern an den Landeskirchenrat geschrieben. Das Schreiben war von Herrn Kirchner an Herrn Schurig zur Bearbeitung übergeben worden. Dieser hat die Antwort auf Anweisung von Herrn Kirchner verfaßt. Als Empfänger des Briefes konnte ich nichts anderes vermuten, als daß es sich hier um eine offizielle Antwort des Landeskirchenrats han­delte (schon der Briefkopf zeigt das). Man muß doch annehmen, daß der Landeskirchenrat sich an Recht und Gesetz hält und nicht im Einzelfall nach Gutdünken oder auch „nach bestem Wissen und Gewissen“ auch anders entscheiden kann.

Herr Kirchner erhielt noch den Auftrag, Pfarrer Heckert zu einem Gespräch für den 21. Februar „vorzuladen“ (!). Am 17. Februar 1989 wird im Landeskirchenrat als Richtlinie mitgegeben, wenn es nicht zu einem Pfarrstellenwechsel oder einer Entlassung kommt, wird ein Verfahren nach § 57 des Pfarrergesetzes durchgeführt.

Es wurde dementsprechend bei dem Gespräch am 21. Februar auch gar nicht über die strittige Sache geredet, sondern es ging nur noch um Unterwerfung. Leider steht in den Akten nicht, welche Pfarrstellen angeboten werden sollten. Der Bischof schreibt auch nur, er sei gar nicht dazu gekommen, weil Pfarrer Heckert zu verbittert gewesen sei. Er sei zwar gegen Ende des Gesprächs nachdenklicher geworden, aber dabei ging es ihm nur noch einmal um eine Bedenkzeit.

 

Am 18. Januar 1989 schreibt der Dekan an den Landeskirchenrat, die Darstellungen von Pfarrer Heckert in seinem Brief an den Landeskirchenrat vom 18. Januar 1989 entsprechen nicht der Wahrheit (in Steinbach pflegte er da deutlicher von „Lüge“ zu sprechen). Schon am 17. April 1989 schreibt Präsident Bielitz aus Kassel, die kurhessische Kirche werde Pfarrer Heckert auf keinen Fall anstellen. Da hat Dekan Schreiber halt gut vorgearbeitet. Nachher behauptete man, daß ich wegen meiner Verdächtigungen gegen Herrn Nothnagel nicht angestellt würde. Aber das kann einfach nicht stimmen, weil zu diesem Zeitpunkt von solchen „Verdächtigungen“ noch gar keine Rede war. Es ging in Wirklichkeit nur ums Prinzip.

Herr Krech schreibt in einem Brief richtig, die Rechte aus der Ordination seien nicht aus disziplinarischen Gründen aberkannt worden. Aber dann behauptet er, Pfarrer Heckert habe wegen seiner Ortsbindung kein anderes Stellenangebot wahrnehmen können. Dabei geht aus den Akten hervor, daß ich schon im Februar betonte, das Haus sei kein Hindernis. Ich sagte in Gegenwart von Herrn Kirchner sogar, daß ich nach Hessen wolle. Auch Herrn Große hatte ich gefragt, ob man mir beim Umzug nicht behilflich sein könne; davon steht allerdings nichts in den Akten.

 

Gründe für die Nicht-Anstellung:

Nachdem mir jahrelang keine Auskunft gegeben wurde, weshalb die Evange­lische Kirche von Kurhessen-Waldeck mich nicht anstellen will, habe ich dann in kurzer Zeit drei Begründungen gehört. Dabei ist mir klar, daß die dritte Aussage der eigentliche Grund ist, das andere ist nur nachgeschoben:

1.  Erst hieß es, ich mische mich in unzulässiger Weise weiter in Steinbach-Hallenberg ein. Dabei habe ich mich nicht eingemischt. Es ist aber wohl so, daß die Leute innerhalb und außerhalb der Ge­meinde immer noch von meiner Zwangsversetzung reden. Durch mein persön­liches Erscheinen werden solche Diskussionen vielleicht wieder angeregt. Aber ich brauche dazu gar nichts zu tun. Weil man das Gerede nicht unterdrücken kann, sucht man einen Schuldigen. Damit will man wohl auch von der eigenen Schuld ablenken.

Man wird mir doch nicht verbieten wollen, nach Steinbach-Hallenberg zu gehen, so wie man mir auch nicht hätte verbieten können, weiter dort zu wohnen. Das Gerede wird man nur beenden können, wenn man rückhaltlos alles klärt. Und man könnte etwas dafür tun, indem man mich nicht weiter ausgrenzt, sondern mir eine Anstellung gibt. Die Leute spüren sehr genau die Ungerechtigkeit, daß die Täter in allen Ehren im Gottesdienst auftreten dürfen, während die Opfer weiter Opfer bleiben sollen.

2. Dann waren es meine angeblichen Staatssicherheitsvorwürfe gegen den Landessynodalen (!) Nothnagel. Gegen Herrn Erich Nothnagel habe ich keine ungerechtfertigten Beschuldi­gungen erhoben. Ich habe nicht gesagt, was behauptet wurde, nämlich daß er seit 1985 kirchliche „Interna“ verraten habe. Das wäre nichts Besonderes, denn das haben verschiedene Kirchenvorsteher in Sitzungen angekündigt, ohne daß der anwesende Dekan widersprochen hätte. Ausplaudern kirchlicher Interna war in Steinbach-Hallenberg erlaubt. Gegen Herrn Nothnagel habe ich viel gewichtigere Einwände.

Ich weise die Behauptung zurück, ich würde an meinem früheren Dienstort un­gerechtfertigte Staatssicherheitsbeschuldigungen verbreiten. Nach Rücksprache mit meiner Frau können wir uns nur an ein Gespräch etwa im Jahre 1991 erinnern, wo uns ein Ehepaar nach dieser Sache gefragt hat und wir unsre Meinung sagten (sie haben aber versprochen, nichts davon weiter zu sagen). Es ist wohl eher so, daß die Leute innerhalb und außerhalb der Gemeinde immer noch von den Vorgängen reden, die ja doch ungewöhnlich sind. Sie haben ja auch schon davon geredet, als ich noch da war.

3. Der eigentliche Grund aber ist: Die Pfarrkonferenz in Schmalkalden will nicht, daß ich ein Vorrecht habe. Wer nicht in Thüringen Pfarrer sein will, der soll es auch nicht in Hessen sein! Die Schmalkalder Pfarrer durften sich bisher nämlich auch nicht in Hessen bewerben (inzwischen ist aber der erste Fall da, wo es wohl zu einem Wechsel kommen wird). Man übersieht dabei aber, daß es bei mir ja etwas anderes ist, weil ich ja direkt aus Hessen stamme. Mit Thüringen verbindet mich nichts, zumal mich der Landeskirchenrat so ungesetz­lich behandelt hat. Die Schmalkalder können gut einem anderen raten, nach Thüringen zu gehen. Von ihnen ist ja auch keiner hingegangen. Aber wenn ich dorthin gegangen wäre, dann hätte es so ausgesehen wie ein normaler Wechsel und die Sache wäre aus der Welt gewesen. Daß ich mich da nicht gebeugt habe und bis heute Gesprächsstoff biete, nimmt man mir halt übel.

Und daß ich aber das Pfarramt ganz aufgeben würde, hatte man in der Pfarrkonferenz nicht erwartet. Es war allerdings nicht so, daß die Pfarrkonferenz einen formellen Beschluß gefaßt hat, daß mir die Wiederanstellung in einem Pfarramt versagt werden soll. Dekan Bedbur hat deshalb in den Protokollen nachgesehen und nichts dazu gefunden. In Kassel aber berief man sich auf den angeblichen Beschluß. Doch in Wirklichkeit handelt es sich dabei nur um eine Behauptung des Dekans Schreiber, der schon 1989 in Kassel deswegen vorgesprochen hatte, hier aber glatt gelogen hat.

 

Es tut mir auch leid um die Gemeinde, in der ich mit meiner Familie über zwei Jahr­zehnte versucht habe, das zu halten, was zu halten war, in der aber nun alles platt gemacht wird.

Ich gehe nicht so weit wie meine Frau, die meint, ihr Lebenswerk sei vergeblich ge­wesen. Aber ich sage weiterhin: Ihr habt den Falschen in die Wüste geschickt! Der wahre Sündenbock meckert noch vor der Herde her, von der sich aber immer mehr absetzen. Die Gemeinde hat durchschaut, was gespielt wurde.

Pfarrer, die sich staatsfreundlich verhalten haben, sind weiterhin im Amt oder im Ruhestand und sollen darüber ent­scheiden können, daß ein anderer nicht wieder ins Amt kommt. Wahrscheinlich werden sie erst anders darüber denken, wenn ihre Verstrickung erwiesen ist und sie selber mit Maßnahmen rechnen müssen. Ich wünsche es aber keinem! Doch bisher setzt man noch auf diese Leute und will die anderen mundtot machen (ich bin ja nicht der einzige, dem es so geht). Klüger wäre es jedoch nach meiner Meinung, statt Diskriminierung die Kritiker einzubinden durch eine Anstellung, damit sie nichts mehr sagen können.

 

Am 5. März 1990 reichte ich eine Eingabe an die Thüringer Synode ein. Darin wies ich darauf hin, daß ich durch die Vermischung zweier Artikel des Pfarrerdienstgesetzes beurlaubt wurde. Die Eingabe wurde zwar am späten Abend in der Synode verlesen, aber nicht behandelt

Und dann einfach „vergessen“. Ich erhielt nur noch einmal vom Landeskirchenrat den Bescheid, man werde ja das Pfarrergesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland übernehmen, damit bestehe kein Handlungsbedarf mehr.

 Ich bat in der Eingabe darum, daß hier eine Klarstellung erfolgt, damit solche Dinge nicht wieder vorkommen: Ich bin nach Artikel 45 des Pfarrerdienstgesetzes beurlaubt worden. Dieser aber hat schwerwiegende Fälle im Blick, die eigentlich ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen und bei denen Gefahr im Verzug ist. Diese Fälle sollte man nach meiner Meinung durch Beispiele genauer definieren und eine bessere Abgrenzung gegen den Artikel 57 schaffen.

Herr Oberkirchenrat Kirchner, der ja bekanntlich kein Jurist ist, behauptete, in Artikel 45 stünde nichts davon, daß der Pfarrer vorher gehört werden müßte. Auch wenn es nicht dort stünde, wäre es selbstverständlich, zumal in der Kirche. So hat man es auch im Fall des Oberkirchenrats Lotz gesagt. In der Stellungnahme des Landeskirchenrats zu den Staatssicherheitsvorwürfen gegen Lotz heißt es: „In allen Fällen von Beschuldi­gungen von Mitarbeitern der Kirche gehen Synode und Landeskirchenrat von dem Grundsatz aus, daß vor Be­urteilung, öffentlicher Stellung­nahme oder dienstrechtlicher Ent­scheidung die Beschuldigten zu hören sind. Auch deshalb sind Vorfahren zur Vergangenheit Verstor­bener nicht möglich!“

Vor allem aber kann man diesen Artikel 45 nicht mit Artikel 57 vermengen. Entweder man hat schwerwiegende („nachvollziehbare“) Gründe, dann gilt der Artikel 45. Dann ist auch jedem die erfolgte Maßnahme einsehbar. Oder die Sache ist nicht so eindeutig. Dann muß man in ein ausführliches und länger dauerndes Prüfungsverfahren nach Artikel 57 eintreten, aber  o h n e  vorherige Beurlaubung. Diese ist eine ganz schwerwiegende Maßnahme, mit der man den Fall nach Artikel 57 nicht unterlaufen darf. Ein Verfahren nach Artikel 57 spielt sich auch zunächst nur im Gemeindekirchenrat ab und beginnt nicht mit einer öffentlichen Abkündigung, die allen Spekulationen über die Gründe Tor und Tür öffnet.

Mir hat man immer wieder versichert, daß in Richtung auf ein Disziplinarverfahren nichts vor­läge. Da man aber eine Begründung für die Beurlaubung brauchte, hat man den Artikel 57 herangezogen, wo vom „gedeihlichen Wirken“ die Rede ist. Das sind aber zwei unterschiedliche Fälle. Zum Thema „Ungedeihlichkeit habe ich auf meiner Webseite „peterheckert.de“

etwas geschrieben.

 

Durch eine Beurlaubung macht man in der Praxis ein eingehendes Prüfungsverfahren unmöglich, weil man Fakten schafft, hinter die man nicht zurück kann. Die angeblich neutrale Maßnahme bedeutet in der Praxis die fristlose Entlassung aus der einzigen Arbeitsstelle am Ort.  Wie soll man dort noch für maximal ein Jahr auf Abruf und unter der Belastung eines Verfahrens arbeiten können, ohne daß die Probleme gelöst sind? Es sollte ja in Steinbach-Hallenberg bei der Geschäftsführung durch einen Pfarrer von außerhalb und dem Laienvorsitz bleiben, auch wenn beides nach den Gesetzen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen nicht rechtmäßig war.

Herr Kirchner sagte, man könne nicht eine Gemeinde ersetzen, sondern nur den Pfarrer. Doch in Steinbach-Hallenberg ging es nur darum, einige selbstherrliche Kirchenälteste wieder auf den Boden der Gesetzlichkeit (kirchlich wie staatlich) zurückzubringen. Daß der Landeskirchenrat dazu nicht bereit war, sondern den Weg des geringsten Widerstandes ging, indem er „nichts gegen die Organe des Dekanats unternehmen“ wollte, hat mich enttäuscht.

Ich hatte mich ja vorher extra noch versichert, wie die Rechtslage ist. Auch Herr Schurig hatte sich mit Herrn Kirchner abgestimmt und dessen Zustimmung eingeholt. Da ist es spitzfindig, wenn er nachher sagt: Das war nur eine Rechts-a u s k u n f t und wir können aus übergeordneten Gesichtspunkten auch anders entscheiden. Eine Rechtsauskunft ist nicht unverbindlich, sondern es muß dann auch entsprechend dem Recht entschieden werden.

Mit der eiligen Entscheidung des Landeskirchenrates (nach vier Arbeitstagen) wurde der Kirchenvorstand manipuliert, indem ihm die Entscheidung des Landeskirchenrates vorab mitgeteilt wurde (auch wenn Herr Schreiber sich nicht mehr daran erinnern kann, aber es waren immerhin über 20 Leute dabei). Es war ja noch v o r der „Wende“, wo die Menschen noch eher geneigt waren, die Hand zu heben, wenn etwas von oben beschlossen wurde.

 

Oberkirchenrat Kirchner äußerte gegenüber dem Dekan Schreiber: „Wenn man mit so einem Problem wie Heckert nicht fertig wird, ist es Zeit, das Dekanat voll in Thüringen einzugliedern!“ Das war es ja gerade, was ich immer vermeiden wollte: Wenn man Eisenach fragte, machte man es nur groß. Deshalb mußte alles getan werden, damit das Dekanat sich einig war. Dekan Schreiber war aber nicht bereit, auch nur die einfachsten kirchlichen Regeln einzuhalten, weil er selber entscheiden wollte, was Kirchenrecht im Dekanat ist. Nur einen Pfarrer versetzen oder absetzen, das konnte er nicht allein. Also mußte er doch nach Eisenach gehen. Ob er dabei unter dem Druck des Staates oder der Staatssicherheit handelte, muß man schon fragen. Zumindest würde das sein irrationales Verhalten erklären.

 

Der Landeskirchenrat stellte mit Schreiben vom 2. Juli 1990 fest, daß ich mich „zu jeder Zeit um eine Pfarrstelle bewerben können. Der Landeskirchenrat sieht keinerlei Veranlassung, ei­ner Wiederbeilegung der aus der Ordination begründeten Rechte im Fall einer Anstellung zu widersprechen“. Aber Kirchenrat Hans Krech schreibt am 8. August 1990 im Auftrag der Synode: Eine Veränderung des Pfarrerdienstgesetzes im Sinne einer Präzisierung ist nicht erfor­derlich, weil bald ein einheitliches Pfarrerdienstgesetz innerhalb der EKD in Kraft tritt.

 

Am 22. Dezember 1990 schrieb ich an Landesbischof Leich:  Es ist ein Widerspruch, wenn man den Opfern die Rechte aus der Ordination nimmt („ruhen läßt“), die Täter aber ungebrochen Gottesdienste halten können und sich sogar als Widerstandskämpfer aufspielen, wie kürzlich auf der Synode in Hofgeismar geschehen. Man kann doch diejenigen nicht einfach so weitermachen lassen, die ihr Ordinationsgelübde gebrochen haben, den Opfern aber, die nach ihrem Ordinationsversprechen gehandelt haben, sogar die ehrenamtliche Tätigkeit in der Kirche versagen.

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck lehnte jedoch meine Anstellung ab. Mein Fall liegt anders als das, was man in 50iger Jahren im Blick hatte, als man über geflüchtete Pfarrer eine Sperre von zwei Jahren verhängte. Ich habe ja nicht als aktiver Pfarrer eine Gemeinde verlassen, sondern die Gemeinde hat mich verlassen, besser gesagt: die Mehrheit des Kirchenvorstandes. Auch der Landeskirchenrat, der mich doch in der Ordination verpflichtet hat, die Ordnung der Kirche zu wahren, hat mir keine Unterstützung gewährt. Deshalb habe ich ordnungsgemäß mein Dienstverhältnis gekündigt. Aber jetzt bin ich praktisch mit einem „Berufsverbot“ belegt.

Ich bat um Aufnahme in den Wartestand. Wenn man das ablehnt mit der Behauptung, das ginge nicht, dann kann ich nur sagen: Wenn die Juristen etwas wollen, finden sie auch eine Lösung. Im Grunde bitte ich um Nachholung des Verfahrens, für das ich vor zwei Jahren nicht die innere Kraft hatte. „Verstehen Sie bitte, daß ich zum jetzigen Zeitpunkt und vielleicht überhaupt nicht mehr in einer der östlichen Landeskirchen Dienst tun kann. Solange nicht die Vergangenheit aufgearbeitet und eine wirkliche Wende herbeigeführt ist, zweifle ich am Sinn der kirchlichen Arbeit. Wenn man für sich selber nicht die Sündenvergebung und die frohmachende Gnade annehmen will, dann kann man sie auch nicht anderen predigen. Hier entsteht ein Krebsschaden in der Kirche, der immer verheerendere Folgen haben wird........ Ich bitte Sie um Hilfe nicht nur für die Täter, sondern auch für die Opfer. Für beides ist es höchste Zeit, wenn es nicht schon zu spät wird. Aber je länger man wartet, desto schlimmer wird es!“

 

Landesbischof Leich antwortete am 21. Februar 1991: „Ihr Brief erweckt den Anschein, daß alle beschwerlichen Vorgänge um Ihren Dienst in Schmalkalden ausschließlich mit der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit zusammenhängen!“ Er weist auch die Vermutung zurück, daß bei Fehlen einiger Oberkirchenräte die von der Staatssicherheit beeinflußten Oberkirchenräte die Oberhand gehabt haben können. Der Beschluß des Landeskirchenrates sei einstimmig gefaßt worden. Dann ist es aber umso schlimmer, doch in Wirklichkeit waren nur die fünf Oberkirchenräte d, die durch Stasimitarbeit belastet sind.

„Sie wissen, daß ich Ihnen im Gespräch andere Pfarrstellen in unserer Thüringer Landeskirche angeboten habe. Wir haben schließ­lich auch schriftlich darauf hingewiesen, daß wir jederzeit be­reit sind, die Rechte aus der Ordination wieder beizulegen, wenn Sie von einer anderen Landeskirche in den Dienst übernommen werden. Auch Herrn Präsident Bielitz gegen­über habe ich betont, daß das Ruhen der Rechte aus der Ordination in Ihrem Fall nicht diszi­pli­narisch zu begründen ist, sondern allein aus der Tatsache, daß Sie durch Ihre Ortsbindung in Schmalkalden sich nicht für die Übernahme einer anderen Pfarrstelle in unserer Landeskirche bereit erklären konnten.“

Der Bischof sah keinen Rehabilitierungsbedarf, weil ich ja auf Antrag aus dem kirchlichen Dienst ausgeschieden sei und die Rechte aus der Ordination nicht aus disziplinarischen Gründen ruhen. Wieder wird die „Ortsbindung“ behauptet, die aber keinerlei Rolle spielte.

 

Am 1. Juli 1991 schrieb ich wieder an den Landesbischof: „Bei Pfarrern war eine Versetzung ein halber Erfolg für die Staatssicherheit, eine Ent­fernung aus dem Amt ein voller; vielleicht war in meinem Fall sogar die Vertreibung aus der DDR das Ziel. Damals habe ich das nicht erkannt und war deshalb so ratlos, weil auf einmal in irrationaler Weise das kritisiert wurde, was jahrelang in Ordnung war. Hätte ich jenen Hintergrund geahnt, hätte ich mich entscheiden müssen: ent­weder ohne Aufhebens freiwillig zu gehen oder bei der Staatssicherheit mitzumachen. Ich bin sicher, daß alles seinen geordneten Gang gegangen wäre, wenn nicht die Staatssicherheit im Hinter­grund die Fäden gezogen hätte und Leute unter Druck gesetzt hätte. Hätte ich aber bei der Staatssicherheit mitgemacht, wäre ich heute noch im Amt und Würde einstmals ehrenvoll in den Ruhestand verabschiedet, wie das bei Oberkirchenrat Thurm geschah. 

Ich bin aus der Gemeinde gewarnt worden: ‚Legen Sie sich nicht mit diesen Leuten an, da stehen ganz andere Kräfte dahinter!’ Aber meine Dummheit war, daß ich mich auf die Gel­tung der kirchlichen Bestimmungen verließ und von meinem Amt her meinte, den ehrlichen und demokratischen Weg gehen zu müssen.

Daß ich keine andere Pfarrstelle annehmen wollte, lag nicht an der Ortsbindung an Schmalkalden. Ich habe ja von vornherein gesagt, daß ich diese aufgeben würde. Grund dafür war vielmehr die schnelle Entscheidung des Landeskirchenrates. Anfang Januar 1989 wurde mir das ja auch noch mündlich und schriftlich versichert, daß ich nicht gegen kirchliches Recht verstoßen habe. Ich nahm an, daß im Notfall der Landeskirchenrat hinter mir stehen würde.

Aber er hat es nicht einmal für nötig gehalten, mich vorher zu hören, wie das auch das Pfarrergesetz vorschreibt. Ich kann es nicht anders sehen, als daß hier eine Disziplinarmaßnahme ergriffen wurde, ohne daß ein Disziplinarverfahren durchgeführt wurde. Es blieb ja nur die Möglichkeit der Strafversetzung.

Ich sollte ja sogar mit falschen Behauptungen über die Rentenregelung unter Druck gesetzt werden. Aber mir war klar, daß die Staatssicherheits-Leute ihre Drohung wahr machen würden, mich auch in einer anderen Pfarrstelle zu verfolgen. Letztlich habe ich natürlich ‚freiwillig’ um Entlassung gebeten. Aber man darf nicht vergessen, was vorausgegangen ist. Ich bin schon der Meinung, daß ein Rehabilitierungsbedarf besteht. Schließlich ist in aller Öffentlichkeit von der Kanzel herab meine Beurlaubung ver­kündet worden, ohne daß nähere Erläuterungen gegeben wurden. Was Sie in Briefen später zur Klarstellung an mich geschrieben haben, sollte in gleicher Weise öffentlich bekannt gemacht werden, also zum Beispiel, daß keine dienstlichen Verfehlungen vorliegen, daß ich jederzeit eine Pfarrstelle erhalten könnte, usw. „

 

Landesbischof Leich antwortete am 30. August 1991. In diesem Brief war ich nicht mehr der „liebe Bruder Heckert“, sondern es hieß: „Sehr geehrter Herr Heckert!“ Grund war meine Anlage in dem vorhergehenden Brief, in dem ich Dinge aus meiner Staatssicherheits-Akte zusammenfaßte. Diese wurden als Verleumdungen und unbewiesene Behauptungen bewertet (ich muß allerdings auch sagen, daß ich aus der späteren Kenntnis den einen oder anderen Vorgang heute anders beurteile). Weiter schreibt der Bischof:

„1. Für den Beschluß des Landeskirchenrates waren maßgeblich die anhaltenden Querelen in Steinbach-Hallenberg sowie die in einem Gespräch im Landeskirchenrat am 17. Januar 1989 von Dekan Schreiber, Prodekan Hoffmann und dem Laienvorsitzenden des Kirchenvorstandes ausgesprochene Bitte an den Landeskirchenrat, tätig zu werden. Eine Beurlaubung nach § 45 Absatz 2 Pfarrerdienst­gesetz braucht keine disziplinarischen Gründe zu haben. Bei akuten, gravierenden Schwierigkeiten kann nach § 45 Absatz 2 eine vorläufige Regelung ohne vorherige Anhörung des betroffenen Pfarrers getroffen werden.  Im Kirchenrecht gilt: Bei akuten Schwierigkeiten in einer Gemeinde geht der Pfarrer. Es bleibt die Gemeinde. Diese Bereitschaft des Pfarrers seinen Dienst gegebenenfalls in einer anderen Gemeinde fortzusetzen, gehört zu den Amtspflichten eines jeden Pfarrers.

2. Rehabilitierungsbedarf: Ich habe mehrfach klargestellt, daß der Landeskirchenrat be­reit ist, Ihnen eine andere Pfarrstelle zu übertragen. Die entsprechenden Mitteilungen können von Ihnen verwendet werden.“

 

Am 29. Februar 1992 bat ich dann noch einmal den Landeskirchenrat, daß ich wie die Pfarrer des Dekanats Schmalkalden auf eine eventuelle frühere Staatssicherheitsmitarbeit überprüft werden möch­te, wie das ja auch bei den anderen Pfarrern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen geschieht. Diese Überprüfung könne sich nicht nur auf die gegenwärtigen Pfarrer beziehen, sondern müsse alle im Jahre 1989 aktiven Pfarrer und Ruheständler umfassen muß.

Der Landeskirchenrat antwortete am 10. März 1992: „Nach dem vorliegenden Gesetz über den Umgang mit den Akten des früheren Ministeriums für Staatssicherheit sieht sich der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen außerstande, die Überprüfung auf Pfarrer auszudehnen, die in keinem dienstrechtlichen Ver­hältnis zur Landeskirche mehr stehen. Wohl leuchtet Ihr Argument ein, daß für die Frage der Überprüfung das Jahr 1989 von erheblicher Be­deutung ist. Andererseits ist die Zuständigkeit einer Dienstaufsichts­behörde durch Dienstbeginn und Dienstende klar begrenzt. Andererseits steht es Ihnen völlig frei, Ihre Überprüfung selbst zu beantragen. Dies müßte freilich nicht beim Landeskirchenrat geschehen, sondern als Antrag direkt an die Gauck-Behörde gerichtet werden. Beschuldigte Amtsbrüder in unserer Landeskirche haben diesen Weg ge­wählt und entsprechende Auskunft bekommen!“ (Ich war allerdings kein Beschuldigter, sondern Opfer!).

 

Jedenfalls machte ich deutlich, daß es mir um eine Rehabilitierung geht. Dazu gibt es nach meiner Meinung drei Möglichkeiten:

1. Rücknahme der Beurlaubung: Formal war sie nichtig, weil ich vorher nicht gehört wurde, aber auch sachlich war sie unangebracht, weil sie eine Zwangsversetzung erreichen wollte, ohne daß disziplinarisch etwas vorlag.  Hier sagte Bischof Zippert (Kassel), daß das Sache der Thüringer sei. Ich wies ihn jedoch darauf hin, daß sein gutes Verhältnis nach dort auch in die Waagschale geworfen werden kann (Früher sagte Eisenach: Wir müssen auf Kassel Rücksicht nehmen)

2. Die Zulassung auf eine Pfarrstelle wäre mir auch Rehabilitierung, gerade weil jetzt deutlich wird, daß man gerade dieses von Schmalkalden aus verhindern will. Er fragte mich noch einmal, ob ich das wirklich wolle. Ich sagte: Vor zwei Jahren hätte ich sofort ja gesagt, heute würde ich mir das überlegen; ich verwies darauf, daß ich inzwischen eine zweite Berufsausbildung gemacht habe und ein zweites Standbein habe.

3. Wenn die Kirche nicht zur Rehabilitierung bereit ist, muß ich selber versuchen, die Hintergründe aufzudecken. Ich weiß allerdings nicht, ob ich jemals etwas dazu in die Hand bekomme. Und zu den Staatssicherheitsleuten möchte ich im Augenblick nicht gehen. Wenn die Betroffenen selber die Wahrheit sagten, wäre mir das lieber. Bei der Gelegenheit sprach ich noch von dem Staatssicherheitsspitzel aus Hessen, der Landesverrat begangen hat und mir sehr hätte schaden können.

Vielleicht gibt es kein gerichtsverwertbares Material mehr oder es wird mir nicht zugänglich. Aber wenn ich etwas erhalten sollte, würde ich es auch einsetzen. Wahrscheinlich würde ich es erst über das Landeskirchenamt in Kassel gehen lassen. Herr Vizepräsident Bielitz hat darum gebeten. Er ist der Erste, der einmal danach gefragt hat, das ist immerhin ein hoffnungsvolles Zeichen. Nur indem man die Vergangenheit wirklich bearbeitet, kam sie bewältigt werden.

Mein Ziel ist weiterhin eine Rehabilitierung. Es ist nicht damit getan, daß der Landeskirchenrat in Eisenach im Brief schreibt, es bestehe dafür kein Bedarf, weil mir ja kein Schaden entstanden sei, ich könne ja jederzeit eine Pfarrstelle in Thüringen übernehmen. Zur Rehabilitierung gehört auch Öffentlichkeit. Denn man hat ja auch mit Kanzelabkündigungen den Eindruck erweckt, daß ich etwas verbrochen hätte. Zumindest gehört dazu auch das Eingeständnis, daß man formale Fehler gemacht hat und die eigenen Bestimmungen nicht beachtet hat, wodurch erst meine Reaktion hervorgerufen wurde.

 

Brief an Pfarrer Scholz

Lieber Herr Scholz,                                                                                        30.10.2006

ganz herzlichen Dank für die übersandte Festschrift und den ausführlichen Bericht. Ich freue mich, wenn die Gemeinde und die Öffentlichkeit an so einem Ereignis Anteil nimmt. Und sicherlich ist es auch gut, wenn dadurch - wie Ihr Eindruck ist - die allgemeine Stimmungslage etwas gehoben wird. Ich denke, das ist heute - unter anderem - auch eine Aufgabe der Kirche.

Zu Ihrem persönlichen Nachwort möchte ich Folgendes sagen: Der Eindruck ist völlig falsch, ich wolle „die Dinge“ nicht ruhen lassen. Ich will sie ja wirklich ruhen lassen und nicht wieder aufrühren. Sie haben sicher recht, daß diese „alten Sachen“ viele Menschen nicht mehr interessieren und heute ganz andere Probleme im Vordergrund stehen. Auch ich vergifte nicht mein Leben, das wäre ein völlig falscher Eindruck. Ich habe von Anfang an gesagt: Es ist nun einmal so gelaufen, daran läßt sich jetzt nichts mehr ändern, jetzt wird nach vorne geschaut! Ich habe es ja auch wirklich gut getroffen.

Manchmal denke ich sogar, ich hätte die körperliche Belastung mit wöchentlich 60 bis 80 Stunden nicht noch länger ausgehalten. Und ich habe manchmal die Befürchtung, daß unsere beiden Söhne sich im Pfarramt ebenso aufreiben. So hatte ich noch einmal zehn ruhigere Jahre und nun schon wieder sieben Jahre wie im Kommunismus, wo ich tun und lassen kann, was ich will, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse abgesichert sind.

Wenn ich an Steinbach-Hallenberg zurückdenke, dann stehen mir nicht in erster Linie die wenigen Quertreiber vor Augen, sondern die vielen Menschen, die mir glückliche und zufriedene Jahre beschert haben. Für sie habe ich meine besten Jahre dahingegeben, ich war gerne Pfarrer und bin sehr froh, darüber, daß ich Theologie studieren konnte, denn in erster Linie hat mir das persönlichen Gewinn gebracht.

Ich warte nicht auf eine göttliche Gerechtigkeit, sondern auf die geschichtliche Wahrheit, soweit es diese gibt. Auch nach der Nazizeit hat es 40 Jahre gedauert, bis in der Thüringer Kirche hinter vorgehaltener Zeit über die Verstrickung der Pfarrer in die damalige Staatspartei geredet wurde. Es wird einmal eine Generation kommen, die unbefangener über die 40 Jahre SED-Herrschaft forschen will. Da sollen nicht die Täter allein die Deutung geben, nur weil sie fast ausnahmslos im Amt geblieben sind.

Nur eine einzige Bitterkeit bleibt noch von all diesen Vorgängen zurück. Ich zitiere dazu aus meinem Buch „Kirche ohne Staatssicherheitsspitzel“: „Hätte ich mich im Januar 1989 zur Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit bereit erklärt, wäre ich heute noch (im Jahre 2000) Pfarrer in Steinbach-Hallenberg. Man hätte sofort den kirchli­chen Stellen signalisiert, daß man nichts mehr gegen Heckert habe und dieser das gute Ver­hältnis zwischen Staat und Kirche in Dekanat Schmalkalden nicht mehr störe. Daraufhin hä­t­te man von kirchlicher Seite alle Anschuldigungen fallenlassen, denn sie waren ja sowieso kaum sachlich begründet, sondern wurden mit Gewalt herbeigezogen, um einen Vorwand zu haben!“ Schließlich hatte die Stasi sich im Jahresplan für 1989 geschrieben, daß sie mich anwerben wolle, weil ich als bisheriger erklärter Gegner unverdächtig für ihre Zwecke sei.

Noch ein Zitat: „Das Haus war jedenfalls nicht der Grund, weshalb ich keine andere Pfarrstelle annehmen wollte. Dafür war ausschlaggebend, daß ich mir nicht vorstellen konnte, wieder eine Gemeinde zu finden, in der es mir so gut gefallen würde wie in Steinbach-Hallenberg, und daß mir Oberkirchenrat Kirchner gedroht hatte, wenn es in einer anderen Gemeinde wieder so Auseinandersetzungen mit dem Staat geben würde, dann würde man mich ganz aus dem kirchlichen Dienst entfernen. Trotz aller Schwierigkeiten fühlte ich mich in Steinbach wohl, weil die Gemeinde anders war als einige ihrer Repräsentanten, die sich lautstark zu Wort meldeten.“

„Eine Verurteilung liegt mir fern. Ich glaube auch, daß die Gemeinde und die Öffentlichkeit gelassen reagieren wird. Es gibt keine Enthüllungen, keine Abrechnung. Auch zu meinem Fall sage ich: Es ist nun einmal so gelaufen, es kann nichts mehr daran geändert werden, es besteht kein Anlaß, nachtragend zu sein oder nach Bestrafung zu rufen. Aber man sollte ehrlich und offen darüber reden.“

Was Sie über Herrn Nothnagel geschrieben haben, ist typisch. Er ist nie von der Gemeinde gewählt worden, auch als er noch vernünftig und normal war. Ich habe das nicht so recht verstanden, weil er sich doch in guter Weise engagierte. Aber die Gemeinde wußte offenbar mehr. Und ganz war es natürlich aus, als er nach der Ablehnung einer privaten Westreise in anderem Auftrag innerhalb von zwei Monaten dreimal im Westen war. Da wußte jeder, wie der Hase lief (Die Leute sagten, sein Bruder haben ihn hochkantig rausgeworfen, als er mit seinem Anliegen kam). Herr König war schon immer alterssenil. Aber diese Leute haben damals den Ton angegeben und beim Dekan Gehör gefunden.

Noch ein Punkt: Daß Herr Wahl den genauen Tag der Kircheneinweihung festgestellt haben soll, ist ja interessant. Leider haben Sie keine Begründung mitgeschrieben, das hätte mich schon interessiert. Ich habe die Frage in meiner Chronik ja offengelassen. Das „2. Sonntag im September“ bezieht sich dabei auf die Feier der Kirchweih, nicht auf den Tag der Einweihung, da ist ja gar kein Wochentag genannt. Man müßte noch einmal im Original der Chronik von Avenarius nachsehen. Wenn dort steht „am 10. 7bris“, dann ist der 10. September gemeint („septembris“). Dieser wäre dann aber ein Mittwoch gewesen, was ja auch möglich ist.

Logisch wäre an sich, daß es ein Sonntag war. Doch dann war es nicht der 10. September, denn dieser war im Jahr 1656 nur nach dem gregorianischen Kalender ein Sonntag. Damals galt in Hessen aber noch der julianische Kalender. Nach dem waren der 7. und 14. September ein Sonntag. Der 10. September war ein Mittwoch und der 15. ein Montag. Aber auch hier gilt wie bei vielen geschichtlichen Problemen. Die volle Wahrheit werden wir nicht mehr ergründen können.

Ich grüße Sie und Ihre Frau herzlich und bedanke mich noch einmal

 

Kantor Dalberg

In einer Einschätzung der kirchlichen Aktivitäten im Bezirk Suhl vom 29. November 1971 durch den Stellvertreter für Inneres im Bezirk Suhl heißt es: Die staatlichen Orchester dürften keine Verträge zur Mitwirkung bei Kirchenkonzerten abschließen. Einzelne Künstler wirken jedoch mit wegen ihrer religiösen Bindung, vor allem aber mit dem Argument „Musik sei Musik“. Da sich in keiner staatlichen Einrichtung eine Orgel befindet, führt die Kirche verstärkt Orgelwerke alter Meister auf. Sie führt eine breite aktive musikalische Tätigkeit aus, die zum Beispiel als „Orgelandachten“ deklariert werden.

 

Bei der Wahl im Juni 1981 ging Kantor Dalberg 11 Uhr zur Wahl. Eine Band der Jungen Gemeinde führte Proben in der Kirche durch. Im Anschluß daran wurden sofort Diskussionsrunden durchgeführt (Thema: „Ist Gott für uns noch wichtig?“ „Warum gibt es Kriege?“). Im Herbst 1981 wurde Kantor Dalberg eingezogen.

Als Kantor Dalberg um Druckgenehmigung für Plakate zum Jubiläum des Posaunenchors am 13. Oktober 1984 bat, wurde am 25. September mit ihm und Pfarrer Heckert eine Aussprache geführt. Ausgehend vom nicht genehmigten Auftritt eines Posaunenchors aus der BRD im Frühjahr 1984 wurde auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen.

 

Im Gespräch mit dem Dekan wurde auf das zunehmende Unterlaufen der Regelungen im Reiseverkehr für die Organisierung von Gruppeneinreisen aus „Partnergemeinden“ in der BRD eingegangen. Am 13. Oktober wurden dann auch an der Grenze den Mitgliedern des Posaunenchors aus Bad Berneck die Instrumente abgenommen. Der Leiter des Chors, Herr Nützel, erklärte, man sei zur heutigen 80-Jahr-Feier des Posaunenchors Steinbach-Hallenberg eingeladen und werde am Mittag bei Mitgliedern des dortigen Chors essen. „Wir sind harmlose Leute und begehen mit unseren Instrumenten nichts Schlechtes!“

Am 11. Februar 1985 wird kritisiert, daß es bei durchgeführten Einreisen der Mitglieder des Posaunenchors der Kirchgemeinde Bad Berneck (BRD) zu öffentlichkeitswirksamen gemeinsamen Auftritten kam. Deshalb wurde ein weiteres gemeinsames Auftreten der beiden Posaunenchöre im Juni/Juli 1984 durch zielgerichtete Maßnahmen über inoffizielle Mitarbeiter in Schlüsselpositionen (Möschter?) verhindert.

 

Durch Dalberg wurden gemeinsam mit dem Pfarrer Heckert Bestrebungen sichtbar, kirchliche Musikveranstaltungen in den Kulturplan der Abteilung Kultur des Rates des Kreises aufzunehmen, um eine höhere Besucherzahl zu garantieren. Dieses Ansinnen wurde in der Abteilung Kultur abgelehnt, was bei Dalberg und Heckert auf Unverständnis stieß.

Kantor Dalberg wurde vom Abteilungsleiter Kultur eingeladen wegen des geplanten Jubiläums des Posaunenchors Steinbach-Hallenberg. Er kam in Begleitung von Pfarrer Heckert, der sich das Gesagte wörtlich aufzeichnete. Dem Genossen Beßner ging es hauptsächlich um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und um die Mitteilungen, welche Gruppen und Einzelpersonen einbezogen werden.

Heckert legte dar, daß es sich nicht um eine Veranstaltung handelt, die anzumelden sie, und er könne Leute auftreten lassen, die ihm passen: „Wir haben unseren Partnerchor aus der BRD eingeladen. Aber sie werden nur gemeinsam mit den Steinbachern auftreten und keinen selbständigen Beitrag leisten!“

Die staatlichen Vertreter aber machten deutlich, daß sie ein Auftreten von Ausländern ohne staatliche Genehmigung nicht dulden werden und solche Aktivitäten als ein Unterlaufen der gesetzlichen Bestimmungen betrachten. Die Genehmigung müßte sogar über den Bezirk laufen. Heckert entgegnete: „Erst haben Sie Gesetze über die Erleichterung des Reiseverkehrs gemacht und jetzt wollen Sie uns Steine beim Ausbau unsrer Kontakte in den Weg legen. Notfalls werde ich die Leute im Gemeindehaus oder vor unsrer Familie spielen lassen. Da können Sie gar nichts machen. Instrumente können sie ja mitbringen!“

 

Am 18. Februar 1985 wurde sogar eine „Operative Personenkontrolle“ eingeleitet gegen Christoph Dalberg, weil er in seiner Funktion als Kantorkatechet unter Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen öffentliche kirchliche Musikveranstaltungen organisierte, an denen auch BRD-Personen öffentlich auftraten. Er zeigt Bestrebungen, mit kirchlichen Musikveranstaltungen öffentlichkeitswirksam zu werden. Seine Persönlichkeit ist umfassend aufzuklären, auch seine Verbindungen zur BRD, um den Mißbrauch kirchlicher Musikveranstaltungen zu feindlich-negativen Aktivitäten zu verhindern. Informanten sind FIM „Hans Werner“, FIM „Paul König“, IMS „Peter Schüler“, GMS „Lothar“,  IMS „Monika Jäger“, IMS „Schiedsrichter“.

Die Akten enthalten die Kopie eines Telegramms nach Bad Berneck, in dem Herr Dalberg darum bittet, ohne Instrumente einzureisen. Die Operative Personenkontrolle wurde abgeschlossen, weil die Anhaltspunkte aufgeklärt wurden und der Einfluß Dalbergs in der Kirchengemeinde Steinbach-Hallenberg zurückgedrängt wurde. Er wird jedoch weiter kontrolliert durch Einsatz der IMS „Schiedsrichter“, „Peter Schüler“ und des GMS „Lothar“.

 

Am 18. April 1885 ist „Peter Schüler“ Zeuge eines Gesprächs des Gerhardt Jäger mit Dalberg. Dalberg soll sich über Heckert beschwert haben, weil er Dalbergs Auffassungen über Kinderarbeit nicht teilt. Dalberg sei für richtige Kantorarbeit mit Jugendlichen und auch modernen Konzerten, Heckert aber sei gegen eine eigenständige Arbeit und wolle, daß sich Dalberg seinen Ideen unterordnet.

Gegen moderne Konzerte war ich auf keinen Fall, im Gegenteil. Unterschiedliche Auffassungen kann es nur gegeben haben darüber, daß Christenlehrestunden nicht allein mit Kirchenmusik gefüllt werden. Aber das betraf mich sowieso nicht, weil Herr Dalberg nur in Rotterode Christenlehre erteilte. Mir ist nicht so recht deutlich, was der IM verstanden hat. Vielleicht ging es aber auch darum, daß Herr Dalberg die Steinbacher Christenlehrekinder für einen Kinderchor haben wollt und diese Arbeit die Christenlehre ersetzen sollte.

 

Am 30. April und 1. Mai 1985 wurde Dalberg durch den GMS (Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit) unter Kontrolle gehalten. Er zeigte keinerlei negative Aktivitäten, inwieweit er sich an der Mai-Demonstration beteiligte, konnte nicht festgestellt werden. Der Einfluß Dalbergs auf die Jugendarbeit ist gering, seine Aktivitäten werden nur durch Pfarrer Heckert inspiriert. Dalberg sprach aber wieder davon, daß es mit Pfarrer Heckert Auseinandersetzungen gibt. Die Mitglieder des Posaunenchors verlangten für den 3. Mai eine Aussprache.

Dabei kann es sich nur um den alten Kleiderschrank im Christenlehreraum gehandelt haben, den ich weghaben wollte, weil die Noten des Posaunenchors auch anderweitig untergebracht werden konnten.

Auch am 26. Mai 1986 äußerten Hosea Heckert und Gerhardt Jäger, Dalberg würde kaum noch etwas für die Jugendlichen machen, weil Heckert von ihm verlangt, in erster Linie seine Arbeit als Kantor der Gemeinde zu tun. Deshalb habe er aus Verärgerung die Jugendlichen im Stich gelassen und wolle sich nur noch als „normaler Organist“ betätigen.

 

IMS „Schiedsrichter“ (der stellvertretende Bürgermeister Horst Jäger) klagt im Juni 1985 darüber, daß eine Personeneinschätzung zu Dalberg bisher nicht möglich war, da Dalberg außerhalb der Kirchengemeinde keinen Umgangskreis hat. Auch der Einsatz des IM „Monika Jäger“ zur Bearbeitung der OPK „Gemeinde“ kann nur peripher erfolgen, da durch den IM keine direkten Verbindungen zur Kirchengemeinde Steinbach-Hallenberg bestehen. Grund dafür ist die gesellschaftliche Stellung der Verwandten des IM (Gemeint ist wohl: Der IM hat Verwandte in Steinbach-Hallenberg, aber die sind nicht kirchlich).

 

Im Jahre 1985 ist es der Posaunenchor aus Bayreuth (handelt es sich um den gleichen Chor wie Bad Berneck?), der nach Steinbach-Hallenberg kommen will, um an einem Waldfest des Posaunenchors Steinbach-Hallenberg teilzunehmen. Beim Grenzübergang sagt einer der Bläser: „Wenn Eure Bürger schon nicht zu uns rüber dürfen, müssen wir die Kontakte weiter ausbauen und pflegen. Es kann durchaus passieren, daß in Zukunft noch mehr Pkw einreisen!“ Bei der Zollkontrolle wurden 15 Musikinstrumente (Posaunen, Hörner) festgestellt. Nach Absprache mit der Bezirksverwaltung Suhl wurde auf Rückführung der Instrumente entschieden (durften sie nun mitgenommen werden oder wurden sie gleich „zurückgeführt“? Wahrscheinlich mußten sie da bleiben).

Am 15. Juli 1985 führte Möschter ein Gespräch mit dem stellvertretenden Bürgermeister Jäger. Dieser hatte zwischenzeitlich ein Gespräch mit dem Stadtverordneten Jürgen Huhn (Mitglied des Posaunenchors), der ihn zu bestimmten Fragen vertraulich informierte. Es ergab sich folgender Sachverhalt: Der Posaunenchor der Patengemeinde war schon seit längerer Zeit daran interessiert, nach dem Auftritt zum Jubiläum im vergangenen Jahr erneut am 13. Juli nach Steinbach-Hallenberg zu kommen. Huhn hat damals mit Dalberg gesprochen. Im Ergebnis dieser Aussprache hat Dalberg an den Chor im Westen geschrieben, sie sollten ohne Instrumente einreisen, um Schwierigkeiten zu verhindern.

Am 13. Juli war der Chor zunächst in Suhl und ist dann direkt zum Gartengrundstück des Bläsers Dieter Recknagel gefahren, um dort das Waldfest zu feiern (gegen 13.30 Uhr). Zu einem Posaunenblasen ist es nicht gekommen. Gegen 18 Uhr fuhren die Gäste wieder nach Hause. Erschienen waren 22 Bläser aus der BRD (mit Ehefrauen) und 3 (?) Bläser aus Steinbach-Hallenberg (zum Teil mit Ehefrauen). Man führte angeregte Gespräche und tauschte Erfahrungen aus. An der Grenze hatten sie Gäste den Eindruck, daß man sie schon kannte und sie bewußt „ausgesucht“ habe. Man empfinde das als Schikane und Schlechtigkeit, sie nur ohne Instrumente einreisen zu lassen.

Huhn wurde also genutzt, um Dalberg dazu zu bewegen, daß er wegen der Instrumente in den Westen schreibt. Er gab auch nachher bereitwillig Auskunft, wenn auch nicht direkt an Mösch­ter, sondern an den stellvertretenden Bürgermeister, aber ausdrücklich mit der Bemerkung „vertraulich“; er wußte also, daß er innerkirchliche Dinge verriet. Auch in diesem Fall hatte die Staatssicherheit gar keinen inoffiziellen Mitarbeiter nötig, sie hat auch so alles erfahren und erreicht.

Am 18. Juli erklärte Pfarrer Peters, die Kirche habe mit dem Treffen nichts zu tun, der Posaunenchor habe das allein organisiert. Das Waldfest werde im Gebiet des „Knüllfeldes“ durchgeführt und sei mit einem gemeinsamen Blasen verbunden (aber nicht öffentlich). Die Bläser nahmen auch am Gottesdienst teil, traten aber nicht öffentlich auf.

 

 „Peter Schüler“ schätzt am 18. Juli ein, daß von Dalberg keine eigenen Initiativen im Bereich der Jugendarbeit mehr ausgehen. Auch bei der Betreuung des Patenchores zeig er keine Aktivitäten mehr. Auch der Bürgermeister teilte mit, Dalberg werde jetzt sichtbar weniger machen. Pfarrer Peters habe ihm berichtet, daß Dalberg jetzt bemüht sei, sich Peters anzuschließen. Zwischen ihnen bestehe Klarheit darüber, daß Heckert zu stark auf Konfrontation setzt. Auch Dalberg sei nicht für die Politik des Staates, habe aber etwas gegen den „primitiven Stil“ des Heckert. Insgesamt schätzte Peters ein, daß Dalberg jetzt ruhiger sei und Einfluß unter den Jugendlichen verloren habe. Sein „aggressives Wesen“ habe sich vermutlich „abgekühlt“.

 

Im Abschlußbericht am 15. Oktober heißt es: Es lagen Hinweise vor, daß Dalberg gemeinsame Auftritte der Posaunenchöre Steinbach-Hallenberg und Bad Berneck organisiert. Es wurde festgestellt, daß die Partnerschaftsbeziehungen durch Pfarrer Heckert inszeniert wurden, der auch die gemeinsamen Auftritte öffentlichkeitswirksam gestalten wollte. Dalbergs Tätigkeit beschränkt sich aber auf die ortsansässigen kirchenmusikalischen Gruppen, öffentlichkeitswirksames Auftreten wurde nicht sichtbar.

Durch einen inoffiziellen Mitarbeiter in Schlüsselposition (Möschter) wurde Dalberg veranlaßt, vom gemeinsamen Auftreten beider Chöre Abstand zu nehmen. Eine Einreise des Posaunenchors Bad Berneck im Juli 1985 wurde nur ohne Instrumente gestattet. Bei dem Zusammentreffen im Garten eines Kirchenvorstandsmitglieds kam es nach inoffiziellen Berichten keine operativ-bedeutsamen Probleme. Im Posaunenchor gab es aber unterschiedliche Meinungen über den Sinn solcher Zusammenkünfte.

Inoffiziell wurde bekannt, daß zwischen Kantor Dalberg und Pfarrer Heckert zunehmend Spannungen auftreten, die auf der Einmischung des Heckert in die Tätigkeit des Dalberg auf kirchenmusikalischem Gebiet beruhen. Da die zur Einleitung der Operativen Personenkontrolle (OPK) führenden Anhaltspunkte durch die eingeleiteten Maßnahmen entfallen, wird die OPK eingestellt. Die Person Dalberg wird aber zur weiteren Klärung der Frage „Wer ist wer?“ unter operativer Kontrolle gehalten.

Die ganz normale kirchliche Arbeit eines Kantors löste also schon eine Überprüfung und Beobachtung der Staatssicherheit aus. Die Initiative ging aber von dem Chor aus dem Westen aus, auf keinen Fall von Pfarrer Heckert, der Kontakt ging von Chor zu Chor. Die Steinbacher hatten aber natürlich auch Interesse an solchen Kontakten, aber es war nicht so, daß die DDR vom Westen aus unterwandert werden sollte. Die Bläser aus dem Westen liehen sich übrigens Instrumente von Schmalkalden aus und bliesen im Gottesdienst mit, ohne allerdings öffentlich erwähnt zu werden.

 

Dekan Schreiber sagte am 15. August 1989 zu Möschter: Kantor Dalberg hat sich geweigert, das von ihm widerrechtlich in seiner vollen Größe genutzte Pfarrhaus auch nur teilweise zu räumen. Daran sei die Neu-Einstellung eines Pfarrers gescheitert. Er sprach sich gegen eine Genehmigung des Ausreise-Antrags aus.

Kantor Dalberg hatte aber nicht das ganze Haus „besetzt“, sondern nur den Teil des Pfarr­hauses, für den er einen Mietvertrag hatte! Der andere Teil wurde von einer Kindergärtnerin genutzt bzw. war Amtszimmer des Pfarrers. Die Sache war vielmehr so, daß Dalberg ganz aus dem Haus heraus sollte und sich selber eine andere Wohnung suchen sollte, damit man das ganze Haus einem möglichen Bewerber für eine Pfarrstelle anbieten konnte. Pfarrer Heckert und seine Vorgänger waren noch bereit gewesen, wegen des knappen Wohnraums und um einen Kantor anstellen zu können, auf einen der Teil der ihnen zustehenden Dienstwohnung zu verzichten. Andere Pfarrer waren dazu aber offenbar nicht bereit. Deshalb setzte Pfarrer Schulte Kantor Dalberg und seine Familie so unter Druck, daß sie schließlich keinen Ausweg mehr sahen als die Antragstellung. Der Dekan meinte aber, bei Dalberg solle man einem Ausreiseantrag nicht zustimmen. Nur bei Heckert sei das etwas anderes. Hier sei es für alle Seiten das Beste, wenn man ihm seinen Wunsch nach Ausreise erfüllt.

Beim Posaunenjubiläum in Steinbach-Hallenberg am 22. Oktober 1989 fanden die Aktivitäten intern statt und es wurden keine Provokationen festgestellt. Allerdings sprach auch ein Vertreter der Bläsergruppe aus der Bundesrepublik.

 

 

 

 

 

 

 

Kirche ohne Stasi ?

Das Verhältnis von DDR-Staat und Kirche im Kirchenkreis Schmalkalden

 

In jahrelanger Arbeit habe ich die Unterlagen der Behörde des „Beauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR“ in der Außenstelle Suhl erforscht, soweit sie die Kirche im Dekanat Schmalkalden (heute Kirchenkreis Schmalkalden) betreffen. Dabei ist ein etwa 300 Schreibmaschinenseiten starkes Manuskript entstanden, das nicht alles aufhellen kann, aber doch manche Hintergründe aufzeigt. Im Schriftbild ist dabei kenntlich gemacht, was zusammenfassende Wiedergabe der Akten ist und was meine eigenen Ergänzungen und Wertungen dazu sind (Kursivschrift).

Das Manuskript beginnt nach einigen einleitenden Bemerkungen über das Dekanat Schmalkalden mit der Darstellung der Täter, also der vier hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit in der Kreisdienststelle Schmalkalden und des inoffiziellen Führungsmitarbeiters, der als Beauftragter für Kirchenfragen beim Rat des Kreises arbeitete.

Es folgt dann die Schilderung des Kampfes kirchlicher Mitarbeiter und Gruppen gegen die Versuche der Staatssicherheit, den vermeintlichen Einfluß der Kirche einzudämmen. Hier geht es um Christenlehre und Konfirmation, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung und Nachteile in Schule, Armee und Beruf. Es geht um Umweltgruppen, Neubauarbeit und Gemeindetage. Das alles wird dann noch einmal dargestellt am Beispiel der handelnden Personen, vor allem der Pfarrer (in dieser zeitlichen Reihenfolge) Hülsemann, Heckert, Kramer und Hauser. Auch die Haltung der anderen Pfarrer wird beleuchtet.

Auf der kurhessen-waldeckschen Landessynode wurde der vorläufige Bescheid der Behörde des Bundesbeauftragten verkündet, wonach kein kirchlicher Mitarbeiter im Dekanat Schmalkalden ein sogenannter „Inoffizieller Mitarbeiter“ war.  Die Mitteilung wurde mit Beifall entgegengenommen. Das wird auch bei einem eingehenden Studium der Akten belegt: Es gab niemanden, der für Geld und mit einer Verpflichtungserklärung für die Staatssicherheit gearbeitet hat (und nur das beinhaltete die Auskunft an die Landeskirche). Es gab nur ein Mitglied des Kirchenkreisvorstandes, das von der Behörde als „Inoffizieller Mitarbeiter“ eingestuft wurde, das aber nicht bei der Kirche angestellt war.

Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. In Wirklichkeit gab es eine abgestufte Zusammenarbeit mit dem Staat, die gleichbedeutend war mit einer Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit, wie jeder damals wissen mußte. Jeder wußte, daß die „Beauftragten für Kirchen fragen“ alle Mitarbeiter der Stasi waren, in der Pfarrkonferenz wurde eigens darauf hingewiesen. Ihre Aufgabe war es in erster Linie, die Kirchen zu kontrollieren und zu beeinflussen.

Daß sie auch wohlwollende Ansprechpartner für die kirchlichen Mitarbeit sein sollten, war ihre Legende. Deshalb kann kein kirchlicher Mitarbeiter sich damit herausreden, er habe ja nur mit dem ihm zugewiesenen Vertreter des Staates geredet - er hat mit der Staats­sicherheit geredet. Er mußte auch damit rechnen, daß jeder Vertreter des Staates (zum Beispiel der Bürgermeister oder ein Lehrer) seine Aussage an die Staatssicherheit weiterleiten würde.

Das Spektrum der Mitarbeit mit der Stasi geht dabei bis hin zu „gleichbedeutend mit inoffizieller Mitarbeiter“. Ich habe in diesem Zusammenhang die Unterscheidung getroffen zwischen „offizieller IM“ (also mit Verpflichtungserklärung und Geldprämie) und „inoffizieller IM“. Diese Wortprägung ist meines Wissens neu.

Der „inoffizielle IM“ bezeichnet einen Menschen, der zum Beispiel wegen seiner kirchlichen Bindung niemals bereit wäre, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, weil er das als Verrat an der Kirche angesehen hätte. Er war aber bereit, gefragt oder ungefragt über alle innerkirchlichen Vorgänge Auskunft zu geben, so daß sie Stasi vorbeugende Maßnahmen ergreifen konnte. Und er war bereit, im Sinne der Stasi zu handeln. Natürlich geschah das nicht plump, sondern es wurde gesagt: „Im Interesse eines guten Verhältnisses zwischen Staat und Kirche wäre es doch besser, wenn man dies oder jenes unterließe und es stattdessen so machte!“

Dieser Begriff „gutes Verhältnis zwischen Staat und Kirche“, der ja auch in anderen Zusam­men­hängen immer wieder fiel, wurde von einigen Pfarrern mit der Zeit immer mehr so ausgelegt: Nur bei einem guten Verhältnis werden auch weiterhin Genehmigungen für Dienstreisen ins westliche Ausland erteilt! Jeder in der Kirche, ob Gemeindeglied oder Angestellter, der dieses Verhältnis gefährdete, wurde deshalb vorbeugende bekämpft. Dann wurde auf dem Dienstweg versucht, die betreffende Person einzuschüchtern, zu maßregeln und auf Linie zu bringen. Leider haben der Dekan und die Mehrheit im Kirchenkreisvorstand sich je länger je mehr in diesem Sinne gebrauchen lassen - aus Angst um ihre Westreisen.

Das ist der weitere Punkt, der nach meiner Ansicht sehr deutlich aus den Akten hervorgeht: Über die Dienstreisen in den Westen hatte die Staatssicherheit gar manchen Pfarrer in Abhängigkeit gebracht. Er hat sich das selber nicht eingestanden, aber er war nicht nur vorsichtiger in seinen Äußerungen, sondern war auch einfach bereiter, im Gespräch ganz unverbindlich innerkirchliche Dinge auszuplaudern, die er besser für sich behalten hätte, im Interesse des Schutzes der Kirche und der Gemeindeglieder.

Ein Gebiet ist in diesem Zusammenhang besonders belastend: die Ausreise in den Westen. Da kamen Gemeindeglieder zu ihrem Pfarrer, um mit ihm über ihre Ausreiseabsicht zu sprechen und sich Rat zu holen. Besonders ein Pfarrer hatte dann aber nichts Eiligeres zu tun, als sofort den Beauftragten für Kirchenfragen zu benachrichtigen im Sinne von: „Kümmert euch einmal um den, der hat eine Antragstellung vor!“ Das Ziel war, den Betreffenden „gemeinsam“ von der Antragstellung zurückzuhalten.

Zwei Pfarrer sind sogar in den Westen gereist, um ein Gemeindeglied zur Rückkehr zu bewegen, das von einer Westreise nicht zurückgekehrt war. Angeblich geschah das auf Wunsch der Familie. Aber eher war es so, daß die Initiative von der Stasi ausging. Aber auch wenn die Familie zuerst den Wunsch hatte, mußte man sich ja wegen des Visums an den Beauftragten für Kirchenfragen wenden. Man mußte ihm natürlich auch den Reisegrund nennen. Und schon wurden Aufträge mitgegeben. Der Pfarrer sollte nämlich den Ehepartner aushorchen, ob er an seiner Ehe festhalten wolle, weil davon die Entscheidung abhing, ob auch der Rest der Familie ausreisen durfte. Ein Pfarrer wollte bei dieser Gelegenheit von der Stasi sogar Westgeld für die Reise haben.

Nach der Rückkehr wurde dann haarklein dem Beauftragten für Kirchenfragen erzählt, was der Besuchte über seine Ehe erzählt hatte. Da erzählt jemand seinen Pfarrer Dinge, die unter das Beichtgeheimnis fallen und die er nicht einmal einem Kollegen hätte weitersagen dürfen. Aber er hat keine Hemmungen, dies einem Vertreter des Staates haarklein zu erzählen, weil davon seine Reisen in den Westen abhängen (oder die der Ehefrau).

Solche Vorgänge sind heute natürlich auch der Kirchenleitung zugänglich. Pfarrer Bunge aus dem Kirchenkreis Schmalkalden hat ja auch die Unterlagen gesichtet. Er kommt aber offenbar zu anderen Schlüssen als ich, obwohl die Tatsachen doch nicht wegzuleugnen sind. Vor allem hat er offiziell anders berichtet, als er privat sagte (Bei einem Pfarrer hat er gesagt, er habe nichts, aber auch gar nichts Negatives über ihn gefunden, aber die Ehefrau des Betreffenden hat er fertiggemacht mit Behauptungen, die sich aus den Akten gar nicht so herauslesen lassen).

 

 

Es bestehen Zweifel daran, ob man es bei der Kirche wirklich so genau wissen will. Nach der Wende hat man sich anders entscheiden: Die der Stasi nicht entgegengetreten sind oder ihr sogar zur Hand gegangen sind, die werden weiter geehrt. Ihre Opfer aber werden weiter ausgegrenzt und verfemt.

Das gilt vor allem für die Familie Emmermacher, die erst nach der Wende aus allen kirchlichen Funktionen herausgedrängt wurde, weil sie angeblich behauptet hatte, Pfarrer Naumann sei ein Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen. Nun hatte zwar Herr Emmermacher in einem für diese Zwecke eingerichteten Ausschuß der Stadt eine entsprechende Aussage eines hauptamtlichen Stasimitarbeiters zitiert, wie es seine Pflicht war. Aber in die Öffentlichkeit getragen hat es jemand anders aus diesem Kreis, nämlich eine Pfarrfrau, deren Mann die Ausreisewilligen dem Beauftragten für Kirchenfragen gemeldet hatte.

Für mich selber konnte ich den Akten entnehmen, daß es zwar eine Akte über mich gab (sogenannte „Operative Personenkontrolle“), aber kein aktives Programm der Stasi gegen mich (sogenannter „Operativer Vorgang“). Das war auch gar nicht nötig, denn die Kirche selber hat diese Aufgabe ja erledigt. Ich gehörte eben zu den sieben Pfarrern im Bezirk, die als „feindlich-negativ“ angesehen wurden. Das ließ man die leitenden Leute im Dekanat immer wieder wissen. Diese Leute haben dann auch wie erwartet gehandelt.

Es ging am Ende gar nicht mehr darum, wer Recht oder Unrecht hat. Die Kirchenleitung in Eisenach betonte immer wieder, disziplinarrechtlich sei mir nichts vorzuwerfen. Aber das Verhältnis sei zerrüttet und ich möge doch bitte eine Pfarrstelle außerhalb des Dekanats annehmen. Weil man deswegen nicht vorher mit mir gesprochen hatte (wie es Vorschrift war), war das Zutrauen zu dieser Kirchenleitung zerstört.

Außerdem hat mir der bald darauf als hauptamtlicher Stasimitarbeiter enttarnte Oberkirchenrat Kirchner gedroht: „Wenn es in einer anderen Pfarrstelle nicht besser mit dem Staat geht, dann werden wir Sie ganz aus dem Pfarramt entfernen“! Ich habe deshalb von mir aus um Auflösung des Beamtenverhältnisses gebeten und mußte mir einen anderen Beruf an einem anderen Wohnort suchen.

Nur ein gewisser Rest an Bitterkeit bleibt: Wie aus den Jahresplänen der Stasi für 1989 her­vor­geht, wollte man mich als Mitarbeiter für die Stasi werben (gerade mich!). Hätte ich mich also Anfang des Jahres 1989 an die Stasi gewandt und um Hilfe gebeten und Wohlverhalten und Mitarbeit zugesagt, ich wäre bis zur Pensionierung noch Pfarrer in Steinbach-Hallenberg geblieben. Ich bin überzeugt, auf einen Wink der Stasi hin hätte man alles abgeblasen und mir auch so wie den anderen dienstliche Westreisen zugestanden - nur die Gemeindeglieder hätten sich dann wohl etwas gewundert.

 

 

Kirche in der sogenannten DDR

 

Als der Osten Deutschlands von der Sowjetunion besetzt wurde, da atmeten die Kirchen dort zunächst auf. Sie hatten gerade zwölf Jahre einer Diktatur hinter sich und hofften auf eine ungestörte Religionsausübung als anerkannter Partner des Staates. In der schlimmen Nazizeit hatte man „überwintert“ (so ein offizieller Ausdruck), jetzt hoffte man auf einen neuen Frühling.

Diese Hoffnung wurde aber spätestens zerschlagen, als man 1953 (das Jahr des Volksaufstandes) gegen die „Junge Gemeinde“ vorging. Die kirchlichen Jugendgruppen wurden auf einmal als eine feindliche Organisation angesehen, die Jugend sollte allein in der „Freien Deutschen Jugend“ organisiert sein. Man war der Meinung, die FDJ-Arbeit werde erst dann gut, wenn es keine kirchliche Jugendarbeit mehr gibt. Dabei überschätzte man aber das Wirken der Kirche erheblich.

Die Kirchenleitungen merkten jetzt auch, daß ein anderer Wind wehte. Wie sollten sie sich verhalten? Die Versuchung war groß, wieder ein Überwintern zu versuchen nach dem Motto des hannoverschen Landesbischofs: „Bisher hat die Kirche noch alle ihre Gegner beerdigt!“ Die andere Möglichkeit war, sich dem kommunistischen Regime anzupassen, wie das der thüringische Landesbischof Mitzenheim versuchte. Dieser „Thüringer Weg“ wurde aber von den anderen Kirchen mißtrauisch beäugt. Doch der Staat suchte sich mit Vorliebe den thürin­gischen Landesbischof als Gesprächspartner aus, zum Beispiel 1964 bei dem „Wartburggespräch“, als Walter Ulbricht die Erlaubnis zu Westreisen für Rentner verkündete.

Im Jahre 1968 trat nach einer Volksabstimmung eine neue Verfassung in Kraft.  Diese garantierte dem Buchstaben nach der Religionsfreiheit: Wer so rückständig sein wollte, daß er am christlichen Glauben festhielt, der sollte das tun können (aber sich nicht wundern, wenn er beruflich kaltgestellt wurde). Die Kirchenparagraphen wer Weimarer Verfassung wurden sogar indirekt bestätigt: Der Staat führte weiterhin die allgemeinen Staatsleistungen an die Kirche ab und auch die Gemeinden kamen ihrer Baulastverpflichtung an kirchlichen Ge­bäuden nach. Die theologischen Fakultäten an den Universitäten bestanden weiter und wurden auch mit internationaler Literatur ausgestattet. Es gab Kirchenzeitungen und christliche Verlage (auch wenn die Bücher der Zensur vorgelegt werden mußten und hin und wieder eine Zeitungsausgabe nicht ausgeliefert werden durfte).                                                  

Aber die allgemeine Tendenz war doch, daß die Kirche aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden sollte: Nur selten gab es Berichte über kirchliche Ereignisse in den öffentlichen Medien, die Kultur sollte allein Sache des Staates werden (alle Konzerte mußten einen kirchlichen Bezug haben), der Religionsunterricht wurde aus der Schule verbannt (auch wenn er nur von kirchlichen Kräften erteilt wurde), die Herausgabe von Druckerzeugnissen wurde eingeschränkt. Die Aufgaben der Bahnhofsmission (der man Spionage vorwarf) wurden vom Roten Kreuz übernommen.

Anfangs meinte man auf Seiten des Staates, man könne auch Führungskräfte in Wirtschaft und Gesellschaft verzichten, wenn sie nicht Angehörige der SED waren. Nachher setzte man die Führungskräfte unter Druck, der Partei beizutreten und damit aus der Kirche auszutreten. Die einzige Rettung (und ihre alleinige Existenzberechtigung) war dann die CDU, weil man dort keinen Kirchenaustritt fordern konnte; aber dann konnte man auch keine Spitzenposition einnehmen. Die Allein auf karikativem Gebiet ließ man die Kirche noch etwas mitarbeiten:  Es gab weiterhin kirchliche Krankenhäuser (auch weil diese vom Westen mit Medikamenten und Geräten versorgt wurden). Es gab kirchliche Kindergärten, aber keine Schulen. Vor allem aber überließ man den Kirchen die Alten und geistig Eingeschränkten, die man sowieso nicht für den Aufbau des Sozialismus gewinnen konnte.

 

Wenn von kirchlicher Seite angeregt wurde, man solle doch gemeinsam für Frieden und Fortschritt kämpfen, dann hieß es: „Der Atheismus ist die Speerspitze des Sozialismus. Wir achten zwar das religiöse Bekenntnis des Einzelnen, aber der Staat muß sozialistisch und damit atheistisch sein, sonst funktioniert die Gesellschaft nicht. Religion ist eine vorübergehende Angelegenheit, die mit der Weiterentwicklung der Sozialismus verschwindet!“ Das war an sich der Fehler, daß man den Atheismus zur Staatsdoktrin machte. Dabei war der Staat an   sich nicht atheistisch, denn die Verfassung garantierte ja die Religionsfreiheit. Aber die allein führende Partei war atheistisch, und das wirkte wie ein Staatsziel.

 

Dabei kannte man „Religion“ gar nicht aus eigener Anschauung, sondern nur aus den Werken von Karl Marx (bzw. den Schulungen darüber). Man meinte immer noch, es mit der Kirche des beginnenden 19. Jahrhunderts zu tun zu haben, anstatt die gegenwärtige Kirche einmal wahrzunehmen. Erich Honecker hatte das erste Mal Kontakt mit der Kirche, als er im Rah­men einer Delegationsreise im Flugzeug zufällig neben einem Bischof zu sitzen kam und mit diesem ein ihn interessierendes Gespräch führte.

 

Margot Honecker, die Frau des Staatsratsvorsitzenden verfolgte als Volksbildungsministerin einen sehr radikalen Kurs. Sie führte nicht nur den Wehrkundeunterricht ein, der viele christliche Schüler in Gewissenskonflikte brachte (bis man ihnen zugestand, nicht an der Schießausbildung teilnehmen zu müssen). Vor allem wurde ab 1972 der Druck auf die Schüler massiv erhöht, nicht zum kirchlichen Unterricht zu gehen und „nur Jugendweihe“ zu machen. In den Klassen wurden an der Tafel genaue Listen aufgestellt, wer zur Jugendweihe und wer zur Konfirmation geht. Auf Proteste der Kirche hin wurde das dann geändert und nur noch danach gefragt, wer „nur Jugendweihe“ macht (was an der unerlaubten Befragung ja auch nichts änderte).

Besonders in Gegenden mit einem hohen Anteil an Christenlehrekindern mußten die Pfarrer sich ständig bei der Abteilung Inneres des Rates des Kreises beschweren (zum Kreisschulrat wurden sie nicht vorgelassen, selbst wenn sie als Eltern sich beschweren wollten). Es wurde den Schülern angedroht, sie würden nicht zur Erweiterten Oberschule (Gymnasium) zugelassen, wenn sie an der Konfirmation teilnähmen. Wer aber standhaft blieb, der kam doch auf die Oberschule, hatte aber auch dort weiterhin seinen Kampf.

Die Kirchen mußten natürlich auch eine Haltung zur Jugendweihe finden, die ja eine Konkurrenzveranstaltung zur Jugendweihe war. Eine Reihe von Kirchen konfirmierte erst ein Jahr später. Andere wiederum waren der Meinung: „Seit die Jugendweihe zu einer schulischen Zwangsveranstaltung wurde, ist sie kein Bekenntnis mehr gegen die Kirche!“ Es war besser, die Jugendweihe nicht ernst zu nehmen, vor allem wenn die Konfirmanden unmittelbar nach der Jugendweihe noch zum Gottesdienst kamen.

Die Kirchen beriefen sich in diesen Auseinandersetzungen immer wieder auf die Verfassung der DDR und auf die Schlußakte der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit“ aus dem Jahre 1975 in Helsinki. Auch der Ruf nach Reisefreiheit und Demokratisierung wurde immer mehr laut.

Der Druck auf die christlichen Schüler wurde 1978 schlagartig abgestellt, auch wenn es in einigen Gebieten etwas länger dauerte, weil die Parteifunktionäre den neuen Kurs noch nicht glauben wollten.  Es gab 1978 nämlich ein Spitzengespräch zwischen Staatsvertretern mit Erich Honecker an der Spitze und Vertretern des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Den „Bund“ hatte man gegründet, weil die gemeinsame Arbeit der deutschen Kirchen in der „Evangelischen Kirche in Deutschland “ von Seiten des Staates praktisch unmöglich gemacht wurde.  Auf kirchlicher Seite bildete sich immer mehr der berlin-brandenburgische Bischof Schönherr

als Leiter der Gespräche mit dem Staat heraus. Zunächst war er nur Verwalter des Bischofsamtes im Ostteil der Landeskirche. Nachher aber fand man die Lösung, daß die Landeskirche zwei Bischöfe haben sollte.

Nach dem Spitzengespräch entspannte sich die Lage: Die Kinder in der Schule wurden weit­gehend in Ruhe gelassen, die Kirche durfte wieder in den Altersheimen ihre Gottesdienste halten, kirchliche Bauvorhaben wurden genehmigt (auch wenn zum großen Teil mit Devisen aus dem Westen finanziert). In Erfurt fand zum Beispiel ein Kirchentag mit über 30.000 Teilnehmern statt. Man konnte den Wehrdienst bei den „Bausoldaten“ ableisten (wenn auch unter manchen Schikanen).

Nach dem Ende der DDR hin nahmen kirchliche Vertreter immer mehr eine führende Rolle ein. Sie standen an der Spitze der Demonstrationen und öffneten die Kirchen für die Versammlungen. Aber es waren weniger die Kirchenleitungen, die hinter der friedlichen Revolution standen. Sie waren weiterhin staatsfreundlich und wollten ihren einmal errungenen Status nicht gefährden. Im Landeskirchenrat der „Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen“ hatte die Staatsicherheit die Mehrheit, rühmte sich eins derer Mitglieder (doch nur bei den beiden Nicht-Theologen hat man das auch von kirchlicher Seite zugegeben).

Es gab auch vorher schon einzelne Pfarrer, die immer wieder staatstreue Stellungnahmen in den Zeitungen veröffentlichten wie die Pfarrer von Kappellendorf und Marisfeld (der wegen eines Fluchtversuchs erpreßt wurde). So waren die oppositionellen Kirchenmitglieder weitgehend auf sich allein gestellt und die Kirchenleitung sagte: „Du kannst das machen, aber wir können dich nicht schützen!“

Das war der eine Teil der Kirche, der andere hat sogar mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet. Dabei wurde laut einer Anweisung schon von 1954 nicht unbedingt eine Ver­pflichtungserklärung  verlangt und auch kein Geld bezahlt. Aber manche Pfarrer wirkten wie ein inoffizieller Mitarbeiter und verrieten Dienstgeheimnisse (zum Beispiel aus dem Pfarrkonvent) oder Beichtgeheimnisse (geplanter Ausreiseantrag) an die Stasi. Es gab in jedem Pfarrkonvent ein ganzes Spektrum von totaler Zusammenarbeit bis entschiedener Gegnerschaft.

Die Kirche aber hat sich dieser Stasivergangenheit nicht gestellt und sie nicht aufgearbeitet: Die Überprüfung fand zu einem frühen Zeitpunkt statt, die Bewertung war großzügig (es wur­de mehr nach Entlastungsgründen gesucht als die Schuld offen angesprochen). Nur wer so dumm war, sich gleich zu offenbaren, wurde entlassen.  Die Kämpfer gegen den DDR-Staat aber gingen im Alltag unter.

Auch die Kirchenmitglieder haben den Einsatz der Kirche bei der friedlichen Revolution weitgehend vergessen. Zu DDR-Zeiten haben sie die Kirche noch weitgehend mit einem  relativ kleinen Geldbetrag unterstützt, weil sie den Staat nicht leiden konnten oder unter ihm litten, aber die  Kirche der einzig weitgehend staatsfreie Raum war, den man noch erhalten wollte. Aber als die jetzt ordentlich Kirchensteuer zahlen sollten, da haben sie der Kirche den Rücken gekehrt und das vollzogen, was d er DDR-Staat nicht erreicht hatte.

 

 

 

Ergänzungen zur ursprünglichen Chronik durch Pfarrer Scholz 1989 - 2000

(mit Anmerkungen von Peter Heckert)

 

Die Vakanz- und Wendezeit 1989 - 1990:

Die letzten Jahre des 20. Jahrhunderts waren für die Kirchengemeinde geprägt von großen Veränderungen. Sie forderten von den Gemeindemitgliedern ein hohes Maß an Verständnisbereitschaft, Anpassungsvermögen und Treue zur Sache der Kirche und des Glaubens. Das betraf sowohl die personellen Veränderungen im Wechsel der Pfarrer und Mitarbeiter, wie auch die wirtschaftlichen mit der Einführung der Kirchensteuer nach westlichem Vorbild, als auch die politischen im Verhältnis zur Schule, zur Kommune und zum Staat.

Da war nach der „Wende“ 1989 / 90 kaum noch etwas so, wie es vor der Wende war. Manches treue Kirchenmitglied konnte darüber einerseits nur verwundert den Kopf schütteln, wieviel Altgewachsenes und Vertrautes „den Bach herunter ging“, - andererseits sich aber auch wiederum darüber freuen und befreit aufatmen, wie viele neue Möglichkeiten sich der Kirche auftaten.

Wieder andere Gemeindemitglieder waren so sehr mit den veränderten wirtschaftlichen,

politischen und familiären Bedingungen beschäftigt, dass sie für die Probleme der Kirchengemeinde gar keinen Blick hatten. Und die Kirchengemeinde hatte Probleme - große sogar. Wer die bisherigen Ausführungen sorgfältig gelesen hat, wird sich nicht darüber wundern, dass die Streitigkeiten innerhalb der Kirchengemeinde nicht spurlos am Gemeindeleben vorübergegangen sind.

[Daß die Kirchengemeinde ohne eine Vielzahl an Mitarbeitern da stehen würde, war ja vorher klar: Innerhalb eines Vierteljahres hatte man sechs Mitarbeiter (also ein Drittel) hinausgedrängt. Herr Pfarrer Peters war auch vorher schon ständig ausgefallen: In den fünf Jahren mußte er zwei volle Jahre vertreten werden. Vor allem wenn viel Arbeit drohte, meldete er sich krank. Die Gemeinde hat aber deshalb nichts entbehrt: Die Gottesdienste gingen vollständig weiter, die Amtshandlungen wurden abgedeckt, die Verwaltung war in Ordnung, selbst Bauvorhaben wurden durchgeführt. Die Differenzen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Pfarrerschaft, Kirchenvorstand sowie Dekan lähmten und belasteten die Arbeit in der Kirchengemeinde nicht. Der Gemeinde konnten die Angriffe von Seiten einiger Kirchenvorsteher und einiger Mitarbeiter egal sein, das berührte sie nicht].

Es ist zwar nicht zu einer Spaltung gekommen, aber die Gegner und die Befürworter von Herrn Pfarrer Heckert standen sich sehr reserviert gegenüber. Seit der Amtsniederlegung

von Pfarrer Heckert und dem fast gleichzeitigen vorzeitigen Ausscheiden von Pfarrer Peters aus gesundheitlichen Gründen hatte die Kirchengemeinde zunächst erst einmal das Problem,

überhaupt wieder einen Pfarrer zu haben

[Es kam zu keiner Spaltung der Gemeinde, weil ich mich trotz allem loyal zur Kirche verhielt. Das wollte ich der Gemeinde nicht auch noch antun, nachdem sich rund hundert Jahre vorher schon die Altlutheraner abgespalten hatten und es in Altersbach die Methodisten gab (zu denen ich im Übrigen auch hätte gehen können). Durch mein Privathaus hätte ich sofort die Möglichkeit gehabt, Gemeindeglieder zu besonderen Veranstaltungen einzuladen, im Keller war ein genügend großer Raum. Zumindest für eine gewisse Zeit wäre da etwas möglich gewesen aber. Aber dann wäre es wirklich zu einer Spaltung gekommen. Da muß das Wohl der Gemeinde im Vordergrund stehen, denn die Pfarrer kommen und gehen, aber die Gemeinde

bleibt].

In Person von Herrn Pfarrer Wolfgang Schulte aus Oberschönau fand sich ein rettender Helfer in Not! Er war zuvor schon von Dekan Schreiber im Dezember 1988 zum „Geschäftsführenden Pfarrer“ berufen, weil die Differenzen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Pfarrer­schaft, Kirchenvorstand sowie Dekan die Arbeit lähmten und belasteten. So sollte er, gleichsam „von außen“, die Geschäfte führen [Herr Pfarrer Schulte war nicht „der große Retter“. Er hatte offenbar die Absicht, eine Pfarrstelle in Steinbach-Hallenberg zu übernehmen. Als er aber Einsicht in die sogenannten „Steinbacher Verhältnisse“ gewann, gab er das wieder auf und nahm später eine andere Pfarrstelle an. Aber in Steinbach hat er sich kräftig eingemischt und die Sache noch verschärft: Nachdem ihm die Geschäftsführung übertragen worden war, wollte er auch die pfarramtlichen Aufgaben an sich ziehen und verlangte, daß die Leute wegen einer Patenbescheinigung zu ihm nach Oberschönau kommen sollten. Weil er das Unterstädter Pfarrhaus frei haben wollte, ging er zum Kantor und wollte „Nägel mit Köpfen“ machen und sagte ihm, er müsse sich umgehend eine andere Wohnung suchen (Heckerts hatten zeitweise zwei weitere Mietparteien mit im Haus, aber jetzt sollte das ganze Haus dem Pfarrer zur Verfügung stehen)].

Doch es sollte noch schlimmer kommen: Nicht nur der Unterstädter Pfarrer war zu vertreten,

auch der Oberstädter war nicht voll dienstfähig. Durch das krankheitsbedingte Ausscheiden

von Pfarrer Peters aus dem Dienst wurde Pfarrer Schulte noch sein Vertreter in der Oberstadt und somit zeitweise Hauptvertreter für beide Pfarrstellen mit damals noch etwas über 4.000 Gemeindemitgliedern, - und das neben seiner eigenen Gemeindearbeit, die unter den Verhältnissen in Steinbach zwar mitleiden, aber nicht leiden durfte!

Eine Leistung von Pfarrer Schulte, die nicht hoch genug einzuschätzen und zu bedanken ist. Zusammen mit anderen Pfarrern des Dekanats, dem Kirchenvorstand, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie engagierten Gemeindemitgliedern wurde das kirchliche Leben dennoch einigermaßen aufrecht erhalten.

Glücklicherweise lief der Evang. Kindergarten mehr oder weniger selbständig weiter wie bisher unter der erfahrenen Leitung von Schwester Anni Grünwald, ab 1991 unter Marion Lieberknecht als ihrer Nachfolgerin und natürlich den Mitarbeiterinnen des Hauses. Auf der Vertretungsbasis stand das gesamte Gemeindeleben, wenn es auch in der Gemeinde auf Unverständnis, ja teilweise Ablehnung stieß, wie mit einem fleißigen und langjährigen Seelsorger wie Pfarrer Heckert ihrer Meinung nach umgegangen worden ist.

Die Kirchenvorstandswahlen am 23.04. 1989 konnten, trotz der zerrütteten Verhältnisse,

ordnungsgemäß durchgeführt werden. Es fanden sich in allen drei Gemeindebereichen ge­nügend fähige und willige Mitglieder der Kirchengemeinde, die bereit waren, gerade in dieser schwierigen Zeit Verantwortung zu übernehmen und mitzuarbeiten.

[Die Kirchenvorstandswahlen im Jahr 1989 wurden nicht korrekt durchgeführt, denn die Gemeinde wurde zum Beispiel nicht aufgefordert, Kandidaten vorzuschlagen. Die Kandidaten wurden allein von Herrn Erich Nothnagel aufgestellt (natürlich in seinem Sinne), und der Dekan deckte das mit der Behauptung, in der vorliegenden Situation könne man gar nicht anders verfahren].

Zum Glück gab es aber die Diakonissen-Station mit Schwester Irma Weigelt noch. Die Krankenbesuche und die Betreuung der Alten und Gebrechlichen lag in ihren erfahrenen treuen Händen und war dort gut aufgehoben. Schwester Irma konnte am 1. Mai 1989 ihr 25-jähriges Dienstjubiläum als Diakonisse in Steinbach-Hallenberg feiern.

Vielen Gemeindemitgliedern hat „Schwester Irma“ nicht nur medizinisch, sondern auch in seelsorgerischer Weise geholfen, mit Krankheit und Leid fertig zu werden. Das war in jener Zeit besonders wichtig, weil ein Pfarrer als Seelsorger für die Gemeinde fehlte. So ist auch ihr in dieser schwierigen Zeit viel zusätzliche Verantwortung zugewachsen. Dankbar ist ihr Andenken noch heute in der Gemeinde lebendig! Etliche Jahre hat sie auch die Frauennachmittage und Frauenabende in Altersbach sowie in der Stadt - im Wechsel mit einem Pfarrer - gehalten.

[Schwester Irma war zwar medizinisch einwandfrei. Aber in der Gemeinde war sie nicht sehr beliebt, weil sie bei den Patienten auch schon einmal in die Schublade sah und die Leute aufdringlich aushorchte. Mit Seelsorge hatte das wohl nichts zu tun].

Was sich politisch im Laufe des Sommers bereits abzeichnete, wurde im Herbst des Jahres dramatisch: Tausende und Abertausende Bürger verließen die DDR Tag für Tag fluchtartig über Ungarn bzw. Prag und setzten sich in die Freiheit ab.

Überall im Land öffnete die Evangelische Kirche ihre Türen. „Friedensgebete“ und Gesprächsforen zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen der Gesellschaft breiteten sich wie ein Lauffeuer im Land aus. „All diese Entwicklungen machten auch vor Steinbach nicht Halt“, schreibt Pfarrer Schulte in der Chronik. „Die Schwierigkeit bestand zu dieser Zeit darin, dass in Steinbach- Hallenberg praktisch kein Pfarrer zur Verfügung stand, der sich in die „Wende“ aktiv hätte einschalten können.“ So spielte die Evang. Kirche in Steinbach-Hallenberg, anders als sonst in der gesamten DDR, nur eine untergeordnete Rolle.

[Bei der Wende spielte Steinbach-Hallenberg deshalb keine große Rolle, weil der Dekan, Pfarrer Schulte und Erich Nothnagel alle Bestrebungen der Bürgerbewegung abblocken wollten. Als die Kirchenleitung längst verfügt hatte, daß die Kirchen zur Verfügung gestellt werden sollten, verweigerte Herr Schulte die Öffnung der Kirche. Erst das entschlossene Auftreten der Bürger unter Leitung von Frau Marie Bühner erwirkte die Öffnung der Kirchentür. Daß Herr Schulte dann am 8. November eine Versammlung leitete, machte ihn nicht zum Träger der Wende].

Die Initiative zu den ersten „Wendeveranstaltungen“ hier ging von der Gastwirtin Marie Bühner vom „Steinbacher Wirtshaus“ im Oktober 1989 aus, die mit ihren Mitdemonstranten erreichte, dass auch in Steinbach Menschen in der Kirche zusammen kommen konnten zum Gebet, zum Meinungsaustausch und zur friedlichen Umgestaltung unserer Gesellschaft. „Die Kirche war dabei brechend voll und jeder konnte nach vorn kommen und frei seine Meinung sagen“, erinnert Pfarrer Schulte in der Chronik. Und weiter: „Die geistliche wie organisatorische Leitung hatte der Prädikant Rainer Usbeck übernommen. Von dieser Zeit an fand jeden Montag eine Demonstration in Steinbach-Hallenberg statt, angeführt in der Regel von der handfesten Wirtin Marie Bühner. Sie führte von der Kirche die Hauptstraße hinauf und über den großen Parkplatz unterhalb der Apotheke die Wolffstraße hinunter bis zum Schulhof. Dort fand dann jeweils eine Kundgebung statt, die ebenfalls von Rainer Usbeck organisiert wurde!“ so Pfarrer Schulte weiter.

Er berichtet auch von einem Gemeindeabend am 08.11.89 in der Kirche, den er selbst geleitet und moderiert hatte und zu dem alle Parteien und alle Kirchen eingeladen waren - und auch kamen. Unter dem Druck der Flüchtlinge und der Friedensgebete hatte inzwischen die DDR- Führung kapituliert: Am 18.10.1989 trat Erich Honecker als Partei- und Regierungschef zurück, die innerdeutsche Grenze fiel und mit ihr der Machtapparat der SED.

Zurück blieben Menschen, die in einem Machtvakuum ihr Leben nun selbst, in Freiheit und ohne Parteidoktrin versuchen wollten und mussten zu organisieren. Dazu trafen sich engagierte Frauen und Männer aus allen Kreisen, Parteien und Gruppen („Neues Forum“) an sogenannten „Runden Tischen“.

Auch in Steinbach fanden Gespräche am „Runden Tisch“ statt, die das Zusammenleben ohne handlungsfähige Regierung ermöglichte. Die Leitung hatte auch da meistens Prädikant Usbeck. Zwei Mitglieder des Kirchenvorstandes beteiligten sich auch daran: Erich Nothnagel und Wolfgang Pyka. Aus den Mitgliedern dieses „Runden Tisches“ ging u.a. der spätere erste, frei gewählte Bürgermeister der Stadt, Herr Dieter Häfner (+ 19.03. 2000) hervor. Mit den Kommunalwahlen am 18. März 1990 war die Aufgabe der „Runden Tische“ erfolgreich beendet.

Zusammenfassend kann man sagen: Trotz dieser bewegten und bewegenden „Wende“- Zeiten konnte, dank vieler nebenamtlicher Helfer, der Ruheständler, der Pfarrerschaft des Dekanates, der Mitarbeiter und- innen sowie des Kirchenvorstandes das kirchliche Leben der Gemeinde einigermaßen aufrecht erhalten werden.

 

Wiederbesetzung der Pfarrstellen:

Anfang des Jahres 1990 bemühte sich der Kirchenvorstand darum, zunächst erst einmal wenigstens die Unterstädter Pfarrstelle wieder zu besetzen. In der Oberstadt wohnte ja noch Pfarrer Peters, wenn auch gesundheitlichen Gründen sein Dienstende abzusehen war, was auch mit der Pfarramtsübergabe am 29. Mai 1990 an Pfarrer Schulte schließlich so geschah. Bewerber für die Unterstädter Pfarrstelle und Gastprediger hatte es bereits mehrere gegeben, die aber dann letztendlich alle wegen der Wohnungssituation in Steinbach wieder abgesagt hatten [Die Bewerbung von Pfarrern scheiterte nicht an den Wohnverhältnissen. Im Unterschied zu früher war ja das ganze Haus leer. Es war auch in einem guten Zustand (Dekan Schreiber sprach sogar von einem „Schlößchen“). Es fehlte eine Zentralheizung, aber das war damals

üblich, die gab es auch in anderen Pfarrhäusern kaum. Erst als Herr Bär die Wohnung blockierte spielte auch das eine Rolle (Hier sieht man einmal, wie gut es war, daß die Familie Heckert in einem Privathaus wohnte, auch wenn sie deswegen von den anderen Pfarrern beneidet und bekämpft wurde). Die Bewerbung von Pfarrern scheiterte an den „Steinbacher Verhältnissen“, an der Herrschsucht von Erich Nothnagel, der weiterhin im Kirchenvorstand und in der Gemeinde das große Wort führte. Daß sich da nichts geändert hatte, bestätigte Frau

Scholz, auch wenn ihr Mann das gar nicht gern sah].

 

Jürgen Bär, Unterstädter Pfarrer 1990 - 1991:

Aus seiner Amtszeit ist chronistisch zu berichten: Als ehemaliger Superintendent, aus Ebe­leben kommend, wurde er Anfang 1990 auf die Pfarrstelle gewählt, aus o.g. Wohnungsgründen aber erst am 01.10. 1990 in sein Amt als Unterstädter Pfarrer eingeführt. Damit war wenigstens eine Lücke geschlossen und die Gemeinde, der Kirchenvorstand, die Mitarbeiterschaft sowie Pfarrer Schulte konnten aufatmen.

Noch ohne Pfarrer Bär fand ein großes Chortreffen des Dekanats Schmalkalden unter Leitung von KMD Kantor Gannott (Schmalkalden) in Steinbach statt. Die Goldene Konfirmation wurde von Pfarrer Kramer (Schmalkalden) gehalten und konnte so, trotz Vakanzsituation, gefeiert werden.

Erstmalig fand am Himmelfahrtstag die Andacht im Freien statt - oben auf dem „Philipps­­wieschen“. Pfarrer Bär startete dann gleich eine Initiative zur Zusammenlegung der beiden Kindergärten unter kirchlicher Trägerschaft, was aber von den Mitarbeitern und -innen beider Einrichtungen abgelehnt wurde. Für den Friedhof wurde eine paritätische Kommission aus Stadtverwaltung und Kirchengemeinde gebildet, wobei die Verwaltung bei der Kirchengemeinde blieb. In diesem Zusammenhang wurde die Friedhofskirche auch für „weltliche“ Trauerfeiern freigegeben.

In Altersbach wurde am 17. Juni das 150. Jubiläum des Kirchsaales feierlich begangen.

Über weitere Ereignisse und Veranstaltungen in der Kirchengemeinde im Jahr 1991 kann leider keine verlässliche Auskunft gegeben werden, da Pfarrer Bär als geschäftsführender Pfarrer keine Einträge in der Chronik der Kirchengemeinde hinterlassen hat. Aus anderen Quellen ist aber zu berichten, dass Pfarrer Bär bereits im Sommer 1991 die Pfarrstelle Unterstadt wieder aufgab und die neue Stelle eines „Beauftragten für Kirchenfragen“ in Erfurt bei der Landesregierung Thüringens übernahm. Als einziger Pfarrer des Dekanats hatte er vergeblich im Pfarrkonvent Schmalkalden und wohl auch im Kirchenvorstand für den Anschluss an die Thüringer Landeskirche geworben und sich damit gegen die Wiedereingliederung in die angestammte Kirche von Kurhessen-Waldeck positioniert. Pfarrer Bär hat daraus die Konsequenzen gezogen und ist nach Erfurt gegangen [Ich hätte auch gegen eine Wiedereingliederung gestimt, weil sie genauso wie die Ausgliederung nur aus finanziellen Gründen erfolgte. Die Pfarrer allerdings hatten zunächst keinen Vorteil davon, denn bei der Besoldung blieb es zunächst beim Alten. Aber die Gemeinden hatten große Vorteile durch die Baumaßnahmen. Die bei der Ausgliederung in den Vordergrund geschobenen konfessionellen Unterschiede spielten jetzt keine Rolle mehr, sie wären mit dem Zusammengehen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen mit der Evangelischen Krche der Provinz Sachsen auch weggefallen].

 

Ulrich Behr, Unterstädter Pfarrer 1991 - 1992:

Aus seiner Amtszeit kann leider nichts berichtet werden, weil er sein Amt gar nicht angetreten hat. Pfarrer Behr aus Goseck (Sachsen-Anhalt) hatte sich um die vakante Pfarrstelle Unterstadt beworben und wurde eine Woche nach der Amtseinführung von Pfarrer Scholz in der Oberstadt am 27. Oktober 1991 nach gehaltener Probepredigt und anschließendem Bewerbungsgespräch vom Kirchenvorstand zum Unterstädter Pfarrer gewählt.

Somit wären, seit langer Zeit, zum Ende Oktober 1991 endlich wieder einmal beide Pfarrstellen in Steinbach mit eigenen Pfarrern besetzt gewesen - wenn Pfarrer Bär aus der Wohnung im Unterstädter Pfarrhaus ausgezogen wäre! Aber statt, wie abgesprochen, die Wohnung für seinen Nachfolger zum 1. Advent zu räumen, blieb Pfarrer Bär (als Thüringer Kirchenrat!) bis Ostern 1992 und blockierte damit das Pfarrhaus und die Wiederbesetzung der Unterstadt.

Dadurch konnte der neugewählte Pfarrer Behr mit seiner Frau nicht nach Steinbach kommen und blieb in seiner Gemeinde Goseck. Als die Wohnung dann Ostern schließlich frei wurde, zog er seine Wahl zurück und trat die Stelle nicht an, was sehr bedauert wurde, zumal seine Frau Katechetin war und die Christenlehre hier übernehmen wollte, woran dem Kirchenvorstand sehr viel lag! Eine erneute Vakanzzeit von 10 Monaten war die Folge.

 

Ulrich Köppelmann, Unterstädter Pfarrer 1992 - 1993:

Aus seiner Amtszeit ist chronistisch zu berichten: Als Rückkehrer kam er mit Ehefrau und drei Kindern aus Südafrika, wo er als deutscher Pfarrer für mehrere Jahre eine Auslandspfarrstelle inne gehabt hatte. Pfarrer Köppelmann hoffte wohl, im ehemaligen DDR- Kirchengebiet noch am ehesten die ihm lieb und vertraut gewordenen afrikanischen kirchlichen Verhältnisse anzutreffen bzw. aufbauen zu können. Nach Auseinandersetzungen im Kirchenvorstand, mit

Pfarrer Scholz als „Geschäftsführender Pfarrer“, und den Mitarbeitern ist Pfarrer Köppelmann nach knapp einem Jahr in Steinbach im Sommer 1993 weggegangen.

 

 

Hans- Joachim Scholz, Oberstädter Pfarrer seit 1991:

Aus seinen Zeiten als „Geschäftsführender Pfarrer“ und Vakanzvertreter ist chro­nistisch zu berichten: Eine Woche vor seinem Dienstantritt war Mitte Oktober 1991 der Wechsel im Dekan-Amt in Schmalkalden. Dekan Alfred Schreiber hatte das Dekanat viele Jahre erfolgreich und souverän geleitet und stets den engen Kontakt zur angestammten Kirche „Kurhessen- Waldeck“ lebendig gehalten, - ganz im Sinne der Pfarrerschaft [Diese hatte sich mit großer Mehrheit für den Anschluß an Thüringen entschieden!].

Auf der Frühjahrssynode am 08.05.1990 in Hofgeismar hatten darum Dekan Schreiber und Pfarrer Bunge (Trusetal) die Rückführung des Dekanats angemahnt. Am 15. 06. 1991 war dies juristisch perfekt und das Dekanat damit wieder ein Kirchenkreis der Kirche von Kurhessen - Waldeck (EKKW).

Am Ende seiner Dienstzeit sah sich Dekan Schreiber (+ 15.07.1998) damit belohnt, dass sein Festhalten an der angestammten EKKW Früchte trug: Als Nachfolger in das Amt wurde Pfarrer Ulrich Braner aus Bad Wildungen von der Kirchenleitung berufen. Mit seiner Einführung wurde zugleich die Einrichtung eines „Kirchlichen Rentamts“ als Verwaltungszentrale des Dekanats vorangetrieben, wie es den kurhessischen Richtlinien der EKKW entsprach. Mit der Berufung Dekan Braners war ein entscheidender Schritt zur Wiedereingliederung des Dekanats in die kurhessische Kirche gelungen. Die volle Angleichung der Pfarrerschaft an die Maßstäbe der EKKW erlebte Dekan Braner in seiner Amtszeit freilich nicht, obwohl er sich stark dafür eingesetzt hatte. Erst ab 01.01.2002 fand unter seinem Nachfolger Dekan M. Bedbur dieser Angleichungsprozeß seinen vorläufigen Abschluss.

 

Für die Gemeinden spielten diese kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen Dinge auch eine große Rolle. Denn verschiedene, tief im Leben der Gemeinden verwurzelte Aufgabenbereiche, erfuhren eine starke Veränderung - auch in Steinbach- Hallenberg. So wurde die rein gemeindliche Diakonie-Station in Steinbach aufgelöst und in die nach westlichem Vorbild im gleichen Jahr 1990 neugegründete übergemeindliche Diakoniestation Schmalkalden/ Steinbach-Hallenberg unter Leitung von Pfarrer Dietmar Gerstenberger in Brotterode überführt. Die letzte Diakonisse, Schwester Irma Weigelt, arbeitete in der Übergangzeit noch in dieser neuen Struktur mit, bevor sie im Frühjahr 1992 nach Elbingerode in das Mutterhaus zurückgerufen wurde. Damit wurde eine fast 100-jährige Tradition von Schwestern mit engster Bindung an die Kirchengemeinde unter dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Druck aufgegeben zugunsten einer wirtschaftlich zwar effektiveren, aber in ihrer Anbindung an die Kirchengemeinde weit unabhängigeren Arbeitsweise.

 

In gewisser Weise fing diese Veränderung der Neubau eines Altenhilfezentrums auf der „Pfaffeneller“ auf, der seit 1992 verbindlichere Formen annahm. Die Grundsteinlegung erfolgte am 13. Oktober 1994 und wenig später wurde das Heim am 5.12. 1996 eingeweiht.

Seitdem finden alte, kranke Menschen dort für ihren Lebensabend Ruhe, Sicherheit und sachgemäße Pflege, was durch die neue, gesetzliche Pflegeversicherung nunmehr weit besser abgesichert ist als früher, wo die Diakonissen unter den ärmlichen Bedingungen in den Häusern ihre Patienten pflegten und versorgten.

Einschneidende Veränderungen gab es auch auf dem Gebiet der kirchlichen Unterweisung für Kinder, die in den DDR- Jahren in Form der „Christenlehre“ einen festen und anerkannten Platz im Gemeindeleben hatte, auch in Steinbach durch den Einsatz und die gute Arbeit der Katechetinnen und Kinderdiakoninnen.

Da es diese Form kirchlicher Zuwendung an Kinder in westlichen Kirchen, auch der EKKW, nicht gibt, wurde mit der Wiedereingliederung unserer Gemeinden auch dort, wo es personell zu Neueinstellungen hätte kommen müssen wie in Steinbach, die Christenlehre zugunsten eines umfassenden Religionsunterrichtes an den Schulen sukzessive abgebaut. Gewiss ergaben sich an der Schule viele neue Möglichkeiten für die Kirche, aber man erkennt mittlerweile auch, nicht nur im Dekanat und in Stein­bach, den dabei entstandenen großen Bindungsmangel der Kinder an die Kirche. Denn außer der intensiven christlichen Prägung der Kinder im Evangelischen Kindergarten gab es keine spezifisch kirchliche Arbeit mehr mit und für Kinder, zumal auch bei uns der sonntägliche Kindergottesdienst den neuen gesellschaftlichen Veränderungen des Wochenendes hin zum Freizeit- und Erlebnisbereich der Familie mangels Beteiligung der Kinder zum Opfer gefallen ist.

Die Kirchengemeinde versuchte, wie anderswo im Dekanat auch, mit Veranstaltungen und Angeboten wie „Kirche für Kinder“ u.ä. dieser Entwicklung gegenzusteuern, ist aber bisher dabei auf wenig positive Resonanz gestoßen. Eine Initiativgruppe um Pfarrerin Wenderoth hatte sich am 12.03.1998 gebildet, um die Arbeit mit Kindern neu zu beleben, aber nach einigen guten und anfangs erfolgreichen Ansätzen ruht dieser Zweig der Gemeindearbeit wieder, weil auch hier die Kinder weggeblieben waren.

Ein Grund dafür wird nicht zuletzt auch in dem großen Freizeitangebot anderer Vereine, Einrichtungen sowie der Schulen liegen. Lediglich die regelmäßigen Familiengottesdienste, das Krippenspiel am Heiligabend, das alljährliche Martinsfest und die alljährlichen Kindergartenfeste des Evangelischen Kindergartens erfreuen sich regen Zuspruchs und der Akzeptanz der Kinder genauso wie der Erwachsenen.

Die zurückgewonnene enge Bindung an die angestammte kurhessische Kirche trägt aber auch reiche Früchte. Das zahlt sich besonders bei der Erhaltung und Renovation aller kirchlichen Gebäude positiv aus. Von der Kirchenleitung in Kassel wird diese Aufgabe als Aufarbeitung der DDR - Vergangenheit angesehen und in besonders starkem Maße gefördert. So konnte mit erheblichen landeskirchlichen, aber auch kommunalen und denkmalpflegerischen Mitteln die Stadtkirche vom Jahr 1991 an renoviert werden - ein Prozess, der auch 10 Jahre später noch längst nicht zu Ende ist, wenn auch schon viel erreicht wurde.

Der Evangelische Kindergarten musste wegen Einbau einer neuen Heizung im Spätherbst 1991 in ein stillgelegtes altes Fabrikgebäude im Rasenmühlenweg umziehen und konnte erst im neuen Jahr 1992 wieder in das Bonhoefferhaus zurückkehren. Dort konnten mit der Auflösung der Diakonissenwohnung 1993 die Gruppenräume für den Kindergarten sowie das Kirchenbüro erweitert werden. Außerdem wurde das Treppenhaus durch Abriß verschiedener Wohnungsteile der Diakonissenräume lichter und heller. Im Laufe des Jahres 1993 wurden im Vorgarten neue Spielgeräte für den Kindergarten angeschafft und aufgestellt.

Die kirchliche Jugendarbeit erhielt neue Möglichkeiten und Impulse durch die Eröffnung eines Jugendraumes im ehemaligen „Wasserwerk“ und die Anstellung einer Jugendpflegerin bzw. eines Jugendpflegers dafür. Ein anderer Standort wäre freilich dafür günstiger.

Das Landeskirchenamt in Kassel genehmigte uns statt der bisherigen Kantor-Katechetenstelle eine volle Kantorenstelle mit alleinigen kirchenmusikalischen Aufgaben, die wir vorher noch nie so gehabt hatten [Die kirchenmusikalische Arbeit war auch mit der Kantor-Katecheten-Stelle auf einem sehr hohen Niveau, denn der Kantor hatte ja nur in drei Wochenstunden die Christenlehre in Rotterode zu versehen, ansonsten konnte er sich der Kirchenmusik widmen.

Es gab außer dem Kirchenchor einen Kinderchor, eine Musikgruppe und vor allem eine Konzertreihe mit internationalen Künstlern. Außerdem wurden Nachwuchskräfte für das Orgelspiel ausgebildet. Und schließlich führte der Kantor auch den Posaunenchor einschließlich Nachwuchsarbeit).

Das ehemalige Rüstzeitenheim im Dachgeschoss des Gemeindehauses wurde darum im Frühjahr 1993 zu einer schönen Wohnung für die Kantorenstelle ausgebaut. Dabei entstanden für die Gemeindearbeit auch ein neues WC, ein Klubraum und zwei Abstellräume. Nach mehreren vergeblichen Bemühungen gelang es dem Kirchenvorstand schließlich, die neue Kantorenstelle mit Frau Dorothea Krüger aus Eschweiler bei Aachen zu besetzen. Am Palmsonntag, den 04. April 1993 wurde sie eingeführt und belebt seitdem die Kirchenmusik außerordentlich. Erster Höhepunkt ihrer Arbeit war das große Konzert zum Chorjubiläum im Dezember mit der Aufführung der „Weihnachtshistorie“ von H. Schütz sowohl in der Kirche Herges als auch in der Stadtkirche.

Neu eingeführt wurde Ostern 1992 von Pfarrer Scholz die „Feier der Osternacht“, die am Ostermorgen um 5.30 Uhr in der Friedhofskirche beginnt (Es gab auch schon vorher die Auferstehungsfeier auf dem Friedhof). Nach anfänglichem Zögern wurde dieser Gottesdienst mit seiner unnachahmlichen Stimmung gut von der Gemeinde angenommen, zumal das anschließende „Osterfrühstück“ im Gemeindehaus „D. Bonhoeffer“ einen schönen und gemütlichen Ausklang bildet.

Am Erntedanksonntag, den 03. Oktober 1993, wurden im Rahmen des Gottesdienstes die beiden bisherigen („nur“) Thüringer Prädikanten Rainer Usbeck und Hans-Werner Thomas zu Kurhessischen Prädikanten mit allen Rechten, auch der Sakramentsverwaltung, berufen. Im gleichen Jahr konnten wir dank der finanziellen Unterstützung des Dekanats unsere abgenutzten „vasa sacra“ (Gerätschaften zu Taufe und Abendmahl) bei der Würzburger Goldschmiedefirma Engert aufarbeiten und neu feuervergolden lassen.

Ebenfalls restauriert wurde das Zifferblatt der Turmuhr. Die Uhr selbst wurde mit einem neuen, funkgesteuerten Uhrwerk versehen und am 1. Advent 1993 wieder in Betrieb genommen. Das alte Uhrwerk von 1701 blieb an alter Stelle im Turm der Stadtkirche erhalten.

Im Tausch gegen das Grundstück „Sternwiese“ kam das alte Organistenwohnung neben der Kirche wieder in Besitz der Kirchengemeinde, ohne dass es freilich bisher kirchlich genutzt werden konnte, weil es noch bewohnt ist [Der Tausch des baufälligen Kantorats gegen das Bauland an der „Sternwiese“ war allein das Werk von Herrn Erich Nothnagel. Das Kantoratsgebäude wurde von der Kirche nicht gebraucht und ist nur eine finanzielle Belastung].

In Rotterode wurde 1991 von der Pfarrfrau A. Scholz mit Unterstützung von Frau Heidi Holland-Moritz ein neuer „Frauensingkreis“ gegründet. Ihm gehören jetzt 18 jüngere Frauen an, die 14tägig proben, Gottesdienste ausgestalten, aber auch zu anderen Anlässen auftreten. Bei den zur guten Tradition gewordenen „Weihnachtsmusiken in der Johanneskirche“ singen sie

oft auch mit dem „Moosburgchor“ Rotterode zusammen.

Der Konfirmandenunterricht findet seit 1992 auch in Rotterode statt, solange genügend Kin­der dazu kommen [Wenn erwähnt wird, daß in Rotterode auch Konfirmandenunterricht

geha­lten wurde, so könnte man auch erwähnen, daß das in Altersbach schon seit vielen Jahren der Fall war]. Um die Kinder zu sammeln, hat Frau Scholz Mitte der 90er Jahre einen „Kinderkreis“ und später für die Jüngeren eine „Kinderstunde“ gegründet.

Im Jahr 1993 wurde die Johanneskirche renoviert, Dach und Turm wurden neu gedeckt und eine Gasheizung eingebaut. Das „Knopffest“ als Abschluss der Bauarbeiten wurde am 27. Oktober 1993 gefeiert. Neben dem Gemeinderaum im Erdgeschoss wurde im ehemaligen Kohlenkeller eine Tee-Küche samt WC eingerichtet, sodaß die Kirche in Rotterode nun fast ein kleines „Gemeindezentrum“ ist.

In der Stadtkirche gaben die beiden Männerchöre aus Unterschönau und Rotterode am 1. Advent 1994 ein gemeinsames Konzert. Für viele der Sänger war so ein Konzert in der Kirche das erste Mal, dass sie in einer Kirche auftraten - auch hier Ergebnis der neuen, vielfältigen Möglichkeiten, wie sich Kirche nach der „Wende“ auch für Menschen öffnen kann, die ihr bisher fremd oder gar ablehnend gegenüberstanden.

Die Akzeptanz in der Bevölkerung war riesengroß und die Kirche brechend voll bis hinauf in die dritte Empore. Im Zusammenhang mit der neuen Haltung der Kirche gegenüber gab es einen in der Gemeinde heftig umstrittenen Extra-Gottesdienst anlässlich des Jubiläums „100 Jahre freiwillige Feuerwehr Steinbach-Hallenberg“ am Sonnabend, den 28.01.1995 um 14 Uhr in der Stadtkirche. Dabei sollte die neue Fahne der Wehr „geweiht“ werden, wie das wohl in Bayern o.ä. katholischen Ländern üblich ist. Als Evangelische wehrten wir dieses Ansinnen ab, konnten und wollten uns aber dem Ansinnen einer gottesdienstlichen Feier mit der Feuerwehr des Ortes nicht verschließen.

Höhepunkte hatte das Jahr 1995 gleich mehrere: Zum einen das 100jährige Bestehen der Diakoniestation in Steinbach-Hallenberg, was am 05.02. mit einem Festgottesdienst begangen wurde. Die Gemeinde nahm daran regen Anteil und freute sich, mit Schwester Christa Urban aus der Gemeindepflege und Schwester Anni Grünwald als ehemalige Kindergartenleiterin zwei liebgewordene, unvergessene Schwestern wiederzusehen.

Der Besuch von Bischof Dr. Zippert aus Kassel am Wochenende 25./26. Juni war ein weiterer Höhepunkt des Jahres für die Kirchengemeinde. Der Gottesdienst am Sonntagvormittag war als Kirchspielgottesdienst auch für die Dörfer angesetzt. Am Nachmittag saß der Bischof dann noch mit dem Kirchenvorstand in kleiner Runde zusammen, wo ganz zwanglos Probleme und Fragen des Zusammenwachsens der „Kurhessen in Thüringen“ zur Sprache kamen.

Im selben Jahr 1994 wurde das neue Gesangbuch herausgegeben und hier am Sonntag, den 06.11. eingeführt. Die Kirchenvorstandswahlen am 14. Mai waren ein weiterer, wichtiger Tag des Jahres für die Gemeinde. Die Zahl der Mitglieder des Kirchenvorstandes wurde der in Kurhessen üblichen Zahl angepasst und von 24 auf 18 reduziert. Die Verteilung ist seitdem folgendermaßen: 12 aus der Stadt und je 3 aus den beiden Dörfern. Zur Wahl stellten sich 23 Kandidaten und – innen. Die Wahlbeteiligung der 3.418 Wahlberechtigten war hoch und lag in der Stadt über 25 Prozent, auf den Dörfern bis über 50 Prozent. Mit Feststellung der Wahlergebnisse endete der alte Kirchenvorstand, der neue begann seine Arbeit und damit wechselte auch die Geschäftsführung zur anderen Pfarrstelle [Die relativ hohe Wahlbeteiligung bei einer Kirchenvorstandswahl gab es nach entsprechender Werbung auch schon früher].

 

Birgit Gräbner, Unterstädter Pfarrerin 1994 – 1997:

Aus ihrer Amtszeit ist chronistisch zu berichten: Am Sonntag, den 01. Mai 1994, wurde sie in einem Abendgottesdienst vom Dekan als Pfarrerin im Hilfsdienst in die Pfarrstelle eingeführt.

Im Burgfestgottesdienst am 18. Juni 1995 wurde der neue Kirchenvorstand in sein Amt eingeführt. Sein 100-jähriges Bestehen feierte der Evang. Kindergarten am 26.08.1995 mit einem Gemeindeabend am Sonnabend zur Geschichte des Kindergartens.

Am Sonntag, dem 27.08., war dann in der Stadtkirche ein schöner Festgottesdienst mit anschließendem großem Sommerfest im Kindergarten. Aus diesem Anlass waren mehrere frühere Mitarbeiterinnen, darunter Schwester Anni gekommen, aber auch Pfarrer i.R. Weiß und Dekan Braner sowie Frau Bley vom Diakonischen Werk in Thüringen u.v.a.m.

Die erfolgreiche Wiedereingliederung des Dekanates in die Kirche von Kurhessen-Waldeck fand seinen sichtbaren Ausdruck in dem Landeskirchentag, der vom 1.-3. September 1995 in Schmalkalden stattfand und groß gefeiert wurde. Aus Steinbach fanden sich leider nur wenige Gemeindemitglieder, die sich auf den Weg zu den Hauptveranstaltungen nach Schmalkalden aufmachten, obwohl hier fleißig dafür geworben wurde. Aber viele hessische Gemeinden nutzten die günstige Gelegenheit, den neu wieder dazugekommenen Kirchenkreis Schmalkalden kennen zu lernen.

In einem 2001 vom Evang. Medienverband Kassel herausgegebenen Bildband über die Landeskirche unter dem Titel „Einblicke - Bilder und Berichte“ ist das Dekanat Schmalkalden mit einem extragroßen Beitrag vertreten. Damit wird auch erstmalig seit der politisch erzwungenen Abtrennung von Hessen am 1.02.1972 Schmalkalden wieder als voll integrierter Kirchenkreis der Landeskirche öffentlich publiziert.

 

Vom Gemeindeleben ist zu berichten, dass - wie in den Jahren zuvor - auch 1996 wieder holländische Freunde aus Pynacker in Oberhof zu Gast waren und über den Frauenkreis die lebendigen Kontakte zu uns aufnahmen. Am 02. Mai 1996 feierte der Kindergarten im Nachklang an sein vorjähriges Jubiläum ein „Baumfest“, wobei die damals vom Dekanat in Aussicht gestellten Bäumchen gepflanzt wurden. Ende des Jahres erhielt die Kirchengemeinde die wertvolle Avenarius-Chronik zurück, die in Weimar im Hauptstaatsarchiv kopiert und im Gegenzug für uns kostenlos restauriert wurde.

Wegen der beginnenden, geplanten Innenrenovation wurde die Stadtkirche nach der Goldenen Konfirmation Anfang Juli geschlossen. Die Gottesdienste fanden nun in der Friedhofskirche statt.

In Altersbach starb am 24. 05. urplötzlich der Kirchvorsteher und Heiligenmeister Lothar Kauffmann. Mit ihm verlor die Kirchengemeinde einen Mann, der in allen Fragen der Kirchengemeinde in Altersbach erster Ansprechpartner war und sich über Jahrzehnte in großer Treue und Zuverlässigkeit das Vertrauen aller Pfarrer und Gemeindemitglieder erworben hatte. Unter großer Anteilnahme wurde er am 30. Mai auf dem Friedhof in Altersbach beigesetzt. Sein Sohn Udo siedelte bald nach dem Tod des Vaters aus Frauenbreitungen um nach Altersbach. Hier ist er bereits auf dem besten Weg, in die Fußtapfen seines geschätzten Vaters zu treten.

In Steinbach verdichteten sich nach hoffnungsvollen Ansätzen die Anzeichen dafür, dass auch Pfarrerin Gräbner nicht lange auf dieser Stelle sein würde. Denn am 22. Juni 1996 hatte sie Pfarrer Hans Jürgen Basteck in der Stadtkirche geheiratet, der - wie sie auch im Hilfsdienst nach Springstille gekommen war. Da sich das junge Ehepaar eine Pfarrstelle teilen wollte, konnte Frau Basteck nach geltendem Recht der Landeskirche über Stellenteilungen nicht in Steinbach bleiben. Darum bewarb sich Pfarrerin Basteck nach Ablauf ihrer Hilfsdienstzeit nicht auf die Pfarrstelle Unterstadt, sondern ging nach Springstille zu ihrem Mann, um mit ihm das Pfarramt dort zu teilen. Ihr Weggang nach Springstille verzögerte sich zwar noch bis in das Frühjahr des nächsten Jahres. Aber mit dem Abschiedsgottesdienst am 09.02. 1997 war die Pfarrstelle I Unterstadt wiederum vakant.

 

 

 

Anette Wenderoth, Unterstädter Pfarrerin seit 1997:

Aus ihrer bisherigen Amtszeit ist zu berichten: Dankenswerter Weise hatte die Landeskirche Einsicht in die beklagenswerte Situation der Gemeinde und besonders der Unterstadt mit Altersbach, die nunmehr die vierte Vakanz innerhalb weniger Jahren hatte. So wurde nach kurzer Zeit schon Hilfe geschickt und ab 01.05.1997 Frau Anette Wenderoth aus Rothenburg/ Fulda als Pfarrerin im Hilfsdienst mit der Versehung der Pfarrstelle beauftragt. Mit ihrem Ehemann Werner Otto zog Pfarrerin Wenderoth in das eilig renovierte Unterstädter Pfarr­haus ein und widmete sich ihren Aufgaben hier in Steinbach.

Zunächst kannte die neue Pfarrerin die Stadtkirche nur als Bauplatz. Denn das Frühjahr 1997 brachte die traurige Gewissheit, dass die Kirche stark baufällig, ja einsturzgefährdet war, wenn nicht viele der Holzbauteile ausgewechselt würden, so stark waren vom Sockel bis unter das Dach Holzteile vom gefährlichen „Gemeinen Hausschwamm“ befallen. Intensive statische Vermessungen und Stabilisierungsprojekte, ausgiebige Holzuntersuchungen an allen gefährdeten Punkten der Kirche, die Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes und schließlich die Erstellung eines verbindlichen Kostenplanes forderten ihre Zeit.

Unter Überwachung durch verschiedene Statikbüros, mit Baubegleitung durch das Landeskirchenamt und unter der Aufsicht des Schmalkalder Architekten S. Bießmann, ging schließlich die erfahrene Firma Bennert aus Nord-Thüringen ans große Werk. Einheimische Handwerker und Betriebe hatten an der Sanierung auch großes Interesse gezeigt, aber mangels eines Bauleiters, der bereit war, die verschiedenen Gewerke und Arbeiten zu koordinierenden und zu überprüfen, kam der Auftrag in andere Hände. Aber er lag schließlich bei der Firma Bennert (Hopfgarten) in guten und erfahrenen Händen, was sich in den nächsten Jahren zeigte. Nach all den nötigen Vorarbeiten begann die Firma am 27. April 1997 mit den Sanierungsarbeiten.

Durch manche Komplikationen und Schwierigkeiten zogen sich die Arbeiten hin bis über die Mitte des Jahres 2000. Schließlich konnte am Kirchweihsonntag, den 10.09.2000 die Kirche mit einem Festgottesdienst wieder in Gebrauch genommen werden. Ein langer Zug mit Kirchenvorstand, Prädikanten und Lektoren, Vertretern der einzelnen Kreise und Gruppen der Gemeinde bis hin zu Kindergartenkindern und -mitarbeiterinnen zog eingangs des Gottesdienstes in die Kirche ein. Den Schluss bildeten die beiden Pfarrstelleninhaber, in deren Mitte der neue Bischof Dr. Martin Hein aus Kassel ging, der auch die Festpredigt hielt. Ein kleiner anschließender Empfang ermöglichte dann persönliche Begegnungen mit dem Bischof und weiteren geladenen Ehrengästen wie Bürgermeister Chr. Endter, Kirchenbaudirektor Frede, Architekt Bießmann u.v.a.m.

Dabei war – neben der Dankbarkeit für diese gelungene Sanierung - allen Beteiligten klar, dass damit die nötigen Baumaßnahmen an der Stadtkirche, speziell Turm und Kirchendach, noch längst nicht beendet sind. Weitere Bauabschnitte sind bereits in der konkreten Planung und Bauvorbereitung, sodaß in den kommenden Jahren noch viele Kräfte und Kosten nötig sein werden, um das Bauwerk unseren Kindern in einem einigermaßen soliden Zustand übergeben zu können.

Ähnlich liegt die Problemlage auch bei der kleinen, aber wunderschönen Friedhofskirche, die dringend einer grundhaften baulichen Untersuchung unterzogen werden muss. Im Inneren sind die alte Elektroheizung, alle Fenster sowie das Gestühl dringend zu ersetzen. Aber für die Kirchengemeinde liegt die Priorität der Gebäudeerhaltung eindeutig bei der Stadtkirche und beim Gemeindehaus D. Bonhoeffer mit dem Kindergarten. Schon diese Aufgabenstellung fordert unsere ganzen Kräfte und übersteigt eigentlich unsere bescheidenen Möglichkeiten als Kirchengemeinde.

Über all diesen Baumaßnahmen kam aber das Gemeindeleben in diesen Jahren nicht zu kurz: Die Gottesdienste fanden alle während der vier Baujahre in der Friedhofskirche statt. Manches Gemeindemitglied fühlte sich in der kleineren Kirche bald wohler als in der großen Stadtkirche. Für Taufen und Trauungen freilich wurde gern auf die Dörfer oder sogar auf die Schlosskirche Schmalkalden ausgewichen, zu dicht war oft noch die Erinnerung an eine kurz zuvor gewesene Trauerfeier mit einem Sarg auf dem Altarplatz.

Zum Heiligabend wurde aus Platzmangel in der kleineren Friedhofskirche neben dem Krippenspiel um 15 Uhr und der Christvesper um 19 Uhr noch ein dritter Gottesdienst um 17 Uhr angeboten, der von den beiden Prädikanten mit einem Team gehalten und von der Gemeinde gut angenommen wurde.

Die Küche unseres Evang. Kindergartens stand in der Gefahr, aus zu hohen Kostengründen geschlossen zu werden. Nach langen Verhandlungen mit dem Landeskirchenamt in Kassel konnte unter Reduzierung auf nur eine Kraft die Küche und der Arbeitsplatz für eine Köchin, Frau Christa Holland-Cunz, erhalten bleiben [Interessant ist zu hören, daß die Küche des Kindergartens wegen zu hoher Kosten geschlossen werden sollte. Früher gab es dort drei Vollzeitkräfte. Gut, in den Sommermonaten mußte auch noch für das Rüstzeitheim gekocht werden (und für die umfangreiche Verwandtschaft von Gießlers). Aber wenn es jetzt eine Kraft schafft, dann zeigt das doch, daß die Klagen der früheren Mitarbeiter und ihr Verlangen nach höherer Bezahlung unberechtigt waren. Das Gleiche gilt für die Reinigungskraft. Rückblickend muß man sagen, daß die Kindergärtnerinnen Recht hatten mit ihrer Beschwerde, daß sie ihre Räume selber reinigen mußten (allerdings in ihrer üblichen Arbeitszeit). Andererseits waren die Reinigungsarbeiten wegen des Rüstzeitenheims umfangreicher und die Kohlenheizung mußte ja auch noch mit erledigt werden].

 

Mit dem neuen Jahr 1998 übernahm Pfarrerin Wenderoth nach einer Einarbeitungszeit die Geschäftsführung. Unsere Kantorin Dorothea Krüger führt am 01.02.98 im Gottesdienst ein „Bileam-Singspiel“ mit den vereinigten Kinderchören aus Steinbach und Rotterode auf, was bald danach in Altersbach und Rotterode sowie im Altenhilfezentrum seine Wiederholung findet.

Musikalisch geprägt war auch das Kindergartenfest in diesem Jahr, weil eine kleine Schülergruppe aus Kisarawe (Tansania) im Dekanat und eben an diesem Tag zu Besuch in Steinbach war. Die sieben jungen Afrikaner und ihre Lehrerin belebten das Fest mit ihren exotischen und mitreißenden Klängen, an denen auch unsere Kleinsten ihre helle Freude hatten.

In der Haseltalhalle fand am 17. Oktober ein großes Konzert der vereinigten Kirchenchöre

des Haseltales unter Leitung der Kantorin D. Krüger, was auf großes, positives Echo stieß und zur Wiederholung ermutigte.

Das Gemeindehaus feierte im Jahr 1998 seinen 100. Geburtstag. Gäste aus nah und fern waren gekommen, um mit uns dieses Jubiläum zu feiern. Dekan Braner und Bürgermeister Häfner sprachen anerkennende Grußworte für die Arbeit, die in diesem Hause seit 100 Jahren geleistet worden ist. Als Abschluß gab es zur Freude aller ein schönes Feuerwerk, mit dem das Fest ausklang.

Ein Adventskonzert des Frauen-Singkreises, zusammen mit dem Moosburgchor in Rotterode, ergab zugunsten der Installation der alten Betsaalglocke in der Johanneskirche 450.- DM. Damit konnte die Glocke installiert werden und läutet seitdem in jedem Gottesdienst als „Vater-unser-Glocke“.

 

Mit einem festlichen Konzert der Vereinigten Kirchen- und Posaunenchöre in der Haseltalhalle klang das Jahr musikalisch aus. Unter der Leitung unserer Kantorin erklang von H. Schütz die „Weihnachtshistorie“ mit den Solisten: Tabea Willing, Kindergärtnerin aus Steinbach, Sopran; Pfarrer Hans- Joachim Scholz, Tenor sowie Pfarrer Martin v. Frommannshausen, Baß aus Schmalkalden. Der Erlös des Konzertes war für die Sanierung der Stadtkirche bestimmt und ergab die Summe von 3500.- DM. Mit den üblichen Weihnachtsveranstaltungen und einem „Singegottesdienst“ am 27.12. klang auch das Jahr 1998 aus.

Das neue Jahr 1999 brachte nach dem Weggang der Jugendmitarbeiterin mit der Einstellung von Herrn Frank Genzler und dem Engagement von Jugenddiakon Schelhorn für das „Wasserwerk“ neue Impulse. Damit sollen weitere Jugendliche von der Straße weggeholt und in eine Gemeinschaft integriert werden.

Weitere personelle Veränderungen gab es auf der Stelle des Hausmeisters, wo Herr M. Döll in den Vorruhestand ging, genauso wie die Mitarbeiterin im Kirchenbüro, Frau Gertraud Holland-Cunz. Herrn E. Polte als Hausmeister und Frau I. Neubert traten jeweils die unmittelbare Nachfolge an. Unsere bewährte Reinigungskraft B. Scherbarth hielt seit Anfang der 90er Jahre das Gemeindehaus und den Kindergarten in Ordnung und ging erst später in den Vorruhestand.

Der Posaunenchor feierte am Wochenende 5./6. Juni 1999 sein 100-jähriges Jubiläum mit einem Sonderkonzert der Erfurter Turmbläser in der Stadtkirche. Am Sonntagnachmittag

war dann der eigentliche Festakt in der Haseltalhalle mit vielen Gästen, wo auch der Posaunenwarte von Kurhessen-Waldeck, M. Lamohr (Fulda) und von Thüringen, M. Schmeiß (Zella-Mehlis) das Wort ergriffen und unserem Chor gratulierten. Einige verdienstvolle Mitglieder wurden von den beiden Posaunenwarten mit Treue-Nadeln ausgezeichnet, darunter auch der Leiter des Chores, Herr Edgar Holland- Moritz. Kein Jahr später verstarb er nach langer, mit großer Tapferkeit getragenen Krankheit im Alter von gerade 48 Jahren am 06. Mai 2000. Seine Trauerfeier in der Friedhofskirche wurde von Posaunenchormitgliedern aus nah und fern ausgestaltet und fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt.

Ein großangelegter Evangelisations-Abend in der Haseltalhalle am 28. März, von der Evang. Allianz unter Prädikant R. Usbeck vorbreitet und organisiert, kam gut an bei jung und alt, wenn auch ältere Gemeindeglieder unter der hohen Lautstärke der Musik zu leiden hatten! Ähnlich erfolgreich war eine Sport- und Videonacht, die vom Kreisjugendpfarrer D. Hauser (Seligenthal) gemeinsam mit Jugendmitarbeitern und –innen in der Haseltalhalle am 2.07.1999 organisiert und

Nach diesen zwei Jahren Dienst endete für Pfarrerin Wenderoth ihre Hilfsdienstzeit und sie bewarb sich um die Pfarrstelle, woraufhin sie nach Wahl durch den Kirchenvorstand am Sonntag, den 03.07.1999 in die Pfarrstelle Unterstadt mit Altersbach zur Erleichterung aller Gemeindemitglieder eingeführt wurde. Das was das wichtigste und entscheidendste Ereignis im Leben der Kirchengemeinde im Jahr 1999.

Nachdem innerhalb von nur acht bzw. zehn Jahren erst die nunmehr fünfte (!) Besetzung dieser Stelle erfolgreich wurde, kommt nun endlich Kontinuität, Verlässlichkeit und Ruhe und in die Gemeindearbeit der Kirchengemeinde Steinbach- Hallenberg. Damit werden die Aufzeichnungen zum Leben der Evang. Kirchengemeinde im letzten Jahrhundert abgeschlossen. Die letzten 10 Jahre waren eine besonders harte Belastungsprobe für die Kirchengemeinde und alle ihre Mitarbeiter der sie aber standgehalten haben. Das macht uns dankbar - und es macht Mut im Blick auf die Wegstrecke, die vor uns liegt. Die Jahreslosung 2000 passt für den Blick in die Zukunft, wenn uns allen zugesagt wird: „Gott spricht: Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen!“ (Jeremia 29, 13+14).

 

 

 

 

 


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