Juden in Maintal
Die jüdische Gemeinde in Dörnigheim
Geschichte
Der Hanauer Geschichtsschreiber Zimmermann veröffentlicht in seiner Chronik ein Verzeichnis der Familien sowie des Zugviehs in der Grafschaft Hanau im Jahre 1707. Danach gab es in Dörnigheim in diesem Jahre 55 Familien, darunter eine jüdische, 10 Pferde und 58 Ochsen.
Im Gemeindearchiv befindet sich eine Aufstellung der im Jahre 1820 in Dörnigheim ansässigen Juden. Es waren dies: Samuel Wolf, Moses Steicherwald, Salomon Strauß, David Strauß, Moses Blum, Abraham Grünewald, Isaak Schenkfeld, Hekiel Kahn, Isaak Kahn, Meyer Kahn, Keile Kahn. Die Zahl der Juden in Dörnigheim hat sich seit 1707 stark vermehrt. Wahrscheinlich kamen die meisten dieser Juden erst im Laufe der Franzosenzeit (1806 bis 1811) nach Dörnigheim. Damals begann man nämlich, den Juden gleiche Bürgerrechte zu geben wie den anderen Einwohnern. Es ist anzunehmen. daß die Anzahl der Juden nach 1815 wieder abnahm.
Judentabelle des Amtes Bücherthal von 1820 Dörnigheim:
Vollständige Tabelle unter „Maintal Judentabelle“. Das Vermögen wird durchweg als „arm“ bezeichnet, nur bei Heymann ist es „mittelmäßig“. Leider sind immer nur die Vornamen angegeben, so daß die Zuordnung zu einer Familie unsicher ist. Wahrscheinlich sind folgende Namen, die es also schon 1820 gibt: Straus (182), Kahn (78 und 104), Schönfeld 43), Grünbaum (177), Blum (530) und Steigerwald (87).
Nr. |
Familienoberhaupt (Alter) |
Ehefrau (Herkunftsort) |
Söhne |
Töchter
|
Sum |
Landesherrlicher Schutz |
Schutzgeld |
1 |
Isaak Jakob Familie 182 |
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Salomo Isaak (53) David Isaak (38) |
Esther (46) |
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2 |
Jakob Simon Familie 78 |
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Isaak Jakob (28) Meyer Jakob (22) |
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1798 * |
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3 |
Hiskias Jakob (31) Familie 104 |
Sanne (30) Rothenbergen |
Jacob (5) |
Reile (3) Jergele (2) |
6 |
10.07.1815 |
20 |
4 |
Isaak Simon (38) Familie 43 |
Lina (34) Stammheim |
Simon (8) Lend (6) Herz (4) Hann (1) |
Schebe (3) |
7 |
12.06.1817 |
20 |
5 |
Abraham Simon (58) Familie 177 |
Mariane (49) Niederrodenbach |
Löb (19) Simon (16) |
|
4 |
03.09.1796/ Akte 1798 |
6 |
6 |
Moses Jakob (56) Familie 500 |
- |
Jakob Moses (24) (Familie 59) |
Schönge (15) |
3 |
1798 (1791*) |
6 |
7 |
Wolf Heymann (46) aus Bidenthal Familie 88 |
Nenne (37) (Rachel*) Hattenheim |
Gutkind (13) Löb Meyer (7) Sanden (3) |
Marga (10) Panina (5) |
8 |
08.05.1817 |
20 |
8 |
Moses Herz (73) Familie 87 |
Gidle (53) Friedberg |
David (14) Sano (9) |
Made (17) |
5 |
27.03.1798 |
frei |
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Samuel |
Öchle |
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1773 * |
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* Angabe in früheren Jahren (Listen seit 1814)
Das Jahr, mit dem der landesherrliche „Schutz“ beginnt, muß nicht das Jahr des Zuzugs sein. Für die Richtigkeit der Wiedergabe der Namen kann keine Garantie übernommen werden
Gesuche um Aufnahme als Ortsbürger stellen:
1789 Jacob Simon, ältester Sohn des Schutzjuden Simon Hiskias (bis 1804)
(eventuell Jakob Grünbaum)
1796 Moses Jacob
1798 Abraham Simon Hiskias
1798 Moses Hertz aus Dörnigheim (gestorben 1825)
Stadtarchiv:
Ab 1811 mußten die Juden Nachnamen („bürgerlichen Namen“) annehmen. Solange sie nur wenige waren, genügten die Vornamen. Aber für die Personenstandsregister, Finanzverwaltung und andere Zwecke mußten Familiennanmen vergeben werden. Aus Dörnigheim erschienen 1811 vier Männer auf dem Amt: Sandel Herz wählte den Namen Wolf (im Jahre 1820 steht er nicht mehr in der Liste, sondern wohnhaft in Dietesheim), Moses Herz wählte Steigerwald, Moses Jakob wählte Blum, Salomon Isaac nannte sich Strauß (Sohn von Jakob Strauß), Abraham Simon nahm den Namen Grünewald an (schon um 1800 heißt er „Grünebaum“), Isaac Simon wählte Schönfeld, die Witwe von Jakob Simon wählte Kahn und die Witwe von Isaac Jakob nannte sich jetzt Goldstein (der Name kommt aber 1820 nicht mehr vor).
Dem entspricht eine Aufstellung im Gemeindearchiv über die im Jahre 1811 in Dörnigheim ansässigen Juden. Es waren dies: Samuel Wolf, Moses Steigerwald („Steicherwald), Salomon Strauß, David Strauß, Moses Blum, Abraham Grünewald, Isaak Schönfeld („Schenkfeld“), Hesekiel („Hekiel“) Kahn, Isaak Kahn, Meyer Kahn und Keile Kahn. In der Judentabelle des Amtes Büchertal erscheinen aber noch 1820 nur die Vornamen, die sich aber anhand des Alters und der Namen der anderen Familienmitglieder den nur noch acht Familien zuordnen lassen.
Die Zahl der Juden in Dörnigheim hat sich aber seit 1707 stark vermehrt. Wahrscheinlich kamen die meisten dieser Juden erst im Laufe der Franzosenzeit (1806 bis 1811) nach Dörnigheim. Damals begann man nämlich, den Juden gleiche Bürgerrechte zu geben wie den anderen Einwohnern.Im Jahre 1824 gab es in Dörnigheim sechs jüdische Familien (HStAM 82, c 863).
Im Sterberegister der Synagogengemeinde Hochstadt unterschreibt im Juni 1837 der Schullehrer Gersfeld (der Lehrer wird aber wohl aus Dörnigheim sein, weil der Todesfall sich in Dörnigheim ereignete). Außerdem wird 1892 noch erwähnt ein Lehrer Abraham Nußbaum.
In Dörnigheim lebten 1857 laut Staatsarchiv (HStA 180, Hanau 4747) insgesamt 49 jüdische Personen in elf Familen:
1. Der Fruchthändler Jakob Kahn II, der mit Carolina Kahn verheiratet war. Er stand in guten Vermögensverhältnissen (Hier kann es sich nur um den 1828 geborenen Jakob Kahn handeln, denn der erste Mann dieses Namens ist 1816 geboren. Der Geburtsname der Frau ist „Wolf“)
[Familie 124].
2. Der Metzger Heinrich Schönfeld lebte mit seiner Frau Carolina Schönfeld geborene Buchsbaum und den drei Kindern Isaak, Berta und Aaron zusammen. Auch er stand in guten Vermögensverhältnissen [Familie 51].
3. Jakob Blum handelte mit Kühen und Ochsen. Er war in zweiter Ehe mit Reisgen (Röschen) Blum verheiratet und hatte eine einjährige Tochter. Auch seine Vermögensverhältnisse galten als gut [Familie 121].
4. David Steigerwald handelte mit Kälbern und war mit Bertha Steigerwald geborne Steigerwald verheiratet. In seinem Haushalt lebten zudem die Kinder Herz, Feist, Theresia (Schönle), Schanette (Jette) und Löser (Leser = Lazarus): Er besaß nur wenig Vermögen [Familie 24]
5. Salomon Steigerwald war Schirrmacher“ (Zugtiergeschirrmacher, Wagner). Die Ehefrau war Nannchen geborene Neumann. Er lebte zusammen mit seinen Kindern Mädgen (Gütel), Wolf und Mahla (Malchen). Die Familie besaß nur wenig Vermögen [Familie 37].
5. Isaac Kahn war mit Carolina Kahn geborne Schwarzschild verheiratet. Die Töchter Benigen und Carolina (beide nicht im Personenstandsregister) arbeiteten als Näherinnen. Die Familie stand in guten Vermögensverhältnissen [Familie 12].
6. Hesekiel Kahn war Metzger und lebte mit seiner Tochter Jüdgen (weitere vier Kinder sind früh gestorben, die Frau Simge geborene Moses war 1857 offenbar auch gestorben). Auch er stand in guten Vermögensverhältnissen [Familie 1].
7. Jakob Kahn war mit Sara geborene Sonneberg verheiratet und betrieb Handel mit Kühen. Seine fünf Kinder Carolina, Seligmann, Dina, Maier und Simon (Süßel) lebten mit im gemeinsamen Haushalt. Die Vermögensverhältnisse wurden als so ziemlich gut bezeichnet. [Familie 50]
8. Der Witwer Maier Kahn betrieb ein Maklergeschäft. Zu seiner Familie gehörte der Sohn Jakob Kahn. Auch sie standen den guten Vermögensverhältnissen. [Familie 31] (Laut Personenstandsregister lebte ein Meier Jakob Kahn in Bischofsheim und war seit 20.11.1839 verheiratet mit Sanet Kaufmann, gestorben 1884, und hatte den Sohn Jakob, geboren am 24.08.1840. Die Angaben passen also nicht zueinander, aber sonst gibt es keine passenden Maier Kahn).
9. David Strauß handelte mit Krämerwaren. In seinem Haushalt lebte der Sohn Isaac, der mit Vieh handelte. Sie standen ebenfalls in guten Verhältnissen [Familie 13].
10. Der Lumpensammler Herz Schönfeld war mit Bertha [Berle eborene Bär] verheiratet. Gemeinsam mit den Kindern Lenchen und Schanette standen auch sie in ziemlich guten Verhältnissen. [Familie 122]
11. Der Metzger Simon Schönfeld war mit Sophie verheiratet. In seinem Haushalt lebten die Kinder (aus erster Ehe) Sarah, Isaak und Regina und (aus zweiter Ehe) Lenchen, Karoline und Michael. Auch ihre Vermögensverhältnisse wurde mit so ziemlich gut angegeben.
Im Jahre 1857 strebten auch die in Dörnigheim lebenden Mitglieder eine Abtrennung von Hochstadt an. Sie gaben an, bereits seit Jahren Gottesdienst in einem Privathaus zu halten. Gleichwohl wurde ihnen - anders als knapp 20 Jahre zuvor bei Wachenbuchen - dieses Ansinnen abgeschlagen. Hintergrund war, dass zu dieser Zeit in Hochstadt eine neue (Juden-) Schule gebaut werden sollte und ein Austritt die Gesamtgemeinde in finanzielle Bedrängnis gebracht hätte. Auch 1873 wollten Juden in Dörnigheim eine Trennung von Hochstadt. Seit Jahren fand bereits Gottesdienst in Dörnigheim statt. Doch das Gesuch der 13 Familien mit zwölf Unterschriften wurde vom Vorsteheramt Hanau abgelehnt.
Daraus und aus den Eintragungen in die Register ergeben sich folgende Amtszeiten für die Gemeindeältesten:
Hesekiel Kahn 1841 bis 1848
Isaak Kahn II. 1857 bis 1858
Heinrich Schönfeld 1856 bis 1857.
Bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 gibt es in Dörnigheim noch sechs Juden.
Jüdische Familien in Dörnigheim:
Eine tabellarische Übersicht der Holocaust-Opfer findet sich auf der Webseite des Brüder-Schönfeld-Forums unter „Dörnigheim“.
Die Familie Kahn / Stern
Es gibt drei Familien „Kahn“, die aber nicht miteinander verwandt sind (soweit man sehen)
Die Stammeltern der einen Familie Kahn (Familie 12) sind der Handelsmann (Stoffhändler) Isaak Kahn und seine Frau Karolina Schwarzschild, die 1827 heiraten. Von den vier Kindern wird der Sohn Jacob Gastwirt (Alte Hausnummer 109). Er heiratet 1854 seine Frau Karolina geborene Wolf aus Dietesheim. Sie haben fünf Kinder, von denen aber keins in Dörnigheim heiratet.
Die andere Familie „Kahn“ (Familie 277) stammt ab von Heskias Kahn und dessen Sohn Jakob, der 1816 geboren wurde und am 13.01.1846 Sara geborene Sonneberg heiratete (deshalb flüchtete der Wachenbucher Lehrer Leo Sonneberg zunächst zu seinen Verwandten in Dörnigheim). Deren Sohn wiederum im Haus Nummer 9 (alte Zählung) ist Seligmann Kahn I., der am 02.02.1849 geboren wurde und am 21.06.1876 Sara geborene Oestereicher (oder: Oesterreicher) geboren am 05.04.1852 in Alzenau (Das war also eine andere Familie Kahn als die in der Schwanengasse 4).
Deren Sohn wieder ist Ferdinand, geboren am 22.03.1877, verheiratet mit Lora geborene Schmidt (Schmitt), geboren am
25.12.1880 in Hagenbach (der Ort soll in Oberfranken liegen, es gibt aber nur zwei Orte dieses Namens bei Heilbronn). Durch die Heirat zieht der Mann mit nach Somborn in die Ziegelstraße 3. Sie
haben die Kinder Gustav, Felix und Leo. Das Ehepaar wird am 07.09.1942 von Kassel aus nach Theresienstadt verschleppt und am 28.10.1944 in Auschwitz ermordet. Ein Gedenkstein für die Eheleute und
andere steht in Somborn, Freigerichter Straße 28.
Die dritte Familie Kahn stammt aus Bischofsheim (Familie 138) und wohnt in der Schwanengasse 4: Der Handelsmann Jakob Kahn heiratet am 01.11.1864 die am 12.02.1842 in Somborn geborene Nannchen Strauß. Von den sechs Kindern heiraten drei in Dörnigheim.
Der Sohn Maximilian, geboren am 21.09.1893 in Bingen, wurde am 06.10.1944 in Auschwitz ermordet. Die Tochter Hedwig, geboren am 11.01.1895 in Bingen, war eine verheiratete Rosenstock. Mutter und Tochter wurden am 27.07.1942 aus Köln verschleppt. Die Mutter starb am 05.09.1942 in Theresienstadt, die Tochter wurde weiter nach Auschwitz verschleppt und wurde dort am 09.10.1944 ermordet.
Joseph Stern wirbt in einer Anzeige von 1910 als „Älteste Metzgerei am Platze“. Hervorgehoben wird der „Versand nach Auswärts“. Übernommen hat er das Geschäft von seinem Schwiegervater Jacob Kahn. Wegen der Häufung gleicher Namen am Ort führt dieser den Zusatz III.
Am 28. Juli 1933 hat der Bürgermeister noch keine Einwände gegen die Reise des Metzgermeisters Joseph Stern in die Schweiz (Bei jeder Ausstellung eines Reisepasses mußte der Bürgermeister eine Unbedenklichkeitsbescheinigung abgeben).
Schon früh drängt Joseph Stern die Familie seines Sohnes Ludwig zur Ausreise in die USA, was im Frühjahr 1934 klappt. Später zieht die dreiköpfige Familie seines Schwagers Josef Strauß in Wachenbuchen in die freigewordenen Räume ein, weil die Bedrohungen in Wachenbuchen unerträglich werden.
Im Jahre 1936 wurde der damals 63jährige Metzgermeister Josef Stern vom Hanauer Schöffengericht wegen „öffentlicher Beleidigung“ zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Der „beleidigten“ Frauenschaftsleiterin Erna Kahl wird zugestanden, „die Verurteilung auf Kosten des Angeklagten“ in einer Zeitung bekannt zu machen. Stern hatte sich am 17. Juli 1936 „vor dem Laden eines seiner Rasseangehörigen“ gegenüber der Frauenschaftsleiterin „deutlich vernehmbar unanständig aufgeführt“. Es half ihm nichts, daß er angab, er leide an krankhaften Blähungen (Salzmann).
Nach seiner Haftentlassung reist er in die Schweiz aus. Weil aber seiner Frau die Ausreise verweigert wird, kommt er zurück. In den Unterlagen des Stadtarchivs steht, die Metzgerei habe auch die Metzgerei Schönfeld in der Frankfurter Straße 27 beliefert. Herr Zehner, der damals mit im Haus wohnte, konnte allerdings nicht bestätigen, daß es eine Zusammenarbeit mit Metzger Schönfeld gab. Die Zusammenarbeit war wohl nicht generell, sondern erst durch die Schwierigkeiten in der Nazizeit bedingt.
Am 1. Juli 1937 wird das Haus einschließlich Metzgereimaschinen verkauft an den Metzgermeister Andreas Rau und seine Frau Frieda geborene Lapp zum Preis von 12.000 Mark. Eine Hypothek von 5.500 Mark wird dabei übernommen, 4.000 Mark wurden ausgezahlt, 2.500 Mark bleiben als Restkaufgeld stehen. Erst ein Urteil des Hanauer Amtsgerichts vom März 1941 schafft Klarheit zugunsten der Sterns.
Die Eheleute ziehen 1938 nach Frankfurt in den Sandweg. Joseph Stern will sich aber auch dort noch etwas nützlich machen und betreibt einen Fischhandel. Er war vom 3. April bis 12. August 1942 inhaftiert im Konzentrationslager Dachau und starb nach einer Angabe angeblich an einer Herzattacke am 12. August 1942 in Dachau. Im August 1942 wird er aber mit einem Invalidentransport zur Ermordung nach Hartheim (Oberösterreich) gebracht Dort wurde er am 25.08.1942 ermordet. Die Frau kam am 15.09.1942 nach Theresienstadt und starb dort am 05.03.1944.
Sie haben zwei Kinder, Selma und Ludwig. Die Tochter Selma Stern heiratet den Viehhändler Joseph Strauß in Wachenbuchen. Sie beziehen 1934 mit dem Sohn Lothar (später Larry) die leere Wohnung in der Schwanengasse 4. Die Eltern werden in Auschwitz ermordet, Lothar überlebt und geht nach dem Krieg nach Kalifornien.
Der Sohn Ludwig Stern, geboren am 10.02.1901, studiert in Frankfurt und ist Ringer bei „Eintracht Frankfurt“. Er ist verheiratet mit Bertha Stern, geboren 10.10.1904 in Rodheim vor der Höhe. Der Sohn Wolfgang stirbt im Alter von 1 Jahr 9 Monaten. Sie haben noch eine Tochter Klara („Claire“), geboren am 31.05.1930. Die Familie wandert im Februar 1934 (andere Angabe 10.04.1934) nach den USA aus. Die Schiffspassage geschieht mit der „Albert Ballin“ von Bremerhaven nach New York. Die Tochter Claire ist eine verheiratete Dorogusker. Sie flieht im Alter von 4 Jahren mit der Familie nach New York und wohnt in Long Island, Roslyn Heights, N.Y. Sie ist eine der letzten noch lebenden jüdischen Menschen aus den ursprünglichen Orten der Stadt Maintal.
Die Familie Schönfeld
Die Familie Schönfeld in Dörnigheim hat keine verwandtschaftlichen Beziehungen mit den gleichnamigen Familien in Wachenbuchen und Hochstadt.
Der Stammvater der Schönfelds in Dörnigheim ist Isaak Schönfeld, der um 1790 geboren sein dürfte. Er heiratet vor 1812 Lea Kahn. Sie haben vier Kinder:
(1). Simon Schönfeld, geboren 1812, Viehhändler, heiratet 1842 Hannchen Samuel aus Dietesheim.
(2.) Lehmann Schönfeld, geboren 1815, Metzger, heiratet 1846 Rebekka Goldschmidt aus Fechenheim.
(3.) Herz Schönfeld, Kaufmann, geboren 1816, heiratet 1853 in Wilhelmsbad Babette (Berle) aus Leun bei Wetzlar. Sie haben fünf Kinder, von denen die Tochter Lenchen, geboren am 1. April 1854, im Jahre 1884 den Kaufmann Siegmund Gumbertz aus Holten (Nordrhein-Westfalen) heiratet.
(4.) Heinrich Schönfeld, geboren 1820, Metzger, heiratet 1848 Karoline Buchsbaum aus Gettenbach (Kreis Büdingen). Sie haben neun Kinder, von denen zwei heiraten:
- Feist (Ferdinand) Schönfeld, Metzger, geboren 1858, heiratet Röschen Oppenheimer aus Goldbach (Kreis Aschaffenburg). Deren Sohn ist der Metzger Heinrich Schönfeld, verheiratet mit Rosel Stern. Dieser wiederum hat den Sohn Freddy Schönfeld, jetzt Mineola, N.Y. (Henry F. Schönfeld aus Nürnberg, jetzt Baltimore, ist dessen Cousin). Die Familie flieht am 22.10.1938 über England nach den USA. Freddy Schönfeld kam als Soldat der amerikanischen Streitkräfte nach Goldbach und Dörnigheim und besuchte 1997 und danach noch mehrfach die Stadt Maintal und ist 2006 gestorben.
- Moritz (Moses) Schönfeld, geboren am 01.04.1866, heiratet 1894 Gustel (Auguste) Selig aus Bischofsheim (Kreis Groß-Gerau), geboren am 17.12.1868. Die Eheleute wohnen in der Frankfurter Straße 27 (damals Nummer 29). Der Sabbath wurde von der Familie streng eingehalten. Ihr Glaube äußerte sich bei den Schönfelds auch nach außen hin: Für arme und kranke Dörnigheimer hatte Mutter Schönfeld immer einen Topf mit Fleischbrühe parat.
Moritz Schönfeld war Metzger und Inhaber einer Rinds- und Ochsenschlachterei. Er hatte
links neben dem Wohnhaus noch einen kleinen Laden und dahinter das Schlachthaus. Er schächtete aber nicht selbst, sondern der Schächter kam von außerhalb. Der Metzgerladen wurde zunächst von Metzger
Stern (Schwanengasse 4) beliefert. Bis zu seinem Tod 1936 hatte er den Betrieb mit seinem Schwiegersohn Siegfried Marx geführt. Dieser konnte durch den staatlich bewirkten Boykott die Geschäfte nicht
mehr retten. Die Metzgerei wurde seit 1937 nicht mehr betrieben. Moritz Schönfeld stirbt am 25.11.1936 und ist begraben in Hanau, Grab Nr. 12/41/5. Auguste Schönfeld stirbt am 13.01.1935 und ist
begraben in Hanau, Grab Nr. 12/41/5
Das Haus muß im Juli 1938 zu einem billigen Preis verkauft werden, ein Gartengrundstück mußte um 25 Prozent unter dem Wert verkauft werden. Das Haus wird gekauft von den Eheleuten Friseur Heinrich
Weyrauch und Margarete geborene Haberer zum Preis von 10.000 Mark. Der Einheitswert beläuft sich auf 4.100 Mark. Der Wert wird auf 9.100 Mark geschätzt (Metzgerei-Einrichtung 200 Mark). Es bestehen
Belastungen in Form einer I. Hypothek bei der Spar- und Darlehenskasse in Dörnigheim in Höhe von 6.680 Mark einschließlich 500 Mark Unkosten, die von den Käufern mit übernommen werden. Der Vertrag
ist im April 1938 aber noch nicht genehmigt.
Die Tochter Lina, geboren 9. September 1896, heiratet am 20.08.1926 den Kaufmann Siegfried Marx, geboren 05.02.1897 in Reichelsheim im Odenwald. Er hat in der Jugend bei Verwandten in Wachenbuchen gelebt und hat wahrscheinlich dadurch Kontakt nach Dörnigheim gehabt, wohin er geheiratet hat. In der neuen Heimat amtierte er als langjähriger Präsident seiner Jüdischen Gemeinde. Als er einen Paßantrag stellte, verfügte das Finanzamt am 18. Januar 1938 die Einziehung des Reisepasses.
Siegfried Marx entschloß sich im Jahr 1938 schweren Herzens dazu, Deutschland den Rücken zu kehren. Ein befreundeter Polizist aus Frankfurt hatte ihm dazu geraten, da er davon erfahren hatte, daß verstärkte Repressalien gegen jüdische Deutsche geplant seien. Da die Familie Verwandte in New York hatte, war das Ziel ihrer Ausreise klar. Am 3. August 1938 reisten sie über Venlo und Rotterdam (andere Angabe: Amsterdam) nach Amerika aus. Die Schiffspassage erfolgt von Amsterdam aus (andere Angabe: Rotterdam) auf der „New Amsterdam“. Die Familie fand in Brooklyn eine neue Heimat. Dort wohnten sehr viele Juden, die aus Deutschland flüchten mußten. Doris Stein, geboren am 12.07.1928, lernte dort ihren Mann Louis (Ludwig) Stein kennenlernte, der ebenfalls deutsche Wurzeln hat.
Am 28. April 1967 besuchen Louis Stein und seine Frau Lina geborene Marx aus Brooklyn den jüdischen Friedhof in Hanau, wie aus dem dortigen Besucherbuch ersichtlich ist. Sie besuchen die Gräber von Moritz und Auguste Schönfeld. Siegfried Marx war langjähriger Präsident der jüdischen Gemeinde New York und starb dort am 06.12. 1960. Lina Marx starb am 9. Dezember 1975.
Im Jahr 1970 besuchte Doris Stein erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ihre alte Heimat. Zusammen mit ihrer Mutter Lina Marx traf sie in Dörnigheim auch Frieda Huf, die einst eine der besten Freundinnen von Lina gewesen war. Die Hufs betrieben damals eine Bäckerei. Nachdem die Nazis die Metzgerei der Familie Marx in den Ruin getrieben hatten, unterstützte Frieda Huf die Freundin, brachte heimlich abends Brot und Kuchen. Daran kann sich Friedrich Huf, der Sohn von Frieda Huf, noch gut erinnern, der sich gestern zusammen mit seiner Schwägerin Margarete Huf mit Doris Stein und ihrer Familie in einem Dörnigheimer Bistro traf.
Zu den Besuchern im Jahre 1999 in Maintal gehörte auch Doris Stein geborene Marx, die Frau von Louis Stein. Sie war am Vormittag des 24. Juni 199 zwei Stunden lang Gast bei Schülern der Jahrgangsstufe zwölf des Einsteingymnasiums. „Die jungen Menschen waren sehr interessiert und haben Fragen gestellt. Dieser Austausch hat mir viel Freude bereitet“, so Doris Stein. Die 81-Jährige reist mit ihrer Familie weiter nach Hannover. Am 3. Juli fliegen sie dann zurück in die USA. Doris Stein wohnt mittlerweile bei ihrer Tochter Renée verheiratete Goetz in Teaneck New Jersey. Sie hat nach dem Tod ihres Mannes das Haus in Brooklyn verkauft. Mit dabei war bei dem Besuch ihre Tochter Renee, der Schwiegersohn Ira, die beiden Enkelkinder und ihre Nichte Sandy Marks in Seattle. Doris Stein starb am 16.08.2017 in Hackensack (New Jersey).
Isaak Schönfeld:
Der Sohn des Herz Schönfeld, des dritten Kindes des Stammvaters, ist Isaak Schönfeld. Er ist geboren am 14. Februar 1861 und heiratet am 30. September 1885 Gitel (genannt „Karoline“) Steigerwald, geboren am 15. Dezember 1865. Deren Vater ist der Handelsmann Herz Steigerwald, Sohn des David Steigerwald aus Dörnigheim, der 1864 Jette Freimark aus Homburg am Main geheiratet hat. Isaak Schönfeld hatte ein Geschäft für „Manufaktur- und Mode-Waren“, wo „Arbeitskleider für jeden Beruf“ verkauft und „bessere Herren- und Knabenanzüge“ nach Maß angefertigt wurden. Er wird auch als „Schnittwarenhändler“ bezeichnet, weil er einen Textilhandel hatte. Isaak Schönfeld war 1882 Mitbegründer der Turngemeinde Dörnigheim. Wenige Monate vor der Machtübertragung an die NSDAP 1933 wurde er noch von seinen Vereinskameraden beim 50jährigen Jubiläum gefeiert. Mitte der dreißiger Jahre ging man ihm dagegen aus dem Weg und gab vor, ihn nicht mehr zu kennen. Karoline Schönfeld stirbt am 19.04.1934 in Hanau, Isaak Schönfeld zieht am 31. Juli 1940 nach Frankfurt und stirbt am 27.04.1943 im Konzentrationslager Theresienstadt. Nachkommen der Familie haben im ehemaligen Lager Theresienstadt für Isaak Schönfeld eine Gedenktafel anbringen lasse
Kinder:
(1.) Bertha, geboren 23.06.1886, überlebte in einem Versteck auf einem Trümmergrundstück in Köln, verheiratete mit dem Bildhauer Jakob Wilhelm Beck, der 1888 geboren ist. Sie haben die Kinder Victoria, geboren 1913, und Rolf Beck, geboren 1918. Bertha ist gestorben 1964 in Köln-Kalk.
(2.) Rosa, geboren 18.07.1887, ist nach einer Kinderlähmung gehbehindert. Sie lebte in der Verfolgungszeit zunächst in Hanau und wurde seit Januar 1945 in Ravolzhausen von einer kommunistischen Familie versteckt. Verheiratet war sie seit 1911 mit dem Elektromeister Friedrich (Fritz) Knieling, geboren am 16.11.1886 in Kassel. Im Zusammenhang mit der Heirat trat Rosa Knieling zum Christentum über. Ihre Tochter sagt, sie habe sich aber immer als Jüdin gefühlt und sei auch jüdisch beerdigt worden. Der Mann starb am 27.04.1924 in Dörnigheim, die Frau starb am 28.04.1975 in Hanau. Die Tochter Irma, geboren 1912, verheiratet seit 1932 mit dem Ingenieur Ernst Schwulera, geboren 24.02.1902 in Lütgendortmund. Ihr Mann ist christlich. Sie wohnt in Garbsen bei Hannover. Die Tochter Ingrid, verheiratet mit Peter Wettberg (mit Ralph, Gregor und Nina) wohnt in Garbsen bei Hannover und ist Leiterin der jüdischen Gemeinde in Hannover.
(3.) Lina („Lilly“), geboren 16.05.1890, wohnt mit im Haus Frankfurter Straße 9. Sie verzieht am 31. Juli 1940 nach Frankfurt, wird am 31.05.1942 verschleppt und ist in einem Konzentrationslager umgekommen.
(4.) Klara, geboren 13.06.1892 und bald darauf am 12.10.1892 gestorben.
(5.) Johanna („Hanna“), geboren 08.12.1894, verheiratet mit Johannes Marinus Wilhelmus Brouwer, einem Niederländer, der in Köln lebte und am 25.03.1939 dort gestorben ist. Sie selber wurde nach dem Tod ihres Mannes in ein Lager verschleppt. Am 19.04. 1943 wurde sie von Berlin nach Auschwitz deportiert und nach 1945 für tot erklärt.
(6.) Pauline („Paula“), geboren am 09.07.1898, verheiratet mit dem Kaufmann Gustav Leonard Hofmann aus Dietesheim
(katholisch) und wohnte auch dort. Sie wurde am 5. Dezember 1943 in Auschwitz umgebracht (laut Angabe des Sonderstandesamtes Arolsen und der Sterbeurkunde des Standesamtes Auschwitz II vom 10.
Februar 1944 - der einzige Fall im Bereich Maintal, daß eine Sterbeurkunde eines Standesamtes vorliegt. Das Schönfeld-Forum gibt aber den 21.08.1943 als Todesdatum an. Sie haben die Töchter Hildegard
Johanna, geboren am 17.02.1922, verheiratete Bielik, später in Torrington (USA), und Elisabeth, geboren am 18.07. 1931 in Rumpenheim, später Dietesheim, Mühlheimer Straße 17. Der Mann gingt 1949 eine
zweite Ehe ein und starb 1994 in Kalamazoo (Michigan, USA).
(7.) Hermann Schönfeld, geboren 24.10.1900 in Dörnigheim, im Jahre 1926 und 1939 Techniker, später Kaufmann, heiratet am 4. April 1929 in Altenstadt Rosi geborene Schuster, geboren am 03.10.1906 in Altenstadt. Hermann Schönfeld wird im November 1938 wie Tausende andere Juden für sechs Wochen ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und bis 12.01.1939 dort festgehalten. Die Familie zieht
Nach Aufgabe des Geschäftes und Zwangsverkauf von Haus und Grundstück im Zuge der politischen Zwangsmaßnahmen zieht die Familie am 31. Juli 1940 nach Frankfurt, Am Schützenbrunnen 13. Von dort wurde die Familie am 22.11.1941 zur Großmarkthalle beordert, wo am nächsten Morgen ein Zug mit 992 Juden nach Litauen abging. Alle Insassen des Transportes wurden am 25.11.1941 im Fort IX, am Rande der Stadt Kaunas, erschossen. Zu Rosi Schönfeld ist an der Gedenkmauer am Börneplatz in Frankfurt ein falsches Geburtsjahr vermerkt (1896), denn sie wurde am 3 Oktober 1906 in Altenstadt geboren.
Kinder von Hermann Schönfeld:
Die Brüder Horst und Gerhard, Letzterer meist nur „Gerd“ gerufen, leben zusammen mit ihrer Familie in der Frankfurter Straße 9 (damals Nummer 11). Horst wird am 17. Januar 1930 geboren, am 11. Juli 1931 auch sein Bruder Gerhard. In ihrem Haus in der Frankfurter Straße wohnten sie zusammen mit Großvater Isaak (die Großmutter war 1934 gestorben) sowie der Tante Lili (Lina), der Schwester des Vaters.
Wohnhaus:
Das 1888 erbaute Wohnhaus Frankfurter Straße 9 mit Laden und Hofraum (heute Neubau) gehört 1938 dem Kaufmann Isaak Schönfeld und seiner Frau Karoline geborene Steigerwald. Das Geschäft bestand aus einer Schneiderei mit einigen Angestellten und einem Verkauf von Textilien. Isaak Schönfeld war ein angesehener Geschäftsmann. Für den Familienbetrieb liefen die Geschäfte bis 1933 relativ gut. Aber dann mußte man sich dem öffentlichen Druck der Nazis mehr und mehr beugen, auch und vor allem durch die nationalsozialistische Verwaltung in Dörnigheim.
Der Geschäftsumsatz sank von 7800 Reichsmark vor 1933 auf gerade einmal 360 Reichsmark im Jahre 1935. Hinzu kamen noch die schier willkürlich erhobenen Steuern, mit denen die Schönfelds mehr und mehr unter Druck gerieten. „Gnädigerweise“ wurde ihnen allerdings angeboten, zur Tilgung der Schulden eigenen Besitz herzugeben: Der Bürgermeister teilt mit, daß der Jude Isaak Schönfeld einen Steuerrückstand von 900 Reichsmark hat und daß es nur möglich ist, den Steuerrückstand hereinzubekommen, wenn Schönfeld der Gemeinde ein Grundstück übereignet. Ein „Angebot“ der damaligen Verwaltung ist in dem Schreiben an Isaak Schönfeld auch beigefügt, genauer gesagt der Verkaufsvorschlag für „einen Acker seitlich der Bahnhofstraße“.
Die Gebäudefläche (mit einem Hausgarten) in Größe von 4,59 Ar hat einen Wert von 12.099 Mark und hat folgende Belastungen:
I. Hypothek bei der Landesrenterei Hanau 4.778 Mark
II. Hypothek bei der Landesleihbank Hanau 4.952 Mark
III. Hypothek bei Rosi Schönfeld geborene Schuster (Schwiegertochter) 4.000 Mark
Der Gewerbebetrieb ist im April 1938 schon längere Zeit fast gänzlich eingestellt. Die darauf beruhenden Schulden sind mindestens so hoch wie die Forderungen, die außerdem größtenteils uneinbringlich sind und deshalb nicht bewertet werden konnten.
Dem Ehepaar gehörten auch die unbebauten Grundstü>Kartenblatt 10 Parzelle 205 2,94 a Garten in den Pflanzenländern
Kartenblatt 27 Parzelle 88 10,00 a Wiese vor Dietesheim
Kartenblatt 19 Parzelle 47 32,23 a (Nicht im Vertrag vom 22.5.1939)
Kartenblatt 19 Parzelle 48 5,31 a (Nicht im Vertrag vom 22.5.1939)
Diese 0,5038 Hektar mit einem Einheitswert von 12.600 Mark übernimmt am 22. Mai 1939 die Gemeinde Dörnigheim zum Kaufpreis von 12.072,30 Mark. Sie stellt aber auch Hypotheken, Gemeindesteuer und Verkoppelungsgebühren in Höhe von 11.904,81 Mark in Rechnung. Sie greift also selber zu und zahlt so gut wie gar nichts mehr in bar aus.
Der Gewerbebetrieb ist im April 1938 fast eingestellt. Im Jahre 1939 müssen die Schönfelds ihr Haus verkaufen.
Isaak Schönfeld verkauft Haus und Garten am 21. Februar 1939 an den Postschaffner Friedrich Weiß VI. und seine Frau Margarete geborene Heinrichs in Fechenheim zum Preis von 9.570 Mark. Der Kaufvertrag wird jedoch vom Regierungspräsidenten in Kassel nicht genehmigt, „da das Anwesen zu öffentlichen Zwecken benötigt wird“.
Daraufhin wird das Grundvermögen am 22. Mai 1939 von der Familie Schönfeld an die Gemeinde Dörnigheim. Der Wert des Hauses wird mit 9.570 Mark angesetzt (wie in dem vorherigen Kaufvertrag), der Wert der Parzellen 205 und 88 mit 748 Mark. Dem Gesamtpreis von 10.318 Mark stehen gegenüber:
Darlehenshypothek Landeskreditkasse Kassel 5.000 Mark (Restschuld 4.672,73 Mark)
Zweimal Grundschuld Landesleihbank Hanau 10.000 Mark (Restschuld 5.630 Mark),
für die auch noch die restlichen unbebauten Grundstücke der Verkäufer haften.
Die Gemeinde löst die Ansprüche der beiden Gläubigerinnen ab, bezahlt also 10.302,73 Mark und wird dadurch Gläubigerin
der Forderungen. Diese rechnet sie gegen den Kaufpreis von 10.318 Mark auf, so daß noch 15,27 Mark Restkaufgeld verbleiben, die an die Familie ausgezahlt werden sollen. Diese muß aber auch noch einen
Teil der Kosten für die Löschungsbewilligung tragen. Die Landeskreditkasse nimmt den Zwangsversteigerungsantrag zurück. Der
Einheitswert des Hausgrundstücks beträgt 12.600 Mark (das wird sicher für die Festsetzung der Höhe der Gebühren so festgehalten), das Haus wurde also noch unter dem Einheitswert
verkauft.
Mit im Haus wohnt die ledige Kontoristin Lilli Schönfeld, geboren 16.05.1890, Schwester Hermann Schönfelds. Sie hat offenbar ein Rentenrecht an dem Haus. Der Wert der einjährigen Nutzung beträgt 1.063,20 Mark. Das Recht erlischt mit dem Tode. Darüber hinaus hat sie eine monatliche Rente von 788,60 Mark aus der Angestelltenversicherung.
Am 14.10.1950 stellen Frau Rosa Knieling und Frau Berta Beck, Die Töchter Isaak Schönfelds, einen Antrag auf Rückerstattung. Der Bürgermeister stellt sich jedoch auf den „Rechtsstandpunkt“ und antwortet am 21.11.1950: Aus dem damaligen Kaufgeschäft sind nur 139,39 Mark geblieben, weil dem Kaufpreis Verbindlichkeiten in Höhe von 12.045,72 Mark gegenüber standen. Er führt jetzt auch Steuern in Höhe von 1.267,66 Mark auf, Verkopplungsgebühren 261,25 Mark, Löschungskosten 140,91 Mark und eine Resthypothek der Firma Dreyer und Grupen in Höhe von 73,17 Mark.
Verschleppung:
Während einige Familien früh genug noch die Flucht ins Ausland antreten konnten, weigerte sich die Familie Schönfeld, Dörnigheim zu verlassen, zumal die Angehörigen noch wenige Jahre zuvor recht angesehene Menschen waren. Der Vater Hermann Schönfeld wird im Zuge der Reichspogromnacht am 9. November erstmals 1938 inhaftiert. Wegen seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg wird er wenig später aber wieder freigelassen. Eine Flucht aus Deutschland scheint danach aber unumgänglich geworden zu sein. Ziel waren die Vereinigten Staaten von Amerika. Doch die Dörnigheimer Verwaltung unter Bürgermeister Gustav Pahl bekommt Wind von diesem Vorhaben, die Ausreise scheitert.
Im Jahre 1939 müssen die Schönfelds ihr Haus verkaufen. Aber auch als Mieter werden sie in dem Gebäude ebenfalls nicht mehr länger geduldet, so daß sie nach Frankfurt ausweichen. Isaak Schönfeld, seine Tochter Lilli und die Familie seines Sohnes Hermann beziehen am 31. Juli 1940 eine Wohnung „Im Schützenbrunnen 13“, am heutigen Frankfurter „Alfred‑Brehm‑ Platz“.
Nach Beendigung des Umzuges nach Frankfurt verabschiedet sich der kleine Gerhard Schönfeld von seiner Cousine Irma mit den Worten: „Ich komme wieder!“ Er ist fest von diesem Ziel überzeugt und führt eine Landkarte mit, damit er auch ja den Weg wieder finden kann.
Der Hanauer Anzeiger schreibt am 9. August 1940: „Die Gemeinde judenfrei! Die hiesige Gemeinde ist jetzt endlich judenfrei geworden, nachdem nunmehr aus der letzte hier ansässig gewesene Jude seinen Auszug gehalten. Das in seinem Besitz befindliche Anwesen ist in das Eigentum der Gemeinde übergegangen.“
Die Familie Schönfeld versucht - in ständiger Angst lebend - vor den Nationalsozialisten in Frankfurt unterzutauchen. Doch das Versteck fliegt auf. In Frankfurt gab es schon im Oktober und am 11. November 1941 Verschleppungen, von denen insgesamt 992 Personen vor allem des Mittelstands betroffen sind. Ziel ist Minsk, wo manche der Verschleppten noch eine Reihe von Jahren im Ghetto leben.
Bei der Deportation am 22. November 1941 ist auch die Familie Schönfeld aus Dörnigheim dabei. An einer Stelle wird angegeben, die Verschleppung der Kinder sei schon im September gewesen und es wäre eine Einzelaktion gewesen, die nicht von Berlin gedeckt war. Aber Frau Knieling und Frau Schwulera erzählen übereinstimmend, daß die Familie gemeinsam nach dem Osten verschleppt wurde.
Als Ziel des Transports wird Riga angegeben. In den Hausstandsbüchern von Dörnigheim wird die Familie aber am 21. November 1941 abgemeldet nach Kowno (Kaunas). Die fünf Züge wurden auch nach Kaunas in Litauen gebracht. Dort wurden die Juden durch die Stadt getrieben, am Ghetto vorbei zum berüchtigten Fort IX auf einem Hügel im Südosten der Stadt. Dort werden die aus mehreren Städten eingetroffenen Juden - unter anderem aus Frankfurt Berlin, München, Wien und Brünn - in diesen Festungsanlagen zwei oder drei Tage später vor den längst ausgehobenen Gräben erschossen: Der Transport mit den neun und elf Jahre alten Brüdern Schönfeld wurde am 25. November 1941 beim „Frühsport“ vor den längst ausgehobenen Gräben erschossen. In den Sterbeurkunden wurden der 22. November und der 1. Dezember als Todestag angegeben.
Das Durchschnittsalter der Ermordeten betrug nur 48 Jahre, weil viele kleine Kinder zu dem Transport gehörten. Die genauen Umstände der Erschießung sind durch den in Kaunas (Kowno) geborenen Sally Ganor unter dem Titel „Das andere Leben“ dokumentiert und in Deutschland als Fischer-Taschenbuch veröffentlicht.
Ein SS‑Standartenführer Jäger notiert bis zum 1. Dezember 1941 insgesamt 137.346 auf diese Weise „durchgeführte Exekutionen“. Die Opfer werden in Massengräbern verscharrt. Am 30. November verordnet Heinrich Himmler, Chef der SS und der Geheimen Staatspolizei, den Stop der Erschießungen ‑ zu spät für die Getöteten aus Dörnigheim. Ein Jahr (oder zwei Jahre) später wurden die Leichen auf Befehl der Deutschen von jüdischen Gefangenen wieder ausgegraben und verbrannt, um die Greueltaten zu vertuschen. Die Gefangenen brachten Kofferanhänger und ähnliches als Beweisstück für die anderen ins Ghetto mit. Die Leichen werden dann verbrannt, um die Greueltaten zu vertuschen.
Am 4. Juli 1947 wurde Isaak Schönfeld für tot erklärt, weil er nach einer Bescheinigung der jüdischen Betreuungsstelle am 27. April 1943 in Theresienstadt verstorben ist. Hermann und Gerhard Schönfeld werden auf Beschluß des Amtsgerichtes Frankfurt am 18. November 1947 für tot erklärt. Grundlage dafür ist eine Bescheinigung der jüdischen Betreuungsstelle Frankfurt vom 29. Januar 1947, daß sie am 22. November 1941 nach dem Osten verschleppt wurden und nicht zurückgekehrt sind. Als Zeitpunkt des Todes wird der 1.Dezember 1941 festgesetzt Lina Schönfeld (genannt „Lilly“) und Horst Schönfeld wurden am 10. Dezember 1947 für tot erklärt.
Wie schwer und unübersichtlich Aufarbeitung und Sortierung der Geschehnisse der NS‑Zeit sind, drückt sich in einer Multimedia‑Dokumentation im Frankfurter Museum Judengasse aus. Hier sind alle Namen von zu ermittelnden verschleppten Juden erfaßt. Horst Schönfeld ist als Einziger seiner Familie in der Datei nicht zu finden. Vom Geburtsdatum her übereinstimmend treffen die Daten aber auf einen als „Horst Schöfeld“ aufgeführten Jungen zu, also bloß ohne „n“ im Nachnamen. Ein Personenhinweis lautet jedenfalls: „vermutlich überlebte er den Holocaust“, worauf auch immer sich diese Vermutung begründet. Auch auf den Gedenksteinen am Friedhof am Börneplatz ist der Name falsch geschrieben, außerdem sind Geburtsdaten und Sterbeort falsch.
Rückerstattungsanspruch:
Am 14. Oktober 1950 stellen Frau Rosa Knieling und Frau Berta Beck, die Töchter Isaak Schönfelds, einen Antrag auf Rückerstattung. Der Bürgermeister stellt sich jedoch auf den „Rechtsstandpunkt“ und antwortete am 21. November 1950: Aus dem damaligen Kaufgeschäft sind nur 139,39 Mark geblieben, weil dem Kaufpreis Verbindlichkeiten in Höhe von 12.045,72 Mark gegenüber standen (Steuern 1.267,66 Mark auf, Verkopplungsgebühren 261,25 Mark, Löschungskosten 140,91 Mark und eine Hypothek von 73,17 Mark.
Man muß dabei aber bedenken: Natürlich hat die Familie Hypotheken aufnehmen müssen, weil man ihr Geschäft boykottierte. Das eigentliche Unrecht lag also schon sehr viel früher. Nachher lief alles mit deutscher Gründlichkeit „nach Recht und Gesetz“ ab. Der Bürgermeister will sagen. Im Grunde war es für die Gemeinde Dörnigheim noch ein Verlustgeschäft. Aber man fragt sich natürlich, wie er zum Bespiel auf einen so hohen Steuerbetrag gekommen ist, wo doch der Steuermeßbetrag für die Stückländereien im Jahre 1937 nur 3,84 Mark betrug und im Jahr 1938 der Steuermeßbetrag für das Haus auf 126 Mark festgelegt wird. Das Geschäft brachte doch auch kein Einkommen mehr.
Bilder Familie Schönfeld: (Eine Datei mit den Bildern findet sich unter Bilder alt, Juden, Dörnigheim“ und ist auch beim Verfasser erhältlich)
Haus Frankfurter Straße 9: Vor dem Haus steht Isaak Schönfeld. Im Fenster unten sind zu sehen: Karoline und eine Freundin. Oben sind von links zu sehen: eine Angestellte, Irma und ihre Mutter und Lina Schönfeld.
Hochzeit Rosi und Hermann Schönfeld 1929: Obere Reihe Irma, N.N., N.N., Hanna und Rolf Beck. Mittlere Reihe: N.N., Rosa Knieling, N.N., N.N., Brautpaar, Lina und Fred Marx, N.N., Lilly, Gustav, Berta. Vordere Reihe: Gitel und Isaak Schönfeld, Eltern Schuster.
Schuleinführung: Dritte Reihe von unten, Vierte von rechts, mit Schleife auf dem Haar: Irma Knieling.
Klasse I und II: Dritte Reihe, Mitte, sitzend, mit weißem Kragen: Irma Knieling.
Lilly, Rosa, Hermann Schönfeld und andere: Oben links: Lilly, Rosa, Hermann Schönfeld.
Oben rechts: Johanna, Bertha und Wilhelm Beck.
Unten: Hilde Hofmann, Karoline Schönfeld, Viktoria Beck, Irma, Issak Schönfeld, Ralf Beck.
Irma Schwulera, Rosi Schönfeld und andere: Oben: Irma Schwulera geborene Knieling, Rosi Schönfeld, Hermann Schönfeld, Lilly Schönfeld, Rosa Knieling geborene Schönfeld. In der Mitte: Isaak Schönfeld. Unten: Gerd Schönfeld, unbekannter Junge, Inge Hofmann, Horst Schönfeld.
Nachbarn Frankfurter Straße: Untere Reihe: Fritz Knieling (nicht Hermann Schönfeld), Rosa Knieling, Hermann Schönfeld, Berta Schönfeld (nicht Irma Knieling), ganz hinten in der Mitte: Lilli Schönfeld (nicht. Frau Schönfeld).
Ein Bild der Brüder ist schon im Tagesanzeiger erschienen. Dieses Bild von Horst (links) und Gerhard Schönfeld entstand etwa Mitte der 30‑er Jahre (Foto: Salzmann/Voigt).
Inserate der jüdischen Geschäfte finden sich in der Dokumentation „Jüdisches Leben“ von Peter Heckert auf Seite 4.
Das Bild mit Mitgliedern der Familie Schönfeld zeigt:
In der ersten Reihe von links: Hermann Schönfeld, Rosa Knieling, ein Kind, Irma Knieling, ganz hinten in der Mitte Frau Schönfeld.
Brüder-Schönfeld-Haus
Im Jahr 1995 stellten die Fraktionen von SPD und Grünen im Maintaler Stadtparlament den Antrag, den Platz vor dem „Frankfurter Hof“, in „Gebrüder-Schönfeld‑Platz“ umzubenennen.
Weil der Antrag jedoch von „Rot-Grün“ kam, lehnten CDU und Freie Maintaler ihn ab. Irma Schwulera, die Cousine der beiden Brüder schaltete sich im Januar 1996 ein und forderte, „Mahnung und Erinnerung nicht verschämt in der Schublade oder einer Friedhofecke stattfinden zu lassen, sondern öffentlich zum Nachdenken anzuregen und somit einen Beitrag für ein friedlicheres, zukünftiges Miteinander zu leisten“ ‑ vergeblich.
Man führte an, daß dann Änderungen bei Hausnummern nötig seien (obwohl man eine Freifläche auch umbenennen kann, ohne die Hausnummern zu ändern) und daß Feuerwehr und Krankenwagen von der Umbenennung verwirrt werden könnten.
Als Zeichen des Protestes rief „Rot‑Grün“ eigenmächtig am Sonntag, 19. November 1995
den „Gebrüder‑Schönfeld‑Platz“ aus. Der damalige Maintaler SPD‑Chef Alexander Kühn verdeutlichte an diesem Tag gegenüber dem Tagesanzeiger, man wolle „der furchtbaren Geschichte dort gedenken, wo sie geschah“. Die angebrachten Schilder mußten jedoch wieder entfernt werden.
Wenige Tage darauf wurde das „Atriumgebäude“ der ehemaligen Dietrich‑Bonhoeffer‑Schule vom Kreis abgekauft. Auf Vorschlag der CDU wurde dieses Atriumgebäude der früheren Bonhoeffer-Schule in „Brüder-Schönfeld-Haus“ umbenannt. Das war eine sehr gute Alternative: Wo sich auch heute noch Kinder und Jugendliche treffen, ist ein guter Ort des Gedenkens an zwei Kinder. Und weil dort häufig Veranstaltungen stattfinden, wird der Name auch oft genannt und ist im Bewußtsein der Bevölkerung.
Im Gebäude selbst erinnert eine Gedenktafel an Horst und Gerhard Schönfeld. Der Text der Tafel lautet: „Brüder-Schönfeld-Haus. Die beiden Brüder Horst und Gerhard Schönfeld wurden im Jahre 1941 im Alter von 11 und 9 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet, weil sie Juden waren. Mit diesem Haus soll ihrer und aller anderen Oper gedacht werden, die aus Dörnigheim und anderen Orten fliehen mußten und ermordet wurden. Die Erinnerung soll uns mahnen, daß sich so etwas niemals wiederholen darf“
Aus dem Anlaß der Namensgebung besuchen frühere jüdische Einwohner im Jahre 1997 die Stadt Maintal und sind auch bei der Enthüllung der Gedenktafel dabei und sprachen gemeinsam das jüdische Totengebet. Danach sagt Frau Schwulera: „Gerhard hatte doch recht. Er ist wiedergekommen. Nur auf eine andere Weise!“
Unter den Gästen sind Irma Schwulera, Tochter von Rosa Knieling, Cousine der Brüder Schönfeld, mit ihrer Tochter Ingrid Wettberg aus Garbsen bei Hannover und deren Kinder Gregor und Ralph. Weitere Gäste sind Fred Schönfeld aus Goldbach, jetzt Mineola, N.Y. und sein Cousin Henry F. Schönfeld aus Nürnberg, jetzt Baltimore. Fred Schönfeld hat seit 1997 mehrfach die Stadt Maintal besucht und ist im Jahre 2006 gestorben. Teilnehmer an dem Besuchsprogramm der Stadt im Jahre 1997 ist auch Doris Stein geborene Marx, die Frau von Louis Stein.
Heute wird das Brüder-Schönfeld-Haus von folgenden Gruppen und Einrichtungen genutzt: Kinderclub „Boni’s Treff“, Westendbüro, Akfasa - das etwas andere Café, Jugendtreff, Jugendamt - Soziale Dienste, Unterrichtsstätte der Volkshochschule Main-Kinzig, Eltern-Kind-Verein (mit Miniclub) und Computerclub. Weitere Aktivitäten sind Frauenfrühstück, Frauentreffen, Deutschkurse, Mädchengruppe, Tanzgruppe, Forum für Kind und Familie, Kino, Mädchentag, Sonntagstreff, Kochen/Backen und Relaxweekend.
Brüder-Schönfeld-Forum
Zur Erinnerung an Horst und Gerhard Schönfeld wird auch das „Brüder-Schönfeld-Forum“ gegründet, das sich mit der Geschichte der Juden befaßt und für Toleranz und Menschlichkeit eintritt. Nachdem schon in vielen Städten und Gemeinden frühere jüdische Einwohner zu einem Besuch eingeladen worden waren, kam auch in Maintal der Wunsch nach so einer Einladung auf. Treibende Kraft war dabei Herr Begemann, der Kulturamtsleiter der Stadt. Er brachte den Vorschlag in den Magistrat, der dann die Mittel bereit stellte und die Einladungen aussprach. Auch wenn nachher der Bürgermeister die Idee zur Einladung der früheren Einwohner und zur Gründung eines Forums öffentlich aussprach, so stammt sie doch von Herrn Begemann. Aus dem Besuch der früheren Einwohner im Jahre 1997 ergab sich dann die Gründung der „Brüder-Schönfeld-Arbeitskreises“.
Einladung: „Der Magistrat der Stadt Maintal lädt zur Gründungsveranstaltung des Brüder-Schönfeld-Forums in das Dörnigheimer Doorm-Hotel, Westendstraße 77, ein. Am Sonntag, 30. November 1997, um 10 Uhr soll diese stattfinden. Hintergrund ist das Wachhalten der Erinnerung an die Brüder Schönfeld, die in Dörnigheim gelebt haben, von den Nationalsozialisten verschleppt und in Riga ermordet wurden. Anläßlich der Umbenennung des Atriumgebäudes der Bonhoefferschule in Brüder-Schönfeld-Haus im Mai dieses Jahres hatte Bürgermeister Rohrbach dieses Forum angekündigt, in dem es nun alljährlich um Fragen der Menschlichkeit und der Toleranz gehen soll. Bürgermeister Rohrbach wird auch die Begrüßung vornehmen. Eingeladen sind alle Bürger. Anläßlich des ersten Forums soll der Besuch der jüdischen Gäste ausgewertet werden. Zudem können Anregungen für die zukünftige Form des Forums gegeben werden. Der Termin für das zweite Forum steht übrigens auch schon fest. Es soll am 29. November 1998 stattfinden.“
Bericht: Rund 25 Besucherinnen und Besucher waren zum ersten „Brüder-Schönfeld-Forum für Menschlichkeit und Toleranz” ins Dörnigheimer Doorm-Hotel gekommen. Bürgermeister Erhard Rohrbach konnte dabei auch Ingrid Wettberg begrüßen, die Tochter einer Cousine der beiden ermordeten Brüder. Aufarbeitung des jüdischen Lebens in Maintal, Inforationen über das heutige Judentum, Gespräche mit. Jugendlichen und Zeitzeugen, „etwas in Gang setzen”, damit die Bürgerinnen und Bürger in die Aufarbeitung mit eingebunden werden können. Diese und noch viele andere Vorschläge wurden beim ersten „Brüder-Schönfeld-Forum" von den rund 25 Teilnehmern gemacht, die zur Gründungsveranstaltung am Sonntagvormittag ins Doorm-Hotel gekommen waren. Bürgermeister Rohrbach freute sich dabei besonders, auch wieder Ingrid Wettberg begrüßen zu können.
Inge Wettberg ist die Tochter von Irma Schwulera, einer Cousine der später von den Nazis ermordeten Brüder Horst und Gerhard Schönfeld (Enkel des Turngemeinde-Gründers Isaak Schönfeld), nach denen das ehemalige Atrium-Gebäude an der Bonhefferschule benannt ist Anläßlich der Widmung des Brüder-Schönfeld-Hauses hatte Bürgermeister Rohrbach angeregt, ein sich jährlich wiederholendes Forum einzurichten, das die Erinnerung an die Brüder Schönfeld wach halten solle.
Gestern Vormittag im Dörnigheimer Doorm-Hotel war es soweit, das erste Forum wurde aus der Taufe gehoben, das unter dem Motto „Für Menschlichkeit und Toleranz“ stand. Bürgermeister Rohrbach konnte dabei rund 25 interessierte Bürgerinnen und Bürger begrüßen, darunter auch den neuen Stadtverordnetenvorsteher Karl-Heinz Kaiser. Später übernahm dann Kulturamtsleiter Herbert Begemann die Diskussionsleitung. Die meisten Anwesenden hatten sich schon anläßlich des Besuches ehemaliger jüdischer Mitbürger im Sommer dieses Jahres engagiert.
So wurde erst einmal eine kleine Zwischenbilanz über die für die meisten doch sehr bewegende Woche im Mai gezogen. Damals waren 15 heute in den USA lebende ehemalige Bürger Dörnigheims und Wachenbuchens auf Einladung der Stadt erstmals wieder in ihre ehemalige Heimat gekommen. Damals hielt Ingrid Wettberg eine sehr bemerken- und nachdenkenswerte Rede vor dem Parlament. Und auch bei ihrem gestrigen Besuch sprach sie nochmals von den „zunächst sehr gemischten Gefühlen“, als sie erstmals nach Maintal kam. Doch sie habe ihre Vorbehalte schnell aufgegeben. Auch für sie sei es eine sehr bewegende Woche mit vielen Eindrücken gewesen, ließ sie den ersten Besuch nochmals Revue passieren. Dies vor allem unter dem Aspekt, daß ihre Mutter bis dahin nie über die Vergangenheit sprechen konnte. Der Besuch in Maintal ist für sie wie eine Befreiung gewesen, erstmals hatte sie sich alles von der Seele reden können
Auch andere Teilnehmer kamen nochmals auf ihre Eindrücke zu sprechen. Besonders bewegend war es für Zeitzeugen, die ihre ehemaligen Schulkameraden nach über 50 Jahren erstmals wieder sahen. Noch jetzt, einige Monate nach dem Besuch im Frühsommer, zeigten sich Forumsteilnehmer tief beeindruckt von den Begegnungen mit den ehemaligen Mitbürgern und vor allem von deren Toleranz. Der Grüne Horst Andes: „Die Woche im Mai waren die nachhaltigsten Eindrücke in meinem bisherigen Leben“. So oder ähnlich gaben die meisten ihre ganz persönlichen Erfahrungen wieder.
Diese Art Auswertung des Besuchs der jüdischen Gäste wurde ganz bewußt zu Beginn gewählt, um anschließend berichten zu können, was sich seit dieser Zeit alles getan hat, Auch wurde von allen der Willen bekundet, ein jährliches Forum abzuhalten, um dabei dann verschiedene Aktionen durchzuführen. Hierzu machte wiederum Ingrid Wettberg einige Vorschläge: „Es soll etwas in Gang- gesetzt werden, was aus der Bevölkerung heraus kommt und woran die Bürger auch beteiligt werden können”, so Frau Wettbergs Wunsch. Es sei ganz besonders wichtig, gerade die Jüngeren über jüdisches Leben und jüdische Tradition zu informieren, weil Jugendliche heute kaum noch Kontakt zu Juden hätten.
Wie Herbert Begemann gegen Schluß des ersten Teils erklärte, habe sich eine Fülle neuer Informationen und auch Fragen ergeben, die aufgearbeitet werden müßten. Gerade für das Jubiläumsjahr Wachenbuchens, wo Anfang des Jahrhunderts die weitaus meisten Juden lebten, habe die behutsame, aber genau recherchierte Aufklärung der persönlichen Schicksale eine aktuelle Bedeutung.
Folgenden Themen und Arbeitsschwerpunkten widmet sich der Arbeitskreis:
* Aufklären und informieren über das Selbstverständnis und das Leben jüdischer Menschen heute in Deutschland und Europa.
* Beschäftigung mit der deutschen Vergangenheit und der daraus gewachsenen historischen Verantwortung.
* Aufspüren und dokumentieren der Ursachen, Umstände und Verhaltensweisen. die den Faschismus ermöglichten.
* Wachhalten der Erinnerung durch Gedenken und geschichtliche Aufarbeitung
* Stärken des Widerstandes und der Zivilcourage gegen Rassendiskriminierung und ausländerfeindliche Tendenzen.
* Impulse geben für eine menschliche und tolerante Gestaltung des Zusammenlebens.
* Jährlich stattfindendes „Brüder-Schönfeld-Forum”; Informationsveranstaltungen, Lesungen, Vorträge, Ausstellungen, Theater, Musikveranstaltungen, Museumsbesuche, Veranstaltungen mit Zeitzeugen, Zusammenarbeit mit Schulen und Trägern außerschulischer Jugendarbeit sowie mit der Stadt Maintal [nicht erwähnt ist die Synagoge in Wachenbuchen].
Vorschläge von Frau Wettberg für ein Schönfeld-Forum:
Zweck des Vereins:
* Das Wachhalten des Gedenkens an die Brüder Schönfeld und alle Juden, die in der Zeit der- nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland verfolgt und ermordet wurden.
* Das Aufspüren und Dokumentieren der Ursachen, Umstände und Abläufe, die es möglich machten, daß das Ziel der nationalsozialistischen Reichsregierung, die Vernichtung der Juden, eine fast lückenlose Umsetzung fand, und daß einzelne Organisationen und Personen sich dem staatlichen Auftrag, die Juden der Ermordung zuzuführen widersetzen wollten und konnten.
* Das Aufklären und Informieren über das Selbstverständnis und Leben jüdischer Menschen heute in Deutschland und Europa.
* Der Verfolgung der Vereinsziele dienen öffentliche Veranstaltungen und der Aufbau eines Dokumentationszentrums, das so organisiert und räumlich an-geordnet ist, daß es der Öffentlichkeit und insbesondere Schülern, Auszubildenden und Studenten unaufwendig nutzbar ist.
Mitgliedschaft:
Die Mitgliedschaft steht jeder Person jeden Alters offen, d e bereit ist, mit dem Erwerb der Mitgliedschaft zu erklären. do8 sie die Vereinsziele uneingeschränkt mit trägt und verfolgt. Eine Mitgliederwerbung richtet sich insbesondere an Personen mit meinungsbildenden Funktionen im öffentlichen Leben und in Ausbildungsstätten.
Vorschläge von Horst Andes, Klosterhofstraße 5:
Rahmenkonzept:
Der Verein wird nach Vereinsrecht konstituiert.
Die Stadt Maintal sollte förderndes Vereinsmitglied sein.
Der Verein organisiert in regelmäßigem Turnus zu Anfang vierteljährlich (im Brüder-Schönfeld-Haus?) öffentliche Veranstaltungen, die im Sinne der Satzung sind.
Dazu können gehören:
* Lesungen
* Informationsbesuche in z.B. dem Jüdischen Museum Frankfurt
* Ausstellungen zum Holocaust
* Ausstellungen zum jüdischen Leben in Vergangenheit und Gegenwart
* Jährlich eine Veranstaltung unter dem Titel „Brüder-Schönfeld-Forum”
* Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit jüdischen Gemeinden der Umgebung
* Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen
* Kontakte zum Museum der Stadt Maintal/Museumsverein
* Zusammenarbeit mit dem Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt
* Veranstaltungen zum Selbstverständnis und Leben jüdischer Menschen heute
* Kontakte zu den verschiedenen Religionsgemeinschaften.
Im Jahre 2009 wurde das Schönfeld-Forum in einen Verein umgewandelt. Damit entzog sich die Stadt Maintal ihrer Verantwortung (abgesehen von einem festen finanziellen Zuschuß).
Vorsitzender des Vereins wurde Herbert Begemann.
Am 24.11.2011 erinnert der Verein Brüder-Schönfeld-Forum an 70. Todestag der Familie Schönfeld.
Der Verein Brüder-Schönfeld-Forum zeiget ab Donnerstag, 4. September 2014 im Maintaler Rathaus an der Klosterhofstraße erstmals eine Ausstellung der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vachem. Thema ist „Der Alltag jüdischer Kinder während des Holocausts“. Die Ausstellung wandert bereits seit mehreren Jahren durch Deutschland. Die Eröffnung findet um 18 Uhr mit einem Rundgang statt, an dem auch Bürgermeister Erhard Rohrbach und die Kinderbeauftragte Monika Böttcher teilnehmen.
„Wenn in Kürze der Internationale Tag des Kindes ansteht, wird durch die Ausstellung dokumentiert, daß die Sorge um Kinder in Zeiten von Krieg und Verfolgung eine ganz andere Dimension hat, als in der mehr oder weniger behüteten Welt des heutigen Deutschland. Unter den sechs Millionen Juden, die im Holocaust ermordet wurden, waren etwa eineinhalb Millionen Kinder. Die Zahl der jüdischen Kinder, die überlebten, wird auf wenige tausend geschätzt“, informiert Herbert Begemann
Während des Rundgangs erläuterte Begemann den Zusammenhang von repräsentativen Fotografien und regionalen Schicksalen. So bezog er die auf den Bildern dargestellten Momente auf die Situation von jüdischen Maintaler Kindern und deren Familien. Er stellte den Lebensweg der Schönfeld-Brüder, den Namensgebern des Vereins, vor.
Zu den vielen umgekommenen jüdischen Kindern zählen auch die Brüder Horst und Gerhard Schönfeld aus Dörnigheim, die für den Maintaler Verein namensgebend sind, aber auch einige Kinder aus Wachenbuchen wie Inge und Lydia Heippert, Inge Herlitz, Ilse Strauß oder Gertrud Eisemann. Hinzu kommen noch die überlebenden Kinder wie Lothar Strauß aus Wachenbuchen, der gleich drei Lager - Theresienstadt, Auschwitz und Dachau - durchlitten hat und zeitlebens traumatisiert war. „Gerade solche örtlichen Bezüge sind es, die allgemein konzipierte Ausstellungen für den Geschichtsunterricht an Schulen besonders interessant machen“, führt Begemann weiter aus. „Man muss bedenken“, erklärte Böttcher, „daß es in dieser Zeit keine psychologische Betreuung wie heute gab. Man kann sich nicht vorstellen, was die Kinder im Leben mit sich herumgetragen haben.“
Im „Tagesanzeiger“ erschien ein Zeitungsartikel von Frank Walzer, der die Geschichte der Familie Schönfeld noch einmal zusammenfaßte
Frühere jüdische Familien
Im 20. Jahrhundert gibt es nur drei jüdische Familien in Dörnigheim, die Familien Kahn (Schwanengasse 4) und die Familien Schönfeld (Frankfurter Straße 27) und Schönfeld (Frankfurter Straße 9). Die Datenbank des Vereins „Brüder- Schönfeld-Forum“ führt noch weitere Juden aus Dörnigheim auf, die entweder weggezogen sind oder im 19. Jahrhundert lebten, deren Nachkommen aber Holocaust-Opfer waren.
[Zu den alten Hausnummern ist zu sagen: Im Jahre 1893 wurden Straßenschilder und Hausnummern angeschafft (das war früh, anderswo geschah das erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts). Die Numerierung begann wohl am Obertor (Ecke Kennedystraße / Schwanengasse). Wenn es heißt „Hausnummer 9“ (Straße), dann handelte es sich wohl um die Frankfurter Straße: dort wohnte die Familie Seligmann Kahn. Die Familie Steigerwald wohnte in Nummer 3. Lehrer Nußbaum wohnte in Haus Nummer 43. Die Nummer 63 ist heute die Untergasse 5. Die Familie Wolf Steigerwald wohnte Nummer 79. Die Familie von Elkan wohnte in Nummer 87. Die eine Familie Kahn wohnte in der Nummer 109. Die Familie Hirsch in Hausnummer 120.
Da für Dörnigheim keine Liste mit alten und neuen Nummern besteht, kann man diese nur rekonstruieren aus den Kirchenbüchern: Man muß sich Familien in der fraglichen Zeit ansehen, die Kinder in der Zeit der alten Hausnummer und Kinder in der Zeit der neuen Hausnummer hatten. Das geht natürlich nicht bei den jüdischen Familien, aber wenn man die anderen alle hat, kann man auch die jüdischen Familien mit Hausnummern einfügen].
von Elkan, Isidor (Familie 297)
Im Haus Nr. 87 wohnte Isidor van Elkan, geboren am 23.10.1885 in Dörnigheim, Sohn von Maier van Elkan aus Aurich und Mathilde geborene Zeller aus Züntersbach. Aufgewachsen ist Isidor offenbar in Hanau, wo die van Elkans nach 1922 ein Konfektionsgeschäft mit Bettfedernreinigung unterhielten. Isidor machte sich 1912 in Frankfurt selbständig. Verheiratet war er in erster Ehe mit Klara geborene Stern, geboren am 27.09. 1884 in Weiskirchen. Sie hatten die Tochter Norma, geboren um 1917 und gestorben 1938. In zweiter Ehe war Isidor verheiratet mit Lina geborene Levy, geboren am 10.07.1888 in Berwangen bei Heilbronn. Mit ihr hat er den Sohn Herbert Siegfried Simon, geboren 1921 in Frankfurt und gestorben 2001 in Australien. Spätestens ab 1931 betreiben die Eheleute in der Fahrgasse 130 ein Geschäft für Konfektion, Koffer und Reiseartikel. Wohnadresse war der Baumweg 38. Später wurde die Familie gezwungen, in die Ostendstraße 1 umzuziehen.
Im November 1938 kam Isidor van Elkan als „Aktionsjude“ nach Buchenwald und war hier bis zum 9. Dezember inhaftiert. Im Gegensatz zu den Geschwistern gelang Isidor und Lina nicht mehr die Flucht ins Ausland. Sie wurden am 15.09.1942 nach Theresienstadt verschleppt, wo Lina bald nach Ankunft am 05.10.1942 verstarb. Zwei Jahre später wurde Isidor weiter nach Auschwitz verschleppt und am 16.10.1944 dort ermordet.
Seine Schwester war Johanna van Elkan, geboren am 15.03.1888 in Dörnigheim. Sie heiratete am 28.05.1909 in Hanau ihren Mann Hermann Liese, geboren am 19.03.1886 in Hanau, gestorben in Hialeah, Florida, USA. Sie starb am 15.01.1960 in Dade County in Florida.
Gumpertz, Sigmund (auch: Gumbertz). Familie 298
Sigmund (Siegesmund) Gumpertz wurde am 04.02.1853 in Holten (Oberhausen) geboren und wohnte in Frankfurt, Graubengasse 5. Er heiratete am 12.12.1884 in Dörnigheim Helene (Lenchen) geborene Schönfeld, geboren am 01.04.1854). sie haben drei Kinder:
(1.) Sally Gumpertz wurde am 06.05.1888 in Dörnigheim geboren. Er war Prokurist bei Bamberg & Herz in Köln. Am 15.05.1922 heiratete er in Sögel Frauke Frieda Meyer aus Westrhauderfehn. Am 29.04.1928 zog er nach München. Von dort wanderte er aus nach Belgien. Am 01.05.1940 wurde er verschleppt in das Internierungslager Saint Cyprien und vor 1942 weiter in das Sammellager nach Drancy (20 Kilometer nordöstlich von Paris) gebracht. Am 31.08.1942 wurde er in Auschwitz ermordet. Das letzte Lebenszeichen der Frau ist aus dem Jahre 1939.
(2.) Hermann Gumpertz, geboren am 13.04.1892 in Holten, verheiratet mit Adele geborene Meyer, geboren am
21.02.1897 in Sögel, Wohnung in Rhaudermoor. Die Eheleute wurden mit dem Vater des Mannes am 23.04.1943 in Sobibor ermordet. Stolperstein liegen in Rhauderfehn, Rhauderwieke 2.
(3.) Erna Gumpertz, geboren am 21.09.1895 in Holten, heiratete Gottfried Müller, den Vetter der Adele Gumpertz geborene Meyer, geboren am 19.10.1897 in Emden. Die Frau wurde
am
29.01.1943 in Auschwitz ermordet. der Mann am 16.02.1943.
In zweiter Ehe war Sigmund Gumpertz verheiratet mit Bertha geborene Sander, geboren am 03.10.1867 in Breslau. Ihre Kinder sind Julius und Helene, alle geboren in Holten. Der Sohn Julius kam bei Kämpfen im Ruhraufstand um. Die Tochter ist nach Australien ausgewandert. Ein Stolperstein für Siegesmund und Bertha Gumpertz (zweite Ehefrau) wurde in Oberhausen, Schmachtendorfer Straße 80 gesetzt. Die Eheleute zogen 1935 in die Niederlande. Der Mann wurde am 23.04.1943 in Sobibor ermordet, die Frau am 01.04.1943 in Westerbork in den Niederlanden.
Steigerwald:
Die Familien Steigerwald gehören im 19.Jahrhundert zum Alltag des Ortes Dörnigheim.
Schon in der Judentabelle von 1820 werden Moses Herz Steigerwald und seine Frau Gidle aus Friedberg genannt, die Stammeltern von Wolf Steigerwald. Die Stammeltern des anderen Zweiges der Familie sind David Steigerwald und Bettche geborene Nußbaum. Sie haben 14 Kinder, von denen aber nur drei das Erwachsenenalter erreichen: Herz, Feist und Leser Steigerwald sind also Brüder, Wolf Steigerwald ist deren Vetter. Es ist erstaunlich, daß der Name gegen Ende jenes Jahrhunderts in Dörnigheim verschwindet. Erklärbar ist das mit Wegzügen, vor allem ins benachbarte Frankfurt. So wird von Leser (Löser) und Wolf Steigerwald, die als Teilnehmer des Krieges 1870 / 1871 auf der Erinnerungstafel auf dem alten Friedhof Dörnigheim erwähnt sind, im Jahre 1896 berichtet, daß sie inzwischen nach Frankfurt verzogen seien.
Steigerwald, Herz: Familie 140
Herz (oder: Hertz) Steigerwald wurde am 18.01.1836 geboren und heiratete am 01.11.1864 seine Frau Jette geborene Freimark, die am 14.06.1842 in Homburg (heute Triefenstein am Main) geboren wurde. Herz starb am 09.07.1917 in Frankfurt und ist dort auch begraben. Jette starb am 14.10.1907 in Frankfurt. Die Kinder waren:
(1.) Karoline (Gitel), Großmutter der Brüder Horst und Gerhard Schönfeld.
(2.) Moses (Moritz), geboren am 03.0.1867, wohnte in Frankfurt, Im Sachsenlager 20. Er war
Verheiratet mit Adele (Adelheid) geborene Grünebaum, geboren am 29.09.1871 in Oberursel. Der Mann starb am 18.08.1942 durch Selbstmord, die Frau am 16.03.1944 in Theresienstadt. Stolpersteine sind in Frankfurt, Ostendstraße 49 verlegt. Die Kinder sind:
(3.) Bernhardt, geboren am 22.09.1868, heiratete Hannchen geborene Reinhardt, die am
30.07.1867 in Wachenbuchen geboren wurde und die am 09.04.1937 starb; das Grab ist in
Hanau auf dem jüdischen Friedhof. Bernhardt starb am 30.04.1939 in der „Heil- und Pflegeanstalt“ Weilmünster. Er war gehörlos und kam vielleicht deswegen nach dem Tod seiner Ehefrau in die Heil- und Pflegeanstalt. Weilmünster ist ab etwa 1939 bekannt als eine Durchgangsstation zur Tötung von Behinderten. Für Bernhardt Steigerwald ist als Todesursache ein Herzversagen bescheinigt worden. Eine absichtliche Tötung ist für April 1939 (noch) nicht anzunehmen.
(4.) Salomon, geboren am 25.06.1870, gestorben am 15.08.1932 in Frankfurt, verheiratet mit Minna geborene Speier, geboren am 10.09.1873 in Burghaun, gestorben am 15.06.1943 in Theresienstadt. Ein Stolperstein ist in Frankfurt, Reuterweg 73, verlegt.
Sie haben zwei Söhne:
(5.) Bertha, geboren am 16.12.1872, gestorben am 17.10.1937 in Frankfurt, verheiratet mit Jacob Rosengarten, geboren am 07.07.1868 in Weyers bei Fulda, der am 11.05.1944 in Theresienstadt starb. Sie haben die Kinder:
(6.) Klara (auch Clara), geboren am 20.07.1874, verheiratet mit Albert Seewald, der am 31.10.1874 in Gambach geboren wurde (wohl der Ort bei Gießen). Die Eheleute wohnten in Frankfurt, Fischerstraße 6. Albert Seewald war ein erfolgreicher Frankfurter Kaufmann. Er unterhielt auf der Zeil eine Großhandlung für Fahrräder, Nähmaschinen, Gummireifen und Sportartikel. Infolge der Boykottmaßnahmen ging die Firma im Jahr 1936 in Konkurs, stellte den Betrieb aber erst Ende August 1938 ein.
Albert Seewald floh danach mit Frau und dem an der Firma beteiligten Sohn Max nach Holland. Am 06.12.1936 lebten sie
in Amsterdam, Nierstraße 55. Noch von Amsterdam aus versuchte er auf die Geschicke seines bisherigen Unternehmens Einfluß zu nehmen und korrespondierte mit dem Konkursverwalter wie dem
Finanzamt.
Am 04.03 1943 wurden Albert, Klara und Max Seewald verhaftet und ins Lager Westerbork gebracht und wurden am 30.04.1943 in Sobibor ermordet. Nur die Töchter Beatrice und Gertrude brachten sich
rechtzeitig durch Ausreise in die USA in Sicherheit. Die Kinder:
Steigerwald, Feist: Familien 142 und 279
Im Jahre 1875 wohnte die Familie in Hausnummer 3 (alte Zählung). Feist Steigerwald, geboren am 11.02.1841, heiratete am 24.8.1869 Hannchen geborene Schwarzschild aus Rückingen, die um 1846 geboren war. Die Kinder waren:
(1.) Moses (Moritz), geboren am 23.04.1870, Wohnung in Frankfurt, Hebelstraße 23. Er heiratete am 01.08.1907 in Karlsruhe seine Frau Sophie Schuster, geboren am 22.04.1878 in Rülzheim (beim Schönfeld-Forum ist die Familie etwas unübersichtlich dargestellt).
Die Frau hatte eine voreheliche Tochter Lilly Schuster, geboren am 26.06.1899 in Karlsruhe, später verheiratete Wächter. Die Eheleute hatten dann noch den Sohn Feist Ferdinand, geboren am 15.05.1908. Er wohnte zunächst in Frankfurt in der Bettinastraße. Er heiratete seine Frau Balbina, die am 07.11.1907 in Moos (Baden) geboren war und römisch-katholisch war. Mit der Heirat trat Feist Ferdinand zur römisch-katholischen Kirche über und sie wohnten dann im Sandweg 76 und hatten zwei Kinder, geboren etwa 1938 und 1940. Der Mann kam am 12.11.1938 nach Buchenwald und starb dort am 30.03.1939.
Moses Steigerwald gehörte zur armen Bevölkerung. Im Entschädigungsverfahren gibt die Stieftochter seinen erlernten Beruf mit „Hilfsarbeiter“ an. In dieser Lage sind die Aussichten, der Vernichtung durch Flucht zu entkommen, äußerst gering. Während der Sohn schon das Konzentrationslager Buchenwald 1939 nicht überlebt hatte, starben die Eltern in den Lagern: Moses wurde am 01.09.1942 nach Theresienstadt verschleppt und starb dort am 19.02.1944. Sophie wurde wohl gleichzeitig nach Theresienstadt verschleppt und starb am 15.05.1944 in Auschwitz.
(2.) Berthe, geboren 08.06.1871, starb 1872
(3) Malche, geboren am 14.09.1872
(4.) Heinrich, geboren am 26.12.1873
(5.) Karoline, geboren am 04.08.1875, gestorben 28.10.1875
(6.) Theodor, geboren am 28.09.1876.
In zweiter Ehe war Feist Steigerwald seit dem 06.04.1877 verheiratet mit Malchen geborene Schwarzschild, geboren am 15.04.1852 in Rückingen, wie die erste Frau also aus Rückingen. Die Tochter Sara wurde am 09.01.1878 geboren und heiratete nach Niederrodenbach. Sie wurde zwar 1942 nach Theresienstadt verschleppt, erlebte aber die Befreiung noch und kann das Lager am 14.06.1945 verlassen. Sie starb am 11 06.1961 in Chicago.
Steigerwald, Leser: Familie 150
Er heißt mit Vornamen auch Löser oder Lazarus und ist geboren am 25.01.1848. Er heiratete am 12.03.1872 Sara geborene Freudenreich aus Urspringen (Rhön), die am 10.10.1847 geboren war. Der Mann starb am 25.01.1915 in Frankfurt und ist dort auch begraben. Die Frau starb am 27.02.1920 in Frankfurt. Die Kinder waren:
(1.) Ein Sohn, geboren 27.06.1872
(2.) Moritz, geboren am 08.06.1873
(3.) Salomon, geboren am 24.02. 1875, Frankfurt Altkönigstr.19, war Teilhaber und seit 1929 Inhaber der Firma Steigerwald & Oppenheimer in der Kaiserstraße 53, eines Großhandels mit Knöpfen und Besatzartikeln. Die Ehefrau hieß Toni und war am 19.11.1879 geboren. Im November 1939 reiste das Ehepaar in USA aus. Der Mann starb am 16.05. 1964 in New York, die Frau starb auch in den USA.
(4.) Jacob, geboren am 20.03. 1877. Er hatte in Frankfurt, Altkönigstraße 19, ein Viehkommissionsgeschäft am
Frankfurter Schlachthof. Verheiratet war er seit 04.02.1904 mit Hedwig geborene Kleeblatt, geboren am 01.11.1881 in Seligenstadt. Im Frühjahre 1940 reiste das Ehepaar über Rußland und
Japan in die USA aus, die Reise zog sich aber durch Ablauf des Visums für die USA bis in den Spätherbst hin. Der Mann starb staatenlos am 12.06. 1944 in Washington D.C. Die Frau starb am 28.08.1954
in Chevy Chase (USA). Die Tochter Gertrude (Trudy), geboren am 30.09.1905 in Frankfurt, heiratete Erich Frank, geboren am 15.03.1893 in Gleidingen (Region Hannover) und starb am
12.08.1999 in Bethesda (USA).
Salomon Steigerwald und Jacob Steigerwald haben sich und ihre Familie durch späte, aber noch rechtzeitige Flucht in die USA retten können. Zugute kam ihnen dabei, daß sie geschäftlich bis zum Boykott
erfolgreich und dadurch wohlhabend waren.
Steigerwald, Wolf: Familie 147
Wolf Steigerwald, geboren am 07.03.1845, heiratete am 30.06.1870 seine Frau Hannchen geborene Reinhardt aus Wachenbuchen, die am 30.06.1842 geboren war. Sie wohnten im Haus Nummer 79 (alte Zählung). Ihre Kinder waren:
(1.) Helene (Helena), geboren am 18.10.1873. Sie kam am 18.08.1942 nach Theresienstadt und wurde am 26.09.1942 in Treblinka ermordet.
(2.) Abraham (auch: Adolph Abraham) wurde am 25.09.1874 geboren. Er hatte ein Schirmgeschäft in Frankfurt (Angabe fehlt bei Schönfeld-Forum). In erster Ehe war er seit 1896 verheiratet mit Karoline geborene Friedberger, die am 16.02.1868 geboren war. Die Kinder sind:
Im zweiter Ehe war Abraham Steigerwald verheiratet seit 08.05.1921 in Frankfurt mit Hannchen geborene Stern aus Lendershausen (Landkreis Haßberge), geboren am 08.03.1881 oder 08.0.1888. Die Eheleute kamen 1942 in das Lager Drancy und am 06.11.1942 nach Auschwitz und wurden dort ermordet. Zwei Stolpersteine wurden in Frankfurt vor dem Haus Berger Straße 200 verlegt.
(3.) Samuel, geboren am 21.12.1875 (auch: Gustav Siegmund, fehlt bei Schönfeld-Forum).
Strauß, Isaak: Familie 135
Isaac Strauß wurde am 24.01.1829 geboren und heiratete am 18.05.1862 Karoline geborene Freimark, geboren um 1840 in Homburg am Main (heute: Triefenstein). (andere Angabe: Homberg bei Schweinfurt). Von den sechs Kindern heiratete Bernhart, geboren am 22.07.1867, seine Frau Berthe Goldschmidt und die jüngste Tochter Jeanette, geboren am 19.03.1874, wurde am 27.07.1942 aus Köln nach Theresienstadt deportiert und starb am 15.01.1943 in Theresienstadt. In der Todesfallanzeige ist sie als „Witwe“ eingetragen, sie war eine verheiratete „Strauß“.
Heinemann:
Heinemann Heinemann, geboren 1843, heiratet irgendwann (im Jahre 1910 wird angenommen, daß die Frau verheiratet ist) Sophie geborene Heinemann. Sie hat aber bei der Heirat schon fünf uneheliche Kinder, die in unterschiedlichen Kliniken bzw. Orten geboren wurden:
Die Kinder Herrmann, geboren am 09.06.1873, und Isaac, geboren am 31.08.1875, sind dann wohl die ehelichen Kinder.
Weitere jüdische Familien in Dörnigheim:
Blum, Moses Jakob (Familie 530)
Grünbaum, Abraham (Familie 177, auch „Grünewald“)
Hirsch (Familie 299, alte Hausnummer 120)
Mayer, Jakob (290 und 289)
Nußbaum, Abraham, Lehrer (Familie 291),
Stern, Ludwig (Familie 308, Schwanengasse 4)
Strauß, David (Familie 13 und 135 )
Strauß, Isaak (Familie 135, siehe Tabelle)
Strauß , Salomon (Familie 6)
Wolf, Samuel (Familie 458)
Im Personenstandsregister der Synagogengemeinde Hochstadt unter dem Datum vom 3. Juli 1854 findet sich folgender Eintrag: Am 6. Dezember 1852 wird den Eheleuten Isaak Maier und Rosinas geborene Nußbaum eine Tochter geboren. Der Wohnort der Eltern ist unbekannt. Am 6. Dezember 1852 wird den Eheleuten Isaak Maier und Rosinas geborene Nußbaum eine Tochter geboren. Der Wohnort der Eltern ist unbekannt. Das Kind ist auf der Reise in Dörnigheim geboren worden.
Das Kind ist auf der Reise in Dörnigheim geboren worden. Auch am 3. Juli 1854 wird das Kind Zacharias Eismann auf der Reise in Dörnigheim geboren. Die Eltern sind aus Sierenberg in Holland. Das ist offenbar aber eine andere Familie als die aus Wachenbuchen, die nach einer Nachricht aus Bad Orb „Eisenmann“ heißt und nicht „Eisermann“, wie der Name in Wachenbuchen erscheint.
Die jüdische Gemeinde in Bischofsheim
Geschichte
Die Auskünfte der Bischofsheimer Rechnungsbücher über die Juden sind dürftig. Unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg waren schon Juden im Ort. Sicher ist, daß einige Juden schon um 1750 eigene Häuser hatten, die in verschiedenen Straßen lagen, es gab also kein Ghetto. In den Liegenschaftsverzeichnissen der Äcker tritt kein jüdischer Name auf, Juden besaßen also kein eigenes Land. Von irgendwelchen Exzessen gegen die jüdischen Einwohner wird nirgends etwas berichtet, die Wellen der Judenverfolgungen, die im Mittelalter immer wieder über ganz Europa bis weit nach Rußland hinein liefen, haben Bischofsheim wohl nicht berührt.
Um 1750 tauscht die Hochstädter Kirchengemeinde ihre Kollekten bei Juden in Bischofsheim in gutes Geld um. Ein Gulden hat an sich den Wert von 60 Kreuzern. Wenn man aber nur schlechtes Geld hat, bekommt man im Jahre 1749 für Münzen („Heller“) im Wert eines Gulden nur 54 Kreuzer, im Jahre 1756 aber nur noch 45 Kreuzer (bei 22 Gulden ein Verlust von über 5 Gulden). Erwähnt werden 1749 der Jude David, 1752 der Jude Heßkem und 1756 der Jude David.
Es scheint so, daß die Juden, soweit es die bestehenden Gesetze zuließen, sich hier einer gewissen wohlwollenden Duldung erfreuten. Die Gemeinde verkaufte die abgängigen Faselochsen (Vatertier) lange Zeit hindurch an die einheimischen Judenmetzger und nahm diesen oft bei Einkäufen neuer Vatertiere als Berater mit.
Im Jahre 1758 werden drei Juden genannt, Jud David, Jud Afron (Aron), Jud Salmon (Salomon). Alle waren Metzger, die an die Gemeinde Steuer („Schlachtaccise“) bezahlen mußten.
Im Jahre 1762 werden ein Jud Hesekiel, ein Jud Simon und ein Jud Aron als Metzger vermerkt, 1785 kommt noch hinzu Jud Nathan (gemeint ist wohl Nathan Stern, Enkel im Haus Niedergasse 22).
Der Jude Mardachei wird im Jahre 1786 in den landesherrlichen Schutz aufgenommen. Er wird auch 1787 als „Jud Mortge“ erwähnt („Mortge“ ist die Kurzform von „Mordachey“). Er kauft 1795 ein Haus (sein Name ist hier „Mordge“). Um 1815 wird gesagt, der Jude Mordachey nennt sich nun 1815 „Kaufmann“ und pachte von der Gemeinde ein Stück Land. Sein Sohn wäre dann der Metzger David Kaufmann, geboren 1785.
Da von anderen Metzgereien keine Schlachtsteuer einging, ist zu vermuten, daß sie die einzigen Metzger waren, die die Gemeinde mit Rind-, Kalb- und Hammelfleisch versorgten. Der Bedarf an Schweinefleisch wurde wohl durch die Hausschlachtungen gedeckt. Die erste nicht-jüdische Metzgerei wurde 1876 durch Friedrich Wilhelm Reuhl in der Schäfergasse gegründet.
Öffentliche Ämter durften die Juden nicht übernehmen. Sie wurden auch nicht zu dem lästigen Wachdienst im Dorf oder auf den nach auswärts führenden Straßen herangezogen. Als Ausgleich wurden sie mit einem besonderen „Huth- und Wachgeld“ belastet.
Sehr oft treten die Namen der Juden in den Straflisten auf. Der Besitz von Grund und Boden war ihnen verwehrt wie auch die Ausübung vieler Gewerbe. Es blieb ihnen nur der Handel als Existenzbasis, und meistens handelten sie mit Vieh. Futterknappheit war sicher Dauerzustand bei ihnen. So machten sie mit ihrem Handelsvieh unterwegs wohl gerne neben einer saftigen Wiese oder auf einem Feldweg Rast und ließen dabei das Vieh weiden. Doch das Auge der Feldhüter war scharf. Besonders die auswärtigen Juden mußten ihr Vergehen dann oft teuer bezahlen.
Nach 1810 hatten die Juden auch Kramläden, und die Gemeinde kaufte bei ihnen Öl- und Talgkerzen. Die jüdischen Kinder besuchten die jüdische Schule in Hochstadt, erst ab 1874 wurden sie in Bischofsheim eingeschult. Verstorbene Juden wurden zum Teil in Hanau beerdigt, daher waren die Beerdigungskosten hoch.
Ab 1811 mußten die Juden Nachnamen („bürgerlichen Namen“) annehmen. Solange sie nur wenige waren, genügten die Vornamen. Aber für die Personenstandsregister, Finanzverwaltung und andere Zwecke mußten Familiennanmen vergeben werden. In Bischofsheim lebten drei Familien, die die Namen Kaufmann und Stern annahmen (HStAM 82 Hanau, 878).
Unter Napoleon waren die Juden durch das Edikt vom 11. März 1812 freie Staatsbürger geworden und unterlagen keinen besonderen Bestimmungen mehr. Die „Judenemanzipation“ hat sich anscheinend aber nur sehr zögernd durchgesetzt, denn das Huth- und Wachgeld mußten sie weiter bezahlen.
Im Jahre 1815 quittierte Nathan Stern zum erstenmal eine Rechnung ohne vor seinen Namen das Wort „Jud“ zu setzen. Die Juden hatten sich bisher nur mit Vornamen bezeichnet und kannten keine Familiennamen. Nun mußten sie sich auch Familiennamen zulegen und nannten sich oft Hirsch, Wolf, Goldschmidt, Silberstein usw. Nur in Österreich wurden ihnen von mißgünstigen Beamten verletzende Namen zugeteilt. Der Jude Mordachey zum Beispiel nennt sich jetzt „Kaufmann“ und, er pachtet von der Gemeinde ein Stück Land.
Als Karl von Dalberg, Kurfürst von Mainz, 1810 das von Napoleon gegründete Großherzogtum Frankfurt bekam, gab er den Frankfurter Juden sofort die Gleichberechtigung. A, aber so ganz umsonst tat der so fortschrittliche Dalberg dies nun auch wieder nicht: Die Frankfurter Juden mußten als Ablösung des Schutzzolls erst einmal 400.000 Gulden abliefern.
Im Jahre 1820 heißt es zum erstenmal in den Unterlagen der Gemeinde: „Israelitisches Begräbnis“.
Im Jahre 1824 gibt es in Bischofsheim vier jüdische Familien. Die Gemeinde Bischofsheim verlangte von ihren Schutzjuden kein Ablösungsgeld, man war hier eben schon immer großzügiger. Das Wachgeld mußte allerdings in Höhe von 3 Gulden pro Person noch bis zum Jahre 1833 bezahlt werden.
Aus den Eintragungen in die Personenstandsregister ergeben sich folgende Amtszeiten für die Gemeindeältesten: Mardochai Kaufmann stirbt 1826 als Gemeindevorsteher, und Michel Kaufmann wird von 1851 bis 1853 erwähnt.
In Bischofsheim lebten 1857 fünf jüdische Familien, die allerdings nur 28 Personen umfassten (HstAM 180, Hanau, 4747):
1. David Kaufmann, der als arm galt. Das Vermögen seines erwachsenen Sohnes Michael wurde allerdings auf 1000 Taler geschätzt. Michael Kaufmann war mit Babetta, einer geborenen Brenner (Brömmer?) verheiratet. Das Ehepaar hatte die Kinder Moses, Ida (Esther), Rebecca, Mardochai und Fanny [Familie 32].
2. Mayer Stern war mit Edel (Ettel) geborene Ochs verrheiratet, seine Kinder waren Bettchen [Billa], Sara, Salomon und Berta [auch Breinle]. Die Familie galt als arm {Familie 3].
3. Zu der Familie von Kaufmann Stern gehörten dessen Ehefrau Caroline geborene Wolf und die Kinder Bettchen und Hermann (auch „Herz“). Auch diese Familie galt als arm.[Familie 46].
4. Im Haushalt des Witwers (seit 1851) Markus Stern (Mardochai) ] lebten dessen Kinder Bettchen und Nathan, aber. auch seine Schwester Jette Stern (Markus hatte keine Schwester dieses Namens] [Familie 49).
5. Abraham Stern wohnte seit einem halben Jahr in Hanau und arbeitete dort als Schächter. Er besaß nur wenig Vermögen. Zu seiner Familie zählten seine Frau Sophie und die Kinder Helena (Lenchen), Nathan, Bettchen, Johanna (Breinle) und Meyer (Kinder [nicht in der Geburtsreihenfolge) [Familie 26]
Salomon Stern aus Bischofsheim, Obergasse 14, stellt um 1870 den Antrag, daß seine Kinder Moritz, Sigmund und Arnold in die Schule in Bischofsheim eingeschult werden. Es ging dabei wohl darum, daß sie nicht in die jüdische Schule in Hochstadt müssen, sondern am Ort in die Schule gehen können (Staatsarchiv Marburg, Preußische Regierung, Abt. II, Kirchen und Schulen, 3814). Nathan Stern stellt den gleichen Antrag für seinen Sohn Jessel Stern, geboren am 22. März 1865.
Jüdische Einwohner:
Bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 gibt es in Bischofsheim, Dörnigheim und Hochstadt je sechs Juden, in Wachenbuchen sind es 13, insgesamt also 31 Personen (während es 1933 noch etwa 150 sind).
Nazizeit:
Herbert Lippert sieht es als Zeichen der Duldsamkeit und Toleranz der Bischofsheimer Bürger ihren jüdischen Mitbürgern gegenüber an, wenn er einen „humorigen Knittelvers“ zitiert, der vor 1933 entstanden ist: Seelig ist der Mayer, wenn der Wolf
im Grünewald den Hirsch verfolgt
und der Goldschmidt im Blumenthal
mit aller Kraft nach dem Stern sieht.
Zu Anfang des Jahres 1933 lebten 35 Juden in Bischofsheim (nach anderer Angabe 21). Viele erkannten die ihnen drohende Gefahr rechtzeitig und verließen Deutschland. Die meisten Juden meldeten sich in den Jahren 1935/36 nach Frankfurt ab. Bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 gibt es in Bischofsheim sechs Juden, Viele erkannten die ihnen drohende Gefahr rechtzeitig und verließen Deutschland. In Bischofsheim wohnten am 1. Januar 1933 noch 21 Juden, am 1. September 1939 sind es fünf Juden. Die meisten Juden meldeten sich in den Jahren 1935/36 nach Frankfurt ab.
Nach 1933 kam es durch die künstlich erzeugte und hoheitsrechtlich gesteuerte „Volkswut gegen das internationale Judentum“ in Bischofsheim zu keinen tätlichen Angriffen gegen die jüdischen Bürger, die fast alle den sozial schwachen Volkskreisen angehörten. Die Bischofsheimer Juden mußten freilich auch fort, ihre Anwesen wurden von Bischofsheimer Bürgern erworben, die Kaufpreise wurden auf ein Sperrkonto gezahlt.
Der Bürgermeister berichtet am 4. November 1937: Die wenigen in der hiesigen Gemeinde noch ansässigen Juden haben keinerlei Verbindung mehr zu der Bevölkerung. Der Handel mit Juden kann hier nicht mehr ausgeführt werden, da im Ort keine jüdischen Geschäfte vorhanden sind. Das Verhalten der Juden hat zu polizeilichem Einschreiten keine Veranlassung gegeben. Strafbare Handlungen durch Juden sind hier nicht vorgekommen.
Am 8. Dezember 1938 meldet der Bürgermeister dem Landrat, daß anläßlich der „Protestaktion gegen Juden“ in Bischofsheim keine Sachwerte sichergestellt werden mußten (vor allem ging es auch um Devisen und Kultusgegenstände), auch keine Führerscheine und Zulassungspapiere.
Im Jahre 1939 wird eine Liste der in der Gemeinde Bischofsheim wohnhaften Juden und der Juden gehörenden Wohnhäuser erstellt. Am 23. Januar 1939 meldet der Bürgermeister dem Landrat die arbeitsfähigen männlichen und weiblichen Juden über 16 Jahre: Berta und Hugo Blumenthal (Niedergasse 3, heute Niedergasse 1) und Hilde Stern (Niedergasse 22).
Die nach 1933 vorerst noch im Ort verbliebenen Juden durften nur in bestimmten Geschäften einkaufen, andere Läden durften sie nicht betreten. Ab 23. September 1939 dürfen Juden nur noch in folgenden Geschäften einkaufen: Fleischwaren bei Fink (Zwerchgasse), Lebensmittel bei Lerch (Fechenheimer Weg 34), Backwaren bei Wörn (Hintergasse) und Friseur Mymfzek (Niemczyk?) (Zwerchgasse). Bekleidung, Geschirr, Schuhe, Drogen und Elektroartikel gibt es nur in Geschäften in Hanau.
Der Bürgermeister überreicht dem Landrat am 26. September 1939 das bei der Aktion am 23. des Monats beschlagnahmte ein Rundfunkgerät eines Juden. Dabei handelt es sich wohl um den Rundfunkapparat Mende 156, den Herr „Israel“ Wolff abgeliefert hat (wohl einer der Brüder Wolff).
Für Fahrten nach außerhalb müssen die Juden ab Anfang 1941 eine polizeiliche Erlaubnis haben: Berta Blumenthal erhält von August bis Dezember 1941 achtmal die Erlaubnis, mit der Eisenbahn nach Frankfurt bzw. Hanau zu fahren. Für den 19. August 1908.42 erhält sie noch einmal die Erlaubnis, von 7 bis- 18 Uhr ihre Wohngemeinde Bischofsheim zu verlassen und mit der Bahn nach Frankfurt zu fahren (jedoch nicht mehr von 10-20 Uhr wie früher). Die Juden haben Kenn-Nummern, so hat zum Beispiel Berta Blumenthal die Nummer: Kenn-Ort Hanau Nr. A 00027.
Anfang 1942 fordert man die Juden auf, Wollsachen für die Soldaten zu spenden. Die Sammlung bleibt aber in Bischofsheim ohne Erfolg, da die Juden nicht über das Notwendigste für sich verfügen, wie der Bürgermeister meldet. Schließlich werden aber am 16. Januar 1942 von Berta Blumenthal, doch ein schwarzer Damenmuff und drei Leibbinden abgegeben.
Sally Katz, der Vertrauensmann für Hochstadt und Bischofsheim der Bezirksstelle Hessen-Nassau der Reichsvereinigung der Juden, quittiert den Empfang. Im April 1942 sollen die Juden wieder Woll- und Pelzsachen sowie Skier, Skischuhe und Bergschuhe im Zuge der Sammelaktion für die Ostfront abgeben.
Der Bürgermeister erstattet am 5. März 1942 Fehlanzeige auf die Anordnung der Gestapo, daß auch die in deutsch-jüdischen Mischehen lebenden Juden zu erfassen sind. Doch am 12. Januar 1944 beginnt man mit der Ermittlung der jüdischen „Mischlinge“. Am 19. Juli 1944 wird eine Übersicht über die „Juden-Mischlinge“ gemäß der Verfügung vom 07. Juli 1907.44 aufgestellt.
Am 23. März 1942 sind nur noch folgende „Volljuden“ in der Gemeinde Bischofsheim: Berta Blumenthal (Niedergasse 3, heute Niedergasse 1) und die Brüder Max, Hermann und Ludwig Wolff (Niedergasse 22).
Beim zweiten Transport aus Hessen Anfang Juni 1942 wurden fünf Mitglieder der Familie Wolff deportiert: Die drei Brüder Hermann (29), Ludwig (36) und Max (21), außerdem Emma Wolff und Paul Wolff (29). Die Männer wurden in das „Arbeitslager“ in Lublin-Majdanek deportiert (südöstlich von Lodz) und sind dort den unmenschlichen Bedingungen zum Opfer gefallen. Emma Wolf wurde mit den anderen Frauen und Kindern des Transports nach Sobibor (östlich von Lublin) verbracht und dort ‑ bereits wenige Stunden nach dem Eintreffen des Zuges ‑ in den Gaskammern ermordet. Berta Blumenthal wird am 5. September 1942 mit dem dritten Transport nach Theresienstadt deportiert.
Am 10. Juli 1942 ist bei der Gemeinde von „abgeschobenen Judenfamilien“ die Rede.
Der Bürgermeister meldet dem Landrat am 11. September 1909.42, daß „am 5. September 1942 die hier noch anwesende Jüdin mit dem vorgesehenen Transport von hier abgereist ist“. Es handelt sich dabei um Berta Blumenthal. Der Bürgermeister stellt fest: „...und hat die Angelegenheit somit für hier ihren Abschluß gefunden“.
Nach dem Krieg berichtet der Bürgermeister am 15. November 1946: „Es sind bis heute noch keine Juden zurückgekehrt. Über das weitere Schicksal der Juden ist hier nichts bekannt!“ Er macht bei den Grundstücken immer einen Unterschied, ob ein ordentlicher Kaufvertrag vorliegt oder ob jemand das Grundstück nur in Besitz genommen hat. Der Bürgermeister und betont auch, daß für sämtliche Judenhäuser ordnungsmäßige Kaufverträge vorliegen. Bei den Gartengrundstücken muß man bedenken, daß Grabland für die Sicherung der Ernährung notwendig war. Es ist deshalb verständlich, wenn die Nachbarn das „herrenlose“ Land auch mit nutzten.
Der Bürgermeister muß immer auch den Wert des Grundstückes angeben und dabei nachprüfen, ob die gezahlten Preise dem Verkehrswert entsprachen oder man die Notlage der Juden ausnutzte. Der Wert scheint nach dem Krieg ziemlich niedrig angegeben zu sein (oft nur 30 oder 40 Pfennig für den Quadratmeter, für Bauland höchstens eine Mark). Die schlechte Qualität des Bodens oder der schlechte Zustand des Hauses wird unterstrichen. Hat man hier - den jetzigen Besitzern zuliebe - tiefgestapelt? Es wird aber auch immer wieder darauf hingewiesen, daß die Preise vom Ortsschätzer angegeben wurden.
Am 6. September 1948 wird vom Bürgermeisteramt eine Liste aufgestellt über die vor 1933 in Bischofsheim wohnhaften Juden. Dabei wird wieder bemerkt: „Über umgekommene Juden ist nichts amtlich bekannt geworden, von den verschleppten Juden sind keine zurückgekehrt!“
In der Liste wird auch angegeben, wer „ausgewandert“. Aber es ist nicht klar, ob sie tatsächlich ins Ausland ausgewandert sind. Als „ausgewandert“ werden aufgeführt die Familien Meyer (Schäfergasse 10/) und Leopold (Schäfergasse 10) sowie Richard Hirsch (Zwerchgasse 1).
Doch nur von Manfred Blumenthal (Niedergasse 3) und Emma und Rosa Stern (Obergasse 14) sind wirklich in die USA gelangt.
Herbert Lippert schreibt: Einige der Bischofsheimer Juden sind in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches umgekommen, die meisten konnten sich retten und lebten in England, Amerika, Afrika und Australien. Einige haben ihre alte Heimat nach dem Kriege wieder einmal besucht, aber wieder niedergelassen hat sich niemand von ihnen. Doch nur Manfred Blumenthal (Niedergasse 1) und Emma und Rosa Stern (Obergasse 14) sind wirklich in die USA gelangt.
Seit dem 11. April 1949 fragt die Jewish Restitution Successor Organization (IRSO) an, was aus den Grundstücken der Juden geworden ist, darunter vielen Ackergrundstücken. Die Antwort der Gemeinde läßt bis Mai 1950 auf sich warten. Aber auch dann noch ist die Antwort ausweichend. Gefragt wurde Es wird aber jeder Fall sorgfältig geklärt. nach dem Grundbesitz von Wolf Kahn, Harry Stern, Sofie Stern, Jakob Grünewald, Moses Michels Sohn und Siegfried Hess. Aber angeblich können die Grundstücke wegen der alten Flurbezeichnungen nicht festgestellt werden und auch die Namen der Eigentümer sind angeblich nicht bekannt. Dabei hätte man das wissen müssen, denn der Name Grünewald kommt unter den Bischofsheimer Juden gleich zweimal vor (Berger Straße 7 und Schäfergasse 10), und als es um die Kiesgrube geht, weiß man ja auch, wer Jakob Grünewald ist.
Die Personen lassen sich ja noch heute noch identifizieren: Harry Stern ist Hermann Stern, Obergasse 8. Sofie Stern ist Sophie geborene Rosenthal, verheiratet mit Marcus Stern in Hochstadt. Jakob Grünewald ist verheiratet mit Bettchen Stern und wohnte Schäfergasse 10. Moses Michels Sohn ist der Metzger Moses Kaufmann, Schäfergasse 2. Nur zwei Personen lassen sich nicht mehr sicher identifizieren, vielleicht weil sie von außerhalb sind: Wolf Kahn könnte nach Dörnigheim gehören, Siegfried Hess nach Wachenbuchen. Aber zehn Jahre nach den Ereignissen hätte man bei gutem Willen sehr wohl noch die Eigentümer feststellen können.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse sind von den Erwerbern jüdischen Eigentums weitere Zahlungen an die Überlebenden oder Erben der vertriebenen Juden geleistet worden.
Die Grundstücke gingen zunächst in den Besitz der IRSO. Diese verkauft sie aber an Bischofsheimer Privatleute weiter. Am 14. März 1952 fragt die IRSO zum Beispiel nach Interessenten für den Kauf ehemals jüdischer Grundstücke. So kauft auch Friedrich Rohrbach am 20. September 1955 ein Grundstück von der IRSO. Die heutigen Besitzer haben also die Grundstücke rechtmäßig erworben.
Im Jahre 1995 stand ein Artikel im Tagesanzeiger über die Juden in Bischofsheim, in dem Herr Eschmann über die Juden in seiner Firma berichtet.
Familien
Niedergasse 1 a / Schäfergasse 2:
Das Haus hatte früher die Nummer Niedergasse 3. Da es aber auch einen Eingang von der Schäfergasse aus gab, erscheint es auch unter der Nummer Schäfergasse 30, heute Schäfergasse 2. Nach Angabe von Frau Erika Moglias wohnte In dem Haus Niedergasse 3 oder 5 eine Familie Goldschmidt. Wenn das Eckhaus früher die Nummer 3 hatte, dann stimmt die Aussage. Ihre Familie habe seit 1947 in dem Haus gewohnt. Schwieriger ist es mit der Angabe, ihre Familie habe es 1951 von den Erben der früheren Bewohner gekauft, denn 1953 ist wieder Hermann Goldschmidt im Grundbuch eingetragen (siehe unten)
Und die Tochter Fanny heiratet 1877 Joseph Goldschmidt, Enkel von Hiskias Goldschmidt aus Hochstadt, ist in den 30iger Jahren Eigentümer des Hauses mit Stallgebäude, Scheune und Garten und der Ackergrundstücke.
Besitzer des Hauses ist zunächst David Kaufmann. Er heiratet um 1810 Esther Stern und hat mit ihr drei Kinder. Der Sohn Michel Kaufmann heiratet 1839 Babette Brenner und hat sechs Kinder. Ein Sohn ist der Metzger Moses Kaufmann („Moses Michels Sohn“), der 1870 Karolina Grünebaum aus Büdingen heiratet und in dem Haus wohnt. Ihm gehört ein Grundstück „Hinter der Mühle“, Flur 5, Parzelle 145, das 1950 Peter Hess als Grabstück genutzt.
Ein weiterer Sohn ist der Metzger Markus Kaufmann, der 1878 Johanna Ortenberg aus Büdingen heiratet und Obertor 101 (alte Nummer) und Schäfergasse 111 (alte Nummer) wohnt. Die Kinder Siegfried und Pauline wurden für tot erklärt.
Die Tochter Fanny heiratet 1877 Joseph Goldschmidt, Enkel von Hiskias Goldschmidt aus Hochstadt. Er ist in den dreißiger Jahren Eigentümer des Hauses mit Stallgebäude, Scheune und Garten und der Ackergrundstücke. Der Sohn Hermann Goldschmidt ist geboren am 27.10.1890. Am 6. Juni 1939 stellt Sally Katz aus Hochstadt eine Bescheinigung aus, in der er Hermann Goldschmidt aus Bischofsheim bestätigt er, daß er Landwirt und Viehzüchter gewesen ist, damit er in England eine Arbeitserlaubnis bekommt. Er ist seit 1941 nicht mehr in Bischofsheim. Auch in Frankfurt
blieb er Eigentümer des Hauses und der Ackergrundstücke. Das Haus wurde dann erworben von den Familien Bauch und Göring. Am 12. März 1953 ist Goldschmidt wieder als Eigentümer eingetragen; er hat die Gemeinde mit der Verwaltung beauftragt, die diese auch noch vornimmt.
Die Tochter Bertha Goldschmidt, geboren am 05.04.1878, ohne Beruf, heiratet 1905 Leopold Blumenthal aus Reichelsheim im Odenwald, geboren in Kirchbracht. Sie werden nun Eigentümer des Hauses mit Stallgebäude, Scheune und Garten. Der erste Sohn Manfred Blumenthal wird ist am 27.10. 1906 geboren und soll 1933 nach Wesenheim (?) geheiratet haben; er wandert nach den USA aus und wohnt nach dem Krieg in New York.
Der Sohn Hugo Blumenthal wird geboren am 29.12.07 und von Beruf eigentlich Metzger, aber nachher ist er ohne Beruf, ist aber wahrscheinlich der Arbeiter, der bei der Firma Eschmann gearbeitet hat (Der Firmeninhaber hat ihn damit bewußt unterstützen wollen).
Mindestens vom 22.11.1938 bis 19.01.1939 saß er im Lager Buchenwald. Am 19. November 1938 meldet die Gestapo dem Bürgermeister, daß Hugo Blumenthal wegen Lager-Unfähigkeit aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen werden muß. Die Angehörigen sollen die Kosten für die Rückfahrt telegrafisch an die Kommandantur des Konzentrationslagers Buchenwald absenden. Die Eintragung, daß er am 12. Juni 1936 nach Eichholzheim Kreis Mosbach gezogen sei, ist wieder gestrichen worden. Am 6. Juni 1939 stellte Sally Katz eine Bescheinigung aus, daß Hugo Blumenthal aus Bischofsheim am religiösen Leben der jüdischen Gemeinde aktiv teilnimmt und deshalb am jüdischen Feiertag nicht zur Arbeit beim Bürgermeister erschienen ist Am 15.11.1940 kam er nach Frankfurt und starb am 20.10. 1941 im Ghetto Lodz. In Bischofsheim galt er als „ausgewandert“. Noch am 2. Mai 1949 schreibt der Bürgermeister, Hugo Blumenthal habe sich am 15. November 1940 nach Frankfurt abgemeldet. Es wird vermutet, daß er dort geheiratet hat.
Am 07. Juli 1941 gibt der Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau Frau Berta Blumenthal und ihrem Bruder Hermann Goldschmidt als Miteigentümer (1941 verzogen) auf, sechs landwirtschaftliche Grundstücke mit insgesamt 79,49 Ar zu verkaufen (Das Haus war damals schon im Besitz der Gemeinde). Die Grundstücke wurden 1942 wie folgt bewirtschaftet:
Wilhelm Reuhl VIII. Niedergasse 8 51,65 a
Emil Kraus Friedhofstraße 4,00 a
Robert Reuhl Feldstraße 20 4,00 a
Josef Schrott (Mieter) Schäfergasse 2 3,80 a
Frau Blumenthal selbst 16,04 a
Am 10. Dezember 1942 erfolgt der Verkauf der Einrichtung der Berta Blumenthal:
Joseph Schrodt, Schäfergasse 2 (Mieter): Ein komplettes Bett, Tisch, Stühle,
Küchenschrank, Sofa, Nachtschränkchen, Waschtisch.
August Schmid, Hintergasse 15: Wanduhr, kleines Schränkchen.
Wilhelm Brösamle, Friedhofstraße 15: Holzkiste.
Gemeinde Bischofsheim für Luftschutz: Zwei Kleiderschränke.
Rudolf Braun, Niedergasse 13: Eine eisenbeschlagene Geldtasche.
Berta Blumenthal war die letzte Jüdin in Bischofsheim. Karl-Werner Fuhrmann erzählt noch heute, daß sie als Schüler - verhetzt vom Lehrer - hinter der Frau hergelaufen sind, sie verspottet und mit Steinen beworfen haben. Schüler mußten damals in der HJ sein und „Dienst“ tun, Rundfunkreden anhören, usw. Der Unterrichtsstoff war auf die NS-Ideologie abgestimmt (NS-Biologie, NS-Geschichte). Die Schulen wollten „judenfrei“ sein (heute „ausländerfrei“), die Schüler mußten nach Frankfurt auf die jüdische Schule.
Berta Blumenthal meldete sich 1942 polizeilich ab. Sie wurde am 05.09.1942 deportiert und am 07.09 ab Kassel in Richtung Chemnitz gebracht.
Am 5. November 1942 (nach Angabe von Frau Kingreen am 5. September 1943) wurde sie nach dem Osten abgeschoben. Sie ist eine von drei 65jährigen Frauen aus dem heutigen Main-Kinzig-Kreis, die das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt hat. Die Befreiung durch die Russen geschah am 5. Mai 1945. Berta Blumenthal war aber so krank (es herrschte eine Thypus-Epidemie), daß sie am 19. Mai 1945 starb. Ihre Asche liegt in einer Urne im Grab 242 auf dem dortigen Nationalfriedhof - das einzige Grab der aus den Kreisen Schlüchtern, Gelnhausen und Hanau im September 1942 verschleppten jüdischen Menschen.
In Bischofsheim nahm man an, daß sie umgekommen ist und hat sie mit Wirkung vom 19. Mai 1945 für tot erklärt. Auch der Bürgermeister antwortet am 27. März 1947 fälschlicherweise an Frau Rosa Levy geborene Stern in St. Louis (USA): „Die Brüder Wolff sowie Berta Blumenthal und Sohn Hugo wurden im Sommer 1942 nach Frankfurt gebracht und wurden von dort nach dem Osten (Polen) verschleppt. Über ihren weiteren Verbleib ist nichts bekannt geworden. Der jüdische Besitz ist von der amerikanischen Militärregierung blockiert“.
Schon am 13. September 1949 erhebt Manfred Blumenthal Anspruch auf das Haus mit Nebengebäuden und Land. Deshalb übersendet das Bürgermeisteramt am 25. April 1949 dem Amtsgericht Frankfurt eine Geburtsurkunde für Berta Blumenthal geborene. Goldschmidt. Am 3. April 1950 wird Manfred Blumenthal als Eigentümer des Hauses Niedergasse 1 (damals noch Niedergasse 3) eingetragen. Verwalter ist Karl Stippler aus Hadamar. Er wird gebeten, beim Verkauf des Hauses den Mieter Josef Schrott bevorzugt zu berücksichtigen, weil er vier Kinder hat und schon große Kosten aufgewandt hat, um das Anwesen instandzusetzen.
Das Finanzamt fragt am 29. Juni 1950 nach dem Bevollmächtigten des Herrn Manfred Blumenthal. Am 08. Mai 1956 fragt der Regierungspräsident in Wiesbaden an nach dem Hausrat und Schmuck von Berta Blumenthal geborene. Goldschmidt, der 39.000 Mark wert gewesen sein soll und „geraubt“ wurde; vor allem möchte er wissen, ob die angegebene Schadenssumme stimmen kann.
Am 8. Mai 1943 pachtet der Bürgermeister einen Ein Acker „Am Löwensee“ hatte der Bürgermeister am 8. Mai 1943 vom Reichsfiskus gepachtet, der laut Bleistiftvermerk Blumenthal gehört hat. Das Grundstück ist am 14. Februar 1951 im Eigentum von Manfred Blumenthal (New York). Als Christian Tessien dort ein Wohnhaus erstellen möchte, verzichtet die Gemeinde auf das Vorkaufsrecht.
Das Haus wird erworben von den Familien Bauch und Göring. Am 12. März 1953 ist Hermann Goldschmidt aus Frankfurt, der Bruder von Bertha Blumenthal geborene Goldschmidt, wieder als Eigentümer eingetragen; er hat die Gemeinde mit der Verwaltung beauftragt, die diese auch vornimmt.
Niedergasse 22:
Eigentümer des Hauses war zunächst der Lumpensammler Nathan Stern (geboren am 21.10.1848, gestorben am 19.09. 1926, Grab in Hanau) und dessen Ehefrau Regine geborene Müntz (geboren am 04.01.1844 in Altengronau, gestorben am 02.05.1906, Grab in Hanau). Nathan Stern ist Sohn von Markus Stern, der 1845 Hannchen Löb heiratet, und Enkel von Nathan Stern.
Sie haben fünf Kinder: Der am 2. Januar 1882 in Bischofsheim geborene Simon Stern bleibt ledig, ist Altwarenhändler und stirbt 1942 in Bischofsheim. Aber zwei Kinder heiraten: Marcus Stern heiratet Sofie Rosenthal und wohnt in Hochstadt, Bogenstraße 1.
Die Tochter Johanna (geboren 1878) heiratet 1909 den Kanzlisten Alfred Wolf und stirbt Anfang 1933. Das Ehepaar Wolff hat die Kinder:
(1.) Max Wolff (geboren 30.07.10 in Bischofsheim), Taschner, verheiratet seit 1. Februar 1940 mit Pauline geborene Korn. Am 30. Juli 1940 war die Frau ohne polizeiliche Abmeldung nach Frankfurt, Großer Wollgraben 24, verzogen. Beschäftigt war sie bei der Städtischen Straßenbahn. Am 28. Mai 1942 wird ihr „zwecks Abwanderung mit ihrem Ehemann“ der Zuzug nach Bischofsheim genehmigt.
Sie hatten einen Sohn Simon Stern, der am 2. Januar 1882 in Bischofsheim geboren wurde; er war ledig und Altwarenhändler. Außerdem hatten sie eine Schwester Johanna, die 1932 verstarb und verheiratet war mit Alfred Wolf. Deren Kinder waren die drei Brüder Wolf:
(2.) Hermann Wolff wird (geboren. 07.09.12 in Bischofsheim) ist Kaufmann und ist verheiratet seit 6. September 1941 mit Emma geborene Spitz (geboren am 16.10.1908). Am 6. Mai 1942 ist sie wohnhaft in Frankfurt, Luisenplatz 21. Am 28. Mai 1942 wird ihr „zwecks Abwanderung mit ihrem Ehemann“ der Zuzug nach Bischofsheim genehmigt.
(3.) Ludwig Wolff (geboren. 01.02.15 in Bischofsheim) ist Schuhmacher und ledig. Er wird als ein „Aktionsjude“ bezeichnet, weil er wohl nach dem Judenpogrom am 10. November 1939 ins Konzentrationslager Buchenwald kam. Im Mai 1939 sollte er von dort wegen seiner beabsichtigten Auswanderung entlassen werden. Die Angehörigen sollen die Rückreisekosten umgehend telegrafisch an die Kommandantur Buchenwald überweisen. Am 12. Dezember 1939 übersendet der Bürgermeister dem Wehrbezirkskommando Fulda den Wehrpaß Ludwig Wolffs und bittet um Übersendung des Ausschließungsscheins. Vom Arbeitsdienst war er seit 19. Juli07. 1935 befreit, weil er „Nicht-Arier“ war. Ludwig Wolff stirbt am 17. September 1942 in Majdanek.
Die fünf Personen Wolff stehen laut Schönfeld-Forum auf der Transportliste vom 01.06.1942 mit dem Ziel Sobibor. Nicht bestätigt ist, daß der 01.06. das Datum der Deportation ab Kassel ist und daß die Familie am 03.06.1942 in Sobibor ermordet worden sei. Auch die Mittelung des Standesamts Arolsen ist falsch, Ludwig Wolff sei am 17.09.1942 in Maydanek gestorben ( so hatte es das Standesamt im Jahre 1954 der Gemeinde Bischofsheim mitgeteilt.
Mit im Haus soll gewohnt haben (nach Angaben von Herrn Begemann) Paul Wolff (geboren 1878) und seine Frau Emma. Der Mann könnte ein Bruder von Alfried Wolff sein. Paul Wolff ist verschollen in Riga, Emma Wolff soll am 5. Februar 1943 in Theresienstadt gestorben sein.
Nur zeitweise im Haus wohnte die Haushälterin Friedel Behrmann (geb. 07.02.10 in Frankfurt); sie kommt am 14. Februar 1934 von Darmstadt an und zieht am 15. Juni 1934 nach Großzimmern. Die „Stütze“ Emma Kohn (geboren am 19.12.96 Wilhermsdorf) kommt am 21. März 1935 aus Bad Kissingen und zieht am 24. April 1935 nach Frankfurt.
Im September 1939 weigert sich Simon Stern, einen Koffer mit Kleidungsstücken an seine Nichte Hilde (Hilda) Stern, Tochter von Marcus Stern, Hausangestellte (geb. 11.03.04 in Hochstadt) in die Landesheilanstalt Herborn zu schicken. Sie war am 8. Dezember 1938 von Frankfurt-Höchst zugezogen, am 1. Juni 1939 ist sie wieder nach Frankfurt verzogen, aber offenbar danach in die Heilanstalt gekommen. Das Gesundheitsamt Frankfurt bittet den Bürgermeister, Stern zum Abschicken des Koffers zu veranlassen.
Am 8. Januar 1942 starb Simon Stern in Bischofsheim an Herz-Kreislauf-Schwäche. Auf die Anfrage des Finanzamtes vom 14.07.42 wegen des Nachlasses des verstorbenen Althändlers Simon Stern antwortet der Bürgermeister: Er hat mit den drei Söhnen seiner verstorbenen Schwester einen ärmlichen Haushalt geführt. Hermann Wolff, Gartenarbeiter, Niedergasse 22. machte die Anzeige des Todes. Es ist anzunehmen, daß die Brüder Wolff die Krankheits- und Beerdigungskosten selbst bezahlt haben.
Die Genossenschaftliche Treuhand-Gesellschaft war in den Besitz einer Aufwertungshypothek auf dem Grundstück gekommen. Sie wollte im Februar 1939 das Haus zwangsversteigern lassen. Der Bürgermeister antwortet aber: Die Erben wollen sowieso auswandern, so daß das Haus auch ohne Zwangsversteigerung zum Verkauf kommen wird. Das Haus blieb vorerst im Besitz der Gemeinde.
Die Brüder Wolff hatten sich bereit erklärt, bis zum 15. Juni 1939 auszuwandern. Sie mußten sich zweimal wöchentlich auf dem Bürgermeisteramt melden. Die Frist zur Auswanderung wird immer wieder verlängert, zunächst bis zum 01. September10 1939, dann bis zum 01. Oktober10 19.40. Der Bürgermeister schreibt den Kaufinteressenten für das Haus, daß die Auswanderung noch auf sich warten läßt und vor diesem Zeitpunkt ein Verkauf nicht zu erwarten ist.
Am 8. Januar 1942 stirbt Simon Stern, der Onkel der Brüder Wolff, in Bischofsheim an Herz-Kreislauf-Schwäche. Auf die Anfrage des Finanzamtes vom 14. Juli 1942 wegen des Nachlasses des verstorbenen Althändlers Simon Stern antwortet der Bürgermeister: Er hat mit den drei Söhnen seiner verstorbenen Schwester einen ärmlichen Haushalt geführt. Hermann Wolff, Gartenarbeiter, Niedergasse 22, macht die Anzeige des Todes. Es ist anzunehmen, daß die Brüder Wolff die Krankheits- und Beerdigungskosten selbst bezahlt haben.
Am 11. Januar 1901.42 erhalten die Brüder Wolff die Erlaubnis nach Frankfurt fahren. Am 13. Januar 1901.42 wurde ein Dauerausweis bis zum 30. Juni 1906.42 ausgestellt. Sie gelten am 21. Mai 1905.42 als „unbekannt“ verzogen. Im Jahre 1942 werden verschleppt die Familie Wolf aus Bischofsheim, Niedergasse Nr. 22, und Berta Blumental, Niedergasse 1.
Am 8. Juni 1942 meldet der Bürgermeister, daß das Haus mit vier Räumen und einer Küche von Gendarmeriemeister Brösamle unter Hinzuziehung des Ersten Beigeordneten Fritz verschlossen wurde. In ihm befanden sich nur geringwertige Möbel und Hausgräte (wackelige Stühle, zermürbte Betten, wurmstichige Tischchen, Schränke). Über die zurückgelassenen Gegenstände wurde eine Liste aufgestellt (Schätzwert, Käufer und erzielter Preis, wenn abweichend):
1 Bett komplett 5,00 Mark Studenroth, Johannes 2,00
1 Kommode (alt) 1,00 Grob, Kurt
1 Vertikow 5,00 „
1 Bank 1,00 „
3 Stühle 2,50 Grob und Brösamle 4,00
1 Wanduhr 10,00 Studenroth, Johannes
Wäsche 3,00 Grob
1 Küchenschrank mit Inhalt 5,00 Lotz, Johannes
1 Kleiderschrank 20,00 Brösamle
Kleidung 5,00 Grob
1 Waschkommode 3,00 Lotz
1 Spiegel 1,00 Studenroth, Johannes 2,00
1 Kocher elektrisch 2,00 Schmid, August
1 Tisch 4,00 Grob
3 Betten 15,00 Schmid, August
1 Kiste 2,00 Grob
1 Holzkoffer 2,00 Grob
1 Kleiderschrank 5,00 Studenroth, Johannes
1 Nachttischschränkchen 1,00 Schmid 2,00
1 Küchenschrankaufsatz 2,00 Schmid
Haus- Brand im Keller 3,00 Gemeinde
Schätzpreis zusammen 97,50 Reichsmark.
Am 15. August 1942 übersendet der Bürgermeister die Nachweisung für die von der Judenfamilie Gebrüder Wolff durch Vermittlung des Finanzamts Hanau übernommenen Möbelstücke. Er behauptet, die Gegenstände wären an minderbemittelte, teilweise kinderreiche Volksgenossen abgegeben (andere Formulierung: „von der Gemeinde die NSV übernommen“). Der Schätzwert belief sich auf 97,50 Mark, erlöst wurden 116 Mark. Aus dem Mehrerlös wurden die entstandenen Unkosten gedeckt, d.h. der Mehrbetrag von 18,50 Mark wurde der Gemeindekasse zugeführt.
Das Haus wurde versiegelt, die Schlüssel wurden dem Finanzamt Hanau übergeben. Für das Grundstück sind 6,88 Mark Steuer zu zahlen, aber am 11. Juni 1942 bittet der Bürgermeister um Stundung der Hauszinssteuer. Auf dem Grundstück liegen auch Hypotheken von über 1.300 Mark. Der Bürgermeister möchte, daß das Haus deswegen möglichst schnell vermietet wird.
Für das Haus melden sich schon im Juni 1942 mehrere Interessenten: Karl Grimm und Ernst Hahn (die Nachbarn aus der Niedergasse 24), Berta Wörner (Berger Straße 4), Reinhard Seibel (Niedergasse 22) und Wilhelm Gundelach (Rumpenheimer Weg 7). Die Diskuswerke bitten den Bürgermeister, ihren Facharbeiter Willi Frischkorn bei der Vergabe von Judenwohnungen in erster Linie zu berücksichtigen, weil sein Haus am alten Friedhof (Zwingerstraße) abgebrochen werden soll, um die Straße gerade führen zu können.
Am 27. März 1947 beantwortet der Bürgermeister auf eine Anfrage von Frau Rosa Levy geborene Stern in St. Louis (USA). Es kann sich dabei an sich nur um Rosa Stern handeln, geboren 1916, Tochter von Arnold Stern und Emma Löwenstein, Obergasse 14, die aber nicht verwandt ist. Die Antwort lautet: Berta Blumenthal und Sohn Hugo sowie die Brüder Wolff wurden im Sommer 1942 nach Frankfurt gebracht und wurden von dort nach dem Osten (Polen) verschleppt. Über ihren weiteren Verbleib ist nichts bekannt geworden. Der jüdische Besitz ist von der amerikanischen Militärregierung blockiert. Am 1. Juni 1950 wird gesagt, befindet sich das Haus befindet sich in schlechtem Zustand. Es handelt sich um eines der ältesten Häuser der Gemeinde. Aber ein Verkauf des Hauses mit den zwei Gartenparzellen hat bisher nicht stattgefunden.
3a: Schäfergasse 10: Stern, Abraham:
Das Haus hatte früher die Nummer 25, die auch dann in den Unterlagen angegeben wird. Es handelt sich aber um das heutige Haus Schäfergasse 10. Das sieht man auch daran, daß Sophie Grünewald 1902 heiratet Isidor Meyer aus Himbach (heute: Limeshain) und als Wohnung zunächst Schäfergasse 25, dann Schäfergasse 10 angegeben wird.
Stammbaum: Abraham Stern, Frau unbekannt |
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Abraham Stern, 1807-1860, oo Sophie Wetterhahn |
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Bettchen Stern oo Jacob Grünewald |
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Nathan Stern oo Emma Bender, Zwerchgasse 1 |
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Gretchen Grünewald oo Abraham Simon aus Echzell |
Sophie Grünewald oo Isidor Meyer |
Sally oo |
Josephine oo Oskar Hirsch |
Klara oo Hermann Seligmann |
Heinrich oo in Fechenheim |
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Herta Meyer oo Hermann Leopold |
Arthur |
Richard in Bergen |
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Stammvater ist Abraham Stern, der einen Sohn hat, der auch Abraham heißt und 1835 Sophie Wetterhahn heiratet.
Der jüngere Abraham Stern hat sieben Kinder, von denen zwei heiraten:
a.) Bettchen Stern, geboren 1836, heiratet Jacob Grünewald. Ihre Gräber sind auf dem Friedhof in Hanau: Friedhof Hanau 12/24/18: Bettchen (Bela) Grünewald geborene Stern, Tochter des Abraham ha-Levi Stern und der Sophie geborene Wetterhahn, Ehefrau des Metzgers Jakob (Jechiel) Grünewald aus Bischofsheim, geboren am 13.06.1836 in Bischofsheim und dort gestorben am 26.09.1911.
Friedhof Hanau 12/26/4: Jakob (Jechiel) Grünewald, Metzger und Spezereiwarenhändler, Witwer, Sohn des Schmuel (Samuel) ha-Levi Grünewald und der Jettchen geborene Meyer aus Bischofsheim, 82 Jahre alt, geboren am 12.09.1832 in Heidenbergen, gestorben am 16.03.1914 in Bischofsheim.
Die Eheleute haben sieben Kinder, von denen zwei heiraten:
a. Gretchen heiratet Abraham Simon aus Echzell und wohnt mit im Haus.
b. Sophie (Seffi oder Sessie), geboren am 25.01.1873, heiratet 1902 den Metzger Isidor Meyer, geboren am 16.02.1874 in Himbach. Die Eheleute Meyer ziehen am 22. Juni 1936 mit Sohn Siegfried nach Frankfurt, Oberweg 58?). Von dort sind sie nach Kapstadt in Südafrika ausgereist.
Sie haben eine Tochter Herta, geboren am 14.07.07, die 1931 in Bischofsheim den Metzger Hermann Leopold heiratet, geboren. 03.03.02 in Bleichenbach. Die Eheleute ziehen am 15. Januar 1936 mit Sohn Günther (geboren. 07.01.32 in Frankfurt) nach Frankfurt, Oberweg 58. In einer Nachkriegsliste wird auch noch der Sohn Ernst als „ausgewandert“ erwähnt, geboren 20.01.1934 in Frankfurt. Die ganze Familie konnte nach den Philippinen entkommen und dann nach den USA. Günther Leopold hat in San Francisco einen Sohn Jeffrey hat (verheiratet mit Michelle) und eine Schwester Sandra Sarnoff.
Hermann Leopold starb im September 1966 USA, Herta Leopold geborene Mayer starb im April 2004 in den USA. Günther Leopold starb am 13.04.2017 in Kalifornien. Ernst ist auch gestorben. Ein entfernter Verwandter ist Eric Brück, Leerbachstraße 85, 60322 Frankfurt
der Kontakt mit beiden Söhnen hatte.
Kalifornier vermissen das Haus der Großeltern 02.06.2014
Daß eine moderne Navigation genau zum Ziel, aber nicht unbedingt zum gesuchten Haus führt, stellten Besucher aus Kalifornien fest, als sie in Bischofsheim das Haus ihrer Großeltern in Augenschein nehmen wollten. Das kleine Geschäftshaus des jüdischen Metzgers Leopold und seiner Frau Herta aus der Schäfergasse hatte zwar den Zweiten Weltkrieg schadlos überstanden, war aber längst einem größeren Neubau gewichen, informiert Herbert Begemann vom Verein Brüder-Schönfeld-Forum, der die Gäste aus den Staaten bei ihrem Besuch in Maintal begleitete.
Jeffrey Leopold aus San Francisco, seine Frau Michelle sowie seine Schwester Sandra Sarnoff aus Los Angeles weilten auf Einladung der Stadt Frankfurt in Deutschland. Jedes Jahr treffen dort Angehörige jüdischer Familien ein, die nach 1933 aus Frankfurt geflohen sind oder von dort deportiert wurden. Darunter sind viele Familien aus der ländlichen Umgebung, die zuvor in die nahe Großstadt vertrieben worden waren.
So zog die Familie des Metzgers Hermann Leopold im Januar 1936 in die große Nachbarstadt. Durch Hilfe aus dem Ausland konnte sie einige Zeit später über die Philippinen in die USA gelangen und sich so vor der Verfolgung durch die Nazis retten. Anders als die meisten ihrer Verwandten, welche in den Vernichtungslagern Sobibor und Auschwitz umgebracht wurden.
Die 1932 respektive 1934 noch in Deutschland geborenen und heute in den USA lebenden Söhne Günther und Ernst Leopold waren vor einigen Jahren zwar nochmals in Frankfurt zu Gast, hatten aber offenbar auf einen Besuch in Bischofsheim, an das sie keine Erinnerung mehr haben, verzichtet, so Herbert Begemanns Vermutung.
Der Verein Brüder-Schönfeld-Forum sucht nun nach einem Foto vom ursprünglichen Haus in der Schäfergasse. Den älteren Bischofsheimern ist es als Geschäftshaus der Metzgerei Fritz geläufig. Wer fündig wird, kann sich gerne telefonisch an Herbert Begemann unter der Nummer (0 6181) 49 58 89 wenden.
Ein Bild des alten Hauses befindet sich im Stadtarchiv zusammen mit dem Haus Schäfergasse 8, dem ehemaligen Lehrerhaus. Heute stehen in diesem Bereich große Geschäftshäuser.
Der Garten der Eheleute Meyer „Am Kreuzstein“ (13,67 a) wurde 1939 von Hermann Wörner (Am Kreuzstein) zum Preis von 1.900 Mark erworben.
b.) Nathan, geboren 26.08.1845, wird als Nathan Stern II. bezeichnet. Er heiratet 1876 Emma Bender, geboren am 13.12.1848 in Seligenstadt. Sie wohnen zunächst Zwerchgasse 1 (alte Nummer106) und dann Hintergasse 88 (alte Nummer). Nathan Stern ist am 27.12.1921 in Bischofsheim verstorben.
Die Eheleute haben sieben Kinder, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten:
Der Sohn Arthur, geboren am 05.07.1921 in Fechenheim, folgte 1936 als 15-Jähriger nach Kapstadt. Die Eltern kamen dann 1937 nach Kapstadt. Seligmann starb am 06.06.1954 in Kapstadt. Arthur Stern blieb in Kapstadt und wurde 1957 geschieden (zwei Söhne und eine Tochter). Danach kehrte er nach Deutschland zurück und lebte zunächst in Frankfurt am Main. In zweiter Ehe war er seit 1959 in Frankfurt verheiratet mit Elisabeth geborene Zander (geboren am 28.03.1937). Sie zogen 1965 nach Rodgau-Nieder-Roden. Er war von 1974 bis 1986 Geschäftsführer des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe und starb am 01.05.2012 in Rodgau.
Das Ehepaar hat einen Sohn Michael Stern, geboren am 07.05.1959 in Frankfurt am Main. Er ist seit 1992 als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht in Rödermark/Urberach in einer mittelständischen Kanzlei selbständig tätig, inzwischen aber selbständig. Er hat viele Einzelheiten zur Familiengeschichte mitgeteilt.
Das Haus wird 1936 von Wilhelm Fritz zum Preis von 13.000 Mark erworben, späterer Eigentümer ist Johannes (Jean) Fritz VI. Das Haus befindet sich nach dem Krieg in gutem Zustand und wird teilweise gewerblich genutzt. Eine Fotografie ist noch im Stadtarchiv vorhanden (zusammen mit der alten Lehrerwohnung, Schäfergasse 8). Doch es wurde an dieser Stelle ein neues Haus gebaut, so daß die Familie Leopold das alte Haus nicht mehr finden konnte (sieh oben).
Schäfergasse 13:
Eigentümer ist der Kaufmann Kurt Baier (geboren. 06.06.07 in Frankfurt) und Frau Klara (geboren. 05.01.07 in Bischofsheim). Die Frau ist Tochter von Levi Selig und Bertha Stern und Enkelin von Seligmann Selig aus Reichelsheim im Odenwald sowie von Hermann Stern und Fanny Brückheimer. Die Eheleute haben 1934 in Frankfurt geheiratet und ziehen Sie sind am 12. Mai 1936 nach Frankfurt, Westendstraße, verzogen
Der Bruder von Berta Selig geborene Stern ist Isaak Stern, geboren 1890. Sein Grundstück „An den drei Weidenbäumen“ (25,39 a) wird am 23. Mai 1939 von der Gemeinde erworben und am 6. September 1943 an Bernhard Reitz weiterverkauft. Eingetragen war es noch auf seine Eltern, nämlich auf Harry Stern (Vorname bei der Geburt „Hermann“) und Fanny geborene Brückheimer.
Schäfergasse 21:
Eigentümer des Hauses sind der Händler Levi Selig (geboren 29.03.1876 in Reichelsheim im Odenwald) und die Händlerin Berta geborene Stern (geboren 26.10.1880 in Bischofsheim), Tochter von Hermann Stern (Obergasse 8). Sie wohnen Obergasse 101 (alte Nummer) und Borngasse 56 (alte Nummer), im Jahre 1912 Zwingerstraße 10, im Jahre 1925 Schäfergasse 21. Ihre Kinder sind laut Standesamtsregister Kamilla (geboren am 21.12.1905), Klara (geboren am 05.01.1907) und Berthold (geboren 06.12.1912). Im Stadtarchiv werden die Kinder Klara, Emilie und Berthold genannt, mit denen die Eltern am 22. August 1938 nach Frankfurt verziehen (Klara Bär, geboren am 05.01.07 in Bischofsheim, war schon am 7. August 1934 nach Frankfurt verzogen). Nach einer früheren Angabe von Herrn Begemann soll die Familie nach Detroit ausgereist sein.
Das Haus geht an Wilhelm Lendel über. Im Jahre 1950 war es sehr verwohnt und mit zwei Familien besetzt. Besitzerin war Katharina Lendel. Am 3. Februar 1951 zahlt Wilhelm Lendel keine Miete an den Treuhänder. Der Bürgermeister bestätigt, daß er kein Einkommen hat, aber noch Grundbesitz hat und von den Kindern durchaus unterstützt werden kann. Das Grundstück „Hinter dem Horn“, das Berta Selig geborene Stern gehörte, wurde später von Adam Rüffer (Am Kreuzstein 7) als Grabland (mit Obstbäumen) genutzt.
Schäfergasse 30:
Moses Kaufmann, geboren am 06.02.1840, heiratete am 09.11.1870 seine Frau Karoline geborene Grünebaum, die um 1845 in Büdingen geboren war. Sie haben die Kinder:
(1.) David geboren am 23.08.1871 und gestorben am 05.09.1877.
(2.) Babette, geboren am 14.12.1872, verheiratet mit Gottlob (Gedaljah) Häusler, geboren am 28.09.1870 in Wertheim. Sie haben einen Sohn Friedrich, geboren am 06.04.1898 in Wertheim, der
zunächst in Tauberbischofsheim und dann in Frankfurt (Rückertstraße 45/2) wohnte. Der Mann starb am 04.02.1944 in Theresienstadt, die Frau am 14.9.1942 in Theresienstadt. In Wertheim, Maingasse
20, wurden Stolpersteine für das Ehepaar und den Sohn verlegt.
(3.) Marcus, geboren am 13.04.1874.
(4.) Salomon, geboren am 22.06.1875.
Das Schönfeld-Forum gibt noch eine weitere Familie an, die sich aber nicht in den Registern finden läßt: Johanna Stern
geborene Kaufmann, geboren am 15.12.1876, gestorben am 10.09.1942 in Theresienstadt. Im Ehrenbuch der Kriegstoten der Stadt Hanau ist sie (fälschlich) als Johanna Stern eingetragen. Auch Isaak
Stern, geboren am 13.08.1875 und gestorben in Theresienstadt läßt sich nicht unter den Bischofsheimer Unterlagen finden (nicht der Sohn von Herz Stern und Fanny Brückheimer).
Obergasse 8:
Der Eigentümer des Hauses war Hermann Stern bzw. sein Sohn Isaac. Bei einem Bombenangriff am 18. März 1944 wird das Anwesen total zerstört. Es wurde von der Gemeinde erworben und an Heinrich Ohnemus weiterverkauft. Die Witwe Ohnemus baut dann ein Nebengebäude behelfsmäßig als Wohnhaus ausgebaut.
Obergasse 14:
Das Haus gehört Arnold Stern (auch: Adolf Stern). Vater von Arnold Stern ist Salomon Stern (seine Schwester Berta heiratet Herz Appel in Hochstadt), Großvater ist Maier Stern. Arnold Stern heiratet 08.05.1896 seine erste Frau Fina, geboren am 15.02.1864 in Nieder-Wöllstadt. In zweiter Ehe ist er verheiratet mit Emma geborene Löwenstein, geboren am 21.11.1881 in Langenbergheim. Ihre Tochter ist Rosa, geboren am 28.11.1916. Arnolf Stern stirbt 1933. Arnold Sterns Schwester Sarchen (Sara) heiratet den Katholiken Viktor Ruf, sein Bruder Siegmund heiratet Karoline Löwenstein aus Langenbergheim.
Rosa (Rosi) Stern aus der zweiten Ehe. Vom Beruf Verkäuferin, wandert am 16. oder 28. September 1938 in die USA aus. Dort ist sie eine verheiratete Levy und wohnt in St. Louis in den USA.
Am 19. Juli 1947 fragt sie bei der Gemeinde nach dem Schicksal früherer Bischofsheimer Juden, zum Beispiel den Brüdern Wolff.
Das Haus wird nach der Auswanderung von Philipp Walter erworben. Es befindet sich 1950 in schlechtem Zustand. Der Nutzer Philipp Walther ist nicht in der Lage, größere Reparaturen auszuführen.
Am 7. Juni 2010 waren in Maintal zu Besuch:
(1.) Josefine (Fina) Plass, Tochter von Emmi Stern, und ihr Mann Robert Plass. Sie wurde um 1930 in Frankfurt geboren. Ihr Vater ist 1937 ausgewandert, ihre Mutter folgte im Winter 1938. Die Mutter Emmi Stern war auch eine verheiratete Stern und ist 1976 gestorben. Josefine Plass lebte lange in Los Angeles und jetzt (nach ihrer eigenen Angabe) in Fort Mills/South Carolina.
(2.) Sonja Stern, die etwas jüngere Cousine von Josefine Plass. Sie ist geboren in Frankfurt. Sie kann aber nicht die Tochter von Marx Stern sein, denn dieser wurde erst 1945 im KZ Sachsenhausen befreit. Sie ist wohl eine Tochter eines Bruders oder einer Schwester ihres Vaters. Sonja Stern zog im Sommer 1939 zu ihrem Vater nach Amerika nach Cleveland (USA). Eine Tante (Emmi Stern?) buchte für sie die Schiffspassage von Hamburg nach New York. Sie wohnt heute in Charlotte / North Carolina.
Der „Tagesanzeiger“ berichtet am 08.06.2010 über den Besuch aus Amerika:
In der Obergasse 14 in Bischofsheim besuchten sie das Haus ihrer Großeltern und kamen zufällig mit Nachbarn ins Gespräch, die sich noch an die Zeit erinnern konnten, als die Familie Stern das Anwesen bewohnte. Die wenigen Erinnerungen an das nationalsozialistische Deutschland und ihre jüngsten Eindrücke teilten Sonja Stern und Josefine Plass dann am 7 Juni vormittag auch mit Jugendlichen der neunten Realschulklassen der Werner-von-Siemens-Schule in Dörnigheim. Der Austausch mit den emigrierten Juden bot den Schülern Gelegenheit, sich dem historischen Unterrichtsthema „Nationalsozialismus“ auch von einer menschlichen Seite zu nähern.
Neun Jahre war Sonja Stern alt, als sie nach dem Tod der Mutter im Sommer 1939 zu ihrem Vater nach Amerika zog. Eine Tante [Emmy Stern?] buchte für sie die Schiffspassage von Hamburg nach New York. „Ich war ein Kind, als ich Deutschland verließ, aber an die Reichskristallnacht kann ich mich noch erinnern. Ich war zu Hause mit meiner Mutter, als meine Tante hereinkam und uns schilderte, was auf den Straßen vor sich ging. Plötzlich standen Nazis vor der Tür, die sich nach meinem Vater erkundigten, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Amerika lebte“, erzählt sie.
Ihre Cousine, Josefine Plass, war bereits ein Jahr zuvor nach Amerika emigriert. Ihre Mutter folgte ein Jahr später. „Es hat uns das Leben gerettet, daß wir amerikanische Bürger waren“, blickt Sonja Stern heute zurück. Warum sie Deutschland nicht schon viel früher verlassen hätten, wollten die Schüler wissen. „Es ist leicht, im Rückblick zu sagen, man hätte früher fliehen sollen. Aber niemand hätte damals gedacht, daß sich die Ereignisse so entwickeln würden. Wir dachten lange, daß uns schon nichts passieren werde“, erinnert sich Sonja Stern.
Dankbar registrieren sie und ihre Cousine die vielseitigen Bemühungen, das dunkle deutsche Geschichtskapitel aufzuarbeiten. „Die Verfolgung und Vernichtung deutscher Juden während des Nationalsozialismus wird heute viel offener diskutiert. Es ist wichtig, daß die jüngere Generation weiß, was damals passiert ist, damit sich die Geschichte nicht wiederholt“, nennt Sonja Stern einen Grund für die Besuche in Schulen. „Außerdem finde ich es großartig, Kontakt zu jungen Menschen zu haben“, ergänzt sie.
Am Nachmittag gedachten die amerikanischen Gäste auf dem jüdischen Friedhof in Hanau ihrer Großmutter, die dort beerdigt ist. Begleitet wurden sie dabei von Vertretern des Vereins Brüder-Schönfeld-Forum, die den „Abstecher“ nach Maintal organisiert hatten. Bereits am morgigen Donnerstag treten Sonja Stern sowie Josefine und Robert Plass die Heimreise nach Charlotte/North Carolina an.
Friedhof Hanau: In dem Buch über den jüdischen Friedhof Hanau ist auf Seite 573 angegeben:
Dina (Fina) Stern geborene Strauhs, Ehefrau des Eljakum (Arnold, genannt Adolf) Stern aus Wachenbuchen (Tochter von Jesel Strauß II. und N.N. geborene Speier, nach anderen Angaben Tochter von Markus Strauß und Jeanette geborene Haas), geboren am 27.03.1852 (oder am 15.12.1864 in Niederwöllstadt), gestorben am 24.05.1914 (oder 15.04.1914) (Nummer 12/26/5).
Der Text auf dem Grabstein lautet: „Dina Stern geborene Strauhs, Ehefrau des Eljakum Stern aus Wachenbuchen, geboren am 27.03.1852, gestorben am 24.05.1914“. Dazu paßt von den Ergänzungen in spitzen Klammern noch „Tochter von Jesel Strauß II. und N.N. geborene Speier“, der Vorname der Mutter ist Karoline.
Die anderen Ergänzungen in spitzen Klammern gehören zu einer anderen Person: „Fina Stern, Tochter von Markus Strauß und Jeanette geborene Haas, geboren am 15.12.1864 in Niederwöllstadt, gestorben 15.04.1914“. Sie war in erster Ehe verheiratet mit Arnold Stern aus Bischofsheim, Obergasse 14, ist aber nicht in Hanau beerdigt.
Auf dem Friedhof ist aber das Grab des Vaters von Arnold Stern: Salomon (Schlomo) Stern aus Bischofsheim, Witwer, Sohn von Mayer Stern und Ettel (Edel) geborene Ochs, geboren am 15.01.1829 in Bischofsheim und dort gestorben am 02.03.1912 (Nummer 12/25/6)
Außerdem ist auf dem Friedhof das Gab der Schwester des Salomon Stern: Sara (Sarah) Meyer geborene Stern, Witwe des Mosche (Moses Hirsch) Meyer, Tochter von Bernhard Stern und Edel geborene Ochs, Schwester des Salomon Stern, geboren am 05.0l.1827 in Bischofsheim, gestorben am 07.10.1904 (Nummer 12/22/4).
Die Angabe in der Zeitung: „Am Nachmittag gedachten die amerikanischen Gäste auf dem jüdischen Friedhof in Hanau ihrer Großmutter, die dort beerdigt ist“ ist insofern richtig, daß die Gäste den Friedhof besichtigten und die Gräber besuchten, aber das vermeintliche Grab ist nicht das der Großmutter.
Zwerggasse 1:
Das Haus gehörte den Nachkommen von Abraham Stern (geboren 1807) und Sophie geborene Wetterhahn (siehe Schäfergasse 10), die den Sohn Nathan hatten (geboren 1845) und der verheiratet war mit Emma geborene Bender. Diese wiederum hatten die Tochter Josephine (geboren am 04.121880), die verheiratet war mit dem Kaufmann („Reisender“) Oskar Hirsch (geboren am 31.03.81 in Homburg/Saar).
Die Eheleute und ihr Sohn Richard (geboren am 21.06.09), Handlungsgehilfe, ziehen am 5. Juli 1937 nach Frankfurt, Röderbergweg 30. Der Sohn Richard ist 1952 Eigentümer der Wiese „In den fünf Morgen“, die ihm zurückerstattet wurde und die er jetzt verkaufen möchte; die Gemeinde teilt den damaligen Nutzer mit.
Dem Sohn Oskar gelang die Flucht nach England und er reiste von dort in die USA. Ein Sohn von ihm ist in Florida gestorben, er ist dann wohl auch dort gestorben. Oskar Hirsch starb am 23. Februar 1944 in Theresienstadt, seine Frau laut Heiratsregister in Frankfurt.
Die Schwester der Frau, Klara Stern (geboren am 30.06.1882) heiratete den Schuhmacher Hermann Seligmann aus Seligenstadt und wohnte mit im Haus.
Das Haus wurde gekauft von Alfred Niemczyk. Es gab aber eine Vermögensauseinandersetzung, wodurch die IRSO in den Besitz des Hauses kam. Am 4. Juli 1951 forderte der Bürgermeister von der IRSO die Zahlung der Grundsteuer für das Haus, da sie Rechtsnachfolger des ehemaligen Besitzers ist. Der Mieter Niemczyk zahle nicht (mehr), weil er nicht Eigentümer ist. Ein Grundstück der Eheleute Hirsch in Größe von 6,32 Ar wurde später von Heinrich Kaiser genutzt.
Der Urenkel von Abraham Stern, Enkel von Seligmann Stern, Sohn von Arthur Stern, ist Michael Stern in Rodgau.
Berger Straße 7:
In dem Haus wohnt Adam Leimbach, geboren 1907 (geboren am 07.07.07 in Bischofsheim) als Sohn des Fabrikarbeiters Moritz Leimbach, evangelisch, und dessen Frau und Klara geborene Hirsch, die (beide verstorben sind), also „Mischling 1. Grades“. Nur die Mutter war „Volljüdin“, hatte aber keine Beziehung zu den in Bischofsheim wohnhaften Juden. Das Kind ist „Mischling 1. Grades“, wird aber hatte aber keine Beziehung zu den in Bischofsheim wohnhaften Juden. Das Kind wurde evangelisch erzogen.
Adam Leimbach war Arbeiter und war seit Anfang des Krieges einberufen. Am 08. April 1940 stellt er einen Antrag auf Eheschließung mit Lilli Nohr, Berger Straße 5. Leimbach ist Halbjude. Der Bürgermeister teilt mit, daß Leimbach als ordentlicher und arbeitsamer Mensch bekannt ist. Politisch hat er sich stets zurückhaltend benommen und hat vor der Machtübernahme keiner marxistischen Partei angehört.
Die Verlobte ist körperlich und nach Meinung des Bürgermeisters auch geistig behindert. Falls die Vorschriften über eine vorzunehmende Sterilisierung auf die Verlobten Anwendung finden sollten, wären aber von ihm aus Bedenken gegen die Genehmigung einer Eheschließung nicht zu erheben (Es hört sich fast so an, als solle auch der Mann sterilisiert werden, weil er Halbjude ist). Es kam aber zu keiner Eheschließung, das Gesundheitsamt hat die Ehetauglichkeit der Verlobten Lilli Nohr verneint.
Die Schwester Leimbachs ist die Hausfrau Johanna Grünewald geborene Leimbach, geboren am 24. Juni 1906.110 in Bischofsheim, Hausfrau. Sie ist auch „Halbjude“, zwei Großelternteile mütterlicherseits waren Volljuden. Der Ehemann ist Wolfgang Grünewald, geboren 19. September 1906 in Bergen, „arisch“, zurzeit bei der Wehrmacht. Ihr Sohn ist Nathan Grünewald, der (vor 1941) nach Offenbach verzogen ist.
Die ausgebeutete Kiesgrube (44,77 a) „An der Kirschal“ hat Philipp Maisch (Fechenheimer Weg) im Jahre 1939 zum Preis von 1.790 Mark von Nathan Grünewald (1941 verzogen) erworben. Am 4. Mai 1951 lehnen die Ortsschätzer eine Schätzung des Grundstücks Grünewald ab, weil die Kiesgrube ausgebeutet ist und das Grundstück wertlos sei.
Nathan Grünewald wohnt nach dem Krieg in Groningen (Niederlande) und bittet am 16. Februar 1953 um die Daten der Geburt und Eheschließung seiner Eltern. Auf der Liste gestrichen ist Maria Grünewald (geboren 22.12.1932), wohl auch eine Tochter, die Schwester Nathan Grünewalds.
Am 01. Dezember 1912.50 wird noch erwähnt Jakob Grünewald erwähnt als ursprünglicher Besitzer eines Grundstücks. Dabei kann es sich nur um den 1833 geboren Jakob Grünewald handeln, denn er wird als „Samuels Sohn“ bezeichnet). Dessen Erben sind die Kinder der und Mathilde Wallenstein geborene. Grünewald. Er ist aber wohl nicht verwandt mit den Grünewalds in der Berger Straße und ihre Kinder.
Zeitungsartikel:
Flucht vor den Nationalsozialisten MTA 08.06.2010
Jüdischer Besuch aus Amerika zu Gast in Maintal
Blaß sind die Erinnerungen an die frühere Heimat. Schließlich waren Sonja Stern und ihre Cousine Josefine Plass noch Kinder, als sie Deutschland aufgrund der politischen Verhältnisse Ende der 30er Jahre verließen, um ihr Leben zu retten. Auf Einladung der Stadt Frankfurt sind Sonja Stern, Josefine Plass und ihr Mann Robert seit Ende Mai in Deutschland, um sich auf die Spuren ihrer Vorfahren zu begeben.
Dabei führte sie ihr Weg auch nach Maintal. In der Obergasse 14 in Bischofsheim besuchten sie das Haus ihrer Großeltern und kamen zufällig mit Nachbarn ins Gespräch, die sich noch an die Zeit erinnern konnten, als die Familie Stern das Anwesen bewohnte.
Die wenigen Erinnerungen an das nationalsozialistische Deutschland und ihre jüngsten Eindrücke teilten Sonja Stern und Josefine Plass gestern vormittag auch mit Jugendlichen der neunten Realschulklassen der Werner-von-Siemens-Schule in Dörnigheim. Der Austausch mit den emigrierten Juden bot den Schülern Gelegenheit, sich dem historischen Unterrichtsthema „Nationalsozialismus“ auch von einer menschlichen Seite zu nähern.
Neun Jahre war Sonja Stern alt, als sie nach dem Tod der Mutter im Sommer 1939 zu ihrem Vater nach Amerika zog. Eine Tante [Emmy Stern?] buchte für sie die Schiffspassage von Hamburg nach New York. „Ich war ein Kind, als ich Deutschland verließ, aber an die Reichskristallnacht kann ich mich noch erinnern. Ich war zu Hause mit meiner Mutter, als meine Tante hereinkam und uns schilderte, was auf den Straßen vor sich ging. Plötzlich standen Nazis vor der Tür, die sich nach meinem Vater erkundigten, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Amerika lebte“, erzählt sie.
Ihre Cousine, Josefine Plass, war bereits ein Jahr zuvor nach Amerika emigriert. Ihre Mutter, die damals in Bischofsheim lebte, folgte ein Jahr später. „Es hat uns das Leben gerettet, daß wir amerikanische Bürger waren“, blickt Sonja Stern heute zurück. Warum sie Deutschland nicht schon viel früher verlassen hätten, wollten die Schüler wissen. „Es ist leicht, im Rückblick zu sagen, man hätte früher fliehen sollen. Aber niemand hätte damals gedacht, daß sich die Ereignisse so entwickeln würden. Wir dachten lange, daß uns schon nichts passieren werde“, erinnert sich Sonja Stern.
Dankbar registrieren sie und ihre Cousine, die beide in Frankfurt geboren sind, die vielseitigen Bemühungen, das dunkle deutsche Geschichtskapitel aufzuarbeiten. „Die Verfolgung und Vernichtung deutscher Juden während des Nationalsozialismus wird heute viel offener diskutiert. Es ist wichtig, daß die jüngere Generation weiß, was damals passiert ist, damit sich die Geschichte nicht wiederholt“, nennt Sonja Stern einen Grund für die Besuche in Schulen. „Außerdem finde ich es großartig, Kontakt zu jungen Menschen zu haben“, ergänzt sie.
Am Nachmittag gedachten die amerikanischen Gäste auf dem jüdischen Friedhof in Hanau ihrer Großmutter, die dort beerdigt ist. Begleitet wurden sie dabei von Vertretern des Vereins Brüder-Schönfeld-Forum, die den „Abstecher“ nach Maintal organisiert hatten. Bereits am morgigen Donnerstag treten Sonja Stern sowie Josefine und Robert Plass die Heimreise nach Charlotte/North Carolina an.
Friedhof Hanau: In dem Buch über den jüdischen Friedhof Hanau ist auf Seite 573 angegeben:
Dina (Fina) Stern geborene Strauhs, Ehefrau des Eljakum (Arnold, genannt Adolf) Stern aus Wachenbuchen (Tochter von Jesel Strauß II. und N.N. geborene Speier, nach anderen Angaben Tochter von Markus Strauß und Jeanette geborene Haas), geboren am 27.03.1852 (oder am 15.12.1864 in Niederwöllstadt), gestorben am 24.05.1914 (oder 15.04.1914) (Nummer 12/26/5).
Der Text auf dem Grabstein lautet: „Dina Stern geborene Strauhs, Ehefrau des Eljakum Stern aus Wachenbuchen, geboren am 27.03.1852, gestorben am 24.05.1914“. Dazu paßt von den Ergänzungen in spitzen Klammern noch „Tochter von Jesel Strauß II. und N.N. geborene Speier“, der Vorname der Mutter ist Karoline.
Die anderen Ergänzungen in spitzen Klammern gehören zu einer anderen Person: „Fina Stern, Tochter von Markus Strauß und Jeanette geborene Haas, geboren am 15.12.1864 in Niederwöllstadt, gestorben 15.04.1914“. Sie war in erster Ehe verheiratet mit Arnold Stern aus Bischofsheim, Obergasse 14, ist aber nicht in Hanau beerdigt.
Auf dem Friedhof ist aber das Grab des Vaters von Arnold Stern: Salomon (Schlomo) Stern aus Bischofsheim, Witwer, Sohn von Mayer Stern und Ettel (Edel) geborene Ochs, geboren am 15.01.1829 in Bischofsheim und dort gestorben am 02.03.1912 (Nummer 12/25/6)
Außerdem ist auf dem Friedhof das Gab der Schwester des Salomon Stern: Sara (Sarah) Meyer geborene Stern, Witwe des Mosche (Moses Hirsch) Meyer, Tochter von Bernhard Stern und Edel geborene Ochs, Schwester des Salomon Stern, geboren am 05.0l.1827 in Bischofsheim, gestorben am 07.10.1904 (Nummer 12/22/4).
Die Angabe in der Zeitung: „Am Nachmittag gedachten die amerikanischen Gäste auf dem jüdischen Friedhof in Hanau ihrer Großmutter, die dort beerdigt ist“ ist insofern richtig, daß die Gäste den Friedhof besichtigten und die Gräber besuchten, aber das vermeintliche Grab ist nicht das der Großmutter.
Familie Kahn:
Nicht bekannt ist die Wohnung der Familie Kahn. Der Stammvater ist Jacob Kahn, der 1797 den Sohn Maier Kahn hat. Dieser heiratet 1839 Jeanette (Sanet) Kaufmann. Ihre Eltern sind David Kaufmann, verheiratet um 1810 mit Esther Stern. Der einzige Sohn der Eheleute Kahn / Kaufmann mit Namen Jakob heiratet nach Dörnigheim, Schwanengasse 4.
„Jüdisch“ klingt auch der Name von Berta geborene Appel, verheiratet mit Friedrich Heinrich Herget, Berger Straße 19, die am 15.07.1938 eine Tochter Ursula Lina haben. Aber in den Personenstandsregistern kommt sie nicht vor.
Nicht mehr in Bischofsheim wohnen folgende jüdische Familien:
1. Baum, John Jonas, 1941 verzogen.
2. Nassauer, Jacques: 1941 „verzogen“. Er besaß ein Grundstück „Im Fischer“ zu einem Drittel. Die anderen zwei Drittel gehörten Peter Wadel II. und Peter Wadel III. Deshalb kann die IRSO nach dem Krieg die Nutzung nicht kündigen. Es wird als Grasstück dann bewirtschaftet von Johann Wadel, Obergasse 22. Entschädigungsanspruch erhebt Fred E. Herz aus Charleston, West Virginia USA, Erbe der Witwe Johanna Nassauer geborene Herz.
3. Grünebaum, Wilhelm und Artur (siehe „Ackergrundstücke“): Ein Acker „Am tiefen See“ (1.034 qm) gehörte Artur Grünebaum und wurde von den Erben des verstorbenen H. Kirchner, Rendel, übernommen.
Weitere Juden:
Hofmann, Johann Bernhard (geboren am 29.11.1895), wohnte bis 14.11.40 in Bischofsheim und verzog nach Frankfurt, Gelbe Hirschgasse 10. Am 01.11.42 in Hanau verstorben. Seine Tochter ist Cornelia Hofmann (Anfrage am 01.03.54).
Joseph, Martha, (geboren am 18.02.06 in Reichelsheim/O.), Köchin, vom 25.11.33 bis 07.12.33 in Bischofsheim, Niedergasse 2, sonst in Reichelsheim.
Rau, Kurt, (geb. 08.06.07 in Frankfurt), Kaufmann Schäfergasse, doppelter Wohnsitz
Rau, Klara geborene See, (geboren 05.01.07 Bischofsheim), Schäfergasse, doppelter Wohnsitz
Nassauer, Jacques: Er besaß ein Grundstück „Im Fischer“ zu einem Drittel. Er ist 1941 „verzogen“. Die anderen zwei Drittel gehörten Peter Wadel II. und Peter Wadel III.).(deshalb kann die IRSO nach dem Krieg die Nutzung nicht kündigen). Es wird als Grasstück bewirtschaftet von Johann Wadel, Obergasse 22. Entschädigungsanspruch erhebt Fred E. Herz aus Charleston, West Virginia USA, Erbe der Witwe Johanna Nassauer geb. Herz.
Isaak Stern (die einzige Person, die sich in den Personenstandsregistern identifizieren läßt, nämlich der Sohn von Herz Stern und Fanny Brückheimer): Ein Grundstück „An den drei Weidenbäumen“ (25,39 a) wurde am 23. Mai 1939 durch die Gemeinde von Isaak Stern erworben und am 6. September 1943 an Bernhard Reitz weiterverkauft. Eingetragen war es noch auf seine Eltern, auf Harry Stern (Vorname bei der Geburt „Hermann“) und Fanny geborene Brückheimer.
Nach dem Krieg wird die Anfrage nach dem Grundbesitz von Wolf Kahn (nicht bekannt), Harry Stern (vielleicht Heinrich Stern, geboren 1883), Sofie Stern, Jakob Grünewald, Moses Michels Sohn und Siegfried Hess zurückgegeben, weil die Grundstücke wegen der alten Flurbezeichnungen nicht festgestellt werden könnten und auch die Namen der Eigentümer nicht bekannt sind. Doch der Name Grünewald kommt unter den Bischofsheimer Juden gleich zweimal vor (Berger Straße 7 und Schäfergasse 10), und als es um die Kiesgrube geht, weiß man ja auch, wer Jakob Grünewald ist.
Es handelt sich um Jacob Grünewald, Zwerchgasse 106 und Schäfergasse 25 (alte Nummern!).
Ackergrundstück, die sich nicht einer der bisher dargestellten Familien zuordnen lassen:
Nicht einer bestimmten Bischofsheimer Familie lassen sich zuordnen:
- Etwa 1939 verkauft Leopold Rosenthal aus Bergen-Enkheim ein Ackergrundstück „Im Pfaffental“: Etwa 1939 von Leopold Rosenthal aus Bergen-Enkheim zum Preis von 260 Mark an gekauft von Georg Weisenstein, Niedergasse10.
- Ein Grundstück „Im alten Dorf“, Flur 11, Parzelle 33. Der f: Früherer Besitzer hieß Stern, der jetziger Besitzer ist Fritz Eschmann, Alte Dorfstraße 3, der das Grundstück wird von diesem als Grabland genutzt.
- Ein Acker „Am Griester Weg“, Flur 21, Flurstück 11, wird: Wird von Herrn Crass aus Fechenheim als Ackerland genutzt (also kein Kauf, nur stillschweigende Nutzung).
- Ein Grundstück „Hinter der Mühle“, Flur 5, Parzelle 145: Gehörte früher Moses Michels Sohn (siehe unten) und wird jetzt von Peter Hess als Grabstück genutzt.
Grundstück „Am Priesterrock“: Gehörte früher Sally Sichels Erben (wahrscheinlich aus Hochstadt) und wird jetzt von Philipp Mankel, Hochstadt, Lutherstraße, als Ackerland genutzt.
Acker „Am Dörnigheimer Weg“ gehörte früher dem: Früherer Eigentümer der Kaufmann Paul Turban, Jossa, und wird jetzt von der Witwe Heinrich Knaufs bewirtschaftet (teilweise Unland).
Wiese „In den fünf Morgen“: Am 14.03.52 fragt die IRSO nach Interessenten für den Kauf ehemals jüdischer Grundstücke. Zum Beispiel geht es um diese Wiese, die Herrn Richard Hirsch (geboren 1909, in Bergen-Enkheim verheiratet) zurückerstattet wurde und die er jetzt verkaufen möchte. Die Gemeinde teilt den jetzigen Nutzer mit. So kauft auch Friedrich Rohrbach am 20.09.55 ein Grundstück von der IRSO (IRSO = Jewish Restitution Successor Organization)
Die Grundstücke „Am Espe“ und „Am Hallgarten“ gingen von Susanne Zirkel auf Rudolf Bauer und Anna geb. Desch über. Ob es sich hier um ehemals jüdisches Vermögen handelt, ist nicht bekannt.
Nach dem Krieg wird die Anfrage nach dem Grundbesitz von Wolf Kahn (nicht bekannt), Harry Stern (vielleicht Heinrich Stern, geboren 1883), Sofie Stern, Jakob Grünewald, Moses Michels Sohn und Siegfried Hess zurückgegeben, weil die Grundstücke wegen der alten Flurbezeichnungen nicht festgestellt werden könnten und auch die Namen der Eigentümer nicht bekannt sind. Doch der Name Grünewald kommt unter den Bischofsheimer Juden gleich zweimal vor (Berger Straße 7 und Schäfergasse 10), und als es um die Kiesgrube geht, weiß man ja auch, wer Jakob Grünewald ist.
Es handelt sich um Jacob Grünewald, Zwerchgasse 106 und Schäfergasse 25 (alte Nummern!).
Die jüdische Gemeinde in Hochstadt
Geschichte
Die ersten Nachrichten über Juden in Hochstadt finden sich im Staatsarchiov Marburg. Dort befindet sich das Gesuch des aus Massenheim stammenden Juden Heyum zu Bobenhausen um Aufnahme in Hochstadt aus dem Jahre 1557 (HStAM 86, Nr. 29368). Nachrichten über die Aufnahme und Geschäfte des Juden Abraham zu Hochstadt gibt es aus den Jahren 1564-1604 (HStAM 86, Nr. 25962). Ein Gesuch des Juden Joseph zu Messel um Erlaubnis zur Niederlassung in Hochstadt gibt es aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts (HStAM Best. 86, Nr. 25920).
Schon aus den Jahren 1567 bis 1579 gibt es eine Judenordnung zu Hochstadt mit den Juden auferlegten Handelsbeschränkungen Der Verkauf von Kramwaren wurde ihnen dagegen ausdrücklich gestattet. Nur zehn Jahre später wurde der Einkauf alltäglicher Güter wie Salz, Brot oder Fleisch bei Christen an Sonntagen auf zwei Stunden morgens zwischen sechs und sieben und mittags zwischen drei und vier Uhr beschränkt. Außerhalb dieser Zeit durfte sich sonntags kein Jude auf den Straßen und Gassen aufhalten. Vieh, Holz, Kraut oder Rüben mussten zunächst Christen angeboten werden und erst wenn sich innerhalb einer Stunde kein Käufer fand, durften Juden diese Waren erwerben. Christen durften Juden kein Haus vermieten, wenn diese darin an Sabbat Gottesdienst halten wollten (HStAM 86, 25892).
Im Jahre 1666 wird den Juden zu Hochstadt, Bischofsheim und Dörnigheim widerruflich die Erlaubnis erteilt, ihnen „wie bisher, also auch künftig zu besagtem Hochstadt ihren Sabath und andere sonst gewöhnliche Feiertage“ feiern zu dürfen (HStAM 86, 21181). Dies wurde ihnen gestattet, allerdings mit der Einschränkung, dass sie dafür keinen Rabbiner, sondern nur einen Schulmeister beschäftigen durften und der „bereits gehabte Rabbiner“ sich damit abzufinden habe. Sie dürfen auch keine ungewöhnlichen Zeremonien veranstalten, keine sonstigen fremden Juden zulassen und die Feiern nicht in der Hauptstraße, sondern in Nebengassen unauffällig abhalten (HStAM Best. 86, Nr. 21181).
Aufgrund dieser Regelung ist sicher davon auszugehen, dass es spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, vermutlich schon länger, eine jüdische Gemeinde mit allen notwendigen Einrichtungen, wie Synagoge oder Betraum, Schulraum und Mikwe, in Hochstadt gab. Bis 1673 stieg die Zahl der jüdischen Familien auf acht.
Über die Juden in der Vergangenheit ist aber auch viel zu erfahren aus dem Gerichtsbuch der Gemeinde und den Presbyterialprotokollen der Kirche, meist deshalb, weil die Juden unangenehm aufgefallen waren. Die sogenannten „Kirchenrüger“ sagen meist aus, sie hätten niemanden gesehen, der sich gegen die Feiertagsordnung vergangen habe. Dafür bezichtigen sie umso lieber die Juden, für die der Sonntag ja kein Feiertag ist.
In den Jahren 1608 und 1609 werden die Juden in der Tat oft vor dem Ortsgericht angeklagt. In der Sonntagnacht sind Juden um 22 Uhr auf die Straße gegangen, haben getanzt, geschrien und gesungen; sie werden am 16. Juni 1608 in den Turm gesperrt.
Am 19. Juni 1608 müssen die Torwächter zu Recht gegen die Juden vorgehen: Ein Frankfurter und ein Mainzer Jude schlagen einen Hanauer Juden vor dem Tor zusammen und werden auch gegen die Torwächter aufsässig. Diese müssen zu ihren Spießen greifen, damit wieder Ruhe herrscht. Die Angreifer werden zu acht Gulden Strafe verurteilt, für die dann zwei Hochstädter Juden bürgen müssen.
Am folgenden Tag müssen zwei Hochstädter Juden in der Kanzlei in Hanau erscheinen. Sie wurden wegen Sabbatschändung angezeigt: Sie sind während der Predigt auf der Straße gesehen worden, haben gearbeitet und sind über Feld gegangen. Im Wiederholungsfall - so wird ihnen angedroht - werden sie sofort ins Narrenhaus geschleift werden.
Am 24. Juli 1608 wird das Kind des Juden Lößmann „in den Gehorsam geführt“, weil es am Sonntagmorgen während des Läutens zur Predigt Wasser geholt hat.
Bei einer wüsten Schimpferei zwischen einer Frau Schmidt und einer Frau Selma Judt fallen im Jahr 1609 Wörter wie „Dieb und Schelmen, Huer, Bluthund, Christenhund“. Bei einer anderen Schimpferei wird von einer anderen Frau gesagt „Jüdin, Mann-Diebin, Du lügst wie eine Hure!“
Bei Verhandlungen vor dem Ortsgericht über Geldsachen treten immer wieder Juden auf. Der Jude Conrich hat von Hans Reitzmann acht Gulden zu fordern. Dieser zahlt sieben Gulden, dazu einen Simmer Hafer und Kleingeld. Das ist dem Juden aber nicht genug. Deshalb schüttet er den Hafer dem Reitzmann in die Stube. Dafür kommt er aber in die „Herrenstrafe“, das heißt: Er wird von der Herrschaft verurteilt.
Gelegentlich bekommt auch einmal ein Jude recht: Als ein Jude abends Bier aus dem Wirtshaus holt, kommen am Rathaus zwei Burschen und nehmen ihm die Haube vom Kopf. Einer dieser beiden ist der Turmwächter. Nicht weil er den Juden geärgert hat, sondern weil er seinen Posten verlassen hat, wird er in den Turm gesteckt.
Die Bedeutung der Juden als Gläubiger wird immer größer. Im Jahre 1611 hat der Jude Nathan vom Weinfaß in Frankfurt eine Menge Schuldner in Hochstadt. Der Jude Abraham hat von Wenzel Apel 17 Gulden zu kriegen. Dafür pfändet er ihm eine Kuh, läßt sie dann aber doch im Stall stehen, weil die Familie Kinder hat; dafür nimmt er am 8. Juli 1611 einen Wingert von 17 Ruthen als neues Pfand. Der Jude Abraham in Hochstadt vertritt die Kinder des verstorbenen Jud Schmul in Frankfurt und treibt für diese Schulden in Hochstadt ein. Besonders die Bauern sind bei den Juden hoch verschuldet, zumal die Juden 1612 auch in den Pferdehandel eingestiegen sind.
Es kommen immer wieder Klagen vor das Ortsgericht vor: Hans Wenzel hat einen Korb („Mahne“) Birnen zum Verkauf hingestellt; aber die Frau des Juden Salomo reißt den Korb fort und trägt ihn in ihr Haus. Sellma Jud zündet 1613 das Haus an, das dem Pfarrer Gereum gehört und in dem sie zur Miete wohnt.
Die Klagen und Anklagen gehen hin und her: Auf dem Rathaus haben zwei Einwohner einen Juden „geschmissen“ und ihn einen „Schelmen und Dieben“ genannt. Mehrere Judenfrauen haben während der Predigt Wasser vom Brunnen geholt und werden deshalb im Jahre 1614 angeklagt.
In Frankfurt kommt es 1614 zum „Fettmilch-Aufstand“ kommt es 1614 in Frankfurt. Deshalb ziehen 50 Ehepaare von dort in das tolerantere Hanau. Mit Kindern und Mägden sind das immerhin 209 Menschen, die auch gleich zum Bau des Stadtwalls an der Judengasse herangezogen werden. In Hochstadt gibt es damals vier Juden. In der Zeit von 1615 bis 1634 werden zwei Judenfamilien angegeben. Im Jahre 1623 ziehen Hanauer Juden wegen der Pest nach Hochstadt und zahlen dafür 3 Gulden 18 Schilling zum Einzug, aber kein Judengeld, weil sie ja Hanauer sind.
Im Dreißigjährigen Krieg macht man offenbar keine Geldgeschäfte mehr mit Juden, sondern nur noch mit den vornehmen Herren aus Hanau. Erst 1650 treten wieder Juden im Geldgeschäft auf.
Der Jude Ezechiel muß 1665 zwei Gulden in die Kasse für die Kirchenstühle zahlen, weil er geschmäht und Gotteslästerung getrieben hat und eine getaufte Jüdin in Bergen „geheißen“ hat (d.h. beschimpft hat).
Sehr häufig müssen Juden durch den Schultheißen mit Geldstrafen belegt werden, weil sie sich auf jüdischen Hochzeitsfeiern ungebührlich benommen haben. Ein Jude muß Geld in den Almosenkasten legen, weil ein Kanzleischreiber 1666 in seinem Namen an die Junker in Karben geschrieben hat „über das Pfarrhaus“ (gemeint ist wohl die Pfarrfamilie).
Im Jahre 1671 werden wieder zwei Juden bestraft: Der Jude Isaak hat am Sonntag ein Kalb von Wachenbuchen nach Hochstadt geführt, und der Jude Salomon hat während einer Predigt auf der Straße ein Mastkalb kaufen wollen. Auch 1672 soll der Jude Moses mit Gefängnis bestraft werden, weil er zweimal sonntags Vieh in den Ort getrieben hat. Die Strafgelder kommen in der Regel in die Almosenkasse.
Andreas Emmel leiht 1672 immer wieder beim Juden Mordechai: Am 20. Juni viereinhalb Ellen Tuch aus Wolle (die Elle zu zehn Batzen), für dreizehn Batzen Schnur, Knöpfe, Zwirn und zum Aufschlag, dazu 66 Gulden Bargeld. Am 5. Juli leiht er noch einmal sechs Gulden, am 19. Juli und 1. August je drei Gulden und am 10. September noch einmal 10 Gulden, insgesamt also 22 Gulden Bargeld und 3 Gulden 13 Batzen für Tuch. Am 10. November liefert der Jud Itzig ihm Fleisch.
Ehe der Kirchenrüger Philipp Schröder im Januar 1686 entlassen wird, klagt er noch einmal auf Befragen, daß er an einem Sonntag während des Gottesdienstes vom Juden Itzig und seinem Sohn Mayer ungebührlich angefahren worden sei, als er sie aufgefordert habe, in ihren Häusern zu bleiben. Itzig habe gesagt: „Was liegt dir denn daran!“ und Mayer habe ihn als „Großmaul“ bezeichnet. Der Jude Mayer gibt wegen seines Verhaltens 10 Albus für die Armen.
Im Januar 1678 wird im Presbyterium vorgebracht, der Jude Abraham habe am dritten Advent währen der Frühpredigt Branntwein in seinem Haus ausgeschenkt. Es waren etliche Soldaten dort und auch der junge Ziegler Johann Philipp Meed, der sich ganz hat vollaufen lassen und ein großes Geschrei in seinem Haus bei der Kirche veranstaltet hat. Der Jude sagt, er habe einem Soldaten diesen Wunsch nicht abschlagen können. Meed sagt, er habe nur für einen Kreuzer trinken wollen, aber der Jude habe ihm mehr gegeben, nämlich ein halbes Echtmaß. Jeder muß fünf Albus in den Almosenkasten geben. Auch im Juni 1678 und Juni 1679 wird wieder angezeigt, daß der Jude Abraham am Sonntag Branntwein gebrannt hat. Am 6. Juli 1679 sagt der Jude Abraham vor dem Presbyterium, seine Frau habe in seiner Abwesenheit Branntwein gebrannt. Er bittet um Verzeihung und zahlt drei Albus Strafe.
Andererseits braucht man die Juden für Geldgeschäfte, weil die Geldwirtschaft zum großen Teil in ihren Händen lag (Weil man sie zu den Zünften nicht zuließ, mußten sie sich auf Geldverleih und Viehhandel verlegen). Schon um 1666 wechselt der Jud Salomon die Pfennige im Almosenstein in gutes Geld, also in Gulden. Manchmal geht das Geldgeschäft auch umgedreht: So leiht der Jude Musche 1670 bei einem Einwohner 75 Gulden und verpfändet dafür seine Hofraithe in Hochstadt. Am 20. April 1686 werden im Opferstock an kleinen Hellern ungefähr 29 Taler 15 Albus gefunden. Da aber außer guten Münzen auch böse dabei sind, gibt man das Geld dem Juden Mayer, der dafür 27 ganze Gulden wechselt.
Im September 1694 klagen die Kirchenrüger darüber, daß die die Juden immer beim Läuten zum Gottesdienst Wasser oder Bier zu holen pflegen. Der Schultheiß hat es übernommen, sie deswegen zur Rede zu stellen, damit es nicht wieder vorkommt. Die Kirchenrüger sollen während des Gottesdienstes besonders auf die Juden achten. Das werden sie dann auch getan haben, denn so konnten sie besser über die Vergehen ihrer Nachbarn hinwegsehen, mit denen sie sich nicht anlegen wollten. Für die Juden dagegen war der Sonntag kein Feiertag, sie hielten nur den Sabbat (Samstag) ein.
Vom Lehrer Studacher wird im Februar 1695 angebracht, daß am 16. September, als der Pfarrer in Bockenheim gepredigt hat, der Jude Jekof (Jakob?) morgens vor dem Gottesdienst Dielen und Bretter gesägt und Treppen daraus gemacht hat. Der Lehrer hat es selber gesehen und Zeuge ist der Knecht des Andreas Mehrbott mit Namen Conrad (den Familiennamen kennt er nicht). Der Jude wird also überführt und zahlte eine Reichstaler Strafe.
Die Zahl der Juden ist nicht groß: Im Jahre 1673 sind es acht Familien und 1674 sind es fünf Familien, 1697 ist es nur eine und 1707 wieder zwei. Auf dem Ortsplan von 1715 wird als Bewohner des Hauses Hauptstraße 26: „Issak Jud“ angegeben, also der Jude Issak. In dem Haus wohnen später auch Juden. Im Jahre 1754 gibt es zehn jüdische Einwohner in Hochstadt.
Die Zahl der Juden bleibt auch weiterhin klein. In manchen Jahren wie etwa 1765 ist gar keiner am Ort.
In den Jahren 1731, 1732 und 1749 wird der Schutzjude Hiskias erwähnt, der einen Gulden Sondersteuer zahlen muß, das sogenannte „Judengeld“. Im März 1736 wird „dem hiesigen Juden“ das Taufgeschirr, bestehend aus Kanne und Schüssel, für 1 Gulden 25 Albus verkauft.
Im Jahre 1749 wird ein Jude Benjamin erwähnt. Die Juden Hiskia und Benjamin ziehen 1762 weg, sind aber offenbar wiedergekommen (oder andere Juden mit gleichem Namen). Ein Jude Joseph wird 1772 erwähnt. Im Jahr 1776 werden der Jude Jessel und der Jude Prissel erwähnt. Aber 1782 gibt es keine Juden am Ort. Im Jahre 1783 gibt es nur ein jüdisches Ehepaar und eine Witwe, dazu sieben Kinder. Ab 1785 wird die Zahl der Juden wieder größer.
Um 1750 tauscht die Hochstädter Kirchengemeinde ihre Kollekten bei Juden in Bischofsheim in gutes Geld um. Ein Gulden hat den Wert von 60 Kreuzern. Wenn man aber nur schlechtes Geld hat, bekommt man im Jahre 1749 für Münzen („Heller“) im Wert eines Gulden nur 54 Kreuzer, im Jahre 1756 aber nur noch 45 Kreuzer. Wenn man umgedreht schlechtes Geld in gutes Geld tauschen will, dann hat man (bei 22 Gulden einen Verlust von über 5 Gulden). Die Kirche muß für die Eintragung in die Kirchenrechnung also eine bestimmte Summe abschreiben, weil die Kupferheller weniger wert sind als sich rein rechnerisch ergibt. Bei einem Kurs von 50 Kreuzern müssen noch 10 Kreuzer draufgelegt werden, um einen echten Gulden zu haben. Bei einem Kurs von 45 Kreuzer müssen dagegen 15 Kreuzer draufgelegt werden, um den vollen Wert eines Silberguldens zu erhalten.
Die Heller im Wert von 18 Gulden 30 Kreuzer werden Ende 1791 vom Handelsjuden Canina Calman in Hanau eingewechselt gegen Konventionsgeld (Münzen nach einem Vertrag zwischen Bayern und Österreich), der Gulden zu 50 Kreuzer. Es entsteht ein Verlust von 3 Gulden 2 Albus 4 Pfennige. Bei ihm wird auch für 6 Gulden 50 Kreuzer ein tragbarer Anzug für einen bedürftigen Konfirmanden gekauft. Beim Wechseln der Heller rechnet der Jude Canina Calman in Hanau Ende 1793 den Gulden zu 50 ½ Kreuzer. Am Schluß des Jahres 1811 werden die Heller im Wert von 15 Gulden beim Juden Henoch Drücker in Hanau gegen Silbergeld eingewechselt, der Gulden zu 53 Kreuzer (Für einen Gulden in Hellern gibt es 53 Kreuzer).
Ab 1811 mußten die Juden Nachnamen („bürgerlichen Namen“) annehmen. Solange sie nur wenige waren, genügten die Vornamen. Aber für die Personenstandsregister, Finanzverwaltung und andere Zwecke mußten Familiennanmen vergeben werden. Aus Hochstadt erschienen vier Männer auf dem Amt: Nathan Benjamin wählte den Namen Nathan Appel, Joseph Hiskas nahm den Namen Sichel an, Abraham Jessel nannte sich Stern und Baruch Jessel wählte Goldschmidt (HStAM 82, Hanau, 876). In der Judentabelle des Amtes Büchertal erscheinen aber noch 1820 nur die Vornamen, die sich aber anhand des Alters und der Namen der anderen Familienmitglieder den sieben Familiennamen zuordnen lassen.
Das Aktenstück über die Vergabe der Familiennamen ist die erste vollständige Aufzählung der in drei Orten (ohne Wachenbuchen) der Gemeinde lebenden Familien.Diese Zahl blieb zunächst in den Jahren 1825 bis 1828 vergleichsweise gleich. Im Jahre 1824 gehörten zur Gemeinde Hochstadt fünf Mitglieder in Hochstadt, acht in Wachenbuchen, vier in Bischofsheim und sechs in Dörnigheim. Die Gesamtzahl lag bei 23 Mitgliedern (HStAM 82, c 863). Ab 1851 (andere Angabe: 1852) bildete Wachenbuchen eine eigene Gemeinde (HStAM 180 Hanau, 4761).
Im Jahre 1831 werden vom Juden Herz in Kesselstadt 48 Gulden in Form von Hellern in Silbergeld gewechselt. Er zahlt für den Gulden 42 Kreuzer, so daß 14 Gulden 24 Kreuzer übrigbleiben. Der Schultheiß Stein tauscht dagegen Heller im Wert von 2 Gulden in 1 Gulden 30 Kreuzer (Anmerkung: Dieser Kurs ist günstiger, es sind 45 Kreuzer für den Gulden).
Es gab wohl (im 18. Jahrhundert?) auch einen eigenen jüdischen Friedhof südlich der Ringstraße im Bereich Brunnenstraße. Das geht aus der alten Flurbezeichnung „Judenkirchhof“ hervor. Seit etwa 1850 (ältestes Grab) werden die Hochstädter Juden auf dem Judenfriedhof in Hanau beerdigt. Die dortigen Grabsteine sind fast die einzigen Sachzeugen für die Existenz einer Hochstädter jüdischen Gemeinde.
Seit 1767 erhalten die Juden die gleiche Strafe wie die anderen Einwohner, wenn sie bei Unzucht mit Glaubensgenossen ertappt werden; vorher erhielten sie die doppelte Strafe. Treiben sie aber Unzucht mit Christen, ist die Strafe weiterhin um ein Viertel höher.
Im November 1769 bringt der Pfarrer im Presbyterium vor, daß der achtjährige jüdische Junge David einen ganzen Tag in der reformierten Schule gewesen ist, um zusammen mit den anderen Kindern die christliche Religion zu erlernen. Deshalb läßt er den Vater des Jungen, den Schutzjuden Benjamin, kommen und fragt ihn, wie so etwas zugehe. Der Vater sagt, er habe ihn als Vater in Zucht und Ordnung halten wollen. Dadurch sie dieser böse Bube auf den Gedanken gekommen, seinen Eltern zum Trotz ein Christ zu werden. Er ist aber erst acht Jahre alt und weiß nicht, was er tut. Er tut das nur aus Bosheit nach Anstachelung böser Menschen. Der Pfarrer befiehlt ihm, den Jungen unter scharfer Zucht zu halten. Dem Lehrer sagt er, daß er diesen Jungen nicht in der Schule lassen soll. Wenn der Junge nicht folge, wolle er es dem Inspektor melden, weil der Unterhalt für den Jungen der Kirche große Unkosten verursachen könnte und doch zu befürchten sei, daß der Junge nach einigen Jahren die Schule wieder verlasse. (Anmerkung: Der Pfarrer freut sich nicht darüber, vielleicht den Jungen für die Kirche gewinnen zu können, sondern er fürchtet die Kosten, weil die Kirche dann für den Jungen verantwortlich wäre). Der Superintendent erhält einen Bericht und der Schulmeister strengen Befehl, den Jungen nicht mehr in die reformierte Schule zu lassen.
(Anmerkung: Der Pfarrer freut sich nicht darüber, vielleicht den Jungen für die Kirche gewinnen zu können, sondern er fürchtet die Kosten, weil die Kirche dann für den Jungen verantwortlich wäre).
Im Jahre 1775 müssen oft Reste von Abgaben niedergeschlagen werden, auch bei Juden. Im April 1779 mußte die Hochstädter Judenschaft einen Gulden als Strafgeld an die Kirche geben, wohl wegen Feiertagsvergehen.
Um 1780 rühmen die Hochstädter gegenüber der Herrschaft die Qualität ihres Weines, weil sie fast als einzige in der Umgebung Weinhandel mit den Juden treiben, die koscheren Wein wollen, also religiös unbedenklichen Wein. Besonders die Frankfurter Judenschaft kauft Jahr um Jahr viel Wein für gutes Geld.
Doch schon 1783 klagt man darüber, daß die Juden gern die Bettelschütt nördlich der Ringmauer als Wiese aussuchen. Es gibt oft Anzeigen der Flurschützen wegen unberechtigten Hütens. Im Jahr 1785 wird der „Faselochse“ (das Vatertier) über jüdische Händler verkauft und die Gemeinde kauft auch wieder einen neuen von den Juden.
Am 29. Oktober 1792 kommt es während des Gebets im Bethaus zu einem Streit zwischen dem Juden Joseph aus Hochstadt und dem Juden Jakob aus Dörnigheim. Dabei wird der Schultheiß Weber zum Schiedsrichter angefordert. Der Vorsänger der Juden hat beide mit zwei Gulden Strafe belegt, von denen einer der Kirche vermacht wird, der andere aber bleibt ist der jüdischen Schule geblieben.
Jakob Lindt hat Mitte 1794 einen verworrenen Prozeß mit einem Juden aus Bergen. Am Ende aber werden sie nachgiebiger und es kommt zu einem Vergleich. Dabei wird versprochen, daß die Kirche in Hochstadt einen Gulden erhält, die der Berger Amtsbote auch überbringt.
Nach einem Streit in der Judenschule gehen zwei Gulden Strafe in die reformierte Kirchenkasse.
Nach einem Rechtsstreit über Wein im März 1803, den die Witwe Rohrbach mit dem Juden Wezlar aus Hanau führte, kommt es zu einem Vergleich, in dessen Rahmen der Jude 27 Kreuzer für die Armen in Hochstadt schenkt.
Die Kirche erhält 1818 drei Gulden aus einer Strafe, die Juden zahlen mußten, weil sie auf einer Hochzeit während des Gottesdienstes Karten gespielt haben.
Im Jahre 1781 erfolgt die Aufnahme des Juden Joseph Hiskias in den Temporal-Schutz. Er ist 23 Jahre alt, die Eltern (Mutter Gele) sind verstorben. Ihr ältester Sohn wohnt in Dörnigheim, die zweite Schwester in Wachenbuchen, die dritte Schwester in Hochstadt. Er ist der vierte Sohn (Kind?) des Vaters. Er ist Viehhändler mit etwa 100 Gulden Kapital. Er muß für die Aufnahme 4 Reichtalern zahlen und erhält die Auflage, keine Frau zu heiraten, die weniger als 500 Gulden Vermögen hat. Der Schutzjude Joseph Hiskias bittet von 1802 bis 1816 immer wieder um eine Frist zur Bezahlung der rückständigen Gemeindeabgaben (Die Person läßt sich nicht identifizieren, Hiskias Goldschmidt, Hauptstraße 26, ist erst 1814 geboren. Es könnte sich um einen der beiden Joseph Sichel handeln).
Im Jahre 1791 bittet der ledige Nathan aus Hochstadt um den landesherrlichen Schutz. Er wird ausführlich befragt: Er ist Nathan, der älteste Sohn des verstorbenen Benjamin, 35 Jahre alt. Er hat 350 Gulden Vermögen, seine Braut 450 Gulden. Die Gemeinde Hochstadt hat ei ngewilligt. Er will sich mit Viehhandel und Schlachten ernähren Die Judenschaft des Amtes hat sich auch für ihn ausgesprochen. Sie wollen wir üblich drei Jahre für ihn bürgen. Seit acht Jahren treibt er Viehhandel und hat dabei Mutter und Schwester versorgt. Er hat ein eigenes, hypothekenfreies Haus im Wert von 200 Gulden. Von seinem Großvater Süßkind Heß hat er 150 Gulden geerbt. Verlobt ist er mit Baye, der Tochter des Salomon David aus Bischofsheim, die 450 Gulden Mitgift erhalten soll. Auch von der jüdischen Gemeinde Bischofsheim wird ein Zeugnis eingeholt. Alle Aussagen müssen belegt werden. Dennoch ziert sich das Amt und hinterfragt die Sicherheiten, denn es gibt noch einen Widerspruch gegen das Ei gentum an dem Haus. Auch die Mitgift der Braut wird angezweifelt. Im Jahre 1797 teilt Nathan mit, daß er sich mit der Tochter des Juden Abraham Herz aus Wachenbuchen verheiraten will. Jetzt gibt er 900 Gulden als Betriebskapital an. Wieder geht die Befragung von vorne los. Am 30. Mai 1797 wird die Ausstellung des Schutzbriefs angewiesen. Nathan muß einen Eid auf die Thora schwören. Durch das Gefecht bei Hochstadt im Jahre 1800 verliert er aber sein ganzes Vermögen durch Plünderung (Schaden 498 Gulden). Er wird für drei Jahre von Abgaben befreit. Aber auch 1803 kann er noch nicht zahlen, er erhält wieder Aufschub.
Bei dem Juden „Nathan“ kann es sich nur um einen Nathan Appel handeln. Es gibt aber zwei Personen dieses Namens in Hochstadt, die auch beide 1799 ihr erstes Kind haben, aber laut Personenstandsregister mit einer anderen Frau als den hier genannten verheiratet sind. Aus der Liste von 1820 geht hervor, daß der Jude „Nathan Benjamin“ seit 1797 Schutzjude ist, aber mit Schmila aus Wachenbuchen verheiratet ist. Über die Kinder läßt sich feststellen, daß es sich um die Familie 83 handelt. Beide Familien sind aber später nicht mehr in Hochstadt vertreten.
In den Jahren 1825 bis 1828 leben in Hochstadt fünf Juden mit ihren Familien: Abraham Stern, Baruch Goldschmidt, Samuel Stiebel, Jacob Siegel und Benjamin Appel. Sie müssen wieder zwei Gulden Schutzgebühr zahlen, nur armen Familien wird ein Gulden erlassen. Zwei dieser Familien treten später nicht mehr auf.
Ab 1825 müssen die Juden Personenstandsregister führen. Die Namen der Synagogenbuchführer und sonstigen Verantwortlichen ergeben sich aus der Spalte „Besondere Bemerkungen“, in der sich ab März 1841 Eintragungen finden. Daraus kann man sehen, wer die Lehrer und Gemeindeältesten waren. Dabei unterschreiben auch Gemeindeälteste aus den anderen Orten, denn zur Gemeinde Hochstadt gehören auch Mitgliedern in Wachenbuchen, Dörnigheim und Bischofsheim, nämlich auch die Juden in den Filialorten Bischofsheim (dort werden Juden seit Mitte des 18. Jahrhunderts erwähnt) und Dörnigheim (dort werden Juden erstmals 1835 erwähnt). Aus Bischofsheim kommen die Familien Stern, Selig, Meyer, Goldschmidt und Wolf zum Gottesdienst in Hochstadt. Aus Dörnigheim kommen die Familien Stern, Schönfeld und Metzger Schönfeld.
Im Jahre 1846 bezeugt der Provinzial-Rabbiner Felsenstein die Richtigkeit des Eintrags einer Hochzeit. Ab dem Jahre 1853 wird das Register von der Polizeidirektion des Landratsamts geprüft und angeordnet, daß in Spalte 5 jeweils der Stand der Eltern und der Geburtsname der Mutter mit angegeben werden und notfalls noch nachgetragen werden muß.
Zur Gemeinde gehören nämlich auch die Juden in den Filialorten Bischofsheim (dort werden Juden 166 und seit Mitte des 18. Jahrhunderts erwähnt) und Dörnigheim (dort werden Juden erstmals 1666 und dann 1835 erwähnt).
Juden kommen in früherer Zeit auch von außerhalb zum jüdischen Gottesdienst nach Hochstadt. Aus Bischofsheim kommen die Familien Stern, Selig, Meyer, Goldschmidt und Wolf. Aus Dörnigheim kommen die Familien Stern, Schönfeld und Metzger Schönfeld.
Gemeindeälteste in Hochstadt sind:
Benjamin Appel 1835 bis 1851
Hesekiel Kahn 1841 - 1848
Herz Appel 1844 bis 1866
Hiskias Goldschmidt 1851 bis 1853
Salomon Sichel 1858 bis 1862
Isaak Sichel 1856 bis 1872
Im 19. Jahrhundert wächst die Zahl der Juden: Um 1800 gehen sieben bis neun Gulden an Schutzgeld von Juden ein. Im Jahre 1835 zählt man 35 Juden in Hochstadt. Die jüdische Familie Appel in Hochstadt wird erstmals am 16. April 1837 erwähnt, als der Kirchenbaumeister Faß Geld bei Herrn Appel umwechselt, und zwar Heller im Wert von 6 Gulden, den Gulden für 50 Kreuzer (üblicher bis guter Kurs). Nathan Appels Witwe wird in den Ort aufgenommen. Im Jahre 1838 zieht der Jude Herz Appel zu und zahlt 17 Gulden Einzugsgeld. Die Juden zahlen in diesem Jahr insgesamt 14 Gulden Schutzgeld; es sind also sieben Familien. Im Jahr 1843 holen sich drei Juden auswärtige Frauen. Die Juden werden jetzt nicht mehr gesondert als Steuerzahler aufgeführt.
Judentabelle des Amtes Bücherthal von 1820 Hochstadt:
Vollständige Tabelle unter „Maintal Judentabelle“. Leider sind immer nur die Vornamen angegeben, so daß die Zuordnung zu einer Familie unsicher ist. Folgende Zuordnung ist wahrscheinlich:
Abraham Stern (Familie 64), Baruch Goldschmidt (Familie 4,Töchter nicht zuzuordnen), Samuel Stiebel (Familie 81), Joseph Sichel (Familie 179), Nathan Appel (Familie 83), Meyer Joseph Hirsch (Familie 174, der davor erwähnte „Meyer Hirsch“ dürfte der Vater sein).
Nr. |
Familienoberhaupt (Alter) |
Ehefrau und Herkunftsort |
Söhne |
Töchter
|
Summe |
Landesherrl. Schutz |
Schutzgeld |
Vermögen |
1 |
Abraham Jessel (46) Familie 64 |
- |
Jessel (15) |
Fradel (20) Rechle (17) Rößche (12) |
6 |
25.03. 1800 |
20 |
400 |
2 |
Baruch Jessel (43) Familie 4 |
Beile (30) |
Jessel (8) Hiskias (6) |
Süßche (10) Kelle (5) Mennla (2) |
10 |
21.03. 1809 (1791*) |
20 |
500 |
3 |
Samuel Jessel (53) Familie 81 |
Feine (44) (Merle*) Wachenbuchen |
Süßel (11) Abraham (7) |
Bessel (18) Hendle (14) Rößche (9) |
7 |
02.09. 1797 |
20 |
400 |
4 |
Joseph Hiskias (64) Familie 179 |
Hanne (64) Hanau-Altstadt |
Jakob (25) Salomon (23)
|
- |
4 |
April 1785 |
1/2 |
200 |
5 |
Nathan Benjamin (68) Familie 83 |
Schmila (40) Wachenbuchen |
Benjamin (22) Herz (18) David (16) Joseph (7) |
Giedle (14) Hendle (11) Feile (5) |
9 |
30.07. 1797 |
|
arm |
|
Meyer Hirsch (86)
|
- |
- |
- |
1 |
|
|
arm |
|
Meyer Joseph (49) Vorsänger Familie 174 |
Frommet (35) Wachenbuchen |
- |
- |
2 |
|
|
arm |
* Angabe in früheren Jahren (Listen seit 1814)
Das Jahr, mit dem der landesherrliche „Schutz“ beginnt, muß nicht das Jahr des Zuzugs sein. Für die Richtigkeit der Wiedergabe der Namen kann keine Garantie übernommen werden
Arme jüdische Familien erhalten von der Gemeinde Verpflegungskosten. So bekommt die arme Rebecca Levi 1844 Geld für neues Stroh in ihr Bett. Die Juden werden jetzt nicht mehr gesondert als Steuerzahler aufgeführt. Im Jahre 1845 erhält Blümchen Levi die Miete für ihre Wohnung, weil sie blind ist; allerdings verlangt man von ihr, den Empfang der Unterstützung durch Unterschrift zu bestätigen, obwohl doch deutlich auf der Quittung steht, daß sie blind ist und nicht schreiben kann.
Uneheliche Tochter der Blümchen Levi ist Fannie Levi, die am 9. Juli 1863 einen unehelichen Sohn Georg Christian hat, der am 26. Juli im Pfarrhaus getauft wird, aber am 2. November 1863 stirbt (Taufbuch Seite 202). Fanny Levi, uneheliche Tochter der Israelitin Blümchen Levi, ändert nach der Taufe ihren Namen in Katharine Wolf (Taufe Heinrich Joseph Wolf, Taufbuch Seite 211).
Am 3. März 1854 wird ein Mann aus Züntersbach in Hanau hingerichtet, weil er einen Juden umgebracht hat; das Ereignis war einem Hochstädter so wichtig, daß er es in seiner Chronik festgehalten hat.
Vier jüdische Familien haben 1852 Grundbesitz in Hochstadt. In der ganzen Gemeinde betreiben 15 jüdische Familien eine kleine Landwirtschaft. Für 19 Gulden kann der Jude Herz Appel 1856 ein Stück Land kaufen. Im folgenden Jahr holt Nathan Stern seine Frau aus Rendel und zahlt dafür das gleiche Einzugsgeld wie ein Dörnigheimer.
Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl jüdischer Einwohner an. Im Jahre 1856 gibt es in Hochstadt 46 Juden in 13 Haushalten. Im Jahre 1857 lebten laut einer Aufstellung im Staatsarchiv (HStA 180, Hanau 4747) alleine in Hochstadt elf jüdische Familien mit 42 Menschen (aufgezählt sind hier nur zehn):
1. Herz Appel, 55 Jahre alt, Beruf Fellhändler, seine Frau Clara und die Kinder Bettchen, Nathan und Malchen. Die Familie galt als bemittelt [Familie 29].
2. Hiskias Goldschmidt war Handelsmann und lebte mit seiner Frau Regina und den Kindern Baruch, Bettchen, Hermann, Josef und Karolina. Auch sie galten als bemittelt [Familie 44]
3. Die Witwe von Süßel Stiebel [Bettchen geborene Bing] betrieb Metzgerei und Kramhandel und galt ebenfalls als bemittelt [Familie 113].
4. Im Haushalt des Handelsmanns Samuel Strauß lebten dessen Frau Jeanette und die Kinder Bettchen Baruch, Bertha, Röschen, und Jessel [Die Kinder sind aus der ersten Ehe des Mannes]. Sie galten als unbemittelt [Familie 117].
5. Die Witwe von Jessel Stern [Hendel geborene Appel] betrieb Metzgerei. Mit ihr lebten die Kinder Nathan, Liebmann, Jettchen, und Benjamin. Frau Stern galt als unbemittelt und wurde von ihrem Bruder [Benjamin Appel] bei der Fortführung des Geschäfts unterstützt. [Familie 27]
6. Der Witwer Salomon Sichel ging keinem Gewerbe nach. Er galt als arm und wurde von seinem Sohn unterstützt [Familie 61].
7. Der Makler Jakob Sichel und dessen Frau Gütchen [Gide geborene Sema] galten als unbemittelt. [Familie 2].
8. David Appel war Metzger. Er lebte mit seiner Frau Johanna (auch: Jachet geborene Reiß] und den beiden Töchtern Bettchen und Hannchen zusammen. Sie galten als unbemittelt und ein Bruder von David Appel unterstützte ihn in seinem Geschäft [Famlie 41].
9. Der Witwer Benjamin Appel war Viehmakler. Mit ihm wohnten seine Kinder Sara, Löb und Herz [Familie 16].
10. Blümchen Levi ging keinem Gewerbe nach. Sie war blind, galt als ganz arm und wurde von der Gemeinde unterstützt. Ihre Tochter war Fanni Levi [Person 636].
Jeskias Goldschmidt kann 1859 wieder einen Faselochsen an die Gemeinde liefern. im Jahre 1861 sind es 42 jüdische Einwohner. Bis 1863 erhält die jüdische Gemeinde jährlich 110 Pfund Mehl für Mazzen, danach auch mehr. Im Jahre 1861 gibt es 42 Juden, um 1866 sind es 46 Juden.
Auf dem jüdischen Friedhof in Hanau liegen zwei Gräber Hochstädter Juden links des Hauptwegs ziemlich vorne am Eingang, dazu das Grab einer Wachenbucher Jüdin, deren Eltern aber Hochstädter sind. Das älteste Grab in diesem Grabfeld ist das von Frau Gele Strauß, Tochter des Baruch Goldschmidt, ist von 1851. Aber in den Grabfeldern 2 bis 4 liegen noch drei ältere Gräber. Die anderen Gräber liegen rechts des Hauptwegs. Die jüngsten Gräber sind die von Bettchen Ausäderer (gestorben. 1923), Joseph Stern (gestorben. 1927) und Jettchen Goldschmidt (gestorben. 1933).
Ein jüdischer Wohltätigkeitsverein wird am 1. August 1879 gegründet, der auch für die Juden in Dörnigheim und Bischofsheim zuständig ist. Der Verein hat 17 Mitglieder und ein Statut mit 30 Paragraphen.
Eine Reihe von Juden sind Metzger. So erhält Sali Sichel 1903 die Erlaubnis zum Betrieb eines Schlachthauses. Jissel Stern ist Metzger in dem Haus Hauptstraße Nr. 31. Der Metzger Appel will beim Sängerfest am 28. Juni 1903 auf dem Festplatz Wurstwaren verkaufen, erhält aber vom Landrat keine Erlaubnis. Liegt es daran, daß er ein Jude ist?
Am 5. Mai 1905 beschwert sich Pfarrer Reich bei der Ortspolizeibehörde, daß der jüdische Fotograf vor dem Hauptgottesdienst einen Schubkarren durch die Hauptstraße geschoben hat.
In Hochstadt blieb bis 1905 blieb die Zahl jüdischer Einwohner mehr oder weniger konstant. Im Jahr 1905 gab es 43 jüdische Einwohner in Hochstadt (nach anderer Angabe: 45). Im Grundsteuerverzeichnis von 1922 werden nur fünf jüdische Familien aufgeführt: Appel, Bogenstraße Nr. 6; Goldschmidt, Hauptstraße Nr. 26; Katz, Nordstraße Nr. 7 (heute Nr. 11); Stern, Hauptstraße Nr. 31 und Strauß, Hauptstraße Nr. 41. Bis 1927 sank sie auf 27 Personen.
Nazizeit:
In der Gemeinderechnung von 1931 wird die jüdische Gemeinde noch einmal als etwas ganz Normales erwähnt. Um 1933 waren es noch sieben Familien in Hochstadt. Entsprechend den Nürnberger Gesetzen vom 17. August 1938 müssen alle jüdischen Männer und Frauen ihrem Vornamen den Namen „Israel“ bzw. „Sarah“ voranstellen. Angeblich soll das freiwillig geschehen, sie sollen einen Antrag auf Namensänderung stellen.
So treffen auch in Hochstadt aus dem ganzen Land Anträge auf Namensänderung beim Standesamt ein. Ein Jude schreibt aus dem Konzentrationslager Buchenwald. Eine Frau Klara Ebenhoch schreibt aus München, sie sei seit 22 Jahren katholisch, die Kinder seien bei der Arbeitsfront oder kriegsverpflichtet, ein Bruder sei im Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger gefallen. Und sie unterschreibt den Brief mit „Heil Hitler“.
Am 5. August 1938 werden auf Anordnung des Landrats die jüdischen Gewerbebetriebe erfaßt. Die Gewerbetreibenden müssen mit Unterschrift bestätigen, daß sie die Benachrichtigung über die Eintragung erhalten haben (Grund der Eintragung in die Liste „Jude“):
Appel Nathan Althandel Bogenstraße 6
Katz Saly Manufakturwarenhandel Nordstraße 7
Strauß Lina Milchhandel Hauptstraße 41
Sie haben alle keine weiteren Angestellten oder Arbeiter.
Außerdem wird vermerkt die Erbengemeinschaft Emma und Bertha Strauß, Hauptstraße 41, mit den zwei Grundstücken „Am Butterbaum“ (12,76 a) und „Im Amster“ (4,93 a).
Im September 1939 lebten noch fünf Juden in Hochstadt, die wenig später verschleppt wurden. Eine Person kehrte zurück und lebte noch eine Zeit lang in der Hauptstraße (HStAW 518, 1230). Dabei handelte es sich [um Theodor Ausäderer, der zwar kein Jude mehr war, aber jüdischer Abstammung
Die Gemeinde Dörnigheim möchte am 11. August 1939 jüdischen Besitz in der Flur „Im Breuhl“ in nicht-jüdischen Besitz bringen. Sie fragt an, ob die Pächter aus Hochstadt oder die Grundstücksnachbarn oder die Gemeinde Hochstadt Interesse haben.
Zur Pogromnacht in Hochstadt 1938 siehe unten „Synagoge“.
Ab dem Jahr 1939:
Im Jahre 1939 lebten (nach Arnsburg) in Hochstadt noch fünf Personen, die alle verschleppt wurden [nach Theresienstadt abtransportiert wurden (nach Arnsburg). Stimmt nicht ganz!]
Parallel zu den erzwungenen Grundstückskäufen läuft das Bemühen der Juden um Auswanderung. Am 12. April 1939 fragt Saly Katz bei der Beratungsstelle des Hilfsvereins der Juden in Deutschland nach Möglichkeiten der Auswanderung. Aber Auswanderungen nach Palästina werden von dieser Organisation nicht bearbeitet. Sie kann nur Schanghai in China empfehlen (!), das damals japanisch besetzt war. Am 20. Juli 1939 bittet die Reichsvereinigung der Juden, die die Auswanderung der Juden fördern soll, um eine monatliche Aufstellung über Binnenwanderung und Auswanderung der Juden. Bis zum 2. Oktober ist die gesamte jüdische Bevölkerung statistisch zu erfassen und auch die wirtschaftliche Lage und das Vermögen jeder Person festzustellen.
Am 6. Juni 1939 stellt Saly Katz eine Bescheinigung aus, daß Hugo Blumenthal aus Bischofsheim am religiösen Leben der jüdischen Gemeinde aktiv teilnimmt und deshalb am jüdischen Feiertag nicht zur Arbeit beim Bürgermeister erschienen ist. Herrn Hermann Goldschmidt aus Bischofsheim bestätigt er, daß er Landwirt und Viehzüchter gewesen ist, damit er in England eine Arbeitserlaubnis bekommt. Ab 15. März 1940 müssen die Auswanderungslisten alle zwei Wochen eingereicht werden. Die Bürgermeister haben ein Interesse daran, daß ihr Ort „judenfrei“ wird. Deshalb wird immer mehr ein freiwilliger Zwang ausgeübt.
Die jüdische Fastenspeise Mazzen kann 1940 nur noch durch die jüdischen Gemeinden gegen Abgabe von Brotmarken verteilt werden. Aus Hochstadt werden 30 Pfund Mazzen und 7½ Pfund Mehl bestellt für 13 Personen (einschließlich Bischofsheim).
Waren für das Passahfest können noch bei einer Firma in Berlin bestellt werden. Volksgasmasken gibt es über die Reichsvereinigung. Diese unterstützt 1939 die Witwe Blumenthal aus Bischofsheim und 1940 Nathan Appel, dessen Untermieter ausgezogen ist.
Ab Mai 1940 besteht ein Ausgehverbot für Juden im Sommer von 21 bis 5 Uhr und im Winter von 20 bis 6 Uhr. Im Jahre 1941 wird dann die „Endlösung der Judenfrage“" beschlossen: Die Juden werden in den Osten verschleppt und grausam umgebracht.
Am 30. Mai 1942 werden Saly und Recha Katz verschleppt, i. Im Jahre 1942 werden weiterhin verschleppt das Ehepaar Appel aus Hochstadt.
Im Februar 1945 werden noch die jüdischen Partner aus sogenannten „Mischehen“ fortgebracht, sogenannte „Geltungsjuden“. Wer Jude war, wurde bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 festgestellt, bei der man die Eltern und deren Konfession angeben mußte. Aber das hatte nichts mit der Religion zu tun, sondern es ging nach der rassischen Definition der Nazis. Unter diesen Verschleppten sind auch Theodor Ausäderer aus Hochstadt und seine Schwester Paula. Sie kommen am 17. Februar nach Theresienstadt, überleben aber.
Nach dem Krieg fordert die Militärregierung am 22. Juni 1945 die Erfassung des jüdischen Vermögens, das aufgrund der antijüdischen Gesetze mit Zwang veräußert wurde. Die Gemeinde Hochstadt nennt zunächst nur die Grundstücke im staatlichen Besitz, am 1. August 1945 aber auch die gemeindeeigenen. Man bestätigt immerhin, daß die jüdischen Besitzer „durch die Partei ausgewiesen wurden“" und „eine Zwangslage in allen Fällen gegeben war“. Über die Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden gibt das Aktenstück im Hauptstaatsarchi ov Wiesbaden (Best. 503, Nr. 7362 Band 7, 1960 / 1962) Auskunft..
Gedenken an jüdische Flüchtlinge in Schanghai 1999:
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will sich bei seiner am 2. November 1999 beginnenden China-Reise auch einem Kapitel deutscher Geschichte im Reich der Mitte widmen, dem frühere Politiker-Besuche aus Deutschland kaum Aufmerksamkeit geschenkt haben. Mit dem geplanten Besuch einer ehemaligen Synagoge in Schanghai wird Schröder als bislang ranghöchster deutscher Politiker des Schicksals von rund 25.000 europäischen Juden gedenken, die vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten in die „Stadt über dem Meer“ geflohen waren und dort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Getto gelebt haben.
Schanghai war seit den späten 30er Jahren weltweit fast die letzte Zuflucht für die Vertriebenen, denn viele Staaten hatten bis dahin schon ihre Einreisegesetze verschärft. In der ostchinesischen Metropole aber, wo die Westmächte und Japan faktisch die Herrschaft übernommen hatten, verlangte keine Behörde ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis.
So kamen viele Flüchtlinge per Schiff oder mit der Transsibirischen Eisenbahn in das damals von Japan besetzte Schanghai. In der Hafenstadt mit ihren 6,5 Millionen Einwohnern wurden die Flüchtlinge unterstützt von reichen jüdischen Kaufleuten, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Schanghai niedergelassen hatten, sowie Hilfsorganisationen aus dem Ausland. Die Neuankömmlinge selbst, die meist ihr Eigentum in der Heimat zurücklassen mußten, nahmen jede Arbeit an. Aus Professoren oder Künstlern wurden Tellerwäscher oder Kellner, andere eröffneten Friseursalons oder Arztpraxen.
Sicher vor dem Zugriff der Nationalsozialisten aber waren die Emigranten in Schanghai nicht. Denn Deutschland bemühte sich, das verbündete Japan von der „Endlösung der Judenfrage“ auch im fernen China zu überzeugen. Doch die Besatzungsmacht Japans war nur bereit, im Februar 1943 im stark kriegszerstörten Stadtteil Hongkou ein Sperrgebiet für „alle nach 1937 angekommenen staatenlosen Flüchtlinge“ einzurichten - das jüdische Getto von Schanghai.
Hier lebten die Verfolgten auf engstem Raum mit Chinesen zusammen - unter elenden Umständen zwar, aber nicht bedroht von Verfolgung und Ermordung. In all der Not blühte ein kulturelles Leben. Theater oder Konzertsäle wurden eingerichtet, Zeitungen und Zeitschriften herausgegeben. Die Chinesen nannten Hongkou „Klein-Wien“ oder „Klein-Berlin“. Als nach Kriegsende das Getto im September 1945 aufgelöst wurde, gingen die Emigranten in die USA, nach Australien oder nach Palästina.
Bundeskanzler Schröder wird nicht das Getto-Gebiet besuchen, sondern eine 1920 erbaute und renovierte ehemalige Synagoge, die ebenfalls von der langen Geschichte der Juden in Schanghai zeugt. In Hongkou, einem noch immer ärmlichen Teil der Wirtschaftsmetropole Schanghai, verblassen mit den Schriftzügen früherer jüdischer Geschäfte an einigen Häusern die fast letzten Spuren des Gettos.
Gebäude auf dem Synagogengrundstück Hauptstraße 43:
Das heutige Wohnhaus war die jüdische Schule und wurde 1868 erbaut. Das Hoftor stand etwas weiter hinten in der Gasse als heute. So konnte man von außen durch einen kleinen Gang hinter dem Schulhaus zur Synagoge gelangen. Die Eingangspfosten zu diesem Gang sind noch erhalten. Gleich links in diesem Gang war der Brunnen für das Grundstück. Im Hof stand zum Nachbargrundstück hin ein kleines Toilettengebäude und die Waschküche. In ihr befand sich die „Mikwe“, ein Bad für rituelle Waschungen.
Schule:
Das heutige Wohnhaus mit der Nummer 43 war die jüdische Schule in Hochstadt Seit dem 16. / 17. Jahrhundert wurde in Hochstadt auch Unterricht für die jüdischen Kinder gehalten. Welcher Raum dafür genutzt wurde, ist nicht geklärt. Um 1840 war aufgefallen, dass das bisherige Schullokal im Gemeindehaus den Ansprüchen an Unterricht und der Zahl der Schüler nicht mehr entsprach. Im Jahre 1842 hieß es, sie sei eng und durch die Schlafstätte des Lehrers in einem Alkoven zusätzlich eingeschränkt. Noch im gleichen Jahr wurde zwar durch geringfügige Erweiterungen Abhilfe geschaffen, 1846 galt sie aber schon wieder als völlig ungeeignet. Einem Neubau stand die Befürchtung entgegen, die mittellose Gemeinde könne die Baukosten nicht tragen. Im Jahre 1847 wurde auch diskutiert, mit dem Bau einer neuen Schule den Bau einer Mikwe zu verbinden.
In der Schule wurde allgemeiner Unterricht gehalten, den auch die jüdischen Kinder aus Dörnigheim und Bischofsheim besuchten. Daher schlug man vor, die Kinder für den generellen Unterricht in die Ortsschule zu schicken und in dem Gebäude nur noch Religionsunterricht zu erteilen. Aber auch hierauf ließ sich die Gemeinde nicht ein. Im Jahre 1856 untersagte die Baupolizei schließlich die weitere Nutzung. Im gleichen Jahr lehnte die Gemeinde abermals die Idee ab, gemeinsam mit der Schule ein warmes Frauenbad einzurichten. Dagegen versuchte sie, auf das Synagogengebäude eine Hypothek aufzunehmen, was eigentlich den geltenden Gesetzen widersprach. Als sich in diesem Zusammenhang 1857 die Mitglieder aus Dörnigheim von der Gemeinde loslösen wollten, wurde ihnen dies verweigert, um keine unnötigen finanziellen Schwierigkeiten hervorzurufen. Zu diesem Zeitpunkt war das alte Gebäude bereits für 80 Gulden auf Abbruch verkauft und auch schon niedergelegt. Unterricht fand vorübergehend in einem angemieteten Raum bei Johannes Weber statt.
Erst nachdem der Bürgermeister Hochstadts angeboten hatte, 2.000 Gulden Baugeld zu leihen, wenn ihm dafür die Synagoge und die neue Schule als Sicherheit überschrieben werde, stimmte die Regierung zu und erteilte 1858 die Baugenehmigung. Grundlage war ein Bauplan, der bereits 1856 vorgelegt und genehmigt worden war. Dieses Aktenstück (HStAM Best. 180 Hanau, Nr. 4747) enthält gleich zuerst den Riss einer neuen (Juden-)Schule zu Hochstadt.
Danach handelte sich um ein zweistöckiges, mit Satteldach gedecktes Gebäude aus Stein, das in Firstrichtung an das Wohnhaus des Daniel Koch angebaut werden sollte. Der traufseitig gelegene Eingang wies zur Dorfgasse. Das neue Gebäude enthielt einen Gewölbekeller unter dem nördlichen Teil.Im Erdgeschoss wareine Kammer und eine Stube sowie einen Ern (Hausflur mit Herdraum) mit Treppenhaus, in dem auch die Küche eingezeichnet ist. Das Obergeschoss wurde vollständig vom Treppenhaus und einem Flur sowie dem Schulsaal eingenommen. Bis Oktober 1858 waren die wesentlichen Arbeiten abgeschlossen und zu Beginn des Jahres 1859 fand der Eintrag des Gebäudes in das Kataster der Brandversicherung statt. Auch die Schule wurde in der Pogromnacht beschädigt und ihre Inneneinrichtung zerstört.
Mikwe:
Südlich des Hauses stand bis etwa 2000 ein Gebäude, das als Stall genutzt wurde, aber ursprünglich die Mikwe der jüdischen Gemeinde aufnahm, das Bad für rituelle Waschungen. Unklar ist, wann dieser Nebenbau errichtet wurde. Als 1859 die neue Schule gebaut werden sollte, weigerte sich die Gemeinde noch aus finanziellen Gründen, auch ein warmes Frauenbad einzurichten. In dem Haus Hauptstraße 26, in dem die Familie Goldschmidt lebte, befand sich eine Privat-Mikwe,. Da dies auch das Haus war, in dem sich bis 1832 der Betsaal der Gemeinde befand, kann diese Mikwe als das frühere Gemeindebad angesprochen werden. Sie existiert aber nicht mehr, da dieses Haus 1914 einem Neubau weichen musste. Wahrscheinlich ist, dass die 1939 zerstörte Mikwe uf dem Synagogengrundstück anschließend gebaut wurde.
Die Mikwe war etwa so groß wie eine Tischplatte und tief wie eine Badewanne. Ein Bild findet sich in dem Buch von Reinhard Schellmann „Hochstadt in alten nund neuen Bildern“,Hanau 2013, Band I, Seite 267.
Noch im Zweiten Weltkrieg wurde die Mikwe zugeschüttet und mit einer Betonplatte überzogen. Der neue Besitzer des Hauses (etwa seit 2010) hat durchaus gewußt, daß unter dem früheren Stallgebäude eine Mikwe war. Er sagte: „Wir haben da gebohrt, aber da war nur Schutt!“ Natürlich war da nur Schutt, denn man hat die Mikwe sicher zuerst zugeschüttet, ehe man eine Betondecke darüber zog. Jetzt hat er eine weitere Betondecke darüber gebaut.
Synagoge:
Da der jüdischen Gemeinde 1666 gestattet wurde, Gottesdienste abzuhalten, ist auch davon auszugehen, dass es zumindest einen Betsaal gegeben hat. Die Versammlungen sollten laut einer Verfügung der Regierung von 1666 an möglichst abgelegenen Orten und nicht an der Hauptstraße statfinden.Aber Anfang des 19. Jahrhunderts befand sich der Versammlungsraum im Haus der Witwe von Baruch Goldschmidt in der Hauptstraße 26.
Bis 1826 war die Anzahl der Gemeindemitglieder aber so weit gestiegen, dass dieser Raum nicht mehr alle Personen fassen konnte. Daher hatte die Gemeinde ein von der Hauptstraße abgelegenes Gebäude für 700 Gulden gekauft und wollte es als Synagoge einrichten. Um den Kaufpreis und die Umbaukosten finanzieren zu können, wurde eine Kollekte beantragt und genehmigt (HStAM 82, c 949).
Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde dieser Umbau aber nicht durchgeführt, denn 1832 hatte die Gemeinde mit dem Hochstädter Zimmermann Caspar Hensel einen Vertrag über den Bau einer neuen Synagoge geschlossen. Der Bauplatz stieß mit einer Seite an die Ringmauer des Ortes, mit der zweiten an eine Scheune, mit der dritten an das Wohnhaus von Philipp Eibelshäuser und mit der vierten an eine Gemeindegasse („gemeine Gasse“) (HStAM 82, c 1023).
Auch hierzu erteilte die Regierung die Genehmigung, allerdings mit der Auflage, dass die 1826 im Zusammenhang mit der Kollekte zusammengetragenen Gelder für den Bau zu verwenden seien. Der dieser Akte ursprünglich beiliegende Bauplan fehlt heute. Es ist davon auszugehen, dass der Neubau noch im gleichen Jahr entstand, denn bereits 1834 waren einige Gemeindemitglieder mit ihren Beiträgen zum Baufonds im Rückstand (HStAM 180 Hanau, 4761).
Im Jahre 1856 wurde der Zustand der Synagoge als so gut bezeichnet, dass man im Zusammenhang mit den Planungen für ein neues Schulgebäude daran dachte, sie mit einer Hypothek zu belasten. Dies geschah dann auch tatsächlich 1858 (HStAM 180 Hanau, 4747).
Die Synagoge stand auf dem hinteren Teil des Grundstücks bis an den Wehrgang hinter der Ringmauer. Sie war ein einfaches Fachwerkgebäude. Der First verlief in gleicher Richtung wie die Ringmauer (also anders als das heutige Wohnhaus). Das Gebäude war zweistöckig und etwa so hoch wie die umliegenden Scheunen und auch das Schulhaus.
Die Angabe „Steinbau mit einem Satteldach aus Fachwerk“ ist falsch, denn auf der Aufnahme im Buch von Reinhard Schellmann (Band 1, Seite 31) ist die Synagoge links vom Rondell in der Ringmauer zu sehen und dort ist eindeutig zu sehen, daß das Haus auch unten aus Fachwerk bestand. Auf der Bauzeichnung von 1910 ist das nicht so zu erkennen. Im Zuge des Einbaus einer Innenwand entstand 1910 dieser Bauplan, der sich in den Gemeindeakten erhalten hat (Heckert, 1999, 213). Um 1930 befand sich die Synagoge in gutem Zustand.
Der Eingang zur Synagoge war von der Seite des Schulhauses her. Rechts ging gleich eine Treppe hoch zur Frauenempore, die 33 Sitzplätze hatte. Im Erdgeschoß waren 55 Männersitze und eine Garderobe mit 90 Einheiten. Links vom Eingang standen drei Bänke mit je vier Sitzplätzen, hinten an der Wand dann sechs Bänke mit je vier Sitzplätzen. Unter der Frauenempore befanden sich zwei Bänke.
In der Mitte des Raumes stand das „Almenor“, das Lesepult, auch „Bima“ genannt, ein erhöhter Platz für die Verlesung der Thora. Rechts und links führten je zwei Stufen hinauf. Von dort wurde aus den Thorarollen (Bücher des Mose) vorgelesen. Links davon waren ein kleines Vorbeterpult und der Thoraschrein mit Altaraufbau, zu dem auch zwei Stufen hinaufführten. Im Thoraschrein werden die Thorarollen aufbewahrt.
Zur weiteren Ausstattung der Synagoge gehörten eine Wickelbank, ein Kronleuchter, vier Hängeleuchter, acht Seitenleuchter, zwei Leuchter am Thoraschrein, 20 Meter Läufer, ein Schrank für die Kultgeräte sowie ein Ofen.
Als Kultgegenstände waren vorhanden: acht Thorarollen, fünf silberne Thorakronen, fünf Paar silberne Thoraaufsätze mit Schellen, fünf silberne Thoraschilder, sechs silberne Lesefinger, 30 goldbestickte Thoramäntel, 100 handbemalte Wimpel, vier goldbestickte Thoraschreinvorhänge, vier goldbestickte Decken für das Vorbeterpult, vier goldbestickte Decken für das Vorlesepult, eine Ewige Lampe, ein siebenarmige Leuchter, zwei Chanukkaleuchter (Lichterfest in der Weihnachtszeit zum Gedenken an die Wiedereinweihung des Tempels 164 vCh), 20 Seelenlichter, zwei silberne Weinbecher, drei Pokale aus Silber, eine silberne Hawdallahgarnitur („Hawdala“, Ritual am Abend des Sabbat), ein pergamentbeschriebenes Megillah (Buchrolle mit dem zehnten Traktat der Mischna) mit Mantel, vier Schofarhörner (Blasinstrument aus dem Horn eiens Widders), zwölf Gebetmäntel, fünf Paar Gebetriemen, 20 Gebetbücher, 20 Sätze Festgebetbücher, 20 Bände Pentateuch (fünf Bücher Mose), ein Satz Aufrufplatten und eine silberne Ethrogbüchse [Etrog = Zitronatzitrone, die beim Laubhüttenfest verwendet wurde). Der Gesamtwert der Gegenstände betrug 82.825 Reichsmark (HStAW 518, 1230).
Man kann annehmen, daß alle dieses Gegenstände auch 1938 noch vorhandnen waren. Man fragt sich, wo diese Gegenstände nach dem Novemberpogrom hingekommen sind. Sie sind wohl nicht von den Einwohnern geopländert, sondern vom Staat eingezogen worden.
In der Pogromnacht wurde die Synagoge schwer beschädigt und die Inneneinrichtung sowie die Kultgegenstände zerstört (aber wohl nicht die Wertgegenstände). Am 10. November 1938 erfolgt auch in Hochstadt die Zerstörung der Synagoge. Seit der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 nCh wurden die Juden in alle Länder verstreut. Sie haben sich in das jeweilige Land eingefügt bis auf die Religion. So blieben sie eine Minderheit und wurden von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt. Da ihnen ein übliches Handwerk verwehrt wurde und sie auch keinen Landbesitz hatten, blieb ihnen nur der Handel einschließlich der Geldgeschäfte.
Die Bauern waren einerseits froh, wenn ihnen ein Jude das Geld lieh, um zum Beispiel eine Kuh kaufen zu können. Aber wenn der Jude sein Geld wieder haben wollte, dann war er der Ausbeuter und Menschenschinder. Dabei durften die Juden auch nur den üblichen Zins nehmen. Es gab in den zwanziger Jahren in Hochstadt eine Bauernzeitung, die im Untertitel die Bezeichnung „antisemitisch“ führte.
Dabei war das Verhältnis zu den Juden an sich gut. Der jüdische Metzger in der Hauptstraße 31 tauschte Fleisch mit dem Metzger in der Hauptstraße 23, das er aus religiösen Gründen nicht verwenden durfte. Und Frau Goldschmidt (Hauptstraße 26) brachte eine wohlschmeckende Suppe zu den kranken Nachbarn.
Dennoch wurde auch in Hochstadt in der Reichspogromnacht die Synagoge zerstört. Hier wirkte sich aber nicht der „Volkszorn“ aus, sondern es war eine gelenkte Aktion einiger fanatischer Nazis.
Der Sturm auf das jüdische Gotteshaus wurde von der SA („Sturmabteilung“, Schlägertruppe der NSDAP) durchgeführt. Es waren aber nicht (oder nicht nur) Nazis aus den Nachbarorten („Fremde“), sondern junge Leute aus Hochstadt mit Namen von alteingesessenen Familien (deren Namen bekannt sind). Nur der Schornsteinfeger war aus beruflichen Gründen erst vor einiger Zeit zugezogen.
Erst wollten sie die Synagoge anzünden. Doch der Bürgermeister ließ das nicht zu, weil dadurch die unmittelbar angrenzenden Scheunen mit gefährdet würden. So wurde die Synagoge mit Äxten und Vorschlaghämmern zerstört. Als Pfarrer Gerlach vorbei kam, jagte er erst einmal die Konfirmandnen weg, die neugierig zusahen. Er sagte zu ihnen: „Das ist auch ein Gotteshaus!“ Aber machen konnter auch nichtss.
Außerdem wurde in dieser Nacht der kleine Stoffhandel der Familie Katz in der heutigen Ritterstraße 11 geplündert: Mit Schubkarren fuhren die Leute das Diebesgut durch die Schütt (an der Ringmauer). Einiges wurde auch bei der Gemeindeverwaltung abgegeben, wie zum Beispiel das Gebetbuch der Familie, in dem die Abreise des zehnjährigen Leopold Katz nach den Niederlanden festgehalten ist. Das Buch wurde aus einem Haufen Archivmaterial im Obertor von einem Hochstädter Einwohner geborgen und 1997 an Leopold Katz übergeben. Der Bürgermeister berichtet dem Landrat am 8. Dezember 1938, daß er „anläßlich der Protestaktion gegen die Juden“ Manufakturbestände in Sicherheitsverwahrung genommen hat. Dabei handelt es sich wohl um die Ware der Familie Katz. Aber eine Aufstellung liegt nicht bei.
Haus der Schwestern Strauß:
Die wenigsten Hochstädter werden wissen, daß es die Hausnummer Hauptstraße 41 nicht mehr gibt. Aber in der Südostecke des Synagogengrundstücks stand noch ein kleiens Haus. Hier wohnten die Schwestern Strauß, die sich mit einem kleinen Milchhandel über Wasser hielten. Doch auch dieses Haus wurde in der Pogromnancht gleich mit verwüstet.
Die Gemeinde hat drei Grundstücke der Schwestern Strauß gekauft, aber den Preis gleich wieder mit der Unterstützung für die hilfsbedürftigen Schwestern verrechnet. Die Bezirksstelle Hessen-Nassau der Reichsvereinigung der Juden fragte am 26. Oktober 1939 an, was aus dem Haus der Schwestern Strauß geworden ist. Angeblich soll es abgebrochen worden sein. Sie fragte an, ob der Kaufpreis gezahlt wurde, weil die Schwestern auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen sind. Am 2. Februar 1940 wurde mitgeteilt, daß das Haus Strauß abgerissen ist und keine Gebäudeversicherung mehr besteht. Bis auf die Schule und einen Stall wurden alle Gebäude abgerissen.
Der Einheitswert des gesamten Synagogengrundstücks mit Gebäuden wurde zunächst auf 4.500 Reichsmark festgesetzt. Die Ruine der Synagoge war im November 1939 noch nicht beseitigt, da mit der Reichsvereinigung der Juden noch keine Einigung über den Kaufpreis erzielt wurde. Weil ein Teil der Gebäude zerstört iwar, wurde der Preis aber immer mehr gedrückt. Im Dezember 1939 wurden nur noch 2.000 Mark geboten. Am 6. Februar 1940 stimmte der Gemeinderat dem Ankauf des Geländes zu. Die Reichsvereinigung der Juden ermächtigt Herrn Katz zum Verkauf. Die politische Gemeinde verrechnet noch angebliche frühere Forderungen mit dem Kaufpreis. Sie zahlte schließlich am 29. September 1941 nur 1.078 Reichsmark. Diese wurden aber an das Berliner Bankhaus Wassermann überwiesen, und zwar auf ein Sperrkonto, über das nur mit Genehmigung der Devisenstelle verfügt werden durfte.
Der Standort der ehemaligen Synagoge in Hochstadt ist ein Beispiel dafür, wie man die Vergangenheit restlos beerdigt. Heute ist nur noch die Schule vorhanden und wird als Privathaus genutzt. An dieses wurde um das Jahr 2000 nach Süden hin ein Neubau angefügt. Der neue Besitzer des Grundstücks hat nicht nur die Mikwe mit einer weiteren Betondecke überzogen, sondern auch die Fundamente der Synagoge - lange Sandsteine - entsorgt, obwohl man sie - wie bisher - als Einfassung für die Beete hätte liegen lassen können.
Familien
Eine Übersicht über die Holcaust-Opfer findet sich auf der Seite des Schönfeld-Forums unter „Hochstadt“
In Hochstadt gab es - soweit bekannt - zuletzt folgende jüdischen Familien:
Marcus Stern, Bogenstraße 1
Die Familie Stern aus Bischofsheim:
Der älteste bekannte Vorfahre dieser Familie Stern (es gibt in Bischofsheim noch eine andere Familie Stern) ist Nathan Stern. Er ist 1750 in Bischofsheim geboren und stirbt dort auch 1843. Er heiratet vor 1790 Bella Maier, deren Name auch „Meyer“ geschrieben wird. Der Name der Frau ergibt sich aus dem Heiratseintrag der Söhne Markus und Kaufmann. Es wird auch „Löb Maier“ angegeben, aber Löb dürfte der Vorname des Vaters sein. Im Jahre 1815 quittiert Nathan Stern zum ersten Mal eine Rechnung ohne vor seinen Namen das Wort „Jud“ zu setzen.
In den Akten der Gemeinde Bischofsheim findet sich aber noch ein weiterer Hinweis auf Nathan Stern: Im Jahre 1758 müssen drei Metzger an die Gemeinde Steuer („Schlachtaccise“) bezahlen Diese sind: Jud David, Jud Afron (Aron), Jud Salmon (Salomon). Im Jahre 1762 werden ein Jud Hesekiel, ein Jud Simon und ein Jud Aron als Metzger vermerkt. Im Jahre 1785 kommt noch hinzu Jud Nathan (gemeint ist wohl Nathan Stern, 1750 - 1843, Enkel im Haus Niedergase 22) und 1787 Jud Mortge („Mortge“ ist die Kurzform von „Mordachey“).
Die Familie hat vier Kinder:
Der Sohn Markus Stern hat drei Kinder, von denen aber nur der am 21. Oktober 1848 geborene Nathan Stern heiratet. Der Mann ist von Beruf Handelsmann und handelt vorwiegend mit Alttextilien. Er heiratet am 8. November 1873 Regine Müntz aus Altengronau (im Spessart). Sie wohnen in Bischofsheim in der Niedergasse 22.
Die Gräber der Eheleute sind auf dem Friedhof Hanau erhalten. Die Inschrift auf dem Grabstein 12/35/5 (Grabfeld 12, rechte Seite des Friedhofs, die erste Reihe hat die Nummer 41) lautet: „Nathan Stern I., Sohn des Mordechai ha-Levi aus Bischofsheim, geboren am 21.10.1848, gestorben am 19.09.1924“. Und auf dem Grabstein 12/22/14 steht: „Regina (Reichel) Stern geborene Münz, Ehefrau von Nathan Stern I., Tochter des Schmuel (Samuel) Müntz und der Rebekka geborene Simon, aus Bischofsheim, geboren am 04.01.1844 in Altengronau, gestorben am 02.05.1906 in Bischofsheim“.
Das Ehepaar hat fünf Kinder:
Die Familie Stern in Hochstadt:
Marcus Stern wird er am 9. Dezember 1874 in Bischofsheim geboren. Das Kind wurde erst nachträglich in das Geburtsregister der Synagogengemeinde eingetragen, einmal im Jahre 1875 und dann noch einmal an der richtigen Stelle im Jahr 1874 dazwischen geschrieben. Es steht aber auch im Standesamtsregister.
Er heiratet am 10.03.1900 Sofie Rosenthal, die in Frankfurt geboren ist und schon 01.01.1918 bei der Geburt eines Kindes starb. Sie wohnen zunächst (1904) im Hochstadt in der Hanauer Straße 2 und dann (1906) in der Bogenstraße 1. Sie wohnen zur Miete, denn das Haus Bogenstraße 1 gehörte dem Bahnwärter Andreas Fischer, der 1897 geheiratet hatte und 1952 starb.
In Hochstadt war von Marcus Stern nur bekannt, daß er seine Erlebnisse beim Militär im Ersten Weltkrieg zum Ergötzen der Zuhörer in Art des braven Soldaten Schweijk vortrug, aber von den Zuhörern im Grunde verlacht wurde. Hermann Goldschmidt hat das berichtet. Die Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin kann nichts darüber sagen, weil die Dokumente alle vernichtet sind.
Die Eheleute Marcus Stern und Sofie geborene Rosenthal haben fünf Kinder:
(1) Hilda Johanna, geboren am 11.03.1904, war von Beruf Hausangestellte. Am 8 Dezember 1938 zog sie von Frankfurt-Höchst nach Bischofsheim, am 1. Juni 1939 ist sie wieder nach Frankfurt verzogen. Danach ist sie offenbar in die Heilanstalt gekommen. Am 25.09.1940 kam sie in die Heil- und Pflegeanstalt Gießen; dort sind aber keine Urkunden über sie vorhanden. Sie wurde dann in die Heilanstalt Herborn gebracht. Im September 1939 weigert sich laut Unterlagen im Stadtarchiv Maintal Simon Stern aus der Niedergasse 22 in Bischofsheim, einen Koffer mit Kleidungsstücken an seine Nichte Hilda Stern in die Landesheilanstalt Herborn zu schicken. Das Gesundheitsamt Frankfurt bittet den Bürgermeister, Stern zum Abschicken des Koffers zu veranlassen.
Schließlich kam sie nach Hadamar. In der Liste „H“ der Landesheilanstalt Hadamar, der Liste aller gesundheitlichen
Aufzeichnungen über Deutsche Juden, Urkunden von 1937 – 1941, ist festgehalten, daß Hilde Stern aus Frankfurt, geboren 11.03.04, auch in der Landesheilanstalt Hadamar untergebracht war. Sie starb am
01.10.1940 in Brandenburg, sie war ein Opfer der Aktion „T 4)“ (Tiergarten 4).
Sie hatte drei nichteheliche Töchter.
(2.) Gustav, geboren am 02.06.1905 war Schlachter und heiratete Johanna Gundersheim aus Romsthal. Das Ehepaar ging im Januar 1942 nach den Niederlanden, ihre Anschrift war
Heuvellaan 12, Hilversum, Noord-Holland. In der Karteikarte des Lagers Westerbork in den Niederlanden, angelegt am 30.04.1943, über Gustav Stern (Amsterdam, Z. Amstellaan 8), ist auch ein Freddy Salomon erwähnt, geboren 04.04 1938, der Sohn der Eheleute (Der Name Salomon richtet sich nach dem Namen des Vaters der Mutter).
Gustav Stern ist Mitarbeiter in der Lebensmittelherstellung und Teilnehmer am Lehrlingskurs Schuhmacher. Er ist gemäßigt orthodoxen Glaubens und hat ein Magengeschwür (Roy Dayan sagt allerdings, er habe keine Informationen, daß Gustav orthodox gewesen sie, auch die Bilder von ihm deuteten das nicht an). In den Transportlisten des Lagers Westerbork ist Gustav Stern eingetragen unter dem 18.05.1943, wahrscheinlich dem Datum der Verschleppung nach Sobibor, wo sie am 21.05.1943 ermordet wurden (https:// www.joodsmonument.nl/en/page/133127/gustav-stern).
(3.) Recha, geboren am 24.08.1906, stirbt wenige Tage nach der Geburt.
(4.) Elsa, geboren am 13.07.1908. Sie wurde etwa 1937 in Holland registriert (laut einem Archiv in Den Haag). Sie war Hausangestellte und lebte n Petrarcalaan 65 in Utrecht. Sie wurde nach Auschwitz gebracht, vielleicht mit ihrer Schwester Hedwig Stern. Es wird angegeben, daß sie am 10.09. 1943 in Auschwitz starb. Wahrscheinlich wurde sie aber am 09.10.1943 in Sobibor ermordet, wie es an anderer Steele heißt ( (https://www.joodsmonument.nl/en/page/ 40929/petrarcalaan-73-utrecht).
(5.) Hedwig, geboren am 09.05.1910, ist Mutter von Paula und Rudi Stern.
6. Rosa, geboren 1911, stirbt bald nach der Geburt.
Aus den Transportlisten der Geheimen Staatspolizei Frankfurt geht hervor: Marcus Stern, geboren 9.12.1874 Bischofsheim, wohnhaft Frankfurt, Gwinnerstraße 20, wurde am 22. November 1941 mit dem III. Transport nach Osten gebracht wurde.(laut ITS Archiv in Bad Arolsen, der Monat ist nicht genau zu lesen, aber an diesem Tag fanden weitere Verschleppungen statt). Das Ziel war voraussichtlich Riga (laut der „List of victims from Germany“ in der Gedenkstätte Yadvashem). Das war die erste Verschleppung aus dem Kreis Hanau, bei der auch die Familie Schönfeld deportiert wurde. Aus der Liste „G“, ausgestellt vom Polizeipräsidenten Frankfurt am 20. August, geht noch hervor, daß die Devisenstelle der Landeszentralbank Frankfurt die Verwalterin des Vermögens ist
Auch laut Gedenkbuch des Bundesarchivs wurde er am 22.11.1941 aus Frankfurt nach Kowno (Kaunas) deportiert und dort am 25.11.1941 in Fort IX ermordet.
Hedwig Stern:
Die Tochter Hedwig, geboren am 09.05.1910, verlobte sich 1922 mit Arthur Wertheimer aus Höchst im Odenwald. Im Jahre 1933 flüchtete sie vor der Gestapo nach Frankfurt. Dort wurde 1933 in einem jüdischen Heim in der Gagernstraße 36 ihre Tochter Paula geboren wurde (der Vater ist unbekannt, es ist aber ein anderer Vater als Rudis Vater). Sie war dann in Neu-Isenburg in einem jüdischen Heim für Mütter und Kinder untergebracht, das auch noch Unterlagen über sie hat.Dann ging sie durch Vermittlung einer Freundin nach Wiesbaden, wo 1935 der Sohn Rudi Stern geboren wurde. Dort lebte sie bei Rudi Leitem, der damals in der Stadt ein bekannter Mann war. Er ist vermutlich der Vater von Rudi Stern. Die Eltern konnten nicht heiraten, weil die Mutter Jüdin war. Die Vaterschaft ist auch nur durch das Gerede der Leute bezeugt.
Bei einem Anruf in Wiesbaden bei Rosemarie Leitem (der Schwiegertochter von Rudi Leitem) erklärte sie, daß sie erst 1962 nach Wiesbaden gekommen sei. Damals sei ihr Schwiegervater Rudi Leitem mit einer Frau verheiratet gewesen, deren Geburtsname Schlosser ist. Über die Zeit vorher wisse sie nichts. Auch als ich den Namen Hedwig Stern nannte, leugnete sie, diesen Namen zu kennen. Sie gab auch nicht an, daß es sich um eine jüdische Familie handele. Sie sagte nur, daß Rudi Leitem 1987 gestorben sei, sein Sohn (ihr Mann) ist dann 1991 gestorben. Frau Leitem will nichts mit Juden zu tun haben. Aber immerhin hat sie Bilder von Hedwig Stern aus einem Album an Rudi Stern gegeben. Es wurde damals auch ein großer Bericht für die Zeitung gemacht. Aber dann hat Rudi Stern wohl einen Fehler gemacht, indem er zu ihr sagte: „So, jetzt habt ihr auch einen Juden in der Familie!“ Sie hat offenbar danach offenbar gefürchtet, daß er an ihr Geld wolle und hat ihn beim nächsten Besuch praktisch aus dem Haus gewiesen.
Nach der Pogromnacht 1938 flüchtete Hedwig Stern vor der Verfolgung mit den Kindern nach Straßburg. Aber nach der Besetzung als Frankreichs wurde die Familie getrennt. Die Kinder wurden in katholischen Kinderheimen untergebracht. Die Mutter kam über Belgien in die Niederlande.
Am 12.8.1942 (anderes Datum laut Suchdienst: 07.11.1942, aber damals schon im Konzentrationslager) heiratete sie in Amsterdam dann Heinz Cohen (geboren 19.07.1912 in Beverungen, gestorben 29.01.1945 in Deutschland) und führte von da an auch dessen Namen.
Dann wurde sie im Konzentrationslager Westerbork inhaftiert. In der Karteikarte des Lagers Westerbork, angelegt am 21.08.1942, wird als Lagerbewohnerin erwähnt: Cohen-Stern, Hedwig, geboren 09.05.1910 in Hochstadt, wohnhaft in der Juliane von Stolberglaan 8, Hilversum (andere Angabe: Amsterdam, Z. Amstellaan 8).
Auf einem Schriftstück mit der Überschrift „Oude Kampbewoners“ mit dem Datum 14.09.1943 steht groß, daß sie am 12.08.1942 (Datum der Hochzeit) operiert (?) wurde und daß sie mit Heinz Cohen verheiratet war. Auf einem weiteren Schriftstück werden die Angaben zum Ehemann bestätigt.
An diesem 14.09.1943 ging sie „auf Transport“, das war wohl das Datum der Verschleppung nach Auschwitz Dann ging es weiter nach Ravensbrück, im Jahre 1944 starb sie im Lager Malchow bei Berlin, ein Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück. Das Jahr 1944 ist auch in Yad-wa-Schem angegeben, ebenso beim Standesamt Hochstadt (dort allerdings Auschwitz als Todesort).
Auf dem Namenband der Gedenkstätte in Wiesbaden steht „Malchow“ als Sterbeort, weil das ihr letzter bekannter Aufenthaltsort ist.
Im Standesamt Hochstadt wurden verschiedene Vermerke hinzugefügt:
1. In der Nazizeit wird der Zwangsname „Sara“ hinzugefügt.
2. „Hochstadt, den 2. August 1954: Die Ehefrau Hedwig Cohen geb. Stern ist durch rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts Hamburg......vom 10.04.1954......für tot erklärt worden. Als Zeitpunkt des Todes ist der 29. Januar 1945, 24 Uhr, festgestellt worden. Der Standesbeamte Brosch“.
3. „Der vorstehende Randvermerk vom 30. März 1939 wird gelöscht, Hochstadt, den 15. März 1963, Der Standesbeamte, in Vertretung Schacht“. Man beachte, daß erst die Todeserklärung eingetragen wird und erst wesentlich später der Vermerk über die Änderung des Vornamens.
Rudi Stern:
Herstellung des Kontakts mit Rudi Stern:
Im Jahre 2000 hatte Rudi Stern an das Staatsarchiv Marburg geschrieben, um von dort etwas über seine Familie zu erfahren. Dies gab die Anfrage an Frau Waltraud Burger weiter, die solche Dinge professionell bearbeitet und an die Rudi Stern viel Geld gezahlt hat. Sie hat dann die Stadt Maintal angeschrieben und diese gab das Schreiben an mich weiter. Aber damals konnte ich auch nicht mehr sagen als das, was in meiner Chronik stand, nämlich den Satz über den Großvater.
Nach einigen Jahren habe ich dann die Verfilmungen der Personenstandsregister der jüdischen Gemeinden Hochstadt und Wachenbuchen erhalten. Sie waren vom „Reichssippenhauptamt“ hergestellt worden und die zum Glück im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden erhalten Diese hatte ich in ein Genealogieprogramm übernommen und dann durch die Auswertung der Standesamtsregister ab 1875 ergänzt.
Beim Durchblättern meines Ordners stieß ich dann 2006 auf das Schreiben von Frau Burger, das ich längst vergessen hatte. Frau Burger wollte meine Unterlagen haben und selber abschicken, aber sie teilte mir mit, daß sie keine Bestätigung erhalten habe, daß alles angekommen ist. Wenigstens konnte ich erreichen, daß Frau Burger mir die E-Mail-Adresse von Rudi Stern mitteilte. Am 29. Juni 2006 schrieb ich an ihn und schickte ihm noch einmal alles mit. Er antwortete umgehend und bat um die Papiere.
Ich schickte ihm dann den Stammbaum seiner Familie. Er war zufrieden, daß er aus einer deutschen Familie stammt, nicht aus Polen oder Rumänien. Er war schon mehrmals in Wiesbaden, wo ihm eine Bekannte seines Vaters die Wohnung für einen Urlaub zur Verfügung stellen. Er sagt aber: Er kommt dann aber nicht nach Deutschland, sondern nach Wiesbaden, in die Stadt seiner Eltern. Er wollte wissen, ob etwas bekannt sei über das Schicksal seines Großvaters, ob etwa ein Grab auf dem Hanauer Friedhof sei. Dort sind aber nur die Gräber seiner Ur-Großeltern aus Bischofsheim.
Aber er wollte mir nicht umgedreht nähere Angaben über seine Familie geben, ehe er nicht weiß, wer ich bin. Er sagte auch, er wollte keine Verbindung zu Deutschland. Sein Vater sei ein guter Deutscher und Patriot gewesen, alle Familienmitglieder seien gute Deutsche gewesen, aber sie seien alle von den Deutschen ermordet worden [Nachher stellte sich allerdings heraus, daß er sehr wohl einen deutschen Paß hat].
Ich schrieb ihm dann einiges über meine Person und daß ich deshalb gern etwas erfahren möchte, um zu zeigen, daß die Nazis ihr Ziel nicht erreicht haben, die Juden in Deutschland und Europa auszurotten. Er schickte mir dann noch einen Artikel aus Spanien, in dem gesagt wird: Die Deutschen wollten die Juden loshaben, dafür habe sie die Moslems gekriegt! Ich habe ihm geantwortet, daß man auch ihnen gegenüber Toleranz üben sollte. In einigen Telefongesprächen erfuhr ich dann mehr über die Familie.
Lebenslauf:
Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen wurde die Familie getrennt. Rudi und seine Schwester wurden in Frankreich in verschiedenen katholischen Kinderheimen („bei Nonnen“) untergebracht. Dort wurden sie aber von den anderen Kindern immer als Deutsche beschimpft und oft geschlagen, so daß er in dieser Zeit praktisch kein Französisch lernte und auch das Deutsche verlernte (er war vier Jahre alt!). Zuletzt war Rudi in Toulouse.
Im Jahre 1947 kam er über Marseille mit einem Schiff nach Israel, so daß das moderne Hebräisch heute seine Muttersprache ist. Er kann aber auch gut Englisch, so daß man sich mit ihm unterhalten kann. Erst in Israel hat er erfahren, daß er eine Schwester Paula hat (in Israel heißt sie „Mira“), die aber überhaupt keinen Kontakt mit Deutschland haben will. In Israel kam er zunächst auch wieder in ein Kinderheim, nämlich in das „Stella Maris“ in Haifa.
Während des Armeedienstes war er vier Jahre bei den Fallschirmspringern, eine seiner Vorgesetzten war Mosche Sharon. Sein Wunsch wäre aber gewesen, im U-Boot zu fahren. Aber er scheint ziemlich furchtlos zu sein, denn bei einem Telefongespräch sagte er seelenruhig: „Gerade fliegen wieder die Katjuschas über uns hinweg!“
Nach der Scheidung von seiner Frau wollte er in Deutschland Fuß fassen und arbeitete für John Deer in Mannheim. Aber nach fünf Monaten verlangte der Kibbuz von ihm, daß er sich entscheidet,
man hätte ihm sonst die Mitgliedschaft gekündigt. Da ging er wieder zurück nach Israel. Er wohnt heute im Kibbutz Beit Hashita, etwa 30 Kilometer von Nazareth entfernt (Kibutz Beit Hashita, Israel 18910).
Aus erster Ehe hat er vier Töchter. Rachel ist seine zweite Frau, mit der er aber nicht offiziell verheiratet ist. Sie hat zwei Kinder mit in die Ehe gebracht. Sie leitet heute die Postagentur in ihrem Kibbutz. Sie ist in Israel geboren, aber ihre Vorfahren stammen aus Polen.
Von Beruf ist Rudi Stern ein Mechaniker. Er hat für die amerikanische Traktorenfabrik „John Deer“ gearbeitet und war viel im Ausland in Afrika und Asien. In Ghana hat er zum Beispiel in den Gebrauch der Maschinen und ihre Reparatur einzuweisen. Als er für fünf Monate zur Ausbildung in ein Werk in Mannheim geschickt wurde, war er zweimal in Wiesbaden, ist aber jedesmal wieder auf dem Bahnhof umgekehrt. Erst als die Stadt Wiesbaden frühere jüdische Einwohner einlud, hat er sich doch ein Herz gefaßt und seine Geburtsstadt wieder besucht. Seitdem war er öfters in Wiesbaden, wo ihm Bekannte seines Vaters die Wohnung für einen Urlaub zur Verfügung stellt. Er sagt aber, er komme nicht nach Deutschland, sondern nach Wiesbaden, in die Stadt seiner Eltern und seine Geburtsstadt.
Der Familie geht es nicht unbedingt gut. Die Kibuzzim in Israel sind vorwiegend landwirtschaftliche Genossenschaften, die heute alle finanzielle Schwierigkeiten haben und um das Überleben kämpfen. Sie können deshalb ihren Mitgliedern wenig zahlen. Rudi Stern erhält als Rentner umgerechnet 200 Euro im Monat. Seine Frau betreibt noch die Postagentur, um wenigstens noch einen geringfügigen Verdienst zu haben.
Manchmal sehnt sich Rudi Stern auch nach Deutschland. An seinem Wohnort ist es mindestens dreimal im Jahr über 45 Grad heiß. Er verträgt die Hitze nicht so gut und kann dann nicht aus dem Haus gehen. Auch gefallen ihm (und auch seinen Töchtern) die grünen Landschaften in Deutschland, während sie praktisch in der Wüste leben.
Auch seiner Schwester Paula, die ebenso in Israel wohnt und „Mira“ genannt wird, konnte im Jahr 2006 endlich eine Geburtsurkunde aus Frankfurt besorgt werden. Das Standesamt in Frankfurt hatte mir zunächst geschrieben, sie dürften Daten nur an Verwandte in direkter Linie herausgeben, also nicht an Geschwister. Ich habe ihnen dann den ganzen Stammbaum hingeschickt und erläutert, daß Rudi und Paula die Enkel von Marcus Stern sind. Rudi Stern hatte mir eine Vollmacht geschickt: Vollmacht: Ich ermächtige Herrn Peter Heckert, Maulbeerweg 21, 63477 Maintal, Nachforschungen nach meinen Vorfahren anzustellen, insbesondere nach Marcus Stern, geboren 1874, und Paula Stern, geboren 1933. Rudi Stern, Bethashita, Israel.
Daraufhin haben sie mir auch die Urkunde für Paula geschickt, nach der ich vorher ja schon gefragt hatte. Sie schickten mir auch die Geburtsurkunde für Sofie Rosenthal und die Heiratsurkunde mit Marcus Stern vom 10.3.1903. Daraufhin konnte Roy Dayan, Paulas Sohn, eine deutschen Paß beantragen. Obwohl damals eine doppelte Staatsbürgerschaft für Ausländer allgemein abgelehnt wurde, war das bei Juden möglich, wenn sie deutsche Vorfahren hatten (Rudi Stern hatte ja auch einen deutschen Reisepaß, er mußte nicht die alleinige deutsche Staatsbürgerschaft haben).
Ich legte dann in den Brief mit den Urkunden noch eine CD mit Bildern vom Friedhof in Hanau bei. Leider war der Stein von Nathan Stern umgelegt ist, als ich einige Wochen vorher dort war, lag er noch nicht auf dem Boden. Aber inzwischen wurden die Grabsteine in dieser Reihe mit neuen Fundamenten versehen, damit sie nicht umfallen. Auch der Stein von Nathan Stern wurde wieder aufgestellt.
Besuche:
Am 23. September 2006 besuchte Rudi Stern mit seiner Frau Rachel die Stadt Maintal. Das Paar war zu Besuch nach Wiesbaden gekommen. Sie wohnten in einer kleinen Wohnung in der Nähe der Spielbank, die einer Professorin Imke B. aus Siegen gehört. Sie benutzt diese Wohnung, wenn sie in Frankfurt zu tun hat, und stellt sie Rudi Stern zur Verfügung. Sie hat Rudi Leitem gekannt, den wahrscheinlichen Vater Rudi Sterns. Sie rief mich am Mittwoch, dem 21. September an, um mir zu sagen, wie sehr sich Rudi Stern doch gefreut habe, nun endlich seine Familie wiedergefunden zu haben. Er sagte, daß er nach Wiesbaden kommt, weil es seine Geburtsstadt und die Stadt seiner Mutter ist.
Am Hauptbahnhof in Frankfurt trafen wir uns, indem jeder ein großes Bild des anderen in die Höhe hob. Wir fuhren dann nach Enkheim und mit dem Auto nach Bischofsheim in die Niedergasse 22.
Dort stand Frau Köhler gerade mit dem Kind auf dem Arm vor dem Haus. Ich fragte sie, ob wir einmal das Haus ansehen könnten. Herr Gerald Kowazrik kam dazu und war gleich sehr entgegenkommend. Er zeigte das Haus bis unters Dach und auch den Garten mit dem ehemaligen Luftschutzbunker. Rudi Stern wollte gern ein Andenken mitnehmen und hatte dazu einen abgenutzten Gartenzwerg ausgesucht. Aber Herr Kowarzik hatte etwas Besseres: Ein Stück Balken aus dem Haus, das er mit einem Filzstift mit der Aufschrift „Marcus Stern 1874“ versehen mußte. Jetzt hatte Rudi Stern ein Stück greifbare Geschichte seiner Familie.
Wir machten dann noch einen Rundgang durch Hochstadt, sahen uns das Haus Hanauer Straße 2 an, in dem Marcus Stern 1904 wohnte und gingen dann in die Bogenstraße 1. Herr Fassing war so freundlich, uns den Hof des Grundstücks zu zeigen und uns einen Blick in das Haus werfen zu lassen. Dann gingen wir zu den anderen Häusern der jüdischen Familien, zur ehemaligen Volksschule (die sicher auch seine Mutter besucht hat), zur jüdischen Schule und zum Platz der Synagoge. Ich zeigte ihm auch die Zeichen in den Fenstern der Gaststätte „Zur goldenen Krone“, die aber keine Judensterne darstellen, sondern Zunftzeichen der Bierbrauer sind.
Rudi Stern will die Angaben für seine Familie zusammentragen. Aber er bedauerte, daß seine Tochter noch nicht den richtigen Draht dazu hat. Sie will auch nicht, daß er nach Deutschland fährt. Überhaupt sei es meist so, daß die jüngere Generation den Kontakt mit Deutschland nicht will, ganz anders als die Vertreibungsgeneration. Doch die Geschichte der meisten Familien in Israel beginnt mit den Einwanderern. Deshalb ist Rudi Stern so glücklich, daß er jetzt mehr erfahren hat.
Wir sprachen auch über den Konflikt mit den Palästinensern. Er gab die Hauptschuld dem Iran, betonte aber auch immer, daß es einen unüberbrückbaren Mentalitätsunterschied zwischen den europäischen denkenden Israelis und den islamisch geprägten Arabern gibt. So eine Versöhnung wie zwischen den Europäern werde es wohl nie geben, weil man nicht auf einer Ebene sei. Ein Besuch auf dem jüdischen Friedhof kam aus Zeitgründen nicht zustande.
Nach dem Besuch bat Rudi mich, doch einmal bei der Stadt Maintal vorstellig zu werden, ob sie ihm nicht eine Unterstützung zukommen lassen könnte. Die Stadt hat ihn und seine Tochter
dann für diesen Sommer nach Hochstadt einladen. Für zwei Flüge hat sie 1000 Euro zur Verfügung gestellt. Für Unterkunft und Verpflegung sorgten wir, sie wollen vier Nächte bleiben. Herr Stern plant, mit seiner Tochter nach dem 15. Juni zu kommen. Sie waren dann aber doch nur vom 13. Juni bis 14. Juni (jeweils von Mittag zu Mittag) in Hochstadt, allerdings mit den drei Töchtern. Ofer, Ifat und Hamutal. Wieder wurden die Stätten der Familie besucht. Schwerpunkt war aber ein Besuch in der Kästner-Schule mit einem Gespräch mit der neunten Klasse.
Rudi Stern erzählte, wie er als Kind die Ermordung eines Juden miterlebte: Er versteckte sich unter einem Tisch und konnte die schwarzen Stiefel eines Nazis sehen. Er erinnert sich an die schweren Stiefelschritte eines Gestapo- Soldaten. Ein Mann, der sich ebenfalls in dem Zimmer verborgen hält, wird aufgefordert, seine Hose herunterzulassen. Das ist die einfachste Art, mit der deutsche Soldaten die jüdische Herkunft überprüfen. Dann wird der Mann erschossen. Es ist ein Bild, das Reuben Stern bis heute verfolgt. Schweigend lauschen die Schüler des E-Kurses Deutsch der Erich-Kästner-Schule den Schilderungen. Für sie bekommen die Fakten der Judenverfolgung während des Nationalsozialismus ein menschliches Gesicht.
Eigentlich wollte Rudi Stern nicht nach Deutschland kommen. Seine Töchter jedoch erachteten (im Gegensatz zu früher) die Reise als wichtig. Aber ihr Vater betont im Gespräch mit den Schülern immer wieder, daß er Maintal besucht, nicht Deutschland. Niemals könne er nach Berlin oder Nürnberg fahren. „Zwiegespalten“ ist das passende Wort, das sein Verhältnis zu Deutschland beschreibt. Er liebt die Landschaft, das Wetter, die Kultur - und das Bier, wie Tochter Hamutal lachend hinzufügt - aber er habe Probleme mit den Menschen. Bis heute ist er sich über seine Identität nicht im Klaren, weiß nicht, ob er sich als Deutscher - immerhin trägt er einen deutschen Paß bei sich - oder als Israeli fühlen soll. „Es ist nicht einfach für mich" sagt er. Lange Zeit blieben ihm seine jüdischen Wurzeln verborgen.
Nun also ist er hier, in Maintal. Seinen inneren Zwiespalt kann er nicht ganz verbergen. Dennoch ermuntert er die Schüler, Fragen zu stellen. Und die Jugendlichen möchten vieles wissen, interessieren sich nicht nur für das persönliche Schicksal von Rudi Stern, sondern auch für jüdische Bräuche und Traditionen sowie das Verhältnis zu Palästina. Auf Hebräisch tauschen sich die drei Schwestern blitzschnell mit ihrem Vater aus, ehe sie den Schülern auf Englisch antworten. Sie erzählen von Hanuka, dem jüdischen Lichterfest und dem Sabbat.
Schwieriger wird es da schon, wenn es um den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern geht. „Der Kampf geht um ein Stück Land, darum, wem es gehört und wer zuerst da war“, erklärt Ifat. Und Hamutal hebt die Bedeutung des Landes für die Juden hervor: Es sei ihr einziger Zufluchtsort gewesen, nachdem sie in Europa millionenfach ermordet worden seien. Hätten die Juden 1948 nicht nach Israel flüchten müssen, gebe es den Konflikt gar nicht. „Doch trotz der Meinungsunterschiede ist ein friedliches Zusammenleben möglich“, ist Hamutal überzeugt und verweist auf das Alte Testament. Als Nachfahren Abrahams gehöre Israel sowohl den Juden als auch den Moslems. Doch das Zusammenleben ist äußerst schwierig, die Mentalität sei zu verschieden, erklärt Rudi Stern.
Hamutal hat indessen aufmerksam die Gesichter der Schüler, die ihr in dem Klassenraum gegenübersitzen, studiert und die nationale Vielfalt registriert. Eine Botschaft liegt ihr am Herzen: „Ihr solltet einander respektieren und die Verschiedenheit des anderen akzeptieren. Wendet nicht den Kopf ab, wenn ein anderer Hilfe benötigt. Nur so läßt sich eine bessere Welt verwirklichen", sagt sie.
Ich bedankte mich nach der Rückkehr noch einmal schriftlich bei den Gesprächspartnern. Das waren einmal die Gesprächspartner aus der Stadtverwaltung, Herrn Begemann und Herrn Sachtleber, der in Vertretung des Bürgermeisters trotz Krankheit zur Verfügung stand. Herr Stern hat darauf großen Wert gelegt, und es kamen ja auch wertvolle Gespräche zustande. Für Herrn Stern ist so ein Besuch auch ein Stück Bewältigung seiner persönlichen Vergangenheit, denn die Verwundungen der Kindheit wirken ein Leben lang nach. Die Töchter haben da schon eine andere Sicht der Dinge. Aber auch ihr Besuch war eine Bereicherung.
Für sehr gelungen sehe ich das Gespräch in der Kästnerschule an, für beide Seiten, zumindest die Familie Stern hat das zum Ausdruck gebracht. Im Arbeitskreis „Brüder Schönfeld“ werden wir sicher auch noch einmal darüber reden. Auch die in der Bogenstraße verlegten Stolpersteine stießen auf große Zustimmung (ich hatte der Familie vorher ja absichtlich nichts davon gesagt). Auch der Besuch auf dem Friedhof in Hanau, der vor zwei Jahren nicht möglich war, hat einen tiefen Eindruck hinterlassen.
An den Schulleiter der Kästnerschule schrieb ich am 14.06.2008: „Sehr geehrter Herr Borta,
für die Vermittlung des Gesprächs mit den Gästen aus Israel möchte ich Ihnen und Frau Frank herzlich danken. Wir vom Arbeitskreis Brüder Schönfeld sind immer dankbar, wenn Ihre Schule solche Gesprächsmöglichkeiten bietet. Ganz erstaunlich finde ich die Bereitschaft der Schüler (und auch der Lehrerin), freiwillig zu so einem Gespräch in die Schule zu kommen. Deswegen habe ich auch schon an die Zeitung geschrieben, damit hoffentlich auch die Schüler erreicht werden, die Sie ja nicht mehr sehen. Ganz hervorragend fand ich auch die Disziplin der Klasse, die sicher auch mit ein Ergebnis der Erziehungsbemühungen der Schule ist.
Herr Stern und seine Töchter zeigten sich jedenfalls stark beeindruckt von diesem Besuch. Zwar hat sich Herr Stern im Vorfeld etwas Gedanken gemacht, was er sagen kann und was nicht, aber die Schüler haben es ihm leicht gemacht. Sie waren gut vorbereitet, hatten zum Teil die Fragen schriftlich vorbereitet und hörten gut zu, trotz der Sprachhürde, die ja gegeben war.
Aber Herr Stern war dankbar, daß er sein Schicksal einmal einer jungen Generation in Deutschland schildern konnte. Aber das Gespräch kam dann dank der Schüler auch auf die heutige Situation in Israel, so daß beide Seiten einen großen Gewinn von dem Gespräch hatten.“
Etwas später brachte mir noch ein Nachbar aus der Bogenstraße ein Bild, auf dem das Haus Bogenstraße 1 zu sehen ist. Die Kinder sind allerdings aus Nachbarhäusern und das Bild ist erst ungefähr 1930 aufgenommen. Ich schickte es nach Israel.
Am 27.09.09 schrieb Rudi Stern, daß das Museum in Wiesbaden in eingeladen habe zu einer Gedenkfeier in der Nähe des Hauses von Rudi Leitem. Aber er wolle nicht kommen, weil Rosemarie Leitem sich geweigert habe, mit ihm zu sprechen.
Im Oktober 2011 besuchte ich mit Verwandten die Gedenkstätte Michelsberg in Wiesbaden. Dort vermißte ich allerdings den Namen von Hedwig Stern. Vorsichthalber fotografierte ich aber alle drei Schilder mit „Hedwig Stern“. Das Stadtarchiv Wiesbaden antwortete mir auf meine Nachfrage, zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Liste mit den 1.507 Opferdaten sei weder der Geburtsort, noch das Geburtsdatum von Hedwig Stern aus Hochstadt bekannt gewesen. Sie ist aber doch auf dem Namenband vermerkt unter dem Sterbeort „Malchow“, weil das ihr letzter bekannter Aufenthaltsort ist. Das richtige Bild schickte ich dann Rudi zu.
Ehepaar aus Israel zu Besuch in Hochstadt 2011:
Inzwischen fragt auch die zweite Genration der Holocaustüberlebenden nach den Wurzeln ihrer Familie. Hamutal ben Arieh war schon einmal vor fünf Jahren mit ihrem Vater und zwei Schwestern zu Besuch in Maintal. Jetzt war ihr Mann Asher zu einer Konferenz von Sozialpädagogen in Frankfurt. Sie holte ihn gewissermaßen ab und zeigte ich die Heimat ihrer Vorfahren. Sie besuchten das Stammhaus in der Niedergasse 22 in Bischofsheim, das inzwischen liebevoll hergerichtet wurde. Daran schloß sich ein Rundgang durch Hochstadt an, in dem besonders auf die früheren Wohnhäuser der Juden und die jüdische Schule und die Synagoge eingegangen wurde. Zielpunkt war aber das Haus der Urgroßeltern in der Bogenstraße 1 in Hochstadt. Dort fanden natürlich die „Stolpersteine“ vor dem Haus großes Interesse. Zum Abschied sagte Hamutal: „Wir kommen noch einmal wieder, dann aber mit unseren drei Kindern!“
Rente:
In Israel waren Zeitungsberichte erschienen, daß deutsche Holocaust-Opfer eine Rente in Deutschland erhalten könnten. Auch die Süddeutsche Zeitung vom 19.04.2007 klagte über die schlechte Versorgung der noch etwa 250.000 Menschen, die der Mordmaschinerie der Nationalsozialisten entkommen sind. „Doch ausgerechnet der Staat, der wegen des Holocaust überhaupt erst gegründet worden ist, von Juden für Juden, vernachlässigt die Überlebenden. Einer Studie des israelischen Holocaust-Dachverbands zufolge erhalten von den in Israel wohnenden Schoah-Überlebenden nur 30.000 eine monatliche Rente - von gerade einmal etwa 250 Euro. Insgesamt 80.000 Holocaust-Opfer leben unterhalb der Armutsgrenze. Manche in Israel lebende Schoah-Opfer sehen den einzigen Ausweg im Auszug aus dem gelobten Land. Manche hat es daher im hohen Alter ausgerechnet nach Deutschland verschlagen. Wie Lilo Clemens. Sie lebt heute wider ihren eigentlichen Willen in Berlin, weil die Bundesregierung Holocaust-Überlebenden eine monatliche Rente garantiert und die Bezahlung ihrer Medikamente übernimmt. Clemens erhält nun jeden Monat etwa 1.200 Euro. Sie sagt, es sei eine Schande für Israel, daß sie in Deutschland leben muß.“
Im Januar 2008 habe ich mit dem Betreuer der in dem Artikel genannten Lilo Clemens in Berlin telefoniert. Er sagte, der Zeitungsartikel sei falsch, Frau Clemens erhalte beileibe keine 1.200 Euro im Monat. Als ich ihm den Grund meines Anrufs schilderte und nach Einzelheiten fragte, holte er einen Ordner hervor und teilte mit: Frau Clemens erhält keine Rente, sondern eine Unterstützung durch das Versorgungsamt des Landes, aber das auch nur, weil sie in Deutschland wohnt.
Der Zeitungsbericht erwies sich also als Falschmeldung, denn in Deutschland kann man nur eine Rente erhalten, wenn man mindestens ein Jahr in die Rentenversicherung eingezahlt hat. Ich schrieb am 30.04.2007 an die Deutsche Rentenversicherung Berlin, die den Fall an die Rentenversicherung Rheinland in Düsseldorf verwies, die für solche Fälle zuständig sei. Ich fragte auch gleich, ob auch seine Lebensgefährtin eine Rente erhalten könne, weil es in Israel geheißen hatte, nur Polen und Ungarn würden eine Rente erhalten.
Sie schickten auch einen Antrag, den Rudi in lateinischer Schrift ausfüllen sollte. Er sollte eine amtlich beglaubigte Geburtsurkunde beilegen und angeben, daß er einmal in Mannheim gearbeitet hat. Und dann mußte er mit allen Unterlagen zur deutschen Botschaft in Israel gehen und alles bestätigen lassen. Die amtlich beglaubigte Geburtsurkunde für Rudolf Stern besorgte ich in Wiesbaden.
Doch der Antrag wurde zunächst abgelehnt, weil am ihn als einen üblichen Rentenantrag behandelt hatte, obwohl ich schon im ersten Brief genau geschildert hatte, daß es sich um eine
„Opferrente“ handelt. Aber darüber müsse ein Gericht entscheiden. Es wurde aber bestätigt, daß es diese Rente gibt und daß man dazu nicht in Deutschland wohnen muß (wie es bei uns in der Zeitung stand).
Aber dann hieß es wieder, es gäbe keine „Opferrente“ für Überlebende des Holocaust, nur für Menschen, die in einem Ghetto gearbeitet haben. Ich verstehe das nicht, daß man ein Jahr lang immer wieder sagt, es gäbe eine solche Rente, alle Unterlagen beibringen läßt und dann plötzlich mitteilt, daß es kein Gesetz dafür gibt.
Am 03.03.2008 schrieb ich an den Hardship Fonds der Jewish Claims Conference in Frankfurt, weil Rudi mich gebeten hatte, einmal nachzufragen, ob er nicht eine einmalige oder ständige Unterstützung aus Deutschland erhalten könne. Er kann aber keine Dokumente über seine Verfolgung vorlegen. Das ist in seinem Fall auch objektiv nicht möglich, denn wenn man in der Illegalität lebt, gibt es naturgemäß keine Dokumente darüber. Er kann wahrscheinlich nicht einmal sagen, in welchem Heim oder in welchen Heimen er war. Er ist im Alter von zwölf Jahren mit dem Schiff von Marseille aus nach Israel gebracht worden.
Am 23.02.2008 nahm ich den Widerspruch gegen die Rentenversicherung zurück, weil mir nichts anders übrigblieb. Ich verurteilte aber scharf das Verhalten der Rentenversicherung in dieser Sache: „Schon die Hauptstelle in Berlin hat hier versagt. Ich habe den Fall von Anfang an klar geschildert. Wenn es noch Zweifel gab, hätte man nur noch einmal nachzufragen brauchen, ob Versicherungszeiten oder Ersatzzeiten vorliegen. Außerdem hätte man bei dem Alter des Antragstellers sofort sehen können, daß er nicht in Frage kommt. Ich hatte nur um eine Auskunft gebeten. Aber anstatt mir eine Antwort zu geben, hat man das ganze Verfahren in Gang gesetzt, mit viel Schreibereien, Telefonaten und Kosten. Und nach einem Jahr kommt dann die Antwort auf die Frage, daß es nichts wird. So kann man mit Menschen nicht umgehen. Ich kann nur hoffen, daß Sie in anderen Fällen es nicht wieder so machen.“
Am 26.01.2008 schreib ich an das Bundesministerium für Finanzen in Berlin, ob es über das Ministerium eine Möglichkeit gibt, irgendeine Unterstützung zu erhalten. Dieses antwortete: Grundsätzlich ist die Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung durch das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) in der Fassung des BEG‑Schlussgesetzes (BEG‑SG) vom 14. September 1965 (BGBl. 1 S. 1315) geregelt. Anträge nach diesen Gesetzen konnten aber nur bis zum 31. Dezember 1969 bei den dafür zuständigen Behörden der Länder gestellt werden. Seit dem 1. Januar 1970 besteht diese Möglichkeit nicht mehr, auch nicht im Falle einer unverschuldeten Fristversäumnis.
Für besondere Härtefälle hat die Bundesregierung außergesetzliche Wiedergutmachungshärteregelungen sowohl für jüdische als auch für nicht jüdische NS‑Verfolgte geschaffen, die bisher keine oder keine ausreichende Entschädigung erhalten haben.
Im Oktober 1992 hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Jewish Claims Conference ein Abkommen über eine Fondslösung für Härteleistungen an jüdische Verfolgte abgeschlossen. (sogenanntes Artikel 2‑Abkommen). Ergänzt werden diese durch die Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an jüdische Verfolgte zur Abgeltung von Härten im Einzelfall im Rahmen der Wiedergutmachung vom 3. Oktober 1980 (Bundesanzeiger Nr. 192 vom 14. Oktober 1980).
Das Artikel 2‑Abkommen sieht für schwere Verfolgungsschicksale die Zahlung von Renten in Höhe von 270 Euro pro Monat vor und für minder schwere Schicksale eine Einmalzahlung von 2.556 Euro. Anhand Ihrer Angaben kann ich nicht beurteilen, ob Ihr Bekannter die Voraussetzungen des Artikel 2‑Abkommens erfüllt. Daher empfehle ich Ihnen, sich an die
„Jewish Claims Conference, ‑ Hardship Fonds ‑ Sophienstraße 44, 60487 Frankfurt/Main“
zu wenden.
Am 15.08.2008 schrieb ich an die Deutsche Rentenversicherung Rheinland und schickte eine Bescheinigung über die Ausbildungszeiten von Rudi Stern, auf Hebräisch abgefaßt. Am 29.08.2008 schickte ich eine weitere Bescheinigung über die Ausbildungszeiten von Rudi Stern. Es umfaßt den Zeitraum von 1947 bis 1955 in der Ausbildungsstätte Wizo in Haifa.
Rudi erwog sogar, seinen Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen und nur noch die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben. Aber die Versicherung antwortete natürlich: Aus einer Versicherung kann man nur etwas herausbekommen, wenn man vorher etwas einbezahlt hat. Der Wohnort spielt da keine Rolle. Wenn man einen Anspruch hat, kann man zum Beispiel auch in Spanien wohnen. Sie haben aber doch ein ganz klein wenig Entgegenkommen gezeigt: Sie wollen zusätzlich zu den vorhandenen fünf Monaten Arbeit in Deutschland noch sieben Monate Ersatzzeiten anrechnen. Dann wäre wenigstens ein ganz kleiner Rentenanspruch da, nämlich auf fünf Euro im Monat. Dies würden sie ab dem Jahr 2000 nachzahlen, so daß Rudi immerhin 500 Euro erhalten könnte und dann monatlich fünf Euro. Das ist immerhin mehr als gar nichts zu haben. Sie könnten auch noch Ausbildungszeiten anrechnen. Dazu müßte aber eine Bescheinigung vorlegen, daß er bis zum Juni 1953 in Ausbildung war (Ein Zeugnis reicht da nicht, weil ganz klar der Beginn und das Ende aus der Bescheinigung hervorgehen müssen.).
Am 20. Oktober 2008 schrieb dann die Rentenversicherung: „Es besteht die Möglichkeit aufgrund des israelischen Rentenantrages (14.05.2000), die Rente mit Folgemonat Vollendung des 65. Lebensjahres beginnen zu lassen (01.07.2000), dies ergibt zu Zeit einen Nachzahlungsbetrag von 822,51 EUR und eine monatlich laufende Zahlung von 8,27 EUR. Soll die Rente gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI - Sozialgesetzbuch Sechstes Buch- beginnen (Antragsstellung in Deutschland 02.05.2007/Rentenbeginn 01.05.2007), ergibt sich daraus eine Nachzahlung in Höhe von 229,58 EUR und eine monatliche Rente von 11,57 EUR. Aufgrund der geringen Höhe würde die laufende Zahlung bei beiden Berechnungen halbjährlich erfolgen.
Rudi Stern schrieb dann an die Rentenversicherung: „Ich bitte, den israelischen Rentenantrag zugrunde zu legen mit einer Nachzahlung von 822,51 Euro und einer laufenden Zahlung von 8,27 Euro im Monat. Diesen monatlichen Betrag bitte ich einmal jährlich in einer Summe zu überweisen.
Am 30.01.2009 schrieb ich dann noch an die Rentenversicherung. „Herr Stern hat mit meiner Hilfe in Wiesbaden ein Konto bei der Postbank eröffnet. Er bittet jetzt darum, die laufende Zahlung auf dieses Konto zu überweisen, damit er darüber verfügen kann, wenn er in Wiesbaden ist. Kontonummer und Bankleitzahl können Sie dem beiliegenden Beleg entnehmen. Die Nachzahlung dagegen sollte auf sein Konto in Israel überwiesen werden!“
Nathan Appel, Bogenstraße 6
Es gibt zwei Familien, deren Stammväter den Vornamen Namen „Nathan“ haben:
(I.) Nathan Appel und Jeanette Schönfeld haben vier Kinder:
- Herz Appel heiratet 1838 Klara Reiß aus Obereschbach. Im Jahre 1838 zahlt er an die
Gemeinde 17 Gulden Einzugsgeld; für 19 Gulden kann er 1856 ein Stück Land kaufen. Der
Grabstein des Mannes ist auf dem jüdischen Friedhof in Hanau erhalten. Die Tochter Bettche
(Betty) heiratet den Metzger Joseph Hamburger und stirbt 1909, ihr Grab ist auf dem
jüdischen Friedhof in Hanau erhalten.
- David Appel heiratet 1843 Jachet Reiß aus Obereschbach. Ihre Tochter Bettchen (geboren
11.06.1844) heiratet am 05.12.1869 Adam Wolf Fleischhauer aus Kronberg.
- Joseph Appel, geboren am 14.11.1812, heiratet Bienchen Schönfeld aus Wachenbuchen.
- Jette Appel, geboren 1815, heiratet 1841 Salomon Benedikt Heß aus Bergen.
(II.) Nathan Appel hat eine Frau mit dem Namen Keißer (oder Kaiser). Sie dürfte mit der 1834 /1835 als Beisasse (Bürgerin zweiten Ranges) aufgenommenen Witwe Nathan Appels gemeint sein. Sie haben zwei Kinder:
Die jüngere Tochter Hendel Appel heiratet 1837 Jesel Stern. Sie hat einen vorehelichen Sohn Nathan Appel, der 1858 heiratet.
Der ältere Sohn Benjamin Appel, geboren 1799, heiratet 1825 seine Frau Bette geborene Keiser (Keißer, Kaiser), geboren 1798. Seine Frau ist aus Fritzlar und Tochter des Manasse Keiser, Doktor der Schrift, also Tochter eines jüdischen Schriftgelehrten. Er ist ein Schutzjude, er mußte also Schutzgeld zahlen, um als Einwohner geduldet zu werden (Einwohner dritten Ranges). Er wird 1825 auch in anderen Unterlagen der Gemeinde erwähnt. Er könnte vom Alter her der „Herr Appel“ sein, bei dem am 16. April 1837 der Kirchenbaumeister Faß Geld umwechselt, und zwar Heller im Wert von 6 Gulden, den Gulden für 50 Kreuzer (üblicher bis guter Kurs).
Von den Kindern heiratet nur Herz Appel (geboren am 17.10.1836) seine Frau Bertha geborene Stern aus Bischofsheim, und zwar am 25.03.1863. Er ist wieder „Beisasse“ (Einwohner zweiten Ranges) und dürfte mit dem Metzger gemeint sein, der beim Sängerfest am 28. Juni 1903 in Hochstadt auf dem Festplatz Wurstwaren verkaufen will, aber vom Landrat keine Erlaubnis erhält.
Die Eheleute haben sieben Kinder: Das erste Kind ist Moritz, geboren am 20.12.1863. Er wohnt später in Dietesheim und
dann in Frankfurt Obermainstraße 13. Er stirbt am 19.12.1942 in Theresienstadt
Vier der Kinder der Eheleute heiraten: Die Tochter Bettchen heiratet 1894 den Damenschneider Isidor Ausäderer. Die Tochter Malchen heiratet 1892 Max Linz. Die Tochter Jeanette heiratet Alfried
Hartoch. Und der Sohn Nathan, geboren am 30. Oktober 1873, heiratet vor 1897 Hannelore („Hannchen“) Lind, geboren am 1. September 1867 in Hüttengesäß. Sie wohnen im Haus Bogenstraße
6.
Nathan Appel, geboren am 30. Oktober 1873, nimmt am Ersten Weltkrieg teil. Als sein Beruf wird Metzger und Handelsmann angegeben. Doch er sammelt nur mit einem kleinen Wagen, der von einem Esel gezogen wird, allerhand gebrauchte Sachen und Hasenfelle ein; später hat er nicht einmal mehr den Esel. Er nimmt laut der Akten im Stadtarchiv von 1896 bis 1935 immer wieder Hypotheken auf. Die Familie wird im Jahre 1922 auch im Grundsteuerverzeichnis aufgeführt.
Der Althandel von Nathan Appel wird am 5. August 1938 auf Anordnung des Landrats als jüdisches Unternehmen erfaßt. Am 6. Februar 1939 bescheinigt Nathan Appel, daß er von Herrn Weber (Angestellter auf dem Bürgermeisteramt?) den Führerschein und die Kraftfahrzeug-Papiere seines Sohnes Gottfried erhalten hat.
Die Eheleute wurden am 05.09.1942 bei der dritten Deportation in Hessen von Hanau verschleppt.
Am 07.09.1942 wurden sie von Kassel aus nach Theresienstadt in Tschechien gebracht. Der Mann starb am 18.03.1944 in Theresienstadt, die Frau am 30.06.1944 in Theresienstadt. Da es an den Todestagen keine größeren Mordaktionen gab, kann man vermuten, daß sie wahrscheinlich an Schwäche durch Hunger und Krankheit gestorben sind. Die Eheleute haben zwei Kinder:
1. Bernhardt wohnt bis 1932 in der Bogenstraße 6 und dann Hauptstraße 43, der ehemaligen jüdischen Schule. Die Kinder gehen zunächst in die Hochstädter Volksschule und sind im Klassenverband wohl gelitten. Er macht zunächst eine Metzgerlehre in Dörnigheim und ist dann bei Ludwig Marx in Frankfurt. Er heiratet Johanna Stock, geboren am 09.05.1898 aus Eberstadt (wahrscheinlich Darmstadt-Eberstadt)
Sie haben einen Sohn Hans, geboren am 02.11.1921, der vor 2006 in den USA gestorben ist. Der andere Sohn ist Norbert Walter Appel, geboren am 25.01.1925 (Rufname „Walter“). Der Lehrer läßt ihn sogar die Orden seines Großvaters in die Schule mitbringen oder läßt ihn an der Tafel demonstrieren, wie man hebräisch schreibt (nämlich von rechts nach links). Aber dann muß Walter auf die jüdische Schule in der Zobelstraße in Frankfurt. Seinen Mitschülern wird von dem gleichen Lehrer verboten, mit dem jüdischen Jungen noch Kontakt zu haben.
Am 16.11.1937 gehen die Eltern mit den Kindern über Hamburg nach Argentinien. Im Standesamt Hochstadt ist beim Geburtseintrag von Bernhardt Appel vermerkt: „Durch Verfügung des Herrn Reichsminister des Inneren vom 26.1.1939 ...... wurde nebenstehendem Juden die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Eingetragen am 5.6.1939 durch Benachrichtigung der Geheimen Staatspolizei“.
Mit einem Ochsenkarren wird die Familie in Argentinien zunächst in ein Notaufnahmelager gebracht. Dann gehen sie in die landwirtschaftliche Kolonie Avigdor im Inneren Argentiniens, rund 500 Kilometer von Buenos Aires entfernt, die ein russischer Jude als Zufluchtsort für verfolgte Juden eingerichtet hat. Nach dort wollen auch die Eltern im Jahre 1940 auswandern, es kommt dann aber doch nicht mehr dazu, sie fallen den Nazis zum Opfer. Die Appels roden den Wald und betreiben eine Landwirtschaft.
Wegen der Heuschrecken und der Maul- und Klauenseuche gehen sie dann im Mai 1949 in die Vereinigten Staaten. Etwa eine Stunde von New York entfernt eröffnet Bernhard Appel eine Metzgerei und seine zwei Söhne helfen ihm dabei. Als der Vater stirbt, nimmt Walter Appel eine Stelle bei einem anderen Metzger ein. Bernhardt Appel stirbt am 05.07.1993 in New York, seine Frau ist auch im hohen Alter auch verstorben
Walter Appel wohnte als Rentner in Lake Mohegan im Staat New York. Doch im Jahr 1997 besucht er mit seiner amerikanischen Frau Tillie seinen Geburtsort. Er hat noch ein Klassenbild von 1931 aus Hochstadt dabei und auch Bilder mit Vater und Großvater, die seine Mutter gerettet hat. Auch 1999 ist er wieder mit seiner Frau für einen längeren Zeitraum in Hochstadt und besucht reihum seine alten Bekannten und die Umgebung. Er spricht ein unverfälschtes Hochstädterisch, wie man es man in Hochstadt kaum noch antreffen kann. Im April 2009 ist er gestorben. Ich hatte noch einige Fragen zu seiner Familie gestellt, aber wegen seines Alters und der nicht mehr vorhandenen Schreibfähigkeit hat er sie mir nicht mehr beantworten können.
2. Gottfried (geboren am 8. Mai 1900) heiratet seine Frau Melitta geborene Löwenstein aus Marköbel (geboren 18. 02.1898). Dort haben sie in der Nordstraße 14 einen Viehhandel. Vom 12.11.1938 bis 17.02.1939 war Gottfried Appel im Konzentrationslager Buchenwald, Ab 13.03. 1939 wohnen die Eheleute in Frankfurt, Rosdorfer Straße 23. Am 11.11.1941 werden sie zusammen mit den Eltern nach Theresienstadt verschleppt. Im August oder September 1942 werden sie auf einem der zwölf Transporte mit 30.000 Juden nach dem Ghetto Minsk weitertransportiert und dort wahrscheinlich im Wald von Blahavista im Gaswagen ermordet. Es wird erzählt, ein Sohn sei entkommen und lebe heute in Israel. Aber in den Registern ist kein weiterer Sohn verzeichnet, es gibt ihn auch nicht.
Das Haus der Familie Appel kauft der Staat 1940 für 3.000 Mark, es wird also praktisch von den Nazis enteignet. Nach dem Krieg soll es 4.000 Mark wert sein. Es geht zunächst an die IRSO (eine jüdische Organisation), die es wiederum an das Land Hessen verkauft. Dieses verkauft es dann schließlich weiter an Privatleute.
Zeitungsartikel: Walter Appel - ein echter alter Hochstädter
Im Haus Bogenstraße 6 in Hochstadt wohnte bis 1942 die Familie Appel, Hochstädter Einwohner jüdischen Glaubens. Zur Familie gehören möglicherweise der um 1825 erwähnte Benjamin Appel, die 1835 als Bürgerin aufgenommene Witwe Nathan Appels, der 1838 zugezogene Herz Appel und die 1909 verstorbene Betty Hamburger geb. Appel. Direkter Vorfahre Nathan Appels ist der Metzger Appel, der 1832 erwähnt wird.
Nathan Appel ist am 30. Oktober 1873 geboren. Sein Vater ist Joseph Appel, dessen Grab auf dem jüdischen Friedhof in Hanau noch vorhanden ist. Nathans Frau ist Hannelore („Hannchen“) geb. Lind, die am 1. September 1867 in Hüttengesäß geboren ist. Er nimmt am Ersten Weltkrieg teil. Als sein Beruf wird Metzger und Handelsmann angegeben. Doch er sammelt nur mit einem kleinen Wagen, der von einem Esel gezogen wird, allerhand gebrauchte Sachen und Hasenfelle ein; später hat er nicht einmal mehr den Esel.
Nathan und Hannchen Appel werden am 5. September 1942 von Hanau aus ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Nathan Appel ist dort am 18. März 1944 und seine Frau am 30. Juni 1944 dort gestorben. Da es an den Todestagen keine größeren Mordaktionen gab, können wir vermuten, daß sie wahrscheinlich an Schwäche durch Hunger und Krankheit gestorben sind.
Ihr Sohn Gottfried (geb. 8. Mai 1900) und seine Frau Melitta geb. Löwenstein aus Marköbel (geb. 18. Februar 1898) werden zusammen mit den Eltern nach Theresienstadt deportiert. Im August oder September 1942 werden sie nach Minsk weitertransportiert und dort wahrscheinlich in Gaswagen getötet. Aber der Sohn kann entkommen und lebt bis heute in Israel.
Der Sohn Bernhardt wohnt im Haus Hauptstraße 43, der ehemaligen jüdischen Schule. Die Kinder gehen zunächst in die Hochstädter Volksschule. Sie sind im Klassenverband wohl gelitten. Ein Lehrer läßt den Sohn Walter Appel die Orden seines Großvaters in die Schule mitbringen oder läßt ihn an der Tafel demonstrieren, wie man hebräisch schreibt (nämlich von rechts nach links). Aber dann muß Walter auf die jüdische Schule in der Zobelstraße in Frankfurt, und seinen Mitschülern wird von dem gleichen Lehrer verboten, mit dem jüdischen Jungen noch Kontakt zu haben.
Das Haus in der Bogenstraße wird von den Nazis enteignet. Nach dem Krieg geht es an die IRSO, die es wiederum an das Land Hessen verkauft. Dieses verkauft es dann an Privatleute.
Bernhardt Appel geht 1937 mit seiner Frau und den zwei Söhnen über Hamburg nach Argentinien, wo sie mit einem Ochsenkarren zunächst in ein Notaufnahmelager gebracht werden. Dann gehen sie in eine landwirtschaftliche Kolonie im Inneren Argentiniens, roden den Wald und betreiben eine Landwirtschaft. Nach dort wollen auch die Eltern im Jahre 1940 auswandern, es kommt aber nicht mehr dazu.
Wegen der Heuschrecken und der Maul- und Klauenseuche gehen sie 1949 in die USA. Etwa eine Stunde von New York entfernt eröffnet der Bernhard Appel eine Metzgerei, und seine zwei Söhne helfen ihm dabei. Als der Vater stirbt, nimmt Walter Appel eine Stelle bei einem anderen Metzger ein. Die Mutter ist inzwischen im hohen Alter verstorben. Auch der Bruder lebt nicht mehr.
Walter Appel ist heute Rentner und wohnt in Lake Mohegan im Staat New York. Im Jahr 1997 besucht er mit seiner amerikanischen Frau Tilly seinen Geburtsort. Er hat noch ein Klassenbild von 1931 aus Hochstadt dabei sowie Bilder mit Vater und Großvater, die seine Mutter gerettet hat. Auch 1999 ist er wieder mit seiner Frau für einen längeren Zeitraum in Hochstadt und besucht reihum seine alten Bekannten und die Umgebung.
Wer einmal unverfälschtes Hochstädterisch hören will, der muß Walter Appel zuhören. Gelegentlich kommt auch einmal ein amerikanischer Tonfall dazwischen. Aber in Wahrheit hat er nichts verlernt von seiner Heimatsprache - er spricht sie besser als die meisten Hiergebliebenen.
Joseph Sichel, Rohrbachstraße 2
In dem Haus Ecke Rohrbachstraße / Bogenstraße wohnt die Familie Joseph Sichel und Hanna geborene Jesel. Sie haben die Kinder:
1. Bela, geboren um 1790, verheiratet um 1810 mit Baruch Goldschmidt, Hauptstraße 26.
2. Jakob, geboren 1795, verheiratet etwa 1824b mit Gide geborene Sema.
3. Salomon, geboren 1800, verheiratet am 17.02.1827 mit Bessel Straus und hat mit ihr zwei Kinder: Die Tochter Karoline heiratet Isaak Reinhard in Wachenbuchen und der Sohn Isaak heiratet Jette (Gitel) Schuster aus Ober-Seemen und wohnt Rohrbachstraße 2. Isaac Sichel ist Gemeindeältester. Die Grabsteine der Eheleute sind auf dem jüdischen Friedhof in Hanau erhalten, ebenso der Stein des Sohnes Salomon, der 1883 im Alter von 16 Jahren stirbt. Sie haben acht Kinder, von denen vier heiraten:
- Joseph Sichel, geboren am 10.03.1852, heiratet 1879 Jette Oppenheimer aus Großostheim.
- Samuel Sichel, geboren am 9.07.1854, heiratet 1878 Bertha Strauß aus Wachenbuchen (sie
wohnen später Bogenstraße 9 und Ritterstraße 9. Ein Sali Sichel wird laut Stadtarchiv 1903
erwähnt, weil er die Erlaubnis zum Betrieb eines Schlachthauses erhält (es könnte zwar auch
sein Bruder Salin gemeint sein, aber der war ja nicht mehr in Hochstadt). Der Grabstein des
Sohnes Joseph ist auf dem jüdischen Friedhof in Hanau erhalten).
- Salin Sichel, 28.06.1862, geboren am heiratet 1887 Jette Neumann aus Burgpreppach, wohnt
aber dann in Frankfurt.
Die Tochter Bertha, geboren am 01.09.1888 stirbt am 12.12.1923 in Aschaffenburg (Grab Nummer 275). Sie war wohl die Frau Josef Strauß, geboren am 04.05.1888 in Aschaffenburg, der 1942 in Lublin umgebracht wurde.
Der Sohn Isaak, geboren am 02.06.1890, heiratet 1932 in Frankfurt.
Die Tochter Klara, geboren am 05.08.1892, ist eine verheiratete Buchheim.
Salie Sichel, Handelsmann in Frankfurt, und seine Frau Henriette geborene Neumann, werden
im Jahre 1922 unter den Landbesitzern erwähnt. Ein Grundstück in der Gemarkung Bischofs
heim in der Flur „Am Priesterrock“, das früher Sally Sichels Erben gehörte, wird 1950 von
Philipp Mankel, Hochstadt, Lutherstraße, als Ackerland genutzt.
- Samuel, Sichel, geboren am 08.03.1865, heiratet 1892 Bertha Wolf aus Ockenheim.
In diese Familie könnte auch Salomon Sichel gehören, geboren etwa 1860, verheiratet mit Bertha geborene Straus. Als Wohnung wird auch Rohrbachstraße 2 angegeben. Sie haben eine Tochter Hilda, geboren am 06.02.1887.
Auf Dauer bleibt keins der Kinder in Hochstadt wohnen. Damit ist aber die Familie in Hochstadt ausgestorben.
28-jähriger Hochstädter als Retter in der Not
Zu allen Zeiten verbreiteten die extremen Hochwässer Angst und Schrecken. So auch im Winter 1882/ 83 an Rhein und Main. Eine Notiz in der Zeitschrift „Der Israelit“ macht das anschaulich. Das für die jüdischen Gemeindemitglieder erscheinende Nachrichtenblatt berichtete in seiner damaligen Dezemberausgabe von einem Vorfall, der sich in der Nähe des heutigen Bahnhofs Maintal Ost abgespielt hat, damals noch weit außerhalb der Bebauung gelegen:
Sechs Männer versuchten im überfluteten Gelände auf einem provisorisch zusammengebauten Holzfloß weiterzukommen, als zwei der Männer, ein Landvermesser („Geometer“) aus Frankfurt und sein Gehilfe abrutschten und ins Wasser stürzten.
Dem 28jährigen Hochstädter Sußmann Sichel gelang es - so der Bericht - die beiden wieder auf das Floß zu ziehen. Allerdings stürzte er dabei selbst ins Wasser, während das Floß weiter abtrieb. Mühsam konnte er sich zu einem Apfelbaum in der Nähe retten und an diesem festhalten. Weiter heißt es dann: „Nachdem er sich neue Kräfte gesammelt hatte und ihm von den massenhaft am Ufer stehenden Personen keine Hilfe zuteil werden konnte, machte er mit Anstrengung seiner letzten Kräfte den gefährlichen Weg nach der Eisenbahnstation, bis an die Brust in dem tobenden Wasser, erreichte er das Land und Dank dem freundlichen Entgegenkommen des Stationsverwalters Hanstein, der ihn vollständig umkleidete und erwärmte, wird dem edlen Manne hoffentlich kein weiterer Nachteil, als der Verlust seiner Brieftasche mit Geld und seiner Kappe erwachsen.“
Der Zeitungsbericht, der jetzt vom Dörnigheimer Herbert Begemann, dem Vorsitzenden des Maintaler Vereins Brüder-Schönfeld-Forum e.V. „ausgegraben“ wurde. endet mit der höchst aktuell klingenden Feststellung: „Vorerwähnter Vorfall erregte allgemeine Angst und Theilnahme“ (11. 09.2021, MHB) {Es handelt sich um den am 29.07.1854 geborenen Samuel Sichel aus der Rohrbachstraße 2].
Familie Hartoch, Am Rathaus 3:
Die Familie Alfried Hartoch (auch: Hartog) wohnt zunächst Hanauer Straße 30 und dann im Oberstock des Hauses Am Rathaus 3 an der Ecke Trinkbrunnenstraße. Janette Hartoch geborene Appel ist am 13. Juni 1871 geboren als Tochter des Herz Appel, Bogenstraße 6. Die Familie zieht 1938 mit dem 1910 geborenen Sohn Heinrich nach Frankfurt, Zeil 2. Die Eheleute wurden am 15.09. 1942 nach Theresienstadt, verschleppt. Jeanette Hartoch stirbt am 23. Oktober 1942 in Theresienstadt (nicht wie auch behauptet wurde in Hochstadt). Alfried Hartoch stirbt am 29.12.1942 in Theresienstadt.
Heinrich Hartoch schreibt 1939 aus dem Konzentrationslager Buchenwald (Block 20, Nummer 5124) eine Postkarte an das Bürgermeisteramt Hochstadt, der Inhalt ist nicht bekannt. Am 20.012.1939 stirbt er in Buchenwald.
Familie Stiebel, Ritterstraße 9
Samuel Stiebel heiratet vor 1808 seine Frau Hannchen geborene Straus. Abraham Stern wahrscheinlich Vorfahre der Familie Stern, Hauptstraße 31) und Samuel Stiebel bitten 1828 um Fristverlängerung für die Bezahlung eines von der Gemeinde gekauften Hauses. Auch 1831 geht es um den Erlaß von Abgaben an Samuel Stiebel.
Das Ehepaar Stiebel hat drei Kinder, die alle heiraten: Die Töchter heiraten nach außerhalb, aber der Sohn Süßel (Jissel) Stiebel heiratet 1843 in erster Ehe seine Frau aus Ober-Seemen, mit der er einen Sohn Jessel hat, dessen zwei Kinder 1876 in der Ritterstraße 9 sterben. In zweiter Ehe heiratet Süßel Stiebel eine Frau aus Eckartshausen, die 1889 in der Ritterstraße 9 stirbt.
Saly Katz, Ritterstraße 11 (früher 7)
Der Handelsmann Löb Katz stammt aus Marköbel, wo seine Familie seit etwa 1988 nachweisbar ist. Dort ist er am 4. März 1860 geboren als Sohn des Matthäus Katz und seiner Frau Blümchen geborene Lichtenstein. Er stirbt am 2. Januar 1908 in Hochstadt. Nach Hochstadt kommt er durch die Heirat am 19. November 1884 (in Marköbel) mit Hannchen Neumark, der Tochter des Lehrers Salomon Neumark (der Vater Heym war auch Lehrer) und dessen Ehefrau Mina geborene Lichtenstein (der Vater Wolf war Landwirt) (Die Gemeinden Altenstadt und Hammersbach waren sehr behilflich, den Stammbaum der Familie Katz zu vervollständigen. Nähere Einzelheiten in meinem Genealogieprogramm).
Nach Löb Katz ist der Weißdornbaum an der Ringmauer in Hochstadt benannt, der im Volksmund „Katze-Baum“ heißt, weil er dort immer gern auf der Bank gesessen hat. Der Baum wurde im Jahre 1997 gefällt, aber inzwischen ist ein neuer Baum herangewachsen.
Die Eheleute Löb Katz haben sieben Kinder, von denen aber nur drei das Erwachsenenalter erreichen:
1.) Sarah Katz heiratet, geboren am 10.12.1898, heiratet am 27.10.1921 den Kaufmann Albert Kahn aus Nieder-Florstadt. Sie ziehen nach dort.
2.) Lina Katz heiratet Sally Kahn (ein Bruder heißt Albert Kahn) und zieht mit ihm nach Bingen, Gaustraße.11. Am 25.03.1942 wurden sie ab Darmstadt nach Ghetto Piaski verschleppt.
3.) Der älteste Sohn Samuel („Sally“) Katz wird am 03.11.1887 geboren. Er heiratet am 26.10.1921 in Nieder-Florstadt seine Frau Recha geborene Kahn, die am 03.06.1887 in Nieder-Florstadt geboren ist.
Die Familie hat in ihrem Haus Nordstraße 7 (heute Ritterstraße 11) einen Raum für einen Stoff- und Wäschehandel. Sie wird auch 1922 im Grundsteuerverzeichnis aufgeführt. Am 05.08 1938 wird der Manufakturwarenhandel von Sally Katz auf Anordnung des Landrats als jüdisches Unternehmen erfaßt, um es demnächst stillegen zu können.
Im Haus gegenüber wohnt die Familie Weiß, die den strenggläubigen Juden am Sabbat (Samstag) immer das Feuer anzündet (sie durften das Feuer weder anzünden noch in Gang halten). Dafür gibt es dann von der Familie Katz zum Passahfest (Ostern) Mazzen für die Nachbarn (eine jüdische Fastenspeise) und - wenn einer krank ist - eine wohlschmeckende Grünkernsuppe.
Das Ehepaar geht immer nur zusammen in die Öffentlichkeit. Mit im Haushalt wohnt die zunächst unverheiratete Schwester des Vaters, Lina Katz (geboren am 04.10.1899). Sie betreut auch meist den kleinen Leopold. Sally Katz ist zunächst Schriftführer der jüdischen Gemeinde und führt nachher ganz die Geschäfte der Gemeinde.
Als die Synagoge zerstört wird (oder am Tag danach) wird auch das Haus der Familie Katz geplündert. Manche Einwohner fahren die Kleidungsstücke mit Schubkarren davon, zum Teil in Richtung Ringmauer, um nicht von allen gesehen zu werden. Am nächsten Tag findet man einzelne Kleidungsstücke auf der Straße, die in der Hast verlorengegangen sind. Auch ganz gewöhnliche Haushaltsgegenstände werden mitgenommen. So kann man zum Beispiel die Tischdecke der Familie Katz bei anderen Leuten auf der Leine hängen sehen. Einige der Stoffballen kommen allerdings auch auf das Bürgermeisteramt, das damals in der Hauptstraße war. Vielleicht ist bei dieser Gelegenheit auch das Andachtsbuch der Familie Katz mit „auf die Gemeinde“ gekommen. Es ist 1868 in hebräischer Sprache in Rödelheim gedruckt und heute wieder im Besitz von Leopold Katz (siehe unten).
Am 30. Mai 1942 / 1. Juni 1942 werden beide Eheleute vom Hauptbahnhof in Hanau aus verschleppt. In Majdanek werden die Männer von den Frauen getrennt und müssen dort bis zu ihrem Tod Zwangsarbeit leisten. Die Frauen kommen nach Sobibor und werden dort sofort vergast. Sally Katz ist aber wohl nicht in Majdanek ermordet worden, denn dort steht er nicht in den Totenlisten. Vielleicht wurde er wegen seines Alters wie seine Frau nach Sobibor gebracht.
Die Eheleute hatten einen Sohn, der am 21.02.1923 bei der Geburt gestorben ist. Außerdem haben sie den Sohn Leopold, der am 15.05.1928 im Hospital in Frankfurt, Röderbergweg 97, geboren ist.
Am 8. Juli 1936 wird er als der letzte jüdische Schüler in Hochstadt an die jüdische Volksschule in Frankfurt überwiesen. In der Schulchronik heißt es dazu: „Nunmehr besuchen nur noch arische Kinder unsere Volksschule!"
Nach der Pogromnacht trägt die Mutter (oder der Vater) am 15. November 1938 in das Andachtsbuch der Familie ein: „Unser Söhnchen Leopold ist geboren am 15. Mai 1928 (es folgt die Jahreszahl nach dem jüdischen Kalender). Ausgewandert am 15. November 1938“. In Hochstadt wird erzählt, der Junge sei in die Schweiz gekommen. Doch in Wirklichkeit kommt Leopold am 28. November 1938 mit einem Kindertransport nach Holland. Der holländische Staat hat sich nämlich angeboten, verfolgte Juden aufzunehmen; vor allem die Kinder will man retten. Da es aber mit der Erteilung der Visa nicht so schnell geht, kann man zunächst nur Kinder unter 16 Jahren aufnehmen, die kein Visum brauchen.
Zunächst kommt Leopold Katz in ein jüdisches Kinder- und Waisenhaus. Als dieses aber mit Militär belegt wird, werden die Kinder auf verschiedene Heime verteilt. Ein kinderloses jüdisches Ehepaar mit Namen van Este lädt Leopold öfter zu sich ein und nimmt ihn schließlich ganz in Pflege. Sie haben einen Lebensmittelgroßhandel in Veenendaal in Mittelholland. Aber die Lage wird für die Juden immer gefährlicher.
Die Familie wird nach Amsterdam bestellt in eine Wohnung, deren jüdische Bewohner man schon verschleppt hatte. In der Nacht taucht plötzlich ein Mann in dem Haus auf, der von gegenüber einen Graben gebaut hat, um das Haus auszurauben. Da geht die Familie wieder heimlich in ihr Dorf. Dort bietet ein Kunde der Firma sich an, alle zu verstecken. So lebt die Familie van Este mit Leopold Katz rund zwei Jahre bei der Familie van Damm im Haus versteckt. Anne Frank war also durchaus kein Einzelfall, sondern viele Holländer haben in der Nazizeit einen ungeheuren Mut bewiesen.
Manchen wurde die Sache allerdings auch zu gefährlich und ihre Gäste mußten sich anderswo einen Unterschlupf suchen. Aber Leopold Katz und seine Pflegefamilie bleiben die ganze Zeit bei ihrem Helfer. Natürlich dürfen sie nie das Haus verlassen. Nur wenn ein Hinweis kommt, daß wieder Razzien drohen, bringt Herr van Damm seine Gäste in der Nacht durch den Wald in ein fünf Kilometer entferntes Dorf zu Verwandten, bis die Luft wieder rein ist.
Als auch das nicht mehr geht, weil deutsches Militär im Wald liegt, baut der Gastgeber ein Versteck unter dem Fußboden seiner Stube. Zeitweise hat er zehn Juden versteckt. Sie werden später auf andere Familien verteilt. Sie haben alle überlebt. Nur das Schicksal des Hausmädchens der Familie ist nicht bekannt.
Nach dem Krieg lernt Leopold Katz den Beruf eines Kaufmanns und tritt in das Geschäft der Pflegeeltern ein. Er heiratet Berta Noemi Rothschild, die am 04.01.1931 in Hamburg geboren ist und in Belgien auf ähnliche Weise überlebt hat. Das Ehepaar hat fünf Kinder und 31 Enkel:
1.) Rachel Roosen-Katz, geboren 1956 (in Jerusalem)
2.) Samuel Katz 1957 (Amsterdam)
3.) Batia Wahrhaftig-Katz 1959 (London)
4.) Ruth Hommel-Katz 1963 (Manchester)
5.) Chawa. Waldmann-Katz 1975 (Manchester).
Seit 1970 wohnte die Familie in Amsterdam. Im Jahre 1997 besucht das Ehepaar Hochstadt, um das Gebetbuch der Familie abzuholen. Seit dem Jahre 2000 leben die Eheleute in Jerusalem, zwei Häuser neben der Tochter Rachel Roosen, die am 2. August 2007 mit Mann und fünf Kindern den Stammort Hochstadt besucht.
Das Haus der Familie Katz in Hochstadt wird 1940 auch vom Staat übernommen und nach dem Krieg auf 5.000 Mark geschätzt. Vor dem Haus der Familie Katz in der Ritterstraße wurden am 3. März 2007 drei „Stolpersteine“ eingelassen, Pflastersteine mit einer Messingplatte, die an die früheren Bewohner des Hauses erinnern. Sie sind in das Pflaster eingefügt, damit man über sie stolpert, nicht im wörtlichen Sinn, sondern damit man aufmerksam wird. Man muß sich aber bücken, um den Text lesen zu können, muß sich also praktisch verneigen vor dem Schicksal dieser Menschen.
In diesem Zusammenhang teilte Leopold Katz mit, daß der Name seines Vaters laut Geburtsurkunde „Saly“ lautet. Aber in vielen Schriftstücken findet sich auch die Namensform „Sally“. Auf jeden Fall ist der Name eine Abkürzung für „Samuel“ (nicht Salomon).
Die Texte auf den Stolpersteinen lauten: „Hier wohnte Saly Katz, geboren am 3. November 1887 in Hochstadt, verschleppt am 30. Mai.1942, umgebracht im Osten, vielleicht in Majdanek.
Hier wohnte Recha Katz geborene Kahn, geboren am 3. Jul 1886 in Nieder-Florstadt, verschleppt am 30. Mai 1942, umgebracht im Osten, vielleicht in Sobibor.
Hier wohnte Lina Katz, geboren am 4. Oktober 1899 in Hochstadt, später in Bingen verheiratete Kahn, umgebracht im Osten.
Hier wohnte Leopold Katz, geboren am 15. Mai 1928 in Frankfurt, geflohen am 15. November 1938“.
Zwei Zeitungsartikel: 1997
I. Ein Besuch in der alten Heimat: Ehepaar Katz in Hochstadt
Der heute im Amsterdam lebende Leopold Katz erhält Gebetbuch seiner Eltern zurück
Es war nicht ganz einfach, die Spuren des früheren Hochstädters Leopold Katz ausfindig zu machen. Der Sohn des letzten Schriftführers der jüdischen Gemeinde Hochstadt floh in den Wirren der Judenvernichtung aus Deutschland und lebt seitdem in Amsterdam. Dank der Nidderauerin Monica Kingreen, die sich mit der Geschichte der jüdischen Deutschen im Main-Kinzig-Kreis beschäftigt, konnte Katz ausfindig gemacht werden. Nun kehrte er zusammen mit seiner Ehefrau zu einem kurzen Besuch in seine ehemalige Heimat zurück. Höhepunkt dabei war sicherlich die Überreichung des jüdischen Gebetbuches seiner Eltern durch Ehrenstadtrat Heinz Kemler. Sali und Recha Katz wurden 1942 von den Deutschen deportiert und vermutlich im KZ Lublin ermordet.
Im Jahre 1936 mußte Leopold Katz die Hochstädter Volksschule verlassen, weil er Jude war. Er wohnte im Haus Nordstraße 7 in Hochstadt (heute Ritterstraße 11). Sein Vater hatte einen Tuch- und Stoffhandel und war der letzte Leiter der jüdischen Gemeinde in Hochstadt. Leopold besuchte fortan eine jüdische Schule in Frankfurt. Und in Hochstadt trug der Schulleiter in die Schulchronik ein: „Damit ist unsere Schule judenrein!“
In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde auch das Haus der Familie Katz geplündert Viele Einwohner bedienten sich ungeniert und schafften Stoffballen nach Hause. Mit Schubkarren fuhren sie die Ware weg, nicht vorne durchs Dorf, sondern durch den kleinen Durchgang in der Ringmauer also und über die Schütt, damit man sie nicht sehen konnte. Auch ganz ungewöhnliche Haushaltsgegenstände wurden mitgenommen; so sah zum Beispiel die Tischdecke der Familie Katz bei anderen Leuten auf der Leine hängen.
Buch mit bewegter Geschichte:
Einige der Stoffballen kamen allerdings auch auf das Bürgermeisteramt, das damals in der Hauptstraße 4 war. Vielleicht ist bei dieser Gelegenheit auch das Andachtsbuch der Familie Katz mit „auf die Gemeinde“ gekommen. Dieses Buch war jedenfalls der Anlaß für den Besuch des Ehepaars Katz in Hochstadt am 7. Juli dieses Jahres.
Es hat eine bewegte Geschichte. Etwa im Jahre 1965 ließ sich ein Hochstädter Gemeindevertreter den Schlüssel zum Obertor geben. Dort lagerten damals die Akten der Gemeinde Hochstadt. Er stocherte in dem wirren Haufen herum und nahm mehr zufällig einen Klumpen mit, der völlig mit Taubendreck bedeckt war.
Zuhause wurde alles näher untersucht und immer mehr gereinigt. Zum Vorschein kam ein Andachtsbuch in hebräischer Sprache, im Jahre 1868 in Rödelheim gedruckt. Das Besondere aber waren die handschriftlichen Eintragungen des letzten Besitzers Leopold Katz: So wie andere die Familiendaten (Geburten und Todesfälle) in eine Bibel schrieben, hat er seine Familiengeschichte in dem Buch niedergelegt. Die letzte Eintragung ist vom 15. November 1938: „Unser Söhnchen Leopold ist geboren am 15. Mai 1928 (es folgt die Jahreszahl nach dem jüdischen Kalender). Ausgewandert am 15. November 1938.“
Kindertransport nach Holland:
In Hochstadt wurde immer erzählt, der Junge sei in die Schweiz gekommen. Jetzt konnte eindeutig geklärt werden, daß Leopold Katz in einem Kindertransport nach Holland kam. Der holländische Staat hatte sich nach der Pogromnacht angeboten, verfolgte Juden aufzunehmen. Da es aber mit der Erteilung der Visa nicht so schnell ging, konnte man zunächst nur Kinder unter 16 Jahren aufnehmen, die kein Visum brauchten.
Wie es dann weiterging, erzählte der heute fast Siebzigjährige in bewegenden Worten in der Wohnstube der Familie, die jenes Buch jahrzehntelang aufbewahrt hat. Zunächst kam Leopold Katz in ein jüdisches Kinder- und Waisenhaus. Als dieses aber mit Militär belegt wurde, wurden die Kinder auf verschiedene Heime verteilt. Ein kinderloses jüdisches Ehepaar mit Namen van Este lud Leopold öfter zu sich ein und nahm ihn schließlich ganz in Pflege. Sie hatten einen Lebensmittelgroßhandel in Veenendaal in Mittelholland.
Aber die Lage wurde für die Juden immer gefährlicher. Die Familie wurde nach Amsterdam bestellt in eine Wohnung, deren jüdische Bewohner man schon deportiert hatte. In der Nacht tauchte plötzlich ein Mann in dem Haus auf, der von gegenüber einen Graben gebaut hatte, um das Haus auszurauben.
Da ging die Familie wieder heimlich in ihr Dorf. Dort bot ein Kunde der Firma sich an, die Familie zu verstecken. So lebte sie rund zwei Jahre bei der Familie van Damm im Haus. Anne Frank war durchaus kein Einzelfall, sondern viele Holländer haben einen ungeheuren Mut bewiesen. Manchen wurde die Sache allerdings auch zu gefährlich und ihre Gäste mußten sich anderswo einen Unterschlupf suchen. Aber Leopold Katz und seine Pflegefamilie blieben die ganze Zeit bei ihrem Helfer.
Nie das Haus verlassen:
Natürlich durften sie nie das Haus verlassen. Nur wenn ein Hinweis kam, daß wieder Razzien drohten, brachte Herr van Damm seine Gäste in der Nacht durch den Wald in ein fünf Kilometer entferntes Dorf zu Verwandten, bis die Luft wieder rein war. Als auch das nicht mehr ging, weil deutsches Militär im Wald lag, baute der Gastgeber ein Versteck unter dem Fußboden seiner Stube. Zeitweise hatte er zehn Juden versteckt. Sie wurden später auf andere Familien verteilt. Sie haben alle überlebt. Nur das Schicksal des Hausmädchens der Familie ist nicht bekannt.
Nach dem Krieg lernte Leopold Katz den Beruf eines Kaufmanns und trat in das Geschäft der Pflegeeltern ein. Seine Eltern in Hochstadt wurden 1942 nach dem Osten verschleppt und ermordet. Leopold Katz heiratete seine Frau, die aus Hamburg stammt und in Belgien auf ähnliche Weise überlebt hat. Sie haben fünf Kinder (zwei in London, zwei in Israel, eins in Holland) und 25 Enkel.
Ein Hochzeitsbild war über einen Onkel Leopolds an Frau Kingreen in Windecken gelangt. Dieser Onkel stammt aus Ostheim und war auf Einladung der Stadt Frankfurt schon öfter in der Mainmetropole. Aber auch er wußte nichts vom Verbleib seines Neffen. Frau Kingreen, die ein Buch über die Juden in Nidderau geschrieben hat, ließ die Sache aber keine Ruhe. Sie wußte durch eine Dokumentation über die Juden in den Dörfern der heutigen Stadt Maintal von dem Buch in Hochstadt, das die Hochstädter Familie kurz vor der Eröffnung des Museums dem neuen Stadtmuseums zur Verfügung gestellt hatte. Es war zusammen mit dem Bruchstück eines jüdischen Grabstein die einzige Erinnerung an die Juden im heutigen Maintal. Vielleicht haben es viele Besucher gar nicht bemerkt, obwohl es seinen Platz gleich am Eingang hatte.
Freude war groß
Inzwischen wurde nämlich der Eigentümer ausfindig gemacht: Monica Kingreen rief einfach die Auslands-Telefonauskunft an und erhielt auch tatsächlich die Nummer eines Leopold Katz aus Amsterdam. Sie rief sogleich zur Mittagszeit dort an, und es stellte sich heraus, daß es der Gesuchte war. Erst in Hochstadt stellte sich heraus, weshalb die Nachforschungen des Hochstädter Bürgers vergeblich waren. Er hatte sich an die jüdischen Gemeinden in Frankfurt und Offenbach gewandt und auch zweimal nach Amsterdam. Aber dort konnte man von einem Leopold Katz noch nichts wissen, weil er erst ab 1970 dorthin zog.
Jetzt war die Freude natürlich groß, daß plötzlich nach Jahrzehnten ein Andenken an die ermordeten Eltern auftauchte. Das Ehepaar Katz flog zunächst nach Israel, um den wiedergefundenen Onkel zu besuchen Danach kamen sie nach Hochstadt, um das Buch in Empfang zu nehmen Das geschah dann auch in Gegenwart von Stadtrat Robanus, der den Bürgermeister vertrat, und Vertretern des Vereins Heimatmuseum.
Danach machte die Gruppe noch einen Rundgang durch Hochstadt. Frau Pohl vom Verein Heimatmuseum konnte dem erstaunten Ehepaar Katz einen ganz alten Weißdornbaum an der Ringmauer zeigen, der im Volksmund „Katze-Baum“ heißt. Der Name hat nichts mit den Katzen zu tun, die sich vielleicht unter ihm ausruhen, sondern er bezieht sich auf den Großvater von Leopold Katz, der sich gern unter dem Baum ausruhte. Er steht in der Nähe der Ritterstraße, in der die Familie wohnte. Ehe irgendwelche Gedenktafeln aufgestellt werden, haben die Hochstädter schon ihre Form des Gedenkens gefunden (eine Gedenktafel ist aber deshalb nicht überflüssig).
Kaum Erinnerungen:
In der Straße wurden von den Hochstädtern gleich einige Nachbarn alarmiert und herbeigeholt, die auch schon im höheren Alter waren und sich gern an den früheren Nachbarn erinnern. Leopold Katz dagegen hatte es schwerer, war er doch schon als Kind weggegangen und viele Jahrzehnte fort gewesen. Nur an die Familie Weiß konnte er sich noch erinnern. Sie wohnte in dem Haus gegenüber und zündete den strenggläubigen Juden am Sabbat (Samstag) das Feuer an (sie durften das Feuer in Gang halten, aber nicht selbst anzünden). Dafür gab es dann von der Familie Katz zum Passahfest (Ostern) Mazzen für die Nachbarn (eine jüdische Fastenspeise) und wenn einer krank war eine wohlschmeckende Grünkernsuppe.
An all diese Dinge konnten sich die Nachbarn gut erinnern. Sie konnten sogar Dinge aus der Kindheit erzählen, an die Herr Katz sich nicht mehr erinnern konnte. So hieß es, daß die Eltern immer nur zusammen in die Öffentlichkeit gegangen seien (ein Hochzeitsbild der Eltern hat Leopold Katz mitgebracht).
Mit im Haushalt wohnte die unverheiratete Schwester des Vaters, Lina Katz. Sie betreute auch meist den kleinen Leopold. Er durfte nicht so oft raus, denn er sollte sich nicht schmutzig machen. Aber wenn er doch einmal draußen war, dann verführten ihn die anderen Kinder; einmal kräftig in das offene Floß in der damaligen Nordstraße zu treten; damit er auch einmal dreckig wurde und Zuhause geschimpft wurde.
Synagogengrundstück besucht:
Das frühere Wohnhaus konnte nicht besucht werden, weil die heutigen Eigentümer nicht Zuhause waren. Herr Katz konnte sich noch daran erinnern, daß rechts die Scheune war und daß im Haus ein Brunnen war. Anschließend wurden die frühere jüdische Schule und das Synagogengrundstück besucht. Auch auf das Haus von „Heisters“ (Geschwister Strauß) wurde hingewiesen. Auch weitere Häuser, in denen früher Juden wohnten, wurden noch kurz gezeigt. Dann machten sich die Gäste noch am gleichen Abend wieder auf die Heimfahrt.
Aber es ist hoffentlich nicht der letzte Besuch gewesen. Stadtrat Robanus jedenfalls hat für den Herbst zu einem Forum eingeladen. Berichte der wenigen Zeitzeugen sind für die heutige Generation wertvoller als Bücher. Schön wäre es auch, wenn die Kinder und Enkel einmal kommen könnten, um die Heimat ihrer Vorfahren kennenzulernen. Dort wohnen heute andere Menschen, die froh sind, daß wenigstens einige die Verfolgung überlebt haben. Das konnte man jedenfalls bei dem Gang durch die Ritterstraße ganz stark spüren.
II. Nach 60 Jahren: Besuch in Hochstadt 1997
Der Besuch der ehemaligen jüdischen Maintaler ist vorbei, die ersten Briefe zwischen Amerika und Maintal sind sicherlich schon gewechselt worden. Vor wenigen Tagen jedoch kehrte ein weiterer Überlebender der Shoah nach Maintal zurück: Leopold Katz besuchte Hochstadt. Der Sohn des letzten Schriftführers der Hochstädter jüdischen Gemeinde reiste gemeinsam mit seiner Frau aus Amsterdam an, um ein Gebetbuch seiner Familie nach fast 60 Jahren wieder in Besitz zu nehmen.
Das Gebetbuch war zuletzt im neuen Heimatmuseum am Obertor in Hochstadt ausgestellt gewesen. Es enthält handschriftliche Eintragungen zu den damaligen Familienmitgliedern und Vorfahren.
Wie herausgefunden wurde, gelangte das Buch nach der Plünderung des Hauses Katz in die Hände der SA und später in den Besitz der Gemeinde. Jahrzehntelang verstaubte es auf einem Dachboden.
Heinz Kemler, damals Mitglied im Gemeindevorstand von Hochstadt und Ehrenstadtrat, entdeckte das Gebetbuch, das sich mittlerweile in einem miserablen Zustand befand, in den 60er Jahren. Er restaurierte das Dokument und bewahrte es seitdem. Bemühungen, das Buch schon damals der Familie zurückzugeben, scheiterten, weil der überlebende Leopold Katz nicht aufgefunden werden konnte. Lange war vermutet worden, der Sohn von Sally und Recha Katz sei in die Schweiz geflohen. Erst vor kurzem gelang es der Nidderauer Expertin Monica Kingreen über einen entfernten Verwandten der Familie in Israel eine Verbindung zu Leopold Katz in Holland herzustellen.
Katz kehrte nach sechs Jahrzehnten in sein Heimatdorf zurück. Nach seinen Schilderungen war er unmittelbar nach der sogenannten „Reichskristallnacht“, bei die Hochstädter Synagoge und auch das Haus der Katz demoliert worden war, von seinen Eltern nach Holland geschleust worden.
Katz war damals gerade zehn Jahre alt und gelangte über Frankfurt mit einem Kindertransport ins Ausland. Nach dem Einmarsch der Deutsche in Holland wurde Leopold Katz mit anderen Juden mehrere Jahre hinweg von einer nichtjüdischen Familie versteckt. Ein Schicksal; wie das der Anne Frank, doch daß der Hochstädter nicht entdeckt wurde und so überleben konnte. Seine Eltern hingegen wurden im Mai 1942 von Hanau aus deportiert und vermutlich im Lager Lublin ermordet.
Auf Wunsch von Leopold Katz geschah der Besuch in Hochstadt in „privatem Rahmen“. Erster Stadtrat Robanus begrüßte das Ehepaar und lud sie zu einem erneuten Besuch in Maintal ein, um die heutige Stadt kennenzulernen und auch mit jungen Menschen als Zeitzeugen zusammenzutreffen. Peter Heckert und die Museumsvereins-Vorsitzende Ursula Pohl begleiteten Leopold Katz auf seinem Rundgang durch Hochstadt. Dabei gab es viele spontane Begegnungen mit älteren Hochstädtern, die sich erstaunlich detailliert an „den Leo“ erinnerten.
Jessel Stern, Hauptstraße 31
Der Name kommt häufig in Bischofsheim vor. Auch in Hochstadt gibt es eine Familie: Abraham Stern hat nach 1800 mit seiner Frau drei Kinder: Die Töchter Fradel und Reichle heiraten nach Wachenbuchen, der Sohn Jessel heiratet 1837 Hendel Appel, Tochter von Nathan Appel und seiner Frau geborene Keißer. Ihr Sohn Nathan Stern (1857 erwähnt) heiratet 1858 Hannchen Grünebaum aus Rendel. Er zahlt dafür das gleiche Einzugsgeld wie ein Dörnigheimer. Der Grabstein der Frau ist noch auf dem jüdischen Friedhof in Hanau erhalten.
Deren Sohn wiederum ist der Metzger Joseph (Jesel) Stern, der in der Hauptstraße 31 wohnt und arbeitet und 1927 stirbt (der Grabstein ist noch auf dem jüdischen Friedhof in Hanau er halten).
Jessel Stern ist Metzger und Viehhändler. Seine Frau ist Minna geborene Kaufmann. Das Haus hatte in der linken Hälfte eine Torfahrt, in der vor allem Rinder nach jüdischer Vorschrift geschlachtet wurden („geschächtet“). Zeitweise arbeitet er mit dem Metzger im Haus Hauptstraße Nr. 23 zusammen, der das Fleisch verwertet, das Juden nicht nutzen dürfen. Die Tochter Hedwig heiratet Aron Flörsheimer aus Höchst im Odenwald. Als sie auswandern möchte, bittet sie am 29. November 1939 um eine Heiratsurkunde. Der Sohn Albert heiratet in Berlin-Wilmersdorf und lebt später in London
Der Bürgermeister bittet am 28. November 1939 den Landrat, aus den dortigen Unterlagen die Daten von Nathan Stern, dem Vater des am 22. März 1865 geborenen Jessel Stern, gestorben am 5. Februar 1927 in Hochstadt, festzustellen.
Das Haus wird am 15. September 1937 (23. September) zum Preis von 3.900 Mark (plus Nebenkosten) von Mina Stern an Wilhelm Mankel, Bogenstraße 7, verkauft, der nach dem Krieg noch einmal einen Ausgleichsbetrag von 3.350 Mark zahlt. Am 5. März 1952 wird das Vermögen freigegeben.
Hermann Goldschmidt, Hauptstraße 26
Das Stammhaus der Goldschmidts ist das Haus Hauptstraße 26. In dem früheren Haus, das an dieser Stelle stand, gab es eine „Mikwe“, ein Bad für rituelle Waschungen. Das Haus wird aber 1914 neu gebaut und die Mikwe verschwindet. Jettchen Goldschmidt, die Frau Salomon Goldschmidts, fährt sowieso nach Frankfurt, weil die dortige Mikwe bequemer ist und größere religiöse Sicherheit aufweist. Auf dem Dachboden des Hauses befanden sich die Bücher der jüdischen Gemeinde, die aber alle verschollen sind. Die Register sind aber in Kopie im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden vorhanden (ebenso von allen anderen Ortsteilen Maintals)
Die Familie lebt schon vor 1800 in Hochstadt. Der Stammvater ist der Handelsmann Baruch Goldschmidt, der etwa 1778 geboren ist und um 1810 Bela Sichel heiratet. Baruch stirbt am 28.03.1828, Bela am 19.11.1837. Drei ihrer sieben Kinder erreichen das Erwachsenenalter:
(1.) Hiskias Goldschmidt (geboren am 11.02.1814) heiratet 07.09.1843 Regine Schwarzschild aus Meerholz, die etwa 1819 geboren ist. Er wird unter dem Namen „Jeskias“ im Jahre 1859 in den Akten der Gemeinde Hochstadt erwähnt, als er einen Faselochsen an die Gemeinde liefert. Die Eheleute wohnen 1889 Hausnummer 22 (entspricht Hauptstraße 26). Von den sieben Kindern erreichen fünf das Erwachsenenalter:
- Baruch Goldschmidt, geboren am 12.10.1845, verheiratet mit Jettchen Straus (siehe unten).
- Bettchen, geboren am 02.04.1848, verheiratet mit Jesel Straus (siehe unten)
- Herz, geboren am 12.01.1850, ist laut Geburtsregister in Amerika gestorben.
- Joseph, geboren am 25.11.1851, verheiratet mit Fanny Kaufmann, Schäfergasse 2.
- .Hannchen, geboren am 11.09.1857, auch verheiratet mit Jesel Straus (siehe unten)
(2.) Die Tochter Karoline, geboren etwa 1817, heiratet 14.02.1843 Samuel Strauß aus Wachenbuchen. Deren Sohn Jesel (Joseph) Strauß, geboren am 04.05.1850, heiratet am 03.06.1874 in erster Ehe seine Cousine Bettchen (Settchen) Goldschmidt, geboren am 02.04.1848. Diese stirbt am
28.05.1878 (das Grab ist auf dem Friedhof in Hanau). Jesel Strauß heiratet am 03.05.1879 in zweiter Ehe die jüngere Schwester seiner ersten Frau, nämlich Hannchen, geboren am 11.09.1857, Hauptstraße 41. Mit ihr hat er die Töchter Lina, geboren am 06.10.1880 und Bertha, geboren am 24.09.1883 (siehe Hauptstr.41). Jesel Strauß stirbt am 24.09.1905 in Hochstadt (das Grab ist auf dem Friedhof in Hanau), seine Frau am 05.06.1938 in Marköbel.
(3.) Die Tochter Malchen, geboren etwa 1818, heiratet 1842 Marum Miller in Windecken.
Baruch Goldschmidt (der Jüngere, geboren am 12.10.1845) heiratet am 05.01.1870 Jettchen Strauß aus Wachenbuchen (geboren am 04.04.1846 in Wachenbuchen). Der Mann ist als „Nicht-Kombattant“ auf dem Kriegerdenkmal von 1870 / 1871 neben dem Kirchturm verzeichnet. Die Eheleute wohnen 1878 in Hausnummer 62 (entspricht Bogenstraße 20) und 1912 in Hausnummer 22 (entspricht Hauptstraße 26). Baruch Goldschmidt stirbt am 03.04.1912, Jettchen am 23.01.1933, ihre Gräber sind auf dem Friedhof in Hanau.
Sie haben die Kinder:
(1.) Berthe, (geboren am 22.06.1876, heiratet Bernhart (Bernhard) Strauss (geboren am 22.07.1867 in Dörnigheim). Die Eheleute hatten in Frankfurt (Mainstraße 13) seit 1883 eine Metzgerei. Der Mann stirbt am 30.06.1918. Die Frau flieht 1941 über Lissabon in die USA. Sie haben die Kinder:
(2.) Salomon, der Sohn von Baruch und Jettchen Goldschmidt, heiratet vor 1906 Jettchen Kahn aus Oberaltertheim bei Würzburg. Er ist Viehhändler, kauft das Vieh im Raum Fulda ein und verkauft es dann im Kreis Hanau. Das Geschäft der Goldschmidts ist also der Viehhandel, Kunden sind Bauern und Metzger.
Salomon Goldschmidt genießt wegen seiner religiösen Genauigkeit größten Respekt, vor allem wegen der Einhaltung der Sabbatruhe. Wenn einer im Dorf Hochzeit hat, sendet er der Familie Goldschmidt keinen Kuchen, sondern nur die Zutaten, damit die Familie sich selber Kuchen backen kann. Sie darf nämlich nichts essen, was in Gefäßen hergestellt ist, in denen Fleisch von ungeschächteten Tieren, Blut oder Schmalz zubereitet worden sind. Umgedreht schickt die Familie Goldschmidt an eine Wöchnerin ihre Sabbatsuppe in einer speziellen Kanne; die Bauern kennen eine solche Suppe nicht, weil sie aus frischem Fleisch gekocht ist.
Zum Passahfest werden die Kinder mit einem großen Waschkorb voll „Mazzen" (ungesäuerte Brote) zu den Kunden der Familie geschickt: Jeder bekommt ein oder zwei Mazzen und schenkt dann den Kindern entsprechend viele Eier.
Im Jahre 1933 ist das Erstaunen der Familie groß, als viele Freunde sich als Mitglieder der Nazipartei mit niedrigen Mitgliedsnummern herausstellen. Dennoch kommt im gleichen Jahr ein SA-Mann in Uniform zu der Familie und erklärt, er werde sie begleiten, wenn sie Angst hätten, in die Synagoge zu gehen. Bei der Winterhilfe nimmt man Rücksicht auf die zwei bedürftigen Familien jüdischer Religion: Die Sachen werden schon am Freitag ausgegeben und es gibt Butter statt Schmalz. Der Boykott jüdischer Geschäfte ab 1. April 1933 wird in Hochstadt nicht durchgeführt.
Salomon Goldschmidt kam 1936 ins jüdische Siechenhaus Frankfurt und starb dort 1938. Die Frau zog zunächst nach Frankfurt und ging dann nach Holland und tauchte in Enschede unter zusammen mit der später in den USA lebenden Schwägerin des Sohnes Hermann. Sie starb am 03 oder 05.12.1944 in Enschede unter falschem Namen im Krankenhaus an Krebs.
Die Kinder sind:
(1.) Hermann, geboren am 12.12.1906, heiratete 1932 Else geborene Rosenfelder, geboren am 27.12. 1906 in Frankfurt. Sie wohnten in der Theobald-Christ-Straße 4. Der Mann handelte als Kaufmann unter anderem mit Gummiabfällen, auch mit dem Ausland. Dabei hat er sich wahrscheinlich schon Geld für die Auswanderung beiseite gelegt. Man kann aber nicht sagen, daß die Familie reicher gewesen wäre als andere jüdische Familien. Entscheidender als das Geld ist aber für die Auswanderung, daß er rechtzeitig den Plan faßte und umsetzte. Geholfen hat dabei auch die Schwester der Mutter, die schon in den zwanziger Jahren als Kommunistin nach Rußland fliehen mußte und nun bei der Beschaffung des Visums hilft, denn es besteht schon eine Sperre für die Einwanderung, aber sie erreicht dennoch ein Visum
Die Familie wanderte 1938 nach Buenos Aires in Argentinien aus. Der Mann war dort war er zusammen mit seinem ältesten Sohn an einer Werkzeugfabrik beteiligt, die allerdings mehr eine Werkstatt mit drei Angestellten ist. Hermann Goldschmidt besuchte 1985 die Stadt Frankfurt auf deren Einladung und kommt auch mit dem dritten Sohn nach Hochstadt (Bild in Schellmann I, Seite 69). Ein Bericht über das damalige Lebend er Juden in Hochstadt findet sich weiter unten
Hermann Goldschmidt starb am 28.09. 1991 in Buenos Aires, die Frau am 16.05.1991, auch in Buenos Aires. Die Kinder sind:
2. Julius, geboren am 31.07.1909, ging 1938 nach Frankfurt und floh nach Holland. Als die Nazis aber dort einmarschieren, verdächtigen sie ihn, ein Spion der Engländer zu sein. Als sie in sein Haus eindringen, verletzen sie seine Frau so schwer, daß sie ihr ungeborenes Kind verliert. Ihn selber töten sie am 29.09. 1940 in Enschede durch eine Spritze 3. Rosy, geboren am 11.09.1915, ist nicht in den Hochstädter Registern verzeichnet, sie ist nur bekannt durch Joseph Goldschmidt. Sie ist erst später als die Familie Hermann Goldschmidt abgereist. Sie hatte ein Visum nach den USA, ist dort eine verheiratete Haas und wohnt in New York.
Sie besucht 1960 den jüdischen Friedhof in Hanau und stiftet bei dieser Gelegenheit ein Besucherbuch, das sie ihren Großeltern Baruch Goldschmidt und Jettchen geborene Strauss widmet. Sie fügt hinzu: „In liebendem Gedenken all der guten Freunde auf diesem Friedhof, welche einst mein Leben beglückten“. Das Buch ist heute noch bei der Friedhofsverwaltung in Gebrauch. Eine Ablichtung der Seite 1 und 3 findet sich in dem Buch über den Jüdischen Friedhof in Hanau auf Seite 122 und 123.
Nicht identifiziert ist: Julie (Ulla) geborne Rose,geborenin Amsterdam, nach 1945 in die USA
Bericht Hermann Goldschmidts (nach einem Text aus dem Spanischen)
In seinen Briefen an Herrn Schellmann schildert Hermann Goldschmidt die Verhältnisse in Hochstadt, aber wohl etwas zu positiv, bzw. er läßt die negativen Vorkommnisse weg. Hermann Goldschmidt sagt rückschauend, erst auswärtige Nazis hätten das Bild ab 1935 geändert. Doch dabei muß man bedenken, daß es auch Hochstädter Einwohner waren, die nur erst kürzlich zugezogen waren, so wie der Schmied Müller, der ihn bedroht hat, oder der Schornsteinfeger Nordmeyer, der einer der Anführer beim Sturm auf die Synagoge war.
Leben in Hochstadt:
Einen unliebsamen Vorfall schildert der Lokführer Richard Becker. Er kam im Jahre 1936 abends mit dem letzten Zug nach Hause. Kurz hinter ihm lief ein Mann, holte ihn aber nicht ein. Er blieb stehen und fragte: „Was läufst du denn so hinter mir her? Da können wir doch auch zusammen gehen!“ Der Mann kam näher und erklärte: „Die wollen mich doch schlagen!“ Daraufhin Becker: „Solange ich dabei bin, schlägt dich keiner“ und deutete dabei auf die Eisenbahnerlampe, die er dabei hat und mit der er den anderen Mann verteidigen wollte.
Der andere Mann ist Hermann Goldschmidt, der schon seit 1916 vorwiegend in Frankfurt lebt und der offenbar wieder einmal seine Eltern in Hochstadt besuchen will. An der Ecke Bahnhofstraße/ Lutherstraße lauern ihnen aber doch einige Nazis auf. Richard Becker versetzt aber Johann Karl Müller aus der Bogenstraße 12 einen Schlag, um wie versprochen Goldschmidt zu schützen. Dafür soll Becker nachher bestraft werden, aber der Bürgermeister Stein verhindert das. Er kann die Sache so klären, daß nichts weiter von Seiten der Partei erfolgt.
Die Auswanderung:
Im September 1935 wird seinem Bruder Julius „Rassenschande“ angedichtet (eine Beziehung zu einer nichtjüdischen Deutschen). Ein Frankfurter Anwalt empfiehlt die Auswanderung. Im Jahre 1938 verlassen Hochstadt auch die Eltern Salomon und Jette. Der Umzug geschieht „über Nacht“, aber wohl doch nicht unter einem so starken Druck wie später. Sie ziehen nach Frankfurt, wo Hermann Goldschmidt schon seit 1916 vorwiegend lebt. Dort stirbt der Vater 1938. Kurz vor der Auswanderung wird der Sohn Joseph noch einmal wegen einer Kinderlähmungsepidemie aufs Land verschickt.
Über Hamburg wandert die Familie im Jahre 1938 nach Buenos Aires (Argentinien) aus. Dort ist Hermann Goldschmidt zusammen mit seinem ältesten Sohn an einer kleinen Werkzeugfabrik beteiligt, die allerdings mehr eine Werkstatt mit drei Angestellten ist. Dieser Sohn Joseph ist verheiratet mit Ines geborene Worms, ist in Argentinien geboren ist, deren Mutter aber aus der Gegend von Fulda kommt und 1936 weggegangen ist, der Vater aus Karlstadt am Main. Sie haben fünf Kinder, von denen die zwei Töchter Lili und Miriam in Israel verheiratet sind. Insgesamt haben sie 33 Enkel.
Als Mieter zieht Richard Becker in das Haus in Hochstadt ein, seine Hochzeit im September 1936 feiert er schon in diesem Haus. Aber bald danach werden ihm die Fensterscheiben eingeworfen, weil er in ein „Judenhaus“ gezogen ist. Goldschmidts bleiben also Eigentümer des Hauses, erhalten dafür aber keine Miete, sondern lassen die Familie Becker mietfrei wohnen. Das Klavier wird an eine Familie in der Wachenbucher Straße verkauft.
Nach dem Krieg geht das Haus in den Besitz der IRSO, einer Treuhandgesellschaft für jüdisches Vermögen. Diese macht die Rechte der ermordeten Juden geltend und unterstützt mit dem erstrittenen Geld die überlebenden Opfer. Dabei kommt es allerdings auch vor, daß man nichts von überlebenden Nachkommen weiß und diese deshalb leer ausgehen. Auch im Fall der Familie Goldschmidt wird nach dem Krieg kein Rückerstattungsanspruch gestellt.
Die IRSO bietet das Haus zunächst der Familie Becker an. Aber Richard Becker kann die zunächst geforderten 15.000 Mark nicht zahlen. Schließlich wird das Haus etwa 1949 von dem Arzt Dr. Seufert für etwa den halben Preis gekauft. Dieser verkauft es dann an Werner Legère, den Cousin von Willi Becker (dem Sohn Richard Beckers).
Besuch Joseph Goldschmidts:
Der frühere Hochstädter Leopold Katz rief am Freitag, dem 14. Juli 2006, bei Peter Heckert an, um sich für einige übersandte Unterlagen zu seiner Familie zu bedanken. Dabei erwähnte er beiläufig am Schluß, daß ihn kürzlich ein Herr Goldschmidt aus Hochstadt besucht habe. Ich traute meinen Ohren nicht, war es doch der Mann, den ich seit Monaten suchte. Ich hatte einen Brief nach Argentinien geschrieben an die Anschrift Hermann Goldschmidts, von dem ich wußte, daß er gestorben ist, in der Hoffnung, daß dort noch der Sohn wohne. Aber es kam keine Antwort. Daraufhin habe ich im Internet gesucht unter „Rabbiner Goldschmidt, Bogota“. Es wurde auch ein „Alfredo Goldschmidt“ angezeigt, der einen weltweiten Handel mit koscheren Speisen (nach den jüdischen Religionsvorschriften hergestellte Speisen) betreibt. Die Email-Anschrift war angegeben, eine Anfrage in Englisch schon aufgesetzt. Jetzt sagt Herr Katz: „Herr Goldschmidt ist gerade auf Einladung der Stadt Frankfurt dort zu Besuch!“
Herr Begemann vom Fachdienst Kultur der Stadt Maintal stellte dann über Lothar Strauß aus Wachenbuchen den Kontakt zu Herrn Goldschmidt her, von dem wir weder Vornamen noch Geburtstag wußten, nur daß er der Enkel des Viehhändlers Salomon Goldschmidt aus der Hauptstraße 26 war und der Sohn des Kaufmann Hermann Goldschmidt, der schon seit 1916 vorwiegend aus beruflichen Gründen (Schule) sich in Frankfurt aufhielt und dessen Sohn deshalb von der Stadt Frankfurt eingeladen wurde. Am Sonntag, dem 16. Juli 2006, kam dann das Ehepaar Goldschmidt nach Hochstadt zu Besuch.
Wir machten zunächst einen Rundgang durch Hochstadt. Wir gingen die Ringmauer entlang, bei der Joseph Goldschmidt sagte: „Von einer Ringmauer hat mir mein Vater nichts erzählt!“ Er selber war ja im Alter von fünf Jahren zum letzten Mal zu Besuch bei seiner Großmutter. Wir zeigten ihm das Elternhaus von Leopold Katz. Dann gingen wir zum Platz der früheren Synagoge und Schule in Hochstadt. Ich erzählte ihm, daß ich aufgrund der Angaben seines Vaters die Zeichnung vom Inneren der Synagoge gemacht habe, die sich in meiner Chronik befindet.
Schließlich standen wir dann vor seinem Elternhaus Hauptstraße 26. Joseph Goldschmidt konnte sich noch daran erinnern, daß es eine steile Treppe zum Dachboden hat, wo in einem Raum die Geräte für das jüdische Pesachfest aufbewahrt wurden. Auch die Bücher der jüdischen Gemeinde hatten damals dort ihren Platz, denn Salomon Goldschmidt war Leiter der Gemeinde. Schon in der Nazizeit müssen sie vernichtet worden sein. Aber eine Kopie der Personenstandsregister befand sich im Landratsamt in Hanau. Das „Reichssippenamt“ hat davon eine Mikroverfilmung gemacht, die heute im Staatsarchiv in Wiesbaden erhalten ist und die Vorfahren der jüdischen Familien bis ungefähr dem Jahr 1800 erschließt.
Der Weg führte dann weiter in die Bogenstraße, wo in der Hausnummer 2 der frühere Gemeindeleiter Sichel wohnte. Herr Goldschmidt fragte auch nach dem Haus der Familie Appel, die er in Argentinien einmal kurz getroffen hatte. Dieses Haus in der Bogenstraße 6 konnten wir ihm nun zeigen. Dann gingen wir an der Kirche und dem Obertor vorbei und noch einmal durch die Lutherstraße. Dort zeigten wir ihm an der Ecke zur Bahnhofstraße die Stelle, wo sein Vater einmal von anderen Hochstädtern verprügelt worden war, nur weil er ein Jude war. Dennoch hat sein Vater in seinen Briefen immer wieder gut von den Hochstädtern gesprochen
Im Rathaus sprachen wir dann weiter mit dem Ehepaar. Wir schrieben uns die Personalien der Familienmitglieder auf. Am 9. August 2006 schrieb ich noch einmal an das Ehepaar Goldschmidt. Ich konnte ihnen eine Glückwunschkarte der Großeltern zuschicken, die mir ein Schulkamerad gebracht hatte. Dann berichtete ich von einer Nachbarin, daß ihre Eltern damals das Klavier von Goldschmidts gekauft haben. Und schließlich hatte ich von einer älteren Frau etwas gehört, daß Tante Rosy schon in jungen Jahren eine sehr hübsche Frau gewesen. Selbst der Nazi-Bürgermeister Stein hat sich in sie verguckt (wohl vor seiner Hochzeit im Jahre 1936).
Erinnerungen:
Hermann Goldschmidt hat für seine Kinder und Enkel seine Erinnerungen an Hochstadt aufgeschrieben (Auszug, den der Sohn uns übersandt hat):
(2) Hochstadt ist ein kleines historisches Dorf, das ungefähr 1.500 Einwohner hat. Es liegt zwischen Frankfurt am Main und Hanau. Auch ist seine jüdische Geschichte lang. In diesem Dorf wurde ich am 12. Dezember 1906 geboren. Ich habe sehr wenige Erinnerungen an meine Kindheit. Man hat mir erzählt, daß meine Großmutter Jettchen - die andere Großmutter Regina habe ich nie gekannt – als sie im Jahre 1909 erfahren hat, daß meine Mutter ihren Sohn Julius auf die Welt gebracht hat, da hätte sie gesagt: „Noch ein böser Bub!“
Ich hing sehr an der Mama. Man sagte mir, ich sei ihr sehr ähnlich gewesen. Auch der Pessimismus, der mich in der Jugend beherrschte - besonders im Herbst - wäre eine Erbschaft von ihr.
In religiösen Angelegenheiten war sie toleranter als mein Vater. Für ihn war es das Wichtigste, das ein Mann die Regeln der Tora [(jüdisches Gesetz] einhält ohne Unterschiede zu machen, ob er Jekke oder Pollak war (so nannte man die Juden aus Polen in einer abwertenden Form. Vater ist immer wütend geworden, wenn jemand dieses Wort in seiner Anwesenheit benutzte). Dennoch: In einer Zeit, in der die Einheit der orthodoxen Juden viel größer war - besonders in der Familie des Schulfreunds Breuer -, sah man die Juden aus dem Osten wie eine zweite Klasse an, sie dachten, die Juden aus dem Westen wären allein Juden.
Ich glaube, daß in dieser Zeit selbst Breuer von Herzl und dem Zionismus nichts wußte. Bemerkenswert ist, daß in einem unserer Zimmer eine Abbildung vom Baron Hirsch hing, obwohl ich allerdings erst in Buenos Aires erfahren habe, wen dieses Foto darstellt.
Ob Mutter diese Linie weiter verfolgte weiß ich nicht. Sie hat uns immer unterstützt, wenn wir am Sabbat („Shabatot“) ab und zu Besuche bei Mitgliedern der Gemeinde („Kehila“) gemacht haben, die in Bischofsheim und Dörnigheim lebten und die nach Hochstadt kamen, um die Mindestzahl der Synagogenbesucher („Minjan“) in der Synagoge zu bilden. Aber sie hatten ihre Geschäfte am Sabbat geöffnet.
Ohne es zu merken hat sich bei mir schon im frühen Alter der Gedanke des jüdischen Volkes gebildet. Es war nicht sehr in Mode zu dieser Zeit. Und in späteren Jahren hatte ich den Eindruck, daß die Tatsache, daß ich mich niemals würde abfinden können mit der Trennung von der Zentralgemeinde (Austritt), ihren Ursprung hat in diesen zwei Überzeugungen von Vater und Mutter.
Noch etwas über Mutter und Vater. Die zwei haben soviel gearbeitet, daß man es sich heute kaum vorstellen kann. Vater hatte von meinen Großeltern und Urgroßeltern väterlicherseits einen Viehhandel erhalten - nur Kühe, keine Pferde. Es gab im Stall immer zwei oder fünf Tiere. Deshalb lernte ich schon in frühem Alter, was eine Geburt ist, da ich sehr oft Geburten miterleben konnte. Dabei habe ich aber auch gelernt, was wahre Freundschaft ist. Bei diesen Geburten halfen sich die Nachbarn gegenseitig – wie bei allen Bauern. Da gab es keine Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden.
Jeden Tag - außer Montag, aber einschließlich des mosaischen Sabbat und des (christlichen) Sonntags, besuchte Vater seine Kunden in Hochstadt und Mittelbuchen (eine Stunde zu Fuß entfernt). Dort, in diesem sehr kleinen Dorf, lebte ein Freund, der Bürgermeister Köppel, ein sehr intelligenter und lebhafter Mensch. Obwohl sein Bruder oberster Richter am zentralen Gerichtshof in Steuersachen in Berlin war, besuchte er uns in der Nazizeit offen in Hochstadt, wenn er in Mittelbuchen zu Besuch war, während die Freunde in Hochstadt nicht mehr den Mut dazu hatten, aber er tat es.
In der Nacht von Sonntag auf Montag - ausgenommen an Festen - sind Papa und Mama um zwei Uhr morgens aufgestanden um die Tiere zu versorgen. Dann fuhr Vater - zusammen mit anderen - auf der Straße drei Stunden mit den Tieren zum Viehmarkt in Frankfurt. Am Montagnachmittag fuhr er mit dem Zug nach Gersfeld (gut zwei Stunden entfernt) mit der Absicht, dort Zuchttiere zu kaufen. Der Tag, der um zwei Uhr begann, endete ungefähr um 23 Uhr in Gersfeld.
Und Mama hat auch nicht viel weniger getan. Beide waren nie in Urlaub. Meine Mutter heiratete, als sie 23 Jahre alt war. Sieben Jahren nach der Hochzeit lebten sie mit meiner Großmutter zusammen. Im Jahr 1917 ging Vater in den Krieg und kehrte 1918 zurück. Im Jahre 1921 wurde er krank am Herz und konnte nicht arbeiten.
Im Jahre 1932 kam Hitler. Wir zogen 1936 nach Frankfurt um, wo mein Vater 1938 starb. Sein Tod war der Anlaß zu unserer Auswanderung nach Buenos Aires. Im Jahre 1939 wanderte Rose nach den USA aus, und Mutter nach Enschede. Im Jahre 1940 starb Julius. Im Jahre 1941 konnte sich Mutter nicht mehr verbergen, sie starb 1944.
Um auf das Thema des Lebens in Hochstadt zurückzukommen: Es ist mir klar, daß meine Eltern, obwohl sie lange Stunden arbeiteten, hielten sie den Sabbat mehr ein als bei uns (hatte der Sabbat größere Bedeutung als für uns). Ich grübele, denn die Erinnerungen an meinen Vater sind sehr schwach. Im Jahre 1914 wurde er zu den Reservisten eingezogen und kam an die Front, er war ja schon 49 Jahre alt und sehr krank.
Man hat mir gesagt, daß er in seinen jungen Jahren sehr sehr lebhaft war und ein guter Tänzer, der keinen Tanz ausließ. Aber davon habe ich keine Erinnerung. Ich stelle mir einfach vor, wie sehr er gelitten haben muß durch seine erzwungene Untätigkeit ab seinem 49. Lebensjahr. Dann kamen halt die finanziellen Schwierigkeiten, Krankheit und schließlich mußte er den Ort seiner Vorfahren verlassen und seine geliebte Gemeinde („Kehila“). Ich mich erinnere mich noch daran, daß mein Vater ein wahrer Parnes (Nutzer einer jüdischen Sprache) war, der an seiner geliebten Gemeinde festhielt bis zu seinem Weggang im Jahre 1936.
Der Glaube zu Hause war echt und angeboren von beiden Seiten, aber mit verschiedenen Schattierungen. Meine Mutter verwendete eine Perücke, auch meine Großmutter mütterlicherseits, die ich leider nicht kennenlernte. Jedoch nicht so meine Großmutter väterlicherseits. Aber ihre einzige Tochter, Tante Berta, erfüllte diese Vorschrift („Mizwa“).
Was sie mir über die beiden Schwestern meiner Mutter erzählten: Tante Mina Adler in Laudenbach starb in Brasilien, ebenso wie ihre einzige Tochter Helmi; deren zwei Kinder sind verheiratet mit brasilianischen nichtjüdischen Partnern.
Mit einem Enkel von Tante Mina hatte ich einmal ein Gespräch in Porto Allegre, der mir die Geschichte seiner Onkel und deren Mutter erzählte. Tante Jeanette Gundersheimer und ihr Ehemann, Lehrer und Schächter (Shojet) starben in Deutschland. Sie erzählten mir auch: Meine Großeltern Jonteff Kahn [Anmerkung: Großvater mütterlicherseits] und Regina Schwarzschild [Anmerkung: Großmutter väterlicherseits] waren sehr freundlich und taten viel im Verborgenen.
Während des Krieges hatte mein Vater einen sehr großen Überlebensdrang. Daß er unter sehr ungünstigen Bedingungen nach den jüdischen Vorschriften („koscher“) aß, versteht sich von selbst, trotz seiner 44 Jahre [Anmerkung: waren es nicht 49 Jahre? Er ist 1973 geboren!]. Er hatte einen eigenen Willen.
Ich erinnere mich, einen Brief gesehen zu haben von dem neuen Rabbiner Dr. Salomon Bamberger aus Hanau, den er anscheinend befragt hat, unter welchen Umständen es erlaubt ist. Trefe zu essen („Trefe“, nach den jüdischen Speisegesetzen nicht erlaubt). Ein Satz aus dieser Antwort von Dr. Salomon Bamberger bleibt mir sehr in Erinnerung: „Nicht jeder Hunger ist schon eine Lebensgefahr!“ Das vorher erwähnte Erlebnis bezieht sich auf den Einfluß, den die Religiosität des jungen Rabbi Bamberger (der im Krieg verstarb) aus Frankfurt und sein Waffenkamerad auf ihn hatten.
Vor meinen Augen erscheint das Bild meines Vaters, bei Eintritt der Nacht, wie er sehr spät abends da steht und den Raschi [jüdischer Philosoph aus Worms] studiert, einen Kommentar über die fünf Bücher Mose („Chumesh“, Pentateuch) in deutscher Sprache. Seine hebräischen Kenntnisse waren gering, nicht aber sein ganzheitliches Verständnis („Schlemut“). Eine andere typische Sache, an die ich mich erinnere: Bei der Rückkehr von seinen Besuchen bei den Bauern wusch er sich die Hände, vielleicht hatte er ja irgendetwas berührt, das unrein war
An den Feiertagen („Sabatten“) im Sommer hat die Familie Spaziergänge über die Felder gemacht. Die Goldschmidts hatten ein kleines Feld, besser gesagt ein Parzelle Land, die von uns bearbeitet wurden. Ich selbst habe nie Arbeit mit der Erde gemacht. Meiner Mutter gefiel es in diesen besagten Spaziergängen immer den Zustand unserer Felder zu sehen. Vater machte es anders, er ging in der Wochenmitte.
Zur Versammlung der Männer (zum Shil) zu gehen war seine große Leidenschaft, auch wenn es in diesen Fällen unmöglich war, die Mindestzahl der Synagogenbesucher („Minjan“) zu erreichen.
Die Synagoge, die in der Reichskristallnacht zerstört wurde, befand sich in der Nähe unseres Hauses.
Bis weit in die zwanziger Jahre gab es gar keinen Strom, nicht mal zu reden von Heizung. Auch fließendes Wasser wurde erst sehr spät in Hochstadt eingeführt.
Die jüdischen Einwohner von Bischofsheim und Dörnigheim kamen um eine Mindestzahl („Korum“, Quorum) zu bilden, und ab und zu wurden auch fremde, bezahlte Männer angeheuert.
Noch eine Besonderheit über unsere Synagoge: Die Gesetzestafeln (spanisch: „Tablas de la Ley“), die sich schon vor 1918 auf dem Altar („Aaron Hakodesh“) befanden, waren in den Farben schwarz-rot-gold angemalt, die Farben der Weimarer Republik, die 1918 begann. Die Preußen besetzten schon 1866 diesen Teil Deutschlands, die Provinz Hessen, dessen Farben ebenfalls schwarz-rot-gold waren [Anmerkung: Das stimmt nicht ganz, es handelt sich um die Farben der demokratischen Bewegung von 1848, die hessischen Farben sind Rot-Weiß].
Wenn in der Nacht von Freitag auf Samstag niemand kam, haben wir, Papa, Julius und ich, den Shil (im Shil?) alleine gebetet. Papa hat üblicherweise stehend gebetet, einschließlich des ganzen Yom-Kippur-Tages (Versöhnungstag), sogar in den Jahren seiner Krankheit und gegen die Anweisung seines Arztes und des Rabbiners.
Schon in Buenos Aires lebend erfuhr ich durch meine Cousine Jenny, daß in dem alten Haus, das 1913 abgerissen wurde, sich eine Mikwe (jüdisches Ritualbad) befand. Ebenso teilte sie mir mit, daß Papa am Freitag, wenn er die Abrechnung seines Verdienstes in der abgelaufenen Woche machte, durch Jenny den Zehnten (das „Maaser“) zu den armen Leuten schickte. Ich hatte den Eindruck, daß die Mutter aus einer Umgebung kam, die religiöser war als in Hochstadt. Sie war geboren in Oberaltertheim, nahe von Würzburg und nicht sehr weit von Rothenburg ob der Tauber, wo der berühmte Rabbi Medir (Maharam) lebte.
In einer Chronik dieses kleinen Dorfes [Anmerkung: gemeint ist wohl Hochstadt] wird berichtet, daß sich dort eine Mikwe befand und ein Eirun (auch eine jüdische Einrichtung) und daß das Innere der Synagoge sehr ähnlich war einer Synagoge der Sefardim [Anmerkung: Juden aus Spanien bzw. Westeuropa]. Ich konnte aber nicht feststellen, ob früher dort Sefardim lebten.
Meine Mutter hat mir erzählt, daß ihr Vater sie ein Jahr nach Höchberg schickte, ein Ort, der bekannt ist als ein religiöses Zentrum, in ein sehr orthodoxes Haus [besser: in eine sehr strenggläubige Familie]. Dort hat sie gesehen, daß man den Minhag (liturgischer Brauch einer Ortsgemeinde) befolgte – zu dieser Zeit ein in Deutschland unbekannter Brauch, bei dem man ein Stück Teig auf den Schultern trägt in der Nacht vom Seder (jüdisches Fest), wobei man einen Kreis (die Hakafa) um den Tisch herum macht, um zu erinnern aus den Auszug aus Ägypten. Ich selbst habe diesen Minhag zum erstemal in Buenos Aires durch die Hara (?) gesehen.
Wir bekamen unsere Mazzen [Brot für das Pesachfest] von einer Tante von Mutter aus Laudenbach [zwischen Miltenberg und Wörth]. Dort gab es auch noch eine andere Bäckerei, wo man die Mazzen herstellte, die Bäckerei der Schusters, die auch hierherkamen und die unter der Aufsicht des Würzburger Rabbinats standen. Aber Papa kaufte den Schmuro (in Gebäck?) in Frankfurt, zur großen Enttäuschung meiner Mutter.
Es gab aber keinen Streit unter ihnen, daß sie ihre drei Kinder auf die S.R. Hirsch-Realschule in Frankfurt schickten. Der meisten Einwohner [von Hochstadt] schickten ihr Kinder auf die Schulen in Hanau, Nicht-Juden, ohne ein Problem mit dem Sabbat [gemeint ist wohl: Weil sie Nichtjuden waren, hatten sie kein Problem mit dem Sabbat, an dem auf jenen Schulen auch unterrichtet wurde, während die jüdische Schule den Sabbat ausließ].
Sie brachten dieses große Opfer, das sie vor allem in den letzten Jahren sehr zu schätzen wußten in all seiner Tiefe. Ihre wirtschaftliche Lage war nicht so, daß sie sich diesen Luxus erlauben konnten. Außerdem mußten wir [die Kinder] unter der Woche, also von Sonntag bis Freitag, in dem Haus unserer Tante Berta in Frankfurt bleiben.
Es ist bemerkenswert, daß meine Brüder und ich eigentlich nicht zu leiden hatten unter der Tatsache, daß wir aus einem Haus der „Landjuden“ kamen und daß der Vater in einem nicht sehr angesehenen Beruf arbeitete. Im Rückblick gesehen ist es eine Tatsache, wie mir Vater erzählte, daß er mehr im geschlossenen, kleinen Kreis angesehen war als es dann in der IRG (Israelitische Religionsgesellschaft) war. Obwohl wir vom Land kamen und aus einer Umgebung, die nicht von der Höhe war, die in Frankfurt herrschte, war die Erziehung, die wir zu Hause empfangen hatten so, daß sie ohne weiteres die Türen zur Herausgehobenheit (Exklusivität) eines Breuer [sein Schulfreund] öffneten.
Zurück zu Hochstadt: Dort lebten etwa 6 - 7 jüdische Familien, also eine unbedeutende Minderheit in einem Meer von Bauern und praktisch ohne Arbeiter („Proletariat“). Die Beziehungen zu unseren Nachbarn waren sehr herzlich - praktisch der ganze Ort betrachtete sich als Nachbarn, jene mit evangelischer Religion und wir mit jüdischer Religion. In der Mehrzahl der Fälle waren diese Beziehungen über Generationen gut. Sie achteten uns in unserer Art als ehrliche, treue Leute, die der Tora folgten und nur eine andere Religion hatten
Wenn einige Juden am Samstag ihre Geschäfte eröffneten, ist natürlich die Wertschätzung bei den Christen gesunken. Es war einfach so: Je strenger man in der Beachtung der Tora war, desto größere Achtung hatte man.
Noch eine andere Tatsache beeinflußte viel diese Beziehung: Die Familien kannten sich seit mehreren Generationen und hatten nicht nur Umgang durch wirtschaftliche Beziehungen
1.) Vor dem Passahfest gab man ein oder zwei Mazzen an alle nichtjüdischen Freunde und als Gegenleistung schickten die Bauern für jedes Stück Mazzen ein Ei. Mein Bruder und ich waren für die Verteilung verantwortlich.
2.) Bei einer Hochzeit Ehe in einer Familie eines Bauern sandten sie uns Mehl und Eier zu, so daß wir unseren eigene Kuchen zubereiten konnten [Anmerkungen: Wegen der jüdischen Vorschriften für die Zubereitung von Kuchen].
3) Wir hatten zu Hause ein kleines Gefäß, „Trefe“ genannt, das dazu diente, am Freitag unsre Sabbat-Suppe an die Frauen zu senden, die kürzlich ein Kind geboren hatten [Offenbar handelt es sich um ein „unreines“ Gefäß, das man nur zu den nicht-jüdischen Frauen mit nahm, denn um solche handelt es sich offenbar]. Im Allgemeinen haben die Bauern keine Suppe aus frischem Fleisch zubereitet. Sie lebten von geräuchertem Fleisch, das sie in ihrem Hause herstellten. Die Verteilung erfolgte ebenfalls durch uns, meinem Bruder und mich.
(8) Aus Unterhaltungen, die ich mit unseren Nachbarn hatte, konnte ich entnehmen, daß sie uns Juden vor ihren römisch-katholischen Geschwistern vorzogen (die es aber praktisch nicht in Hochstadt gab) .Wir fühlten uns als Teil die Bevölkerung von Hochstadt, aber als etwas anders. Unser Dialekt war dem ihrigen angepaßt, mit dem Unterschied, daß wir ihn mit hebräischen Ausdrücken vermischten. Zum Beispiel: „Shuk“ war die übliche Münze für den Markt, „Rakev“ war die Polizei, „Jiluf“ war der war Schuldschein usw.
Viele Jahre schämte ich mich, den Dialekt verwenden bis zum Alter von 18 - 20 Jahren, als man mir sagte, daß eine hochdeutsche Sprache praktisch nicht existiert und daß die natürliche deutsche Sprache der Dialekt ist in verschiedenen örtlichen Ausprägungen. Von da an war ich glücklich, mich in meinem Dialekt ausdrücken zu können – ähnlich dem von Frankfurt. In den 40iger Jahren machten wir in Buenos Aires ein Treffen von Leuten aus Frankfurt, wo es Pflicht war „Frankfurterisch“ zu sprechen. Diese Liebe zum Dialekt blühte wieder auf bei unseren zwei Besuchen in Frankfurt.
Meine Erinnerungen an meine ersten Jahre sind sehr schwach. Opa Baruch pflegte mir kleine Schokoladen-Kekse mit Perlchen obendrauf zu bringen. Opa starb am Tag Moazei Jonteff, am zweiten Passahtag 1913, an einem Herzinfarkt, ohne die 70 Jahre erreicht zu haben [Anmerkung: Er starb 1912]. Wir lebten in dieser Zeit in einem gemieteten Haus. Das war das zweite Haus, in dem wir lebten, seit meine Eltern geheiratet hatten.
Nach Opas Tod wurde eine Vereinbarung zwischen meinem Vater und seiner Schwester Tante Berta gemacht. Sie verzichtete auf ihren Teil der Erbschaft und erlaubte meinen Eltern, das alte Haus abzureißen und ein neues Haus zu bauen, das bis heute existiert und das im Jahr 1989 von Alfredo besucht wurde. Als Ausgleich gaben meine Eltern meiner Großmutter auf Lebenszeit das Recht, in einem Raum dieses Hauses zu leben und dort verköstigt zu werden. Mir ist nicht klar, ob Julius, Rose und ich, die ja auch in Pension bei unseren Onkeln lebten, Teil dieses Abkommens waren.
(9) Oma Jettchen - überraschenderweise der gleiche Name wie der meiner Mutter - war von schmaler Gestalt und war sehr religiös, obwohl sie keine Perücke trug. An ihren Enkelinnen gefiel ihr, daß niemand mit der letzten Mode ging. Sie kam aus Büdesheim aus einer sehr religiösen Familie mit sehr vielen Kindern. Sie erzählte mir, daß sie zusammen mit ihren Schwestern nur einen einzigen Hut hatte. Zu dieser Zeit war es Pflicht, daß man, wenn man ausgeht, einen Hut tragen muß. Somit war es immer nur einer der Schwestern möglich auszugehen. Als sie etwas über achtzig Jahre alt war, verstarb sie im Januar 1933 und ersparte sich somit eine Menge Kummer.
Im Jahr 1913 kam ich in Hochstadt in die Volksschule. Ich fürchtete den evangelischen Pfarrer Reich [Anmerkung: Er war damals Ortsschulinspektor. Aber vor ihm fürchteten sich alle]. Meine erste Lehrerin war Fräulein Lorey, die sehr liebevoll war. In demselben Jahr trat ich in die (jüdische) Religionsschule in Hochstadt ein. Mein Lehrer war Herr Hammelburger, der mir später den liturgischen Gesang (Jazanut) beibrachte. Dabei benutzte er seinen eigenen Jammergesang (Nigunim). Ich habe ihn später in New York getroffen. Meine Beziehungen zu meinen Schulkameraden in den Schulen waren immer sehr oberflächlich und es bleiben mir eigentlich keine Erinnerungen daran. In Frankfurt war das anders.
Wir verstanden einander sehr gut in der Familie und immer herrschte große Übereinstimmung. Das war aber nicht so in der Familie von Tante Berta. Ich erinnere mich daran, daß Julius und ich mit dem kleinen Kinderwagen mit Rose spazierenfuhren und wir einen Hügel hinunterrannten und Rose auf den Boden kippten. Julius war ein sehr kumpelhafter Typ, aber sehr unterschiedlich zu mir. Er war ein Hübschling, der sehr kontaktfreudig war. Er wußte es zu leben, ohne sich große Sorgen zu machen.
Der Beginn des ersten Weltkriegs - meine erste sichere Erinnerung - fiel genau auf Shabat Tisha-Beav (jährlicher Fastentag am neunten Ab, der in diesem Jahr auf den Sabbat fiel). Zu diesem Zeitpunkt war ich in Urlaub in Laudenbach. Ich war noch nicht einmal acht Jahre alt. Ich war im Hause meiner Tante und meines Onkels. Onkel Nathan Adler und Tante Minna, die Schwester meiner Mutter. Sie war eine ganz herzliche Frau. Sie war eine sehr gute Köchin und Konditorin. Von Ihrem Haus aus hatte man einen wunderbaren Blick auf den Main.
(10) Dort hatte ich auch meinen ersten Kontakt mit dem Katholizismus. Ein paar Schritte von dem Haus befand sich die Kirche, dort konnte ich die Prozessionen beobachten, ich hörte die Gesänge, die ich nicht kannte. Das war alles so geheimnisvoll, daß es Furcht in mir hervorrief, und es war so verschieden von der protestantischen Art von Kirche in Hochstadt.
Laudenbach, eine sehr alte Gemeinde („Kehila“) mit einem alten Friedhof auf einem Hügel, war in vieler Hinsicht anders als Hochstadt. Ich lernte mit dem Lehrer Oppenheimer erst viel später die verschiedenen Möglichkeiten (andere Übersetzung: Ich habe mit dem Lehrer Oppenheimer dort zu mehreren Zeitpunkten dieselben Sachen gelernt). Es gab zweimal Gottesdienst („Minjan“) an einem Tag. Im Sommer nahm man die Pakete für den zweiten Tag des Seudat (Festmahl)(„Seudat Schlischi“) mit zu einer der Bier-Wirtschaften, die am Ufer des Flusses Main waren, um zu essen und Bier zu trinken.
Am Sabbat nach dem Gottesdienst (Shil) holte jeder von der Bäckerei sein Gebäck („Cholent“, an sich ein Eintopf mit Lammfleisch und Gemüse) ab, das natürlich sehr lecker war. Am Kiddush-Fest (bei dem ein Segen über einem Becher gesprochen wird) nahm man für die Nacht zwei Zöpfe, aber für den Morgen nur einen Zopf und ein spezielles Weißbrot in Form eines Zeppelins. Es wurden auch Mazzen zubereitet.
Im Jahre 1916 trat ich nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung in die Hirsch-Realschule ein. Auch Michael Grünebaum trat ein, später mein nächster Freund. Er starb in sehr frühem Alter in New York. Davon habe ich gehandelt in der CD über Breuer in Frankfurt. Er ist der Gleiche wie der spätere Breuer aus New York, immer wie Gabe [Eigenname?]. Auf seine Anregung hin wurde der eigene Friedhof von Breuer in New York geschaffen. Er war der Erste, der dort begraben wurde.
Doch nun zurück zum ersten Jahr in der Schule in Frankfurt: In ganz Deutschland wird „Shem Hamforah“ mit „Ewiger“ übersetzt. Aber entsprechend der Tradition (Meinung?) von Hirsch sollte es „Gott“ oder „Hashem“ heißen. Michael begreift es nicht sofort und übersetzt immer mit „Ewiger“, worauf der Lehrer Kaufmann bemerkt: „Hör doch endlich auf du EWIGER aus Brückenau". Er wollte damit sagen: „Hör auf dieses Wort zu wiederholen, du „Ewiger“ aus Brückenau“, Das war der Ort, aus dem er natürlich stammte.
Die ersten Jahre waren ziemlich schwierig für mich, besonders im Fach Hebräisch. Diese Situation ändert sich in den zwei letzten Jahren, als ich Freunde bekam. Später habe ich auch meine Freunde aus Hochstadt eingeladen. Ich war schon ein Jugendlicher. In späteren Jahren dehnte Rose die Einladung aus auf ihre Freundinnen. Sie hat sich mit sehr viel mehr Sicherheit entwickelt als ich. Im Jahre 1915 operierten sie mich in Frankfurt wegen einer Ohrenentzündung, die ziemlich schmerzhaft war.
(11) Vater und Herr Stern, der gegenüber wohnte, waren sehr, sehr gegensätzlich [Anmerkung: Jesel Stern, Hauptstraße 31, mit Sohn Albert, geboren 1895, und Tochter Hedwig]. Ich weiß zwar nicht seit wann und warum, die Familien hatten eigentlich sehr enge Beziehungen. Das hat Vater und Herrn Stern aber nicht gehindert, zusammen einen Lastwagen zu mieten, um die in Fulda und in anderen Orten gekauften Tiere nach Hochstadt zu verfrachten. Berühmt war, was geschah im Lastwagen vom Bahnhof Hochstadt zum Haus: Jeder nahm die Zügel seiner Tiere und jeder wollte den anderen warnen, daß etwas mit dem Tieren nicht in Ordnung sei. Dann sagte er: „Wenn die holländische Kuh meine wäre, würde ich dies oder das machen!“ Der direkte Kontakt war komplett ausgeschlossen.
Im Grunde war Papa sehr zurückhaltend gegenüber Juden NO-DATI [nichtreligiöse Juden?], mit Ausnahme gegenüber Albert Stern (dem Sohn), der in Berlin eine gute Stellung hatte und der Vater das Geld (Silber?) gespendet hatte, das notwendig war für den Gottesdienst (Shil). Hedwig, die Tochter, heiratete in Höchst im Odenwald. Ich besuchte sie an einem Sabbat. Sie kam öfters zu uns ins Haus und wir gingen ab zu in ihr Haus, wo wir die Leckereien der Küche von Frau Stern genossen.
In den 20iger Jahren erkrankte Herr Stern an Krebs und konnte nicht mehr sprechen. Während dieser Monate der Krankheit und dann später bei seinem Tod gibt, hielt ich die Totenklage (Kiddush) für sie und aß bei ihnen. Herr Stern starb in einer Nacht zum Sabbat. Sie riefen mich, und es war das erste Mal, daß ich den Tod eines Menschen miterlebte. Ich sagte nur die Shemot. Am folgenden Morgen kam der christliche Arzt aus Bischofsheim, weil es in Hochstadt keinen eigenen Arzt gab. Er fragte mich, ob er, wenn ich wollte, die den Verstorbenen in eine normale Lage bringen sollte, weil „Sie das nicht am Sabbat machen dürfen“. Ich habe sein Angebot angenommen.
In Hochstadt lebte eine Tante meines Vaters mit Namen Hannchen zusammen mit zwei Töchtern, alten Jungfern. Sie lebten vom Einsammeln von Milch aus Hochstadt, die dann an die Gemeinde (Kehila) in Hanau geliefert wurde (vielleicht besser: die sie nach Hanau brachten). Beim Melken am Pesachfest mußten sich die Bauern die Hände erst waschen und sich neue weiße Schürzen umbinden. Mehrere Jahre feierte ich Seder [jüdisches Fest, Abend vor dem Pesach] im Haus dieser Tante. Tante Hannchen trug ihr Schicksal mit Fassung – nicht einfach!
Ein anderer unserer Verwandten war Jessel, Bruder meines Großvaters Baruch Goldschmidt, der mit seinem Sohn in Bischofsheim lebte. Wir sahen uns jeden Sabbat beim Shil. Er und noch mehr sein Sohn waren ziemlich komische Leute. Die Beziehungen zu ihnen waren fast null.
Um auf Frankfurt zurückzukommen: Mit dem Eintritt in die S. R. Hirsch-Schule begann ein neue Abschnitt in meinem Leben. Aus mehreren Gründen: Ab Sonntag (wir hatten am Sonntag Unterricht!) bis Freitag lebte ich im Haus des Onkels Bernard (er starb etwa 1917) und Tante Berta. Sie haben am 1. Januar 1900 geheiratet. Es war eine Liebesheirat, im Gegensatz zu meinen Eltern, die „gechadchent“ waren [von den Eltern zusammengeführt]
Sie hatten eine koschere Metzgerei ohne Hasgocho (eine Speise, die ähnliche wie koschere Speisen zubereitet war), aber sie genossen das Vertrauen der polnischen Juden, einschließlich der sehr strenggläubigen Juden. Das Geschäft war nach der Straße zu. Im ersten Stock war „die gute Stube“ und das Eßzimmer und die Küche - aber beide sehr dunkel - und die große Neuigkeit für mich: das WC mit „Wasserspülung“ außerhalb der Wohnung auf dem Treppenabsatz. Oft mußte ich Wache halten vor der Tür dieses WC, wenn Erna drin war. Im ersten Stock neben der „Guten Stube“ ging eine Wendeltreppe zu den Schlafzimmern zum zweiten Stock hoch
In den letzten Jahren des Krieges 1917/1918 wurde das Essen immer weniger. Morgens gab es Kohlsuppe ohne Brot, die nicht lange anhielt. Die zwei Brötchen waren ganz häßlich, mit Marmelade, noch schlimmer. Ich hatte es nach den ersten zwei Wohnblocks von zu Hause aus schon gegessen und danach hatte ich 13 oder 14 Stunden Hunger.
Onkel und Tante gehörten zum „Börneplatz“ [Anmerkung: gemeint ist die Synagoge am Börneplatz]. Ich erinnere mich noch an den Rabbiner Nobel und später an Rabbi Hoffmann (später Rabbi in New York) und im Gesprächskreis (Gottesdienst, Shil) von Jessel Rosenblatt, J. B. Levi, der mir später die Sidra (Wochenabschnitt der Tora) beibrachte und der mich überraschte, wie wenig er über die fünf Bücher Mose (Chumesch) wußte. Alle meine Cousins und Cousinen gingen auch zur Hirschschule.
Familie Straus, Hauptstraße 41
Der Familienname kommt häufig vor in Dörnigheim und vor allem auch in Wachenbuchen. Von dort sind wahrscheinlich auch einige Frauen, die nach Hochstadt heiraten. Der Stammvater der Hochstädter Familie Straus ist Samuel Straus aus Wachenbuchen, Sohn von Rös Straus. Nach 1840 wird er als Beisasse aufgenommen (laut Stadtarchiv 1842). Er ist zweimal verheiratet: Im Jahre 1843 heiratet er Karoline (Gele) Goldschmidt, die Tochter Baruch Goldschmidts. Und 1852 heiratet er Janette Schönfeld aus Vilbel, die beiden Kinder sterben aber klein.
Der Sohn aus erster Ehe, Jesel Straus, heiratet 1874 in erster Ehe Bettchen Goldschmidt, eine Enkelin Baruch Goldschmidts, also seine Cousine. Ihre Grabsteine sind auf dem jüdischen Friedhof in Hanau vorhanden. Sie haben nur einen totgeborenen Sohn. Im Jahre 1879 heiratet er die jüngere Schwester seiner ersten Frau, Hannchen geborene Goldschmidt.
Hannchen Straus hat einen Stoffhandel und geht mit den Stoffballen zu den Bauern. Eine Tochter stirbt schon als Kleinkind. Die Töchter Lina und Bertha haben einen Milchhandel und haben bei Weckmanns in der Lutherstraße 11 zwei Kühe stehen. Die koschere Milch bringen sie dann jeden Tag mit der Bahn nach Hanau zu jüdischen Familien. Am 11. Mai 1939 ziehen sie nach Frankfurt. Dort stirbt Bertha am 30. Dezember 1940.
Die Familie lebt in einem kleinen Haus neben der Synagoge, das heute nicht mehr existiert (folglich auch nicht mehr die Hausnummer). Das einstöckige Haus stand bis an den Wehrgang, links war ein kleiner Schuppen und davor noch der Kuhstall. Die Familie war unter dem Namen „Heister“ bekannt.
Theodor Ausäderer, Hauptstraße 43
Die Familie Ausäderer taucht auch in den Kirchenbüchern auf, weil Theodor Ausäderer später evangelisch heiratet. Die Familie könnte aus Polen stammen, denn Anete Ausäderer aus Rio de Janeiro konnte mitteilen, daß ihre Familie zu Ende der dreißiger Jahre mit einem Schiff nach Südamerika ausgewandert, aber die Familie käme ursprünglich aus Gliwitze (Gleiwitz). Auch nach Aussage von Frau Danziger sind die Wurzeln ihrer Familie in Fraustadt (Posen) zu suchen. Dort gibt es den Namen noch mehrfach. Der Name „Ausäderer“ soll nach jüdischem Brauch eine Berufsbezeichnung in Anlehnung an koschere Metzger entstanden sein: Von „ausadern“, einer speziellen Methode der Fleischzubereitung; dies ist aber nicht stichhaltig belegt.
Die Familie stammt ab von David Ausäderer und Bertha geborene Wandesbeide, die zuletzt in Bischofsheim wohnte. Der Sohn Isidor Max Ausäderer heiratet 1894 Elisabeth Appel („Betchen“) aus Hochstadt. (geboren am 07.09.1865). Er stammt aus Lissa in Posen, heute Lesno, auch „Fraustadt“ genannt. Er ist öfters unvermutet für einige Monate verschwunden. Man glaubt, daß er zu dieser Zeit sich in Berlin aufgehalten hat.
Bettchen Appels Eltern sind der Handelsmann Herz Appel (1836 bis 1908) und Breinle (Bertha) Stern (geboren 1835 in Bischofsheim, gestorben.1912 in Hochstadt). Die Eheleute sind Beisassen (Bürger zweiter Klasse) und wohnen im Jahre 1875 Bogenstraße 1 und im Jahre 1886 Bogenstraße 6. Die Eltern von Herz Appel sind der Handelsmann Benjamin Appel, verheiratet 1825 mit Bette Kaiser aus Fritzlar und Tochter des Manasse Kaiser, Doktor der Schrift. Die Eheleute sind Schutzjuden (Bürger dritter Klasse). Der Vater Benjamin Appels ist Nathan Appel, seine Frau ist eine geborene Keiser.
Die Eheleute Isidor Ausäderer und Bettchen geborene Appel sind Schneider. Zunächst ziehen sie zu der Frau in die Bogenstraße 6, im Jahre 1906 sind sie dann in dem Haus Am Felsenkeller 11, im Jahre 1923 Hanauer Straße 26. Sie haben drei Kinder:
Der Sohn „Benjamin“ ist unehelich und stirbt 1886 bald nach der Geburt.
Der Sohn Theodor, geboren 1895 bleibt in Hochstadt.
Die Tochter Paula, geboren 1896, ist in Frankfurt verheiratet und stirbt dort 1961.
Die Tochter Jenny, geboren 1906, heiratet 1929 in Weißensee/Thüringen.
Bettchen Ausäderer stirbt am 28. November 1923. Das Grab ist auf dem Friedhof Hanau (12/34/13:
Die Inschrift auf ihrem Grabstein auf dem Hanauer jüdischen Friedhof ist zunächst hebräisch, ohne Vorname und Todesdatum. Im deutschen Text ist der Name Bettchen Ausäderer und das Todesdatum angegeben. Der Text lautet: „Bettchen (Bela), Ehefrau des Damenschneiders Isidor Ausäderer - Tochter der Breinle - Ausäderer, Tochter von Herz Appel II. und Bertha geborene Stern, aus Hochstadt, geboren am 07.09.1865 in Hochstadt und dort gestorben am 28.11.1923“ (Anmerkung: Der hebräische Text ist wie folgt zu lesen: „Bela - Tochter der Breinle - Ausäderer“. Die Angabe über Ausäderer ist nur eingeschoben, denn sie ist eine Tochter der „Breinle Stern“. Die Angabe ihrer Eltern steht nicht auf dem Grabstein, sondern ist aus anderen Quellen).
Theodor Ausäderer wird am 14. Februar 1895 geboren und ist Lohnbuchhalter. Vier Wochen vor der Hochzeit mit seiner Frau, die eine geborene Fischer ist, läßt er sich in Hanau taufen und gehört nicht mehr zur jüdischen Gemeinde. Die Eheschließung ist am 2. März 1918 in Hochstadt, die Trauung am 4. März 1918 in der Marienkirche Hanau durch Pfarrer Göbels. Der Eintrag in Hochstadt lautet: „Theodor Ausäderer, Kaufmann, Sohn des Schneiders Isidor Max Ausäderer und dessen Ehefrau Bettchen geborene Appel, beide Juden, geboren am 14. Februar 1895 in Hochstadt, getauft am 23. Februar 1918 in Hanau, verheiratet mit Margarethe Marie Fischer, uneheliche Tochter der ledigen verstorbenen Marie Fischer, geboren am 18. März 1898 in Hochstadt, evangelisch“.
Margarethe Fischer ist aus der Rohrbachstraße 4. Die Familie wohnt dann in der Bischofsheimer Straße 4, Am Felsenkeller 11, Hauptstraße 45 und Am Felsenkeller 12 und schließlich Jägerstraße 1.
Die Eheleute haben fünf Kinder:
Theodor Ausäderer wird 1932 wegen seiner jüdischen Herkunft an seinem Arbeitsplatz entlassen
Vom 23.11.1938 bis 04.12.1938 kam er ins Konzentrationslager. Für die Nazis spielt der Übertritt zur Kirche keine Rolle, weil für sie die Abstammung entscheidend ist. Er wurde aber wieder freigelassen, weil er Teilnehmer am Ersten Weltkrieg war und dabei auch verletzt wurde.
Im Juli 1939 wird die Zwangsräumung aus dem Haus in der Jägerstraße angedroht. Am 30. Juli 1939 schreibt Margarete Ausäderer einen Bittbrief an den Bürgermeister: „Herrn Bürgermeister Stein! Bezugnehmend auf das Räumungsurteil, welches gegen meine Familie ausgesprochen ist, möchte ich Ihnen folgendes mitteilen: Wie Ihnen ja bekannt sein dürfte, ist es mir gänzlich unmöglich, anderweitig eine andere Wohnung zu finden. So bin ich in meiner größten Not zur Kreisleitung gegangen, um mir dort Rat zu holen. Mir wurde gesagt, daß nach dem neuen Mietgesetz kein Grund zur Räumung der Wohnung sei, da ja, obwohl mein Mann Jude ist, fünf Abkömmlinge vorhanden sind, welche vorläufige Reichsbürger sind. Ich sollte aber trotzdem der Gemeinde den Vorschlag machen, die Wohnung mir selbst oder meiner volljährigen Tochter zu vermieten, um allen Wühlereien aus dem Wege zu gehen. Ich bin ja zu jeder Zeit bereit, die Wohnung zu räumen. Da wäre es doch die soziale Pflicht der Gemeinde, mir anderweitig für eine solche zu sorgen und für den Umzug Sorge zu tragen, da ich ja gänzlich mittellos bin. Und eine achtköpfige Familie kann und darf in unserer Zeit nicht auf der Straße wohnen, sagte mir Herr Erbe in Hanau. In Frankfurt ist......, so daß auch dort der Zuzug unmöglich ist. Ich wäre gern zur persönlichen Aussprache gekommen. Es geht aber tatsächlich über meine Kraft, was ich in all den Jahren an Sorgen und Aufregungen hinter mir habe. So ist nun morgen der Termin zur Räumung und ich möchte sie hiermit höflichst bitten, denselben doch auszusetzen. Was die Zahlung der Miete betrifft, so werde ich Sorge tragen, daß sie jeden Monat entrichtet wird. Mit deutschem Gruß Frau Marg. Ausäderer.“
Am 14.02.1945 wurde Theodor Ausäderer erneut abgeholt: Jetzt wurden auch die Männer aus sogenannten „Mischehen“ abgeholt. Der Bischofsheimer Polizist teilte es am Vortag Theodor Ausäderer mit. Seine Tochter bat bei zuverlässigen Bauern um Lebensmittel und erhielt sie auch von fünf Leuten. Am 14. Februar 1945 wurde Theodor Ausäderer abgeholt, zunächst eine Woche in Hanau festgehalten und schließlich zur Großmarkthalle nach Frankfurt gebracht, wo ein Sammeltransport nach Theresienstadt zusammengestellt wurde. Während dieser Zeit kämpfte sein Sohn in Rußland.
Theodor Ausäderer und seine Schwester Paula Viel kommen aber nicht mit dem großen Transport von der Frankfurter Großmarkthalle am 18. Februar in Theresienstadt an, sondern wurden bereits einen Tag vorher im Ghetto registriert. Theodor Ausäderer übersteht aber das Konzentrationslager, weil ein Aufseher den Bau von Tötungsanlagen sabotiert und weil die Russen gezielt auf Theresienstadt vorstoßen, um die Gefangenen zu befreien. Am 5. Mai wurden sie von der sowjetischen Armee befreit. Theodor Ausäderer muß noch bis September bleiben, weil die Gefangenen erst aufgepäppelt werden sollen. Insgesamt war er dreimal inhaftiert.
In Hochstadt erhält er 40 Reichsmark Rückkehrerhilfe von der Gemeinde, die auch das Haus für 3.000 Reichsmark instandsetzen läßt. Die Familie hat an sich in der Jägerstraße gewohnt, wird aber 1940 zwangsweise wegen ihrer jüdischen Abstammung in das Haus auf dem Synagogengrundstück eingewiesen. Nach dem Krieg geht es in den Besitz der jüdischen Organisation IRSO mit Sitz in Nürnberg über, die das ganze Grundstück samt Garten vor der Mauer 1951 an die Familie Ausäderer verkauft. In dem Haus wohnte dann eine Tochter, Frau Margarethe Danziger.
Aus eigener Erfahrung und Gesprächen mit anderen möchte ich ergänzen: Obwohl Theodor Ausäderer und seine Familie nichts mehr mit dem Judentum zu tun haben wollten, wußte die andere Bevölkerung dennoch, daß es etwas Besonderes mit dieser Familie war. Das wurde noch verstärkt, nachdem Ausäderer verschleppt worden war. Er kehrte zum Glück zurück. Aber irgendwie wollte man über den Fall nicht reden. Man hatte ein schlechtes Gewissen. Aber man begegnete dem Mann nicht unvoreingenommen. Es umgab ihn immer eine gewisse „Aura“, da war etwas, über das man mit ihm nicht reden konnte oder wollte. Das wird auch bestätigt von jungen Fußballern, die er im Rahmen des Vereins trainierte.
Familie Duch, Klosterhofstraße 8
Als eine Eigentümerin des Hauses Klosterhofstraße 8 wird Johanna Duch angegeben. Das Haus wurde erbaut von ihrem Mann, der Architekt war und das Haus im „ländlichen Stil“ entwarf. Das Haus ist also nicht alt und schon gar nicht wegen seines alten Kellers der Standort des „Klosterhofs“, wie der spätere Eigentümer Schilling meinte. Weil er Jude war, ging Duch in den dreißiger Jahren in die USA. Das Haus wurde in den fünfziger Jahren verkauft. Der Mieter Streibhardt konnten aber die geforderten 10.000 Mark nicht aufbringen und kaufte für 5.400 Mark das Haus in der Ritterstraße 9.
In Wachenbuchen wohnten bis zum Ende des 17. Jahrhunderts keine Juden. Laut Zimmermann waren 1702 zwei Familien dort mit zusammen 13 Personen, im Jahre 1726 waren es drei Familien, welche zusammen 10 Gulden Statutengeld bezahlten.
Im Jahre 1776 wird Isaak Hertz als Schutzjude aufgenommen (zwei dicke Aktenstücke im Staatsarchiv Marburg) (Es könnte sich um Isaak Reinhard handeln). Im Jahre 1797 wird Salomo Schlomme, Sohn des Jessel, als Ortsbürger aufgenommen.
Die Gemeinde Wachenbuchen beschwert sich 1790 darüber, daß zu viele Juden Schutzbriefe erhielten, wo sie doch alle zur Miete wohnen, starke Familien sind und kein Einkommen („Brot“) haben. Sie treiben nur Viehhandel, fallen aber oft der Gemeinde zur Last.
In den neueren Büchern der Gemeinde Wachenbuchen treten die Juden erstmals 1812 in Erscheinung: Der Jude Samuel aus Windecken hat für ein Darlehen von 100 Gulden Zinsen von 18 Gulden verlangt. Die Witwe Koch aus Wachenbuchen hat das Kapital zurückgezahlt und unter Zeugen auch 20 Gulden Zinsen. Die Witwe Koch bittet den „Präfekten“ von Hanau, sie gegen neuerliche Forderungen des Juden zu schützen (Staatsarchiv Marburg).
Judentabelle des Amtes Bücherthal von 1820 Wachenbuchen:
Vollständige Tabelle unter „Maintal Judentabelle“. Leider sind immer nur die Vornamen angegeben, so daß die Zuordnung
zu einer Familie unsicher ist. Folgende Zuordnung ist wahrscheinlich: Mit „Süßel“ ist vielleicht die Familie Süßel Strauß l Kirchhofstraße 11, gemeint, dessen Frau eine geborene Strauß war. Es folgen
die Familien Abraham Reinhard und Hebe Gumpel, Salomon Strauß und Sarchen (wahrscheinlich identisch mit Salomo aus Wachenbuchen, Sohn des Jessel, Staatsarchiv Marburg, 181. Judenschaftliche Sachen,
XI b Amt Bücherthal, Nr. 15), das Ehepaar Jakob Jessel und Fend könnten die Eltern von Ansel Straus sein, geboren 1800 und später verheiratet mit Fanni Kahn, zumal Ansel als „Schutzjude“ bezeichnet
wird), Salomon Süßel Strauß und Mariane geborene Wolf, .Jakob Schönfeld und Malchen geborene Schönfeld, zur Familie 6 paßt nur Braunle = Praunelle, geboren etwa 1795,
Herz Abraham und Hendle, die beiden letzen Personen können nicht identifiziert werden.
Nr. |
Familienoberhaupt (Alter) |
Ehefrau und Herkunftsort |
Söhne |
Töchter
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Summ |
Landesherrl. Schutz |
Schutzgeld |
Vermögen |
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Nicht zu identifizieren ist die Familie „Hertz“. Den Namen gibt es später nicht mehr in Wachenbuchen:: Abraham Hertz, geboren 1742 (Schutz 1769), Isaak Hertz, geboren 1758 Schutz 1776) und Jacob Hertz, geboren 1759 (Schutz 1776) |
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Süßel (57)
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Löb Bischofsheim |
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1796 |
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1 |
Abraham Isaak (36) |
Hebe (39) Fechenheim |
Isaak (6) Ganbel (1) |
Jette (5) Hendle (4) Süß (2) |
7 |
29.09. 1815 |
20 |
300 |
|
2 |
Salomo Jessel (60) (Salomon*) |
Sara (44) Dörnigheim |
Isaak (15) |
Bessel (19) Madel (12) Esther (10) |
6 |
09.09. 1797 |
20 |
200 |
|
3 |
Jakob Jessel (57) |
Fend (48)(Jendel) Marköbel |
Amschel (21) |
- |
3 |
19.06. 1800 |
20 |
500 |
|
4 |
Salomo Süßel (28) |
Mariane (29) (Beile) Wolf |
Jessel (3) Herz (1 und Monate) David (neun Monate) |
(Magd) |
7 |
14.11. 1817 |
20 |
600 |
|
5 |
- |
Moule (36), Jakob Abrahams Witwe aus Dörnigheim |
Jakob (6) |
Bien (3) |
3 |
26.08. 1815 |
- |
- |
|
6 |
Süßel Jessel (66) |
- |
Jessel (23) David (19) Schmul (3) Meyer (13) Abraham (Söhne unehelich |
Reis (32) Brannle (25)
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27.11. 1786 |
10 |
200
|
|
7 |
Herz Abraham (40) |
Hendle (38) Rothenbergen |
Jakob (8) Salomon (6) Isaak (5) Abraham (4) Ron (3) |
(Knecht) |
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29.12. 1809 oder 1810 |
20 |
300 |
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8 |
Meyer Samuel (66), (Mayer*), Somborn
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- |
- |
1 |
1795 oder 1796) |
- |
arm |
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9 |
Jakob Abraham * |
Hanna |
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1 |
1815 erwähnt |
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Das Jahr, mit dem der landesherrliche „Schutz“ beginnt, muß nicht das Jahr des Zuzugs sein. Für die Richtigkeit der Wiedergabe der Namen kann keine Garantie übernommen werden
Im Jahre 1835 gibt es 39 jüdische Einwohner. Sie können seit 1833 auch Ortsbürger werden, wenn sie ein entsprechendes Einkommen nachweisen. Die Zahl der Juden in Wachenbuchen nimmt zu. Aber das muß nicht unbedingt mit der Toleranz der örtlichen Behörden zusammenhängen, sondern man erhofft sich auch wirtschaftliche Vorteile von der Ansiedlung der Juden. Die fangen nämlich Handel und Wandel an, treiben Viehhandel, Metzgerei, Textil- und Kolonialwarenhandel. Sie passen sich den gegebenen örtlichen Möglichkeiten an, bekommen das Wahlrecht und leisten in den Vereinen eine gute Arbeit. Es gibt auch eine jüdische Männerkrankenkasse und einen Frauenverein in Wachenbuchen.
Für das Jahr 1835 wird die Existenz eines jüdischen Friedhofs angegeben. So steht es in einem kirchlichen Handbuch und wird aus diesem immer wieder abgeschrieben. Doch niemand weiß mehr, wo der Friedhof gewesen sein soll. Im Zusammenhang mit der Neueinteilung der Gemarkung bitten die Juden am 20. Januar 1905 um ein Stück Ackerland für die Anlage eines Totenhofs. Die Gemeinde sieht sich aber nicht in der Lage, ein Stück Land abzutreten. Wenn die Pläne vorliegen, soll aber noch einmal über diesen Antrag verhandelt werden. Doch am 23. Juli 1906 wird der Antrag erneut abgelehnt, weil er nicht rechtzeitig vor dem Termin im Mai 1905 gestellt wurde. Im Jahre 1910 beantragen die Juden wieder einen eigenen Totenhof. Es wird ihnen vorgeschlagen, doch ein Grundstück zu kaufen und dann einen Antrag zu stellen. Doch es wird ihnen wohl niemand etwas verkauft haben. Die Wachenbucher Juden werden weiterhin in Hanau beerdigt.
Wachenbuchen ist der einzige Stadtteil, in dem auf der Gedenktafel für die Toten des ersten Weltkriegs auch die Juden aufgeführt sind. Sie ist heute rechts neben der Kirchentür am Kirchturm angebracht und nennt:
1. Daniel Strauß: Er ist geboren am 27. Februar 1890, war Bankbeamter und wohnte in dem Haus Rübenberg 3. Er ist gefallen im Alter von 25 Jahren am 31. August 1915 bei Podjeiziarki in Rußland.
2. Joseph Schönfeld: Er ist geboren am 14. Oktober 1881 und stammt aus dem Haus Alt Wachenbuchen 37. Er ist gestorben im Alter von 37 Jahren am 14. Juli 1918 im Reservelazarett in Northeim (bei Hannover). Er und ist auf dem jüdischen Friedhof in Hanau beerdigt (auf dem Grabstein steht als Sterbeort ‚Nordheim’).
3. Siegfried Strauß: Er ist geboren am 24. September 1894 und stammt aus dem Haus Hainstraße 17. Gestorben ist er im Alter von 24 Jahren am 28. Dezember 1918, also schon nach dem Krieg, aber offenbar an Kriegsfolgen.
Die Kleine Hainstraße ist so etwas wie eine Art „Judengasse“ gewesen. Aber es ist mehr ein Zufall, daß sich die Juden außerhalb der Ringmauer in einer Straße ansiedelten. Grund dürfte sein, daß sich hier die Synagoge und die jüdische Schule befinden. Jedenfalls handelt es sich hier nicht um ein Ghetto, denn Ghettos gibt es (schon seit dem Mittelalter) nur in den großen Städten.
Die Straße hieß auch ursprünglich „Judengasse“. Aber im Jahre 1922 kommt der Jude Aron Reinhardt (geboren 1874, Sohn des Abraham Reinhardt, aus Amerika zu Besuch nach Wachenbuchen und will 15.000 Mark für die Ortsarmen und auch 10.000 Mark für die Beschaffung von neuen Glocken spenden, wenn die Straße in „Reinhardtstraße“ umbenannt wird. Der Gemeindevorstand stimmt zu, aber Reinhardt soll auch noch die Kosten der Umschreibung übernehmen. Die Spende beläuft sich dann am 24. August 1923 wegen der Inflation auf 40 Millionen Mark für Ortsarme und 500.000 Mark für die Umbenennung von Ortsstraßen. Leider hat die Stadt meinen Vorschlag abgelehnt, unter das Straßenschild „Kleine Hainstraße“ ein weiteres Schild „Reinhardstraße“ zu hängen, denn immerhin hat die Familie einmal für die Straßenumbenennung gezahlt.
Die Juden werden oftmals angefeindet, weil sie den Viehhandel in der Hand haben und angeblich die Bauern übervorteilen. Eine als Konkurrenz gegründete Viehverwertungsgenossenschaft kann aber auch keine Wunder vollbringen.
Im Jahre 1925 sind es 108 jüdische Einwohner in Wachenbuchen. In den Jahren 1932 und 1933 gehören 84 Menschen zur jüdischen Gemeinde, eine beträchtliche Minderheit in dem damals 1.616 Einwohner zählenden Ort. Zwei Juden sitzen in der Gemeindevertretung. Bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 gibt es in Wachenbuchen nur noch 13 Juden.
Eine Synagoge (ein jüdisches Bethaus) gibt es seit 1852 in Wachenbuchen. Seitdem ist die Gemeinde auch unabhängig von Hochstadt. Die heute noch erhaltene Synagoge an der Ecke Alt Wachenbuchen/Hainstraße wird 1880 erbaut (Hausnummer Alt Wachenbuchen 34). Sie ist ein Bruchsteinbau und bietet Sitzplätze für 50 Männer und 28 Frauen. Der Aufgang zum ersten Stock ging außen nach oben (an der Seite nach der Hainstraße zu).
Die Israelitische Gemeinde plante 1910 eine bedeutende Erweiterung. Das zeigt eine mehr als 100 Jahre alte Zeichnung der Synagoge Wachenbuchen. Das etwa 60 mal 60 Zentimeter große Pergamentstück befand sich in einer Bauakte und war - zu einer unscheinbaren Größe zusammengefaltet - bisher nicht aufgefallen.
Aus anderer Quelle ergibt sich, daß die Synagogengemeinde Wachenbuchen im Jahre 1910 vorhatte, das Gebäude an der Hauptstraße (heute Alt Wachenbuchen) zu erweitern, um mehr Plätze für die Gemeindemitglieder zu schaffen. Der damals angefertigte Plan zeigt eine wesentlich mächtigere Dachkonstruktion des Gebäudes als zuvor, mit einer kleinen Haube als Abschluß. Allerdings wurde die Erweiterung aus noch unbekannten Gründen nicht umgesetzt. So blieb es bei den heute sichtbaren Proportionen des Bauwerks. Mit Hilfe der fotografischen Abteilung des Staatsarchivs in Darmstadt konnte die Bauzeichnung nunmehr digitalisiert und dem Stadtarchiv in zeitgemäßer Form übergeben werden.
Die Hochzeiten finden zunächst wohl nur in der Synagoge in Hochstadt satt. Die Eheleute Joseph Appel und Bienchen Schönfeld zum Beispiel werden aber 1837 in Wachenbuchen getraut. Das Heiratsregister der Synagogengemeinde Wachenbuchen beginnt 1825. Aber ein Teil der Paare kommt auch im Register von Hochstadt vor. Das zeigt, daß beide Gemeinden den gleichen Geistlichen hatten. Wenn eine Hochzeit nur in Wachenbuchen eingetragen ist, kann man annehmen, daß sie in Wachenbuchen stattfand, in einem Privathaus oder im Rathaus in Wachenbuchen.
Die Schule wird 1870 von 20 Schülern besucht. Sie steht neben der Synagoge in der Straße Alt-Wachenbuchen 36. In dem Haus befand sich auch eine „Mikwe“, ein Bad für rituelle Waschungen. Im Oberstockwerk wohnte der Lehrer. Im Mai 1930 bittet die jüdische Gemeinde um einen Zuschuß zu den Schulunterhaltungskosten. Im Juli werden jährlich 200 Mark Zuschuß gewährt. Diese Grundschule für jüdische Kinder besteht bis 1933. Seitdem ist das Gebäude nur noch Religionsschule, der Lehrer ist nur noch Gemeindeleiter. Nach dem Pogrom wird das Haus innerhalb von zehn Tagen total abgerissen und später eine Durchfahrt zu der Straße Alt Wachenbuchen geschaffen.
Gemeindeälteste:
Jesel (?) Strauß 1846
Issak Straus 1851 bis 1875
Vorsänger und Lehrer Birk 1869 bis 1874
Vorsänger Heinrich Rothschild (?) 1875
Abraham Reinhard 1879
Leopold Strauß (?) 1894
Lehrer David Werthan 1913
Lehrer Leo Sonneberg 1921.
Nazizeit:
Auslandsaufenthalte von Juden wurden mißtrauisch beobachtet, nach Möglichkeit wird gar kein Reisepaß ausgegeben (aus geschäftlichen Gründen ließ es sich manchmal nicht vermeiden). Der Bürgermeister teilt am 23. Juni 1934 dem Landrat mit, daß nur David Stern (in Palästina) und Ludwig Strauß (in Antwerpen) im Ausland waren. Eine Vermutung wegen staatsfeindlicher Propaganda besteht bei diesen Personen nicht. Es wird aber vermutet, daß die Juden im Ausland über die Verhältnisse in Deutschland gesprochen haben. Am 8. Juni 1934 wird der Reisepaß des Lehrers Sonneberg eingezogen. Für Auslandsreisen braucht man jetzt eine Dringlichkeitsbescheinigung. Der Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses für Arthur Strauß für eine Reise nach Holland wird am 26. Mai 1937 abgelehnt. Erst später werden wieder Pässe für eine Auswanderung ausgestellt. Adolf Strauß und Frau Helene bestätigen 1938 den Erhalt von Reisepässen.
Der Bürgermeister meldet am 15. Dezember 1936: Im letzten halben Jahr sind keine Juden ausgewandert, lediglich ein Jude ist nach Pirmasens gezogen. Die Liste der Juden im Ort ist angelegt und wird auf dem Laufenden gehalten. Bei Abwanderung wird unverzüglich Mitteilung an den Landrat gemacht.
In der Nazizeit kommt es zur Vertreibung und Ermordung der Juden. Die Zugehörigkeit zu den Nazis und ein gewisser Antisemitismus gelten in dieser Zeit nicht als ehrenrührig. So lassen sich zum Beispiel zum Erntedankfest 1936 (oder 1937) die Wachenbucher Bauern gemeinsam mit SA („Sturmabteilung“) und Hitlerjungen vor dem Haus Alt Wachenbuchen 19 fotografieren.
Als Sally Herlitz 1927 nach Wachenbuchen kommt, ist die Welt noch in Ordnung. Damals gibt es noch keine organisierten Nazis im Dorf. Plötzlich schlägt die Stimmung dann um. Aufgeschreckt wandern die ersten jüdischen Familien aus. Herlitz sagt: „Fast zehn Jahre lebte ich in Wachenbuchen. Im Jahr 1936 ging ich in die Großstadt Frankfurt, weil ich mich dort sicherer fühlte!“ Dennoch sagt er auch: „Es gab Unterschiede zwischen den Parteimitgliedern. Manche steckten uns etwas zu. Das war die Zeit, als Juden nichts mehr in den Wachenbucher Läden kaufen konnten und die eigenen Geschäfte bereits geschlossen waren!“
Einzelne Einwohner leisten auch Widerstand gegen die Nazis: Kinder kaufen heimlich für Juden ein. Der Gastwirt Jean Fix setzt (allerdings vor der Machtergreifung) die SA vor die Tür. Eine alte Frau verwehrt den nach verbotenen Schriften suchenden Nazis den Eintritt ins Haus, weil eine werdende Mutter im Kindbett liege.
Im Januar 1933 gibt es 86 jüdische Einwohner in Wachenbuchen. Wenn jemand in den 30iger Jahren nicht am Sabbat die Synagoge besucht, wird anschließend gleich ein Krankenbesuch gemacht. Nach 1933 gehen 78 Gemeindeglieder nach Frankfurt. Einigen gelingt es, nach den USA, Palästina, Großbritannien und Holland auszuwandern. Auf den Metzger Strauß aus der Bachstraße folgen der Händler Josef Strauß, der Bäcker Robert Reinhardt und viele andere. Zwei Drittel der Auswanderer sind in Wachenbuchen geboren und aufgewachsen. Die weiteste Flucht unternehmen der Metzger Ernst Strauß und die Familie des Viehhändlers Adolf Strauß, die nach New York gehen.
Am 2. September 1935 beantragt Ortsbauernführer Mossel, daß die Gemeinde alle Pachtverträge mit Juden kündigt und die Verpachtung neu ausschreibt; dabei sollen aber nur rein landwirtschaftliche Betriebe zugelassen werden.
Am 10. Juni 1938 verlangt das Innenministerium die Umbenennung jüdischer Straßennamen. Im Gemeindebezirk trifft das für die „Reinhardtstraße“ zu. Als neue Namen werden „Nordstraße“ und „Mühlstraße“ vorgeschlagen. Die Entscheidung behält sich der Bürgermeister vor. Aber erst nach dem September wird die Straße in „Kleine Hainstraße“ umbenannt.
Ab 8. November 1938 gibt es viele Anfragen nach Papieren, die für die Auswanderung gebraucht werden.
Es gibt auch Einwohner, die die Notlage der jüdischen Einwohner ausnutzen. So zeigt am 21. November 1938 eine Frau ihren Mieter an, weil er sie bedrängt und von ihr eine Erklärung verlangt, daß sie ihr Haus nur an ihn verkauft. Sie gibt ihm eine schriftliche Erklärung, daß sie das Haus nicht verkaufen wird, obwohl sie es in Wirklichkeit noch in dieser Woche an einen anderen verkaufen will. Daraufhin will der Mieter sie tätlich angreifen, nur seine Frau hält ihn zurück. Die Frau rennt davon und schläft in der Nacht bei einer anderen Frau. Als sie am nächsten Morgen heimkommt, sind die Türen ihrer Zimmer aufgebrochen und Bargeld, Ware, Unterwäsche, wertvolle Bestecke usw. sind gestohlen. Die Haustür ist aber nicht aufgebrochen. Deshalb zeigt die Frau den Mieter an. Aber Erfolg wird sie damit nicht gehabt haben.
Als sie 1954 einen Entschädigungsantrag stellt, gibt der neue Hauseigentümer an, er habe das Haus 1938 käuflich erworben, die Frau habe sich unter Mitnahme ihrer Möbel nach Frankfurt abgemeldet. Sie hat in der Erdgeschoßwohnung gewohnt. Im ersten Stock wohnte eine Familie zur Miete. Von einer Plünderung oder Zerstörung des Geschäftes ist dem neuen Eigentümer nichts bekannt.
Auch der Bürgermeister widerspricht den Behauptungen der jüdischen Frau, sie habe das Haus fluchtartig verlassen, denn sie habe ihren Weggang vorbereitet und die Einrichtungsgegenstände mitgenommen. Das Geschäft, soweit man davon überhaupt noch sprechen konnte, habe die Frau selber aufgelöst und sei ausgewandert. Das Geschäft wurde am 1938 abgemeldet. Auch nach dem Krieg wird hier noch ein gewisser Antisemitismus deutlich, indem man zum Ausdruck bringt, das Vermögen der Juden war doch kaum etwas wert und sie haben doch freiwillig verkauft. Man will nicht wahr haben, daß die Geschäfte schon vorher aus politischen Gründen ausgehungert wurden und die Leute vielfach unter mehr oder weniger Druck verkaufen und wegziehen mußten.
Die Wegzüge laufen weiter: Im Jahr 1938 gibt es noch einmal drei Zuzüge, die alle dem Landrat gemeldet werden müssen. Im Februar 1938 muß Salomon Strauß sein Haus Alt Wachenbuchen 26 verkaufen und damit die rückständigen Gemeindegelder bezahlen. Am 27. April 1938 wird das jüdische Vermögen erst einmal erfaßt. Von April bis Juni ziehen drei Juden nach Frankfurt, von Juli bis September sind es wieder drei. Es bleiben 32 übrig. Auswärtige Stellen fragen immer wieder in Wachenbuchen an, ob bei ihnen zugezogene Juden die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Privatleute fordern Leumundszeugnisse und Unbedenklichkeitsbescheinigungen an, um auswandern zu können.
Im ersten Quartal 1939 ziehen fünf Juden nach Frankfurt, im zweiten sind es ebenfalls fünf, so daß noch elf bleiben. Am 8. Januar 1940 wandert Jacob Strauß mit Frau und Sohn nach den USA aus. Ab 10. April 1940 sind dann Mathilde, Henny und Arthur Strauß, Alt Wachenbuchen 40, die einzigen Juden in Wachenbuchen. Als sie am 31. Juli nach Frankfurt, Palmstraße 10, verziehen, ist die Gemeinde „judenfrei“.
Schon vor der Pogromnacht 1938 gibt es mindestens zwei Gewalttaten gegen jüdische Bürger, nämlich gegen den Juden Josef Burg (Kleine Hainstraße 10), der mit dem Kuhgespann unterwegs ist, und dann gegen Herz Appel (Kleine Hainstraße 3) und Josef Reinhardt (Herrenstraße 13), die Vieh von Ortenberg nach Wachenbuchen treiben.
Am 8. November 1938, einen Tag vor dem zentral inszenierten Vandalismus gegen die Juden,
findet zunächst zwischen 20.30 und 22 Uhr in der Gaststätte Müller eine öffentliche Kundgebung der Nazis statt. Einer der Redner ist Bürgermeister Seng, der sich gegen die Juden wendet. An der Versammlung nehmen 200 bis 250 Personen teil, darunter 15 bis 20 Mitglieder der SA, die zu dieser Zeit etwa 30 Mann stark ist.
Nach der Kundgebung teilt Bürgermeister Seng dem Truppführer der SA mit, daß das jüdische Schulhaus abgerissen und der Lehrer „eine Abreibung“ bekommen solle. Schon vor der Nazizeit will die Gemeinde das Schulhaus gern kaufen, um es abzureißen; aber der jüdische Lehrer läßt es nicht zu. Jetzt sieht man eine günstige Gelegenheit, dieses Ziel endlich zu erreichen.
Um 23 Uhr treffen sich etliche Nazis an Ort und Stelle und sperren die Straße in 80 bis 100 Meter Entfernung ab. Inzwischen ist auch eine größere Menschenmenge gekommen, die von der Aktion erfahren hat, etwa 300 Leute. Das Unrechtmäßige solcher Absicht war nicht nur dem Bürgermeister und Rädelsführer bewußt, er machte vielmehr die auf 23 Uhr zum Zerstörungswerk Einberufenen darauf aufmerksam, daß man vorsichtig sein müsse, um nicht „mit dem Staatsanwalt Bekanntschaft“ zu machen. Wachen wurden aufgestellt, damit man nicht von der Polizei überrascht würde.
Da aber die Haustür des jüdischen Schulhauses verschlossen ist, wird sie von einem Nachbarn, der zwei Häuser weiter wohnt, mit der Axt eingeschlagen. Dieser hat noch eine alte Rechnung mit dem Lehrer offen, weil dieser sich geweigert hat, ihm ein Stück Garten hinter seinem Haus abzugeben.
Der Nachbar dringt in das Haus ein, läuft die Treppe hoch, schlägt die Schlafzimmertür ein und greift sofort den Lehrer mit der Axt an. Dieser flüchtet über das Bett und stürzt dabei hin. Der Eindringling schlägt mehrere Male nach dem Lehrer, ohne ihn allerdings zu treffen, weil der entweder ausweicht oder die Axt festhält. Ein Fliegersoldat stößt den Lehrer die Treppe hinab. Er wird aus dem Ort hinausgetrieben. Vor dem Holzbuckel zwingt jener Nachbar den Lehrer auf die Knie, setzt sich auf seinen Rücken und „reitet“ mit ihm den Holzbuckel hinunter.
Lehrer Sonneberg kann nur entkommen, weil ein anderer Beteiligter den Rasenden hindert. Später wird der Lehrer gesehen, wie er „röchelnd im Straßengraben Richtung Hochstadt liegt“. Er wird in Dörnigheim von Verwandten oder Bekannten versteckt und setzt sich dann nach Frankfurt ab. Seine Kassette findet man später im Kanalzufluß vor dem Haus Alt Wachenbuchen 21.
Etwa 35 bis 40 Personen befanden sich ständig im Schulhaus, während die Aktivisten begannen, das Dach abzudecken und Wände einzureißen. Möbel werden entweder zerschlagen oder gestohlen oder aus den Fenstern geworfen. Etwa 35 bis 40 Personen halten sich in dieser Zeit im Haus auf, also nicht nur die SA, sondern auch andere Einwohner.
Auch die Synagoge wird demoliert: Der Kronleuchter wird herabgerissen und die Zehn-Gebote-Tafel zerstört. Die ganzen Inneneinrichtungen, Fenster und Türen werden beseitigt. Schließlich stehen nur noch die Umfassungsmauern und das Dach.
Es kann sein, daß hier nur eine Eigenmächtigkeit örtlicher Nazis vorlag. Aber es könnte auch sein, daß die Partei in Wachenbuchen (und übrigens auch in Kassel) testen wollte, wie die Bevölkerung auf die Zerstörung der jüdischen Gebäude reagiert.
Gegen 1 Uhr nachts erschienen der Landrat, der NSDAP-Kreisleiter und der Kreispropagandaleiter. Sie wurden herbeigerufen vom Bürgermeister, der Angst bekommen hatte und jetzt seine Rädelsführerschaft leugnete. Die Aktion sei gegen seinen Willen in Gang gekommen, er habe bereits im Bett gelegen. Der Landrat Löser untersagt weitere Aktionen, weil erst für die nächste Nacht die Pogrome geplant sind.
Gegen weitere Ausschreitungen läßt der Landrat Wachen aufstellen. Nachträglich erklärt er das Haus für baufällig und gibt es damit zum Abbruch frei. Grund der Maßnahmen war ausschließlich das an diesem Abend gültige Verbot von Einzelaktionen gegen Juden. Der Landrat war kein Mann, der den Schaden begrenzen und Schlimmeres verhüten wollte, als er in der ersten Nacht die Ausschreitungen unterband. Er war nur ängstlich gewesen wegen der Folgen. Der Menschenmenge hatte er schon in der ersten Pogromnacht erklärt, sie hätten den jüdischen Lehrer, der entkommen war, totschlagen sollen, anstatt ihn laufen zu lassen.
Folgerichtig finden sich am folgenden Abend des 9. November sich Pogromtäter und Menschenmenge wieder ein und vollenden - jetzt mit obrigkeitlicher Duldung und Ermunterung - die Zerstörung des jüdischen Schulhauses. Die mehrere hundert Menschen große Menge kommt zum „Tatort“, um das Zerstörungswerk fortzusetzen. Dieses war nicht nur ein Werk der SA, sondern auch vieler anderer Einwohner. Immerhin sagt der damalige Truppführer später, damals „nicht ganz richtig“ gehandelt zu haben.
Das jüdische Schulhaus wird innerhalb von zehn Tagen total abgerissen und später eine Durchfahrt zur Straße Alt Wachenbuchen geschaffen. Laut einem Aktenstück im Stadtarchiv vom 21. Juli 1945 bittet Elise Roß darum, daß ihr der Schaden an ihrem Haus, der bei der Zerstörung des jüdischen Schulhauses entstanden ist - wie versprochen - ersetzt wird.
Nach 1945 ist die Synagoge im Eigentum der Gemeinde Wachenbuchen. Am 7. September 1945 wird in den Gemeindeakten eine Notiz angelegt: Die der israelitischen Gemeinde gehörende Synagoge wurde von dem ehemaligen Bürgermeister Seng für die Gemeinde Wachenbuchen beschlagnahmt (Einheitswert: 2.740 Mark). Das Wohnhaus des jüdischen Lehrers einschließlich Schule wurde im Jahre 1938 völlig niedergelegt (Einheitswert 3.300 Mark).
Doch am 13. Mai 1949 meldet sich die IRSO, eine jüdische Organisation, an die aller jüdischer Besitz übergegangen ist. Sie fordert für Synagoge und jüdische Schule zusammen 7.000 Mark.
Es ist falsch, wenn Bürgermeister Kaufeld 1949 schreibt, Synagoge und Schulhaus seien nur beschädigt und das Inventar vom Besitzer abgeholt worden. Auch das Fahrrad des jüdischen Lehrers Sonneberg wird noch bei zwei Amtsübergaben der Bürgermeister erwähnt. Das Schächtmesser und ein Regulator gehen 1947 an die jüdische Gemeinde in Bad Nauheim. Die Gemeinde möchte gern den Preis drücken und Erkundigungen bei den Nachbargemeinden einholen. Auch möchte sie die Täter von 1938 regreßpflichtig machen. Der Kaufpreis für die Synagoge beträgt schließlich 6.566 Mark.
Die Gemeinde verpachtet die Synagoge dann an die ausgebombte Autoreparaturwerkstatt Jacobi aus Frankfurt. Am 18. Januar 1950 wird sie zum Kauf oder zur Verpachtung angeboten. Ab Februar nutzen der Fußballverein Kewa und die Turner das Haus für Trainingszwecke. Im September aber erhält die Kirchengemeinde den Vortritt bei der Verpachtung der Synagoge. Sie muß die Instandsetzung und jährlich 300 Mark zahlen. Am 12. November 1950 wird die Synagoge für den Gottesdienst eingeweiht. Der Schrein für die Thorarolle wird zum Aufbewahrungsort für die Bibel. Am 23. Januar 1952 wird ein Vertrag über die Nutzung der ehemaligen Synagoge durch die Kirchengemeinde abgeschlossen. Die Gemeinde legt einen Zaun an. Im Obergeschoß richtet sie eine Notwohnung ein.
Am 29. April 1969 wird die Synagoge für 13.000 Mark an den Schmiedemeister Hans Oswald verkauft. Heute dient das Gebäude als Wohnhaus. Zu diesem gehört auch ein kleiner Garten hinter dem Haus Nr. 32 außerhalb der Ringmauer.
Auf Initiative der Stadtverordneten Kornelia Schild-Kreuziger wird 1984 an der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel angebracht. Frau Schild meint: „In Wachenbuchen hat es nie eine kollektive Bereitschaft gegeben, sich mit der braunen Vergangenheit auseinanderzusetzen“. Der Besitzer hat zunächst nichts gegen eine Gedenktafel an dem Haus. Er sagt: „Ich werfe da keine Knüppel zwischen die Beine!“ Aber später zieht er seine spontane Zusage zurück, weil er nie offiziell von der Stadt gefragt wurde, sondern nur von einem Journalisten, der nachher in der Zeitung behauptet hatte, die Zustimmung sei zurückgezogen worden. So wird die Tafel auf eigenen Ständern auf dem Gehsteig vor dem Haus angebracht.
Die Inschrift lautete damals: „Dieses Gebäude diente als Synagoge für die jüdische Gemeinschaft von Wachenbuchen, später auch Bischofsheim, Dörnigheim und Hochstadt. Sie wurde 1880 erbaut und zerstört am 9. November 1938. Zum Andenken an die während der nationalsozialistischen Zeit umgebrachten und vertriebenen Juden aus Wachenbuchen, Hochstadt und Dörnigheim. Gewidmet von der Stadt Maintal 1984“.
Die Angaben sind nicht ganz exakt: In Wachenbuchen wird die Synagoge schon vorher zerstört, sozusagen als Probelauf für das Reich. Und die Juden aus Hochstadt, Dörnigheim und Bischofsheim bilden bis zum Ende eigene Gemeinden. Aber es ist richtig, daß man an dieser Stelle im Stadtgebiet erstmals an die umgebrachten früheren Einwohner erinnert.
Im Dorf ist man 1984 der Meinung, die Tafel werde wohl nicht lange hängenbleiben. Es gibt damals 10 bis 15 Jugendliche mit Judenhaß, die auch etwas gegen Ausländer haben. Vielen Einwohnern ist die Sache egal. Einige meinen auch, man solle die Sache ruhen lassen, es werde damit zu viel Kult getrieben. Wichtiger wäre es, den Neo-Nazis das Handwerk zu legen. Dazu reiche eine Gedenktafel nicht. Aber es gibt auch eine ganze Reihe positiver Stimmen.
Im Jahre 1999 wurde eine neue Gedenktafel an dem Gebäude angebracht mit dem folgenden Text: „Dieses Gebäude war Synagoge der Jüdischen Gemeinde Wachenbuchen. Daneben, an der Einmündung der Hainstraße, stand mit der Hausnummer 36 das jüdische Schulhaus mit Lehrerwohnung und Mikwe (heute: Einmündung der Hainstraße). Am 8. und 9. November 1938 wurde die Synagoge von einem Teil der Bevölkerung aus Wachenbuchen verwüstet. Der Lehrer und sein Sohn wurden mit lebensbedrohender Gewalt verjagt. Die Erinnerung an die Opfer ist Mahnung und Auftrag, die Würde des Menschen zu schützen. Zum Gedenken an die während der nationalsozialistischen Zeit vertriebenen und umgebrachten Juden aus Wachenbuchen, Hochstadt, Bischofsheim und Dörnigheim, gewidmet von der Stadt Maintal.“
Salzmann gibt an, die Verschleppung Wachenbucher Juden sei mit einem Viehtransporter erfolgt, der aus Hanau kam. Die Akten besagen aber, daß sie alle von Frankfurt aus verschleppt und umgebracht wurden. Die meisten werden im Dezember 1941 nach Minsk gebracht und erschossen.
Nach dem Krieg kommt es zur juristischen Aufarbeitung des Pogroms gegen die Juden. Der Gendarmerie-Posten Wachenbuchen bittet am 6. Juni 1946 den Bürgermeister um den Text, der kürzlich an zwei Tagen durch die Ortsschelle ausgerufen wurde und zur „Bearbeitung“ des Judenpogroms führte. Durch die Ortsschelle sollte auch bekannt gemacht werden, daß die Bearbeitung des Judenpogroms bis 16. Juni 1946 abgeschlossen wird. Wer noch Angaben machen kann, soll sich bis zu diesem Tag beim Gendarmeriebeamten melden. Auf die vertrauliche Bearbeitung wird hingewiesen.
Der Gendarmerie-Posten Wachenbuchen meldet am 6. Juni 1946 dem Bürgermeister, welche Personen beschuldigt wurden, das Judenpogrom im November 1938 in Wachenbuchen durchgeführt zu haben. Zwecks Be- oder Entlastung der Einzelnen bittet er um eine Beurteilung, Der Polizist nennt 13 Personen. Dazu kommt noch der W. G. senior, den der Bürgermeister schon am 11. April 1945 als einen der übelsten Hetzer, besonders in der Behandlung der Juden, nennt.
Schließlich wird 15 Wachenbuchern der Prozeß gemacht wegen Landfriedensbruchs und in einigen Fällen wegen Körperverletzung. Insgesamt wurden 14 Personen verurteilt. Fast alle (nämlich 13) gehörten der SA an. Zwölf der Angeklagten werden am 17. März 1947 zu Strafen zwischen 4 und 17 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Anführer wird wegen schweren Landfriedensbruchs zu vier Jahren Zuchthaus und dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre verurteilt. Da er aber aus gesundheitlichen Gründen die Strafe nicht antreten kann, bleibt es bei dem Verlust der Ehrenrechte auf Lebenszeit. Der Führer des SA-Trupps wird zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt (Die Entnazifizierungsakten für Wachenbuchen sind im Stadtarchiv erhalten und geben haarklein Auskunft über die Personen, die Prozesse und die einzelnen Aussagen und Strafen).
Am 9. März 1950 bittet die IRSO um nähere Angaben zu einer ganzen Reihe von Grundstücken. Im Oktober 1951 kündigt sie die Pachtverträge für verschiedene Grundstücke, weil sie sie nach Möglichkeit verkaufen will. Beim Verkauf gehen einige (unbebaute) Grundstücke auch an die Gemeinde. Heinrich Giesel, Hauptstraße 16, kauft von der IRSO einen Acker „Vorm Galgengrund“
Die Organisation zur Ehrung des Andenkens der vom Hitlerregime verfolgten Märtyrer „Yad wa Schem“ in Jerusalem bedankt sich am 22. Juni 1961 für die Übersendung der Abmeldedaten der Glaubensjuden in den Jahren 1940 - 1944. Paul Arnsberg bittet am 6. Oktober 1965 um ein Foto der Synagoge für sein Buch.
Entschädigungen:
Nach 1945 ist die Synagoge im Eigentum der Gemeinde Wachenbuchen. Am 7. September 1945 wird in den Gemeindeakten eine Notiz angelegt: Die der israelitischen Gemeinde gehörende Synagoge wurde von dem ehemaligen Bürgermeister Seng für die Gemeinde Wachenbuchen beschlagnahmt (Einheitswert: 2.740 Mark). Das Wohnhaus des jüdischen Lehrers einschließlich Schule wurde im Jahre 1938 völlig niedergelegt (Einheitswert 3.300 Mark).
Doch am 13. Mai 1949 meldet sich die IRSO. Sie fordert für Synagoge und jüdische Schule zusammen 7.000 Mark.
Es ist falsch, wenn Bürgermeister Kaufeld 1949 schreibt, Synagoge und Schulhaus seien nur beschädigt und das Inventar vom Besitzer abgeholt worden. Auch das Fahrrad des jüdischen Lehrers Sonneberg wird noch bei zwei Amtsübergaben der Bürgermeister erwähnt. Das Schächtmesser und ein Regulator gehen 1947 an die jüdische Gemeinde in Bad Nauheim. Die Gemeinde möchte gern den Preis drücken und Erkundigungen bei den Nachbargemeinden einholen. Auch möchte sie die Täter von 1938 regreßpflichtig machen. Der Kaufpreis für die Synagoge beträgt schließlich 6.566 Mark.
Die Gemeinde verpachtet die Synagoge dann an die ausgebombte Autoreparaturwerkstatt Jacobi aus Frankfurt. Am 18. Januar 1950 wird sie zum Kauf oder zur Verpachtung angeboten. Ab Februar nutzen der Fußballverein Kewa und die Turner das Haus für Trainingszwecke. Im September aber erhält die Kirchengemeinde den Vortritt bei der Verpachtung der Synagoge. Sie muß die Instandsetzung und jährlich 300 Mark zahlen. Am 12. November 1950 wird die Synagoge für den Gottesdienst eingeweiht. Der Schrein für die Thorarolle wird zum Aufbewahrungsort für die Bibel. Am 23. Januar 1952 wird ein Vertrag über die Nutzung der ehemaligen Synagoge durch die Kirchengemeinde abgeschlossen. Die Gemeinde legt einen Zaun an. Im Obergeschoß richtet sie eine Notwohnung ein.
Am 29. April 1969 wird die Synagoge für 13.000 Mark an den Schmiedemeister Hans Oswald verkauft. Heute dient das Gebäude als Wohnhaus. Zu diesem gehört auch ein kleiner Garten hinter dem Haus Nr. 32 außerhalb der Ringmauer.
Auf Initiative der Stadtverordneten Kornelia Schild-Kreuziger wird 1984 an der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel angebracht. Frau Schild meint: „In Wachenbuchen hat es nie eine kollektive Bereitschaft gegeben, sich mit der braunen Vergangenheit auseinanderzusetzen“. Der Besitzer hat zunächst nichts gegen eine Gedenktafel an dem Haus. Er sagt: „Ich werfe da keine Knüppel zwischen die Beine!“ Aber später zieht er seine spontane Zusage zurück, weil er nie offiziell von der Stadt gefragt wurde, sondern nur von einem Journalisten, der nachher in der Zeitung behauptet hatte, die Zustimmung sei zurückgezogen worden. So wird die Tafel auf eigenen Ständern auf dem Gehsteig vor dem Haus angebracht.
Die Inschrift lautete damals: „Dieses Gebäude diente als Synagoge für die jüdische Gemeinschaft von Wachenbuchen, später auch Bischofsheim, Dörnigheim und Hochstadt. Sie wurde 1880 erbaut und zerstört am 9. November 1938. Zum Andenken an die während der nationalsozialistischen Zeit umgebrachten und vertriebenen Juden aus Wachenbuchen, Hochstadt und Dörnigheim. Gewidmet von der Stadt Maintal 1984“.
Die Angaben sind nicht ganz exakt: In Wachenbuchen wird die Synagoge schon vorher zerstört, sozusagen als Probelauf für das Reich. Und die Juden aus Hochstadt, Dörnigheim und Bischofsheim bilden bis zum Ende eigene Gemeinden. Aber es ist richtig, daß man an dieser Stelle im Stadtgebiet erstmals an die umgebrachten früheren Einwohner erinnert.
Im Dorf ist man 1984 der Meinung, die Tafel werde wohl nicht lange hängen bleiben. Es gibt damals 10 bis 15 Jugendliche mit Judenhaß, die auch etwas gegen Ausländer haben. Vielen Einwohnern ist die Sache egal. Einige meinen auch, man solle die Sache ruhen lassen, es werde damit zu viel Kult getrieben. Wichtiger wäre es, den Neo-Nazis das Handwerk zu legen. Dazu reiche eine Gedenktafel nicht. Aber es gibt auch eine ganze Reihe positiver Stimmen.
Im Jahre 1999 wurde eine neue Gedenktafel an dem Gebäude angebracht mit dem folgenden Text: „Dieses Gebäude war Synagoge der Jüdischen Gemeinde Wachenbuchen. Daneben, an der Einmündung der Hainstraße, stand mit der Hausnummer 36 das jüdische Schulhaus mit Lehrerwohnung und Mikwe (heute: Einmündung der Hainstraße). Am 8. und 9. November 1938 wurde die Synagoge von einem Teil der Bevölkerung aus Wachenbuchen verwüstet. Der Lehrer und sein Sohn wurden mit lebensbedrohender Gewalt verjagt. Die Erinnerung an die Opfer ist Mahnung und Auftrag, die Würde des Menschen zu schützen. Zum Gedenken an die während der nationalsozialistischen Zeit vertriebenen und umgebrachten Juden aus Wachenbuchen, Hochstadt, Bischofsheim und Dörnigheim, gewidmet von der Stadt Maintal.“
Nach dem Krieg kommt es zur juristischen Aufarbeitung des Pogroms gegen die Juden. Der Gendarmerie-Posten Wachenbuchen bittet am 6. Juni 1946 den Bürgermeister um den Text, der kürzlich an zwei Tagen durch die Ortsschelle ausgerufen wurde und zur „Bearbeitung“ des Judenpogroms führte. Durch die Ortsschelle sollte auch bekannt gemacht werden, daß die Bearbeitung des Judenpogroms bis 16. Juni 1946 abgeschlossen wird. Wer noch Angaben machen kann, soll sich bis zu diesem Tag beim Gendarmeriebeamten melden. Auf die vertrauliche Bearbeitung wird hingewiesen.
Der Gendarmerie-Posten Wachenbuchen meldet am 6. Juni 1946 dem Bürgermeister, welche Personen beschuldigt wurden, das Judenpogrom im November 1938 in Wachenbuchen durchgeführt zu haben. Zwecks Be- oder Entlastung der Einzelnen bittet er um eine Beurteilung, Der Polizist nennt 13 Personen. Dazu kommt noch der W. G. senior, den der Bürgermeister schon am 11. April 1945 als einen der übelsten Hetzer, besonders in der Behandlung der Juden, nennt.
Schließlich wird 15 Wachenbuchern der Prozeß gemacht wegen Landfriedensbruchs und in einigen Fällen wegen Körperverletzung. Insgesamt wurden 14 Personen verurteilt. Fast alle (nämlich 13) gehörten der SA an. Zwölf der Angeklagten werden am 17. März 1947 zu Strafen zwischen 4 und 17 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Anführer wird wegen schweren Landfriedensbruchs zu vier Jahren Zuchthaus und dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre verurteilt. Da er aber aus gesundheitlichen Gründen die Strafe nicht antreten kann, bleibt es bei dem Verlust der Ehrenrechte auf Lebenszeit. Der Führer des SA-Trupps wird zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt (Die Entnazifizierungsakten für Wachenbuchen sind im Stadtarchiv erhalten und geben haarklein Auskunft über die Personen, die Prozesse und die einzelnen Aussagen und Strafen).
Am 9. März 1950 bittet die IRSO um nähere Angaben zu einer ganzen Reihe von Grundstücken. Im Oktober 1951 kündigt sie die Pachtverträge für verschiedene Grundstücke, weil sie sie nach Möglichkeit verkaufen will. Beim Verkauf gehen einige (unbebaute) Grundstücke auch an die Gemeinde. Heinrich Giesel, Hauptstraße 16, kauft von der IRSO einen Acker „Vorm Galgengrund“
Die Organisation zur Ehrung des Andenkens der vom Hitlerregime verfolgten Märtyrer „Yad wa Schem“ in Jerusalem bedankt sich am 22. Juni 1961 für die Übersendung der Abmeldedaten der Glaubensjuden in den Jahren 1940 - 44. Paul Arnsberg bittet am 6. Oktober 1965 um ein Foto der Synagoge für sein Buch.
Familien
Eine tabellarische Übersicht finden Sie auf der Webseite des Brüder-Schönfeld-Forums unter
„Wachenbuchen“
Rübenberg 3:
Das Haus gehörte Leopold Strauß, geboren 28.03.1852 in Wachenbuchen, und Bertha geborene Nußbaum aus (Schwalm-Eder-Kreis bei Ziegenhain, geboren am 08. August 1848. Datum und Ort der Hochzeit sind noch nicht geklärt (Wachenbuchen oder Neukirchen). Leopold stirbt am 28. Juni 1907 in Wachenbuchen, Bertha stirbt am 5. Juli 1929. Beide werden auf dem jüdischen Friedhof in Hanau beerdigt. Berthas Schwester Sara ist verheiratet mit Aron Strauß und wohnt Rübenberg 11.
1. Der Sohn David Strauß, geboren am 28.11. 1879, wohnt 1911 in Frankfurt und arbeitet in einer Bank. Es geht dann nach Windesheim und wird über Amsterdam in
das Lager Westerbork. Am 23.03. 1943 wird er nach Sobibor verschleppt
und am 26.03.1943 dort ermordet.
2. Der Sohn Salomon hat das Geschäft in der Hanauer Landstraße 5 (dort nähere Einzelheiten).
3. Die Tochter Johanna heiratet 1911 Samuel Nußbaum, geboren am 27. Juni 1882 in Wehrda und wohnhaft in Fulda, und bleibt im Haus Rübenberg 3 wohnen. Der Mann stirbt am 28. September 1928 an den Folgen einer Verletzung aus dem Krieg. Aber in der Nazizeit erhält die Kriegerwitwe keine Rente. Vor dem Haus steht die SA und paßt auf, daß nur ja kein „Arier“ (Deutscher, der nicht Jude ist) in dem kleinen Laden einkauft. Auch die Reinigungskraft darf nicht mehr kommen. Johanna Nußbaum stirbt im April 1966 in New York.
4. Der Sohn Daniel, Bankbeamter, ist im Ersten Weltkrieg in Rußland gefallen. Er steht auf der Gedenktafel an der Kirche.
Am 25. Februar 1960 werden die Heiratsurkunden für Salomon Strauß (im Text steht „Nußbaum“), geboren am 27.06.1882, sowie für seine Schwester Johanna Nußbaum geborene Strauß (Eheschließung 1911) übersandt. Das Wohnhaus mit Stall wird „umgeschrieben“ auf Johann Georg Steeg.
Rübenberg 7:
Bernhard Steigerwald ist 1868 in Dörnigheim geboren und zieht 1903 Frankfurt, Windeckstraße 5, und ist auch 1905 dort wohnhaft. Er war bei der Hochzeit taub oder taubstumm. Deshalb ist er Wohlfahrtsempfänger (nicht infolge „der Verelendung der Juden in der Nazizeit“. Die Frau Hanna geborene Reinhardt, geboren 30.07.1867 als Tochter von Salomon Reinhardt und Regine Schönfeld, Herrenstraße 13, wohnt in Wachenbuchen, Rübenberg 7.
Die Familie zieht zusammen mit Fanny Reinhardt, der Schwester der Frau, am 18. August 1936 nach Frankfurt. Die Frau stirbt am 09. 04.1937, ihr Grab ist auf dem jüdischen Friedhof in Hanau erhalten. Der Mann ist danach aber wieder in Wachenbuchen und angeblich nach Amerika gelangt. Aber er kommt am 24.04.1939 in die Heil- und Pflegeanstalt Weilmünster, dort stirbt er am 30.04.1939. Mit im Haus wohnt noch Fanny Reinhardt, die Schwester der Frau.
Das Haus mit Scheune wird „umgeschrieben“ auf Margarete Wolf und Tochter Leni Adler geborene Wolf. Das Ackerland wird von Heinrich Mankel genutzt; es liegt im Siedlungsgelände und soll bebaut werden (wohl Bolaneweg 27).
Rübenberg 11:
Das Haus war nur einstöckig. Als David Strauß heiratete, wurde das zweite Stockwerk dazu gebaut. Das Metzger-Geschäft war vollständig getrennt vom Wohnbereich. Es gab ein Zimmer, in dem wurde bedient und dort konnte man auch sitzen. Hinter diesem war ein anderes Zimmer mit einem Eisschrank, wo das Fleisch vorbereitet wurde. Der Metzger machte Würste nach eigenem Rezept. Im Geschäft arbeitete noch ein Mann namens Hildebrand, der täglich aus dem nächsten Dorf kam. Es kamen viele Leute zum Geschäft. Man lieferte auch viel ins Dorf und in die
Nachbardörfer. Es war das einzige Fleischer-Geschäft in Dorf, das selber schlachtete. Es gab auch einen Schuppen mit einem eigenen Tor, der genutzt wurde von den Nachbarn für ihre Kühe, die auch den oberen Teil kostenlos für die Lagerung ihres Strohs nutzen. Diese Nachbarn standen der Familie Strauß zu jeder Zeit sehr nahe in Glück und Traurigkeit, sagt Ludwig Strauß.
Stammeltern der Familie Strauß in diesem Haus sind Salomon Strauß und Mariana geborene Löb, die vor 1817 geheiratet haben. Einer ihrer Söhne ist David Strauß, der 1846 Karolina Speier heiratet. Unter deren Kindern ist der Sohn Aaron Strauß, geboren 16.10.1848, der am 03.11.1875 Sara Nußbaum, geboren am 11.10.1845 in Neukirchen (Schwalm-Eder-Kreis) heiratet. Die Familie wurde deshalb „die Aarons“ genannt. Die Verwandtschaft geht über Daniel Nußbaum. Dieser hatte eine Tochter Sara, die mit Aaron Strauß verheiratet war, und eine Tochter Bertha, die Leopold Strauß heiratete. Dieser wiederum war der Vater von David Strauß und Großvater von Ludwig Strauß.
Aaron Strauß und Sara geborene Nußbaum haben die Kinder:
(1.) David, geboren am 25.08.1876, wird der Nachfolger in der Metzgerei (siehe unten).
(2.) Johanna, geboren am 27.11.1877, heiratet am 08.11.1902 den Handelsmann Louis Stern. Die Frau stirbt am 07.06.1932 in Düdelsheim. Der Mann ging nach Frankfurt Ostendstraße.1. Am 22.11.1941 kam er nach Kaunas Fort IX, und wurde dort am 25.11.1941 ermordet.
(3.) Mathilde, geboren am 13.10.1879, ist laut Bundesarchiv verschollen.
(4.) Ferdinand, geboren am 28.7.1881, wohnte später in Düsseldorf, Immermannstraße 45 und Nummer 17/18 und zuletzt in der Grafenberger Allee 74. Am 16.10.1939 ging er nach Belgien. Am 10./15.05.1940 war er in Saint Cyprien. Schließlich kam er in das Internierungslager Drancy und wurde am 06.03.1943 in Majdanek ermordet (nach der Quelle Archiv Drancy: Lager Gurs, dann nach Sobibor, falscher Geburtsort Hanau). Laut Bundesarchiv verschollen in Majdanek. Laut Simon Strauß 1942 umgebracht. Für tot erklärt durch das Amtsgericht
(5.) Malchen (Rufname Minna, der Vorname „Paula“ ist nicht bezeugt), geboren am 31.7.1883, geht am 20.08.1939 nach Frankfurt, Ostendstraße 12, und wird am 11.11.1941 in Minsk ermordet.
(6.) Bertha, geboren am 23.06.1886, stirbt am 29.12.1888 in Wachenbuchen
( 7.) Nanny, geboren am 15.04.1888, heiratet am 22.12.1910 den Handelsmann Gustav Heß. Am 22.11.1941 wurde die Frau von Frankfurt nach Kaunas verschleppt und dort am 25.11.1941
ermordet.
Der älteste Sohn von Aaron Strauß und Sara geborene Nußbaum ist der Metzger David Strauß, der am 25.08.1876 geboren wird (Nach Angabe seines Sohnes Ludwig ist er in Wachenbuchen geboren, aber der Jahrgang des Standesamtsregisters liegt heute unter „Mittelbuchen“ beim Standesamt Hanau, weil Mittelbuchen und Wachenbuchen damals ein gemeinsames Standesamt hatten).
Er übernahm die Fleischerei von seinem Vater Aaron. Er kämpfte für das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg in Frankreich und wurde zweimal am Magen verletzt. Sein Sohn Ludwig sagt dazu: Er war in erste Linie ein Deutscher und erst in zweiter Linie hatte er die Religion „jüdisch“. Er heiratet vor 1913 Jenny geborene Gernsheimer, geboren am 28. September 1895 in Rückingen.
Am 28. September 1928 stirbt er nach einer Operation im jüdischen Krankenhaus in der Gagernstraße in Frankfurt eines natürlichen Todes. Dort arbeitete 40 Jahre seine Schwester Mathilde und hatte auch eine Wohnung dort. Seine Frau konnte dort mit wohnen und war bei ihm, als er starb. An der Beerdigung in Hanau nahm der ganze Ort und Menschen aus den Nachbardörfern teil.
Nach seinem Tod versucht Jenny Strauß die Metzgerei für ihren ältesten Sohn Ernst zu halten, der zu dieser Zeit vierzehneinhalb war. Die Metzgerei bringt aber nicht genügend Gewinn, zunächst weil die Leute immer nur „anschreiben“ lassen und die Schulden dann in den Büchern stehen bleiben, und dann weil uniformierte Männer von der SS die Fleischlieferung unterbinden.
Zu der fünfköpfigen Familie Strauß gehört auch die Schwester des Vaters, Minna Strauß (geboren 1883, die bei der Geburt Vorname „Malchen“ hat), die die Familie im Haushalt und auch finanziell unterstützt.
Frau Jenny Strauß und Minna Strauß, die Cousine ihres Mannes, werden unter Mitnahme ihres Mobiliars am 20. August 1939 nach Frankfurt, Ostendstraße 12, zwangsumgesiedelt. Mit einem Lastwagen werden sie nach Minsk gebracht und sind seitdem „verschollen“, also von den Nazis umgebracht.
Das Ehepaar David Strauß und Jenny geborene Gernsheimer hat drei Söhne:
1. Ernst Daniel Strauß (Rufname: E:rnst), geboren am 09.07.1913, vom Beruf Metzger). Er verzieht
am 16. August 1938 nach New York, 650 West, 172 Street (Apt. 21). Er stirbt dort am 24.10.1997.
2. Simon Strauß, geboren am 10. März 1917, will die beiden Frauen nicht allein lassen und bleibt noch im Elternhaus. Er wird ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Am 2. Juni 1939 wird er nach London abgemeldet und gelangt von dort in die USA. Er lebt heute mit seiner Frau Sylvia in Houston, 5734 Wigton, Houston Texas 77096, und arbeitet an dem dortigen Holocaust-Museum mit. Am 20. Juli 1977 besucht er den jüdischen Friedhof in Hanau, wie im dortigen Besucherbuch verzeichnet ist. Im Jahre 1997 besucht er die Stadt Maintal. Er stirbt am 16.01.2010 in Seattle. Es gibt ein Videointerview der USC Shoah Foundation mit ihm.
3. Ludwig Strauß (Rufname auch „Lou“), geboren am 12. April 1921, kann sich nach Israel retten und geht am 01.09.1936 nach Tell Joseph (Palästina). Im Jahre 1952 geht er in die USA und lebt in New York. Er hat heute noch Kontakt zu Heinrich Müller, der fast direkt gegenüber der Familie Strauß wohnt. Es kam damals schnell zum Kontakt zwischen den nahezu gleichaltrigen Kindern. Sie spielen gemeinsam mit den anderen Nachbarskindern auf der gepflasterten Straße Fußball, besuchen sich und erzählen sich gegenseitig Witze. Obwohl die Familie Strauß von Tradition geprägt ist und mit Stolz in die Synagoge geht, spielt bei dieser Freundschaft die Religion keine Rolle und man macht höchstens aus Spaß kleine Scherze über die religiösen und kulturellen Unterschiede.
Die drei Brüder besuchen zusammen mit dem Nachbarsjungen Heinrich eine Volksschule in Hanau. Als Hitler dann 1933 an die Macht kommt, gehen viele nichtjüdische Freunde zur Hitlerjugend (HJ), wo ihnen beigebracht wird, Juden zu hassen. Von diesem Zeitpunkt an ändert sich das Leben der jüdischen Kinder. Sie werden verfolgt und mit Steinen beworfen. Ludwig ist jedoch ein so schneller Läufer, so daß sie ihn nie erwischten. Im Zuge der zunehmenden antijüdischen Gesinnung in Deutschland müssen die drei Brüder auf eine jüdische Schule gehen.
Nach der Volksschule macht der jüngste Sohn Ludwig eine Lehre als Diamantenschleifer bei einem Herrn Hoffman in Mittelbuchen. Jeden Tag läuft er zu Fuß dorthin. Das wenige Geld, das er verdiente, mußte er seiner Tante Mina geben, damit sie Lebensmittel für das Wochenende kaufte. Ludwig Strauß arbeitete für mehrere Monate sehr erfolgreich in Mittelbuchen.
Nach sechs Monaten jedoch kann der Inhaber der Schleiferei den Lehrvertrag auf Druck der Nazis nicht weiter erfüllen, weil diese sonst sein Geschäft geschlossen hätten. Ludwig Strauß sagt: „Ich mußte eine Stelle verlassen, die ich mochte!“ Danach ist es für Ludwig unmöglich, eine neue Arbeit zu finden. Er ist dann Kaufmann und vom 4. bis 9. März 1934 und 18. bis 22. März 1934 wegen Beschaffung von Diamantsteinen in Antwerpen.
Als die Lage in Deutschland sich zuspitzt, versuchen internationale jüdische Organisationen, Juden aus Deutschland nach Palästina in Sicherheit zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt war Palästina unter britischer Kontrolle und es gab bestimmte Einwanderungskontingente für Juden zwischen 15 und 17 Jahren. Da Ludwig zu diesem Zeitpunkt noch nicht 15 Jahre alt war, bedurfte es der Hilfe seines älteren Bruders Simon, um auf die Warteliste für die Auswanderung zu kommen.
Eine jüdische Organisation will ihn Ende 1935 in ein Vorbereitungslager für die Auswanderung nach Palästina aufnehmen. Am 1. April 1936 erklärt die Witwe Jenny Strauß an Eides statt, daß sie keine Bedenken hat gegen die Ausstellung eines Reise-Paßes für ihren Sohn Ludwig Strauß. Er will ab 16. April 1936 ein Vorbereitungslager der Jüdischen Jugendhilfe in Rüdnitz bei Bernau besuchen.
Mit der Hilfe von George Josephstal, dem Leiter der „Zionist-Organisation”, gelingt es ihm, in Berlin auf eine jüdische Schule zu gehen, bis er ein Visum der britischen Mandatsregierung für Palästina bekommt. Schon drei Monate später teilt ihm die jüdische Organisation mit, daß er in drei Tagen mit dem letzten Schiff nach Palästina gebracht werden kann.
Ludwig Strauß sagt: „Als ich Deutschland verließ, waren wir sehr arm. Ich hatte keine Kleidung, die ich mit mir nehmen konnte. Ich bekam etwas von einer jüdischen Wohlfahrtsorganisation!“ Doch neben der verheerenden Armut und der fehlenden Kleidung hat Ludwig ein weiteres Problem: Er benötigt einen Paß zur Ausreise. Um diesen zu bekommen, fährt er zunächst mit dem Zug zurück nach Wachenbuchen, wo er nach einer Auseinandersetzung mit den dortigen Behörden, erst den Paß ausgestellt bekommt, als er ihnen erklärt, daß es doch nur zu deren Vorteil sei, wenn „ein Jude weniger in Deutschland lebe”. Er verabschiedet sich von seinen Verwandten - unter anderem von seiner Mutter, seinen Tanten und Onkels, die fast alle umgebracht wurden. Am 1. September 1936 wird er nach Tell Joseph (Palästina) abgemeldet.
Im Zug wird Ludwig von zwei SS-Männern kontrolliert, ob er mehr als zehn Reichsmark oder Wertsachen dabei habe. Der Zug fährt zuerst nach Straßburg, wo die deutsche SS-Brigade den Zug verläßt und Franzosen die Kontrolle übernehmen. Am Bahnhof wird von Juden etwas Essen verteilt. Daraufhin fährt der Zug weiter durch Frankreich bis nach Marseille, wo das Schiff „Patria“ schon auf die jüdischen Flüchtlinge wartet.
Die siebentätige Reise in einer kleinen Kabine neben dem Maschinenraum ist sehr beschwerlich: Die Enge, ohrenbetäubender Lärm sowie Mäuse und Ratten gestalteten die Reise nicht gerade angenehm. Nach sieben Tagen, die Ludwig wie sieben Jahre vorkommen, geht die Überfahrt in Haifa zu Ende.
Englische Offiziere kontrollieren Pässe und Visa an Bord. Mit einem großen Lastwagen werden 35 Jugendliche zu ihrer neuen Heimat gebracht, wo Ludwig zwei Jahre lebt. Während der Fahrt dorthin wurden sie von Arabern angegriffen und beschossen. Angekommen in einem kleinen Dorf wohnen sie in Häusern, die extra für sie von der jüdischen Organisation gebaut wurden. Sie haben kein elektrisches Licht, weshalb sie Petroleum-Lampen benutzen.
Die Flüchtlinge leben in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft zusammen, die „Kibbutz” heißt. Etwa 300 Mitglieder leben dort.
Diese „Kibbutz-Bewegung“ entstand schon am Ende des Ersten Weltkrieges, als russische Juden nach Palästina gelangten. Im „Kibbutz“ ist das Leben straff organisiert; niemand besitzt privates Geld und das Zusammenleben in der Gemeinschaft steht im Mittelpunkt. Die höchsten Positionen im „Kibbutz“ werden von den Leitern (maskir) besetzt, die unter anderem das gemeinsame Geld verwalten.
Ludwig Strauß wird schließlich Flieger in der israelischen Luftwaffe. Nach einigen Jahren in Palästina gründete Ludwig eine kleine Familie. Sein Sohn David kommt 1949 zur Welt. Aber er erkrankt an Kinderlähmung, weshalb sie sich auf den Weg nach Amerika machen, denn nur dort kann David behandelt werden. Durch Vermittlung des heutigen israelischen Staatspräsidenten Ezer Weizmann kommt die Familie 1952 in die USA.
Heute nennt er sich „Lou Strauss“ und lebt in New York (Lou J. Strauss, 11 Fort George HI Apt. 7 D, New York N.Y., 10040 USA). Seit 1975 besteht auch wieder reger Kontakt mit seinem alten Kinderfreund Heinrich Müller aus Wachenbuchen, den er auch 1997 besucht, als die Stadt Maintal ihn eingeladen hatte.
Am 08.08.2006 schrieb ich an Lou J. Strauss und schickte ihm den Stammbaums seiner Familie und die neuesten Ergänzungen zu meiner Ausarbeitung, die ich bei dem Besuch der jüdischen Gruppe übergeben hatte. Ich bat ihn noch um weitere Daten zu seiner Familie, die er mir auch schickte.
Ernst Strauß stellt am 14. Februar 1960 einen Antrag auf Entschädigung und schreibt: Der Vater ist 1928 gestorben. Seine Mutter Jenny und er haben die gutgehende Metzgerei, die seit 60 Jahren bestand, weiter betrieben. Außerdem haben sie noch ein Häutegeschäft betrieben. Der Umsatz betrug wöchentlich etwa 700 Mark. Wegen der Verfolgungsmaßnahmen ging das Geschäft zurück und mußte abgemeldet werden.
Dem Bürgermeister ist allerdings von einem Häutegeschäft nichts bekannt. Auch die Metzgerei kann man nicht als gutgehendes Geschäft ansprechen. Die Witwe Strauss habe mit den drei unmündigen Kindern einen schweren Existenzkampf zu führen. Es wurde in der Woche aber höchstens ein Stück Großvieh geschlachtet. Jenny Strauß und Minna Strauß sind 1939 nach Frankfurt verzogen. Es kann nach Meinung des Bürgermeisters nicht beurteilt werden, ob ein Verschleuderungsschaden entstanden ist. Von einer Metzgerei-Einrichtung im Wert von 2.500 Mark kann nicht gesprochen werden, da eine solche nicht vorhanden gewesen sein soll. Es war weder ein Schlachthaus noch eine Ladeneinrichtung vorhanden. Schlachtungen wurden in einer Scheunentenne durchgeführt, während der Fleischverkauf in einem Zimmer auf einem Tisch vorgenommen wurde; zum größten Teil wurde das Fleisch jedoch den Kunden ins Haus gebracht.
Geltend gemacht wurde aber von Ernst Strauß gar nicht die „Ladeneinrichtung“, für die beim Verkauf gar nichts gezahlt wurde. Er bezog sich vor allem auf das Wohnzimmer, Eltern-Schlafzimmer, Kinder-Schlafzimmer und Küche, die nur etwa mit einem Zehntel des Preises verkauft wurden. Es war nach dem Verbleib dieser Einrichtung gefragt worden und ob ein Teil der Einrichtung an den Käufer des Hauses Heinrich Schultheiß abgegeben wurde. Auf all diese Dinge geht der Bürgermeister aber nicht ein.
Auch Ludwig Strauß stellt am 20. September 1961 einen Antrag auf Entschädigung. Seine Geburtsurkunde wurde schon am 13. Juni 1957 an ihn übersandt. Eine Sterbeurkunde für seinen Vater David Strauß kann aber in Wachenbuchen nicht ausgestellt werden, da er im Sterberegister nicht verzeichnet ist: Er ist in Frankfurt gestorben, aber der Bürgermeister gibt nicht diesen Hinweis, obwohl er es doch sicher gewußt hat oder leicht erfahren konnte. Das Haus mit Scheune und Stall wird „umgeschrieben“ auf Heinrich Schultheiß.
Simon Strauß zählt 29 Verwandte auf, die im Holocaust umgekommen sind, darunter acht Kinder unter 15 Jahren. Die meisten sind allerdings Verwandte seiner Mutter, die nicht in Wachenbuchen wohnten. Der Onkel Gustav Hess soll laut Simon Strauß im Jahre 1939 umgebracht worden sein, aber laut Heiratsvermerk beim Standesamt ist er 1936 in Frankfurt gestorben.
Name |
Verwandtschaft |
Verschleppung |
Alter |
Jenny Strauss |
Mother Gernsheimer |
Aprox. 1942 |
48 |
Mina Strauss |
Father‘s Sister Strauss |
Aprox 1942 |
50 |
Matilde Strauss |
Father‘s Sister Strauss |
Aprox 1942 |
54 |
Nanny Hess |
Fathers Sister Strauss |
Lost |
49 |
Gustav Hess |
Father’s Brother |
Killed 1939 |
54 |
Ferdinand Strauss |
Father’s Brother |
Lost 1942 |
55 |
Luis Stern |
Father’s Brother |
Lost 1942 |
60 |
Joseph Stern |
Cousin |
Lost 1942 |
35 |
David Stern |
Cousin |
Lost 1942 |
30 |
Lina Herlitz |
Cousin, Louis’ Daughter |
Lost 1942 |
35 |
Inge Herlitz |
Second Cousin |
Lost 1942 |
11 |
|
|
|
|
Julius Gernsheimer |
Mother's Brother |
Lost 1942 |
43 |
Ida Gernsheimer |
Aunt, Wife of Julius Vogel |
Lost 1942 |
32 |
Sämi Gernsheimer |
Cousin |
Lost 1942 |
12 |
Manfred Gernsheimer |
Cousin |
Lost 1942 |
8 |
Ludwig Gernsheimer |
Uncle, Mother' s Brother |
Lost 1942 |
39 |
Theresa Gernsheimer |
Aunt, Ludwig's Wife Levy |
Lost 1942 |
34 |
Hans Gernsheimer |
Cousin, Ludwig's Son |
Lost 1942 |
8 |
Lothar Gernsheimer |
Cousin |
Lost 1942 |
6 |
Bertha Strauss |
Aunt, Mother’s Sister |
Died 1939 |
47 |
Isaak Strauss |
Uncle Bertha's Husband |
Lost 1942 |
50 |
Else Strauss |
Cousin’s Daughter |
Lost 1942 |
15 |
Siegfried Strauss |
Cousin’s Son |
Lost 1942 |
14 |
Katinka Berliner |
Aunt, Mother’s Sister |
Lost 1942 |
35 |
Sally Berliner |
Uncle, Katinka’s Husband |
Lost 1942 |
45 |
Herman Berliner |
Cousin’s Son |
Lost 1942 |
6 |
Mattel Berliner |
Cousin’s Son |
Lost 1942 |
4 |
Frieda Oppenheimer |
Aunt, Mother's Sister |
Lost 1942 |
38 |
Bernard Oppenheimer |
Frieda's Husband |
Lost 1942 |
55 |
Über das Schicksal der Familie Strauß hat Christine Wilfert aus Hochstadt zusammen mit anderen Schülern der Einsteinschule nach Interviews mit Herrn Heinrich Müller aus Wachenbuchen (Rübenberg 10) und Schriftverkehr mit Lou Strauß einen Artikel verfaßt. Die Informationen sind aber alle schon im vorstehenden Text erfaßt.
Wenn Simon Strauß vom Rübenberg 11 in Amerika nach seinem Geburtsort gefragt wurde, dann hat er vielleicht fünfmal „Wachenbuchen“ gesagt, aber der Frager hat den Namen doch nicht verstanden. Für Amerikaner jedenfalls ist das Wort fast unaussprechbar. Deshalb sagt Herr Strauß jetzt immer, er sei aus Frankfurt, das kennen auch die Amerikaner.
Kirchhofstraße 11:
In dem Haus wohnen Abraham Strauß (geboren 1860, Urenkel von Süßel Strauß) und Hannchen geborene Schönfeld (geboren 1861, Enkelin von Herz Schönfeld). Die Eheleute sterben 1831 und 1835 in Düdelsheim. Sie haben vier Kinder:
1. Frieda, geboren am 08.12.1887 heiratet Joseph Stern aus Hintersteinau und zieht nach Flieden.
2. Recha, geboren am 28.02.1887, stirbt am 18.06.1927 unverheiratet in Wachenbuchen.
3. Joseph, geboren am 13.06.1891, ist Viehhändler und heiratet Selma Stern aus Dörnigheim. Sie wohnen Hanauer Landstraße 20 und dann in Dörnigheim, Schwanengasse 4. Von dort gingen sie nach Frankfurt, kamen in das Konzentrationslager Theresienstadt und wurden in Auschwitz ermordet (nach Angaben des Sohnes Lothar, der überlebt hat und sich dann „Larry Strauß“ nannte.
4. Herrmann, geboren am 23.10.1894, ist Viehhändler. Seine Frau heißt Rosa, geboren am 13.04.1906 in Brückenau, laut Geburtsurkunde „Dora“), die Tochter Ilse (geboren 07.09.1932). Am 2. Mai 1938 verzieht die Familie nach Frankfurt, Obermainstraße 19,
Der Mann (Bruder zu Joseph Strauß, siehe Schulstraße 32) gelangt nach New York,
Frau und Tochter allerdings werden 1942 nach Auschwitz deportiert. und dort ermordet.
Herrmann Strauß stellt am 1. Februar 1960 einen Antrag auf Entschädigung. Der Bürgermeister berichtet: Der Viehhändler Abraham Strauß führte das Geschäft zusammen mit seinen Söhnen Joseph und Hermann. Im Stadtarchiv gibt es ein Aktenstück „Abraham Strauß baut einen Laden 1899“. Im Jahre 1931 geht das Geschäft auf die Söhne über. Es wurden pro Woche etwa zwei bis drei Stück Zuchtvieh gehandelt und etwa die gleiche Zahl an Schlachtvieh. Das Geschäft wird aber am 12. Oktober 1937 durch Verfügung des Viehwirtschaftsverbandes geschlossen. Das jährliche Gesamt-Einkommen von Hermann und Joseph Strauß betrug nach Schätzung des Bürgermeisters 3.000 Mark. Immerhin gibt der Bürgermeister zu, daß die berufliche Schädigung mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten einsetzte.
Das Wohnhaus mit Scheune und Garten wurden „umgeschrieben“ auf Heinrich und Greta Habermann. Eine Wiese am Hanauer Weg erhielten Heinrich und Katharina Glinder. Ein Acker „Unterm Steinberg“ wurde „umgeschrieben“ auf Heinrich Müller.
Kirchhofstraße 12:
Das Haus gehörte ursprünglich Marum Strauß (Schwester ist Jette Goldschmidt geborene Strauß in Hochstadt),geboren am 01.04.1842, gestorben am 03.07.1923, verheiratet in erster Ehe mit Regina geborene Seeliger, geboren 1845 im Bad Orb. Sie haben die Kinder:
(1.) Salomon, geboren am 03.02.1868, ist verheiratet mit Johanna Becker, geboren am 29.09.1871, und wohnt mit ihr in Fechenheim. Der Mann wird am 11.11. 1938 Opfer des Judenpogroms vom 9. November. Die Frau wohnt zuletzt Eckenheimer Landstraße 41. Sie wird am 25.11.1941 in Kaunas ermordet. In Frankfurt-Fechenheim sind drei Stolpersteine verlegt.
(2.) Emma, geboren am 04.10.1869, verheiratet seit 20.10.1895 mit Liebamnn Siegel. Am
22.11.1941wird die Frau (vielleicht auch der Mann) nach Kaunas verschleppt und am
25.11.1941 ermordet.
Marum Strauß ist in zweiter Ehe verheiratet mit Rachel (Rickchen“) Plaut, geboren etwa 1860 in Reichensachsen in der Rhön. Die Kinder sind:
(1.) Ein Sohn, geboren am 04.08.1873, stirbt bald nach der Geburt
(2.) Selma, geboren am 28.08.1874, heiratet am 03.08.1899 in Wachenbuchen Sally Maaß, geboren am 20.10.1870 Friedberg, aber wohnhaft in Brüssel. Die Frau ist später in Driebergen, Rosariumlaan 42 (Niederlande). Am 30.11.1943 kommt sie ins Lager Westerbork und wird am 30.01.1944 in Auschwitz ermordet.
3. Jenni, geboren am 23.03.1877, ist verheiratet mit Ludwig Katz, der am 06.021866 in Hainchen Kreis Büdingen geboren ist. Sie wohnten auch Alt Wachenbuchen 26.Die Familie zieht nach Frankfurt, Friedberger Landstraße 27. Im Jahre 1942 erfolgt die Verschleppung nach Theresienstadt. Der Mann stirbt am 29.9.1942 in Theresienstadt. Die Frau wird am 16.05.1944 in Auschwitz ermordet. Die Familie wird erwähnt im Stadtarchiv am 11. Juni 1964. Die Einordnung ist aber möglich durch den Eintrag im Geburtenregister, der sich im gemeinsamen Buch mit Mittelbuchen jetzt auf dem Standesamt Hanau befindet. Das Bundesarchiv gibt den Vornamen und Geburtstag der Frau etwas anders an, es dürfte sich aber um die gleiche Person handeln: Hedwig Katz geborene Strauß, geboren 22. März 1877, wurde in Auschwitz umgebracht und für tot erklärt.
Die Kinder sind:
-. Walter Leo (Rufname „Walter“), geboren am 12.03.1903 n Frankfurt. Er starb am 24. März 1943 im Konzentrationslager Flossenbürg II (Haftnummer 276). Die Tochter Margarita Katz stellt 1964 einen Antrag auf Entschädigung.
-. Ernst Fritz Manfred, geboren am 08.05. 1915. Er kann in die USA ausreisen und führt dort den Namen „Manfred Ernest“.
4. Toni, geboren am 18.10.1883, gestorben 1928.
Das Haus mit Garten und ein Acker wurden „umgeschrieben“ auf Heinrich Jung und Ehefrau. Ein Acker wird von Heinrich Giesel seit 1918 landwirtschaftlich genutzt. Nach dem Weggang des Eigentümers (Wer das aber war, ist nicht gesagt. Es könnte Salomon Strauß sein, der vor 1923 nach Fechenheim verzogen ist) hat Herr Giesel die Pacht an das Finanzamt gezahlt.
Herrenstraße 13:
Die Stammeltern der Familie Reinhard sind Abraham Reinhard und Hebe Gumpel, die vor 1805 geheiratet haben. Der Sohn
ist Isaak Reinhard und dessen Sohn wiederum ist Salomon Reinhardt, geboren am 23.069.1835, verheiratet mit Regine geborene Schönfeld, geboren am 23.12.1839. Sie haben zehn Kinder, darunter
Julius Reinhard (geboren am 11.10 1860, verheiratet seit 1859 mit Regine geborene Schönfeld, geboren am 23.12.1839, Herrenstraße 13), Hannchen (geboren am 30.07.1867, verheiratet seit 1905 mit
Bernhard Steigerwald 22.09.1868, Rübenberg 7), Helene Henriette (geboren am 29.8.1872, verheiratete Eschwege, wohnhaft in Fulda, ermordet in Treblinka) und Fanny, geboren am 28.12.1873, die am
18.08.1936 nach Frankfurt zieht.
Julius Reinhardt wiederum hat als Sohn den Viehhändler Joseph Reinhardt (geboren am 10. 11.1886) und Rosa geborene Löbenstein (geboren am 11.02 1887 in Marköbel). Die Eheleute gehen am
25.01.1939 nach Frankfurt, Albusstraße 26, und werden am 11.11.1941 nach Minsk verschleppt. Mit ihnen zieht nach Frankfurt die Tochter Fanny, geboren am 14.06.1914. Am 24.02.1938 gelang ihr die
Flucht in die USA, „mit zehn Deutschmark in der Tasche“, wie die Frau sagt. In Chicago heiratete sie am 14.06.1942 Hugo Wolf aus Bickenbach an der Bergstraße. Gestorben ist sie am 30.05.2013 in
Chicago (Videointerview der USC Shoa Foundation).
Die Eheleute Heinrich und Käthe Mett geborene Eckhardt kaufen am 20. Januar 1939 für 3.000 Mark das Haus zusammen mit einem Acker in den Haingärten. Das Geld wird auf ein Sperrkonto eingezahlt. Der bebaute Hofraum wird im Oktober 1950 auf 2.965 Mark geschätzt. Zunächst erhebt die IRSO Nachzahlungsansprüche. Am 23. Mai 1962 erhebt Fanny Wolf geborene Reinhardt Entschädigungsansprüche.
Der Bürgermeister schreibt: Josef Reinhardt hatte sein Viehhandelsgeschäft nicht in Marköbel, sondern in der Herrnstraße 13 in Wachenbuchen. Er war alleiniger Inhaber, seine Frau nur mithelfende Familienangehörige. Über den Ertrag des Geschäftes kann er keine Auskunft geben. Die Viehhandelserlaubnis wurde durch Verfügung des Viehwirtschaftsverbandes Kurhessen vom 3. Dezember 1937 entzogen. Das Hausgrundstück mit Scheune und Hausgarten wurde umgeschrieben auf Heinrich Mett, der aber in russischer Kriegsgefangenschaft verstorben ist. Das Haus gehört danach Frau Mett und ihren zwei Töchtern. Die Erwerber zahlen seit 1952 an das Amt für Wiedergutmachung 2.000 Mark in monatlichen Raten. Auch ein Acker in der Flur „Die Weingärten“ wird umgeschrieben auf Käthe Mett, Wwe. Ein Acker wird zunächst umgeschrieben auf „Deutsches Reich“ und später von Andreas Hohmann landwirtschaftlich genutzt.
Eine Geburtsurkunde für Jonas Reinhardt, geboren am 14.11.1870 in Wachenbuchen, Onkel von Joseph Reinhard, kann am 20. März 1950 nicht ausgestellt werden, weil die Personenstandsregister 1939 nach Hanau abgeliefert wurden (Anmerkung: Die Geburt war in Hanau, ist aber auch dort nicht in den Standesamtsurkunden enthalten, weil es vor 1875 war. Eine Ablichtung der Personenstandsregister befindet sich heute im Hessischen Staatsarchiv in Wiesbaden).
Weiterhin wohnen in dem Haus zeitweise Julius Stern und seine zweite Frau Johanna geborene Grünbaum, siehe Hainstraße 13. Außerdem wohnen dort zeitweise Meier Stern und Karoline geborene Strauß, die unter anderem eine Tochter Dina haben, geboren am 27.07.1883, verheiratet am 03 07.1919 mit Hermann Rokowsky. Die Heiratsurkunde, die Todesurkunde eines Kindes und ein Bild des Mannes liegen in Ablichtung von Uri Rosenan vor.
Bachstraße 8:
Das Haus gehört Samuel Strauß. Er ist 1870 geboren, Sohn des Abraham Strauß, Enkel des Isaak Strauß (Kirchstraße 12) und Urenkel des Salomon Süßel Strauß. Seine Frau ist Antonie geborene Stern. Der Bruder des Mannes Salomon Strauß wohnt Alt-Wachenbuchen 26.
Samuel Strauß betreibt in der Hainstraße 27 eine Rindsmetzgerei mit Großschlächterei. Das Geschäft wird Anfang 1930 wegen Zahlungsschwierigkeiten an den Metzgermeister Georg Schmitt verkauft. Strauß betreibt dann in der Bachstraße 8 einen Fleischverkaufsladen kleineren Umfangs. Vermutlich kommt das Geschäft mit der Machtübernahme zwangsläufig zum Erliegen (Auskunft vom 22. Oktober 1956).
Die Eheleute haben folgende Kinder:
1. Julius, geboren am 03.02.1895, sein Schicksal ist unbekannt
2. Rosa, geboren am 03.05.1896
3. Herrma, geboren am 22.02.1898, ihr Schicksal ist unbekannt
4. Rieda (Rita), geboren am 10.04.1899, ist von 1917 bis 1930 Angestellte bei der Gemeinde Wachenbuchen. Das Beschäftigungsverhältnis wird aber wegen Verheiratung aufgegeben
Sie ist verheiratet seit 1927 mit dem Kaufmann Arie van den Brande, einem nicht-jüdischen Niederländer. Sie haben eine Tochter Louise Antonie, genannt „Liesel“, geboren 1928, eine verheiratete Grünberg.
Arie van den Brande muß in Wachenbuchen eine Ausländerzählkarte haben. Weil er Ausländer ist, wird er als Spion verdächtigt. Er erhält einen Tip von einem Parteimitglied, daß er gefährdet ist. Deshalb flieht er nach Holland. Der Bürgermeister gibt an, er habe sich in Wachenbuchen nicht politisch betätigt, wohl aber Fühlung aufgenommen mit der kommunistischen Partei.
Seit dem 17. Juni 1933 ist er wieder bei seinen Eltern in Den Haag. Auch seine Frau ging im November 1933 mit nach den Niederlanden. Sie wird 1945 oder 1946 geschieden und war dann eine verheiratete Klerk de Reus. Sie starb am 02.01.1986 in Düsseldorf, Münsterstraße 345.
5. Alfred (Alfried), geboren am 19.10.1901, laut dem Gedenkbuch in Fürstenwalde kam er im November 1942 weg vom Lager Westerbork und wurde am 28.02.1943 in Auschwitz ermordet (Quelle: unter anderem Postkarten von Bertha Strauß und von Rosa Borngässer aus Westerbork an Rieda).
Über das Lager Westerbork, in der Provinz Drenthe gelegen, sind während der deutschen Besatzung über 100.000 Juden wie auch Sinti und Roma in die Vernichtungslager transportiert worden. Ein großer Teil davon seien Deutsche gewesen, die zunächst in den Niederlanden Schutz gesucht hätten, darunter auch die durch ihr Tagebuch bekannt gewordene Anne Frank. Endstation für alle Inhaftierten sei eines der Vernichtungslager gewesen, in erster Linie Auschwitz.
Alfred Strauß heiratete am 02.02.1928 Bertha geborene Borngässer aus Rodheim, geboren am 06.04.1898. Am 24.09.1943
wurde sie in Auschwitz ermordet.
Ihre Kinder waren:
- Heinz Albrecht, geboren am 15.09.1929 in Frankfurt, er ging nach Den Haag und
wurde am 24.09.1943 in Auschwitz ermordet.
- Ilse, geboren am 07.09.1932 in Wachenbuchen, ging auch nach den Niederlanden und
wurde auch am 24.09.1943 in Auschwitz
ermordet.
- Leo Fred, geboren am 13.01.1935 in Rodheim vdH, ging auch nach den Niederlanden
und wurde auch am 24.09.1943 in Auschwitz
ermordet.
6. Max Paul (Rufname Paul), geboren am 10.03.1908 in Bergen, ging am 06.11.1933 (oder 08.08.1934) nach Den Haag. Im Jahre 1942 kam er weg aus dem Lager Westerbork und wurde am
31.03.1943 ermordet (der Ort ist unbekannt)
7. Hertha, geboren am 20.12.1916, ist klein gestorben.
Die Familie Strauß verzieht am 6. November 1933 mit drei Personen (die Eltern Samuel und Toni mit dem Sohn Paul) über Frankfurt nach Den Haag, Leuwaarden Eewal 84, weil die Tochter Rieda in den Niederlanden verheiratet ist. Nach anderer Angabe ist Antonie Strauß (siehe unten). erst im August 1934 gefolgt Die offizielle Abmeldung erfolgt erst am 6. November 1936.
Am 27. März 1934 wird festgestellt, daß auch der der Metzger Paul Strauß nach Den Haag abgereist ist und bei seiner Schwester Rita van den Brande wohnt. Am 10. September 1934 wird ein Aktenvermerk gemacht, daß Toni Strauß ausgereist ist, weil das Geschäft nicht gut ging und weil sie bei ihren beiden Kindern sein wollte.
.Am 26.10.1942 kommen die Eheleute in das Lager Westerbork und werden in Auschwitz ermordet. Am 27.01.2015 veröffentlichte das Brüder-Schönfeld-Forum im Tagesanzeiger ein Schreiben von Antonie Strauß im Oktober 1942 aus dem niederländischen Durchgangslager Westerbork an ihre Tochter Rita in Den Haag schrieb: „(...) es ist hier schrecklich, es kommen dauernd Menschen und kommen immer wieder fort (...)“.
Die 1874 in Bergen geborene Frau war mit Samuel Strauß aus der Bachstraße in Wachenbuchen verheiratet. Nach den Pogromen von 1938 glaubte die jüdische Familie in den Niederlanden, wo ihr Schwiegersohn Ari van der Brande herstammte, sicherer zu sein und flüchtete nach Den Haag. Doch dort wurden sie mit einem Sohn und weiteren Verwandten am 12. Oktober 1942 von deutscher Polizei abgeholt und ohne was mitzunehmen nach dem Kampe Westerbork mit Vater „ transportiert“. Auch Elsa und Hedwig Stern aus der Bogenstraße in Hochstadt sind über Kamp Westerbork nach Auschwitz gelangt.
Im Brief aus dem Lager Westerbork, der von überlebenden Familienangehörigen verwahrt wird und dem Brüder-Schönfeld-Forum in Kopie vorliegt, schreibt Antonie Strauß: „Nun schließe ich mit tausend Küssen an Euch Alle. Das Bild, Liesel, habe ich aus den Rahmen weg gemacht und so habe ich es immer bei mir. Seid also nochmals geküßt von Eure ewigliebende Mutter und Oma.“ Und sie schließt mit einem wenig hoffnungsvollen „Auf Wiedersehen“. Die Mitglieder des Brüder-Schönfeld-Forums glauben, daß mit dem Wort „Vater“ wahrscheinlich ihr Ehemann Samuel gemeint ist, für den als mutmaßlicher Todestag in Auschwitz der 29. Oktober 1942 angenommen wird - nur 17 Tage nach seiner Verhaftung. Die Originale sind von der überlebenden Tochter Rita van de Brande aufgehoben worden und befinden sich jetzt bei Nachfahren in Israel. Bei einem Besuch dieser Nachfahren in Maintal im Jahr 1999 gelang es, die in alter deutscher Schrift geschriebenen Texte trotz ihres schlechten Erhaltungszustands fast vollständig zu entschlüsseln.
Nach dem Krieg heißt es: „Nachdem Samuel Strauß mit Gefängnis bestraft worden war, ist er ausgewandert aufgrund seines Glaubens und der Rasse. Er war gezwungen, seine schon lange bestehende Metzgerei zu verlassen. Mit dabei ist auch die Tochter Rita van de Brande“. Folgendes Ladeninventar wurde bei der Flucht zurückgelassen: 2 Kühlkästen, 2 Hackklötze, 1 marmorner Ladentisch, 1 Dezimalwaage, 1 Wurstmaschine, 2 Fleischmühlen und sonstige Geräte (Auskunft vom 19. Juni 1957).
Als am 4. Juni 1950 die Rückerstattungssache Strauß gegen Schmitt anläuft, wird gesagt, Herr Schmitt könne nicht nur behaupten, er habe immer die Pacht gezahlt, er muß auch Nachweise beibringen. Am 21. September 1956 erklärt der Schmiedemeister Hans Oswald, daß Frau Rita van den Brande bis Mai 1933 als Mieterin bei ihm gewohnt hat. In diesem Monat ist sie mit ihrem Kind Liesel nach Holland ausgewandert. Sie hat infolge der Judenverfolgung Deutschland verlassen. Der Bürgermeister meint am 11. Juli 1957, es sei nicht mehr festzustellen, worin das zurückgelassene Eigentum der Familie Strauß bestand. Grundvermögen war nicht mehr vorhanden (es war eine Mietwohnung). Das Inventar dürfte mit etwa 500 Mark zu bewerten sein.
Im Jahre 2006 besuchte das Ehepaar Grünberg den Herkunftsort der Großmutter der Frau. Sie waren allerdings sehr reserviert und wollten keine Auskünfte über ihre Familie geben. Auf eine schriftliche Anfrage kam nach langer Zeit ein kurzer Brief, aber auch ohne nähere Angaben.
Am 7.Oktober 2006 schreib ich: „Sehr geehrte Frau Grünberg, sehr geehrter Herr Grünberg, vor einigen Jahren habe ich eine Chronik von Wachenbuchen herausgebracht und darin auch die früheren jüdischen Einwohner besprochen. Inzwischen habe ich diese Arbeit fortgeführt und möchte Ihnen deshalb einen Stammbaum Ihrer Familie übersenden, soweit er mir vorliegt (zum Teil aus den Unterlagen des Hessischen Staatsarchivs in Wiesbaden). Außerdem füge ich noch einen Text bei über Ihre Familie, der in einer Dokumentation (vervielfältigt) im nächsten Jahr erscheinen soll.
Ich bitte Sie, die Unterlagen einmal durchzusehen, zu ergänzen und gegebenenfalls zu verbessern. Besonders schön wäre es, wenn Sie den Stammbaum noch bis zur Gegenwart weiter führen könnten (also bei „Unbekannt“ den Familiennamen einsetzen, Geburtstag, Geburtsort, Heiratsdatum, Heiratsort, Todestag, Todesort). Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir Auskunft geben könnten. Ich möchte gern, daß das Andenken der ermordeten Juden aus unserer Stadt erhalten bleibt, aber aus festhalten, daß glücklicherweise einige überlebt haben.“ Es erfolgte aber keine Antwort). Die Eheleute waren aber später noch einmal da und tauschten sich mit dem Schönfeld-Forum aus.
Nähere Angaben machte jedoch Jeroen van den Brande: „Johannes van den Brande, geboren in Kralingen am 15. April 1862, voor 1897 herbergier in de Zandstraat te Rotterdam, koopman (1897) en kermisreiziger (1903), verheiratet in Dordrecht am 25. Februar 1897 mit Louise Knieper geborene Höhr aus Deutschland, geboren am 4. April 1877, Tochter von Michael und Josephina geborene Enders. Die Familie ist 1907 von Dordrecht nach Den Haag umgezogen.
Kinder:
(1.) Arie, geboren in Dordrecht am 18. Dezember 1898
(2.) Josephina, geboren in ’s-Gravenhage am 25. Januar 1900
(3.) Johannes, geboren in ’s-Gravenhage am 30. Dezember 1901
(4.) Michael, geboren in ’s-Gravenhage am 28. März 1903
(5.) Louise, geboren in Rotterdam am 18. April 190
(6.) Eliesabeth Gertuida, geboren in Dordrecht am 2. Juni 1907, ovl. ald. 14 juni 1907;
Sie verzogen am 17. September 1907 von Dordrecht nach ’s-Gravenhage. Weitere Nachrichten sind nicht bekannt. Arie van den Brande ist zu finden auf der Webseite: http://web.mac.com/vandenbrande/iWeb/Site/Stamboom%20Van%20den%20Brande.html
Alt Wachenbuchen 26:
In dem Haus wohnen Salomon Strauß (geboren am 18.05.1866) und Bertha geborene Stern (geboren am 06.03.1869 in Schotten). Im Stadtarchiv gibt es ein Aktenstück „Salomon Strauß baut einen Schornstein 1900“. Sie haben die Kinder:
(1.) Hedwig (geboren 01 08.1891) heiratet am 21.12.1912 Salomon Strauß. Sie wohnen Alt
Wachenbuchen 26 und später Hanauer Landstraße 5. Die Familie geht am 1. Juni 1937
nach Frankfurt, Ostendstraße 26, von wo sie ausgewandert ist und überlebt hat.
(2.) Paula (geboren 06.03.1894) heiratet am 27.03.1919 Adolf Strauß, geboren am 12.01.1877
in Bockenheim.
(3.) Julius, geboren am 18.07.1895, stirbt am 07.05.1901, das Grab ist auf dem Friedhof in
Hanau.
(4.) Jakob (geboren am 21.02.1902) heiratet am 07.07.1927 seine Frau Erna geborene Strauß
(geboren 08.10.1906). Sie haben eine Viehhandlung. Am 03.04.1937 wandern sie nach
Amerika aus. Am 6. April 1937 teilt der Bürgermeister dem Landrat mit, daß Strauß vor
etwa 14 Tagen nach Nordamerika ausgewandert ist, ohne sich polizeilich abzumelden. Die
Verwaltung des Vermögens der Eheleute hat der Vater Adolf Strauß, Reinhardstraße
(heute: Kleine Hainstraße). Zeitweise wohnt auch Ludwig Strauß, Sohn des Salomon
Strauß, Kleine Hainstraße 4, mit im Haus. Der Sohn Albert (geboren 14.04.1928) lebt
später in New York..
(5.) Max, geboren am 15.06.1904, heiratet Klara Merkel. Sie wohnten in Frankfurt, Schmidt-
straße. Am 12. 12, 1937 gelang die Flucht über die Schweiz in die USA, Sherman Avenue
New York. Die Tochter Hariet wurde etwa 1939 geboren.
Bertha Strauß und der jüngste Sohn Max (geboren 1904) gehen am 28. Januar 1936 nach Dietzenbach. Sie wird am 18.08.1942 nach Theresienstadt verschleppt und stirbt am 260.9.1942 in Treblinka. Solomon Strauß geht am 01.06.1939 nach Frankfurt, Ostendstraße und wohnte dann Wöhlerstr. 6. Am 18.08.1942 wird er mit seiner Frau nach Theresienstadt verschleppt und stirbt am 26.09.1942 in Treblinka.
Nach dem Krieg gehört das Haus mit Stall der Witwe Benno Rehms, Alt Wachenbuchen 23, denn am 12. April 1951 soll der Wert des Anwesens geschätzt werden. Die Wiese geht an Friedrich Krauss über, der darauf eine Diamantschleiferei errichtet. Ein Acker wird umgeschrieben auf Georg Schmitt. Am 6. Juli 1954 wird die Entschädigungssache Jakob Strauß in Angriff genommen (als sein Geburtsjahr wird 1906 angegeben, das ist aber eine Verwechselung mit dem Geburtsjahr seiner Frau). Am 2. Oktober 1961 wird eine Geburtsurkunde für Albert Strauß ausgestellt und eine Bescheinigung über den Schulbesuch (1934 bis 1937) übersandt.
Alt Wachenbuchen 28:
Stammvater der Familie ist Maier Stern aus Düdelsheim, der in der Herrenstraße 13 wohnt.
(1.) Der älteste Sohn Louis Stern wird 1874 in Düdelsheim geboren. Er wohnt Alt Wachenbuchen 28 und ist verheiratet mit Johanna geborene Strauß. Die Frau stirbt 1932 in Düdelsheim.
Der Mann ging nach Frankfurt Ostendstraße1. Am 22.11.1941 kam er nach Kaunas Fort IX und wurde dort am 25.11.1941 ermordet. Sie haben fünf Kinder, von denen drei erwachsen werden:
a.) Ihre älteste Tochter Lina (geboren 15.01 1904) ist seit 05.07.1929 verheiratet mit dem Elektromonteur Sally Herlitz (geboren am 17.04.1903 in Fechenheim). Die Tochter Inge wird am 09.01.1930 geboren. Am 27. August 1938 zieht die Familie nach Frankfurt, Friedberger Landstraße 125. Die Familie wird mit der Tochter am 24.09.1942 über Berlin verschleppt. Auf einem Bahnhof in Lettland werden sie getrennt, Sally sieht Frau und Tochter nicht wieder. Die Frau stirbt in Raasiku (Estland). Der Mann überlebt - vielleicht wegen seiner technischen Fähigkeiten. Aber er kommt vom 30.11.1939 bis 03.02.1939 ins Konzentrationslager Buchenwald und am 01.10.1944 ins Konzentrationslager Stutthof Er kommt 1945 nach Frankfurt und heiratet 1946 erneut. Am 22. Mai 1950 fordert er aus Frankfurt, Gagernstraße 36, Personenstandsurkunden an. Im August läuft die Rückerstattungssache an (Sally Herlitz / Eheleute Amend (Das Wohnhaus mit Stall war an Elise Amend) gegangen.
b.) Klara, geboren am 21.08.1905. Sie wurde 1991 in Frankfurt / Oder begraben.
c.) Julius, geboren am 07. 11. 1909 (er wird auch als „Josef Stern, geboren 1909“ bezeichnet, vielleicht hatte er den Doppelnamen „Julius Josef“, aber im Geburtsregister steht nur „Julius“). Am 01.06.1934 geht er nach Frankfurt. Von dort wird er am 22.11.1941 verschleppt nach Kaunas und am 25.11.1941 in Fort IX ermordet. Er hatte einen Zwilling Daniel, der am 13.02.1910 in Wachenbuchen gestorben ist
d.) David Stern (geboren am 21.09.1912) ist Metzger. Er geht am 20. November 1933 zur Arbeit nach Tell Palästina und kommt am 16. Mai 1934 zurück nach Frankfurt, Ostendstraße 9. Am 11.11.1936 geht er nach Oberhof (Thüringen). Verheiratet ist er mit Irma geborene Hermann, geboren am 05.07.1915 in Quirnbach (wohl der Ort im Westerwaldkreis, nicht der bei Kusel). Sie haben den Sohn Wolfgang, geboren am 01.01. 1937 in Frankfurt am Main (weil sein Name auch mit „Wolfgang Hermann“ angegeben wird, könnte er auch ein unehelicher Sohn der Frau sein). Dieser war vom 14.10. bis 10.12. 1937 im jüdischen Mutter-und-Kind-Heim des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg. Die Familie wird am 11.11.1941 ab Frankfurt verschleppt und in Minsk umgebracht.
(2.) Das dritte Kind ist Erna Stern, geboren am 05.10.1877, verheiratet seit 24.11.1906 mit dem Witwer Salomon Strauß. Dieser war aber in erster Ehe verheiratet mit Klara geborene Hamburger: Mit ihr hat er die Kinder Albert, geboren am 21.02 1901 und später wohnhaft in Frankfurt, Gwinnerstraße 20, und dann ausgewandert nach Montevideo (Uruguay), und die Tochter Elsa, geboren am 13.03.1904, eine geschiedene Karlsberg und wohnhaft in Fränkisch-Crumbach, dann verheiratet mit Hans Ludwig Schragenheim aus Hannover und ausgewandert nach Buenos Aires (Argentinien).
In der zweiten Ehe mit Erna geborene Stern hat Salomon Strauß zunächst die Tochter Irma, geboren am 29.10.1907, verheiratet mit Seligmann Heippert, geboren etwa 1905 in Frankfurt. Sie haben die Kinder Inge Regina, geboren am 19.7.1932, und Lydia, geboren am 18.04.1938. Sie hatten auf der Zeile 66 ihr Geschäft und ihre Wohnung, Dann wohnten sie Gwinnerstraße 20. Im Jahre 1940 reiste der Mann aus nach New York. Die Frau wurde am 22.11. 1941 verschleppt nach Kaunas Fort IX und dort am 25.11.1941 zusammen mit ihren Töchtern ermordet. Am 4. November 1960 wird von der Gemeinde in einer Entschädigungssache die Geburtsurkunde für Erna Strauß übersandt.
Außerdem haben Salomon Strauß und Erna geborene Stern den Sohn Ludwig, geboren am 16.05.1909. Er war Metzger und wohnte 1937 in Frankfurt und ging nach New York. Dort traf ihn seine Mutter, die vor den Nazis zunächst nach Holland geflohen war und von dort nach Japan, von wo sie im Oktober 1940 nach Seattle in den USA segelte. Ludwig steht auch in der USA-Volkszählung vom April 1940 in der gleichen Straße in der Bronx, die auch seine Mutter auf dem Schiff angegeben hatte. Er war verheiratet mit Betty, die ungefähr 1912 geboren wurde (Angaben laut Uri Rosenan, siehe gleich nachfolgend Nummer 2).
Uri Rosenan gehört zur Generation 4 seiner Familie, Nummer 21, und lebt in Yehud, Israel, Mevo Havazelet 8. Er hat folgende Ablichtungen seiner Verwandten zur Verfügung gestellt
- Eliese Strauß, geboren etwa 1878 aus Wachenbuchen, aber nicht zu identifizieren.
- Ludwig Strauß, Sohn von Salomon Strauß und Erna geborene Stern, Alt Wachenbuchen 28: Passagierliste, Volkszählung, Einbürgerungsantrag.
- Dina Stern, Tochter von Meier Stern und Karoline geborene Strauß, Herrenstraße 13:
Heiratsurkunde mit Hermann Rokowsky, Todeiskunde eines Kindes und Bild ihres Mannes.
- Nachfahrenliste Ansel Strauß, geboren 1792, Nachkommen gibt es unter anderem in Kleine Haintraße 2.
- Nachfahrenliste Michael Strauß, geboren am10.02.1850, Sohn von Jesel Strauß und Gretchen geborene Kleien Hainstraße 4, Bruder von Dina Stern verheiratete Strauß.
(3). Das vierte Kind ist Julius Stern (geboren am 17.06.1879). Er war in erster Ehe verheiratet mit Johanna Grünebaum aus Bürgel. Sie haben die Kinder Leo und Hildegard. Siehe Haintraße 13.
Alt Wachenbuchen 32:
Stammvater ist Salomon Strauß, geboren 1787. Dessen Sohn ist Alexander Strauß, geboren am 04.04.1836. Er heiratet am 21.01.1863 Lenchen (auch Lena) geborene Strauß, geboren am 15.02.1837 in Großkrotzenburg. Der Mann stirbt am 20.07.1886, die Frau am 14.09.1911 (das Grab ist auf dem Friedhof in Hanau).
Die Eheleute hatten zehn Kinder, von denen zwei in Wachenbuchen geheiratet haben:
(Das zweite) Lazarus Strauß, geboren 17.10.1866, zuletzt Hainstraße 17.
(Das vierte) Salomon Strauß, geboren 11.11.1869, Alt Wachenbuchen 32.
Er ist verheiratet mit Jeanette geborene Adler, geboren am 07.12.1864 in Heubach. Der Mann hat einen Wollhandel mit Pferd und Wagen. Die Eheleute Strauß verziehen am 30. Juli 1939 nach Frankfurt; vielleicht sind sie dort gestorben.
Sie haben drei Kinder:
Der Mann ist bei der Hochzeit wohnhaft in Frankfurt. Das Ehepaar wohnt zunächst bei den Eltern der Frau in Alt Wachenbuchen 32.
Die Ehefrau stirbt am 8. Juli 1935 in Bendorf (bei Bonn) und ist in Hanau begraben. Auf dem Grab auf dem jüdischen Friedhof in Hanau steht: „Bertha (Bela) Eisemann geborene Strauss, Ehefrau den Max Eisemann, Tochter des Schlomo (Salomon) Strauß und der Jeanette geborene Adler, aus Wachenbuchen, geboren am 06.11.1898 in Wachenbuchen, gestorben am 08.07.1935 in Bendorf“.
Die Familie verzieht laut Stadtarchiv am 6. Oktober 1936 nach Bad Wimpfen und am 23. August 1937 nach Frankfurt. Der Mann wird am 06.09.1942 in Lublin oder Majdanek ermordet (laut Heiratsregister Standesamt Wachenbuchen) Er wurde zunächst 1959 durch das Amtsgericht Frankfurt für tot erklärt, aber dann meldete das Sonderstandesamt Arolsen 1969, er sei am 6. September 1942 in Lublin-Majdanek gestorben. Die Tochter Gertrud ist geboren am 17.01.1932 (nicht in Wachenbuchen, denn sie steht nicht im Standesamtsregister, die Angabe stammt aus dem Stadtarchiv und stimmt mit dem Bundesarchiv überein). Laut Bundesarchiv ist sie unbekannt verschollen. Sie soll etwas „tappig“ gewesen sein
Das zehnte) Siegmund
Strauß, geboren am 26.02.1882. Er war Teilhaber der Firma „Reinheimer & Co“, Großhandel für Spitzen und Gardinen in Frankfurt. Am 12.01.1939 reiste er nach England aus und wurde am
04.04.1939 abgemeldet. Gestorben ist er am 23.03.1959 in West Bridgford (England).
Der bebaute Hofraum Hauptstraße 32 und ein Acker werden „umgeschrieben“ auf Elise Boldt verwitwete Wappes und Edgar Wappes (3/4), Alt Wachenbuchen 32.
Alt Wachenbuchen 36:
Dieses Haus war das Lehrerwohnhaus, das aber heute nicht mehr besteht, sondern über das Grundstück ist die Hainstraße gelegt. Im Unterstockwerk war die Schule. Im Oberstockwerk
wohnte der jüdische Lehrer Leo Sonneberg, geboren am 31. März 1892 in Somborn. Da sein Vater früh verstarb, schickte ihn seine Mutter auf eine Israelitische Internatsschule im unterfränkischen Burgpreppach, einem kleinen Städtchen in den Haßbergen. Die dort ansässige, so genannte Präparandenanstalt war so etwas wie ein konfessionell gebundenes, auf die Lehrerausbildung ausgerichtetes Gymnasium. Obgleich der Ort heute unbedeutend erscheint, war die Ausbildung in Burgpreppach so bekannt, daß selbst aus dem Elsaß, aus Ostpreußen oder Antwerpen Schüler dorthin kamen.
Leo Sonneberg schloß seine Ausbildung am Lehrerseminar in Kassel ab, ging dann für einige Zeit nach Westfalen und bewarb sich schließlich 1919 auf die Stelle eines Lehrers und Kantors der Synagogengemeinde Wachenbuchen. „Bezugnehmend auf Ihr Inserat im israelischen Familienblatte gestatte ich mir, mich um die vakante Stelle eines Lehrers und Schochets (jüdischer Schlachter) zu Wachenbuchen zu bewerben.“ So beginnt der Brief Leo Sonnebergs, mit dem er sich 1919 um die Lehrerstelle bewarb. „Vom ersten Mobilmachungstage an war ich Soldat, war als solcher zweimal verwundet und wurde im Dezember 1917 ohne Anspruch auf Rente zu meinem Berufe entlassen“, schrieb er weiterhin in seiner Bewerbung. Vor der Anstellung in Wachenbuchen arbeitete er in Neheim, Westfalen, wollte aber 1919 wieder zurück in die alte Heimat, auch um seine „zuckerkranke Mutter von Zeit zu Zeit einmal besuchen und für sie sorgen“ zu können. Sonneberg wurde für die Stelle angenommen und war bis kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten als Lehrer in Wachenbuchen tätig.
Als im Sommer 1933 die israelitische Volksschule dort geschlossen und Sonneberg in den Ruhestand versetzt wurde, konnte er trotzdem weiterhin im Schulhaus wohnen bleiben, denn er arbeitete ja noch zusätzlich für die Synagogengemeinde.
Ausgeschrieben war die Stelle auch als „Schochet“. Das ist ein Schlachter, der für das im Judentum vorgeschriebene Schächten ausgebildet ist. Erst 1924 wurden Lehramt in der Schule und Kultusdienst in der Synagoge gesetzlich getrennt. Leo Sonneberg gab nebenbei auch Religionsunterricht in Hochstadt und Langendiebach. Das Jahresgehalt belief sich 1919 auf 1.150 Mark, dazu kam noch freies Wohnen, das mit 200 Mark veranschlagt wurde. Für Reparaturen am Schulgebäude waren ganze 30 Mark vorgesehen, 60 Mark im Jahr wurden für Investitionen zurückgelegt. Die Hauptlast der Kosten trug die Synagogengemeinde mit 1000 Mark. die „Betriebsgemeinde“ Wachenbuchen trug 200 Mark bei und „vom Staate“ gab es 500 Mark, alle Summen natürlich für das ganze Haushaltsjahr.
Leo Sonneberg gibt 1934 an, daß er noch nie ins Ausland verreist ist. Sein Reisepaß wird am 8. April 1934 eingezogen (für Auslandsreisen braucht man jetzt eine Dringlichkeitsbescheinigung).
Am Freitag, de.08.11.2013 um 16 Uhr wurden auf dem früheren Schulgrundstück an der Straße Alt Wachenbuchen, direkt neben der ehemaligen Synagoge, drei „Stolpersteine“ in Erinnerung an den letzten Lehrer der Israelitischen Volksschule Wachenbuchen, Leo Sonneberg, seine Frau Hedwig, geborene Grünebaum, und deren Sohn Paul verlegt. Im strömenden Regen und unter Beteiligung vieler Maintaler Bürger wurden die drei Messingtafeln des Kölner Künstlers Gunter Demnig von der Hochstädter Firma Achim Meyer in den Gehweg neben der Straße eingesetzt. In Anwesenheit von Bürgermeister Erhard Rohrbach und Pfarrer Helmut Müller von der evangelischen Kirchengemeinde Buchen erläuterte Herbert Begemann den ehemaligen Standort von Schule und Synagoge. Anschließend verlasen er und die drei Konfirmandinnen Julia Garbe, Sabrina Hickmann und Eva Kuge Texte aus dem Leben des jüdischen Lehrers.
Der Schulbetrieb war 1938 schon fünf Jahre geschlossen, der jüdische Lehrer Sonneberg entlassen. Leo Sonneberg und seine Frau, die nach ihrer gewaltsamen Vertreibung aus Wachenbuchen zunächst nach Dörnigheim geflüchtet waren und ab 8. Dezember 1938 im Frankfurter Baumweg 64 lebten, wurden am 19. Oktober 1941 in aller Frühe in die ehemalige Frankfurter Großmarkthalle gebracht und tags darauf mit dem ersten Sonderzug über Hanau, Fulda und Erfurt nach Lodz deportiert. Von den über 1000 Personen im Zug überleben nur drei bis zur Befreiung im Jahr 1945. Am 1. April 1950 wird das ehemals bebaute Grundstück (Schulgebäude) aus der Vermögenskontrolle entlassen, da es nur 1.500 Mark wert ist. Es wird der Gemeinde Wachenbuchen übergeben.
Paul Sonneberg dagegen überlebte: Kurz vor Weihnachten 2018 erhielt das Maintaler Brüder-Schönfeld-Forum vom britischen Nationalarchiv die Kopie seiner Einbürgerungsurkunde aus dem Jahre 1954. Daraus geht hervor, daß Sonneberg zu diesem Zeitpunkt verheiratet war und in Enfield/Middlesex, einem Stadtteil von London, gelebt hat. Sein Beruf wird mit „Company Director (Watches and Jewellary)“ angegeben. Auf die Spur des 1921 in Wachenbuchen geborenen Sohnes von Leo und Hedwig Sonneberg kam der Maintaler Verein durch die Digitalkopie der Zeitung ,,The London Gazette“. In einer Liste der in das Vereinigte Königreich Eingebürgerten fand sich bei dem Namen „Paul Sinclair“ der Zusatz „formerly Paul Sonneberg“, also „vormals Paul Sonneberg“ aus Deutschland. Als erste Konsequenz gab der Vereinsvorsitzende Herbert Begemann die Information an die zentrale Datenbank der Gedenkstätte Yad Vachem in Jerusalem weiter. Denn dort wird Paul Sonneberg seit Jahren als im Holocaust ermordet geführt (MHB 16.01.2019 und HWP 09.01.2019).
Alt Wachenbuchen 37:
Das Haus gehört Herz Schönfeld (geboren am 02.01.1856, Enkel von Herz Schönfeld) und Emma geborene Strauß (geboren am 13.03.1859, Enkelin von Isaak Strauß und Hannchen geborene Müller aus Erbstadt). Der Mann ist Bruder von Abraham Schönfeld, Hanauer Landstraße 3. Auch 1941 gehört das Haus noch immer Frau Emma Schönfeld, die inzwischen in Großauheim wohnt. Am 6. Februar 1941 fordert der Landrat den Bürgermeister auf, Frau Schönfeld zu veranlassen, ihr Haus umgehend für 3.400 Mark an einen anderen Einwohner zu verkaufen. Im März erklären beide, daß sie mit dem Preis einverstanden sind. Der Bürgermeister schreibt es am 13. März an den Landrat, aber es ist deutlich, daß der Landrat zum Verkauf gedrängt hat. Die Frau wohnte 1941 in Klein-Auheim und wurde am 27.09.1942 ab Darmstadt verschleppt und starb am 07.10.1942 in Theresienstadt (laut Bundesarchiv 27.10.1942). Das Wohnhaus mit Stall wird umgeschrieben auf Franz und Katharina Fassel. Ab 3. Mai 1950 erfolgt die Rückerstattung.
Mit im Haus wohnte die Schwester der Frau, Fanny geboren am 10.09.1862, verheiratet mit Simon Grünebaum. Sie wurde am 18.08.1942 ab Frankfurt nach Theresienstadt verschleppt und am 26.09.1942 in Treblinka ermordet.
Alt Wachenbuchen 40:
Hier wohnt Salomon Strauß (geboren am 11.09.1860), Enkel von Isaak Strauß und Hannchen Müller. Er ist verheiratet mit Mathilde geborene Strauß (geboren am 04.07.1868) aus Meerholz. Der Mann stirbt am 28.01.1924 in Wachenbuchen. Sie haben fünf Kinder: von denen das jüngste gleich bei der Geburt gestorben ist:
(1.) Der älteste Sohn Joseph (geboren am 08.07 1890) ist verheiratet mit Margarethe geborene Klonower, geboren am 15.05.1891 in Berlin. Die Familie zieht am 01.10.1912 nach Saarlouis. Dann ist der Mann selbständiger Kaufmann in Krefeld. Etwa 1933 wanderte er nach Holland aus, in Arnheim, Betuwestraße21 a liegen Stolpersteine. Am 03.10. 1942 kommen sie ins Lager Westerbork (Niederlande). Am 26.10. 1942 kommen sie nach Ausschwitz.
Die Frau hat einen Sohn Werner Grünwald. Als dieser am 3. November 1961 von Keren Kayemet in Israel aus um eine Geburtsurkunde für seinen Stiefvater Joseph Strauß bittet, antwortet der Bürgermeister zunächst, ohne nähere Angaben könne man keine Auskunft geben. Grünwald macht dann nähere Angaben, nämlich daß Joseph Strauß am 8. Juli 1890 in Wachenbuchen geboren wurde und weitere Einzelheiten. Der Bürgermeister übersendet nunmehr eine Geburtsurkunde und teilt mit, daß der Betreffende sich am 1. Oktober 1910 nach Saarlouis abgemeldet hat. Joseph Strauß wird durch das Amtsgericht Wiesbaden am 10. Juli 1967 für tot erklärt.
(2.) Die Tochter Regina (geboren am 21.11.1891) ist verheiratet mit Heinrich Rosenthal und am 22.01. 1919 gestorben. Ihr Grabstein ist auf dem Friedhof Hanau.
(3.) Arthur, geboren am 08.02.1894.
(4.) Henny (Hanni), geboren am 12.10.1896.
Der heutige Besitzer des Hauses sagt, er hätte 1939 nur das Haus verkauft, die jüdische Familie hätte bis 1941 (?) noch dort gewohnt. Dann sprach Bürgermeister Seng die neuen Hausbesitzer an: „Die wohnen ja immer noch bei dir!“ Da wurden ihnen gekündigt und sie mußten nach Frankfurt gehen. Die Mutter zieht am 31.07.1940 als letzte jüdische Familie mit den Kindern Arthur und Henny nach Frankfurt, Ostendstraße 15 (laut Abmeldeliste der Gemeinde). Am 20.10.1941 wird sie ab Frankfurt, Palmstraße 10, verschleppt und am 21.11.1941 wird die Mutter in Lodz ermordet. Arthur wird dort am 10. 05.1942 umgebracht, wohl gleichzeitig mit seiner Schwester.
Der Acker des Jesel Strauß wird umgeschrieben auf Deutsches Reich und geht dann an die IRSO, die einen Rückerstattungsantrag stellt. Das Haus wird zeitweise genutzt von Philipp Bläsing. Der Besitz von Mathilde, Arthur und Henny Strauss wird schließlich wie folgt verteilt: Das Haus-Grundstück wird „umgeschrieben“ auf Hilde Stein, ebenso ein Acker und eine Wiese. Ein Acker geht an Heinrich Maisch. Ein Acker am Birkenbaum wird umgeschrieben auf Katharina Emmerich.
Kleine Hainstraße 1:
In dem Gebäude hinter dem Haus befand sich eine „Judenbäckerei“, auch „Mazzenbäckerei“ genannt. Hier half zum Beispiel die Mutter von Herrn Koch, Kleine Hainstraße 16. Der Verkaufsraum war in dem Raum nach der Straße Alt Wachenbuchen zu.
Die Bäckerei wird zunächst betrieben von Joseph Reinhardt (geboren 1852) und Hannchen geborene Montag (geboren am !7.07.1852 in Wachenbuchen, aber der Vater ist von außerhalb). Der Mann ist wohl auch von außerhalb gekommen, die Hochzeit war nicht in Wachenbuchen (Der Mann ist nicht identisch mit Jessel Reinhard, denn dessen Vater heißt Salomon und nicht Isaak). Die Gräber sind auf dem Friedhof in Hanau (12/24/11), der Mann ist gestorben am 02.02.1918, die Frau am 19.11.1910. Sie haben sechs Kinder:
(1.) Salin (geboren am 28.11.1879) heiratete am 108.09.1903 seine Frau Fanny aus Heusenstamm. Am 21.06.1941 heiratet er in Offenbach erneut. Das Ehepaar wohnte zuletzt in Offenbach, Domstraße 70. Am 30.09.1942 wurde es ab Darmstadt verschleppt, vermutlich nach Treblinka. Am 10. Mai 1962 wurde Salin Reinhardt durch das Amtsgericht Offenbach und tot erklärt, er gilt als verschollen in Polen.
(2.) Abraham, geboren 01.09.1881, stirbt am 03.05.1937 in Köln.
(3.) Sara, geboren am 05.03.1883, heiratet den Bäcker Samuel Stern aus Landeshausen bei Hof, wohnt aber zunächst mit im Haus. Der Mann ist evangelisch. Sie haben eine totgeborene Tochter und einen Sohn, geboren 12.11.1912. Die Frau ist am 28.08.1937 in „Palästina“ gestorben.
(4.) Hilda, geboren am 02.10.1884, stirbt am 17.05.1943 in New York.
(5.) Robert (geboren am 14.08.1866) ist in erster Ehe ist er verheiratet mit Franziska geborene Strauß. Sie haben am 07.09.1919 einen Sohn Joseph. In zweiter Ehe ist er seit 1930 verheiratet mit Johanna Kahn (geboren am 14.02.1892 in Külsheim). Diese bringt die Kinder Martin Kahn, geboren am 16.09.1919, und Lotte Kahn, geboren am 22.09.1923 mit in die Ehe. Mit ihr und den Kindern Joseph, Johanna, Martin und Lotte zieht er am 07.09 1936 nach Frankfurt, Rotlintstraße 54. Es gibt keinen Hinweis auf eine Deportation. Die Frau ist gestorben am 11.03.1957 in New York. Die Bäckerei übernimmt der Sohn Robert Das Haus mit der Bäckerei und der Stallung übernehmen ab 11.September 1936 Nikolaus und Helene Stallmann.
(6.) Berta (geboren am 22.04.1888) hat nach Mitteilung des Deutschen Generalkonsulats in Jerusalem vom 16. Juli 1934 die palästinensische Staatsangehörigkeit erworben, so daß der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten ist.
Kleine Hainstraße 3:
Der Stammvater der Familie ist Nathan Appel aus Hochstadt. Sein Sohn Joseph heiratet am 20.05. 1837 mit Bienchen Schönfeld aus Wachenbuchen und wohnt mit ihr Kleine Hainstraße 3. Sein Bruder ist Seligmann Appel, der aber nachher in der Hainstraße 4 wohnt. Im Stadtarchiv findet sich ein Aktenstück „Seligmann Appel baut Wohnhaus mit Stall 1887“.
Der Sohn Joseph Appels ist Herz Appel, geboren am 12.04.1857, verheiratet am 20.05.1886 mit Bertha geborene Neumann, geboren am 27.05.1859 in Nagelsberg in Württemberg. Sie haben drei Kinder: Jeanette, geboren am 08.04.1887, Paula, geboren am 27.10 1889
Malchen, geboren am 13.07.1892).
Paula stirbt am 26.05.1917 (laut Schönfeld-Forum soll sie eine Tochter Anna Geil gehabt haben, die in den USA überlebt habe. Anna Geil ist aber die Tochter von Paula Appel, geboren am 24.03.1886, Tochter von Seligmann Appel. Das geht hervor aus dem Aktenstück im
Stadtarchiv vom 15.03.50: „Anna Geil, Ley Avenue, Derbys, England, Tochter der verstorbenen Paula Appel und Enkelin des Seligmann Appel fragt nach Haus und Gartenland in der Kleinen Hainstraße. Die Antwort am 20.03.50: Seligmann Appel ist etwa 1914 nach Frankfurt verzogen und hat bei dieser Gelegenheit sein Wohnhaus verkauft.“
Die beiden Schwestern Jeanette und Malchen sind geistig behindert. Herr Koch aus der Kleinen Hainstraße 16 bestätigt das, aber damit ist noch nichts über den Grad der Behinderung gesagt. Sie kommen am 8. Mai 1939 in die Heilanstalt Weilmünster, die eine der Verschleierung dienende Zwischenstation für die Tötungsanstalt Hadamar war.
Am 7. Februar 1941 kamen sie wahrscheinlich nach Hadamar, wo sie wahrscheinlich am gleichen Tag getötet wurden. Sie gehören zu den sogenannten „T 4-Opfern“ (nach Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo die Sammelstelle war). In der Sterbeurkunde (auch im Standesamtsregister) wurde für Malchen das Vernichtungslager Cholm II bei Lublin angegeben. Das wurde aber nur zur Täuschung der Angehörigen so beurkundet, damit man nicht bemerken sollte, daß eine Heilanstalt für die Tötung von Patienten mißbraucht wurde.
Malchen hatte eine Tochter Johanna (Hannah, Jenny), laut Schönfeld-Forum am 13.04.1934 geboren, aber laut Standesamtsregister und Namenstafel in Weilmünster am 16.04.1934 (bei einem Aufenthalt ihrer Mutter in der dortigen Heilanstalt?). Vom 31.01.1936 bis 30.04.1936 war sie im jüdischen Mutter-und-Kind Heim Neu-Isenburg. Am 08.05.1939 kam sie nach Weilmünster, dort wurde sie am 10.04.1940 umgebracht. Angeblich hatte sie einen „Wasserkopf“. Sie wird als „Hannah Appel, 16.04.1934“ auf einer Gedenktafel in Weilmünster erwähnt.
Ein Grundstück des Herz Appel (Haus? Garten?) und ein Acker seiner Frau Bienchen wurden in der Nazizeit umgeschrieben auf „Deutsches Reich“. Die Cousine Anna Geil, Ley Avenue, Derby in England, Tochter der verstorbenen Paula Appel und Enkelin des Seligmann Appel, fragt am 15. März 1950 nach Haus und Gartenland in der Kleinen Hainstraße. Ihr wird am 20. März 1950 zunächst geantwortet: Seligmann Appel ist etwa 1914 nach Frankfurt verzogen und hat bei dieser Gelegenheit sein Wohnhaus verkauft. Nachher stellt sich der Fall aber anders dar: Wenn die Erben die Rückerstattungsansprüche nicht rechtzeitig gestellt haben, wird die IRSO Rechtsnachfolgerin und kann das Grundstück zurückverlangen und anderweitig verkaufen. Das ist angeblich der Fall bei den Grundstücken von Herz und Bienchen Appel, schreibt die Gemeinde am 5. September 1950. Sie möchte das Grundstück aber selber von der IRSO kaufen. Ein Haus in der Kleinen Hainstraße wurde durch Artilleriebeschuß am 28. März 1945 total zerstört, wird aber dennoch durch Wilhelm Puth genutzt. Vielleicht handelt es sich um dieses Haus. Jedenfalls ist das heutige Haus erst nach dem Krieg aufgestockt.
Kleine Hainstraße 5:
Im Haus wohnte die Familie Dessauer. Die Frau Johanna stammte aus dem Haus Kleine Hainstraße 7. Sie wurde geboren am
24.07.1889 und heiratete am 28.08.1920 den Schuhmacher Simon Dessauer, geboren am 25.11.1893 in Heringen. Der Mann war vom 28.11. bis 14.12.1938 in Buchenwald. Am 24.07.1939)(oder 27.07) zogen die
Eheleute nach Frankfurt, Hanauer Landstraße 12. Am 12.11. 1941 wurden sie nach Minsk verschleppt.
Hof und Gebäudefläche mit Stall werden „umgeschrieben“ auf Wilhelm und Maria Walter geborene Zeller. Ab 28. April 1950 läuft das Rückerstattungsverfahren. Der Wert von Hof und Gebäudefläche wird 1951
auf 4.250 Mark minus 350 Mark für Instandsetzungsarbeiten angesetzt.
Kleine Hainstraße 7:
Das Haus gehörte Levi Stern, geboren am 30.04.1853. Er heiratete am 31.05.1879 in Wachenbuchen Dina geborene Strauß, geboren am 26.03.1852 in Nidda (andere Angabe: Bindsachsen bei Kefenrod), gestorben am 25.05.1914 in Wachenbuchen (Das Grab ist auf dem Friedhof in Hanau). Sie haben sieben Kinder:
( 1.) Berta, geboren am 07.05.1880 in Nidda, heiratete 03.06. 1906 Michael Arenstein, geboren am 15.02.1876 in Haydn-Vanas (Hajdúnánás, Ungarn). Der Mann starb 1943 in Buchenwald, die Frau kam am 30.10.1943 nach Ravensbrück und starb dort am 04.12.1943.
(2.) Mina, geboren 1881, gestorben am 19.10.1885.
(3.) Karoline, geboren am 21.12.1883, heiratete Hermann Lilie aus Seligenstadt. Die Frau wurde am 27.09.1942 ab Darmstadt nach Theresienstadt verschleppt und starb am 18.05.1944 in Auschwitz. Auch der Mann wurde nach Theresienstadt verschleppt und starb dort am 11.07.1943. In Seligenstadt wurden in der Wolfstraße 9 zwei Stolpersteine verlegt.
(4.) Julius, geboren am 13.02.1886.
(5.) Sofie (Sophie).geboren am 29.07.1887, gestorben am 16.11.1888.
(6.) Johanna, geboren am 24.07.1889, heiratete am 28.08.1920 den Schuhmacher Simon Dessauer. Sie wohnten Kleine Hainstraße 5.
Kleine Hainstraße 2:
Das Haus soll nach Angabe von Herrn Stock aus Hanau 1832 erbaut worden sein (Angabe seines Großvaters). Es existiert eine Brandversicherungsschein von 1894, aus dem die Namen
von Löb Stern und Jette Schönfeld hervorgehen. Das Haus war bei seinem Verkauf an die Familie Peter Stock (im Jahre 1933 oder eher 1935) im Besitz von Adolf Strauß, dem Enkel von Jacob Schönfeld und Vetter von Seligmann Stern. Aus den Papieren geht hervor, daß der Verkauf doch nicht ganz ohne Zwang erfolgte (es wurde „umgeschrieben“. Die Familie Stock hatte das Haus in den siebziger Jahren mit Eternitplatten verkleidet. Nach dem Tod des Vaters verkauften die Kinder das Haus im Jahre 2000 an die Familie Hübenthal, die das Fachwerk wieder freilegte.
Stammeltern in diesem Haus sind Jacob Schönfeld und Schanat Dessauer. Sie hatten fünf Kinder, von denen zwei erwachsen wurden:
(1.) Die Tochter Jette (geboren am 18.01.1836) ist verheiratet mit Löb Stern (geboren am 03.04.1848.in Crainfeld. Es gibt ein Aktenstück im Stadtarchiv aus dem Jahr 1878: Löb Stern baut einen Stall im Haus. - Deren Sohn Seligmann (geboren am 01.06.1872) war im Ersten Weltkrieg in Rußland und kam mit Malaria wieder. Er war verheiratet mit Selma geborene Erlanger, geboren am 02.07.1879 in Offenbach. Die Eheleute sind wahrscheinlich nach der Hochzeit nach Frankfurt gezogen. Sie sollten eine „Judenvermögensabgabe“ in Höhe von 6.885 Reichsmark entrichten. Wegen des Versuchs, ihr Vermögen vor dem Zugriff des Staates zu retten, wurde Selma Stern am 5. Juli 1941 verhaftet.
Daraufhin nahm sich ihr pflegebedürftig erkrankter Mann Seligmann Stern das Leben. Er wurde am 7. Juli in der Wohnung tot aufgefunden. Deshalb ist er auch nicht auf dem Namenfries der Gedenkstätte Neuer Börneplatz aufgeführt. Das Grab ist auf dem Neuen Jüdischen Friedhof, Eckenheimer Landstraße.
In den Prozeßunterlagen der Zollfahndungsstelle Frankfurt heißt es: „Ihr Mann, der schwer leidend und der ständigen Pflege bedurfte und der nach Festnahme der Frau vor seiner Überführung ins jüdische Krankenhaus selbst aus dem Leben schied, hatte von den Verfehlungen seiner Frau keine Kenntnis. Frau Stern ist für ihre Unterlassungen selbst voll verantwortlich!“
Nachdem auch mit Hilfe der in Berlin lebenden Schwester Friedricke Dammann eine Kaution gestellt wurde, wurde Frau Stern am 19. September 1941 aus der Untersuchungshaft entlassen und mit Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt vom 28. Mai 1942 zu einer Geldstrafe verurteilt. Die letzte Frankfurter Adresse der Ehefrau ist Kantstraße 6 (Erdgeschoß). Dort liegen auch drei Stolpersteine. Am 01.09.1942 (oder 02.09.) wurde sie nach Theresienstadt verschleppt, wo sie am 19. März 1944 verstorben ist.
Im Hessischen Staatsarchiv in Wiesbaden sind Akten der Devisenstelle Frankfurt, der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt, eine Gefangenenakte des Gefängnisses Frankfurt-Höchst und der sie beratenden Anwälte vorhanden. Alle diese Unterlagen stammen aus der NS-Zeit. Nach dem Krieg stellte die bereits 1935 nach Palästina ausgewanderte Tochter Elfriede Knopp geborene Stern mehrere Wiedergutmachungsanträge nach ihren ums Leben gekommenen Eltern. Diese Verfahrensakten werden ebenfalls bei der Devisenstelle aufbewahrt (insgesamt 400 Seiten).
Die am 28.07.1914 in Frankfurt zur Welt gekommene Tochter Elfriede ist seit 09.10.1935 verheiratet mit Walter Knopp. Er ist geboren am 13.12.1901 in Berlin und war schon 1924 einmal in Palästina in einem Kibbuz, kehrte aber wegen einer Typhuserkrankung wieder nach Deutschland zurück. Seine Frau ging in Frankfurt ins Philantropin. Nach der Hochzeit gingen die Eheleute 1935 nach Israel.
Sie haben den Sohn Uri, geboren am 03.12.1938, und den Sohn Yoram, geboren ist am 23.03.1945. Er war erstmals 1966 in Frankfurt. Seitdem war er mehrfach in Deutschland. Über Bad Arolsen und Yad Vashem hat er sich die ersten Urkunden besorgt. Im Jahre 2011 war er in Wachenbuchen und im Staatsarchiv Wiesbaden.
Er war bei der Fluggesellschaft El-Al beschäftigt im Frachtbereich. Er wohnt heute etwas entfernt von Tel Aviv, etwa fünf Kilometer vom Meer entfernt (9 David Pais St, Rishon Lezion 75260 / Israel). Seine Frau ist Hobbymalerin und an den Fotomotiven aus Wachenbuchen und Hochstadt interessiert. Er möchte dabei sein, wenn vor dem Haus seiner Großeltern Stolpersteine verlegt werden.
Die Eheleute haben drei Kinder, die alle in Tel Aviv leben und so wie die Eltern einen deutschen Paß haben (Einreise leichter und billiger, auch nach den USA). Der Sohn ist im Computergeschäft, die Tochter Dikla (die 2011 mit dabei war) ist bei einer Fernsehkabelgesellschaft, die jüngste Tochter ist in der Werbung beschäftigt.
Die Eheleute Löb Stern und Jette geborene Schönfeld haben weiterhin die Tochter Jeanette, geboren am 15.09.1880, verheiratet mit dem Herrenschneider Eugen Weiß (oder „Weiss“), geboren am 03.06.1873 in Petersavara in Ungarn. Die Eheleute sind vor 1933 verzogen nach Frankfurt, Herderstraße.36 (hier liegen drei „Stolpersteine"). Von dort wurden sie nach Kaunas verschleppt und am 25.11.1941 ermordet. Sie haben die Töchter Julia, geboren am 15.05.1906 und gestorben in Frankfurt am 29.04.1923, und Martha, geboren am 07.05.1917, verheiratete Ottenheimer, die nach New Jersey (USA) ging.
(2.) Die Tochter Jeanette von Jacob Schönfeld und Schanat geborene Dessauer ist geboren am 29.01.1838 und heiratet am 08.06.1865 Liebmann Strauß (geboren am 25.11.1842). Deren Sohn Adolf Strauß, verheiratet mit Rosalie May, wohnte Kleine Hainstraße 4.
Kleine Hainstraße 4:
Das Haus gehört dem Kaufmann Adolf Strauß, geboren am 28.04.1873 (Sohn von Liebmann Strauß, Kleine Hainstraße 2, und Enkel von Ansel Strauß, eine Nachfahrenliste ist extra vorhanden) und seiner Frau Rosalie geborene May, geboren am 29.03.1878 in Roßdorf bei Darmstadt. Sie haben die Kinder:
(1.) Rosa, geboren am 24.01.1905, bald gestorben.
(2.) Erna, geboren am 08.10.1906, verheiratet mit Jakob Strauß, Alt Wachenbuchen 26
Die Familie ist am 3. April 1937 nach den USA ausgewandert. Stadtarchiv 06.04.1937: Der Bürgermeister teilt dem Landrat mit, daß Strauß vor etwa 14 Tagen nach Nordamerika ausgewandert ist, ohne sich polizeilich abzumelden. Die Verwaltung des Vermögens der Eheleute hat der Vater Adolf Strauß I., Reinhardstraße 4 (heute Kleine Hainstraße 4). Sie wohnen in New York, ebenso der Sohn Albert.
(3.) Ludwig, geboren am 01.09.1910, verheiratet am 15.02.1941 in New York mit Gertrude Hess aus Konstanz. Sie haben einen Sohn Larry, der geboren ist am 03.09.1941. Zu dieser Zeit war Ludwig Maler und Anstreicher (die Tätigkeiten gehen aus seinen verschiedenen Einbürgerungsanträgen hervor).
Von Beruf war Strauß ein Futtermittelhändler (die Futtermittel wurden in den Gebäuden auf der Westseite des Grundstücks gelagert). Als Strauß nach der Pogromnacht mit seiner blauen Schürze in die damalige Hauptstraße ging (heute: Alt Wachenbuchen), um die vor dem Haus Nummer 40 in der Mitte der Straße aufgeschichteten Bücher aus der Synagoge zu retten, gab ihm ein Wachenbucher (Puth?) einen Tritt in den Hintern und verjagte ihn; die Bücher wurden verbrannt (Bericht von Herrn Koch, Kleine Hainstraße 16).
Am 08.02.1939 zieht die Familie nach Frankfurt. Der Mann stirbt am 10.06.1950 in New York. Das Grundstück wird „umgeschrieben“ auf Jean Stein, der auch eine Wiese übernimmt. Heute ist es im Besitz der Familie Steeg.
Im Entschädigungsverfahren Rosalie Strauss werden am 16. Mai 1957 Urkunden benötigt für Ludwig und Erna Strauß.
Die Nachfahrenliste Michael Strauß, geboren am10.02.1850, Sohn von Jesel Strauß und Gretchen geborene Speyer, Kleine Hainstaße 4, Bruder von Dina Stern verheiratete Strauß, ist von Uri Rosenan zusammengestellt.
Kleine Hainstraße 6:
Der bebaute Hofraum gehörte früher einer Familie Strauss, die aber mit der Familie Strauß in Alt Wachenbuchen 32 zusammenhängt. Im Stadtarchiv gibt es ein Aktenstück „Siegmund Strauß baut Scheune mit Stall 1894“. Und am 4. Mai 1950 wird gesagt, das Haus Kleine Hainstraße 10 gehöre Sigmund und Michael Strauß, aber da wird es sich um eine Verwechslung mit der Hausnummer 6 handeln.
Bei Siegmund kann es sich vom Alter her nur um Siegmund, Sohn von Salomon Strauß und Jeanette geborene Adler, geboren 1903, handeln. Ein Michael Strauß läßt sich aber (vom Alter her) nicht identifizieren, vielleicht ist es ein Sohn von Siegmund.
Da die anderen Geschwister in anderen Häusern lebten (Lazarus, Hainstraße 17; Salomon, AltWachenbuchen 32; Siegmund in Frankfurt) hat wohl nur Siegmund dieses Haus bewohnt.
Siegmund und Michael Strauss sollen 1939 oder 1940 nach Amerika ausgewandert sein. Die IRSO gibt jedoch an, sie wohnten in Frankfurt, Sandweg 8. Er wohnt später in Buenos Aires, wie aus dem Eintrag in das Besucherbuch des jüdischen Friedhofs in Hanau hervorgeht, den er 1961 besuchte (Unterschirift „Sigmund“).
Der bebaute Hofraum wurde zunächst „umgeschrieben“ auf „Deutsches Reich“. Am 4. Mai 1950 und 17. August 1950 geht es um den Rückerstattungsanspruch bebauter Hofraum Kleine Hainstraße 6, früher Strauß-Wi(twe), jetzt Heinbuch. Das Wohnhaus ist allerdings durch Artilleriebeschuß zerstört, es steht nur noch eine Halle. Das Haus ist heute im Besitz der Familie Peter Heinbuch.
Kleine Hainstraße 10:
Der Viehhändler Joseph Burg, geboren am 31.03. 1875 in Hainchen (bei Siegen). Er wohnte später in Fischelbach bei Siegen und heiratete am Heirat am 11.08.1903 Mathilde geborene Stern, geboren 08.12.1875, Tochter von Meier Stern, später Herrenstraße 13).
Sie haben die Kinder:
(1.) Lina (Karolina), geboren am 08.12.1904. Sie ging am 11.12.1938 (oder 01.12.1938) nach Frankfurt, Freiherr von Stein-Straße 23. Am 16.07.1940 heiratete sie Richard Isaac (Isaak), geboren am 15.05.1899 in mehreren (Westerwald). Der Mann war mit Mutter Frieda und den Geschwistern nach Bayreuth gegangen, im Jahre 1935 waren sie in Hannover. Sie haben einen Sohn Ruben, geboren am 09.11.1941 in Frankfurt. Am 24.05.1942 wurde die Familie (mit dem Sohn) von Frankfurt nach Izbica verschleppt.
(2.) Beno, geboren am 18.08.1906, gestorben am 11.10.1907.
(3.) Gerda (bei der Geburt „Gustel“), geboren am 06.10.1908). Sie ist nach Frankfurt verzogen. Laut Bundesarchiv war sie mit einem „Strauß“ verheiratet und ist unbekannt verschollen.
(4.) Ludwig, geboren am 08.11.1910. Er war verheiratet und ging nach Frankfurt und später über die Schweiz nach Argentinien. Die Ankunft in Buenos Aires mit dem Schiff „Persier“ war am 06.04.1937. Gestorben ist er 1979 (oder 1973) in Buenos Aires.
Ludwig Burg hat eine Tochter Berta, eine verheiratete Glass mit drei Kindern. Einer von ihnen ist Marcel Glass, der 2010 Wachenbuchen besuchte.
(5.) Henny (auch „Jenny“), geboren am 01.04.1913) und verheiratet mit Julis Wachenheimer, geboren am 16.06.1901, gestorben am 25.11.1982 in Buenos Aires. Henny ist gestorben am 29.07.2003. Das Kind Marta wurde geboren am 30.10.1946 und ist verheiratet mit Juan Stern. Sie haben einen Sohn (verheiratet und zwei Kinder) und eine Tochter (verheiratet, hat Zwillinge).
Im Jahre 2007 besuchte das Ehepaar Stern aus Buenos Aires den Herkunftsort ihrer Familie.
Marta Stern geborene Wachenheimer und ihr Mann wohnen Nuniez 2395 – 4 o / A in 1429 Buenos Aires. Die Eheleute waren etwas verwundert darüber, daß Ihr Haus in Wachenbuchen nur 1.700 Mark wert gewesen sein soll. Wie man aber aus vergleichbaren Unterlagen sehen kann, war das damals durchaus ein üblicher Preis. Ein Haus erzielte höchstens 3.000 Mark, wenn es in gutem Zustand war. Man kann nicht sagen, daß Juden benachteiligt wurden. Und wenn das doch geschah, dann wurden diese Verkäufe alle nach dem Krieg noch einmal nachgeprüft und gegebenenfalls mußten die neuen Eigentümer noch etwas nachzahlen. Ein Problem ist allerdings, daß viele Grundstücke zunächst in das Eigentum der IRSO übergingen, einer Organisation, die „herrenlosen“ jüdischen Besitz übernahm, um von dem Geld überlebende Opfer zu unterstützen. Dabei ist vieles übertragen worden, weil man damals nicht wußte, daß es noch überlebende Angehörige gab. Die IRSO hat dann später Häuser zum damaligen Schätzwert an die heutigen Eigentümer verkauft.
(6.) Else, geboren am 27.05.1916. Vom 13.01. bis 09.05.1942 war sie in Frankfurt. Vermutlich am 08.05.1942 kam sie nach
Izbica. Laut Bundesarchiv ist sie unbekannt verschollen.
Lina und Else sind die in den Unterlagen des Stadtarchivs erwähnt.
Schon vor der Pogromnacht 1938 gibt es mindestens zwei Gewalttaten gegen jüdische Bürger, nämlich gegen den Juden Josef Burg (Kleine Hainstraße 10), der mit dem Kuhgespann unterwegs ist, und dann gegen Herz Appel (Kleine Hainstraße 3) und Josef Reinhardt (Herrenstraße 13), die Vieh von Ortenberg nach Wachenbuchen treiben wollten.
Die Familie zieht am 31. März 1939 (Abmeldung erst am 23.07.1939) mit sieben Personen nach Frankfurt, Roßdorfer Straße
23: Die Eltern Joseph und Mathilde und die Kinder Lina, Gerda (Gustel), Ludwig, Henny und Else. Die Eltern werden kommen am 01.09.1942 nach Theresienstadt und werden am 15.05.1944 in Auschwitz
ermordet.
Das Haus in der Kleinen Hainstraße war damals noch kleiner als heute. Es hatte eine kleine Küche (heute Bad), eine Wohnstube und ein Schlafzimmer. Die Räume im Oberstock sind so niedrig, daß man nicht darin stehen kann. Hier lebten sieben Menschen. Gerda und eine Schwester wohnten dann auch im Haus Kleine Hainstraße 5 (Zimmer ganz links). Der Garten beim Haus war noch kleiner als heute, denn ein Teil gehörte noch zum Haus Nummer 12. Außerdem muß hier noch ein Stall für mindestens zwei Stück Großvieh gestanden haben (wo heute die Garage ist?).
Henny Burg kann im Alter von 23 Jahren zunächst in die Schweiz fliehen. Dort lernt sie ihren späteren Mann Julius Wachenheimer kennen, der auch in die Schweiz geflohen ist. Er fährt dann auf einen Frachtschiff nach Argentinien. Sie folgt einige Zeit später. Als sie in Argentinien ankommt, muß sie gleich heiraten, sonst wäre sie noch mit dem gleichen Schiff zurückgeschickt worden. Es gelingt ihnen noch, den Bruder Ludwig nachzuholen. Aber als sie noch eine Schwester nachkommen lassen wollen, heißt es nur, man habe sie abgeholt. Wachenbucher können sich noch an diese Szene erinnern, als die Juden mit dreifacher Kleidung übereinander verschleppt wurden (Frau Beller nach den Erzählungen ihrer Mutter).
Erst zehn Jahre nach der Einwanderung wird die Tochter Marta geboren. Die Muttersprache in der Familie ist deutsch, nur mit Mühe lernen die Eltern Spanisch. Auch die Tochter lernt Spanisch erst in der Schule. Marta heiratet Juan Stern, dessen Eltern aus Niederweidbach bei Herborn stammen und als einzige Juden aus ihrem Ort überlebten. Er ist auch der einzige Sohn, seine Mutter ist 2006 gestorben. Im Mai 2008 besucht das Ehepaar auf Einladung der Gemeinde Bischoffen-Nieder -Weidbach und der Stadt Maintal die Heimat der Vorfahren.
Am 17. November 1960 stellt Henny Wachenheimer geborene Burg einen Entschädigungsantrag. Wieder kann der Bürgermeister keine Feststellungen über die Einkommensverhältnisse machen, weil Unterlagen beim Finanzamt nicht vorliegen. Immerhin teilt er der Anfragenden die zuständige Industrie- und Handelskammer mit. Die Familie Burg ist in den Jahren 1938/ 1939 nach „unbekannt“ verzogen (dabei weiß man doch, daß sie nach Frankfurt verzogen sind).
Aber immerhin weiß der neue Bürgermeister Hack, daß Elsa Burg in der Deportation verstorben ist. Er schreibt am 22. Oktober 1969: „Die Genannte hat die Volksschule etwa ein Jahr besucht, danach ging sie in die jüdische Schule am Ort. Es kann nicht bestätigt werden, daß sie in Hanau die Höhere Töchterschule besuchte und diese 1934 wegen ihrer jüdischen Abstammung hat verlassen müssen, da die Höhere Töchterschule nicht mehr existiert (aber die Nachfolgeschule existierte doch noch).“
Am 1. Oktober 1951 verkauft die IRSO das Grundstück Kleine Hainstraße 10 (Haus mit Schuppen) für 1.700 Mark an den Gemeindearbeiter Adam Scheidemantel und seine Ehefrau Margarete geborene Heck, die das Haus schon vorher bewohnt haben. Als Frau Scheidemantel starb, kaufte das Ehepaar Baier das stark heruntergekommene Haus und baute es erst einmal richtig aus und erwarb auch das fehlende Stück Garten von den Nachbarn.
Es gibt ein Familienbild, vermutlich aufgenommen etwa Anfang bis Mitte der dreißiger Jahre in Wachenbuchen. Es zeigt von links: Gerda, Henny, Lina, Mathilde (Mutter), Ludwig, Else und Josef (Vater). Das Original ist im Besitz der Familie Stern-Wachenheimer (Argentinien).
Hainstraße 4 (nicht: Kleine Hainstraße!)
Da Haus gehörte Seligmann Appel, geboren am 18.07.1858,Sohn von Joseph Appel und Bienchen geborene Schönfeld, und Rickchen geborene Rothfels, geboren am 16.03.1856 in Ronshausen (bei Bebra). Ihre Kinder waren:
(1.) Paula , geboren am 24.03.1886, gestorben 1938 in Offenbach (Tochter Anna Geil, siehe Kleine Hainstraße 3)
(2.) Joseph, geboren am 07.06.1891. Er ging nach Offenbach und am 22.11.1913 nach Frankfurt, Oskar von Miller-Straße 35. Am 15.09.1942 wurde er ab Frankfurt nach Theresienstadt verschleppt. Er starb
am 23.01.1943 in Auschwitz. Verheiratet war er mit Ida geborene Porcelan, geboren am 14.12.1919 in Frankfurt
Hainstraße 10:
Der Stammvater in diesem Haus ist Süßel Strauß, der kurz vor 1800 geheiratet hat. Sein Sohn ist Jessel Strauß und dessen Sohn wiederum Liebmann Strauß (zunächst Kirchhofstraße 11 und dann Hainstraße 10). Dessen Sohn wiederum ist Siegmund (Süßel) Strauß (geboren am 23.08.1864, gestorben 13.10.1924), der verheiratet ist mit Helene geborene Kahn (geboren am 13.09.1861, vorher wohnhaft in Klein-Krotzenburg). Sie war am 19.12.1938 in New York und starb am 10.11. 1944 (Anzeigedatum). Sie haben folgende Kinder:
1). Fanny, geboren am 20.05.1892, verheiratet mit Siegfried Cassel, später in Johannesburg.
2). Joseph (Josef), geboren am 19.05.1894, gestorben am 17.10.1909.
3). Adolf Strauß, geboren am 28.12.1895), von Beruf Viehhändler, verheiratet mit Irma geborene Stern, geboren am 19.08.1902 in Brückenau. Deren Kinder sind Irene, geboren am 01.06.1923, und Margot, geboren am 23.12. 1925. Der Mann war am 10.11.1938 in Buchenwald. Am 19.12.1938 ging er mit der Familie nach New York, starb aber am 06.01.1944. Auch seine Frau war später in New York. Die Tochter Irene war eine verheiratete Meyer in den USA
„Durch Verfügung des Viehwirtschaftsverbandes Kurhessen vom 28.10.1937 wurde Viehhandelserlaubnis entzogen“. Das Gewerbe wurde am 30. November 1937 abgemeldet. Am 10. November 1938 kommt Adolf Strauß ins Konzentrationslager Buchenwald. Die Großmutter Helene, die Eltern Adolf und Irma mit den Kindern Irene und Margot melden sich am 19. Dezember 1938 nach New York ab.
Das Haus mit Stall wird auf Wilhelm Schwind „umgeschrieben“. Am 30. März 1951 bittet Rechtsanwalt Cahn in der Rückerstattungssache Siegfried Cassel und Fanny geborene Strauß um die Personenstands-Urkunden von Sigmund Strauß und seiner Kinder Fanny, Josef und Adolf und dessen Kinder Irene und Margot. Am 2. März 1960 wird eine Geburtsurkunde für Fanny Cassel geborene Strauß, jetzt Johannesburg, übersandt.
Der Bürgermeister meint nach dem Krieg, in den Jahren vor 1933 dürfte das Einkommen 3.000 bis 4.000 Mark betragen haben. Adolf Strauß gibt an, im Jahre 1938 wegen der Auswanderung folgende Möbel verschleudert zu haben: 1 Speisezimmer (schwer Eiche), 1 Schlafzimmer, 1 Wohnzimmer und verschiedene Küchengeräte. Andererseits erklärt er, daß für den Transport des Umzugsguts nach Amerika 1.500 Mark gezahlt wurden. Der Bürgermeister antwortet: Es ist anzunehmen, daß er seinen gesamten Hausrat mitgenommen hat. Herr Strauß war Viehhändler, er lebte in bescheidenen Verhältnissen. Er wohnte mit seiner Frau im Haus seiner Eltern.
Im Jahre 1957 fragt der Regierungspräsident an nach Adolf Strauß. Er soll seit dem 10. November 1938 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert gewesen sein. Wichtig ist dabei, ob er über 30 Tage der Freiheit beraubt war. Der Bürgermeister antwortet wieder ausweichend und befragt erst nach Aufforderung Heinrich Giesel, der aber aussagt, daß Strauß nach wenigen Tagen entlassen wurde.
Hainstraße 13:
Früherer Eigentümer des Grundstücks war der Schwiegervater Meier Sterns mit Namen Jessel Strauss II, Salomons Sohn. Im Stadtarchiv befindet sich ein Aktenstück: „Jessel Strauß stockt Wohnraum auf 1883“. Danach ging das Haus an Meier Sterns Sohn, den Händler Julius Stern, geboren am 17.06.1879. Er heiratet vor 1912 Johanna Grünbaum, geboren in Bürgel, aber wohl wohnhaft in Rückingen (Die Mütter heißen beide mit Geburtsnamen Strauß, sind aber nicht miteinander verwandt). In Rückingen werden die Kinder Leo (geboren am 04.08.1912) und Hildegard (geboren am 09.09.1915) geboren werden. In Wachenbuchen wohnen sie Herrenstraße 13. Die Frau stirbt am 16.06.1926.
Leo Stern verzieht im September 1934 nach Kiel. Später ist er in Jerusalem. Er stellt am 27. Oktober1960 einen Entschädigungsantrag. Der Bürgermeister gibt an: Über den Umfang des Geschäfts kann aber später angeblich niemand mehr Auskunft geben. Bekannt ist nur, daß Herr Stern einen kleinen Kälberhandel hatte. Es kann nicht bestätigt werden, daß er am Viehhof in Frankfurt Kommissions- oder Maklergeschäfte getätigt hat. Der Sohn hatte angegeben, daß der Vater auf den Gütern der Umgebung Schlachtvieh aufgekauft habe und an Frankfurter Metzger weiterverkauft habe. Nach der „Machtergreifung“ sei das Geschäft sofort zurückgegangen. In der Zeit davor habe er im Monat etwa 600 bis 700 Mark verdient.
Hildegard Stern geht am 05.05.1939 nach Frankfurt, Hanauer Landstraße 12 und wird 1942 verschleppt. Sie wird 1953 in Frankfurt und 1954 in Berlin für tot erklärt.
Julius Stern heiratet am 25.02.1928 in zweiter Ehe Jettchen geborene Kahn aus Bonbaden bei Wetzlar und wohnt mit ihr später Herrenstraße 17. Im Jahre 1928 / 1929 macht er Konkurs, darüber gibt es eine Akte im Stadtarchiv. Er wird Wohlfahrtsempfänger.
Am 15.05.1939 verzieht das Ehepaar nach Frankfurt, Hanauer Landstraße 12. Vom 12.11.bis 14.12.1938 War Julius Stern in Buchenwald. Laut Geburtsregister Wachenbuchen wird er am 22.11.1941 nach Kaunas Fort IX verschleppt und am 25.11.1941 ermordet. Auch laut Stadtarchiv wurde das Ehepaar erst 1942 deportiert. Die Frau soll 1942 in Sobibor ermordet worden sein. Am 23. Mai 1953 wird das Ehepaar durch das Amtsgericht Frankfurt für tot erklärt. Auch Uri gibt an, daß Julius in Frankfurt lebte und im Holocaust starb.
In dem Haus soll auch gewohnt haben Emilie Stern geborene Goldschmidt (?), geboren am 24. oder 27. August 1867 in Ober-Seemen, die am 10. Januar 1939 Selbstmord beging (aber auch das ist nicht sicher).
Das Haus mit Stall und Scheune und weitere Grundstücke werden „umgeschrieben“ auf Hans und Maria Roth.
Hainstraße 17:
Hier wohnten Lazarus Strauß, geboren am, 07.10.1866, Sohn von Alexander Strauß und Lena geborene Strauß, Alt Wachenbuchen 32. Er war verheiratet mit Mina geborene Edelstein, geboren am 01.09.1865 in Unterriedenberg bei Bad Kissingen. Sie starb am 19.01.1933, das Grab ist auf dem Friedhof in Hanau
Die Kinder waren
(1.) Hannchen, geboren am 17.06.1892, gestorben am 28.08.1892.
(2.) Siegfried, geboren am 24.09.1894, gestorben am 28.12.1918 laut Gedenktafel am Kirchturm in Wachenbuchen Nicht: „vermutlich ausgewandert und 1940 ausgebürgert“).
(3.) Joseph, geboren am 05.03.1896, im Jahre 1928 verheiratet in Langenselbold.
Lazarus Strauß ging nach Frankfurt, Rechneigrabenstraße 18/20. Am 18.08.1942 wurde er nach Theresienstadt verschleppt und am 26.09. 1942 nach Treblinka, wo er ermordet wurde.
Hainstraße 27:
In dem Haus betreibt Samuel Strauß, geboren am 02.02.1870, eine Rindsmetzgerei mit Großschlächterei. Als er in Zahlungsschwierigkeiten kommt, führt der Sohn Alfried vom 24. April 1928 bis 4. November 1929 das Geschäft weiter. Die Familie zieht mehrfach um und wohnt zuletzt Bachstraße 8 (dort weitere Einzelheiten). Aber Anfang 1930 wird das Geschäft an den Metzgermeister Georg Schmitt verkauft. Am 19. Juni 1950 wird festgestellt, daß Georg Schmitt zwei Quadratmeter an seinem Haus in Besitz hat, die früher in jüdischem Eigentum standen. Ein Acker wird umgeschrieben auf Georg Schmitt.
Hanauer Landstraße 3:
In dem Haus richtet Abraham Strauß im Jahre 1899 einen Laden für Manufakturwaren ein. Er stammt aus der Kirchstraße 11 und heiratet 1886 Hannchen geborene Schönfeld, Tochter des Noah Schönfeld. Der Bruder Hannchen Schönfelds ist Abraham Schönfeld (geboren 01.06.1858), der dann das Geschäft führt.
Er ist in erster Ehe verheiratet mit Theresia geborene Kronthal aus Dettelbach bei Kitzingen, geboren am 04.05.1855 (laut Grabstein, laut Heiratsregister am 07.05.1855). Mit ihr hat er die Söhne: Simon, geboren am 17.10.1891, der schon in jungen Jahren vor 1933 nach Basel
ging, und
Hermann, geboren am 19.07.1892, verheiratet mit Rosa geborene Edelstein, geboren
am 18.08.1902 in Sugenheim (südöstlich von Würzburg), die am 14. Mai 1928 nach Wachenbuchen kommt. Das Ehepaar zieht am 9. März 1927 nach dem Tod des Vaters wieder von Frankfurt nach Wachenbuchen und gründet in dem Haus Hanauer Landstraße 3 ein Geschäft. Der Mann reist in der Umgebung herum und versucht, Geschäfte zu machen. Seine Frau führt zu Hause das Geschäft.
Nach der Verkündung der Rassengesetze 1935 entschloß sich die Familie zur Auswanderung. Die erforderlichen 1000 Pfund erhielten sie von Simon Schönfeld, seinem Bruder, in Basel. Im Jahre 1935 wandert er nach Palästina aus, die Familie kommt 26.02.1936 nach und hat bei Tel Aviv einen Laden bzw. Hermann arbeitet als Fliesenleger. Er stirbt am 04.10.1948 in Ramatejim (Israel), Rosa am 10.02.1967 (ihre Eltern kamen in Theresienstadt um). Ihre Tochter Thea, geboren am 13. März 1931 in Hanau, wird Lehrerin und heiratet den Kriminologen Dan Philipp, geboren 1928 in Aachen. Sie haben zwei Kinder. Thea Philipp führt in Israel den Namen „Tova Philipp“ und war 1989 und 1999 in Wachenbuchen zu Besuch. Im Oktober 2006 übersandte ich einen Stammbaum der Familie und bat um eine Fortführung und Ergänzung
In zweiter Ehe ist Abraham Schönfeld verheiratet mit Ida geborene Berliner, geboren am. 04.04.1866 in Archshofen (Württemberg) Er stirbt am 05.121926. Seine Frau Ida führt das Geschäft „Manufakturwaren“ und Landhandel weiter, bis sie es am 8. Juli 1938 abmeldet. Sie wohnt im Erdgeschoß, im Oberstockwerk wohnt ein Mieter. Sie verkauft das Haus am 29. November 1938 an den Dreher Karl Müller und
verzieht am 6. Dezember 1938 unter Mitnahme ihrer Möbel nach Frankfurt, Sandweg 79. Am 1. Juli 1939 wandert sie zum Sohn Simon in die Schweiz aus. Sie wohnt in Basel, Dachsfelderstraße 28. Als im Jahre 1954 der Entschädigungsantrag gestellt wird, ist sie schon 88 Jahre alt. Sei stirbt am 24.02.1951 in Basel.
Der neue Hauseigentümer Karl Müller gibt nach dem Krieg an, von einer Plünderung oder Zerstörung des Geschäftes sei ihm nichts bekannt. Auch der Bürgermeister widerspricht den Behauptungen der Familie Schönfeld, sie habe das Haus fluchtartig verlassen müssen. Ida Schönfeld habe ihren Weggang vorbereitet und die Einrichtungsgegenstände mitgenommen. Das Geschäft „Manufakturwaren“, soweit man davon überhaupt noch sprechen konnte, habe sie selber aufgelöst.
Der Bürgermeister teilt mit, daß als Erben für das Geschäft in Frage kommen: Simon Schönfeld (geboren 1891), der sich schon in jungen Jahren in der Schweiz aufgehalten hat, und Hermann Schönfeld und seine Stiefmutter Ida Schönfeld. Der Bürgermeister kann angeblich keine Angaben darüber machen, wie die familieneigenen Arbeitskräfte des Geschäftes Hermann Schönfeld ausgelastet waren, und windet sich um eine klare Antwort herum: Frau Rosa Schönfeld war in dem Geschäft tätig, hat aber wohl auch den Haushalt geführt. Der Bürgermeister meint: Das Geschäft wurde eventuell von Hermann Schönfeld betrieben, lief aber auf den Namen der (Stief-) Mutter.
Rosa Schönfeld widerspricht der Darstellung des Bürgermeisters, das Geschäft sei auf den Namen der Mutter gelaufen und Hermann Schönfeld habe es nur betrieben. Ihr Mann Hermann war bis kurz nach dem Tod seines Vaters aus beruflichen Gründen in Frankfurt. Nach dem Tod des Vaters siedelte er ins Elternhaus um und gründete ein Geschäft auf seinen Namen. Nur der Grundbesitz stand auf dem Namen des Vaters und wurde nach dem Zwangsverkauf auf die drei Erben verteilt.
Mit der Stiefmutter Ida hatte er keinerlei geschäftliche Verbindung. Hermann Schönfeld hat täglich die Landkundschaft aufgesucht, also ein Reisegeschäft betrieben, während seine Frau in Wachenbuchen das Manufakturgeschäft führte. Sie möchte eine Entschädigung aus eigenem Recht haben, weil sie dem Ladengeschäft vorgestanden hat. Der Bürgermeister windet sich aber auch am 27. Februar 1957 um eine klare Antwort herum: Sie ist in dem Geschäft tätig gewesen, hat aber auch nebenbei ihrem Haushalt vorgestanden. Dabei sei ganz eindeutig, daß allein die Schwiegermutter den Haushalt geführt hat.
Hanauer Landstraße 5:
Das Haus gehört Salomon Strauß, geboren am 10.10.1882, Sohn des Leopold Strauß vom Rübenberg 3. Er heiratet am 21.12.1912 Hedwig geborene Strauß, geboren am 01.08.1891, Tochter des Salomon Strauß aus dem Haus Alt Wachenbuchen 26. Sie haben die Kinder:
(1.) Charlotte, geboren am 01.03.1914 (laut Standesamt, andere Angabe 13.03.1914), verheiratete Metzger, gestorben im November 1980 in New York.
(2.) Hanna, geboren am 16.01.1920, ist eine verheiratete Sinn und wohnt in New York. Am 19. Juni 1957 beginnt sie die Entschädigungssache. Sie hat bis 1934 die Mittelschule in Hanau besucht, hat diese aber verlassen müssen und ist ausgewandert. Sie stirbt am 26.7.2007 in New York. Sie haben einen Sohn Steve, der mit einer Spanierin verheiratet ist und in Barcelona wohnt (sie haben keine gemeinsamen Kinder, aber sie hat Kinder). Eine Ablichtung des Reisepasses von Hedwig Strauß, der Großmutter von Steve Sinn, liegt vor.
(3.) Leopold, geboren am 19.02.1922. Er ist verheiratet und reist aus nach New York. Er stirbt dort am 13.10.1971. Sie haben einen Sohn David, der seit 198 in Efrat, in der Nähe von Jerusalem wohnt. Er ist heute Übersetzer aus dem Hebräischen ins Englische. Am 4. Dezember 2011 besucht er mit zwei Söhnen den Stammort seiner Familie. Sein Sohn Schlomo (ein Architekturstudent) war damals zu einem Praktikum bei der jüdischen Gemeinde und er besuchte ihn zusammen mit dem Sohn Jehuda (einem Medizinstudenten). Sie besuchten die Synagoge und die Häuser Alt Wachenbuchen 26, Bachstraße 8, Rübenberg 3, Rübenberg 11 und Hanauer Landstraße 5.
Anschließend waren sie auf dem jüdischen Friedhof in Hanau, wo mehrere seiner Vorfahren begraben sind. Das Grab der Großmutter Bertha war leicht zu finden. Schwieriger war es mit den Gräbern der Verwandten. Aber zum Glück konnten die Gäste ja Hebräisch und identifizierten das Grab von Julius Strauß unter dem Namen „Jitzhak“ und Sara Strauß ließ sich schließlich auf dem hebräischen Text auch identifizieren. Ihre Muttersprache ist allerdings Englisch, sie sprachen auch untereinander auf Englisch. Schließlich wollten sie noch den Gedenkstein für die Synagoge in Hanau besuchen. Auf dem Weg dorthin kommt man an der Mauer des ehemaligen Gettos vorbei, an der jetzt kleine Gedenktafeln für die Hanauer Juden angebracht sind. Sie sahen sich den Platz der ehemaligen Synagoge an und auch den gegenüberliegenden Gedenkstein mit den Erläuterungstafeln.
David Strauß stellte in einem längeren Schriftverkehr richtig, daß sein Urgroßvater „David” hieß und nicht „Moses”, denn er trägt seinen Namen. Die Verwechslung ist erklärbar durch die vielen ähnlichen Namen in Wachenbuchen (es gibt zwei Leopold Strauß, die auch fast zur gleichen Zeit geheiratet haben. Aber nur der mit Bertha geborene Nußbaum verheiratete ist der Vorfahre. Der andere Leopold war mit einer Betty verheiratet, die dazu noch die Schwester von Bertha war). Durch erneute Auswertung der Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Grabsteininschriften konnte der Fehler geklärt werden.
Es gibt eine weitere Schwierigkeit: Als Geburtsort für Bertha Nußbaum ist in Wachenbuchen eindeutig „Neunkirchen“ angegeben, nicht „Neukirchen“. Auf dem Grabstein der Schwester Sara Nußbaum steht aber „Neukirchen“. Nun gibt es in Deutschland eine Unmenge von Ortsnamen „Neukirchen“ und „Neunkirchen“. Unter den Geburtsorten kommt „Neunkirchen“ bei den Maintaler Juden nicht vor. Der Ort „Neukirchen“ ist aber Geburtsort eines Lehrers in Dörnigheim, aber auch da ist nicht gesagt, um welches „Neukirchen“ es sich handelt). Gemeint ist hier aber Neukirchen im Schwalm-Eder-Kreis in der Nähe von Ziegenhain, denn nur dort gab es eine jüdische Gemeinde, nicht aber in Haunetal-Neukirchen oder Braunfels-Neukirchen
David hat auch an das Standesamt Hanau geschrieben wegen der Heiratsdurkunde für Leopold Strauß und Bertha geborene Nußbaum, der im gemeinsamen Standesamtsregister von Wachenbuchen und Mittelbuchen sein könnte. Ob er Erfolg gehabt hat, weiß ich aber nicht.
Die Familie Salomon Strauß geht am 1. Juni 1937 nach Frankfurt, Ostendstraße 26. Vom 10.11.1938 bis 09.12.1938 war Salomon Strauß im Konzentrationslager Buchenwald. Im Mai 1941 geht die Familie über Hamburg und Lissabon in die USA. Am 20.01.1944 sind sie in New York. Hedwig lebt dort mit ihrem Sohn Leopold und stirbt am 03.0.51985. Auch Salomon stirbt 1985. Das Haus in Wachenbuchen mit Scheune hat Jean Reichling in Besitz.
Hanauer Landstraße 20:
In dem Haus wohnen Josef Strauß (geboren am 13.06.1891) und Selma geborene Stern (geboren 17.02.1900 in Dörnigheim). Sie heiraten am 27.05. 1926 in Dörnigheim und haben seit 05.08.1927 den Sohn Lothar (geboren in der Hanauerlandstraße 20 in Wachenbuchen). Der Mann stammt aus dem Haus Kirchhofstraße 11, die Frau aus Dörnigheim, Schwanengasse 4. Josef Strauß hat am Ersten Weltkrieg teilgenommen und dabei einen Arm verloren. Eine Erwerbstätigkeit war dadurch natürlich erschwert, die Familie mußte um das wirtschaftliche Überleben kämpfen. Das Haus geht schließlich an Eduard Hartherz.
Nachdem die Familie noch kurzzeitig im Haus Schulstraße 32 gewohnt hat (aus diesem Grund wurden die Stolpersteine hier verlegt, nicht in der Hanauer Landstraße 20). Um den Anfeindungen besser entgehen zu können, wich die jüdisch-orthodoxe Familie am 15. April 1934 aus in die Schwanengasse 4 in Dörnigheim in das Haus des Schwiegervaters Josef Stern. Die Dörnigheimer kaufen zunächst auch in dem Metzger-Geschäft ein, aber mit der Zeit werden es auch dort immer weniger.
Der Sohn Lothar geht zunächst in Wachenbuchen zur Schule. Als die Familie nach Dörnigheim umzieht, geht er auch dort in die Schule. Aber von 1937 bis 1938 muß er nach Frankfurt auf die Schule gehen. Ab 1938 lebt die Familie in Frankfurt im Sandweg. Von dort wurden sie am 15.09.1942 nach Theresienstadt verschleppt und am 06.10. 1944 nach Auschwitz und dort ermordet.
Der Sohn Lothar wurde wie Eltern über Theresienstadt bis Auschwitz verschleppt. Im Jahre 1944 wird der damals 17-jährige Lothar er für einige Monate in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verlegt. Die Kinder hat man zuerst dorthin geschafft und ihnen versprochen, daß die Eltern nachkommen werden. Sie kommen auch, werden aber umgebracht. Lothar kam aber dann ins Konzentrationslager Dachau, wo er im 29.04.1945 befreit wurde. Er reiste in die USA aus und wohnte in Culver City in Kalifornien. Seitdem führt er den Namen Larry Strauß.
Mit seiner ersten Frau hat er die Söhne Steven und Jim. Am 15. November 1960 wird bei der Gemeinde Wachenbuchen eine Geburtsurkunde für Lothar Strauß angefordert.
Mit seiner zweiten Frau Laura besuchte Larry Strauß auf Einladung der Stadt Maintal seinen Geburtsort Wachenbuchen erst wieder im Jahr 1997. In einer bewegenden Begegnung mit jüngeren Deutschen war es ihm damals möglich, einige grausame Erlebnisse in den Konzentrationslagern zu schildern, obwohl er bis dahin auch gegenüber seinen Söhnen nicht darüber gesprochen hatte. Einige Jahre später stellte er sich einem Interview der vom Regisseur Steven Spielberg gegründeten Shoah Foundation.
Im Jahre 2006 konnte Lothar Strauss, begleitet von seiner Frau Laura und einer Pflegerin, auf Einladung der Stadt Frankfurt seine deutsche Heimat ein weiteres Mal besuchen. Dazu gehörte auch ein Besuch des jüdischen Friedhofs in Hanau, wo die Großeltern und eine Tante begraben sind. Lothar Strauss ist an der Mauer des jüdischen Friedhofs in Frankfurt als Opfer aufgeführt, einer von zwei Fällen, in denen sich die Angaben zum Glück nicht bestätigt haben.
Zuletzt lebte Lothar Strauss in Los Angeles. Er starb am 24.04. 2011 in Studio City (Kalifornien) im Alter von 83 Jahren. Im Herbst 2011 wurden in der Schulstraße in Wachenbuchen drei Stolperteine verlegt, die Lothar Strauss und seinen Eltern gewidmet sind.
Schulstraße 16:
Das Haus gehört Isaak Reinhardt, geboren am 15.02.1858, Sohn des Isaak Reinhardt aus der Bachstraße 12 und Enkel des Abraham Reinhardt. Im Stadtarchiv gibt es ein Aktenstück „Isaak Reinhardt baut ein Wohnhaus 1905“. Dabei kann es sich nicht um seinen Vater, Bachstraße 12, handeln, denn der ist 1857 schon vor der Geburt des Kindes gestorben. Eine Verwandtschaft mit dem Bäcker Reinhardt in der Kleinen Hainstraße 1 und mit der Familie Abraham Reinhard in der Kleinen Hainstraße 4 läßt sich nicht feststellen. Eine Übersicht über die Nachkommen von Abraham Reinhardt ist unter „Juden, Bilder alt“ erhalten
Issak Reinhardt ist verheiratet seit dem 11.01.1881 mit Malchen (Amalie) geborene Morgenstern, geboren am 29.07.1859 in Georgenhausen bei Reinheim im Odenwald. Sie haben zwei Söhne: Abraham; geboren am 18.12.1881, gestorben am 14.01.1907 in Wachenbuchen, und Sali, geboren am 13.07.1888, gestorben am 25.10.1918 in Wachenbuchen. Isaak Reinhardt soll einen Kolonialwarenladen gehabt haben und blind gewesen sein.
Isaak Reinhardt stirbt laut Sterberegister am 29.08.1936 in Düdelsheim, auf dem Grabstein steht wohl das Datum
der Beisetzung, nämlich 31.08.1936 und „gestorben in Wachenbuchen“. Seine Frau verkauft im März 1938 das Haus zum Preis von 10.500 Mark an Wilhelm und Wilhelmine Schäfer und zieht am 26. April
1937 nach Langenselbold und später nach Frankfurt, Gagernstraße 36. Von dort wird sie verschleppt und stirbt am 19.1.1943 in Theresienstadt (in der Todesfallanzeige steht das falsche
Geburtsdatum 10.Juli)
Der Bürgermeister bestätigt am 24. März 1950, daß Wilhelm Schäfer das Haus in gutem Einvernehmen mit der Verkäuferin kaufte und der Kauf nicht unter Zwang erfolgte. Er sagt ausdrücklich: Herr Schäfer
gilt als Antifaschist. Ein Acker von Malchen Reinhardt wurde „umgeschrieben“ auf Heinrich Hartherz.
Weitere landwirtschaftliche Grundstücke werden verpachtet oder umgeschrieben auf Heinrich Giesel, Heinrich Glinder, Johannes Hahn, Heinrich Maisch, Heinrich Mankel, Heinrich Müller, Johannes Puth, Philipp Puth, Jakob Stein. Wilhelm Stein und Philipp Wenzel. Aber jetzt nach dem Krieg geht alles ordnungsgemäß zu. Es wird Pacht bezahlt und es werden ordentliche Kaufverträge geschlossen.
Nicht einzuordnen ist folgende Familie:
Grünewald, Harri, geboren am 03.10.1896 in Wachenbuchen, ist nicht ehelich geboren und unter dem Namen „Schönstädt“ eingetragen. Nach der Hochzeit von Moses Grünewald und Rachel geborene Schönstädt im Jahre 1897 in Elberfeld wurde er aber als ehelich anerkannt und führte den Namen „Grünewald“.
Eine Pressemitteilung über den Tod von Lothar Strauß erscheint 2011 im Tagesanzeiger
Am 27. Januar.2012 erscheint im Tagesanzeiger ein Artikel „Erinnerung an jüdische Opfer“ anläßlich des heutigen Gedenktags an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Jetzt folgen noch verschiedene Quellen zu den voranstehenden Ausführungen
Stadtarchiv Maintal
Bischofsheim:
Stadtarchiv Abteilung XVIII, Abschnitt 5, Konvolut 31, Faszikel 1:
17.01.42: Blumenthal, Berta Sara, Niedergasse 3, Kenn-Ort Hanau Nr. A 00027,
hat einen schwarzen Damenmuff und 3 Leibbinden beim Bürgermeister abgeliefert.
Faszikel 4: 04.11.37: Der Bürgermeister berichtet: Die wenigen in der hiesigen Gemeinde noch ansässigen Juden haben keinerlei Verbindung mehr zu der Bevölkerung. Der Handel mit Juden kann hier nicht mehr ausgeführt werden, da im Ort keine jüdischen Geschäfte vorhanden sind. Das Verhalten der Juden hat zu polizeilichem Einschreiten keine Veranlassung gegeben. Strafbare Handlungen durch Juden sind hier nicht vorgekommen.
04.11.37: Juden, die im Besitz einer Legitimationskarte sind:
Selig, Berta, Händlerin, geboren 26.10.1880, Schäfergasse 21
In der Gemeinde wohnende Halbjuden:
Leimbach Adam 07.07.1907 Berger Straße 7
Grünwald Johanna, geb. Leimbach, 24.06.1910 Berger Straße 7
Grünwald Maria 22.12.1932 Berger Straße (gestrichen)
Liste der in der Gemeinde Bischofsheim wohnhaften Juden:
Stern Emma o.B. (Witwe) 21.11.1881 in Langenbergheim Obergasse 14
Stern Rosa Verkäuferin 28.11.1916 Bischofsheim „
Stern Simon Althändler 02.01.1882 Bischofsheim Niedergasse
Wolf Max Taschner 30.07.1915 Bischofsheim „
Wolf Hermann Kaufmann 07.09.1912 Bischofsheim „
Wolf Ludwig Schuhmacher 01.02.1915 Bischofsheim „
Blumenthal Berta o.B. 05.04.1870 Bischofsheim Schäfergasse 2
Blumenthal Hugo o.B. 12.12.1907 Bischofsheim „
Selig Levi Händler 29.03.1876 Reichelsheim/O. Schäfergasse
Selig Berta Händlerin 26.10.1880 Bischofsheim „
19.11.38: Die Gestapo meldet dem Bürgermeister, daß u.a. Hugo Blumenthal, geboren 29.12.07, wohnhaft in Bischofsheim, wegen Lagerunfähigkeit aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen werden muß. Die Angehörigen sollen die Kosten für die Rückfahrt telegrafisch an die Kommandantur des Konzentrationslagers Buchenwald absenden.
08.12.38: Der Bürgermeister meldet dem Landrat, daß anläßlich der Protestaktion gegen Juden keine Sachwerte sichergestellt werden müssen (vor allem ging es auch um Devisen und Kultusgegenstände).
13.12.38: Auch Führerscheine und Zulassungspapiere sind nicht einzuziehen.
23.01.39: Der Bürgermeister meldet dem Landrat die arbeitsfähigen männlichen und weiblichen Juden über 16 Jahre:
Blumenthal Hugo 29.12.1907 in Bischofsheim ohne Beruf Niedergasse 3
Blumenthal Berta 05.04.1878 in Bischofsheim ohne Beruf Niedergasse 3
Stern Hilde 11.03.1904 in Hochstadt Hausangestellte Niedergasse 22
Abteilung XXIII, Abschnitt 1, Konvolut 1, Faszikel 1:
05.03.42: Die Gestapo hat angeordnet, daß auch die in deutsch-jüdischen Mischehen lebenden Juden zu erfassen sind. Der Bürgermeister macht jedoch Fehlanzeige.
04.06.42: Der Bürgermeister sendet dem Landrat die Identitätskarte und ein Lichtbild der italienischen Staatsangehörigen Annie Lenardon, geboren am 28.04.1921. Sie ist nicht im Besitz eines ordnungsmäßigen italienischen Passes. Sie soll sofort beim italienischen Konsulat in Frankfurt vorstellig werden und einen Paß beantragen. Dieser ist dem Landrat spätestens am 20. des Monats vorzulegen zwecks Erteilung der Aufenthaltserlaubnis.
26.09.39:
Der Bürgermeister überreicht dem Landrat das bei der Aktion am 23. des Monats beschlagnahmte ein Rundfunkgerät eines Juden.
Faszikel 4:
13.11.42:
Die Grundstücke von Bertha Sara Blumenthal wurden 1942 wie folgt bewirtschaftet:
Wilhelm Reuhl VIII. Niedergasse 8 51,65 a
Emil Kraus Friedhofstraße 4,00 a
Robert Reuhl Feldstraße 20 4,00 a
Josef Schrott Schäfergasse 3,80 a
Frau Blumenthal selbst 16,04 a
Insgesamt 79,49 a.
23.03.42: Volljuden in der Gemeinde Bischofsheim
Blumenthal Berta Sara 05.04.1878 Niedergasse 3
Wolf Max Israel 30.07.1910 Niedergasse 22
Wolf Hermann Israel 07.09.1912 „
Wolf Ludwig Israel 01.02.1915 „
28.05.42: Den Frauen Paula Sara Wolff und Emma Sara Wolff, beide in Frankfurt, wird zwecks Abwanderung mit ihren Ehemännern der Zuzug nach Bischofsheim genehmigt.
Abteilung XIII, Abschnitt 1, Konvolut 1, Faszikel 1:
10.07.42: Nachweisung über die an die Gemeinde Bischofsheim abgegebenen Möbelstücke und Hausrat von abgeschobenen Judenfamilien:
Gebrüder Wolff: (Schätzwert und erzielter Preis, wenn abweichend)
1 Bett komplett 5,00 Mark Studenroth, Johannes 20,00
1 Kommode (alt) 1,00 Grob, Kurt
1 Vertikow 5,00 „
1 Bank 1,00 „
3 Stühle 2,50 Grob und Brösamle 4,00
1 Wanduhr 10,00 Studenroth, Johannes
Wäsche 3,00 Grob
1 Küchenschrank mit Inhalt 5,00 Lotz, Johannes
1 Kleiderschrank 20,00 Brösamle
Kleidung 5,00 Grob
1 Waschkommode 3,00 Lotz
1 Spiegel 1,00 Studenroth, Johannes 2,00
1 Kocher elektrisch 2,00 Schmid, August
1 Tisch 4,00 Grob
3 Betten 15,00 Schmid, August
1 Kiste 2,00 Grob
1 Holzkoffer 2,00 Grob
1 Kleiderschrank 5,00 Studenroth, Johannes
1 Nachttischschränkchen 1,00 Schmid 2,00
1 Küchenschrankaufsatz 2,00 Schmid
Brand im Keller 3,00 Gemeinde
zusammen 97,50 Reichsmark.
15.08.42: Der Bürgermeister übersendet die Nachweisung für die von der Judenfamilie Gebrüder Wolff durch Vermittlung des Finanzamts Hanau übernommenen Möbelstücke. Es handelte sich um sehr verbrauchte, teilweise minderwertige Gegenstände. Die Gegenstände wurden an minderbemittelte, teilweise kinderreiche Volksgenossen angegeben. Der Erlös betrug 116 Mark. Aus dem Mehrerlös wurden die entstandenen Unkosten gedeckt. Der Mehrbetrag von 18,50 Mark wurde der Gemeindekasse zugeführt.
11.09.42: Der Bürgermeister meldet dem Landrat, daß „am 5.September 1942 die hier noch anwesende Jüdin mit dem vorgesehenen Transport von hier abgereist ist“. Ihre Wohnung ist von Polizeimeister Brösamle unter Hinzuziehung eines Gemeindeangestellten ordnungsmäßig verschlossen worden „und hat die Angelegenheit somit für hier ihren Abschluß gefunden“.
02.12.42: Die Landesleihbank Hanau fragt an, in welchen Besitz des Haus Niedergasse 22 übergegangen ist, weil darauf noch eine Hypothek lastet. Das Haus gehörte der Witwe Alfred Wolfs geborene Stern, die inzwischen verstorben ist, die Erben sind abgeschobene Juden.
18.08.42: Berta Blumenthal geb. Goldschmidt, geboren am 05.04.1878 in Bischofsheim, erhält für den 19.08.42 von 7 - 18 Uhr die Erlaubnis, ihre Wohngemeinde Bischofsheim zu verlassen und mit der Bahn nach Frankfurt zu fahren. (am 10.12.41 und 07.01. und 11.01.42 noch von 10-20 Uhr genehmigt)
12.12.39: Der Bürgermeister übersendet dem Wehrbezirkskommando Fulda den Wehrpaß des Juden Ludwig Israel Wolf, Niedergasse 22, und bittet um Übersendung des Ausschließungsscheins. Vom Arbeitsdienst war er seit 19.07.1935 b3freit, weil er „Nicht-Arier“ war.
10.01.42: Hermann Wolff (geboren 07.09.12), Max Wolff (30.07.10) und Ludwig Wolff (01.02.159 erhalten eine polizeiliche Erlaubnis, am 11.01.42 nach Frankfurt fahren:
14.07.42: Auf die Anfrage des Finanzamtes wegen des Nachlasses des verstorbenen Althändler Simon Israel Stern antwortet der Bürgermeister: Er hat mit den drei Söhnen seiner verstorbenen Schwester einen ärmlichen Haushalt geführt. Die drei Brüder Wolff sind am 21.05.42 unbekannt verzogen. Den Hausrat (wackelige Stühle, zermürbte Betten, wurmstichige Tischchen, Schränke) hat die Gemeinde für die NSV für 97,50 Mark übernommen. Es ist anzunehmen, daß die Brüder Wolff die Krankheits- und Beerdigungskosten selbst bezahlt haben.
16.01.42: Von den Bischofsheim wohnenden Juden wurden heute die nachstehenden Gegenstände abgeliefert:
1 schwarzer Damenmuff
3 Leibbinden
Bischofsheim, den 16. Januar 1942
Sally Katz, Vertrauensmann für Hochstadt und Bischofsheim, Bezirksstelle Hessen-Nassau der Reichsvereinigung der Juden (handelte es sich um eine Sammlung für Soldaten?)
02.04.42: Juden müssen Woll- und Pelzsachen sowie Skier, Skischuhe und Bergschuhe im Zuge der Sammelaktion für die Ostfront abgeben.
15.01.42: Eine Sammlung von Wollsachen blieb ohne Erfolg, da die Juden nicht über das Notwendigste für sich verfügen
06.05.42: Aktennotiz
11.06.42: Die Brüder Wolff, Niedergasse 22, sind am 30.05.42 „ausgewandert“. Der Bürgermeister bittet um Stundung der Hauszinssteuer.
08.06.42: Die drei Brüder Wolff sind am 30.05.42 ausgewandert. Das Haus in der Niedergasse 22 besteht aus vier Räumen und einer Küche. Diese sind von Gendarmeriemeister Brösamle unter Hinzuziehung des Ersten Beigeordneten Fritz verschlossen worden. Über die zurückgelassenen Gegenstände wurde eine Liste aufgestellt.
Bei den Juden handelt es sich um minderbemittelte Personen, so daß sich nur geringwertige Möbel und Hausgräte noch in der Wohnung befinden. Das Haus ist versiegelt worden, die Schlüssel wurden dem Finanzamt Hanau übergeben. Für das Grundstück sind 6,88 Mark Steuer zu zahlen. Auf dem Grundstück liegen Hypotheken von über 1.300 Mark. Der Bürgermeister möchte, daß das Haus deswegen möglichst schnell vermietet wird.
02.06.42: Die Diskuswerke bitten den Bürgermeister, ihren Facharbeiter Willi Frischkorn bei der Vergabe von Judenwohnungen in erster Linie zu berücksichtigen, weil sein Haus am alten Friedhof (Zwingerstraße) abgebrochen werden soll, um die Straße gerade führen zu können.
04.06.42: Weitere Interessenten für das Haus Wolff sind:
Die Nachbarn aus der Niedergasse 24, Karl Grimm und Ernst Hahn
Berta Wörner, Berger Straße 4.
Reinhard Seibel, Niedergasse 22
Wilhelm Gundelach, Rumpenheimer Weg 7
23.09.39: Die Juden dürfen nur noch in folgenden Geschäften einkaufen:
Fleischwaren bei Fink (Zwerchgasse), Lebensmittel bei Lerch (Fechenheimer Weg 34),
Backwaren bei Wörn (Hintergasse) und Friseur Mymfzek (Zwerchgasse). Bekleidung, Geschirr, Schuhe, Drogen und Elektroartikel gibt es nur in Geschäften in Hanau.
26.09.39: Simon Stern, Niedergasse 22, hat sich bisher geweigert, einen Koffer mit Kleidungsstücken an seine Nichte Hilde Stern (geb. 11.03.04) in die Landesheilanstalt Herborn zu schicken. Das Gesundheitsamt Frankfurt bittet den Bürgermeister, Stern zum Abschicken des Koffers zu veranlassen.
13.06.39: Die Verkaufsverhandlungen über den Wolff’schen Grundbesitz schweben noch (Johanna Wolff, geb. Stern, Witwe des Händlers Alfred Wolf). Die Aufenthaltsgenehmigung für die Brüder Wolff wurde bis zum 01.10.30 verlängert, so daß vor diesem Zeitpunkt ein Verkauf nicht zu erwarten ist.
04.03.39: Als Erben der Johanna Wolff geb. Stern kommen deren Söhne Max (30.07.10), Hermann (07.09.12) und Ludwig (01.02.15) in Frage. Sie wollen auswandern, so daß das Haus auch ohne Zwangsversteigerung zum Verkauf kommt.
22.02.39: Die Genossenschaftliche Treuhand-Gesellschaft ist in den Besitz einer Aufwertungshypothek auf dem Grundstück der 1932 verstorbenen Johanna Wolff gekommen. Sie möchte das Haus zwangsversteigern lassen.
27.06.39: Der Bürgermeister meldet der Geheimen Staatspolizei, daß die Frist zur Auswanderung von Wolff bis zum 01.10.39 verlängert wurde. Die Auswanderung des Wolff wird aber überwacht und zu gegebener Zeit mitgeteilt.
13.05.39: Der „Aktionsjude“ Ludwig Wolff (geboren 01.02.15) wird in den nächsten Tagen wegen seiner beabsichtigten Auswanderung aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen. Die Angehörigen sollen die Rückreisekosten umgehend telegrafisch an die Kommandantur Buchenwald überweisen.
18.04.39: Hermann Wolff (geboren 07.09.12) hat sich bereit erklärt, bis zum 15. Juni 1939 auszuwandern. Er ist angewiesen, sich zweimal wöchentlich auf dem Bürgermeisteramt zu melden. Der Vollzug der Auswanderung ist an die Gestapo in Frankfurt zu melden.
06.09.48: Vor 1933 in Bischofsheim wohnhafte Juden (über umgekommene Juden ist nichts amtlich bekannt geworden, von den verschleppten Juden sind keine zurückgekehrt):
Blumenthal Bertha Schäfergasse 2
Blumenthal Manfred „ ausgewandert
Blumenthal Hugo “
Wolff Max Niedergasse 22
Wolff Hermann „
Wolff Ludwig „
Stern Simon Niedergasse 22
Stern Emma Obergasse 14 ausgewandert
Stern Rosi „ ausgewandert
Selig Levi Schäfergasse 21
Selig Berta „
Selig Klara „
Selig Emilie „
Selig Berthold „
Hirsch Oskar Zwerchgasse 1
Hirsch Josefine „
Hirsch Richard „ ausgewandert
Meyer Isidor Schäfergasse 10 ausgewandert
Meyer Sessi „ ausgewandert
Meyer Siegfried „ ausgewandert
Leopold Hermann „ ausgewandert
Leopold Herta „ ausgewandert
Leopold Günther „ ausgewandert
Leopold Ernst „ ausgewandert
06.11.41: Berta Blumenthal erhält die polizeiliche Erlaubnis, am 13.11.41 mit der Bahn nach Frankfurt zu fahren.
19.07.47:
Rosa Levy geborene Stern fragt nach dem Schicksal der Brüder Wolff, Simon Stern, Berta Blumenthal und Sohn Hugo. Sie ist die Tochter des verstorbenen Adolf Stern und wohnt in St. Louis in den USA.
Der Bürgermeister antwortet am 27.03.47: Simon Stern ist am 8. Januar 1942 an Herz-Kreislauf-Schwäche in Bischofsheim verstorben. Die anderen sind im Sommer 1942 nach Frankfurt gebracht worden und wurden von dort nach dem Osten (Polen) verschleppt. Über ihren weiteren Verbleib ist nichts bekannt geworden. Der jüdische Besitz ist von der amerikanischen Militärregierung blockiert.
15.11.46: In Bischofsheim wohnten am 01.01.33 noch 21 Juden, am 01.09.39 waren es fünf Juden. Die meisten Juden meldeten sich in den Jahren 1935/36 nach Frankfurt ab. De letzte Jüdin Berta Blumenthal meldete sich 1942 polizeilich ab (1943?). Für sämtliche Judenhäuser liegen ordnungsmäßige Kaufverträge vor. Es sind bis heute noch keine Juden zurückgekehrt. Über das weitere Schicksal der Juden ist hier nichts bekannt.
Sterbefall-Anzeige:
Simon Israel Stern, Althändler, Religion israelitisch, wohnhaft in Bischofsheim, Niedergasse 22, ist am 8. Januar 1942 um 17 Uhr, im Bischofsheim verstorben. Er war geboren am 02.01.1882 in Bischofsheim, als Sohn des Lumpensammlers Nathan Stern und dessen Ehefrau Regine geb. Müntz. Er war ledig. Anzeige des Todes macht Hermann Wolff, Gartenarbeiter, Niedergasse 22.
29.09.39: Herr Israel Wolff hat seinen Rundfunkapparat Mende 156 abgeliefert.
Liste über die in der Gemeinde Bischofsheim wohnhaften Juden
Stern Emma Witwe 21.11.81 Obergasse 14
Stern Rosi Verkäuferin 28.11.18 „
Stern Simon Althändler 02.01.82 Niedergasse 22
Wolff Max Taschner 30.07.10 Niedergasse 22
Wolff Hermann Kaufmann 07.09.12 „
Wolff Ludwig Schuhmacher 01.02.15 „
Blumenthal Bertha o.B. 05.04.78 Schäfergasse 2
Blumenthal Hugo o.B. 12.12.07 “
Selig Levi Händler 29.03.76 Schäfergasse 21
Selig Berta o.B. 21.10.80(?) „
Hirsch Oskar Kaufmann 31.03.81 Zwerchgasse 1
Hirsch Josefine o.B. 04.12.80 „
Hirsch Richard Handlungsgehilfe 21.06.09 „
Stern Hilda Hausangestellte 11.03. Hochstadt Niedergasse 22, am 01.06.39 nach Frankfurt verzogen
Familie Hirsch am 5. Juli 1937 nach Frankfurt, Röderbergweg 30, verzogen.
Familie Selig am 22. August 1938 nach Frankfurt verzogen.
Emma und Rosa Stern sind am 28.09.38 in die USA ausgewandert.
30.07.40: Max Wolff ist ohne polizeiliche Abmeldung nach Frankfurt, Wollgraben, verzogen. Der Bürgermeister fordert ihn auf, sich abzumelden.
18.08.41: Berta Blumenthal erhält bis 11.12.41 siebenmal die Erlaubnis, nach Frankfurt bzw. Hanau zu fahren.
14.07.41: Der Bürgermeister fragt beim Oberbürgermeister von Offenbach an, welche Anschrift der früher in Bischofsheim wohnhaft gewesene Nathan Grünewald mitzuteilen, denn er war zuletzt in Offenbach wohnhaft.
07.07.41: Der Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau gibt Frau Berta Blumenthal geb. Goldschmidt auf, sechs landwirtschaftliche Grundstücke zu verkaufen. Der Miteigentümer Hermann Goldschmidt wird ebenso zum Verkauf aufgefordert.
07.07.41. Der Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau fordert den Bürgermeister auf, die Anschriften folgender Juden festzustellen.
Hermann Goldschmidt
Wilhelm Grünebaum
Jacques Nassauer
John Jonas Baum.
Weiterhin fragt er nach Grundstücken, die noch auf den Namen der Juden eingetragen sind, aber angeblich verkauft sind: Blatt 17, Nr. 60 = 44,77 a Nathan Grünewald an Philipp Maisch
Blatt 13 Nr. 39 = 6,32 a Eheleute Oskar Hirsch an Heinrich Kaiser.
14.07.41: In Frankfurt fragt der Bürgermeister an nach der Anschrift von
Hermann Goldschmidt
Wilhelm Grünebaum
Jacques Nassauer
John Jonas Baum.
Sie wohnten früher in Bischofsheim. Daß sie Juden sind, geht aus der Aufforderung des Oberpräsidenten hervor.
13.01.42: Den Brüdern Wolff, Niedergasse 22, wurde am 13.01.42 ein Dauerausweis bis zum 30.06.42 ausgestellt.
10.12.42: Verkauf der Einrichtung der Berta Blumenthal, Niedergasse 3:
Joseph Schrodt, Schäfergasse 2:
Ein komplettes Bett, Tisch, Stühle, Küchenschrank, Sofa, Nachtschränkchen, Waschtisch.
August Schmid, Hintergasse 15: Wanduhr, kleines Schränkchen.
Wilhelm Brösamle, Friedhofstraße 15: Holzkiste.
Gemeinde Bischofsheim für Luftschutz: zwei Kleiderschränke.
Rudolf Braun, Niedergasse 13: eisenbeschlagene Geldtasche.
08.05.43: Der Bürgermeister pachtet einen Acker am Löwensee vom Reichsfiskus, der laut Bleistiftvermerk Blumenthal gehört hat.
Abteilung XII, Abschnitt 1, Konvolut 1 Faszikel 2:
11.04.49: Die Jewish Restitution Successor Organization fragt an, wird er frühere Eigentümer des Ackergrundstücks im Pfaffental war, das Georg Weisenstein, Niedergasse10, jetzt nutzt. Weisenstein erklärt, den Acker etwa 1939 von Leopold Rosenthal aus Bergen-Enkheim zum Preis von 260 Mark gekauft zu haben.
25.04.49: Das Bürgermeisteramt übersendet dem Amtsgericht Frankfurt eine Geburtsurkunde für Berta Goldschmidt, aber eine Sterbeurkunde kann es nicht übermitteln, weil in Bischofsheim kein Eintrag erfolgt ist.
02.05.49: Hugo Blumenthal hat sich am 15.11.40 nach Frankfurt abgemeldet. Es wird vermutet, daß er dort geheiratet hat.
09.08.49: Der Verkauf des Wohnhauses der Eheleute Isidor Meyer und Seffi geb. Grünewald, Schäfergasse 10, erfolgte etwa im Jahre 1936. Der jetzige Besitzer Wilhelm Fritz hat es zum Preis von 13.000 Mark erworben. Der Garten Am Kreuzstein (13,67 a) wurde von Hermann Wörner, Am Kreuzstein, 1939 zum Preis von 1.900 Mark erworben.
Das ehemals auf N. Grünewald eingetragene Grundstück (44,77 a) wurde 1939 zum Preis von 1.790 Mark von Philipp Maisch, Fechenheimer Weg, erworben.
13.09.49: Manfred Blumenthal, 517 West 180 th Street, New York, erhebt als Erbe von Berta Blumenthal das Haus mit Nebengebäuden und Land.
19.09.49: Berta Blumenthal geb. Goldschmidt besaß das Haus Niedergasse 3 mit Stallgebäude, Scheune und Garten. Zusammen mit Hermann Goldschmidt besaß sie noch sechs Äcker.
17.04.50: Die IRSO fragt nach dem Haus Niedergasse 22, das auf Johanna Wolff geb. Stern eingetragen war.
19.05.50:
Das Grundstück „An den drei Weidenbäumen“ (25,39 a) wurde am 23.0539 durch die Gemeinde erworben von Isaak Stern und am 06.09.43 an Bernhard Reitz weiterverkauft.
Eingetragen war es auf Harry Stern geb. Hermann und Fanny geb. Brückheim.
Das Grundstück Stern, Im alten Dorf, Flur 11, Parzelle 33, jetziger Besitzer Fritz Eschmann, Alte Dorfstraße 3, wird von diesem als Grabland genutzt
Der Acker Flur 21, Flurstück 11, Am Griester Weg, wird von Herrn Crass aus Fechenheim als Ackerland genutzt (also kein Kauf, nur stillschweigende Nutzung).
Das Grundstück hinter der Mühle, Flur 5, Parzelle 145, gehörte früher Moses Michels Sohn und wird jetzt von Peter Hess als Grabstück genutzt.
Das Grundstück „Am Priesterrock“ gehörte früher Sally Sichels Erben und wird jetzt von Philipp Mankel, Hochstadt, Lutherstraße, als Ackerland genutzt.
Das Grundstück „Hinter dem Horn“ gehörte Berta Selig geb. Stern. Es wird jetzt von Adam Rüffer, am Kreuzstein 7, als Grabland (mit Obstbäumen) genutzt.
23.05.50: Das Grundstück des Jacques Nassauer „Im Fischer“ wird von J. Wadel, Obergasse 22, als Grasstück bewirtschaftet
Der auf den Kaufmann Paul Turban, Jossa, eingetragene Acker „Am Dörnigheimer Weg“ wird jetzt von der Witwe Heinrich Knaufs bewirtschaftet (teilweise Unland).
Die Grundstücke „Am Espe“ und „Am Hallgarten“ gingen von Susanne Zirkel auf Rudolf Bauer und Anna geb. Desch über. Ob es sich hier um ehemals jüdisches Vermögen handelt, ist nicht bekannt.
Die Anfrage nach dem Grundbesitz von Wolf Kahn, Harry Stern, Sofie Stern, Jakob Grünewald, Moses Michels Sohn und Siegfried Hess wird zurückgegeben, weil die Grundstücke wegen der alten Flurbezeichnungen nicht festgestellt werden konnten und auch die Namen der Eigentümer nicht bekannt sind. (? Jakob Grünewald erscheint weiter unten!)).
24.05.50:
Das Grundstück „An der Kirschal“ ist eine ausgebeutete Kiesgrube, das Philipp Maisch von Nathan Grünewald erworben hat.
27.05.50: Das Hausgrundstück Schäfergasse 21, jetzige Besitzer Katharina Lendel, ist sehr verwohnt und wird derzeit von zwei Familien bewohnt. Früherer Eigentümer war Berta Selig.
Anmerkung: Der Bürgermeister macht immer einen Unterschied, ob ein ordentlicher Kaufvertrag vorliegt oder ob jemand das Grundstück nur in Besitz genommen hat. Bei den Gartengrundstücken muß man bedenken, daß Grabland für die Sicherung der Ernährung notwendig war. Es ist deshalb verständlich, wenn die Nachbarn das „herrenlose“ Land auch mit nutzten.
Der Bürgermeister muß immer auch den Wert des Grundstückes angeben. Es sollte nachgeprüft werden, ob die gezahlten Preise dem Verkehrswert entsprachen oder man die Notlage der Juden ausnutzte. Der Wert scheint ziemlich niedrig angegeben zu sein (oft nur 30 oder 40 Pfennig für den Quadratmeter, für Bauland höchstens eine Mark). Die schlechte Qualität des Bodens oder der schlechte Zustand des Hauses wird unterstrichen. Hat man hier - den jetzigen Besitzern zuliebe - tiefgestapelt? Es wird aber auch immer wieder darauf hingewiesen, daß der Preis vom Ortsschätzer angegeben wurden. Daß man Eigentümer nicht mehr feststellen konnte, scheint zumindest teilweise eine Ausrede zu sein, denn Grünewald war Name von Bischofsheimer Juden.
27.05.50:
Das Wohnhaus Schäfergasse gehörte früher Isidor Meyer und jetzt Johannes Fritz VI. Es befindet sich in gutem Zustand und wird teilweise gewerblich genutzt.
Das Wohnhaus Obergasse 14, früher Stern, befindet sich in schlechtem Zustand. Der jetzige Besitzer Philipp Walther ist nicht n der Lage, größere Reparaturen auszuführen.
01.06.50:
Der bebaute Hofraum Niedergasse 22, früherer Besitzer Johanna Wolff, befindet sich in schlechtem Zustand. Es handelt sich um eines der ältesten Häuser der Gemeinde. Ein Verkauf des Hauses mit den zwei Gartenparzellen hat nicht stattgefunden.
Das Grundstück Obergasse 8 hat die Gemeinde von Stern erworben und an Heinrich Ohnemus weiterverkauft. Das Anwesen wurde bei einem Bombenangriff am 18.03.44 total zerstört. Die Witwe Ohnemus hat auf dem Grundstück ein Behelfsheim erbaut (ein Nebengebäude wurde behelfsmäßig als Wohnhaus erbaut).
22.06.50: Die Rechtsanwältin Block aus Frankfurt vertritt Fred E. Herz aus Charleston, West Virginia USA, den Erben der Witwe Johanna Nassauer geb. Herz. Der Bürgermeister teilt mit, daß das Grundstück „Im Fischer“, ehemaliger Eigentümer Nassauer, jetzt im Besitz von Johann Wadel, Obergasse 22 ist.
29.06.50: Das Finanzamt fragt nach dem Bevollmächtigten des Herrn Manfred Blumenthal, New York, der seit 03.04.50 als Eigentümer des Hauses Niedergasse 3 eingetragen ist. Verwalter ist Karl Stippler aus Hadamar, Mieter ist Josef Schrott.
01.12.50: Bis in die zwanziger Jahre geht man zurück, als eine Umlegung erfolgte. Dabei wurden als Grundbesitzer eingetragen:
02.10.50: Karl Stippler wird gebeten, beim Verkauf des Hauses Niedergasse 3 den Mieter Schrott bevorzugt zu berücksichtigen, weil er vier Kinder hat und schon große Kosten aufgewandt hat, um das Anwesen instandzusetzen.
14.02.51: Christian Tessien möchte das jüdische Grundstück „Am Löwensee“ erwerben, Eigentümer Manfred Blumenthal, New York. Er möchte dort ein Wohnhaus erstellen. Die Gemeinde verzichtet auf das Vorkaufsrecht.
03.02.51: Wilhelm Lendel zahlt keine Miete an den Treuhänder. Der Bürgermeister bestätigt, daß er kein Einkommen hat, aber noch Grundbesitz hat und von den Kindern unterstützt werden kann.
04.05.51:Die Ortsschätzer lehnen eine Schätzung des Grundstücks Grünewald ab, will die Kiesgrube ausgebeutet und das Grundstück wertlos sei.
04.07.51: Der Bürgermeister fordert von der IRSO die Zahlung der Grundsteuer für das Haus Zwerchgasse 1, da sie Rechtsnachfolger des ehemaligen Besitzers Hirsch ist. Der Mieter Niemczyk zahlt nicht (mehr), weil er nicht Eigentümer ist (es hat eine Vermögensauseinandersetzung gegeben, durch die die IRSO in den Besitz des Hauses kam).
13.11.51: Der Anteil des Herrn Jacques Nassauer an der Wiese „Im Fischer“ ist auf die IRSO übergegangen. Da dies aber nur ein Drittel ist (je ein Drittel haben Peter Wadel II. und Peter Wadel III.), hatte die IRSO nicht das Recht, die Nutzung des Grundstücks zu kündigen (die Organisation kündigt offenbar erst einmal alle Grundstücke, bietet aber den Kauf des Grundstücks durch den jetzigen Nutzer an).
24.09.52: Der Acker „Am tiefen See“ (1.034 qm) gehörte Artur Grünebaum und jetzt den Erbend es verstorbenen H. Kirchner, Rendel.
12.03.53: Der Eigentümer des Grundstücks Schäfergasse 2 (heute Niedergasse 1a) mit Ackergrundstücken, Hermann Goldschmidt, hat die Gemeinde mit der Verwaltung beauftragt, die diese auch noch vornimmt.
16.02.53: N. Grünewald aus Groningen (Holland) bittet um die Daten der Geburt und Eheschließung seiner Eltern.
01.03.54: Die entschädigungsberechtigte Cornelia Hofmann ist Tochter des am 29.11.1895 geborenen Johann Bernhard Hofmann, am 01.11.42 in Hanau verstorben. Er wohnte bis 14.11.40 in Bischofsheim und verzog nach Frankfurt, Gelbe Hirschgasse 10.
22.10.54: Simon Stern ist am 08.01.1942 in Bischofsheim verstorben
20.09.55: Friedrich Rohrbach kauft ein Grundstück von der IRSO
08.05.56: Der Regierungspräsident in Wiesbaden fragt an nach dem Hausrat und Schmuck von Berta Blumenthal geb. Goldschmidt, der 39.000 Mark wert gewesen sein soll und „geraubt“ wurde. Antragsteller ist Manfred Blumenthal, geb. 27.10.06 in Bischofsheim, jetzt wohnhaft in New York. Berta Blumenthal wurde für tot erklärt mit Wirkung vom 19.05.45.
Vor allem möchte man wissen, ob die angegebene Schadenssumme stimmen kann.
14.03.52: Die IRSO fragt nach Interessenten für den Kauf ehemals jüdischer Grundstücke. Zum Beispiel geht es um die Weise „In den fünf Morgen“, die Herrn Richard Hirsch zurückerstattet wurde und die er jetzt verkaufen möchte. Die Gemeinde teilt den jetzigen Nutzer mit.
Staatsarchiv Marburg, Preußische Regierung, Abt. II, Kirchen und Schulen, 3814:
Salomon Stern aus Bischofsheim, Obergasse 14, stellt um 1870 den Antrag, daß seine Kinder Moritz, Sigmund und Arnold in die Schule in Bischofsheim eingeschult werden. Es ging dabei wohl darum, daß sie nicht in die jüdische Schule in Hochstadt müssen, sondern am Ort in die Schule gehen können Nathan Stern stellt den gleichen Antrag für seinen Sohn Jessel Stern, geboren am 22. März 1865 (er ist allerdings aus Hochstadt, wollte er, daß die Kinder in die übliche Volksschule gehen?).
Abteilung XVIII, Abschnitt 4, Konvolut 3, Faszikel 3 - 14
Arie van der Brande muß eine Ausländerzählkarte haben.
20.08.1934/10.09.1934:
Frau Toni Strauss geborene Stern, geb. 13.10.1876, Bachstraße 8, verzieht nach Den Haag
Herr Leo Stern, geboren 04.08.1912, Hainstraße 13, verzieht nach Kiel
Metzger Samuel Strauss, geboren 02.02. 1870, verzieht nach Den Haag (Ehemann von Toni)
24.06.1933: Arie van de Brande, Kaufmann, geboren am 10.12.1898 in Dordrecht, ist seit 17.06.1933 wieder bei seinen Eltern in Den Haag. Er hat sich nicht politisch betätigt, aber Fühlung aufgenommen mit der KPD.
27.03.1934: Der Metzger Paul Strauss ist nach Den Haag abgereist und wohnt bei seiner Schwester Rita van de Brande geb. Strauss.
10.09.1934: Toni Strauss ist ausgereist, weil das Geschäft nicht gut ging und weil sie bei ihren beiden Kindern sein wollte.
16.07.1934: Nach Mitteilung des Deutschen Generalkonsulats in Jerusalem hat die frühere deutsche Staatsangehörige Berta Reinhardt, geboren am 22. 04.1888 in Wachenbuchen die palästinensische Staatsangehörigkeit erworben, so daß der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten ist.
23.06.1934: Der Bürgermeister teilt dem Landrat mit, welche Juden im Ausland waren und wie sie sich dort vermutlich verhalten haben:
1. David Stern, geboren am 21.09.1912 in Wachenbuchen, Metzger. Er ging am 20.11.1933 zur Arbeit nach Tell Palästina und kam am 16.05.1934 zurück.
2. Leo Sonneberg gibt an, noch nicht verreist gewesen zu sein.
3. Ludwig Strauß, geboren am 01.09.1910 in Wachenbuchen, Handelsmann, war am 04.03.1934 und 18.03.1934 wegen Beschaffung von Diamantsteinen in Antwerpen. Am 09.03. bzw. 22.03. kehrte er zurück.
Eine Vermutung wegen staatsfeindlicher Propaganda besteht bei diesen Personen nicht. Es wird aber vermutet, daß die Juden im Ausland über die Verhältnisse in Deutschland gesprochen haben.
08.06.1934: Der Reisepaß des Lehrers Sonneberg wird eingezogen. Für Auslandsreisen braucht man eine Dringlichkeitsbescheinigung.
06.10.1936: Max Eisemann, geboren 17.09.1906 in Bad Orb, Kaufmann, verzieht nach Wimpfen (?).
01.04./04.04.1936: Witwe Jenny Strauß, Rübenberg 11, erklärt an Eides statt, daß sie keine Bedenken hat gegen die Ausstellung eines Passes für ihren Sohn Ludwig Strauß. Er will ab 16.04.1936 ein Vorbereitungslager der Jüdischen Jugendhilfe in Rüdnitz bei Bernau besuchen und danach nach Palästina gehen. Deshalb beantragt die Mutter einen Reisepaß für ihn.
15.12.1936: Im letzten halben Jahr sind keine Juden ausgewandert, lediglich ein Jude ist nach Pirmasens gezogen. Die Liste der Juden im Ort ist angelegt und wird auf dem Laufenden gehalten. Bei Abwanderung wird unverzüglich Mitteilung an den Landrat gemacht.
1938: Adolf Strauß und Frau Helene bestätigen den Erhalt von Reisepässen.
26.05.1937: Der Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses für Arthur Strauss für eine Reise nach Holland wird abgelehnt.
06.04.1937: Der Bürgermeister teilt dem Landrat mit, daß Strauß vor etwa 14 Tagen nach Nordamerika ausgewandert ist, ohne sich polizeilich abzumelden. Die Verwaltung des Vermögens der Eheleute hat der Vater Adolf Strauß I., Reinhardstraße.
(Für die Jahre 1939 bis 1941 liegen keine Unterlagen vor).
Stadtarchiv Abteilung XIX, Abschnitt 6, Konvolut 5, Faszikel 1:
Wiedergutmachungsangelegenheiten 1947-1951
15.03.50: Anna Geil, Ley Avenue, Derbys, England, Tochter der verstorbenen Paula Appel und Seligmann Appel fragt nach Haus und Gartenland in der Kleinen Hainstraße.
Antwort am 20.03.50: Seligmann Appel ist etwa 1914 nach Frankfurt verzogen und hat bei dieser Gelegenheit sein Wohnhaus verkauft
04.01.1950: Rückerstattungssache Strauss I. gegen Schmitt. Schmitt kann nicht nur behaupten, er habe immer die Pacht gezahlt, er muß auch Nachweise beibringen.
24.03.1950: Der Bürgermeister bestätigt, daß Wilhelm Schäfer im März 1938 von der Witwe Isaak Reinhardts das Haus in der Schulstraße 16 zum Preis von 10.500 Mark kaufte. Er lebte mit der Verkäuferin in gutem Einvernehmen und der Kauf erfolgte nicht unter Zwang, Herr Schäfer gilt als Antifaschist.
01.10.1951: Die IRSO verkauft das Grundstück Kleine Hainstraße 10 an den Gemeindearbeiter Adam Scheidemantel und seine Ehefrau Margarete geb. Heck für 1.700 Mark.
11.10.1951: Die IRSO kündigt die Pachtverträge für verschiedene Grundstücke, weil sie sie nach Möglichkeit verkaufen will.
28.11.1951: Einige (unbebaute) Grundstücke gehen auch an die Gemeinde.
04.05.1951: Albert Voigt geboren am 29.01.1909 wurde am 17. März 1947 vom Landgericht Hanau zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Der Erlaß der Reststrafe auf dem Gnadenwege wird vom Bürgermeister befürwortet.
12.04.1951: Das Anwesen Hauptstraße 26, früherer Eigentümer Erna Strauss, jetzt Benno Rehm Witwe, soll geschätzt werden.
30.03.1951: In der Rückerstattungssache Siegfried Cassel und Fanny geb. Strauss bittet Rechtsanwalt Cahn um folgende Personenstands-Urkunden:
1. Sigmund Strauss, geb. 23.08.1862 in Wb., gestorben am 22.09.1926 oder 10.10.1927
seine Kinder:
2. Josef Strauss, geboren am 19.05.1894 in Wb., gestorben im Oktober 1910 in Wb.
3. Adolf Strauss, geboren am 28.12.1895 bzw. 1896 in Wachenbuchen
4. Fanny Strauss, geboren am 20.05.1892 in Wachenbuchen
Kinder des Adolf Strauss:
5. Irene Strauss, geboren am 01.06.1925 in Wachenbuchen
6. Margot Strauss, geboren am 23.12.1927 in Wachenbuchen.
22.02.1951: Rückerstattungssache IRSO (Dessauer) / Walter
14.03.1951: Rückerstattungssache Herz Appel und Bienchen Appel: ein Garten und ein Acker, jetzt im Besitz der IRSO, die aber alle Ansprüche auf das Land Hessen übertragen hat.
09.02.1951: Das Haus der Eheleute Wilhelm Walter und dessen Ehefrau Maria geb. Zeller, Kleine Hainstraße 5, wird auf 4.250 Mark minus 350 Mark für Instandsetzungsarbeiten angesetzt.
02.02.1951: Heinrich Giesel, Hauptstraße 16, kauft von der IRSO einen Acker vorm Galgengrund.
09.03.1950: Die IRSO bittet um nähere Angaben zu folgenden Grundstücken
22.12.1950: Siegmund und Michael Strauss sollen 1939 oder 1940 nach Amerika ausgewandert sein. Die IRSO gibt jedoch an, sie wohnten in Frankfurt, Sandweg 8.
14.04.50: Die Weise der Erna Strauss ist an Friedrich Krauss übergegangen, der darauf eine Diamantschleiferei errichtete.
16.12.1950: Das Haus Kleine Hainstraße 10 gehörte der Familie Josef Burg. Es wird von der Familie Scheidemantel bewohnt.
19.09.1950: Das Ackerland, das früher Eigentum der Familie Bernhard Steigerwald war, wird von Heinrich Mankel (vgl. 26.09.50) genutzt. Es liegt im Siedlungsgelände und soll bebaut werden (wohl Bolaneweg 27)(vgl. auch 15.06.50).
14.08.1950: Rückerstattungssache Sally Herlitz / Eheleute Amend
17.08.1950: Rückerstattungsanspruch bebauter Hofraum Kleine Hainstraße 6, früher Strauss-Wi, jetzt Heinbuch.
23.10.1950: Der bebaute Hofraum Herrnstraße 13, Besitzer Kätha Mett geb. Eckhardt, wird auf 2.965 Mark geschätzt. Die IRSO erhebt Nachzahlungsansprüche (vgl. 27.04.50).
04.05.50: Das Haus Kleine Hainstraße 10 gehörte Sigmund und Michael Strauss.
04.08.50:
Acker am Birkenbaum, früher Arthur und Henny und Mathilde Strauss, jetzt Katharina Emmerich.
Weise am Hanauer Weg, früher Abraham Strauss II, jetzt Heinrich und Katharina Glinder.
Wiese Adolf Strauss I., jetzt Johannes Stein
05.09.50: Wenn die Erben die Rückerstattungsansprüche nicht rechtzeitig gestellt haben, wird die IRSO Rechtsnachfolgerin und kann das Grundstück vom Deutschen Reich zurückverlangen und anderweitig verkaufen.
Das ist der Fall bei den Grundstücken von Herz und Bienchen Appel, die die Gemeinde kaufen möchte.
14.07.50: Rückerstattungssache Acker Jesel Strauss II, jetzt IRSO.
13.07.50: Acker des Marum Strauss. Jetzt IRSO
21.07.50: Pächter des Grundstücks ist der Landwirt Heinrich Giesel, Hauptstr. 16.
12.06.50: Das Haus Hainstraße 13 und weitere Grundstücke, früherer Eigentümer Julius Stern, jetzt Hans und Maria Roth. (04.07.51: Eigentümer Jessel Strauss II, Salomons Sohn).
19.06.50: Herr Georg Schmitt, Hainstraße 27, hat zwei Quadratmeter an seinem Haus in Besitz, das früher in jüdischem Eigentum stand.
22.05.50: Sally Herlitz, Gagernstraße 36 fordert Personestandsurkunden an.
03.05.50: Wohnhaus Hauptstraße Hauptstraße 37, früherer Eigentümer Schönfeld, jetzt genutzt von Fassel.
04.05.1950: Kleine Hainstraße 6, früherer Eigentümer Strauss, jetzt genutzt von Heibuch03.05.50: Bebauter Hofraum Hauptstraße 32, früherer Eigentümer Strauss, jetzt genutzt von Wappes.
28.04.50: Hof und Gebäudefläche Reinhardtstr. 5, früherer Eigentümer Dessauer, jetzt genutzt von Walter
01.04.50: Das bebaute Grundstück (Schulgebäude) wird aus der Vermögenskontrolle entlassen, da es nur 1.500 Mark wert ist. Es wird der Gemeinde Wachenbuchen übergeben (Grundstück der jüdischen Schule?).
30.03.50: Der Acker des Josef Reinhardt wird jetzt von Andreas Hohmann landwirtschaftlich genutzt
30.05.50:Der Acker des Marum Strauss wird von Heinrich Giesel seit 1918 landwirtschaftlich genutzt. Nach dem Weggang des Eigentümers hat er die Pacht an das Finanzamt gezahlt
14.04.50: Ackerland von Henny, Arthur und Mathilde Strauss, jetzt genutzt von Heinrich Maisch.
20.03.50: Die jüdischen Register wurden im Jahre 1939 an das Landratsamt Hanau abgegeben und von dort an das Rasse- und Siedlungsamt in Berlin geschickt. Eine Geburtsurkunde für Jonas Reinhardt, geboren am 14.11.1870 in Wachenbuchen, kann deshalb nicht ausgestellt werden.
Konvolut 5, Faszikel 2:
08.10.54:
Entschädigungssache Ida Schönfeld geb. Berliner, geboren 04.04.1866, wohnhaft in Basel, Dachsfelderstr. 28. Der Dreher Karl Müller, Hanauerlandstr. 3, gibt an, er habe das Haus der Frau Ida Schönfeld am 29.11.1938 käuflich erworben. Frau Schönfeld hat sich am 6. Dezember 1938 unter Mitnahme ihrer Möbel nach Frankfurt, Sandweg 79 abgemeldet. Sie hat in der Erdgeschoßwohnung gewohnt. Im ersten Stock wohnte die Familie Johannes Hayer. Von einer Plünderung oder Zerstörung des Geschäftes ist Müller nichts bekannt.
Der Bürgermeister widerspricht ihren Behauptungen, sie habe das Haus fluchtartig verlassen. Denn sie habe ihren Weggang vorbereitet und die Einrichtungsgegenstände mitgenommen. Das Geschäft, soweit man davon überhaupt noch sprechen konnte, habe Frau Schönfeld selber aufgelöst. Am 01.07.1939 ist sie in die Schweiz ausgewandert. Das Geschäft „Manufakturwaren“ wurde am 08.07.1938 abgemeldet.
29.04.57: Der Bürgermeister kann keine Angaben darüber machen, wie die familieneigenen Arbeitskräfte des Geschäftes Hermann Schönfeld und Rosa geb. Edelstein ausgelastet waren. Frau Rosa Schönfeld war in dem Geschäft tätig, hat aber wohl auch den Haushalt geführt.
06.12.55: Hermann Schönfeld geb. am 19.07.1893 in Wachenbuchen und Ehefrau Rosa Schönfeld, geb. am 18.08.1902, haben sich am 26. 02.1936 nach Tel Aviv abgemeldet. Mutter Hermann Schönfelds ist Ida Schönfeld.
01.12.55: Hermann Schönfeld ist verstorben, Rosa Schönfeld wohnt in Ramatajim in Israel.
30.04.55: Ein Rechtsanwalt fragt nach Angaben zu Thea Schönfeld, geboren 13.03.1931 in Wachenbuchen.
09.03.55: Hermann Schönfeld ist am 09.0327 von Frankfurt zugezogen. Die Ehefrau kam am 14.05.1928 von Siegenheim nach Wachenbuchen. Beide haben sich am 26.02.1936 nach Tel Aviv abgemeldet. Ihre Tochter Thea, geboren in Hanau (Krankenhaus) war bei ihnen. Das Geschäft wurde eventuell von Hermann Schönfeld betrieben, lief aber auf den Namen der Mutter.
Als Erben kommen in Frage: Simon Schönfeld (der sich schon in jungen Jahren in der Schweiz aufgehalten haben soll), Hermann Schönfeld und seine Stiefmutter Ida Schönfeld.
05.03.555: Rosa Schönfeld widerspricht der Darstellung des Bürgermeisters. Ihr Mann Hermann war bis kurz nach dem Tod seines Vaters Abraham Schönfeld (gestorben Dezember 1926) aus beruflichen Gründen in Frankfurt. Nach dem Tod des Vaters siedelte er ins Elternhaus um und gründete ein Geschäft auf seinen Namen. Nur der Grundbesitz stand auf dem Namen des Vaters und wurde nach dem Zwangsverkauf auf die drei Erben verteilt. Mit der Stiefmutter hatte er keinerlei geschäftliche Verbindung.
26.01.55: Ida Schönfeld hat ihr Geschäft am 08.07.1938 abgemeldet.
19.04.57:Hermman Schönfeld hat täglich die Landkundschaft aufgesucht, also ein Reisegeschäft betrieben, während die Frau in Wachenbuchen das Manufakturgeschäft führte.
14.02.57: Sie möchte eine Entschädigung aus eigenem Recht haben, weil sie dem Ladengeschäft vorgestanden hat
27.02.57: Der Bürgermeister windet sich etwas um eine klare Antwort herum: Sie ist in dem Geschäft tätig gewesen, hat aber auch nebenbei ihrem Haushalt vorgestanden.
Konvolut 5, Faszikel 3:
21.09.56: Der Schmiedemeister Hans Oswald erklärt, daß Frau Rita van den Brande geb. Strauss, geboren am 10.04.1899 in Wachenbuchen, bis Mai 1933 als Mieterin bei ihm gewohnt hat. In diesem Monat ist sie mit ihrem Kind Liesel nach Holland ausgewandert. Sie hat infolge der Judenverfolgung Deutschland verlassen.
Handschriftlicher Entwurf: Samuel Strauß, geboren 1870, Ehefrau Antonie geb. Stern, geboren 1874. Nachdem er mit Gefängnis bestraft worden war, ist er ausgewandert Aufgrund seines Glaubens und der Rasse. Er war gezwungen, seine schon lange bestehende Metzgerei zu verlassen. Eine Angabe seines Einkommens vor 1933 wäre nützlich.
29.09.56: Ihre Eltern waren der Metzger Samuel Strauss und seine Frau Antonie geb. .
22.10.56: Rita van den Brande war von 1917 bis 1930 bei der Gemeindeverwaltung beschäftigt und dürfte ein Gehalt von 150 bis 200 Mark bezogen haben. Das Beschäftigungsverhältnis wurde wegen Verheiratung aufgegeben.
22.10.56: Samuel Strauss betrieb in der Hainstraße 27 eine Rindsmetzgerei mit Großschlächterei. Als er in Zahlungsschwierigkeiten kam, hat sein Sohn Alfred vom 24.04.28 bis 04.11.29 das Geschäft weitergeführt. Das Geschäft wurde Anfang 1930 an den Metzgermeister Georg Schmitt verkauft. Strauss hat dann in der Bachstraße einen Fleischverkaufsladen kleineren Umfangs betrieben. Vermutlich kam das Geschäft mit der Machtübernahme zwangsläufig zum Erliegen. Die Familie Strauss ist nach Den Haag ausgewandert.
19.06.57: Samuel Strauss ist bereit 1933 nach Holland geflüchtet, seine Frau Antonie folgte ihm im August 1934. Folgendes Ladeninventar wurde bei der Flucht zurückgelassen:
2 Kühlkästen
2 Hackklötze
1 marmorner Ladentisch
1 Dezimalwaage
1 Wurstmaschine
2 Fleischmühlen
sonstige Geräte.
11.07.57: Es ist nicht mehr festzustellen, worin das zurückgelassene Eigentum bestand. Fest steht, daß Grundvermögen nicht mehr vorhanden war (es war eine Mietwohnung). Das Inventar dürfte mit etwa 500 Mark zu bewerten sein.
16.05.57: Im Entschädigungsverfahren Rosalie Strauss werden Urkunden benötigt für Ludwig Strauß, geboren am 01.09.1910 in Wachenbuchen und Erna Strauss, geboren am 08.10.06 in Wachenbuchen.
21.05.57: David Strauss, geboren am 28.11.1879 als Sohn der Eheleute Loeb (genannt Leopold) Strauss und Berta geb. Nußbaum.
06.07.54: Entschädigungssache Jakob Strauss, geb. am 08.10.1906, bis 1937 in Wachenbuchen, hat eine Viehhandlung betrieben.
In den Unterlagen ist nur ein Jakob Strauss, geboren am 21.02.1902 verzeichnet. Es scheint sich um eine Verwechslung mit dem Geburtsdatum der Frau Erna Strauss geb. Strauss zu handeln, die am 08.10.1906 geboren wurde. Strauss hatte eine Viehhandlung und ist mit seiner Familie 1937 ausgewandert, wahrscheinlich ohne polizeiliche Abmeldung.
13.06.57: Eine Geburtsurkunde für Ludwig Strauss kann übersandt werden. Eine Sterbeurkunde für David Strauss, verstorben am 28.09.1928, kann aber nicht ausgestellt werden, da er im Sterberegister nicht verzeichnet ist (vielleicht in Hanau verstorben). (Ludwig ist Sohn von David).
19.06.57: Entschädigungssache Hanna Sinn geb. Strauss, New York. Sie hat bis 1934 die Mittelschule in Hanau besucht, hat diese aber verlassen müssen und ist ausgewandert.
25.06.57: Es müßte sich um Hanna Strauss, geboren am 16.01.1920, Tochter des Salomon Strauss VI., Hanauer Landstraße 5 handeln. Die Familie wurde am 01.0637 nach Frankfurt, Ostendstraße 26 abgemeldet, von wo sie wohl ausgewandert ist.
29.10.57: Entschädigungssache Leo Stern.
Es werden Urkunden ausgestellt für Leo Stern, geboren 04.08.1912 in Wachenbuchen
Sterbeurkunde Hanna Stern geb. Grünebaum, gestorben am 16.06.1926
Heiratsurkunde der Eheleute Julius Stern und Jettchen geb. Kahn, verheiratet am 25.02.1928 in Wachenbuchen.
12.09.57: Entschädigungssache nach Adolf Strauss, geboren am 28.12.1895 in Wachenbuchen, ausgewandert Ende 1938, wohnhaft Hainstraße 10.
Adolf Strauss soll seit dem 10.11.1938 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert gewesen sein. Ausschlaggebend ist, ob er über 30 Tage der Freiheit beraubt war.
26.09.57: Der Bürgermeister antwortet aber, daß im Melderegister keine Unterlagen über eine Schutzhaft (!) vorhanden sind.
11.10.57: Der Regierungspräsident fragt nach, ob Erkundigungen bei Nachbarn oder anderen Personen eingezogen wurden, ob die Meldebücher vollständig vorhanden sind und ob dort in der Regel Abwesenheit im Konzentrationslager eingetragen wurde (d.h. ob es noch andere Beispiele gibt).
01.11.57: Der Bürgermeister fordert den Nachbarn Heinrich Giesel auf, deswegen ins Bürgermeisteramt zu kommen. Als das nicht geschieht, schreibt er ihn noch einmal an. Giesel kommt schließlich und sagt aus, daß Adolf Strauss seinerzeit verhaftet wurde und in ein KZ gebracht wurde. Er wurde jedoch nach wenigen Tagen entlassen und ist nach Wachenbuchen zurückgekehrt. Er ist dann mit seiner Frau, zwei Töchtern und der Mutter nach Amerika ausgewandert. Jetzt gibt der Bürgermeister zu, daß in den polizeilichen Melderegistern Eintragungen über Schutzhaft oder Konzentrationslagerhaft grundsätzlich nicht gemacht wurden. Aber in seinem ersten Brief wollte er sich damit herausreden, daß im Melderegister nichts stehe, obwohl er doch genau wußte, daß so eine zeitweise Abwesenheit nicht eingetragen wurde.
06.06.: Strauss gibt an, Im Jahre 1938 wegen der Auswanderung folgende Möbel verschleudert zu haben:
1 Speisezimmer (schwer Eiche)
1 Schlafzimmer
1 Wohnzimmer
verschiedene Küchengeräte.
Er hat aber auch erklärt, daß für den Transport des Umzugsguts nach Amerika 1500 Mark gezahlt wurden.
Der Bürgermeister antwortet, es konnte nicht ermittelt werden, daß bei dem Wegzug der Familie die Möbelstücke in Wachenbuchen verkauft wurden. Es ist anzunehmen, daß er seinen gesamten Hausrat mitgenommen hat. Herr Strauss war Viehhändler, er lebte in bescheidenen Verhältnissen. Er wohnte mit seiner Frau im Haus seiner Eltern.
06.11.56: „Durch Verfügung des Viehwirtschaftsverbandes Kurhessen vom 28.10.1937 wurde Viehhandelserlaubnis entzogen“. Das Gewerbe wurde am 30.11.37 abgemeldet. In den Jahren vor 1933 dürfte das Einkommen 3.000 bis 4.000 Mark betragen haben.
Am 19.12.1938 haben sich nach New York abgemeldet:
Irma Strauss geb. Stern, geboren am 19.08.1902
Irene Strauss, 01.06.1923
Margot Strauss, 23.12.1925.
Faszikel 10:
22.10.1969: Entschädigungssache nach Elsa Burg, geboren am 27.05.1916 in Wachenbuchen, verstorben in der Deportation.
Die Genannte hat die Volksschule etwa ein Jahr besucht, danach ging sie in die jüdische Schule am Ort. Es kann nicht bestätigt werden, daß sie in Hanau die Höhere Töchterschule besuchte und diese 1934 wegen ihrer jüdischen Abstammung hat verlassen müssen, da die Höhere Töchterschule nicht mehr existiert (aber die Nachfolgeschule existierte noch). Die Familie Burg ist in den Jahren 1938/39 nach unbekannt verzogen (offenbar hat sich auch niemand dafür interessiert, zumindest nicht der Bürgermeister. Es handelt sich um Wilhelm Happ, der schon vor 1933 Bürgermeister war, aber von den Nazis abgesetzt wurde, obwohl auch er Parteimitglied war. Nach dem Krieg wurde er wieder Bürgermeister. In der Wiedergutmachungssache leistete er aber offenbar hinhaltenden Widerstand und machte sich keinerlei Mühe mit den Ermittlungen. Er betont auch sehr oft, daß die Juden in bescheidenen Verhältnissen lebten, und er verwendet oft Formulierungen aus der Nazizeit).
06.10.65: Paul Arnsberg bittet um ein Foto der Synagoge für sein Buch.
25.01.66: Jenny Katz geb. Strauß, geboren am 23.03.1877 in Wachenbuchen. Beim Geburtseintrag ist ein Vermerk über die Todeserklärung beigeschrieben: Als Zeitpunkt des Todes wurde der 31.12.45 festgestellt. Sie soll im Jahr 1942 oder 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt verstorben sein. Ihre Tochter ist Margarita Katz
11.06.64:
Walter Katz, geboren am 12.03.1903 in Frankfurt, gestorben am 24.03.1943 in Flossenbürg.
Eltern Ludwig Katz und Jenny geborene Strauß, verheiratet am 20.06.1902 in Frankfurt.
Ludwig Katz wurde am 06.02.1866 in Hainchen (Krs. Büdingen) geboren, am 20. (oder 29.) 9.09.1942 in Theresienstadt gestorben. Die Mutter Jenny geborene Strauss ist am 23.03.1877 in Wachenbuchen geboren.
03.11.61: Der Bürgermeister antwortet auf eine Anfrage von Werner Grünwald aus Keren Kayemet in Israel, über Grünwalds Stiefvater Joseph Strauss könne man ohne nähere Angaben keine Auskunft geben. Grünwald macht dann nähere Angaben: Joseph Strauß wurde am 08.07.1890 in Wachenbuchen geboren und wanderte etwa 1933 nach Holland aus und wurde von dort nach Auschwitz deportiert. Der Bürgermeister übersendet nunmehr eine Geburtsurkunde und teilt mit, daß der Betreffende sich am 01.10.1910 nach Saarlouis abgemeldet hat.
Nach dem Ersten Weltkrieg soll er sich in Krefeld als selbständiger Kaufmann aufgehalten haben.
02.10.61: Entschädigungssache Albert (Reinhard) Strauss, geboren am 14.04.1928.
eine Geburtsurkunde und eine Bescheinigung über den Schulbesuch (1934 bis 1937) werden übersandt. Die Eltern Jakob und Erna Strauß haben bis zu ihrer Auswanderung nach Amerika in Wachenbuchen gewohnt.
02.10.61: Herma Strauß, geboren am 22.02.1898 in Wachenbuchen, Tochter des Metzgers Samuel Strauß und dessen Ehefrau Antonie geb. Stern. Sie hatten noch drei weitere Kinder: Alfred, Rita und Paul. Frau Rita Klerk de Reus wohnt in Düsseldorf, Münsterstraße 345, sie war in erster Ehe mit Arie van de Brande verheiratet.
20.09.61: Entschädigungssache Ludwig Strauß, New York, nach Jenny Strauß geborene Gernsheimer, geb. am 24.09.1895 in Rückingen
Jenny und Minna Strauß sind am 20.08.1939 unter Mitnahme ihres Mobiliars nach Frankfurt, Ostendstraße 12 verzogen. Es kann nicht beurteilt werden, ob ein Verschleuderungsschaden entstanden ist. Von einer Metzgerei-Einrichtung im Wert von 2.500 Mark kann nicht gesprochen werden, da eine solche nicht vorhanden gewesen sein soll. Es war weder ein Schlachthaus noch eine Ladeneinrichtung vorhanden. Schlachtungen wurden in einer Scheunentenne durchgeführt, während der Fleischverkauf in einem Zimmer auf einem Tisch vorgenommen wurde; zum größten Teil wurde das Fleisch jedoch den Kunden ins Haus gebracht.
Geltend gemacht wurde aber vor allem das Wohnzimmer, Eltern-Schlafzimmer, Kinder Schlafzimmer, Küche, die meist nur mit einem Zehntel des Preises verkauft wurden. Für die „Ladeneinrichtung“ wurde überhaupt nichts bezahlt. Es war nach dem Verbleib dieser Einrichtung gefragt worden und ob ein Teil der Einrichtung an den Käufer Heinrich Schultheiß abgegeben wurde. Auf all diese Dinge geht der Bürgermeister nicht ein.
19.10.61: Albert Strauß, geboren am 14. April 1928 in Wachenbuchen als Sohn des Jakob Strauss, hat bis zu seiner Auswanderung in Wachenbuchen gewohnt.
15.11.1960: Geburtsurkunde für Lothar Strauß, geboren am 05.08.1927 in Wachenbuchen, Sohn von Joseph Stern und Berta geb. Kahn (Anmerkung: Die Angabe der Eltern ist falsch, es muß heißen Joseph Strauß und Selma. Stern).
17.11.60: Entschädigungssache nach Josef Burg. Antragstellerin Henny Wachenheimer geb. Burg, geboren am 08.11.1910. Wieder kann der Bürgermeister keine Feststellungen über die Einkommensverhältnisse machen, weil Unterlagen beim Finanzamt nicht vorliegen. Immerhin teilt er die zuständige Industrie- und Handelskammer mit.
22.06.61: Die Organisation zur Ehrung des Andenkens der vom Hitlerregime verfolgten Märtyrer „Yad wa Schem“ in Jerusalem bedankt sich für die Übersendung der Abmeldedaten der Glaubensjuden in den Jahren 1940-44.
04.11.60: In der Entschädigungssache Seligmann Heippert und Lydia Heippert wird die Geburtsurkunde für Irma Strauß, geboren am 29.10.1907 in Wachenbuchen, übersandt.
23.05.62: Entschädigungssache Fanny Wolf geb. Reinhardt, nach Josef Reinhardt, geboren am 10.11.1886, und Rosa Reinhardt, geb. am 11.02.1887 in Marköbel. Die Eheleute Mett haben das Haus Herrnstraße 13 am 20.01.39 zusammen mit einem Acker in den Haingärten für 3.000 Mark gekauft, die auf ein Sperrkonto eingezahlt wurden. Die Erwerber haben außerdem seit 1952 an das Amt für Wiedergutmachung 2.000 Mark in monatlichen Raten gezahlt.
Josef Reinhardt hatte sein Viehhandelsgeschäft nicht in Marköbel, sondern in der Herrnstraße 13 in Wachenbuchen. Er war alleiniger Inhaber, seine Frau nur mithelfende Familienangehörige. Über den Ertrag des Geschäftes kann der Bürgermeister keine Auskunft geben. Die Viehhandelserlaubnis wurde durch Verfügung des Viehwirtschaftsverbandes Kurhessen vom 03.12.37 entzogen. Die Eheleute sind am 25.01.39 nach Frankfurt, Albusstraße 26, verzogen. Von dort aus sind sie offenbar deportiert worden. Die Erwerber sind Heinrich und Kätha Mett. Herr Mett ist in russischer Kriegsgefangenschaft verstorben. Das Haus gehört jetzt Frau Mett und ihren zwei Töchtern.
27.10.60: Entschädigungssache nach Julius Stern, Antragsteller: Leo Stern. Über den Geschäftsumfang kann niemand mehr Auskunft geben. Bekannt ist nur, daß Herr Stern einen kleinen Kälberhandel hatte. Es kann nicht bestätigt werden, daß er am Viehhof in Frankfurt Kommissions- oder Maklergeschäfte getätigt hat. Der Sohn hatte angegeben, daß der Vater auf den Gütern der Umgebung Schlachtvieh aufgekauft habe und an Frankfurter Metzger weiterverkauft habe. Nach der Machtergreifung sei das Geschäft sofort zurückgegangen. In der Zeit davor habe er im Monat etwa 600 bis 700 Mark verdient. Im Jahre 1942 wurde er deportiert.
01.02.60: Entschädigungssache Hermann Strauß, geb. 23.10.1894 in Wachenbuchen, Kirchstraße 11, zuletzt wohnhaft in Deutschland in Frankfurt, Obermainstraße.
Der Viehhändler Abraham Strauss hat das Geschäft zusammen mit seinen Söhnen Joseph und Hermann geführt. In Jahre 1931 ging es auf die Söhne über. Es wurde am 12.10.37 durch Verfügung des Viehwirtschaftsverbandes geschlossen. Es wurden pro Woche etwa zwei bis drei Stück Zuchtvieh gehandelt und etwa die gleiche Zahl an Schlachtvieh Mit der Angabe, das Jahreseinkommen habe 3.000 Mark betragen, ist das monatliche Gesamt-Einkommen des Klägers und seines Bruders Joseph Strauß gemeint. Immerhin gibt der Bürgermeister zu, daß die berufliche Schädigung mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten einsetzte.
15.02.60: Die Geburtsurkunde für Rosa Kralak geb. Dietrich, geboren am 27.06.1893 in Wachenbuchen, wird übersandt.
25.02.60: Die Heiratsurkunde für Salomon Nußbaum, geboren am 27.06.1882, und Johanna Nußbaum geb. Strauss, Eheschließung 1911 in Wachenbuchen.
02.03.60: Die Geburtsurkunde für Fanny Cassel geb. Strauss, geboren am 20.05.1892, jetzt Johannesburg, wird übersandt.
14.02.60: Entschädigungssache Ernst Strauss, geboren am 09.07.1913, Metzger, wohnhaft in New York, 650 West, 172 Street Apt. 21.
Der Vater ist 1928 gestorben. Seine Mutter Jenny und er haben die gutgehende Metzgerei, die seit 60 Jahren bestand, weiter betrieben. Außerdem haben sie noch ein Häutegeschäft betrieben. Der Umsatz betrug wöchentlich etwa 700 Mark. Wegen der Verfolgungsmaßnahmen ging das Geschäft zurück und mußte abgemeldet werden. Dem Bürgermeister ist allerdings von einem Häutegeschäft nichts bekannt. Auch die Metzgerei kann man nicht als gutgehendes Geschäft ansprechen. Die Witwe Strauss hatte mit den drei unmündigen Kindern einen schweren Existenzkampf zu führen. Es wurde in der Woche höchstens ein Stück Großvieh geschlachtet. Ernst Daniel Strauss, geboren am 09.07.1913, hat sich am 16.08.1938 nach New York abgemeldet. Jenny Strauss, geboren am 28.09.1892 hat sich am 20.08.1939 nach Frankfurt, Ostendstraße 12, abgemeldet. Ludwig Strauss, Diamantschleifer, geboren am 12.04.1921 ist am 01.09.1936 nach Tel Joseph (Palästina) und Simon Strauss, Kaufmann, geboren am 10.03.1917, am 02.06.1939 nach London ausgewandert.
Hochstadt:
Abteilung XXIII, Abschnitt 5 b, Konvolut 4, Faszikel 4:
Jüdische Gewerbebetriebe 1939:
05.08.38: Der Landrat fordert den Bürgermeister auf, ein Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe aufzustellen. Die Gewerbetreibenden müssen mit Unterschrift bestätigen, daß sie die Benachrichtigung über die Eintragung erhalten haben (sie haben alle keine weiteren Angestellten oder Arbeiter, Grund der Eintragung in die Liste „Jude“):
Appel Nathan Althandel Bogenstraße 6
Katz Sally Manufakturwarenhandel Nordstraße 7
Strauß Lina Milchhandel Hauptstraße 41
Außerdem werden vermerkt: Erbengemeinschaft Emma und Bertha Strauß
Am Butterbaum 12,76 a
Im Amster 4,93 a.
08.12.38: Der Bürgermeister berichtet dem Landrat, daß er „anläßlich der Protestaktion gegen die Juden“ Manufakturbestände in Sicherheitsverwahrung genommen hat (die Aufstellung liegt nicht bei).
06.02.39: Nathan Appel bescheinigt, daß er von Herrn Weber (Angestellter auf dem Bürgermeisteramt?) den Führerschein und die Kfz. - Papiere seines Sohnes Gottfried erhalten hat.
11.08.39: Die Gemeinde Dörnigheim möchte jüdischen Besitz in der Flur „Im Breuhl“ in nicht-jüdischen Besitz bringen. Sie fragt an, ob die Pächter aus Hochstadt oder die Grundstücksnachbarn oder die Gemeinde Hochstadt Interesse haben.
26.10.39: Die Bezirksstelle Hessen-Nassau der Reichsvereinigung der Juden fragt an, was aus dem Haus der Schwestern Strauß geworden ist. Angeblich soll es abgebrochen worden sein. Sie fragt an, ob der Kaufpreis gezahlt wurde, weil die Schwestern auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen sind.
30.07.39: Bittbrief Margarete Ausäderer
Herrn Bürgermeister Stein! Bezugnehmend auf das Räumungsurteil, welches gegen meine Familie ausgesprochen ist, möchte ich Ihnen folgendes mitteilen: Wie Ihnen ja bekannt sein dürfte, ist es mir gänzlich unmöglich, anderweitig eine andere Wohnung zu finden. So bin ich in meiner größten Not zur Kreisleitung gegangen, um mir dort Rat zu holen. Mir wurde gesagt, daß nach dem neuen Mietgesetz kein Grund zur Räumung der Wohnung sei, da ja, obwohl mein Mann Jude ist, fünf Abkömmlinge vorhanden sind, welche vorläufige Reichsbürger sind. Ich sollte aber trotzdem der Gemeinde den Vorschlag machen, die Wohnung mir selbst oder meiner volljährigen Tochter zu vermieten, um allen Wühlereien aus dem Wege zu gehen. Ich bin ja zu jeder Zeit bereit, die Wohnung zu räumen. Da wäre es doch die soziale Pflicht der Gemeinde, mir anderweitig für eine solche zu sorgen und für den Umzug Sorge zu tragen, da ich ja gänzlich mittellos bin.
Und eine achtköpfige Familie kann und darf in unserer Zeit nicht auf der Straße wohnen, sagte mir Herr Erbe in Hanau. In Frankfurt ist......, so daß auch dort der Zuzug unmöglich ist. Ich wäre gern zur persönlichen Aussprache gekommen. Es geht aber tatsächlich über meine Kraft, was ich in all den Jahren an Sorgen und Aufregungen hinter mir habe. So ist nun morgen der Termin zur Räumung und ich möchte sie hiermit höflichst bitten, denselben doch auszusetzen. Was die Zahlung der Miete betrifft, so werde ich Sorge tragen, daß sie jeden Monat entrichtet wird. Mit deutschem Gruß Frau Marg. Ausäderer.
29.11.39. Hedwig Flörsheimer geb. Stern, geboren am 26.021894 in Hochstadt, möchte auswandern und bittet um eine Heiratsurkunde.
28.11.39: Der Bürgermeister bittet den Landrat, aus dortigen Unterlagen die Daten von Nathan Stern, dem Vater des am 22.03.1865 geborenen Jessel Stern, gestorben 05.02.1927 in Hochstadt, festzustellen.
03.11.39: Die Ruine der Synagoge wurde noch nicht beseitigt, da mit der Reichsvereinigung der Juden noch keine Einigung über den Kaufpreis erzielt wurde. Die Synagoge mit Judenschule wird von der Gemeinde angekauft werden.
02.02.40: Das Haus Strauß ist abgerissen, es besteht keine Gebäudeversicherung mehr.
Aus den Archiv Mankel:
Das Haus wird am 15. September 1937 (23. September) von Mina Stern an Wilhelm Mankel, Bogenstraße 7, verkauft. Doch schon am 14.110.1938 mahnt Albert Stern aus Berlin-Wilmersdorf, daß noch 300 Mark zu zahlen sind und die Zahlung für September und Oktober zugesagt war. Seine Mutter Minna Stern in Höchst im Odenwald hat ihm eine Restforderung von 300 Mark abgetreten. Erst nach Zahlung des Betrages kann die Hypothek gelöscht werden. Diese Hypothek in Höhe von 2.400 Mark (wohl der Kaufpreis) wird am 24. Mai 1940 gelöscht.
Im Dezember 1946 wird das ganze Vermögen Mankels gesperrt (wie bei allen, die nach 1933 Eigentum von Juden erworben haben). Er muß genaue Angaben über seine Vermögenswerte (auch Wertpapiere) machen und vor allem das Grundvermögen anmelden. Für den Grundbesitz ist einstweilen Miete oder Pacht zu zahlen. Er meldet das Grundstück Hauptstraße 31 an (29 Quadratmeter), das auf ihn und seine verstorbene Frau eingetragen ist. Als Grund für den Erwerb gibt Mankel an: „Wegen vorgeschrittenen Alters hat sich Frau Mina Stern in ein Altersheim zurückgezogen!“
Der Verkaufspreis setzt sich wie folgt zusammen: Kaufpreis 3.900 Mark, Vermittlungsgebühr für Salomon Goldschmidt 200 Mark, Grunderwerbssteuer 220 Mark, Gerichtskosten 40 Mark. Das Geld wurde bar bezahlt. Der Einheitswert von 1935 belief sich auf 4.900 Mark. Das Haus war in einem sehr schlechten, d.h. baufälligen Zustand.
Nach dem Erwerb waren 500 Mark Hauszinssteuerhypothek abzutragen. Außerdem wurden folgende Arbeiten geleistet: Bauzeichnung 38 Mark, Maurerarbeiten 980 Mark, Baumaterial 280 Mark, Entwässerungskanal 340 Mark, Tonrohre 90 Mark, Zimmerarbeiten 400 Mark, Schreinerarbeiten (Türen, Fußböden) 600 Mark, sieben Fenster 280 Mark, Weißbinderarbeiten 760 Mark, Herd und Kessel 100 Mark, Eigenleistung (u.a. Aushub im Keller) 300 Mark.
Am 28. März 1950 bittet die IRSO (Jewish Restitution Successor Organization) um ein Gespräch nach Frankfurt, Sandweg 7, bei dem alle Unterlagen (Kaufvertrag, Quittungen) vorgelegt werden sollen.
Am 16. März 1950 schreibt der Treuhänder Carl Göhr in Hanau an das Bürgermeisteramt, der könne die Grundsteuer für das Haus Hauptstraße 31 nicht zahlen, weil ihm die Miete in Höhe von 54 Mark monatlich nicht zugeflossen ist. Mankel wird aufgefordert, das Geld auf das Treuhandkonto einzuzahlen, dann wird auch die Grundsteuer beglichen.
Am 4. Mai 1950 lehnt die IRSO Mankels Angebot auf Zahlung von 1.000 Mark als Rückerstattung ab. Man schließt aber am 20. Juli 1950 einen Vergleich über die Zahlung eines Betrages von 3.700 Mark, der in vier Raten ab 1.Septembner 1950 bis Dezember 1950 zu zahlen ist.
Am 24. Oktober muß die IRSO schon zum zweiten Mal mahnen. Der Treuhänder teilt am 17. November mit, daß die Mieter Kohlhepp und Fieres die Miete an ihn entrichtet haben und das Konto einen Bestand von über 1.000 Mark hat. Am 5. Dezember wird der Rückerstattungsanspruch der IRSO ins Grundbuch eingetragen.
Am 18. Januar 1951 werden von der IRSO Vollstreckungsmaßnahmen über 3.000 Mark abgedroht. Am 16. März 1951 sind immer noch 2.000 Mark offen. Am 15. August bemängelt Mankel gegenüber der Hessischen Treuhandverwaltung in Wiesbaden, daß das Haus noch nicht freigegeben wurde, obwohl er schon mehr als die vereinbarten 2.000 Mark gezahlt hat, die eine Freigabe bewirken sollten. Er will weitere Erhaltungsmaßnahmen am Haus durchführen. Er spricht jetzt von einem Kaufpreis von 4.000 Mark und einer Rückerstattung von 3.000 Mark.
Am 4. Oktober 19512 teilt Mankel der Hessischen Treuhandverwaltung mit, daß sein Sohn den Vergleich nicht angenommen habe: Man habe das Haus ja nicht unberechtigt erworben, sondern nur auf Bittend er Familie Stern in Höchst im Odenwald. Die Baupolizei drängte auf Beseitigung der Mängel an dem schiefen Giebel des Hauses. Deshalb habe Mankel auf Bitten der befreundeten Familie Stern das Haus übernommen. Die Instandsetzung hat 1938 etwa 3000 Mark gekostet. Der Sohn will die Einwilligung zu dem Vergleich nur geben, wenn die Summe auf 3.000 Mark ermäßigt wird. Am Schluß schreibt Mankel: „Ich habe mir kein Gewissen zu machen, daß ich Unrecht gut zu machen habe, sondern was die IRSO von mir verlangt, ist Unrecht!“
Am 8. November 1951 lehnt die Treuhandverwaltung aber ab, sie ist nur zu einer Ratenzahlung bereit. Am 19. Dezember wird eine Güteverhandlung in Offenbach angesetzt. Diese hat folgendes Ergebnis: Die IRSO verzichtet auf die Rückerstattung des Grundstücks. Die neuen Eigentümer zahlen einen Ausgleichsbetrag von 3.350 Mark. Am 27. Dezember erfolgt die letzte Zahlung. Am 5. März 1952 wird das Vermögen freigegeben.
Dörnigheim:
Stadtarchiv Abteilung XVIII, Abteilung 4, Konvolut 1, Faszikel 13:
Überwachung der Ausländer:
28.07.33: Der Bürgermeister hat keine Einwände gegen die Reise des Metzgermeisters Josef Stern, Schwanengasse 4, in die Schweiz. Bei jeder Ausstellung eines Reisepasses mußte der Bürgermeister eine Unbedenklichkeitsbescheinigung abgeben.
18.01.38: Das Finanzamt hat die Einziehung des Reisepasses des Juden Siegfried Marx verfügt, nachdem dieser einen Paßantrag gestellt hatte.
Abteilung XIII, Abschnitt 1, Konvolut 1, Faszikel 1:
01.07.38: Es kommen folgende Juden für die Anmeldung des Vermögens in Frage:
27.06.38:
Auszug aus dem Verzeichnis des Vermögens der Juden nach dem Stand vom 27.04.1938:
Lina Marx geb. Schönfeld, ohne Beruf, geboren am 090.09.1896, verheiratet, Jüdin deutscher Staatsangehörigkeit, Der Ehegatte ist Volljude und gehört der jüdischen Religionsgemeinde an.
Landwirtschaftliches Vermögen: 27 qm Gartenland im Wert von 40 Mark
Grundvermögen: Einfamilienwohnhaus Adolf-Hitler-Straße 29 (mit Metzgerladen), Wert 9.100 Mark, inzwischen verkauft mit 10.000 >Mark, aber noch nicht genehmigt.
Betriebsvermögen: Metzgerei-Einrichtung 200 Mark (Geschäft wird seit einem Jahr nicht mehr betrieben.
Anderes Vermögen: 1 goldene Herrenuhr 80 Mark
1 goldene Damenuhr 40 Mark
2 goldene Ringe 20 Mark
Belastungen: I. Hypothek bei der Spar- und Darlehenskasse in Dörnigheim 6680 Mark einschließlich 500 Mark Unkosten
Kaufmann Isaak Schönfeld, Adolf-Hitler-Straße 9, geboren am 13.02.1851, Witwer, Jude deutscher Staatsangehörigkeit.
Vermögen: 0,5038 ha Eigenland (Wert 2.600 Mark) (ein Viertel gehört den Erben)
Grundvermögen: Wohnhaus mit Hofraum, Adolf-Hitler-Straße 9, im Wert von 12.099 Mark.
Belastungen:
I. Hypothek bei der Landesrenterei Hanau 4.778 Mark
II. Hypothek bei der Landesleihbank Hanau 4.952 Mark
III. Hypothek bei Rosi Schönfeld geb. Schuster (Schwiegertochter ) 4.000 Mark
Anmerkung zum Betriebsvermögen: Meinen Gewerbebetrieb habe ich schon längere Zeit fast gänzlich eingestellt. Die darauf beruhenden Schulden sind mindestens so hoch wie die Forderungen, die außerdem größtenteils uneinbringlich sind und deshalb nicht bewertet werden können.
Kontoristin Lilli Schönfeld, Adolf-Hitler-Straße 9, geb. 16.051890, ledig, Jüdin deutscher Staatsangehörigkeit, kein Land- und fortstwirtschaftliches Vermögen, kein Grundvermögen, Kein Betriebsvermögen, kein sonstiges Vermögen.
Rentenrechte: Wert der einjährigen Nutzung 1.063,20 seit 14.01.1938. Das Recht erlischt mit dem Tode. Es handelt sich um eine monatliche Rente von 788,60 Mark aus der Angestelltenversicherung.
Verzeichnis über den Verkauf jüdischen Grundbesitzes in Dörnigheim:
1. Hausgrundstück Frankfurter Straße 22.Frühereeigentümer Eheleute Siegfried Marx und Lina geb. Schönfeld, jetziger Eigentümer Eheleute Friseur Heinrich Weyrauch und Margarete geb. Haberer, Kaufpreis 10.000 Mark, Einheitswert 4.100 Mark (eine Hypothek von 7.000 Mark wurde übernommen). Der Vertragsabschluß erfolgte im Juli 1938, die Verkäufer wanderten am 3. August 1938 nach Amerika aus.
2. Hausgrundstück Schwanengasse 4 einschließlich Metzgereimaschinen:
früherer Eigentümer Eheleute Josef Stern und Berta geb. Kahn, Käufer Metzgermeister Andreas Rau und Frieda geb. Lapp. Kaufpreis 12.000 Mark (Hypothek von 5.500 Mark wurde übernommen, 4.000 Mark wurden ausgezahlt, 2.500 Mark bleiben als Restkaufgeld stehen. Der Vertragsabschluß erfolgte am 01.07.1937
3. Hausgrundstück Frankfurter Straße 9 mit den unbebauten Grundstücken:
Kartenblatt 10 Parzelle 205 2,94 a
Kartenblatt 27 Parzelle 88 10,00 a
Kartenblatt 19 Parzelle 47 32,23 a
Kartenblatt 19 Parzelle 48 5,31 a
Früherer Eigentümer: Eheleute Isaak Schönfeld und Karoline geb. Steigerwald, jetzige Eigentümerin Gemeinde Dörnigheim, Kaufpreis 12.072,30 Mark, Einheitswert 12.600 Mark..
An Hypotheken, Gemeindesteuer und Verkoppelungsgebühren übernahm die Gemeinde 11.904,81 Mark. Der Vertragsabschluß erfolgte am 22. Mai 1939 (während die ersten beiden Verkäufe fast noch normal waren, greift jetzt die Gemeinde zu und zahlt so gut wie gar nichts mehr in bar aus)
4. Gartengrundstück Kartenblatt 15, Parzelle 139, 0,27 a. Früherer Eigentümer: Die Witwe des Moritz Schönfeld, jetziger Eigentümer Maurermeister Jakob Ebert, Schwanengasse 11, Kaufpreis 54 Mark. Der Verkauf erfolgte am 30.05.1938.
Es gibt auch Einwohner, die die Notlage ihrer jüdischen Mitbürger ausnutzen. So zeigt am 21. November 1938 Frau Ida Schönfeld geborene Berliner, Wachenbuchen, Hanauer Landstraße 3, ihren Mieter an, weil er sie bedrängt und von ihr eine Erklärung verlangt, daß sie ihr Haus nur an ihn verkauft. Sie gibt ihm eine schriftliche Erklärung, daß sie das Haus nicht verkaufen wird, obwohl sie es in Wirklichkeit noch in dieser Woche an einen anderen verkaufen will. Daraufhin will der Mieter sie tätlich angreifen, nur seine Frau hält ihn zurück. Frau Schönfeld rennt davon und schläft in der Nacht bei Frau Jenny Strauß. Als sie am nächsten Morgen heimkommt, sind die Türen ihrer Zimmer aufgebrochen und Bargeld, Ware, Unterwäsche, wertvolle Bestecke usw. sind gestohlen. Die Haustür ist aber nicht aufgebrochen. Deshalb zeigt Frau Schönfeld den Mieter an. Aber Erfolg wird sie damit nicht gehabt haben.
Frau Schönfeld wohnt später Basel und stellt 1954 einen Entschädigungsantrag. Aber der Dreher Karl Müller gibt an, er habe das Haus der Frau Ida Schönfeld am 29. November 1938 käuflich erworben. Frau Schönfeld hat sich am 6. Dezember 1938 unter Mitnahme ihrer Möbel nach Frankfurt, Sandweg 79 abgemeldet. Sie hat in der Erdgeschoßwohnung gewohnt. Im ersten Stock wohnte die Familie Johannes Hayer. Von einer Plünderung oder Zerstörung des Geschäftes ist Müller nichts bekannt.
Der Bürgermeister widerspricht ihren Behauptungen, sie habe das Haus fluchtartig verlassen, denn sie habe ihren Weggang vorbereitet und die Einrichtungsgegenstände mitgenommen. Das Geschäft, soweit man davon überhaupt noch sprechen konnte, habe Frau Schönfeld selber aufgelöst. Am 1. Juli 1939 ist sie in die Schweiz ausgewandert. Das Geschäft „Manufakturwaren“ wurde am 8. Juli 1938 abgemeldet. Auch nach dem Krieg wird hier noch ein gewisser Antisemitismus deutlich, indem man zum Ausdruck bringt, das Vermögen der Juden war doch kaum etwas wert und sie haben doch freiwillig verkauft. Man will nicht wahr haben, daß die Geschäfte schon vorher aus politischen Gründen ausgehungert wurden und die Leute vielfach unter mehr oder weniger Druck verkaufen und wegziehen mußten.
Typisch sind die Auskünfte des damaligen Bürgermeisters Wilhelm Happ, der schon vor 1933 Bürgermeister war, aber von den Nazis abgesetzt wurde, obwohl auch er Parteimitglied war. Nach dem Krieg wurde er wieder Bürgermeister, obwohl er Geschäftsführer der Ortsgruppe und Kassenleiter der NSDAP war und sich nach dem Krieg wöchentlich bei der Polizei melden mußte. In der Wiedergutmachungssache leistete er aber offenbar hinhaltenden Widerstand und machte sich keinerlei Mühe mit den Ermittlungen. Er betont auch sehr oft, daß die Juden in bescheidenen Verhältnissen lebten, und er verwendet oft Formulierungen aus der Nazizeit. In einem Fall muß er extra vom Regierungspräsidenten aufgefordert werden, sich doch mehr Mühe bei den Ermittlungen zu machen und nicht nur in die Akten zu sehen (in denen gar nichts stehen kann), sondern Zeugen zu befragen. Im Jahre 1957 verwendet er in einem Antwortschreiben an den Regierungspräsidenten das Naziwort „Schutzhaft“.
Im Jahre 1957 fragt der Regierungspräsident an nach Adolf Strauß. Er soll seit dem 10. November1938 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert gewesen sein. Wichtig ist dabei, ob er über 30 Tage der Freiheit beraubt war. Der Bürgermeister antwortet aber, daß im Melderegister keine Unterlagen über eine „Schutzhaft“ (Naziwort!) vorhanden sind. Auch das Wort „Machtergreifung“ kommt bei ihm noch vor.
Der Regierungspräsident fragt aber nach, ob Erkundigungen bei Nachbarn oder anderen Personen eingezogen wurden, ob die Meldebücher vollständig vorhanden sind und ob dort in der Regel Abwesenheit im Konzentrationslager eingetragen wurde (d.h. ob es noch andere Beispiele gibt).
Daraufhin fordert der Bürgermeister den Nachbarn Heinrich Giesel auf, deswegen ins Bürgermeisteramt zu kommen. Als das nicht geschieht, schreibt er ihn noch einmal an. Giesel kommt schließlich und sagt aus, daß Adolf Strauß seinerzeit verhaftet wurde und in ein KZ gebracht wurde. Er wurde jedoch nach wenigen Tagen entlassen und ist nach Wachenbuchen zurückgekehrt. Er ist dann mit seiner Frau, zwei Töchtern und der Mutter Ende 1938, nach Amerika ausgewandert. Am 19. Dezember1938 melden sich Irma, Irene und Margot Strauss nach New York ab.
Jetzt gibt der Bürgermeister zu, daß in den polizeilichen Melderegistern Eintragungen über Schutzhaft oder Konzentrationslagerhaft grundsätzlich nicht gemacht wurden. Aber in seinem ersten Brief wollte er sich damit herausreden, daß im Melderegister nichts stehe, obwohl er doch genau wußte, daß so eine zeitweise Abwesenheit nicht eingetragen wurde.
Der Bürgermeister antwortet: Es konnte nicht ermittelt werden, daß bei dem Wegzug der Familie die Möbelstücke in Wachenbuchen verkauft wurden. Es ist anzunehmen, daß er seinen gesamten Hausrat mitgenommen hat. Herr Strauß war Viehhändler, er lebte in bescheidenen Verhältnissen. Er wohnte mit seiner Frau im Haus seiner Eltern.
Nicht einzuordnen sind in Wachenbuchen:
Im Jahre 1938 bestätigen Adolf Strauß und Frau Helene den Erhalt von Reisepässen. Es handelt sich wohl um eine Familie aus der Kleinen Hainstraße (?). Sie haben einen Sohn Arthur Strauss, dem am 26.05.1937 ein Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses für eine Reise nach Holland abgelehnt wird.
Die Sache mit der Kuh:
Friedel Seng erzählt, sein Steifvater Basermann in der Trinkbrunnenstraße 18 habe einem von dem Viehhändler Goldschmidt eine Kuh gekauft.. Angeblich sollte sie zehn Liter Milch am Tag geben (damals waren die Kühe vorwiegend Zugtiere und ihre Milchleistung war nicht so hoch, aber zehn Liter war doch schon sehr viel). Aber im Stall bei Basermann gab die Kuh nur fünf Liter Milch. Basermann brachte die Kuh wieder zu Goldschmidt. Der aber behauptete weiterhin, die Kuh gebe zehn Liter. Da verlangte der Bauer, Goldschmidt soll ihm das doch einmal vormachen. Goldschmidt holt einen Eimer, füllt fünf Liter Wasser hinein und melkt dann die Kuh. Jetzt befinden sich zehn Liter Milch im Eimer. Wenn die Geschichte vielleicht auch nicht wahr ist, so zeigt sie doch die Vorurteile der Bauern gegenüber den jüdischen Viehhändlern
Rosy Goldschmidt aus der Hauptstraße 26 war eine hübsche Frau, auf die zum Beispiel der spätere Nazi-Bürgermeister Stein ein Auge geworfen hatte.
Jüdische Einwohner und ihr Schicksal
Erfaßt wurden nur die Personen, die in den vier Dörfern geboren wurden und deren Schicksal bekannt ist. Wahrscheinlich sind es viel mehr Opfer, die aber weggezogen waren oder die nie amtlich erfaßt wurden. Bei vielen Einwohnern ist zwar das Geburtsdatum bekannt, aber nicht ihr Todesdatum. Viele davon werden weggezogen sein und anderswo eines natürlichen Todes gestorben, aber vielleicht auch dort Opfer der Verfolgung geworden sein. Insgesamt sind aus den vier Orten 236 Personen bekannt, die 1933 dort lebten.
Statistik: Tod Mord Unbekannt Leben
Wachenbuchen 16 59 34 25
Hochstadt 6 15 1 12
Dörnigheim 4 10 1 6
Bischofsheim 6 8 11 22
Insgesamt: 32 92 47 65
Die einzelnen Familien:
Name Vorname Geburtstag Abmeldung Weiteres Schicksal
Wachenbuchen:
Rübenberg 3:
Rübenberg 7:
Steigerwald Bernhard 22.09.1868 18.08.1936 Frankfurt, angeblich nach USA
Steigerwald Hannchen 30.07.1867 18.08.1936 Frankfurt, gestorben 09.04.1937
Reinhardt Fanny 28.12.1873 18.08.1936 Frankfurt, Schicksal unbekannt.
Rübenberg 11:
Strauß David 25.08.1876 26.03.1943 Umgebracht in Sobibor
Strauß Mathilde 13.10.1879 Umgebracht in Auschwitz
Strauß Ferdinand 28.07.1881 Umgebracht in Majdanek
Heß Gustav 23.12.1883 Gestorben 1936 in Frankfurt
Heß Nanny 15.04.1888 Umgebracht, Schicksal unbekannt
Strauß Jenny 28.09.1892 20.08.1939 Frankfurt, Ostendstraße 12, umgebracht in Minsk
Strauß Minna 31.07.1883 20.08.1939 Frankfurt, Ostendstraße 12,
umgebracht in Minsk
Strauß Ernst 09.07.1913 16.08.1938 New York, 172. Straße
Strauß Simon 10.03.1917 02.06.1939 London, später Houston
Strauß Ludwig 12.04.1921 01.09.1936 Tell Joseph, Israel.
Herrenstraße 13:
Reinhardt Julius 11.10.1860 Gestorben 08.02.1936 Düdelsh.
Reinhardt Joseph 10.11.1882 25.01.1939 Frankfurt, Albusstraße 26,
umgebracht in Minsk
Reinhardt Rosa 11.02.1887 25.01.1939 Frankfurt, Albusstraße 26,
umgebracht in Minsk
Wolf Fanny 14.06.1914 25.01.1939 Frankfurt, Albusstraße 26,
Rückerstattungsantrag 1962.
Eschwege Henriette 29.08.1872 Umgebracht in Minsk
Löbenstein Helene 25.10.1883 Umgebracht in Minsk
Stern Johanna 29.11.1878 Gestorben am 16. Juni 1926
Stern Julius 17.06.1879 Umgebracht in Polen
Stern Leo 04.08.1912 Rückerstattungsantrag 1957
Stern Hildegard 09.09.1915 Todeserklärung.1953
Herrenstraße 17:
Stern Julius 17.06.1879 Umgebracht in Polen
Stern Jettchen 15.08.1897 Für tot erklärt 1954
Kirchhofsstraße 11:
Strauß Jettchen 04.04.1848 Gestorben am 23.01.1933
Strauß Hannchen 11.03.1861 Gestorben 16.06.1935 Düdelsh.
Karlsberg Regina 13.06.1870 Gestorben 1938 in Wachenbuchen
Strauß Herrmann 23.10.1894 02.05.1938 Frankfurt, Obermainstraße 19, New York, Rückerstattungsantrag
Strauß Dora (Rosa) 13.04.1906 02.05.1938 Frankfurt, Obermainstraße 19, umgebracht in Auschwitz
Strauß Ilse 07.09.1932 02.05.1938 Frankfurt, Obermainstraße 19,
umgebracht in Auschwitz.
Kirchhofstraße 12:
Siegel Emma 04.10.1869 Umgebracht in Riga
Maaß Selma 28.08.1874 Umgebracht in Auschwitz
Strauß Hedwig 17.10.1904 Umgebracht in Riga.
Strauß Jenni 23.03.1877 Für tot erklärt 1954 Ffm.
Katz Walter 12.03.1903 12.03.1943 Flossenbürg
Bachstraße 8:
Strauß Samuel 02.02.1870 06.11.1936 Den Haag,
umgebracht in Auschwitz
Strauß Antonie 13.10.1874 06.11.1936 Den Haag, umgebracht in Auschwitz
Strauß Julius 03.02.1895 Schicksal unbekannt
Strauß Herma 22.02.1898 Schicksal unbekannt
Strauß Rita 10.04.1899 Gestorben am 02.01.1986 in
Düsseldorf
Strauß Paul unbekannt 06.11.1936 Den Haag, Schicksal unbekannt.
Strauß Alfried 19.10.1901 Umgebracht 1943 in Auschwitz
Alt Wachenbuchen 26:
Strauß Salomon 18.05.1866 01.06.1939 Frankfurt, Ostendstraße,
umgebracht in Minsk
Strauß Bertha 08.03.1869 28.01.1939 Dietzenbach
Strauß Max 15.06.1904 00.01.1939 Verheiratet 1936 in Dietzenbach
Strauß Jakob 21.02.1902 03.04.1937 USA (unbekannt)
Strauß Erna 08.10.1906 03.04.1937 USA (unbekannt)
Strauß Albert 14.04.1928 03.04.1937 USA (unbekannt, New York).
Alt Wachenbuchen 28:
Strauß Erna (Irma) 29.10.1907 ? umgebracht in Riga.
Tochter Lydia Heippert, keine näheren Angaben
Strauß Ludwig 16.05.1909 1937 Ffm Schicksal unbekannt
Stern Louis 08.06.1874 01.06.1939 umgebracht in Riga
Stern Julius 07.11.1909 01.06.1934 Frankfurt, verschollen
Stern David 21.09.1912 11.11.1936 Oberhof (Thüringen), umgebracht in Minsk
Herlitz Sally 17.04.1903 27.08.1038 Ffm, Friedberger Landstraße 125,
erneut verheiratet 1946
Herlitz Lina 15.01.1904 27.08.1038 Ffm, Friedberger Landstraße 125,
umgebracht im Osten
Herlitz Inge 09.01.1930 27.08.1038 Ffm, Friedberger Landstraße 125, umgebracht im Osten
Alt Wachenbuchen 32:
Strauß Salomon 11.11.1869 30.07.1939 Frankfurt, Ostendstraße 18
Strauß Jeanette 07.12.1864 30.07.1939 Frankfurt, Ostendstraße 18
Eisermann Max 17.09.1906 23.08.1937 Frankfurt, umgebracht am
06.09.1943 in Majdanek
Eisermann Bertha 06.11.1898 23.08.1937 Frankfurt, gestorben am
08.07.1935 in Bensdorf
Eisermann Gertrud 17.01.1932 23.08.1937 Frankfurt, unbekannt verschollen.
Alt Wachenbuchen 36:
Sonneberg Leo 31.03.1892 08.12.1938 Frankfurt, Baumweg 64,
umgebracht in Lodz
Sonneberg Hedwig 16.06.1896 08.12.1938 Frankfurt, Baumweg 64,
umgebracht in Lodz
Sonneberg Paul 16.11.1921 08.12.1938 Frankfurt, Baumweg 64,
später nach England.
Alt Wachenbuchen 37:
Schönfeld Emma (Ida) 13.03.1859 vor 1941 Großauheim, umgebracht am
27.10.1942 in Theresienstadt.
Schönfeld Hilde 18.03.1883 Gestorben 1941 Klein-Auheim
Alt Wachenbuchen 40:
Adler Juda 06.12.1868 Gestorben am 06.11.1939 in Ffm
Adler Ida 14.06.1868 Schicksal unbekannt
Grünebaum Fanny 10.12.1862 Umgebracht in Minsk
Strauß Mathilde 04.07.1868 31.07.1939 Frankfurt, Ostendstraße 15,
umgebracht in Lodz (?)
Strauß Joseph 08.07.1890 01.10.1912 Saarlouis,
umgebracht in Ausschwitz
Strauß Arthur 08.02.1894 31.07.1939 Frankfurt, Ostendstraße 15,
umgebracht am 10.05.1942 in Lodz
Strauß Henny 12.10.1896 31.07.1939 Frankfurt, Ostendstraße 15
umgebracht in Lodz.
Kleine Hainstraße 1:
Reinhardt Lazarus 07.10.1866 Umgebracht in Minsk
Reinhardt Abraham 01.09.1881 Gestorben 1937 in Köln
Reinhardt Salin 28.11.1879 umgebracht in Polen
Reinhardt Fanny 25.08.1879 Schicksal unbekannt
Reinhardt Robert 14.08.1868 07.09.1936 Frankfurt, Rotlindstraße 54
Reinhardt Hanna 14.02.1892 07.09.1936 Frankfurt, Rotlindstraße 54
Reinhardt Joseph 07.09.1919 07.09.1936 Frankfurt, Rotlindstraße 54
Reinhardt Johanna 16.01.1919 07.09.1936 Frankfurt, Rotlindstraße 54,
später in Israel
Reinhardt Martin 16.09.1919 07.09.1936 Frankfurt, Rotlindstraße 54
Reinhardt Lotte 22.09.1923 07.09.1936 Frankfurt, Rotlindstraße 54
(Anmerkung: Da die Geburtenfolge der Kinder zu eng ist, muß es sich um Stiefgeschwister handeln; Joseph ist aus der ersten Ehe des Mannes, die anderen Kinder wohl aus der ersten Ehe der Frau, aber auch da ist die Geburtenfolge zu eng, Martin könnte 1921 geboren sein oder Martin und Johanna sind Zwillinge).
Kleine Hainstraße 3:
Appel Berta 27.05.1859 Gestorben 1937 in Hanau
Appel Jeanette 08.04.1887 08.05.1939 Weilmünster (Heilanstalt),
umgebracht 1941 in Hadamar
Appel Malchen 13.07.1892 08.05.1939 Weilmünster (Heilanstalt),
umgebracht 1941 in Hadamar
Appel Johanna 16.03.1934 Umgebracht am 10.04.1944 in
Weilmünster
Appel Paula 27.10.1889 Gestorben am 26.05.1917
Ihre Tochter Anna Geil hat überlebt in den USA
Kleine Hainstraße 5:
Dessauer Simon 25.11.1893 24.07.1939 Ffm., Hanauer Landstraße 12,
umgebracht in Minsk
Dessauer Johanna 24.07.1889 Ffm., Hanauer Landstraße 12,
umgebracht in Minsk
Arenstein Berta 07.05.1880 umgebracht in Ravensbrück am
4. Dezember1943
Lilie Karolina 21.12.1883 Umgebracht in Auschwitz.
Kleine Hainstraße 2:
Stern Seligmann 01.06.1872 07.07.1941 (Selbstmord)
Weiß Jeanette 15.09.1888 umgebracht in Riga.
Marx Regina 09.05.1881 Gestorben am 28.07.1938
Kleine Hainstraße 4:
Strauß Rosa 25.03.1846 Gestorben am 01.12.1933
Strauß Adolf 28.04.1873 08.02.1939 Ffm., Hanauer Landstraße 38
Strauß Rosalie 29.03.1878 08.02.1939 Ffm., Hanauer Landstraße 38
Strauß Ludwig 01.09.1910 nach Amerika.
Kleine Hainstraße 6:
Strauß Sigmund ? 1939/40 später: Ffm. Sandweg 8
Strauß Michael ? 1939/40 später: Ffm. Sandweg 8.
Kleine Hainstraße 10:
Burg Josef 31.03.1875 31.03.1939 Ffm, Roßdorfer Straße 23,
umgebracht in Auschwitz
Burg Mathilde 08.12.1875 31.03.1939 Ffm, Roßdorfer Straße 23,
umgebracht in Auschwitz
Burg Lina 12.06.1904 01.12.1938 Ffm., von-Stein-Straße 23,
Schicksal unbekannt
Burg Gerda 06.10.1908 ? Frankfurt, unbekannt verschollen
Burg Ludwig 08.11.1910 ? Frankfurt
Burg Henny 01.04.1913 ? Frankfurt, hat überlebt,
verheiratete Wachenheimer
Burg Else 27.05.1916 ? Frankfurt, umgebracht im Osten.
Hainstraße 4:
Appel (verh.) Paula 24.03.1886 Gestorben 1938 in Offenbach
Appel Joseph 07.06.1881 Umgebracht in Auschwitz
Hainstraße 10:
Strauß
Helene 13.09.1861 19.12.1938
New York
Strauß Adolf 28.12.1895 19.12.1938 New York
Strauß Irma 19.08.1902 19.12.1938 New York
Strauß Irene 01.06.1923 19.12.1938 New York
Strauß Margot 23.12.1925 19.12.1938 New York
Cassel Fanny 20.05.1892 Johannesburg
Hainstraße 13:
Stern Julius 17.06.1879 15.05.1939 Ffm., Hanauer Landstraße 12 ,
umgebracht in Polen
Stern Leo 04.08.1912 15.05.1939 Ffm., Hanauer Landstraße 12 ,
im Jahre 1934 verzogen nach Kiel, hat überlebt
Stern Hildegard 09.09.1915 15.05.1939 Ffm., Hanauer Landstraße 12 ,
umgebracht im Osten.
Stern Jettchen 15.08.1897 15.05.1939 Ffm., Hanauer Landstraße 12 ,
Hainstraße 17.
Strauß Lazarus 07.10.1866 Umgebracht in Minsk
Strauß Siegfried 24.09.1894 Schicksal unbekannt
Hanauer Landstraße 3:
Schönfeld Ida 04.04.1866 06.12.1938 Frankfurt, Sandweg 79,
ab 01.07.1939 in Basel
Schönfeld Hermann 19.07.1892 26.02.1936 Tel Aviv, Israel
Schönfeld Rosa 18.08.1902 26.02.1936 Tel Aviv, Israel
Schönfeld Thea 13.03.1931 26.02.1936 Tel Aviv, Israel
Hanauer Landstraße 5:
Strauß Salomon 10.10.1882 01.06.1937 Frankfurt, Ostendstraße 26
Strauß Hedwig 01.08.1891 01.06.1937 Frankfurt, Ostendstraße 26
Strauß Charlotte 01.03.1914 01.06.1937 Frankfurt, Ostendstraße 26
Strauß Hanna 16.01.1920 01.06.1937 Frankfurt, Ostendstraße 26
Strauß Leopold 19.02.1922 01.06.1937 Frankfurt, Ostendstraße 26
Die Familie ist später nach den USA ausgewandert.
Hanauer Landstraße 20:
Strauß Joseph 13.06.1891 1938 Dörnigheim, Frankfurt, Sandweg,
umgebracht in Auschwitz
Strauß Selma 17.02.1900 1938 Dörnigheim, Frankfurt, Sandweg,
umgebracht in Auschwitz
Strauß Lothar 05.08.1927 1938 Frankfurt, Sandweg,
nach verschiedenen Konzentrationslagern in die USA.
Schulstraße 16:
Reinhard Isaak 15.02.1858 Gestorben am 29.08.1936 Düdelsh.
Reinhard Amalie 29.07.1859 26.04.1937 Langenselbold (gest. 19.01.1943).
Hochstadt
Rohrbachstraße 2:
Sichel Frieda 16.03.1879 Gestorben 03.06.1953
Bogenstraße 6:
Linz Klara 24.02.1899 Gestorben 1982 in München
Linz Bernhardt 09.02.1895 ?
Appel Nathan 30.10.1873 05.09.1943 Gestorben am 18.03.1944 in
Theresienstadt
Appel Hannchen 01.09.1867 05.09.1943 Gestorben am 30.06.1944 in
Theresienstadt