Thüringer Städte
Über die einzelnen Orte ist natürlich sehr viel mehr zu sagen, hier werden nur einige Stichworte behandelt.
Übersicht:
Hildburghausen, Creuzburg an der Werra, Eisenach, Gotha, Ohrdruf, Erfurt, Oßmannstedt, Weimar, Eisenberg, Hainich, Heygendorf, Wittenberg.
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Hildburghausen: Auf den Spuren der Dunkelgräfin
Es ist eine der rätselhaftesten Episoden der europäischen Geschichte: Wer war die legendäre „Dunkelgräfin“, die Anfang des 19. Jahrhunderts unter mysteriösen Umständen in das südthüringische Herzogtum Sachsen-Hildburghausen kam? Gemeinsam mit ihrem Begleiter Leo ardus Cornelius van der Valck, dem „Dunkelgrafen“, lebte sie jahrelang unerkannt, wurde vor fremden Blicken geschützt wie ein kostbarer Schatz.
Handelte es sich bei ihr wirklich um „Madame Royale“, einem Sprößling des französischen Königspaares, das 1793 auf der Guillotine hingerichtet wurde? Unter welchen Umständen war Marie Therese Charlotte, die Tochter von Ludwig XVI. und Marie Antoinette, im Pariser Staatsgefängnis Temple inhaftiert? Wurde sie nach ihrer Gefangenschaft gegen eine andere Person ausgetauscht, vielleicht erst an der Grenze von Frankreich zu Österreich - und wer wußte davon? Historiker und Literaten streiten seit 170 Jahren europaweit darüber. Bis heute gibt es mehr als 200 Veröffentlichungen zum Geheimnis der Dunkelgräfin. Sie kommen alle keinem endgültigen Schluß. Beweise existieren nicht, Zweifel sind angebracht. Es gibt in Hildburghausen einen eigenen Verein, der im August 2013 aus dem Nachlaß eines holländischen Dunkelgräfin-Verehrer 50 Bücher zum Thema erhielt.
Nach einer kaum nachvollziehbaren Odyssee war das seltsame Paar 1807 nach Hildburghausen gelangt. Am 7. Februar 1807 hält eine Kutsche vor dem Hotel „Englischer Hof“. Ein reicher Mann und eine vornehme Dame ziehen ein. Ein seltsames Paar. Keine Kontakte, ein völlig zurückgezogenes Leben. Mitunter sieht man den Herrn in der Kutsche ausfahren, manchmal in Begleitung der Dame. Die ist stets verschleiert, trägt meist eine grüne Brille. Niemand kennt ihren Namen. Von ihm weiß man, daß er sich „Vavel de Versay“ nennt.
Nach drei Jahren zieht das Paar in die Einöde und mietet das dortige Schloß. Ab 1810 lebte es im Schloß Eishausen, das es gemietet hatte. Mitglieder des Heimatvereins und der evangelischen Kirchengemeinde Eishausen gestalteten am 30. September 2010 die Zeremonie nach: Die Glocken der Eishäuser Kirche läuten. Eine Kutsche mit einem geheimnisvollen Paar nähert sich von Hildburghausen kommend. So oder so ähnlich soll es sich auf den Tag genau vor 200 Jahren abgespielt haben, als das geheimnisvolle Paar in ihrem zukünftigen Exil-Ort Eishausen einst eintraf.
Das „Dunkelgrafenpaar“ waren und 35 Jahre lang die Geschichte des Dorfes mitgeschrieben haben. Noch heute gibt es in Eishausen Familien, die aus den Erzählungen ihrer Großeltern wissen, daß deren Groß- oder Urgroßeltern im Dienste des Paares standen. Die Geschichten haben die Eishäuser in ihrer Erinnerung wachgehalten.
Das Paar lebte dort 30 Jahre in absoluter Isolation, bis die Dame 1837 stirbt. Kein Schriftstück verrät die wahre Identität. Doch es gab trotz der Verschleierung Zeugen, die ihre Ähnlichkeit mit der französischen Königstochter Marie Therese, genannt Madame Royale, bemerkt haben wollen. Es sprach sich herum, wurde kolportiert, wurde zum Gerücht, zur Legende.
Das Paar in völliger Abgeschiedenheit und unerkannt. Man hatte Bedienstete, aber sonst wurde niemand vorgelassen. Das Paar hatte viel Geld, die Frau ließ sich immer wieder Kleider nach der neuesten Mode aus Frankfurt kommen
Im Schloß Eishausen starb die Dunkelgräfin 1837 und wurde in einem namenlosen Grab auf dem Hildburghäuser Schulersberg in aller Stille beigesetzt. Der Dunkelgraf verbrannte nachts Handschriften und Porträts im Schloßgarten, um die Spuren und die Identität der Dunkelgräfin zu verwischen. Eine Porträtzeichnung geht in Flammen auf. Der „Dunkelgraf“ starb sieben Jahre später und liegt in Eishausen begraben. Die Einträge mit Kirchenbuch geben nur irgendwelche Namen an.
Das Schloß wurde 30 Jahre später wegen Baufälligkeit abgerissen - es war ja die ganze Zeit nichts an ihm gemacht worden, denn niemand wurde hineingelassen. Dort befindet sich jetzt eine Wiese. Nur ein verfallenes Nebengebäude ist noch vorhanden.
Das Geheimnis wurde gehütet wie ein Schatz, Versuche einer Graböffnung wurden immer wieder abgeblockt. Einmal war es zwar schon geschehen - am 8. Juli 1890 hatte Dr. Armin Human das Grab geöffnet und seine Erkenntnisse publiziert: Weibliche Person, 58 Jahre alt. Doch DNA-Tests waren zu dieser Zeit noch nicht möglich, und so konnte auch er nur von der „vermutlichen Tochter Ludwig des XVI.“ schreiben, die als „Dunkelgräfin“, später oft auch als „Madame Royal“ bezeichnet worden ist. Doch weitere angestrebte Graböffnungen und Untersuchungen, die es Ende des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart gab, scheiterten, weil der Stadtrat von Hildburghausen entsprechende Beschlüsse gefaßt hatte.
Im Jahre 2012 plante der Mitteldeutsche Rundfunk eine Exhumierung, um durch einen DNA-Test die mögliche Identität festzustellen. Aus rein wissenschaftlichen Gründen, wie es hieß. Der Stadtrat schien gespalten, und die Einwohner erst recht. Eine Bürgerinitiative hatte sich gegründet, die sich gegen die Graböffnung wandte, und vom Stadtrat forderte, sich an seinen Beschluß zu halten.
Fast täglich meldeten sich in den Medien die Befürworter und Gegner zu Wort. Die einen sahen den wissenschaftlichen Wert der Untersuchung der Zeit angemessen, die anderen erkannten darin eine unzulässige Störung der Totenruhe. Die Argumente prallten hart aufeinander, und nicht immer wurden sie sachlich und fair ausgetauscht. Selten hat ein Thema so viele Emotionen ausgelöst, so sehr man sich von offizieller Seite auch um eine Verständigung bemühte. Auch ein großes Bürgerforum im Stadttheater konnte keine Einigung zwischen Gegnern und Befürwortern herbeiführen.
Der Stadtrat ließ sich schließlich von den Argumenten des MDR überzeugen, hob seinen eigenen Beschluß wieder auf und stimmte der Graböffnung durch die Filmemacher zu. Auch das Bürgerbegehren und der Bürgerentscheid konnten dies nicht verhindern. Zwar gab es weit mehr Stimmen, die gegen eine Graböffnung waren als die sich dafür aussprachen. Doch sie reichten nicht aus, da die Wahlbeteiligung zu gering war und die Stimmen hochgerechnet werden auf alle Wahlberechtigten
Am 28. Juli 2014 um 22.05 Uhr strahlte der MDR den Film über das Rätsel von Hildburghausen aus. Zunächst machte die Freiburger Anthropologin Professor Ursula Wittwer-Backofen einen dreidimensionalen Porträtvergleich aus verschiedenen Lebensphasen der Königstochter und der späteren Herzogin von Angoulême. Es gibt ein Bild von ihr im Alter von zwölf Jahren und nunmehr eine Rekonstruktion des Gesichts anhand des Schädels. Aber das Ergebnis war unentschieden: Es könnte sich vielleicht um die gleiche Person handeln, vielleicht aber auch nicht.
Szenenwechsel nach Wien: Ein merkwürdiges Grab auf dem Hietzinger Friedhof. „Le fidéle Clery – dernier serviteur de Louis XVI“. Der treue Clery liegt hier, der letzte Diener von Ludwig XVI. Clery war seinem König freiwillig in die Haft im Temple gefolgt. Ein halbes Jahr lang hat er mit dem gefangenen König gebetet, die Königin frisiert, mit den beiden Kindern - dem Dauphin und der 14-jährigen Prinzessin Marie Therese - gespielt. Als Louis und Marie Antoinette guillotiniert werden, ist der unglückliche Diener frei, die Kinder bleiben allein. Der Dauphin überlebt Einsamkeit und Verwahrlosung im Temple nicht, die Prinzessin wächst heran.
Drei Jahre später hört Clery von der Freilassung der Prinzessin Marie Therese im Austausch gegen gefangene Revolutionäre. Clery eilt zur Prinzessin. Doch am Wiener Hof hält man ihn fern von ihr. Er wird die Prinzessin - die spätere Herzogin von Angoulême - nicht wiedersehen. Auch die anderen Vertrauten aus Paris entfernt der Wiener Hof. Eine der Hofdamen wird die Herzogin später erpressen. Was wußten die Begleiter? Verdächtige Spuren finden sich im Archiv der Kaiserfamilie. Es ist anzunehmen, daß doch die echte Königstochter am Hof in Wien lebte.
Im Oktober 2013 wurde das Grab der Dunkelgräfin in Hildburghausen geöffnet. Die Wissenschaftler fanden darin, was die Historie vermuten ließ. Eine Frau in entsprechendem Alter, die nie in ihrem Leben hart gearbeitet hat. Es wurden DNA-Proben genommen, die von zwei Instituten unabhängig voneinander untersucht wurden: von Professor Walther Parson vom Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck und von Dr. Sabine Lutz-Bonengel vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg.
Aus einem Stück des Oberschenkelknochens (es wurde richtig ein ganzes Stück herausgesägt)
wurde DNA gewonnen. Diese wurde verglichen mit der DNA eines Nachkommens der Kaiserin Maria Theresia. Und außerdem hat man noch DNA-Material aus dem Herzen des Dauphin (der Schwester der Prinzessin), das in Paris aufbewahrt wird und die schon 2001 bestimmt wurde. Verglichen hat man aber nur die mitochondrische DNA, also die mütterliche Linie, wie das in solchen Fällen üblich ist.
Es stellte sich heraus, daß zwar die Erbanlagen der Prinzessin aus Wien und die des Königssohns aus Paris übereinstimmen,
aber sie stimmen nicht überein mit den Erbanlagen der Frau aus Hildburghausen. Die „Dunkelgräfin“ ist also nicht Königstochter. Doch wer war sie dann? Ihre DNA stimmt mit keiner bisher bekannten DNA
eines Menschen auch nur annähernd überein. Aber die Forschung macht auf diesem Gebiet rasche Fortschritte, so daß man schon einen genetischen Zwilling finden wird und dann vielleicht sagen
kann, woher die „Dunkelgräfin“ stammt.
Was ändert sich für die südthüringische Kreisstadt Hildburghausen, wenn das Ergebnis
bekannt wird? Auch das ist Spekulation, wie zuvor die Identität der Dame. Fällt ein „Zugpferd“ für den Tourismus weg, falls sie keine Königstochter ist? Oder wird der Besucherstrom größer werden, wenn hier ein französischer Adelssproß begraben liegt?
Creuzburg an der Werra
Der geschichtsträchtige Ort liegt nun wieder in der Mitte Deutschlands. Wer von Eisenach kommend auf der Bundesstraße 7 in Richtung Kassel fährt, wird unweigerlich von der Creuzburg, der alten thüringischen Landgrafenburg, beeindruckt. Gleichsam am Eingangsportal Thüringens erhebt sich die Schwesternburg der Wartburg im Werratal.
Einst soll bei der Christianisierung durch Bonifatius auf diesem 40 Meter hochragenden Felsen ein Kreuz errichtet worden sein. Später hat wohl ein Kloster dort gestanden, bevor an diesem strategisch wichtigen Ort eine stolze Burg, die Creuzburg (1165 bis 1168), errichtet wurde. Jedenfalls soll 1170 Kaiser Friedrich Barbarossa durch eine Urkunde mit Siegel und Unterschrift den Bau der Creuzburg bestätigt haben.
Die Thüringer Landgrafen hatten von der Creuzburg aus einen der wichtigsten Handelswege und die Werra in fester Hand.
Eine überaus bewegte Geschichte umgibt die Creuzburg. Nicht nur Landgraf Ludwig IV residierte zeitweise hier, auch seine Gemahlin, die Landgräfin Elisabeth, die als kleines Kind dem 11-Jährigen anvertraut wurde, liebte diesen Ort, der von der starken Stadt umgeben war. Ziemlich sicher ist, daß die junge Landgräfin auf der Creuzburg 1222 ihren Sohn Hermann geboren hat. Zu dieser Zeit war Landgraf Ludwig IV. unterwegs in Hessen. Doch seine große Freude und Dankbarkeit soll er dadurch zum Ausdruck gebracht haben, daß er 1223 eine steinerne Brücke mit sieben Bögen über die Werra hat bauen lassen. Sie ist noch heute ein großartiges Bauwerk (älteste Natursteinbrücke in Mitteldeutschland!).
Viele Legenden ranken sich um die mildtätige Landgräfin Elisabeth, die ihr Christsein in besonderer Weise mit der praktischen Liebestätigkeit zu verbinden wußte. Im Jahre 1227 begleitete Elisabeth von der Burg aus ihren Gemahl bei seinem Aufbruch zum Kreuzzug bis nach Schmalkalden. Bereits im September 1227 verstarb Landgraf Ludwig in Italien. Die Boten überbrachten die Todesnachricht. Elisabeth war zutiefst betrübt. „Übergroß, wie ihre Liebe gewesen war, war auch ihr Schmerz.“
Nach der Geburt der jüngsten Tochter Gertrud, die ebenfalls auf der Creuzburg geboren wurde, verließ die junge Mutter mit ihren Kindern Thüringen. Sie wurde in Marburg aufgenommen, begründete ein Spital, diente wie eine Magd, legte die Kutte der Franziskanerinnen an und verstarb 1231. Bereits 1235 wurde sie von Papst Gregor IX. heilig gesprochen.
Der älteste Sohn Landgraf Hermann II. konnte erst nach seiner Mündigkeit das Landgrafenamt für Thüringen einnehmen. Er residierte kurze Zeit auf seiner Lieblingsburg und verstarb hier 1241. Sein plötzlicher Tod blieb geheimnisumwittert!
Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen haben immer wieder die Burg verwüstet. Aber auch wichtige Zusammenkünfte in der Reformationszeit haben Landgrafen und Fürsten auf der Creuzburg zusammengebracht. Kurfürst Johann der Beständige hat mit den Landgrafen von Hessen und Sachsen über die Einführung der Reformation hier konferiert. Martin Luther hat auf dem Weg zu den Marburger Religionsgesprächen mit seinen Freunden die Creuzburg aufgesucht. Minister Johann Wolfgang von Goethe und Herzog Karl August von Weimar haben den steilen Weg zur Burg im Jahre 1779 nicht gescheut.
Nicht zu vergessen, daß Michael Schultheiss, der Sohn des Creuzburger Pfarrers, genannt Michael Praetorius, ein Kind Creuzburgs ist. Von ihm stammt die Melodie des Weihnachtsliedes „Es ist ein Ros entsprungen“.
Als 1945 deutsche Truppen den Untergang des 3. Reiches im Werratal aufhalten wollten, wurde die alte Stadt Creuzburg zu über 85 Prozent zerstört. Vieles ist verloren gegangen, nicht nur mittelalterliche Gebäude, sondern auch wertvolle Gemälde und Kunstgegenstände. Große Teile des Ortes lagen von 1962 an in der fünf Kilometer-Sperrzone. Zugang war nur mit einem Passierschein möglich. Erst nach der Wende ist wieder neues Leben und neue Hoffnung eingezogen.
Eisenach
Früher oder später zieht der Reiz der mittelalterlichen Feste über der Stadt einfach alle in ihren Bann: die Wartburg. Sie gehört zum UNESCO- Weltkulturerbe, denn kaum ein anderes Bauwerk ist für die deutsche Geschichte von ähnlicher Bedeutung. Im Jahre 1080 erstmals erwähnt, war die Wartburg bereits im Mittelalter Zentrum des politischen, kulturellen und religiösen Lebens. Die „deutscheste aller Burgen“", sie steht für Stein gewordene Rittertugenden und Minne- sang. Nach der Sage fand hier der legendäre Sängerkrieg statt, der durch Richard Wagners „Tannhäuser" in die ganze Welt ging. Elisabeth, die Schutzheilige von Thüringen, verbrachte viele Jahre auf der Wartburg und kümmerte sich selbstlos um Arme und Kranke. Ihr Leben und ihre Wirkungsgeschichte als „Mutter Theresa des Mittelalters“ werden im Focus der 3. Thüringer Landesausstellung „Elisabeth von Thüringen - eine europäische Heilige“ stehen. Eine Würdigung anlässlich ihres 800sten Geburtstages, und eine Auseinandersetzung mit ihrem Leben zwischen den Extremen ihrer Herkunft aus dem Hochadel und ihrer Hinwendung zur Welt der Ärmsten.
Doch nicht nur die Wartburg ist Ausstellungsort, auch in der Predigerkirche in Eisenachs Stadtzentrum wird ein Teil der vier- bis fünfhundert Exponate zu bewundern sein. Eine adäquate Stätte, ist doch die Predigerkirche eine der ersten Kirchen, die der heiligen Elisabeth geweiht wurden. Nach einer Chronik von etwa 1400 gelangte das Kruzifix von der Wartburg, vor welchem Elisabeth ihre goldene Krone niedergelegt hatte, hierher. Gezeigt werden hochkarätige Originale, unter anderem aus St. Petersburg und dem Vatikan, anhand derer Elisabeths Leben und Wirkungsgeschichte eindrucksvoll nachempfunden werden kann.
Heimstatt und schützendes Gemäuer war die Wartburg auch für Martin Luther, der hier 1521/22 in nur elf Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte. Während seiner Schulzeit - von 1498 bis 1501 - hatte der spätere Reformator im so genannten Lutherhaus gelebt, wo seine beiden Wohnstübchen noch immer zu besichtigen sind. Das Rathaus von 1564, die prächtige Rathausapotheke und das Stadtschloss aus dem 18. Jahrhundert vermitteln dem Besucher ein Bild vom Eisenach vergangener Zeiten.
Der Dr. Kleist-Stadtrundgang hingegen führt Besucher an die Originalschauplätze der aktuellen TV- Serie. Die echten Dr. Kleist-Fans können so „ihrer“ Fernsehfamilie ein Stückchen näher sein. Schon seit der ersten Staffel gehören die Dreharbeiten um den beliebten Fernseharzt in Eisenach zum Stadtbild. Seither streifen zahlreiche neue Gäste in der Stadt umher, um möglichst viel „Dr. Kleist-Feeling“ zu erhaschen - und erleben dabei auch das wahre Eisenach, mit seinen Traditionen und historischen Sehenswürdigkeiten. „Johannes Kleist“-Darsteller Ulrich Pleitgen sagt: Mein persönliches Highlight sind die historischen Villen in der Südstadt, die von Fabrikanten und anderen besonders betuchten Eisenacher Bürgern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut wurden. Heute ist das Südviertel eines der bemerkenswertesten Villengebiete Deutschlands - und Spaziergänge machen hier immer besonderen Spaß, denn man kann jedes Mal eine noch unbekannte architektonische Kostbarkeit entdecken. Am Klosterweg 10 steht ja auch „meine“, also Johannes Kleists Villa - ein wunderschönes altes Gemäuer, sozusagen das Zentrum der Serie!“
Aber letztlich stiehlt die fiktive Person des Dr. Kleist den „alten“ Eisenachern nur temporär die Show. Luther und Bach sind eben doch die wahren Stars, und das schon seit einigen hundert Jahren. Hätte es 1685 schon Fernsehen gegeben, wäre die Geschichte des Eisenacher Zweigs der Musiker-Familie Bach sicher auch ein „Straßenfeger“ geworden. Am 21. März dieses Jahres brachte die Frau des Hoftrompeters Johann Ambrosius Bach nämlich ihr jüngstes Kind zur Welt - Johann Sebastian. Sieben Generationen von „Bachen“ brachten einst über 100 Musiker hervor - doch keiner konnte an das Genie Johann Sebastian Bachs heranreichen.
Das Geburtshaus in der Fleischgasse, heute Lutherstraße, ist leider nicht erhalten, doch im 400 Jahre alten Bachhaus am Frauenplan wird bis heute anschaulich des großen Musikers gedacht. Sehenswert sind der Instrumentensaal und die originalen Einrichtungsgegenstände aus der Zeit des großen Organisten und Komponisten Johann Sebastian Bach. Ergänzt wird die bisherige Ausstellung durch interessante Exponate und Projekte rund um die Welt der Musik im neuen Museumsbau auf dem Nachbargrundstück des Bachhauses. Am 17. Mai 2007 soll der Neubau im Rahmen der Festwoche „100 Jahre Bachhaus“ feierlich eröffnet werden.
Gotha
Zunächst ist da Herzog Ernst der Fromme, der die Stadt wie kein anderer prägte und der von den Gothaern ein bißchen schnoddrig, aber liebevoll als „Opa von Europa“ bezeichnet wird. Mit Fug und Recht, denn der Herrscher des Hauses Sachsen-Gotha im 17. Jahrhundert ist Stammvater der Monarchien in Europa. Das Haus Windsor, die Königshäuser von Dänemark, Schweden, den Niederlanden, Spanien und Belgien, die Fürstenhäuser von Liechtenstein, Monaco und Luxemburg sind dank einer geschickten Heiratspolitik des Herzogs mit dem Gothaer Schloß Friedenstein verwoben. Nicht umsonst also wirbt deshalb die Stadt mit dem Slogan „Gotha adelt“.
Größtes sichtbares Zeichen ist das Schloß Friedenstein, das Ernst der Fromme errichten ließ. Mit 100 mal 140 Metern im Umriß gilt es als die größte frühbarocke Anlage Deutschlands. Und sie birgt zahlreiche hochkarätige Schätze, für die sammelfreudige Herzöge den Grundstein legten. Einiges davon präsentiert das Schloßmuseum in historischen Räumen. Aber auch das Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde, das Museum der Natur oder das Ekhof- Theater - die barocke Zauberbühne schlechthin - sind hier zu besichtigen. Auf dieser legte Conrad Ekhof, Vater der deutschen Schauspielkunst, den Grundstein für die Theaterkultur der Neuzeit. Beim jährlichen Ekhof-Festival kommt die historische Bühnentechnik effektvoll zum Einsatz.
Zudem lädt die Stiftung Schloß Friedenstein aktuell mit zwei spannenden Sonderausstellungen ein: „Mit Lust und Liebe singen“ beleuchtet die Reformation und ihre Lieder. Für die Ausstellung griffen die Gestalter auf die 3.000 Bände zählende Gesangbuchsammlung des Schlosses zurück. Und „Märchenhaftes“ erzählt die zweite Sonderschau von interessanten Exponaten der Sammlung.
Unterhalb vom Schloß bildet das Rathaus den Mittelpunkt des historischen Stadtkerns. Reich geschmückte Bürgerhäuser mit aufwendig gestalteten Steinmarken säumen den Hauptmarkt. Nur wenige Schritte von hier nehmen Augustinerkirche und -kloster den Blick gefangen. Aus der ältesten Niederlassung der Augustinermönche in Thüringen ist in den vergangenen Jahren eine moderne Begegnungsstätte der evangelischen Kirche entstanden mit Café, Herberge
und historischer Bibliothek. Unbedingt sehenswert ist der Kreuzgang, an dessen Wänden Grabsteine bedeutender Gothaer Persönlichkeiten aufgestellt sind; unter anderem auch der
von Johann Georg August Galletti, dem Erfinder der Kathederblüte. Ihm gilt übrigens eine der thematischen Stadtführungen, die von „KulTour-Stadt Gotha“ angeboten werden. Andere Führungen erzählen über Luthers Besuche oder das mittelalterliche Gotha. Und „Bruder Gisbert“ bittet zu einem Rundgang, in dessen Mittelpunkt das Augustinerkloster, Mönche, Heilige und falsches Bier stehen.
Von Gotha aus empfiehlt sich ein Besuch der Drei Gleichen. Das sagenumwobene Burgen-Ensemble verbindet Natur, Kultur und Geschichte miteinander. Im mehr als 1300 Jahre alten Mühlberg lohnen sich zudem ein Rundgang (Freihöfe, Laufbrunnen und Spring) und ein Verweilen in Kirche und Radegundiskapelle. Keinesfalls zu versäumen ist eine Fahrt mit der Thüringerwaldbahn, die die Residenzstadt mit dem Thüringer Wald verbindet. Hier locken Friedrichroda, Reinhardsbrunn, die Marienglashöhle oder Tabarz.
In Georgenthal bieten sich gleich zwei Ziele an: die Ruine des Zisterzienserklosters und das Lohmühlenmuseum. Wer mit Kindern reist, sollte einen Besuch des Tierparkes am Stadtrand einplanen.
Ohrdruf
Daß in Ohrdruf Thüringer Kirchengeschichte begann, ist bekannt. Wenn aber archäologische Erkenntnisse historische Quellen bestätigen und erweitern, kann das zu einer Sensation werden.
Funde, die ihresgleichen in Thüringen suchen, gibt es noch bis zum „Tag des offenen Denk-
Mals“ im Hof von Schloß Ehrenstein in Ohrdruf zu bestaunen. Dazu gehört vor allem die ins frühe 11. Jahrhundert datierte Krypta der ehemaligen Peter- und Paulskirche. Den Fund der Krypta bewertet Sven Ostritz, Präsident des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie, als sensationell und einmalig, ist sie doch die älteste im Freistaat. Die freigelegte Krypta spricht für die Bedeutung des Ohrdrufer Gotteshauses, schließlich konnte der Bau von Krypten in Thüringen bislang nur an wenigen Orten belegt werden.
Ostritz geriet als oberster Archäologe des Freistaats richtig ins Schwärmen, als er die Ausgrabungen kürzlich der Öffentlichkeit vorstellte und dabei am Standort des ältesten nachweislich von Bonifatius gegründeten Klosters bekundete: „Bonifatius war nicht alles“.
Tatsächlich zählt die einstige St. Peter-und-Pauls-Kirche zu den ältesten Thüringer Kirchen. Die nun ergrabene dreischiffige und dreijochige Krypta als Unterkirche, die es, so Ostritz, „in Thüringen nur dieses eine Mal gibt“, unterstreicht die Bedeutung des Gotteshauses. Die Existenz des Bauwerks war kein Geheimnis, schließlich berichtete das Reliquienverzeichnis des Propstes Wolfram von Ichtershausen aus dem Jahr 1190 von der Restaurierung einer ziemlich zerfallenen Kirche, in die im Jahr 980 Kanoniker eingesetzt und kostbare Reliquien verbracht worden seien. Das Verzeichnis erwähnt auch den großen Brand von 1184
Doch Berichte sind das eine, archäologische Reste das andere. So fanden die Archäologen um Grabungsleiter Udo Hopf neben den Mauerstrukturen auch Hinweise auf starke Brandspuren in der Krypta und Belege für den anschließenden Wiederaufbau des Gotteshauses - nach dem Brand - ein Glücksfall, bei dem historische Quellen und archäologische Erkenntnisse zusammenfinden.
Die Maße der Kirche wirken auch heute noch beeindruckend, erst recht für die Menschen des Mittelalters. Nach 1184 entstand eine rund 40 Meter lange, 17 Meter breite Pfeilerbasilika mit einem 23 Meter breiten Querhaus. Zu den besonderen Funden, die Hopf und seine Kollegen bargen, gehören Teile eines um 1200 datierten Gips-Estrichfußbodens mit mehrfarbigen ornamentalen Einlegearbeiten.
Bereits seit Juli 2008 laufen die Ausgrabungen im Schloßhof. Erforderlich wurden sie durch dessen geplante Neugestaltung. Dabei fanden die Archäologen südwestlich des Kirchenstandortes auch Reste eines 18 Meter langen Holzbaues aus dem 10. Jahrhundert. Dieser als „Halle“ bezeichnete Bau könnte möglicherweise dem späteren König Otto I. als Aufenthaltsort bei seinem Zug nach Italien gedient haben. Tatsächlich wurde in Ohrdruf Reichsgeschichte geschrieben, denn König Otto I. urkundete auf seiner Italienreise 961 in Ohrdruf. Ob der Bau damit in Zusammenhang steht, bleibt allerdings Spekulation. Wenige Jahre später entstand an Stelle des Holzbaues ein repräsentativer Steinbau. Dieser und die Einrichtung eines Kanonikerstiftes am Standort der Peterskirche 980 unter Abt Gozbert von Hersfeld stehen wohl in engem Zusammenhang. Zur zeitlichen Einordnung trägt der Fund eines silbernen Denars (um 1000) aus der Regierungszeit Kaiser Ottos III. bei.
Zu den interessanten Grabungsergebnissen gehören ferner 34 Gräber bzw. Grabgruben, von denen 16 vollständig freigelegt werden konnten. 25 der Gräber werden ins 10. bis 12. Jahrhundert datiert und drei stammen aus der Zeit zwischen 777 und 930. Sie verweisen in die frühe Zeit des Klosters, für das es sonst keine archäologischen Befunde gibt. Im Nachfolgebau lebten bis 1344 Augustiner-Chorherren und von 1463 bis zur Reformation 1525 Karmelitermönche. Anstelle des Klosters ließen die Grafen von Gleichen zwischen 1550 und 1570 Schloß Ehrenstein errichten. Im Nordflügel integriert überdauerte der Turmstumpf der Kirche die Jahrhunderte. Nach Fertigstellung des Schloßhofes im Herbst 2010 soll der Grundriß des mittelalterlichen Gotteshauses im Pflaster sichtbar gemacht werden.
Siechenhofskirche: Markanter Akzent in der Winterlandschaft
Die Ohrdrufer Siechhofskirche - ein frühklassizistisches Juwel - hat seine Farbfassung zurück
Schon von Weitem leuchtet 2010 die Siechenhofskirche im Farbkanon Goldocker-Weiß-Grau und setzt - zumal in der derzeitigen Winterlandschaft - einen markanten Akzent. Aus den Händen von Bauamtsleiter Peter Meinung erhielt Ohrdrufs Pfarrer Martin Heinke am 9. Dezember die Schlüssel zurück und damit einmal mehr die Verfügungsgewalt über das kleine Gotteshaus an der Gothaer Straße. Farbfassung und Restaurierung erfolgten in enger Abstimmung zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege und der örtlichen Bauverwaltung. Eigentümer der Kirche ist die politische Gemeinde. Nach einem alten Regulativ obliegt jedoch das alleinige Nutzungsrecht der evangelischen Kirchengemeinde.
Vor den Toren Ohrdrufs gab es einst den Siechenhof, der Arme, Kranke und Siechende aufnahm, und eine kleine Kirche. Dort war in den 1780er Jahren auf den Vorgängerbauten die frühklassizistische Kapelle errichtet worden. Für das stark in die Jahre gekommene Gotteshaus schien eine Sanierung und Restaurierung unausweichlich. Zwar geriet das Projekt zunächst erst einmal auf die berüchtigte lange Bank, doch gelang es der Stadtverwaltung, in diesem Jahr endlich das umfangreiche Vorhaben zu schultern.
Die Gesamtbaukosten von 240.000 Euro stemmte die Gemeinde großenteils aus eigener Kraft, darunter 72.000 Euro Fördermittel aus dem Landesprogramm für städtebauliche Sanierungsmaßnahmen und 1600 Euro private Spenden, die bei zahlreichen Veranstaltungen im Ort und der Region eingeworben wurden.
Unter den Gästen zur Schlüsselübergabe fehlte einer, den man als die gute Seele der Siechenhofskirche bezeichnen kann: Rudolf Messing war es, der das Gotteshaus in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten am Leben hielt, Reparaturen ausführte und mit frischem, selbstgezogenem Blumenschmuck versorgte.
Denn die Siechenhofskirche ist nicht nur ein schöner Bau, sondern sie wird zwischen Christi Himmelfahrt und Erntedank 14-tägig im Wechsel mit der Stadtkirche St. Trinitatis für die Sonntagsgottesdienste genutzt. Das wird auch künftig so bleiben. Zudem bildet sie einen wunderbaren Rahmen für Taufen, Trauungen und Einsegnungen, etwa für Goldene Hochzeiten und - nicht zu vergessen für Konzerte. Man darf also gespannt sein, wie Kantor Marco Lehmann die Kapelle künftig in seine musikalische Planung einbezieht.
Erfurt
Majestätisches Erfurt - die Landeshauptstadt wurde schon oft als „thüringisches Rom“ bezeichnet, wegen seiner Vielzahl an Kirchen und Klöstern. Doch Erfurt ist nicht erstarrt in sakraler Würde; Erfurt ist lebendig, ist gastlich, ist mediterran entspannt. In Deutschlands grüner Mitte liegt eine Metropole, die ihren eigenen Charakter hat: Erfurt ist bedeutend - und Erfurt ist schön. Die Stadt der Türme wird sie gerne auch genannt; „Erfordia turrita - türmereiches Erfurt“. Der eine oder andere Blick nach oben lohnt in Erfurt allemal, nicht nur der Türme
wegen. Wer Erfurt besucht, sollte seinen Blick erheben, denn eine Vielzahl von Entdeckungen wartet auf jene, die mit offenen Augen die Landeshauptstadt erforschen.
Zeitplan:
742 |
Erste urkundliche Erwähnung anläßlich der Bistumsgründung durch Bonifatius |
um 754 |
Das Erfurter Bistum wird dem Bistum Mainz angeschlossen |
805 |
Karl der Große erhebt Erfurt zum Grenzhandelsplatz und verleiht dem Ort das Stapelrecht |
um 1000 |
Erfurt wird als königliche Schenkung an das Erzbistum Mainz gegeben |
1168 |
Ein erster Doppelmauerring mit Zwinger umschließt die Stadt |
1331 |
Kaiser Ludwig gibt das Messeprivileg an Erfurt |
1392 |
Eröffnung der Universität durch den Rat der Stadt |
1432 |
Bau der äußeren Stadtmauer |
1458 |
Die Juden werden ausgewiesen, erst ab 1810 erhalten sie wieder Zuzugsrecht |
1472 |
Ein Stadtbrand zerstört mehr als die Hälfte der Häuser |
1501 - 05 |
Martin Luther als Student in Erfurt |
1505 - 11 |
Martin Luther als Mönch im Augustiner-Eremiten-Kloster |
1509 - 10 |
Tolles Jahr mit Bürgerunruhen wegen der Verschuldung der Stadt |
1521 - 25 |
Die lutherische Reformation hält Einzug in Erfurt |
1631- 49 |
Zeit der schwedischen Besetzung mit mehrmaligem Aufenthalt des Königs Gustav Adolf II. von Schweden |
1664 |
Der Mainzer Erzbischof Johann Philipp von Schönborn erobert die unter Reichsacht stehende Stadt und Erfurt verliert seine Selbständigkeit |
1664 |
Der Petersberg wird zur Zitadelle ausgebaut, die Regierung wird von Mainzer Statthaltern wahrgenommen |
1685 |
Beginn des Erwerbsgartenbaus |
1802 |
Erfurt wird preußisch |
1806 - 13 |
Französische Besetzung |
1808 |
Erfurter Fürstenkongreß, Napoleon teilt Europa auf |
1847 |
Erfurt wird an die Eisenbahn angeschlossen |
1850 |
Das Unionsparlament tagt in der Augustinerkirche |
1873 |
Entfestung der Stadt nach der Reichsgründung |
1891 |
Erfurter Parteitag der SPD |
1906 |
Erfurt wird mit 100.000 Einwohnern zur Großstadt |
1925 |
Der erste Flugplatz am Roten Berg wird eröffnet |
1938 |
Im Pogrom in der sogenannten „Reichskristallnacht“ wird die Synagoge vernichtet und die jüdische Bevölkerung deportiert |
1945 |
Besetzung der Stadt durch amerikanische, später sowjetische Truppen |
1970 |
Treffend es Bundeskanzlers Willy Brandt mit dem DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph im „Erfurter Hof“ |
1991 |
Erfurt wird thüringische Landeshauptstadt im wiedervereinten Deutschland |
1994 |
Wiedergründung der Thüringer Universität |
Rundgang:
Wenn man von der Autobahnabfahrt Erfurt-West kommt, biegt man erst nach links ab auf die Arnstädterstraße und am Stadtring nach rechts ab in Richtung Hauptbahnhof. .
Dort biegt man links ab in die Bahnhofstraße. Die Eisenbahnunterführung durchsticht den ehemaligen Festungswall aus dem 15. Jahrhundert, auf dem nach der Entfestung der Stadt die Bahngleise verlegt wurden. Man kommt nach Norden durch die Bahnhofstraße mit ihren Häusern aus der Gründerzeit. Kurz vor dem Juri-Gagarin-Ring geht es nach rechts ab in die Schmidsteder Straße. In dieser ist rechts ein Parkhaus (relativ teuer).
Reglerkirche:
Wieder zurück auf der Bahnhofstraße geht es nach recht über den Juri-Gagarin-Ring und zur
rechts liegenden evangelischen Reglerkirche. Sie wurde im 12. Jahrhundert als Klosterkirche des regulierten Augustiner-Chorherrenstiftes errichtet und hat einen sehenswerten Doppelflügelaltar von 1460.
Anger:
Weiter auf der Bahnhofstraße geht es nach Norden zum Anger. Dieser war vor Jahrhunderten die Gemeindeweide an der Stadtmauer. Dann war er Haupthandelsplatz für Wolle, Weizen, Waid und Wein. Heute ist er die Hauptgeschäftsstraße Erfurts. Geradeaus sieht man zur im 12. Jahrhundert gegründeten und im 15. Jahrhundert umgebauten katholischen Lorenzkirche. Nördlich davon befindet sich das Palmenhaus, das 1888 im Jugendstil als gußeiserne Konstruktion mit Glasdach für eine Gartenbaufirma gebaut wurde.
Man geht aber auf dem Anger weiter nach Norden. Bis auf wenige Ausnahmen wird das Bild des Angers von Bauwerken des historisierenden Stils der Jahrhundertwende geprägt. Rechts steht das Haus Nr. 11 „Zum schwarzen Löwen“ aus dem Jahre 1577, das im 30-jährigen Krieg die schwedische Statthalterei war. Im Haus Nr. 6 „Zur güldenen Aue und Kardinal“ wohnte zum Fürstenkongreß 1808 der russische Zar Alexander I. Das Haus wurde 1713 anstelle von zwei abgebrannten Häusern erbaut. Dahinter steht in einer Grünanlage der Zar-Alexander Obelisk. Daneben steht das Ursulinenkloster, das 1235 erstmals erwähnt wird und seit etwa 300 Jahren von Ursulinen bewohnt wird. Weil sie hauptsächlich durch Unterricht und Erziehung wirken, entging ihr Kloster der Säkularisierung im 19. Jahrhundert und ist heute der letzte Zeuge au Erfurts vielfältigem Klosterleben. Das Hauptpostgebäude gegenüber wurde 1892 bis 1895 im gotisierenden Stil erbaut.
Kaufmannskirche:
An der Nordecke des Angers steht die evangelische Kaufmannskirche, die als einzige Bürgerkirche zwei Türme hat. Im 11. Jahrhundert wurde sie von reisenden friesischen Kaufleuten gegründet. Im Jahre 1522 predigte Martin Luther dort und am 18. April 1668 heirateten dort die Eltern Johann Sebastian Bachs. Das Lutherdenkmal vor der Kirche wurde 1889 von Professor Fritz Schaper aus Berlin geschaffen.
Johannesstraße:
Man geht rechts am Denkmal vorbei und nach Norden in die Johannesstraße. Auf ihrer Ostseite haben einst mächtige Waidjunkerhöfe gestanden. Einige von ihnen erzählen noch heute von der wirtschaftlichen Stärke ihrer Erbauer. Rechts steht mit der Hausnummer 178 das Haus „Zum grünen Sittich und gekrönten Hecht“, das zwischen 1557 und 1584 durch den Umbau eines gotischen Hauses entstanden ist. Sein Erdgeschoß ist massiv, während die Obergeschosse in Fachwerkbauweise errichtet wurden. Die Giebelseite zeigt einen besonderen Fachwerkverbund, der „Wilder Mann“ genannt wird. Ein typisches Waidhändlerhaus ist das Haus „Zur Wachsenburg“ (Nr. 174), dessen Fassade heute verputzt ist. Es wurde im 15. Jahrhundert mit mehreren Dachböden zur Waidverarbeitung erbaut.
Rechts kommt man zum Haus „Zum Stockfisch“ (Nr. 169). Es wurde 1607 auf den Kellergewölben seines gotischen Vorgängerbaues errichtet. Seine reichgeschmückte Fassade mit dem prachtvoll verzierten Eingangsportal zeugt vom Reichtum der Waidhändlerfamilien. Über dem Portal wird in einem Steinrelief das Hauszeichen dargestellt: ein Stockfisch. Heute befindet sich hier das Stadtmuseum. Das Haus „Zum Mohrenkopf“ (Nr. 168) hat sehr schön bildhaft dargestellten Bierlochsteine, in die man früher Stroh legte, um anzuzeigen, daß frisches Bier gebraut worden war..Das spätgotische Haus „Zur Mühlhaue“ (Nr. 166) hat eine ausdrucksvolle Eckquaderung.
Man geht dann weiter bis zum Johannesturm. und biegt nach links ab in die Augustinerstraß und dann wieder links in die romantische Kirchgasse, deren Häuschen nicht höher sein durften als die Klostermauer. An der Westseite stehen nämlich Augustinerkirche und das Augustinerkloster
Augsutinerkloster:
Das seit 1277 erbaute Augustinerkloster ist nach der Beseitigung der schweren Kriegsschäden eine sehenswerte gotische Klosteranlage. Die Kirche zeigt alle Besonderheiten der strengen Bauregeln des Bettelmönchsordens und hat wertvolle Glasfenster vom Anfang des 14. Jahrhunderts. Hier lebte Martin Luther von 1505 bis 1511 als Mönch. Erfurt gilt als Luthers geistige Heimat; hier begann er nach dem Studium der Rechtswissenschaften sein Theologiestudium. Am 17. Juli 1505 bat Luther um Aufnahme in das Erfurter Augustinerkloster, wo er über Jahre in strenger Askese und wissenschaftlicher Einkehr als Mönch lebte. Im Jahre 1507 weihte man ihn im Dom zu Erfurt zum Priester.
Seit 1525 ist die Kirche evangelisch. Das Kloster wurde Ratsgymnasium und Waisenhaus.
Heute befinden sich hier die Augustinergemeinde, eine große Bibliothek und ein Tagungsheim. Mit der ständigen Ausstellung zum Leben des Reformators und der Lutherzelle ist das Augustinerkloster eine bedeutende Lutherstätte in Thüringen. Die Besichtigung des Klosters ist nur im Rahmen von Führungen möglich.
Am westlichen Ende der Augustinerstraße (Hausnummer 17), steht der Turm der 1744 abgebrochenen Nikolaikirche, die 1013 erstmals urkundlich erwähnt wird und 1747 abgerissen wurde, weil sie bei einem Brand 1744 schwer beschädigt worden war. Nur der 1360/61 errichtete Nikolaiturm bleib erhalten, auf dem bis in unser Jahrhundert hinein hat ein Türmer gewohnt und über der Stadt Wache gehalten hat.
Im Erdgeschoss de Turm befindet sich die Elisabethkapelle, die zu den ältesten und wertvollsten Kunst- und Kulturobjekten Erfurts zählt. Die auf quadratischem Grundriss erbaute Elisabethkapelle weist eine kreuzgratgewölbte Decke und leicht spitzbogige Schildbogenwände auf. Das Mauerwerk wurde in Kalkbruchstein, die Tür-, Fenster- und Altarnischenlaibungen dagegen mit großformatigen Sandsteinquadern (Werkstein) ausgeführt. Als Mauer- und Verfugmörtel kam ein Kalkputz zum Einsatz. Abschließend brachte man einen geglätteten Gipsputz als Malschichtträger auf. Im Bereich der Südwand kann man die noch erhaltenen Teile eines mittelalterlichen Malereizyklus mit szenischen Darstellungen zum Leben der heiligen Elisabeth erkennen.
Lehmannsbrücke:
Die Augustinerstraße überquert die Gera an der die 1182 erstmals erwähnten Lehmannsbrücke. Von hier sieht man eine künstlich angelegte Insel, durch die die Fließgeschwindigkeit der Gera erhöht wird. Das ist bei dem geringen Gefälle durch die Stadt notwendig, trieben doch die mehrfach verzweigten Flußarme im Stadtgebiet zeitweise über 50 Mühlen an. Seit dem Mittelalter wird das Wasser des Flüßchens mehrmals im Jahr umgeleitet, so daß bei dieser „Flußfege“ wasserbauliche Arbeiten vorgenommen werden können.
Comthurhof:
Man geht auf der Nordseite der Gera entlang nach Süden. An der Ecke mit der Schildgasse steht der Comthurhof von 1570, der an die glanzvollen Zeiten des Deutschen Ordens erinnert.
Dämmchen:
Durch die Schildgasse (in der Mitte etwas versetzt) kommt man in die Hütergasse. Dort ist rechtsmit der Hausnummer Hütergasse 13 das Haus „Zu den kleinen Füchsen und roten Hirsch“. Es ist aus dem 17. Jahrhundert und wurde aus ursprünglich aus zwei Häusern zu einem Grundstück zusammengefaßt. Am Wasserlauf ist eine Schöpfstelle und ein Waschplatz aus der „guten alten Zeit“ erhalten geblieben, während unter dem Fußgängerbrückchen letztens eine neue künstliche Insel angelegt wurde. Am gegenüberliegenden Flußufer ragen die beiden Häuser der ehemaligen Armenburse über das Wasser. Einst war hier ein Internat, in dem mittellose Studenten der Erfurter Universität unterkommen konnten.
Haus „Zur Steinecke“:
Immer noch auf der Ostseite der Gera geht man von der Hütergasse nach Süden und kommt in die Horngasse. Von der Brücke zum Dämmchen aus öffnet sich schon der Blick auf die Krämerbrücke, zu deren Schutz auch das um 1200 erbaute Haus „Zur Steinecke“ (Horngasse 4) diente. Es ist eines der ältesten Häuser der Stadt. Seit Ende des 15. Jahrhunderts war es Universitätshospital, dann öffentliches Badehaus, danach wieder Wohnhaus, und heute beherbergt es die Restaurierungswerkstätten der Denkmalpflege.
Von der kleinen Grünanlage am Wasser blickt man auf die seichte Flußdurchfahrt, die der Stadt den Namen gegeben hat: die Furt durch die „Erphe“, wie die Gera in frühmittelalterlicher Zeit genannt wurde. Unweit dieser „Erphesfurt“ hatte der Missionsbischof Bonifatius 742 ein Bistum gegründet und dies in einem Brief mit der Bitte um Bestätigung dem Papst mitgeteilt. Damit taucht der Name „Erfurt“ erstmals aus dem Dunkel der Geschichte auf und gleichzeitig die Nachricht, daß hier eine befestigte Burg heidnischer Bauern zu finden war. Seit alters her kreuzten sich im Schutze dieser Siedlung wichtige Handels- und Heerstraßen: die in West-Ost-Richtung verlaufende Via regia (von Paris nach Nowgorod) und die Nürnberger Geleitstraße, die in Nord-Süd-Richtung Norddeutschland mit Italien verband. Die Bundesstraßen 4 und 7 folgen zum Teil diesen uralten Wegen.
Futterstraße:
Aber zunächst geht man von der Horngasse nach rechts in die Gotthardtstraße und dann nach links in die Schottengasse. An ihrem östlichen Ende steht die Schottenkirche, deren barocke Fassade die einzige romanische Kirche Erfurts verbirgt. Auf der Schottenstraße geht man dann nach Süden bis zur Futterstraße.
Durch die Futterstraße führte einst die „Via regia“ in Richtung Nowgorod. Hier konnten sich die reisenden Kaufleute für die erste Reiseetappe mit Pferdefutter versehen, denn die hier wohnenden Bürger hatten ein heute vergessenes Gewerbe: sie waren Pferdefütterer. Wenn die Kaufleute aufgrund des Stapelrechts ihre Reise unterbrachen, mußten die Pferdegespanne versorgt werden. Die Futterhändler haben damit soviel Geld verdient, daß sie nach dem 30jährigen Krieg fast als einzige Bürger der Stadt Erfurt neue Häuser im Barockstil bauen konnten.
Die renovierte klassizistische Fassade des Kaisersaales fällt gleich auf. Es ist das alte Universitätsballhaus, das 1715 aus zwei älteren Gebäuden errichtet wurde. Im Jahr 1791 war die Uraufführung der Prosafassung von Schillers „Don Carlos“. Im Jahre 1808 trafen sich hier Napoleon I. und Zar Alexander I. zum Fürstenkongreß. Im Jahre 1891 wurde hier der Erfurter Parteitag der SPD abgehalten. Am 12. April 1946 fassten im Kaisersaal Kommunisten und Sozialdemokraten auf einer gemeinsamen Tagung den „Beschluss über die Vereinigung der KPD und SPD zur Sozialistsichen Einheitspartei Deutschlands SED" auf lokaler Ebene. Heute ist hier ein Kultur- und Kongreßzentrum. Im Jahr 1994 wurde das traditionsreiche Haus als Kultur- und Kongreßzentrum mit gepflegter Gastronomie wieder eröffnet.
Schräg gegenüber (Futterstraße 2) steht das Haus „Zum Rebstock“, im Jahr 1451 vom Ratsherrn Otto Ziegler erbaut, der von seiner Reise ins Heilige Land einen Rebstock mitgebracht hatte. Das Haus Nr. 12 „Zum Würzgarten und Aron“ (1737) und das Haus Nr. 13 / 13a „Zum gekrönten Löwen und kleinen Wachsberg“ sind über den Kelleranlagen ihrer Vorgängerbauten errichtet worden.
Wenigemarkt:
Nach Westen kommt man zum Wenigemarkt. Er war einst der östlichste Marktplatz des Frankenreiches. Hier trafen sich die fränkischen und die slawischen Kaufleute zu Handel und Austausch. Heute ist er von Bürgerhäusern des vergangenen Jahrhunderts umstanden. Der moderne Brunnen auf der Platzmitte zeigt spielende Knaben.
Ägidienkirche:
Vom Wenigemarkt sieht man die letzte der vier Brückenkopfkirchen Erfurts, die Ägidienkirche. Sie ist als Wegekapelle schon 1100 erwähnt worden, ihre steinerne Nachfolgerin
wurde 1321 - 1324 im Zusammenhang mit der Krämerbrücke erbaut und diente den reisen-
den Kaufleuten und ihren Begleitern zur Seelsorge und zum Empfang der Sakramente.
Durch den Torbogen, über dem das Kirchenschiff liegt, könnte man schon auf die Krämerbrücke gelangen. Da, wo heute ein romantisches Café zum Verweilen einlädt, beobachtete einst die Wachmannschaft der Brücke das geschäftige Treiben.
Haus „Zum alten Schwan“:
Man geht aber östlich um die Kirche herum und kommt noch einmal in die Gotthardtstraße, auf deren östlicher Seite das Haus Nummer 27 steht, der Gasthof. „Zum alten Schwan“, dessen Gebäude bis in das 15. Jahrhundert zurückgeht. In den Jahren 1769 bis 1772 wohnte hier der Dichter Christoph Martin Wieland, als er Professor an der Universität war.
Krämerbrücke:
Absoluter Star unter den Erfurter Bauwerken ist unumstritten die Krämerbrücke, mit 120 Metern die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas. Das heutige Bauwerk hat verschiedene Vorgänger. Um bei Hochwasser den Fluß überqueren zu können, wurde neben der Furt mehrmals eine hölzerne Fußgängerbrücke gebaut und im Jahre 1325 eine Brücke aus Stein errichtet. Hier schlugen von Anfang an die Händler ihre Krambuden auf.
Nach einem Stadtbrand 1472 wurde sie durch Pfeilervorlagen und hölzerne Sprengwerke auf ihre heutige Breite von 18 Metern erweitert. Die Brücke überspannt mit mehreren starken Sandsteinbögen die beiden Flußarme, so daß ursprünglich 62 schmale Häuser darauf Platz gefunden haben. Inzwischen wurden diese auf 32 Häuser zusammengefaßt. Ost- und Westende der Brücke wurden durch Brückenkopf-Kirchen abgeschlossen, von denen nur noch die östliche Ägidienkirche existiert, während die westliche Benediktikirche im vorigen Jahrhundert abgebrochen wurde.
Wenn man zwischen den kunterbunt zusammen gewürfelten Fachwerkhäusern entlanggeht, hat man nicht das Gefühl, auf einer Brücke zu sein. Erst wenn man wieder seitlich an der Gera steht, kann man die gewaltigen Balkenkonstruktionen betrachten, auf denen die Bauwerke ruhen. Einst boten die Händler nur Luxusartikel wie Gewürze und Arzneien, Färbemittel, Edelmetalle, Seide und Papier an. Eine Vielzahl von Hauszeichen lassen die phantasievollen Namen der Gebäude erkennen. Auch heute befinden sich hier viele kleine Geschäfte. Die Erfurter feiern ihre schöne alte Brücke jedes Jahr im Juni mit dem mehrtägigen KrämerbrückenFest (Betonung auf „Fest“, nicht „Brücken“).
Mikwe:
Am westlichen Ende der Krämerbrücke geht man ein Stück nach Norden in die Kreuzgasse und dann gleich wieder rechts durch die Anlagen zur Gera. Hier wurde 2007 bei Bauarbeiten hinter der Krämerbrücke die etwa 750 Jahre alte Mikwe, die zur Alten Synagoge gehörte.
Besichtigen kann man sie noch nicht, aber man kann von oben hineinsehen. Im Internet gibt es jedoch genügend Abbildungen, auch vom Zustand bei der Ausgrabung
Die Mikwe ist ein rituelles Reinigungsbad für jüdische Frauen. Diese tauchen nach der Menstruation und nach Geburten im Bad unter, bevor sie das Bett mit ihren Ehemännern teilen. Die körperliche Reinigung erfolgt zuvor. Gläubige Juden und Jüdinnen reinigen („kaschern“) auch Geschirr vor der ersten Benutzung.
Eine Mikwe wird mit „lebendigem“, also fließendem Wasser gespeist. Dieses war hier durch die Nähe zur Gera ausreichend vorhanden. Noch heute funktioniert die Wasserversorgung im Becken. Der Wasserstand ist jedoch, wahrscheinlich aufgrund der Anlage des Flutgrabens Ende des 19. Jahrhunderts und dem damit abgesunkenen Wasserstand in der Innenstadt, viel niedriger als im Mittelalter.
Haus „Zum schwarzen Horn“:
Man geht von der Mikwe wieder zurück zum Benediktsplatz am Westende der Krämerbrücke.
Nach links sieht man die 1895 gebaute Rathausbrücke. Nach Nordwesten geht es in die Michaelisstraße. Dort ist links die Gaststätte „Feuerkugel“ und rechts schräg gegenüber das Haus Nr. 48 „Zum schwarzen Horn“. Es wurde im 15. Jahrhundert erbaut und ist Druckort vieler Flugschriften Luthers, auch seines ersten Gesangbuches. Im Jahre 1502 wurde hier zum ersten Mal nördlich der Alpen Bücher in griechischer Sprache gedruckt.
Alte Synagoge:
Von der Michaelisstraße geht links die Waagegasse ab. Von ihr aus ist der Zugang zur Alten Synagoge im Innenhof des Häuserblocks Fischmarkt- Michaelisstraße – Waagegasse. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts wurde das Stadtviertel um die Michaelisstraße von jüdischen Kaufleuten bewohnt. Bauphasen:
Die Alte Synagoge ist mit ihren ältesten Bauteilem aus dem 11. Jahrhundert die älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge in Mitteleuropa. Das älteste noch erhaltene Teil der Synagoge ist ein Stück de rWestmauer, das nach den Ergebnissen einer Holzanalyse um 1094 entstand. Das mit Ritzfugen verzierte Mauerwerk läßt sich im unteren Bereich der Westwand auf ungefähr acht Meter Breite nachweisen. Wie im MIttelalter üblich lag der ursprüngliche Fußboden unter dem Straßennineau. Zum Zeichen der Demut stieg man beim Betreten einige Schritte in das Gotteshaus hinab. Eni weiteres Stück dieser Mauer stamnt aus einer zweiten Bauphase im 12. Jahrhundert.
Der Großteil des Bauwerks entstand um 1270 bei einem Umbau zu einer repräsentativen Synagoge. Aus dieser Bauphase stammt lediglich ein kurzes Stück Mauer in der Westwand. Das Mauerwerk weist keine Ritzfugen auf. In ihm sitzt als einziger Bauschmuck ein Zwillingsfenster, das Biforium, in dessen Sturz Hölzer aus dem ersten Bau neu eingebaut wurden.Fünf Lanzettfenster und eine große Fensterrosette prägen die westliche Schaufassade. Der hohe Innenraum des Gotteshauses war von einem hölzernen Tonnengewölbe überspannt, dessen originale Putzkante unter dem Dach an der Westwand vorhanden ist.
Einzig erhaltenes Ausstattungsstück des Innenraums ist das Lichtergesims, ein umlaufendes Band, auf dem Öllampen oder Kerzen aufgestellt wurden, um die Synagoge zu beleuchten. Es ist an der Ostseite des Raumes deutlich zu erkennen. Hier befand sich höchstwahrscheinlich auch der Toraschrein. Dieser wurde beim Umbau in ein Lagerhaus zerstört, um eine Tordurchfahrt zu schaffen. Der Standort des Lesepults, der Bima, ist wegen fehlender Spuren im Boden nicht rekonstruierbar. Im Mittelalter stand sie jedoch meist in der Mitte des Raumes. Zwei erhaltene Bogensteine lassen auf eine achteckige Bima schließe
Um 1300 wurde die Erfurter Synagoge erneut umgebaut, sie wurde aufgestockt und durch einen Anbau nach Norden erweitert, sie wurde um einige Meter nach Norden erweitert und aufgestockt. Der Anbau beherbergte wahrscheinlich die traditionell vom Gebetsraum der Männer abgetrennte Frauensynagoge oder diente als Schule für den Hebräischunterricht der Knaben. Er wurde durch große, mit Birnstäben profilierte Spitzbögen vom eigentlichen Synagogenraum abgeteilt. Der Anbau besaß nach Norden eine symmetrisch gegliederte Fassade. In der Mitte der Nordwand war ursprünglich der Zugang zur Synagoge. Über der erhaltenen Pforte befanden sich fünf hohe Lanzettfenster, von denen jedoch nur drei rudimentär vorhanden sind.
Umbauten: Im Jahre 1349 fand ein verheerendes Pogrom zur Zeit der Pest statt, bei dem die Juden der Stadt ermordet wurden. Auch im Jahr 1458 wurde durch den Rat der Stadt aller jüdischer Besitz beschlagnahmt und die Juden der Stadt verwiesen. Die Stadt Erfurt brachte das Gebäude schon 1349 an sich. Sie verkaufte es an den Händler, der bereits Eigentümer der Michaelisstraße 2, dem östlich angrenzenden Grundstück, war. Bei der Profanierung der Synagoge baute dieser das Gotteshaus in ein Lagerhaus um, indem er unter dem Gebäude einen großen Gewölbekeller einzog und einen neuen Dachstuhl errichtete. In den zwölf Meter hohen Raum mit Tonnengewölbe wurden zwei massive Holzdecken eingebaut, deren Balken dendrochronologisch auf das Jahr 1350 datiert werden können, wurden eingezogen. Die Fenster wurden zum Einbau von Speicherböden unter Verwendung der alten Gewände und Bögen verkleinert. Um mit Fuhrwerken vom Vorderhaus in der Michaelisstraße in den Speicher und weiter in die Waagegasse zu gelangen, wurden in die Ost- und Nordwand zwei große Tordurchfahrten eingebrochen.
Über fast 500 Jahre wurde das Gebäude in kaum veränderter Form als Lagerhaus genutzt. Davon künden noch heute Getreidekörner und Spelzen, die hinter den neuen Glasscheiben der Lanzettfenster in der Westfassade zu sehen sind. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude dann Teil der Gaststätte „Zur Feuerkugel“. Ein Tanzsaal entstand im Obergeschoss. Dafür nahm man die obere Holzdecke des Speichers heraus und ersetzte diese durch eine umlaufende Empore, auf der Musiker zum Tanz aufspielten. Das Obergeschoß wurde bunt ausgemalt, die reiche Ausstattung mit Stuckfiguren und farbiger Bemalung ist noch weitestgehend erhalten.
Im Erdgeschoss befand sich eine Küche und später ein Gastraum. Außerdem gab es zwei Kegelbahnen im Keller und im Erdgeschoss. Das Gebäude wurde bis zum Beginn der Sanierungsarbeiten gastronomisch genutzt.
Bedingt durch die häufigen Umbauten war die Synagoge nicht mehr als solche zu erkennen und historisch auch nicht mehr als solche bekannt, weshalb sie auch die Zeit des Nationalsozialismus unbeschadet überstand. So bewahrte jahrhundertelange Zweckentfremdung die Synagoge letztlich vor der Zerstörung. Anders als die am Stadtring gelegene Synagoge von 1884 überstand so das einstige Bethaus in der Altstadt das nationalsozialistische Pogrom von 1938.
Freilegung: Erst in den späten achtziger Jahren dokumentierte und bewertete das Institut für Denkmalpflege die vorhandene Substanz als von besonderem kulturhistorischem Wert. Ab 1992 fanden Bauuntersuchungen durch das Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation unter der Leitung des Marburger Bauforscher Elmar Altwassers statt. Er hat das Gebäude 1992 zweifelsfrei als Ort des jüdischen Glaubens und Lebens identifiziert und nachgewiesen, dass die Alte Synagoge weitestgehend erhalten und von besonderer baulicher Qualität ist.
Kurz zuvor hatte die Treuhandliegenschaftsgesellschaft das Gebäude allerdings schon an einen Investor verkauft, der es wieder gastronomisch nutzen wollte. Der neue Besitzer wollte hier eine Gasthausbrauerei mit Großgastronomie einrichten, unternahm aber keine Anstrengungen zur Sanierung des Gebäudes. Aufgrund der sich abzeichnenden Einmaligkeit bemühte sich die Stadt Erfurt, die Synagoge zu retten und einer angemessenen Nutzung zuzuführen. Nach schwierigen Verhandlungen konnte sie 1998 von der Stadt gekauft werden.
Seitdem wurde die Alte Synagoge saniert. Man entschloss sich, die Spuren der verschiedenen Nutzungen, die die Geschichte der jüdischen Gemeinde Erfurt widerspiegeln, zu erhalten. Um die Synagoge von außen sichtbar zu machen, wurden zahlreiche Anbauten entfernt.
Museum: Seit dem 27. Oktober 2009 präsentiert die Synagoge als Museum insbesondere mittelalterliche Sachzeugnisse zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Erfurts. Hier ist ein außergewöhnliches Museum entstanden und ein Ort geschaffen worden, an dem mittelalterliche Sachzeugnisse der jüdischen Gemeinde Erfurts der Öffentlichkeit zugänglich sind. Zusammen mit der Dokumentation der Baugeschichte der Synagoge selbst sollen sie ein Schlaglicht auf die Geschichte der Erfurter Gemeinde werfen, die im Mittelalter eine herausragende Stellung in Europa innehatte (Geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Eintritt 5 Euro).
Das Museum ist Teil der Ausstellung „Jüdisches Leben in Erfurt“, die außerdem in der mittelalterlichen Mikwe, der Kleinen Synagoge und der Neuen Synagoge gezeigt wird. Im Hof sind Grabsteine des zerstörten mittelalterlichen Friedhofs zu sehen. Die Erfurter Grabsteine stammen aus dem 13. bis 15. Jahrhundert und damit aus einer Zeit, aus der sich nur äußerst selten jüdische Grabsteine erhalten haben. Der bislang älteste jüdische Grabstein wurde im Jahr 1244 für eine Frau errichtet, deren Name nicht mehr lesbar ist. Der zweitälteste Grabstein ist derjenige der Hanah, Tochter des Yehiel ha-Kohen, aus dem Jahr 1245. Dieser Stein ist bisher derjenige mit der aufwändigsten Inschrift.
Die Erfurter Hebräischen Handschriften werden im Obergeschoss thematisiert. Juden sind nach jüngsten Forschungen für Erfurt bereits im karolingischen 8. Jahrhundert nachgewiesen. Ältester schriftlicher Beleg dafür ist der im Obergeschoß gezeigte „Judeneid“ von 1183. Damit müßten Juden einst bei einem Rechtsstreit mit Nichtjuden ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen. Zu den ausgestellten jüdischen Handschriften gehört ferner die größte bekannte hebräische Bibel, ein Zeugnis der herausragenden Stellung der damaligen jüdischen Gemeinde. Sie ist trotz wiederholter Pogrome im mittelalterlichen Erfurt bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Gemeinden im damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gewesen.
Die Baugeschichte der Synagoge ist Thema im Erdgeschoss. Der Keller beherbergt den in der Nähe der Synagoge gefundenen Schatz, den ein Jude während des Pogroms von 1349 vergrub. Er wurde 1998 in unmittelbarer Nachbarschaft der Synagoge gefunden und ist seit Oktober 2009 in der Synagoge ausgestellt. Der Schatz wurde 1998 kurz vor dem Abschluss archäologischer Untersuchungen auf dem Grundstück Michaelisstraße 43 (östlich der Michaeliskirche) unter der Mauer eines Kellerzugangs entdeckt. Der Schatz hat ein Gesamtgewicht von fast 30 Kilogramm. Mit etwa 24 Kilogramm machen 3.141 Silbermünzen sowie 14 silberne Barren verschiedener Größen und Gewichte quantitativ den größten Anteil aus. Außerdem enthielt der Fund mehr als 700 Einzelstücke gotischer Goldschmiedekunst in teilweise exzellenter Ausführung.
Dabei handelt es sich um ein Ensemble an Silbergeschirr, bestehend aus einem Satz von acht Bechern, einer Kanne, einer Trinkschale sowie einem Doppelkopf. An Schmuckstücken sind besonders acht Broschen verschiedener Größe und Form mit zum Teil üppigem Steinbesatz hervorzuheben sowie acht Ringe aus Gold und Silber. Kleinere Objekte wie Gürtelteile und Gewandbesatz machen den zahlenmäßig größten Anteil der Goldschmiedearbeiten aus.
Das bedeutendste Objekt im Schatz ist ein jüdischer Hochzeitsring aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts. Er besticht vor allem durch die herausragende handwerkliche Qualität, in der die gotische Miniaturarchitektur aus reinem Gold gearbeitet ist.
Im Vergleich mit anderen Arbeiten der Goldschmiedekunst und vergleichbarer Handwerkszweige sowie unter Einbeziehung zeitgenössischer Abbildungen können die Goldschmiedearbeiten im Erfurter Schatz ins ausgehende 13. Jahrhundert und die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert werden.
Obgleich die Gotik eine besonders schmuckfreudige Epoche war, in der Männer und Frauen ihren Wohlstand gerne mit zahlreichen Schmuckstücken zeigten, und auch Silbergeschirr keine Seltenheit war, haben sich profane Goldschmiedearbeiten kaum erhalten. Man beurteilte sie vor allem nach dem Materialwert, sie stellten neben ihrer eigentlichen Funktion auch eine Wertanlage dar. Daher wurden sie bei Bedarf versetzt, verkauft oder eingeschmolzen. Zusätzlich führten schnell wechselnde Moden dazu, dass „altmodische” Gegenstände zu neuen, moderneren Schmuckstücken umgearbeitet wurden. Entsprechend einmalig ist der Erfurter Schatzfund, der bereits in Paris, New York und London ausgestellt war.
In der Alten Synagoge finden einmal monatlich die „Erfurter Synagogenabende“, veranstaltet von der Stadt und dem Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, mit Vorträgen und Musik statt.
Im September 2023 wurde die Synagoge als Teil der Stätte Jüdisch-Mittelalterliches Erbe in Erfurt in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Kuratorin ist seit 2019 Maria Stürzebecher. Das „Steinerne Haus“ und die „Kleine Synagoge“ als weitere Zeugnisse jüdischen Lebens werden später behandelt.
Haus „Zum Güldenen Krönbacken“:
Weiter in der Michaelisstraße kommt man zum Haus „Zum Güldenen Krönbacken“ (Michaelisstraße 10, südlich der Michaeliskirche)). Die Erfurter Patrizierfamilie von Milwitz ließ es in den Jahren 1534 bis 1561 umbauen, aber es geht auf weit ältere Vorgängerbauten zurück. Die Anlage ist noch gut erhalten und wird seit der Sanierung öffentlich als Kulturhof genutzt. Wechselnde Ausstellungen im ehemaligen Waidspeicher in der tiefen Hofanlage und im Wohnhaus ziehen das Interesse der Besucher an.
Michaeliskirche:
Es folgt die evangelische Michaeliskirche, Im Jahre 1183 gegründet hatte sie ihre große Zeit als Universitätskirche. Im Kirchturm hängt die älteste Erfurter Glocke, die 1380 gegossen wurde. Vom romantischen Kirchhof mit alten Grabmalen gelangt man über eine Treppe zur Dreifaltigkeitskapelle, die Bischof Johann Bonemilch von Laasphe im Jahr1500 bauen ließ. Dieser Sakralraum ist ein Ruhepunkt, wo Nachdenken und stilles Gebet ihren Platz haben.
Universität:
Rechts gegenüber stand die Erfurter Universität“ (Michaelisstraße 39). Nur das Kielbogenportal des 1945 zerstörten „Collegium maius“ erinnert an die glanzvollen Zeiten der Erfurter Universität. Im Jahre 1392 wurde sie durch den städtischen Rat als fünfte Universität im deutschen Sprachraum eröffnet. Sie wurde sie schnell zur meistbesuchten in Mitteleuropa, da von Anfang an alle vier Fakultäten (Theologie, Philosophie, Medizin, Jura) zugelassen waren. Ihr berühmtester Student war von 1501-1505 Martin Luther. Im Jahre 1816 wurde die Universität geschlossen. Eine Neugründung erfolgte 1994 an anderer Stelle. Heute ist in dem Gebäude das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland untergebracht.
Haus „Zur Großen Arche Noä“ und „Engelsburg“:
Ein Stück weiter an der Nordseite der Furthmühlgasse steht das 1568 erbaute Haus „Zur großen Arche Noä“ und „Engelsburg" (Michaelisstraße 38), dessen rechte Hausecke durch eine Rustikasäule geschützt wird. Hier lebte Adam Ries fünf Jahre lang. Sein berühmtes Rechenbuch wurde im Haus „Zum schwarzen Horn“ (Michaelisstraße 48) gedruckt.
Georgenkirchturm:
Der einzelnstehende Georgenkirchturm am Nordende der Michaelisstraße aus dem Jahre 1380 ist seit dem 30jährigen Krieg von der 1132 erwähnten Kirche übriggeblieben. Sie wurde von den schwedischen Truppen für die Verstärkung der Stadtbefestigung abgebrochen, der Kirchturm diente lange Zeit als Glockenturm für die Michaeliskirche.
Haus „Zum güldenen Stern“:
Man geht auf der Michalisstraße ein Stück zurück bis zu Michaeliskirche und biegt nach Westen in die Allerheiligenstraße ein. Das Haus „Zum güldenen Stern“ (Allerheiligenstraße 11) trägt auf seinem spätgotischen Erker die Jahreszahl 1459 in gotischer Schreibweise. Es war ein Wohnhaus und eine Druckerei, in der 1473 erstmals in Erfurt mit beweglichen Lettern gedruckt wurde (ein Ablaßbrief).
Waage-Gasse:
Gegenüber dem Haus Allerheiligenstraße 8 „Zum güldenen Sternberg“ (1519) mündet die Waagegasse mit einer langen Front stattlicher dreigeschossiger Speichergebäude aus dem (16. und 17. Jahrhundert in Fachwerkbauweise. Es waren Lagergebäude für die Waren, die auf dem Transport durch Erfurter Gebiet nach dem „Stapelrecht“ zum Verkauf angeboten werden mußten (Das Stapelrecht wurde 805 von Karl dem Großen der Stadt verliehen). Die Waagegasse ist in ihrem Verlauf mehrfach verschwenkt, die Grundrisse der Speichergebäude wurden dem Gassenverlauf angepaßt und die Einfahrten der Speicher sind so angeordnet, daß die oft mehrspännigen Fuhrwerke ohne Schwierigkeiten einfahren konnten. Heute sind in den meisten Speicherhäusern die Werkstätten der Denkmalpflege untergebracht.
Haus zur Windmühle:
Weiter in der Allerheiligenstraße findet man das Haus Nummer 6 „Zur Windmühle“ aus dem 16. Jahrhundert (heute Musikschule). Interessant ist das Renaissanceportal, dessen Gewände abgeschrägt ist, um den Fuhrwerken die Einfahrt zu erleichtern. Über dem Portal sind zwei Löcher, in die Strohbündel als Verkaufssignal gesteckt wurden, wenn ein „gut neu Bier aufgetan“ war. Hier sei auch an die Tradition des Bierausrufers erinnert, der in vergangenen Zeiten die Qualität des hausgebrauten Bieres prüfte, bevor er in der Stadt das Gebräu durch Ausrufen anpries. An vielen alten Häusern sind die Bierlöcher noch heute zu sehen.
Turniergasse:
Einige Schritte weiter lohnt ein Abstecher in die Turniergasse. Die Häuser „Zur blauen Lilie“ und „Zum Hirschsprung“ (Turniergasse 4 und 15) sind prächtige gotische Wohnbauten. Im Haus „Zum Turniere“ (Turniergasse 17) hat Eulenspiegel einem Esel das Lesen beigebracht und damit eine Wette mit den Professoren der Universität gewonnen.
Engelsburg:
Wenn man in der Allerheiligenstraße weiter geht, kommt man zu der doppelgeschossigen Kelleranlage der „Engelsburg“. Hier sind noch romanische Reste aus dem Hospital zu finden. Nachdem es im 14. Jahrhundert an eine andere Stelle der Stadt verlegt wurde, gingen die Gebäude in Privatbesitz über. In der Zeit Luthers war der Arzt und Universitätsprofessor Georg Sturz der Eigentümer der „Engelsburg“. Er stellte den Philosophen des Erfurter Humanistenkreises um Crotius Rubianus ein Zimmer seines Hauses zur Verfügung. Dort wurden mindestens zwei der „Dunkelmännerbriefe“ (anonyme Streitschriften) verfaßt. Die eigentliche „Engelsburg“ in der Allerheiligenstraße, in der sich der Humanistenkreis getroffen hatte, ist 1952 abgerissen worden.
Der historische Gebäudekomplex in der Erfurter Altstadt dient heute als studentisch organisiertes Kulturzentrum. So wird der Keller für Konzerte genutzt, das Café „DuckDich“ dient unter anderem für Lesungen, während das Steinhaus und der Biergarten der Gastronomie dienen. Es handelt sich um einen geschlossenen Innenhof mit angrenzendem Gebäude in dominierender Fachwerkbauweise.
Haus „Zum güldenen Rade“:
Von der Engelsburg biegt man nach links durch die Kirchhofstraße zur Marktstraße. Etwas links steht mit der Hausnummer 50 das Haus „Zum güldenen Rade“, eines der wenigen giebelständigen Häuser der Stadt. Es ist 1767 unter Einbeziehung weit älterer Bauteile errichtet worden. Im Hof befinden sich die Reste einer Tabakmühle aus dem 18. Jahrhundert.
Allerheiligenkirche:
Auf der Marktstraße geht es nach Westen zur katholischen Allerheiligenkirche aus dem 13./14. Jahrhundert. Ihr unregelmäßiger Grundriß paßt sich der Straßengabelung genau an. Ursprünglich gehörte die Allerheiligenkirche zu einem Hospital.
Andreaskirche:
Auf der Marktstraße geht man nach Westen. An der Andreasstraße erblickt man die die evangelische Andreaskirche. Sie wurde schon 1182 erwähnt, jedoch stammt der heutige Bau aus dem 13. und 15. Jahrhundert. Lange Zeit, von 1484 bis 1689, nutzten die Benediktiner-Nonnen aus dem ehemals gegenüberliegenden Kloster die Andreaskirche mit. Östlich schließt sich das historische Andreasviertel an, das seit dem 12. Jahrhundert von Handwerkern bewohnt wurde. Mit viel Liebe wurden die kleinen Häuser und romantischen Innenhöfe restauriert.
Langsam entsteht eine vergnügliche Mischung aus Kunst und Kommerz, die dem Andreasviertel einen ganz eigenen Reiz verleiht.
Domplatz:
Man kommt zum etwa zwei Hektar großen Domplatz, einem der größten und schönsten Plätze in Deutschland. Die Nordseite des Domplatzes wird vom 1904 im neugotischen Stil erbauten Gerichtsgebäude beherrscht Der nördliche Teil war bis 1813 mit Wohnhäusern bebaut, die bei den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Franzosen zerstört wurden. Der ursprüngliche Teil des Platzes ist mit Basaltsteinen gepflastert, während die ehemals bebaute Fläche mit Betonsteinen befestigt ist.
Auf dem Domplatz können Jahrmärkte und Wochenmärkte bequem zur gleichen Zeit abgehalten werden. Seit dem 8. Jahrhundert soll hier ein Handelsplatz gewesen sein. Jedes Jahr im Advent ist der Domplatz der Schauplatz eines der zauberhaftesten Weihnachtsmärkte des Landest.
Der Obelisk erinnert an den Besuch des Mainzer Erzbischofs J. K. F. von Erthal im Jahr 1777. Der Marktbrunnen mit der Minervafigur aus dem 18. Jahrhundert spendet Trinkwasser. Auf der Südseite blieb die historische Bebauung erhalten. Bemerkenswert ist das Haus Domplatz Nr. 31, das Haus „Zur hohen Lilie“, welches im Jahr 1538 unter Verwendung älterer Hausteile gebaut wurde. Daneben steht die 1632 erbaute ehemalige „Grüne Apotheke“.
Mariendom und Pfarrkirche St. Severi:
Die dominierende Baugruppe auf dem Domplatz sind die beiden Kirchen auf dem Domhügel. Links der katholische Mariendom, der auf eine von Bonifatius um 742 gegründete Kapelle zurückgeht. Sein Chor ruht auf einem gewaltigen Unterbau. mit dem der Domhügel erweitert wurde. Die Freitreppe mit 70 Stufen („Graden“ genannt) ist wie der Chorbau und der dreieckige Portalvorbau (Triangel) ein Werk des 14. Jahrhunderts. Im Inneren des Doms sind unter anderem sehenswert: Glasfenster, Chorgestühl (14. Jahrhundert), die romanische Stuckmadonna und der Bronzeleuchter „Wolfram“ (1160). Es wurde zeitweise vermutet, daß Wolfram ursprünglich eine Halterung für eine Thorarolle gewesen sie, das hat sich aber nicht bestätigt. Im mittleren Domturm hängt die große Glocke „Gloriosa“, 1497 gegossen, deren Klang zu hohen kirchlichen Festen weit über die Stadt schallt.
Die rechtsstehende katholische Pfarrkirche St. Severi entstand als Klosterkirche. Schon vor 836, als die Gebeine des Heiligen Severus (Bischof von Ravenna) nach Erfurt überführt wurden, war hier das Benediktiner-Kloster St. Paul. Der Bau der heutigen Kirche wurde 1280 begonnen. In der fünfschiffigen Hallenkirche findet man neben dem Severi-Sarkophag (1365), dessen Seitenwände den Lebensweg des Heiligen zeigen, eine Steinmadonna (1345) und einen 15 Meter hohen Taufstein (1467) und weitere Kunstwerke.
Das Ensemble von Mariendom und Severikirche bietet - vor allem abends festlich illuminiert - ein unvergeßliches Bild. Auf den Domstufen findet in jedem Jahr das gleichnamige Festival statt. Jährliche Uraufführungen und die Inszenierung der Open-Air Domstufenfestspiele sind besondere kulturelle Highlights der Stadt.
Petersberg:
Man kann noch einen Abstecher machen auf den Petersberg, vorbei an Deutschlands jüngstem Opernhaus, das hinter dem Dom steht. Der Aufstieg belohnt mit einem Blick über das turmreiche Panorama Erfurts. Dazu sollte man bedenken, daß von den fast 90 Kirchen, Klöstern und Kapellen, die es um 1500 in der Stadt gab, nur noch 20 vorhanden sind. Aber nicht nur wegen des Rundblickes sollte man den Berg hinaufsteigen. Die alte Peterskirche ist 1103 - 1147 von Hirsauer Mönchen als Benediktiner-Klosterkirche erbaut worden. Die Mönche hatten das Recht - und die Pflicht - den König zu beherbergen, so daß einige Reichstage und Hoftage im Peterskloster stattfanden. Nach Jahrhunderten regen geistlichen Lebens wurde das Kloster während der Reformation nahezu von den Mönchen verlassen und durch den Festungsbau ab 1664 immer mehr eingeengt und 1803 säkularisiert.
Die Zitadelle, die von 1664 bis 1707 angelegt wurde, ist noch heute beeindruckend in ihren Ausmaßen und in weiten Teilen auch zugänglich. In ihrer langen militärischen Geschichte wurde die Zitadelle von Schweden, Kurmainzern, Preußen und Franzosen beherrscht. Eine Ausstellung im ehemaligen Kommandantenhaus zeigt Soldatenalltag aus vergangenen Zeiten und ist gleichzeitig der Einstieg in die Minengänge, die im Inneren der Festungsmauern entlangführen.
Waidspeicher:
Vom mittleren Teil des Domplatzes geht es weiter durch die Mettengasse, die nach Osten abgeht. Hier steht gleich am Anfang (Domplatz 18) der Waidspeicher, wo früher aus den getrockneten Blättern der Waidpflanze (Isatis tinctoria L.) blauer Textil-Farbstoff gewonnen wurde. Seit dem
13. Jahrhundert wurde im Thüringer Becken Waid angebaut und nach der Ernte hauptsächlich nach Erfurt verkauft. Die getrockneten Blätter wurden mit Wasser und Urin begossen und zur Gärung gebracht. Nach dem monatelangen Reifeprozeß der Waidfarbe konnten die Waidhändler halb Europa mit dem fertigen Farbpulver beliefern. Bis etwa 1600 flossen durch den Waidhandel jährlich etwa drei Tonnen Gold nach Thüringen und machten die Region zu einer der reichsten im mittleren Europa. Durch den Import von tropischem Indigofarbstoff brach der Thüringer Waidhandel innerhalb weniger Jahrzehnte zusammen und die wirtschaftlichen Probleme konnten erst mit der Einführung des Erwerbsgartenbaues gemildert werden. Heute gibt es wieder eine kleine Waidfabrik in Neudietendorf bei Erfurt. Die erhaltenen Waidspeicher werden kulturell genutzt. Das Theater „Waidspeicher“ beherbergt Kabarett und Puppentheater.
Haus „Zum Sonneborn“:
Durch den Archehof - der von einem Märchenbrunnen mit den Bremer Stadtmusikanten bereichert wird - kommt man zur Querstraße „Großen Arche“. Ihr dominierendes Gebäude ist das „Haus zum Sonneborn“ von 1536, Große Arche 6, heute Hochzeitshaus und Standesamt. Vom ursprünglichen Haus ist bei der Rekonstruktion nur weniges zu retten gewesen. Lediglich das prächtige Portal und im Inneren eine Bohlenstube mit Renaissancemalereien konnte neben einigem Fachwerk erhalten werden. Die Sgraffiti aus dem 16. Jahrhundert stellen Gerechtigkeit und Eitelkeit dar.
Predigerkirche:
Von der Großen Arche nach Osten und rechts herum an der Maria-Magdalenen-Kapelle vorbei kommt man durch die „Kleine Arche“ und dann wieder links nach Osten in die Predigerstraße. Dort steht die evangelische Predigerkirche. Der einzelnstehende Kirchturm der abgebrannten Paulskirche westlich der Predigerkirche ist heute Glockenturm für die Predigerkirche. Dieser Kirchenbau des Dominikanerordens begann 1270 und dauerte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Wenn die Möglichkeit zur Besichtigung besteht, sollte diese unbedingt genutzt werden.
Fischmarkt:
Von der Predigerstraße kommt man nach Osten zum Fischmarkt, dem Mittelpunkt der Stadt. Bedeutende Bürgerhäuser von reichen Waidhändlern verleihen dem Platz einen besonderen Reiz Hier steht das neugotische Rathaus (1870 - 1875), das anstelle des gotischen Vorgängerbaus errichtet wurde und in seinem Inneren im Treppenaufgang und Festsaal von zahlreichen Wandgemälden zur Thüringer Geschichte und Sagenwelt geschmückt ist.
Das Haus Nummer 7 gegenüber dem Rathaus ist das Haus „Zum roten Ochsen“ (1562). Der Figurenfries über dem Erdgeschoß stellt die Wochentage und die griechischen Musen dar.
Heute ist hier eine Kunsthalle mit wechselnden Ausstellungen moderner Kunst. Wesentlich bescheidener ist das Haus Nummer 6 „Zur güldenen Krone“, in dem von 1615 an die Posthalterei untergebracht war.
An der Nordseite des Fischmarktes fällt die prächtige Renaissancefassade des Hauses „Zum breiten Herd“ (1584, Fischmarkt 11) auf. Die Brüstungsplatten über dem Erdgeschoß stellen die fünf Sinne dar: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen (von links nach rechts betrachtet). Fortgesetzt wird dieser Fries am Gildehaus (1892 – 1893, Fischmarkt 13) mit der Darstellung der vier Haupttugenden: Gerechtigkeit, Klugheit, Mut und Mäßigung.
Die Standfigur in der Mitte des Platzes gibt oft Anlaß zu Verwechslungen. Der „Mann auf der Säule“ steht an der Stelle, wo sich lange Zeit eine Darstellung des Heiligen Martin, Schutzpatron der Stadt. befand. Da Erfurt nie Freie Reichsstadt war, konnte auch kein Roland aufgestellt werden. Der niederländische Bildhauer
Israel von der Milla schuf 1591 in städtischem Auftrag die Figur eines Kriegers mit den Insignien der römischen Republik. Der Unabhängigkeitsdrang des Rates und der Bürger kommt an dieser ungewöhnlichen Darstellung zum Ausdruck.
Steinernes Haus:
Östlich hinter dem Rathaus ist die Rathausgasse. An ihrem Nordende (Benediktplatz 1) ist zunächst die Touristinformation. Aber direkt an sie anschließend in die Rathausgasse hinein
steht das Steinerne Haus. Aus seiner Erbauungszeit um 1250 (andere Angabe 1469, aber falsch) haben sich außergewöhnlich viele wesentliche Strukturen erhalten. Dazu gehören die Portale zu den beiden Hauptgeschossen, die Geschossbalkendecke, die Westfassade, der ursprüngliche Treppengiebel und die Dachwerkshölzer.
Der untere Teil des Hauses mit dem von außen sichtbaren romanischen Portal ist der mittelalterlichen Keller. Hier sollen langfristig alle mittelalterlichen Grabsteine vom mittelalterlichen jüdischen Friedhof im Schaudepot zu sehen sein. In einem Video im Internet werden die Grabsteine von Frau Stürzebecher erläutert. Ein Innenportal aus dem 13. sowie eine Einwölbung aus dem 14. Jahrhundert.
Der Raum darüber wird als (1.) Obergeschoß bezeichnet. Er hat eine europaweit einzigartig erhaltene Ausstattung. Der mehr als siebenhundert Jahre alter Saal wurde erst im Jahre 2011 als Sensationsfund mittelalterlichen jüdischen Lebens entdeckt. Der quadratische Raum ist seit seiner Bauzeit im 13. Jahrhundert nahezu unverändert und damit ein außerordentlicher Glücksfall.
Der Raum hat wuchtige Deckenbalken, auf denen Tannenholz-Deckenbretter liegen. Die Deckenbretter sind einheitlich mit einem Radmotiv verziert, während die Balken jeweils unterschiedliche Ornamentik aufweisen. Gutachten datieren die Ausmalung auf 1241/42. Künstlerisch wird die Bemalung als wenig grazil, aber von großer Bedeutung für die Kulturgeschichte eingeschätzt. Der Raum hat eine spitzbogige Lichtnische in der Wand und einen Rauchabzug in der Decke. Die Außenwände sind kaum verändert und mit Ritzfugen versehen.
Als ein herausragendes und mögliches Zeugnis spätmittelalterlicher Wohnräume kann das erste Obergeschoß des Steinernen Hauses angeführt werden. Um das Jahr 1300 geht aus den Quellen eine „caminata“ hervor. Eine Kemenate als typische Bauform eines Steinbaus könnte auf einen Raum im ersten Obergeschoß übertragen und eine Wohnnutzung angenommen werden.
Weiterhin von herausragender Bedeutung ist der Stufengiebel im Dachgeschoß des Gebäudes, der die Raumsituation im Übergang vom Steinernen Haus zum Querhaus dominiert. Seine an dieser Stelle heute ungewöhnliche Plazierung und der gute Erhaltungszustand der Oberflächen mit sichtbaren Ritzfugen resultiert aus der Überdeckung durch einen Anbau von 1385/86.
Das Haus gibt eine Vorstellung, wie reichere Bürger im späten Mittelalter wohnten. Es ist ein herausragendes Zeugnis spätmittelalterlicher profaner Baukultur. Auch die einfachen Deckenmalereien deuteten darauf hin, daß er als Wohnraum oder auch als repräsentativer Raum für Geschäftsabschlüsse genutzt wurde. Es muß ein betuchter Erfurter gewesen sein, der sich das steinerne Haus errichten ließ. Gelegen an der wichtigen nord-südlichen Handelsstraße, schuf er sich auf etwa acht mal acht Metern Grundfläche einen Ort zum Leben und Arbeiten, als Wohnraum oder auch als repräsentativer Raum für Geschäftsabschlüsse. Offenbar wurde der Raum zeitweilig als Lager für Bohnensamen und Gerste genutzt, es wurden Saatgutreste gefunden. Viel später diente er wieder als Lager - diesmal der Kulturdirektion, die im Gebäudekomplex neben der Tourismusgesellschaft ihren Sitz hat.
Das Haus kann spätestens seit dem Ende des 13. Jahrhunderts jüdischen Besitzern zugeordnet werden. Als solches ergänzt es die Ritualbauwerke Alte Synagoge und Mikwe und ist ein weiterer Baustein der Erfurter Unesco-Bewerbung. Wer der Erbauer war und was er genau tat, darüber kann derzeit nur spekuliert werden. Erst ab 1293 ist durch schriftliche Aufzeichnungen bewiesen, daß sich das Gebäude in jüdischem Besitz befand. In diesem Jahr ist Salemon de Ascaphenborc als Besitzer des Hauses genannt. In jüdischem Besitz war es wenigstens bis zum Judenpogrom 1349, dann wieder ab 1370 bis 1458. Jedenfalls legte der einstige Besitzer offenbar Wert darauf, daß er im ausgeschmückten Raum im ersten Obergeschoß nicht „eingeräuchert“ wurde: Die erhalten gebliebene Nische, in der sich an einem Zwickel eine Öllampe aufhängen ließ, verfügte über einen eigenen Rauchabzug im Mauerwerk. Der Nachweis, ob und wie der Raum beheizt wurde, fehlt bislang.
Es handelt sich vermutlich um den ältesten erhaltenen städtischen Wohnraum nördlich der Alpen. Im Thesenpapier des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie heißt es: „Der Gebäudekomplex Benediktsplatz 1 ist ein bedeutendes Objekt für die Kulturgeschichte. Zugleich muß es als frühes, charakteristisches und wohl nahezu singuläres Beispiel für die Stadtentstehungs- und Entwicklungsgeschichte eines mittelalterlichen Gebäudekomplexes bis in die Gegenwart im mitteleuropäischen Raum angeführt werden“.
Der mittelalterliche Gebäudekomplex ist über Hunderte Jahre aus mehreren Baugliedern zusammengewachsen. Der „Zum Paradies und Esel“ genannte Gebäudekomplex lag im 13. Jahrhundert in einem Quartier, welches vorwiegend von Juden bewohnt war. Nach ersten Erweiterungen 1366, 1371 und 1375 erfolgte 1639 die Vereinigung verschiedener Grundstücke und Bauglieder zum Komplex „Zum Paradies und Esel“, dem 1745 das Grundstück „Zum Rosenkranz“ hinzugefügt wurde. Für das bekannteste Gebäude „Zum Paradies“ sind erste namentliche Zuordnungen und jüdische Besitzer für das Ende des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich.
Bereits 1992 erfolgten in diesen Bereichen restauratorische, kunsthistorische und dendrochronologische Untersuchungen. Im Ergebnis wurde der Raum in etwa auf das Jahr 1250 datiert, und bestätigt, daß es sich um die Erstfassung handelt. Aber erst im Jahre 2011 haben sich die Forschungsergebnisse derart verdichtet, daß man damit an die Öffentlichkeit ging.
Das Haus ist neben den beiden religiösen Bauten ein weltliches Gebäude. Damit ist es bei der geplanten Bewerbung zum UNESCO-Weltkulturerbe ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.
Die Thüringische Landeshauptstadt strebt mit seinen Zeugnissen mittelalterlicher jüdischer Kultur, zu der noch ein Gold- und Juwelen-Schatz aus dem 14. Jahrhundert gehört, bis zum Jahr 2017 die Aufnahme in die Welterbe-Liste an. Die von der UNESCO geforderte Authentizität und Integrität, also die historische Echtheit und die Unversehrtheit, sind hinreichend belegt. Das Haus kann man nur im Rahmen von Führungen besichtigen.
Kleine Synagoge:
Von der Rathausgasse geht nach Osten die Hefengasse ab, die zu der inzwischen restaurierten kleinen Synagoge führt (An der Stadtmünze 4). Erst 1810 erhielten die Juden wieder das Zuzugsrecht. Das Haus wurde 1840 im klassizistischen Stil erbaut und ist zweistöckig. Es diente von 1840 bis 1884 der wiederentstandenen jüdischen Gemeinde als gottesdienstlicher Versammlungsort. Nach dem Neubau der großen Synagoge am Karthäuserring im Jahre 1884 wurde die bisherige Synagoge säkularisiert und als Essigfabrik und später als Wohnhaus genutzt. Nach dem Abschluß der Restaurierungsarbeiten wird die „Kleine Synagoge“ als multikulturelle Begegnungsstätte genutzt. Seit 1998 befindet sich hier eine Begegnungsstätte und eine Ausstellung über das jüdische Leben in Erfurt um 19. und 20. Jahrhundert.
Neue Mühle:
Von der Rathausgasse geht man wieder zum Fischmarkt und dessen Fortsetzung nach Osten, der Schlossergasse. Diese hat wiederrum eine Abzweig einen Abzweig nach Südwesten, an dem die Neuen Mühle liegt, die letztenfunktionstüchtige Wassermühle Erfurts. Erfurt war eine Stadt der Wassermühlen, mehr als 50 wurden von der Gera angetrieben. Eine der letzten ist die „Neue Mühle“, die heute als Mühlenmuseum eingerichtet ist. An dieser Stelle ist schon seit 1255 eine Mühle bekannt. Das heutige Gebäude stammt von 1826. Ganz neu ist die gläserne Ausfachung des Radhauses, damit das große unterschlächtige Wasserrad sichtbar ist.
Barfüßerkirche:
Man geht dann übe die Brücke und nach rechts in die Barfüßerstraße zur Ruine der 1944 zerstörten Barfüßerkirche. Im wiederaufgebauten Chor befindet sich heute das Museum für mittelalterliche Kunst. Die Klostergebäude dieser seit 1224 bestehenden Niederlassung der Franziskaner sind im Dreißigjährigen Krieg für die Gewinnung von Baumaterial abgebrochen worden.
Wigbertikirche:
Nach Süden geht man durch die Barfüßerstraße zur Regierungsstraße. Rechts steht auch die katholische Wigbertikirche mit einer schönen Rokokoausstattung. Unmittelbar im Anschluß an die Kirche befindet sich der Valentinerhof, der den Beginen, die fromm, ehelos und in Gütergemeinschaft lebten, als Wohnung diente. Nach der Reformation wurde dieses „Nonnenhaus“ geschlossen, und die Augustinermönche nutzten das Kloster von 1651 bis 1824.
Angerbrunnen:
Ein Stück weiter in der Regierungsstraße nach Westen steht der Angerbrunnen von 1890. Die Figuren stellen Industrie und Gartenbau, also den Erfurter Gewerbefleiß, dar.
Regierungsstraße:
Rechts blickt man zur Staatskanzlei (Regierungsstraße 73). Das barocke Palais wurde als kurmainzische Statthalterei in den Jahren von 1711 bis 1720 unter Einbeziehung der Renaissancehäuser „Zum stolzen Knecht“ und „Zur güldenen Flechte“ nach Plänen des Baumeisters Maximilian von Welsch ein errichtet. Heute ist in diesem Gebäude die Staatskanzlei des Landes Thüringen untergebracht.
Unzählige Male hat Johann Wolfgang von Goethe, oft als Begleiter seines Herzogs Carl August, Erfurt besucht und dabei immer im Weimarer Geleitshaus (Regierungsstraße 72) gewohnt. Von hier aus schritt Goethe am 2.10.1808 zur Audienz bei Kaiser Napoleon, der in der benachbarten Statthalterei (heute Staatskanzlei) seine Residenz hatte. Die kleine Grünanlage wurde im 18. Jahrhundert angelegt und stand damals am Sonntag „anständig gekleideten Bürgern“ offen, wie auch die Assembleen bei Statthalter Dalberg. Er war der letzte Vertreter des Mainzer Erzbistums, denn nach dem Reichsdeputationshauptschluß wurde Erfurt im Jahr 1802 an Preußen angeschlossen.
Haus Dachröden:
Von der Regierungsstraße geht man wieder nach Osten zum Anger. Kulturvoll ging es zu im „Haus Dacheröden“ (Anger 37 / 38, auf der Südseite), das seinen Namen nach einem Eigentümer aus der Goethezeit hat. Der Tee-Salon der Tochter des Hauses zog so berühmte Gäste wie Goethe und Schiller an. Wilhelm von Humboldt entführte dann die schöne Caroline von Dacheröden als Ehefrau nach Berlin. In Erinnerung an sie blieb der Name des Gebäudes, er verdrängte sogar die historischen Bezeichnungen des 1833 erneuerten Doppelhauses.
Bartholomäuskirchturm:
Ein Stück weiter steht auf der anderen Seite noch der Turm der 1182 erstmals erwähnten Bartholomäuskirche, die nicht mehr existiert. Er trägt seit einigen Jahren ein Glockenspiel. Am untersten Geschoß befindet sich ein Epitaph aus der Zeit um 1510, der eine Ölberg-Szene mit Christus in Gethsemane darstellt.
Angermuseum:
An der Kreuzung mit der Bahnhofstraße steht rechts das leuchtend gelbe Angermuseum, das 1705 als kurmainzischer Pack- und Waagehof zur Belebung des Handels errichtet wurde. und eines der wenigen Barockgebäude im Zentrum der Stadt ist. Seit mehr als 100 Jahren sind hier eine bedeutende Mittelaltersammlung, Landschaftsmalerei des 19. und 20. sowie Fayencen des 18. Jahrhunderts untergebracht. Nach rechts geht es dann wieder zurück in die Bahnhofstraße.
Die Tourismus-Gesellschaft Erfurt (Benediktsplatz 1) hat ein sehr informatives Faltblatt mit einem historischen Stadtrundgang herausgebracht, aus auch hier Informationen entnommen wurden. Allerdings ist dieser Rundgang ausgedehnter und länger. Aber er führt nur noch zu weiteren Punkten:
Von dieser Straße geht wiederum nach links ein Arm ab, der geradeaus zum Haus Nummer 36 führt. Hier nahm Friedrich von Schiller meist im Haus „Zum Bürgerstreit“ seine Wohnung, wenn er häufig in Erfurt weilte. Fast in letzter Minute konnte dieses Haus vor dem endgültigen Verfall gerettet werden, und es war der Anfang der Restaurierung des gesamten historischen Straßenzuges.
Weitere Ziele:
Exkurse:
Die Große Synagoge
Nachdem Erfurt ab 1809 französisch besetzt war, konnten sich wieder Juden in der Stadt ansiedeln. Die jüdische Gemeinde errichtete zunächst 1840 die Kleine Synagoge an der Stadtmünze, die jedoch, nachdem die Gemeinde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasch anwuchs, zu klein wurde.
Deshalb erwarb die Gemeinde ein Grundstück mit der damaligen Adresse Kartäuserring 14) (südlich des heutigen Juri-Gagarin-Rings), auf dem sie zwischen 1882 und 1884 die Große Synagoge errichten ließ. Geplant wurde der historistische Kuppelbau von dem Frankfurter Architekten Siegfried Kusnitzky, der zuvor die viel beachtete Börneplatzsynagoge in Frankfurt erbaut hatte. Am 4. September 1884 wurde der prächtige Backsteinbau eingeweiht. Die Feierlichkeiten leitete der Erfurter Rabbiner Dr. Theodor Kroner.
Die Große Synagoge bot Platz für etwa 500 Personen, war innen reich ausgeschmückt, mit farbigen Malereien verziert und besaß sogar eine Orgel. Der Einweihung waren allerdings heftige Auseinandersetzungen um den Einbau einer Orgel vorausgegangen. Das führte dazu, dass sich ein Teil der bisherigen Gemeinde abspaltete und gesonderte Gottesdienste außerhalb der „Reformsynagoge“ einrichtete.
In den folgenden Jahrzehnten diente die Synagoge der Gemeinde als Gebetsstätte und bildete den Mittelpunkt der Gemeinde. Schon in den zwanziger Jahren gab es Berichte über Schändungen der Synagoge. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 plünderten und verwüsteten SA-Mannschaften die Synagoge und zündeten sie anschließend an. Die Kosten in Höhe von 6.900 RM für den Abbruch der Ruine und die Einzäunung des Grundstücks wurden der Synagogengemeinde in Rechnung gestellt. Die Stadt erwarb es 1939 für 15.000 RM und errichtete 1940 auf dem Gelände einen Holzschuppen zum Lagern von Koks.
Auf dem Grundstück der Großen Synagoge wurde nach Plänen von Willy Nöckel in den Jahren 1951/52 die Neue Synagoge errichtet, der einzige Synagogenneubau der DDR Sie wurde am 31. August 1952 eingeweiht und bildet heute den Mittelpunkt eines lebendigen Gemeindelebens. Seit dem Jahr 2021 ist ein 3D-Modell der Großen Synagoge mittels VR-Brille begehbar. Der Dienst wird in der Neuen Synagoge angeboten.
Jüdische Friedhöfe:
1.) Der historische Friedhof aus dem Mittelalter lag am Moritztor, an der heutigen Großen Ackerhofsgasse,(nördlich der Altstadt, östlich der Andreasstraße. Er befand sich außerhalb des von Juden bewohnten Gebietes, wie es ihr Glaube vorschreibt. Seit wann der Friedhof bestand, kann nicht genau bestimmt werden. Es ist aber wahrscheinlich, dass hier seit der Anfangszeit der Gemeinde bestattet wurde. Die ältesten noch heute erhaltenen Grabsteine stammen aus dem 13. Jahrhundert.
Im Jahre 1453 erzwang der Erfurter Rat die Abwanderungen der Juden aus der Stadt. Der Friedhof wurde eingeebnet und an seiner Stelle eine städtische Scheune und später der große Kornspeicher errichtet. Die Grabsteine wurden als Baumaterial im gesamten Stadtgebiet verwendet, wo sie bis heute in Gebäuden oder im Straßenbelag aufgefunden werden.
Eine Auswahl dieser mittelalterlichen Steine wird im Hof der Alten Synagoge gezeigt. Ein weiterer Stein, der Grabstein des Elazar, Sohn des Kalonimos, der lange Zeit im Angermuseum ausgestellt war, ist seit 2012 Teil der Dauerausstellung des Stadtmuseums.
2.) Als sich im 19. Jahrhundert wieder eine Gemeinde in Erfurt entwickelte, hat man im Jahre 1811 unterhalb des Ega-Parks, südlich des Gothaer Platzes, zwischen den Häusern Cyriakstraße 3 und 4, einen Freidhof angelegt. Weil die Gemeinde schnell anwuchs, erwies sich die Friedhofsfläche als zu klein für weitere Bestattungen und es wurde der neue Friedhof eingerichtet.
Da nach jüdischem Glauben die Totenruhe ewig währt, blieb der Alte jüdische Friedhof auch nach der Schließung bestehen. Doch die Ruhe der Toten wurde mit dem Erstarken des Antisemitismus im 20. Jahrhundert zunehmend gestört. Schon 1926, in der Nacht vom 12. auf den 13. März, verwüsteten „Wikingbund“-Mitglieder den Friedhof und zerstörten 95 Grabsteine. In der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 wurde der Friedhof erneut geschändet. In der Stadtratssitzung am 17. November 1938 schlug Ratsmitglied Waldemar Heinemann vor, den „alten Judenfriedhof an der Cyriakstraße einzuebnen“. Die jüdische Gemeinde musste am 6. April 1939 das Friedhofsgrundstück unentgeltlich der Stadt Erfurt überlassen, im Jahre 1944 wurden die Grabsteine abgeräumt.
Im Jahr 1948 wurde das Grundstück an den Landesverband der jüdischen Gemeinden zurück übertragen. Doch gab es schon seit 1950 Bemühungen der Stadt, das Gelände zu erwerben, um eine öffentliche Grünfläche anzulegen. 1951 verkaufte die jüdische Gemeinde das Areal an die Stadt Erfurt – wohl unter Druck. Anfang der sechziger Jahre wurden hier Garagen für die Fahrzeuge der Staatsanwaltschaft des Bezirks Erfurt errichtet, deren Fundamente auch aus Resten jüdischer Grabsteine bestanden. Dieser Zustand war für gläubige Juden unerträglich, wie der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herr Scharf-Katz 1989 in einem Brief formulierte. Trotzdem wurde noch 1995 der Bau eines Trafo-Hauses auf der Friedhofsfläche genehmigt.
Zur Erinnerung an den Friedhof wurde 1996 zunächst ein Gedenkstein errichtet. Seit 2000 war im Gespräch, den Friedhof wieder sichtbar zu machen, an der Realisierung wurde seit 2007 gearbeitet: Die Garagen wurden abgerissen und das Gelände beräumt. In der Neugestaltung wurde das Friedhofsareal von der Grünfläche abgetrennt. Neben dem Gedenkstein und einer Info-Stele fanden auf dem Friedhof die von hier stammenden Grabsteine ihren Platz, die zum Teil auf dem Neuen Friedhof in Sicherheit gebracht wurden.
3.) Der Neue Friedhof ist m Süden der Stadt an der Thüringenhalle, südlich des Steigerwaldstadions. Im Jahr 1871 fand man ein geeignetes Gelände, das groß genug war, alle Anforderungen zu erfüllen. Doch bei der Einrichtung des Friedhofs stieß die Gemeinde auf Widerstände: Der Eigentümer des Nachbargrundstücks, das Bürgerschützenkorps, reichte Beschwerde beim Magistrat der Stadt Erfurt ein und monierte, dass sich der Friedhof gesundheitsschädigend auf seine Mitglieder auswirken würde. Die Argumentation des Bürgerschützenkorps trägt antijüdische Züge, war aber zu dieser Zeit kein Einzelfall in Erfurt. Nach einem längeren Verhandlungsprozess und einem sanitätspolizeilichen Gutachten, welches befand, dass durch den Friedhof keine Grundwasserverunreinigung zu befürchten sei, konnte der Neue jüdische Friedhof angelegt werden.
Am 10. September 1878 wurde er feierlich eröffnet. Auch ein offizieller Vertreter des Magistrats war zugegen. Im Vorfeld der Eröffnung gab es einen plötzlichen Todesfall. Damit die Bestattung durchgeführt werden konnte, wurde die Eröffnung des Friedhofs kurzerhand vorverlegt. Seitdem finden dort die Toten der jüdischen Gemeinde ihre ewige Ruhe.
Der Neue jüdische Friedhof in Erfurt ist der einzige aktive in Thüringen. Er beherbergt Grabsteine vom 19. Jahrhundert bis heute. Im Jahre 1894 hatte die Gemeinde eine Leichenhalle auf dem Friedhof errichtet, sie ist bis heute zu sehen. Der Architekt der Leichenhalle war Baumeister Hugo Hirsch. Er schuf einen funktionsgerechten Bau im orientalischen Stil mit neoklassizistischen Elementen.
Zur Chronik der Kirchgemeinde Vieselbach
Ältestes Kirchenbuch (bis zur Gegenwart weitergeführt)
Vieselbacher Pfarrer
1566 Johann Maurer
1605 Lucas Beisselius
1609 Theodoricus Zuerstenus
1619 Caspar Berlisäus
1636 Johannes Ringenus
1640 Martinus Rotscherus
1647 Martinus Alberti
1652 Samuel Giepens
1657 Tobias Schenk
1662 Johannes Planerus
1668 Simon Weisse
1701 Johannes Henricus Sigel
1712 M. Johannes Fridericus Graff
1715 Johann Georg Nauert
1718 M. Johannes Melchior Hildebrand
1736 M. Johannes Andreas Lozzen
1739 M. Johannes Henricus Riedel
1772 Carl Henrich Rambach
1788 M. Wilhelm Heinrich Thieme
1828 - 1832 Pfarrer Sachse
1832 - 1849 Pfr. Thümmel
1850 - 1890 Pfr. Knote
1891 - 1905 Pfr. Gustav Zunkel
1905 - 1919 Krippendorf
1920 - 1921 Genzel
1921 - 1964 Hermann Zunkel
1964 - 1973 Superintendent Gottfried Feldmann
1973 - 1994 Charlie Heinicke.
Hochstedt ist seit Oktober 1673 oder seit 1743 Filialort von Vieselbach (die erste Eintragung ist mit Bleistift, die zweite mit Tinte).
[Vorbemerkung: Nur bei den ersten 50 Seiten dieses Buches handelt es sich um eine Chronik für die Jahre 1772 bis 1803. Danach wurde das Buch nur noch benutzt für Abschriften von Rundschreiben und Gesetzen. Die Eintragungen beginnen im Jahr 1772, als Vieselbach noch zu Erfurt und damit zum Kurfürstentum Mainz gehörte].
Am 9. August 1772 bin ich, Carl Heinrich Rambach - nach der mir vom Rat aufgetragenen und unter göttlichem Beistand abgelegten Probe-Predigt - von der ganzen Gemeinde einmütig zum Nachfolger des Pfarrers gewählt worden. Die Gutachter waren Herr Johannes Hieronymus Vilhauer, später zweiter Pfarrer in Sömmerda, und Herr Johann Caspar Tramsdorf, späterer Pfarrer in Schwandorf.
Am 10. Sonntag nach Trinitatis hielt ich meine Antritts-Predigt. Am 14. Sonntag erfolgte die Einführung mit der Verleihung der Pfarrstelle durch Dr. Hochwürden Magister Beßler, in Gegenwart des hochangesehen Senatsabgeordneten, des Juristen Herrn D. Rumpel, und des Herrn Bürgermeisters Dr. Schroeder.
Am 7. November 1772 sind der Kirche von Maria Katharina Kaiser zehn Gulden für die Bekleidung des Altars geschenkt worden, und nachdem die von ihrem Stiefsohn Johann Heinrich Kaiser der Kirche gespendeten 4 Gulden 21 Groschen dazu genommen worden sind, ist das blaue Altartuch angefertigt worden.
Im Jahre 1773 ist das Turmdach für 25 Gulden repariert worden. In diesem Jahr habe ich damit angefangen, in den Betstunden am Sonntag und während der Woche die Bibel zu lesen. Maria Juditha verwitwete Weißbach hat auf ihrem Totenbett verfügt, daß der Altar bekleidet werden sollte, wozu sie ausdrücklich zehn Gulden gespendet hatte. Ihr Erbe, Johann Heinrich Fressel, hat auch ihrem Willen entsprochen und das Altartuch aus Kattun machen lassen.
Nachdem der bisherige Kirchenvorsteher[1], der 1. Bürgermeister Johann Nikolaus Gläser, im Jahre 1777 gestorben war, habe ich den hiesigen Herrn Landvogt, Herrn Traugott Friedemann Groß, zum Kirchenvorsteher gewählt.
Dies geschah in der folgenden Art: Ich ließ den anderen Kirchenvorsteher zu mir kommen und sprach, ich hätte an die Stelle des verstorbenen Kirchenvorstehers den Herrn Vogt Groß gewählt, ob er etwas dagegen einzuwenden hätte? Als er nichts gegen meine Wahl einzuwenden hatte, ließ er den Herrn Vogt alsbald zu mir einladen und meldete ihm unsere Wahl. Den anderen Tag gingen wir, ich und der neu gewählte Herr Kirchenvorsteher, ins Kirchen-Ministerium[2]. Nachdem ich die Frage des Herrn Senior Boch (?), ob der neue Herr Kirchenvorsteher nach Vieselbacher Herkommen gewählt worden sei, mit „Ja“ beantwortet hatte, wurde er bestätigt. Die Gebühren betrugen 14 Groschen und ich bekam 10 Groschen für meinen Weg.
„Weil sämtliche Landgeistlichen im Jahr 1778 beim hochwürdigen Rat eine Eingabe gemacht hatten wegen des halben Gnadenjahrs für ihre Witwen wie auch wegen einer ausreichenden Witwenkasse, wird denselben hiermit folgender Bescheid gegeben: Zwar wurde die erbetene Gestattung eines halben Gnadenjahres abgeschlagen, jedoch es wurde die Verordnung zum Besten ihrer Witwen gemacht, daß von nun an der ganze Sterbemonat und noch darüber hinaus sechs Wochen der Predigerwitwe zugute kommen sollen. Dabei geht man davon aus, daß alle Landgeistlichen ihr christlich gegebenes Versprechen genau erfüllen und während der Nichtbesetzung der Pfarrstelle das Amt nach erfolgter Anweisung ordentlich versehen werden. Im anderen Fall behält man sich vor, bei entstandenen begründeten Klagen, die zum Besten der Predigerwitwen geschehene Verfügung wieder aufzuheben. Was aber die Einrichtung einer Witwen-Kasse angeht, so kann man zwar eine derartige gute Anstalt als ein privates Werk geschehen lassen, jedoch darf niemand zum Beitritt genötigt werden, sondern alles muß freiwillig geschehen. Einstimmiger Beschluß, Erfurt, den 10. November 1777, im Auftrag des Herrn Senior und Ratsherrn des laufenden Jahres, H. F. Hermstedt, städtischer Schreiber.“
Durch einen Ministerialerlaß 14. Mai 1777 ist die übliche Schmauserei aus Anlaß des Schulexamens abgeschafft worden. Der Erlaß hat folgenden Wortlaut: „Dem Pfarrer zu Vieselbach wird auf seinen erstatteten Bericht der Bescheid erteilt, daß das Geld, das aus der Kirchenkasse zum Schulexamen gegeben wird, nicht zu Schmausereien, sondern für Papier, Fleißgeld und Bücher für die Schulkinder angewandt werden soll. Einstimmiger Beschluß, das hochwürdige Ministerium wie oben, J. Welz, Schreiber des hochwürdigen Ministeriums.“
In der Nacht vom 23. zum 24. Juni war vom häufigen Regen ein solches Hochwasser zusammengelaufen, daß die Kirche davon angefüllt war und der Gottesdienst nicht eher gehalten werden konnte, bis das Wasser wieder aus dem Gotteshause geschafft war. Das dauerte bis halb 11 Uhr. Daher fiel der Nachmittagsgottesdienst weg und in Hochstedt wurde vom Pfarrer gar kein Gottesdienst gehalten.
Im Jahre 1779 ist in der Nacht vom zum [Datum fehlt] ein solcher Frost gewesen, daß das Getreide zum Teil ganz, zum Teil aber auch halb erfroren ist. Bei einigen Ähren war die Blüte schon heraus, bei andern aber noch in den Ähren, aber in beiden Fällen sind die Ähren erfroren. Der Schaden ist in der hiesigen Flur auf 1500 Gulden geschätzt worden. Von der gnädigen Herrschaft ist auch die Schätzung befohlen worden, und es sind auch von der Kurfürstlichen Kammer Kommissare aufs Land geschickt worden. Aber es ist kaum so viel (von den Abgaben) erlassen worden, daß es - nach Abzug der Kosten - auf jeden Einwohner einige Halblitermaße ausgemacht hat.
Am 15. März 1779 ist das Schulexamen das erste Mal ohne Schmauserei gehalten worden, entsprechend dem Befehl seiner Kurfürstlichen Majestät vom 14. Mai 1778. Das Examen geschah in folgender Ordnung:
Es war mir von seiner Kurfürstlichen Majestät die Verwendung der Examensgelder frei überlassen worden. Daher machte ich eine vernünftige Einteilung, wie die Examensgelder verwendet werden sollten. Diese las ich den beiden Kirchenvorstehern vor. Da sie dieselbe genehmigten, verkündigte ich die aufgestellte Ordnung vier Wochen vor dem Examen von der Kanzel.
Die Ordnung war wie folgt:
1) alle Kinder, sie seien reich oder arm, bekommen Bibeln
2) alle armen Kinder, deren Eltern nicht vermögend sind, ihren Kindern die nötigen Schulbücher zu kaufen, erhalten nach und nach ihre Schulbücher. Die Eltern der Kinder, die Bücher verlangen und wohlgemerkt bedürftig sind, müssen sich aber von dem Tag an, an dem es von der Kanzel verkündigt worden ist, innerhalb von acht Tagen im Pfarrhaus melden und um die nötigen Bücher bitten, damit der Pfarrer aufzeichnen kann, wie viel und was für Bücher zu kaufen sind. Die Kinder, deren Eltern sich nicht melden, werden auch keine Bücher erhalten, sondern man wird ihr Stillschweigen als ein Zeichen ansehen, daß sie im Stande sind, aus ihrem eigenen Vermögen ihren Kindern die nötigen Bücher zu kaufen und also dieser Beihilfe nicht bedürfen.
3) Es soll ein bestimmter Teil Geld und Papier alljährlich den Kindern gegeben und nach dem Fleiß der Kinder ausgeteilt werden. Alljährlich soll abgekündigt werden, wann sich die Eltern wegen der Bücher für ihre Kinder zu melden haben. So ist dann auch wirklich die Austeilung geschehen. Das Verzeichnis der Schulkinder, die Bücher erhalten haben:
Bibeln haben bekommen: Johann Andreas Hildebrand, Johann Gerbord Fischer. Johanna Magdalena Feldtrapp, Margaretha Barth, Martha Magdalena Ritter.
Gesangbücher haben erhalten: Anna Elisabeth Kaiser, Martha Catharina Gölitz, Johann Georg König, Johann Adam Weber, Johann Christoph Ritter.
Johann Nikolaus Kühlmorgen hat einen Katechismus erhalten, Anna Catharina König ein Psalmbuch und Juditha Martha Elisabeth Weber ein Psalmbuch und Evangelienbuch.
In der ersten Klasse haben die Kinder, die keine Bücher erhielten, jedes einen Groschen und 4 Bogen Papier erhalten, in der 2. Klasse jedes 9 Heller und 6 Bogen Papier, in der 3. Klasse jedes 8 Heller und 4 Bogen Papier. Die Buchstabierenden haben 6 Heller und 3 Bogen Papier bekommen. Die ABC-Schützen haben 4 Heller und 2 Bogen Papier erhalten.
Der Pfarrer hat bekommen 8 Buch Papier
Der Herr Vogt als Kirchenvorsteher 4 Buch Papier
Der andere Kirchenvorsteher Johann Heinrich Höpfner 4 Buch Papier
Der Herr Schulmeister 4 Buch Papier
Der Bürgermeister Heinrich Kommer 2 Buch Papier
Der Oberaltarmann Caspar Ludewig 1½ Buch Papier
Der Schütze ½ Buch Papier.
Am 13. Dezember starb der Kirchenvorsteher und Schulaufseher Johann Heinrich Höpfner, Auf die auf Seite 14 beschriebene Art und ohne Widerrede ist als Kirchenvorsteher Meister Franz Brühl von mir und dem Herrn Vogt am 7. Februar 1780 im Geistlichen Ministerium bestätigt worden. Die Gebühren betrugen 14 Groschen für das Ministerium und 10 Groschen für den Pfarrer.
Im Jahre 1780 ist das Schulexamen wie im Jahre 1779 gehalten worden. Folgende Kinder haben Bücher bekommen:
Bibeln: Martha Magdalena Praus, Anna Elisabeth Kaiser, Martha Katharina Gölitz.
Gesangbücher: Anna Christina Zinnis, Judith Weinhold, Judith Martha Elisabeth Weber.
Psalmen: Johann Adam Weber, Zacharias Müller, Johann Caspar Kühlmorgen, Martha Weinhold.
Katechismus: Johann Georg König, Heinrich Christian Engelbrecht.
Evangelien-Buch: Anna Catharina König.
Die Kinder, die keine Bücher erhielten, haben bekommen:
In der ersten Klasse jedes 1 Groschen 4 Heller und 8 Bogen Papier
In der zweiten Klasse jedes 1 Groschen und 5 Bogen Papier
In der dritten Klasse 8 Heller und 3 Bogen Papier
In der vierten Klasse 6 Heller und 2 Bogen Papier.
Der Pfarrer hat bekommen 8 Buch Papier
Der Herr Vogt als Kirchenvorsteher 4 Buch Papier
Meister Franz Brühl als Kirchenvorsteher 4 Buch Papier
Der Herr Schulmeister 4 Buch Papier
Der Bürgermeister 2 Buch Papier
Der Ober-Altarmann Heinrich Christian Engelbrecht 1 Buch Papier
Der Schütze ½ Buch Papier.
Am 30. März 1780 kam eine von Ihrer Majestät geschickte Bau-Kommission hier an, die die vollständige Reparatur des Turms und der Schule prüfen sollte. Die Herren Kommissare waren: Seiner Majestät Stadtjurist, der Herr Professor Ritesel, der Herr Ratsmeister Welz als Schreiber Ihrer Majestät und der Landmesser Herr Schnell. Gegenwärtig waren auch Pfarrer Linde[3], der Herr Vogt als Kirchenvorsteher und Meister Franz Brühl als Kirchenvorsteher und der Herr Schulmeister. Die Mahlzeit, die der Pfarrer besorgen mußte, kam auf 5 Taler. Die Gebühren für die Herren Kommissare betrugen 4 Gulden, für den Ministerialdiener Franke 12 Groschen und 8 Groschen für die ........[?]. Mit (einer Kutsche) mit vier Ackerpferden wurden sie abgeholt und auch wieder heim gefahren.
Bei dieser Gelegenheit wurde auch über die Beschwerde des Schulmeisters wegen der abgeschafften Mahlzeit beim Schulexamen beschlossen, jedoch mit Zustimmung des Pfarrers und der Kirchenvorsteher: Beim Schulexamen sollen zusätzlich 3 Gulden 16 Groschen von der Gemeinde und 7 Gulden von der Kirche dazu gegeben worden. Sie sollen wie folgt verwendet werden: Der Pfarrer 1 Gulden, beide Kirchenvorsteher je 1 Gulden, dem Schulmeister 18 Groschen, dem Bürgermeister und dem Ober-Altarmann je 12 Groschen, das Übrige soll für die Kinder verbleiben für Bibeln, Papier und Geld.
Am 24. Februar 1780 hat Johann Andreas Petri als Taufzeugin für sein neugeborenes Töchterchen eine Frau Anna Magdalena verwitwete Weißbach gebeten. Aber weil sie sich weigerte, die heilige Handlung zu verrichten (weshalb siehe im Kirchenbuch von 1780, Seite 74), ließ er seine Schwester das Kind (zur Taufe) heben[4]. Er brachte folgende Ursache vor: Er und seine Frau und die Hebamme und seine Schwester glaubten, weil die erbetene Person es nicht gern getan hätte, so könnte sie dem Kinde einen Zauber[5] antun, denn zum Beispiel hat sie nicht ordentlich alle Worte nachgebetet (O altmodischer Aberglaube, wie lange bleibst du noch als Bodensatz im Sinn der Menschen![6]).
Am 23. September 1780 ist Johann Gerbord Gisen, sonst ein ganz ordentlicher Einwohner, des morgens gegen 1 Uhr plötzlich gestorben. Er litt unglücklicherweise unter Fallsucht (Epilepsie), die dann auftrat, wenn er sich erhitzte und das Blut in Wallung brachte. Nun hatte Herr Groß, Besitzer des Hofgut, der ganzen Gemeinde, wegen der Hochzeit seiner ältesten Tochter vier Tonnen Bier spendiert. Die Einwohner tanzten dazu. Alles geschah am Nachmittag des 22. September. Dieser Gisen hatte auch mit getanzt und sich durch den Trunk und Tanz erhitzt. Des Nachts 12 Uhr bekam er einen Anfall und war in einer Viertelstunde tot. In der Leichenpredigt wurde hart gegen die Ausschweifungen und gegen den Ungehorsam gegen das Wort des Herrn geredet, zumal sie vorher am 18. in der Kirchweih-Predigt nach Epheser 5,15 ermahnt worden waren, sich sittsam und christlich zu verhalten.
8. November 1780: In diesem Monat kam vom Kurfürsten eine Brandversicherungs-Verordnung heraus, in der besonders der § 16 wichtig war: „Wir ermahnen besonders die geistlichen und weltlichen Amtspersonen, die verantwortlich sind für die ihrer Pflege und Verwaltung untergebenen Gebäude. Sie müssen es sich bei Zuwiderhandlung selbst zurechnen lassen, wenn sie bei unglücklichen Brandereignissen wegen der Entschädigung rechtlich belangt werden und zum Ersatz verurteilt werden. Durch diese Vorsorge hätte so etwas verhütet werden können.“
Das Ministerium gab deswegen am 16. September diese Verordnung für alle Gemeinden auf dem Lande heraus: „Nachdem vom Kurfürsten zu Mainz eine Feuerversicherung gnädig veröffentlicht worden ist, und nach deren Artikel 16 auch geistliche Häuser versichert werden können, so wird allen Pfarrern und Kirchenvorstehern auf dem Lande befohlen, mit Zuziehung der bürgerlichen Gemeinde wohl zu überlegen, ob sie sich wegen der Kirch- und Schulgebäude auf diese Versicherung einlassen wollen. Natürlich muß geprüft werden, ob die Kirchenkasse im Stande ist, die damit verknüpften Beiträge zu leisten, und so dann ist eine preiswerte Schätzung der Kirche und der kirchlichen Gebäude einzusenden.
Die bürgerliche Gemeinde aber hatte sich schon entschlossen, weder Kirche noch kirchliche und kommunale Häuser zu versichern, ungeachtet der Tatsache, daß sie der Herr Amtmann von Gudenius[7] selbst zur Versicherung freundlich und ernstlich ermahnt hatte. Also ist in Vieselbach nicht ein einziges Haus versichert worden.
Man hat aber den Pfarrer nicht um Rat gefragt. Dieses konnte er auch in dieser kritischen Sache gar wohl geschehen lassen, denn nun - mag der Fall kommen wie er will - so ist der Pfarrer gesichert. Aber dem Ministerium ist es berichtet worden.
Schließlich hat man auf den ausdrücklichen Befehl der Regierung doch Kirche, Pfarrhaus, Schule und Brauhaus versichert (weil alle Verantwortlichen für den Schaden gerade stehen sollten und aus ihren eigenen Mitteln bei einem sich ereignendem Unglücksfall die kirchlichen und kommunalen Häuser wieder aufbauen sollten). Ich weiß aber nicht, wie hoch die Versicherungssumme und der Beitrag war, weil man mich nicht gefragt hat, sondern ich habe dieses alles erfahren, als die Sache schon gelaufen war.
Wenn zwischen den Weihnachtsfeiertagen und dem 4. Adventsonntag kein anderer Tag ist, sondern die Weihnachtsfeiertage unmittelbar auf den 4. Advent folgen, so ist am Freitag vorher (nach dem 3. Advent) keine Wochenpredigt. Dieser Fall hat sich in diesem Jahr den 22. Dezember ereignet, und ist zur Nachricht hier eingetragen worden.
Am 24. Februar 1780 gab es mit der Familie des mit Johann Heinrich Höpfner einen Streit über einen Kirchenplatz, in dem ich aber recht behielt. Die Sache verhielt sich folgendermaßen: Der Kirchenvorsteher Johann Heinrich Höpfner hatte zwei Frauenplätze, einen für seine Frau, den anderen für die Magd. Gleich nachdem er gestorben war, meldete sich sein Sohn und einziger Erbe Johann Heinrich Höpfner als Anwärter auf diese beiden Sitze. Aber ich erklärte ihm, daß er nach unserer Kirchenstuhlordnung nur einen Platz, nämlich für seine künftige Frau erhalten könne (siehe Stuhlordnung Nr.....). Er fand sich auch damit ab und versprach mit Mund und Handschlag, auf den Platz zu verzichten. Sobald ich aber den Platz an eine andere Frau verkauft hatte, ließ er sich von einer streitliebende Person anreizen, mir durch den Herrn D.[8] eine Schrift von 2½ Bogen zuzuschicken, in der er mich eines widerrechtlichen Handelns beschuldigen wollte. Doch da ich das Gegenteil bewies, wurde Höpfner im Ministerium abgewiesen und mußte alle Kosten bezahlen.
Am 22. Februar 1781 erlaubte das Ministerium in einem amtlichen Schreiben, daß bis auf Widerruf aus der Kirchenkasse jährlich 2 Meißener Gulden ausgegeben werden dürfen. Sie sollen zugute kommen der Martha Elisabeth Feldtrapp, ein bejammernswürdiges elendes Mädchen, die nicht reden und nicht gehen kann, alle Glieder am ganzen Leibe zittern, der Speichel läuft ihr zum Munde heraus; sie hat eine Zunge, die den ganzen Mund einnimmt, so daß sie sich die Hostie selbst in den Mund stecken und den Kelch selbst zum Munde führen muß. Das amtliche Schreiben wurde unter obigem Datum geschrieben und mir zugestellt.
Am 14. März 1781 wurde der Altarmann[9] des Jahres 1779 vom Kurfürstlichen Amt Azmannsdorf wegen der Kirch-Rechnung mit einer Strafe von 50 Reichstalern belegt, aber sie wurde auch auf Befehl der Kurfürstlichen Regierung wieder erlassen. Die Sache verhält sich folgendermaßen: Im Jahr 17..... [Datum fehlt] wurde vom Kurfürstlichen Amt Azmannsdorf ein Regierungserlaß veröffentlicht, in welchen mit harten Ausdrücken verboten wurde, eine Kirch-Rechnung zur Prüfung und Feststellung an das Ministerium zu geben. Eine Strafe von 50 Reichstalern wurde angedroht, wenn sich einer erfrechen würde, es doch zu tun.
Nun geschah es, daß der hiesige Schulmeister Sebald Heinrich Schwarz, ein überaus bissiger und böswilliger Mann, die Kirchrechnung in seinem Hause umänderte, aber nicht auf dem Entwurf verbesserte, den er in Gegenwart des Pfarrers und der Kirchenvorsteher richtig angefertigt und auch bereits zur Prüfung übergeben hatte. Er brachte nämlich Gelder in die Einnahme, die nicht in dieselbe gehörten und ließ in der Ausgabe 38 Meißener Gulden boshaft und vorsätzlicher Weise aus, so daß dem Altarmann 41 Meißener Gulden fehlten.
Diese vom Schulmeister mit Willen gemachte Unordnung mußte dem Ministerium als Richter in Kirchensachen gemeldet werden. Und da ich in meinem Berichte vom 7. Februar die gemachte Unordnung bereits erwähnt hatte[10], so mußte freilich auch die verfälschte Kirchrechnung mit überschickt werden.
Der Schulmeister wurde hierauf mehrmals vorgeladen, aber er kam nicht und schützte Krankheiten vor, obwohl er nicht die geringsten Schwierigkeiten innerhalb der Zeit (nämlich vom 7. Februar bis zum 14. März) gehabt hat. Am 12. März ging er in die Stadt. Am 13. erhielt der Altarmann vom Kurfürstlichen Amt eine Vorladung, von Amtswegen zu erscheinen[11]. Als er am 14. erschien, wurde er gefragt, wo er seine Kirchrechnung hätte. Er antwortete: „Sie liegt schon im Ministerium!“ Da wurde er mit einer Strafe von 50 Reichstalern belegt. Es half da auch weiter keine mündliche Vorsprache. Er bekam die Strafverfügung, weil er den Kurfürstlichen Regierungserlaß vom ....... 17...[Datum fehlt] übertreten hatte, so wurde er doch - unter Vorbehalt des Schadensersatzes - um 50 Reichstaler gestraft und sollte die Strafe binnen 14 Tagen (bei Androhung der Zwangsvollstreckung) bei der Staatskasse hinterlegen.
Das Ministerium nahm sich der Sache an und übergab sie dem Herrn Dr. Hommel. Und da die Rechnung nicht zur Prüfung und Bestätigung übergeben worden war, also auch der Kurfürstliche Regierungserlaß vom Altarmann nicht übertreten worden war, so wurde die dem Altarmann vom Amt zuerkannte Strafe auf Befehl der Kurfürstlichen Regierung wieder erlassen.
Das Kurfürstliche Amt hatte sich nämlich von falschen Anklägern hintergehen lassen, hatte die Sache nicht gehörig untersucht, sondern hat sie vorangetrieben und hat oberflächlich und übereilt gestraft,
Hierauf ging die Sache an das Ministerium. Der Schulmeister wurde befragt, wer dem Amte gemeldet habe, daß der Altarmann die Rechnung ins Ministerium getragen hat. Aber der Schulmeister entschuldigte sich mit der Unwissenheit. Nach Überprüfung der Sachen wurde ihm auferlegt, die Rechnung nach der Vorschrift des Pfarrers zu berichtigen, und dabei das wegzulassen, was nicht in die Einnahme gehört, und das Fehlende in der Ausgabe hinzuzusetzen. Er aber verlangte deswegen einen Bescheid des Ministeriums, den er auch am 22. März erhielt.
Allein er verfertigte die Rechnung dennoch nicht, so daß sich also der Altarmann abermals genötigt sah, deswegen Klage beim Ministerium zu führen. Darauf wurde am 17. Mai dem Pfarrer Pastor in einem amtlichem Schreiben befohlen, zu berichten, warum der Schulmeister seit so langer Zeit die Kirchenrechnung der lutherischen Gemeinde nicht in Ordnung gebracht hat?
Auf erstatteten gehorsamsten Bericht wurde dem Schulmeister den 22. März bei 5 Reichstalers Strafe aufgegeben, die Rechnung binnen acht Tagen zu berichtigen, und zwar in Gegenwart des Pfarrers und der Kirchenvorsteher. Darauf bat er sich eine Frist von drei Wochen aus, die ihm auch durch ein amtliches Schreiben des Ministeriums vom 31. Mai gestattet wurde. Darauf änderte er endlich am 9. Juni die Rechnung im Beisein des Pfarrers und der Kirchenvorsteher ab, aber die verfälschten Bogen wollte er nicht umschreiben.
Als er aber die Rechnung überreichte, hatte er sie abermals nicht nach dem im Beisein des Pfarrers und der Kirchenvorsteher abgeänderten Exemplar gemacht, sondern das Geld, das er aus der Einnahme streichen sollte, wieder in Einnahme gebracht. Wobei er sich auf ein amtliches Schreiben des Ministeriums vom 24. Juni berief, das er sich durch falsche Angaben erschlichen und noch dazu falsch ausgelegt hatte. Dieses wurde abermals dem Ministerium am 18. Juli gehorsamst berichtet. Worauf die Sache dieses Jahr liegen blieb und die Rechnung nicht berichtigt wurde.
Am 8. März 1781 wurde vom Ministerium die Anrede des Pfarrers umgeändert und der peinliche Titel „Pastor Ehrn usw.“ davor gesetzt, doch nur bei den Aufschriften der Erlasse gebraucht, um dem Herrn Pfarrer zu schmeicheln.
Am 26. April 1781 ist das Schulexamen nach der vom Ministerium am 30. März des Vorjahres ergangenen Verordnung gehalten worden.
Die große Halle’sche Bibel zu je 18 Groschen empfingen: Johann Nicolaus Kühlmorgen, Johann Adam Weber, Anna Christina Zinkeis, Magdalena Kaiser. Die übrigen Kinder erhielten nur Papier und Geld.
Die in der ersten Klasse jedes 1 Groschen und 8 Bogen Papier
zweiten 9 Heller und 6 Bogen Papier
dritten 6 Heller und 4 Bogen Papier
vierten 4 Heller und 2 Bogen Papier
Der Pfarrer hat bekommen 1 Gulden und 2 Buch Papier
Der Herr Vogt als Kirchenvorsteher 12 Groschen und 1 Buch Papier
Meister Franz Brühl als Kirchenvorsteher 12 Groschen und 1 Buch Papier
Der Herr Schulmeister 18 Groschen und 1 Buch Papier
Der Bürgermeister 6 Groschen und ½ Buch Papier
Der Ober-Altarmann 6 Groschen und ½ Buch Papier.
Es waren 31 Kinder.
16. Januar 1782: Am 11. Dezember des Vorjahres wurde abermals eine gehorsame Eingabe und Bitte an das Ministerium wegen der noch nicht berichtigten Kirchenrechnung aus dem Jahre 1779 gemacht. Der Schulmeister wurde auch vom Ministerium dazu per amtlichem Schreiben angehalten. Am 20. Dezember aber machte er neue Einwendungen, bei denen er fälschlich vorgab, er habe alles in der Kirchenrechnung der lutherischen Gemeinde nach dem Erlaß des Ministeriums eingerichtet.
Diese Einwendungen wurde mir am gleichen Tage mitgeteilt mit dem angehängtem Befehl, wenn die Angaben des Schulmeisters richtig seien, die Kirchenrechnung ohne weiteren Aufschub verlesen zu lassen. Darauf wurde am 15. Januar berichtet, daß die Angaben des Schulmeisters falsch und unbegründet seien, und es wurde gebeten, ihn doch ernstlich und bei Strafe anzuhalten, die Rechnung den Erlassen gemäß zu berichtigen.
Hierauf wurden der Pfarrer, die Kirchenvorsteher, der Schulmeister und der Altarmann vorgeladen und dem Schulmeister - nachdem er als halsstarrig hart ermahnt wurde und er als ein Stöhner erkannt wurde - nochmals ernstlich befohlen, die Rechnung den Erlassen gemäß zu berichtigen und die verfälschten Bogen umzuschreiben. Er erhielt auch deswegen den 31. Februar ein deutliches und nachdrückliches amtliches Schreiben.
Als dieses ihm am 22. des Monats vorgelesen wurde, entschuldigte er sich wegen dringender Amtsgeschäfte in der Schule und daß er vor Ostern die Rechnung nicht anfertigen könne. Dieses wurde am 6. März an das Ministerium per amtlichem Schreiben berichtet. Am 11. April war die Rechnung noch nicht fertig. Deswegen mußte abermals ein Bericht übergeben und Beschwerde erhoben werden, die auch am 11. April erfolgte.
Darauf kam abermals ein amtliches Schreiben vom 18. April, man solle dem Schulmeister deutlich machen, daß er innerhalb von acht Tagen die Rechnung zu berichtigen habe. Wenn nicht, so sei sie auf Kosten des Schulmeisters von einem anderen in Ordnung zu bringen. Darauf hat er die Rechnung endlich angefertigt und die verfälschten Bogen umgeschrieben, so daß dieselbe endlich am 21. Juli (dem 8. Sonntag nach Trinitatis) der Gemeinde vorgelesen wurden. Johann Nicolaus Lippold, einer der eifrigsten Verfechter und Anhänger des Schulmeisters, hat die Rechnung zu sich genommen, um sie durchzusehen, hat sie aber noch nicht zurückgegeben.
Am 11. März 1782 ist das Schul-Examen abermals wie im Vorjahrgehalten worden. Halle’sche Bibeln zu je 18 Groschen haben erhalten: Johann Georg König, Anna Marie Engelbrecht, Juditha Christina Weichelt, Juditha Martha Elisabeth Vogt. Die übrigen Kinder haben Geld und Papier erhalten im vorigen Jahr. Auch der Pfarrer, der Kirchenvorsteher Ludwig, der Bürgermeister und der Altarmann haben das Festgesetzte erhalten. Kinder waren es dieses Jahr 29 und 4 Neuzugänge.
Am 9. Oktober 1782 wurde Heinrich Kommer, Einwohner und Vormundschafts-Verwandter[12] von hier, von Johann Herbord Ludwig gebeten, Pate bei seinem neu geborenen Söhnchen zu werden. Er war der Bruder des Vaters der Mutter des Kindes. Er war aber von dieser Familie auf verschiedene Weise beleidigt worden, wozu auch mancherlei Geklatsche durch Frauen und besonders durch Mägde[13] kam. Das führte dazu, daß er zwar das Kind bei der Taufhandlung hielt, aber nicht beim Taufessen erschien. Weil ich von seinem Vorhaben erfuhr, ließ ich ihn vor der Taufe zu mir kommen, stellte ihm vor Augen, wie er bei dieser heiligen Handlung alle Feindschaft beiseite legen und sich als einen guten versöhnlichen Christen zeigen müßte, der vergeben und vergessen könnte, usw. Er antwortete: Er habe in seinem Herzen keinen Haß und keine Feindschaft gegen seine Verwandten beiderseits und habe allen Verdruß verziehen und vergeben, den man ihm angetan habe. Aber er habe davon abgesehen auch ein Wort gesprochen, das zwar niemandem etwas schade, aber das er doch halten wolle, weswegen er nicht bei dem Gastmahl erscheinen könnte. Alle weiteren Vorhaltungen waren fruchtlos. Er tat, was er beschlossen hatte: brachte das Kind zur Taufe und ging wieder nach Hause.
Am 10. November 1787 starb der Schulmeister Sebald Heinrich Schwarz plötzlich an einem Schlaganfall. Er war 53 Jahre lang als Lehrer an der hiesigen Schule. Am 3. Adventsonntag wurde an die Stelle des verstorbenen Schulmeisters Schwarz der bisherige Schulmeister in Waltersleben, Johann Thomas Höke, durch einmütige Wahl hierher berufen. Er hat die Berufung auch angenommen. Die geschehene Wahl der Gemeinde ist vom Ministerium den Donnerstag darauf bestätigt worden, so daß der Schulmeister am 1. Weihnachtsfeiertag hier seinen ersten Dienst tat.
Am 3. September 1787 wurde der seitherige Pfarrer Carl Heinrich Rambach wegen seines ungesitteten und unzüchtigen
Lebenswandels von seinem Amte beurlaubt. Die Vertretung wurde vom einem damaligen Mitarbeiter des Ministeriums dem Magister Friedrich Wilhelm Heinrich Thieme übertragen worden, so daß er sämtliche
Besoldung bezogen hat, sowohl das
Grundgehalt als auch die Gebühren von Amtshandlungen.
Am 14. Januar 1788 (einem Sonntag) starb der seitherige Kirchenvorsteher und Schulaufseher Meister Johann Franz Brühl. An seiner Stelle wurde von dem amtierenden Pfarrer Magister Friedrich Wilhelm Heinrich Thieme der Vormundschaftsverwandte Johann Andreas Fischer gewählt. Die Wahl wurde am 14. Februar vom Ministerium bestätigt. Dabei wurden 14 Groschen an das Ministerium bezahlt und dem amtierenden Pfarrer 8 Groschen.
Im Jahr 1788 wurde damit angefangen, die neue Schule zu erbauen.
Am 23. Januar 1788 war eine sehr große Überschwemmung, bei der das Wasser fast 75 Zentimeter hoch durch das Dorf strömte und der Hasenbach so hoch ging, daß das Wasser bei dem auf den Krümling[14] stoßenden 1¾ Ar großen Pfarrstück über das Ufer trat und nach dem Dorf zuströmte. Ebenso erhielt auch der Hochstedter Bach eine ungewöhnlicher Höhe.
Am 6. September 1788 wurde der Pfarrer Carl Heinrich Rambach durch ein von der juristischen Fakultät in Göttingen eingeholtes Urteil seines Pfarramtes völlig enthoben und zur Bezahlung sämtlicher Kosten verurteilt.
Am 30. November 1788, dem ersten Adventssonntag, wurde ich, Magister Friedrich Wilhelm Heinrich Thieme, der bisherige Stellvertreter, von den beiden Gemeinden zu Vieselbach und Hochstett durch einstimmige Wahl zum Pfarrer gewählt. Am 2. Adventssonntag wurde vom evangelischen Stadtrat[15] darüber abgestimmt. Am 17. Dezember wurde ich im Rathaus feierlich in das Amt eingesetzt.
Am 25. Mai 1788 starb der Schulmeister Johann Thomas Höke an der Auszehrung. Am 8. Juni ist Johann Philipp Kämmerer, Schulmeister in Obernissa, an die Stelle des verstorbenen Schulmeisters Höke gewählt worden und am 19. Juni die Wahl vom Ministerium bestätigt worden.
Am 1. Januar 1789 (dem Neujahrstag) habe ich, Magister Friedrich Wilhelm Heinrich Thieme, meine Antrittspredigt gehalten.
Am 23. März 1789 wurde das übliche Schulexamen gehalten. Es erhielten an Aufwandsentschädigung:
Der Pfarrer 1 Gulden 2 Bücher Papier
Beide Kirchenvorsteher 1 Gulden (jeder 12 Groschen) 2 Bücher (jeder ein Buch)
Der Schulmeister 18 Groschen 2 Bücher
Die beiden Altarleute 12 (jeder 6 Groschen) jeder ½ Buch
Der Bürgermeister 6 Groschen ½ Buch
Der Schütze 6 Groschen ½ Buch
Johann Nikolaus Sachse 1 Bibel
Johann Michael Schmidt 1 Bibel.
Die Kinder erhielten Papier, Brötchen und Brezeln.
Am 17. März 1789, dem Sonntag Rogate, wurde ich durch eine abgeordnete Rats-Kommission feierlich in der Kirche als Pfarrer eingesetzt. Dabei waren als Kommissare anwesend: Herr Senior Beßler, Herr Ratsmeister Fischer, Herr Dr. Brückner, Herr Schreiber Zache und als Assistenten Herr Pfarrer Klöppel aus Niederzimmern und Herr Pfarrer Tromsdorf aus Azmannsdorf. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 29 Gulden 20 Groschen.
Im Jahre 1789 ist der vordere Giebel am Pfarrhaus und die Wohnstube neu gebaut worden. Für die Wohnstube und die Studierstube sind neue Fenster angeschafft worden und die Studierstube hat einen neuen Dielenbelag erhalten.
Am 16. September 1789 schlug der Blitz bei Johann Georg Bezold ein, zündete aber nicht: es entstand aber hierauf ein so heftiger Regen, daß das Wasser in der Nacht zwischen dem 17. und 18. das ganze Dorf in den tiefer gelegenen Gebieten überströmte und die Flut ganze 24 Stunden lang anhielt, so daß das Wasser auf fast 60 Zentimeter stieg. Überhaupt war dieses Jahr durch Überschwemmungen gekennzeichnet.
Erlaß vom 4. Februar 1790: „Die Trauungen wurden bisher schon sehr früh am Tag von dem Pfarrer zu Vieselbach, Magister Thieme, vorgenommen. Dies wird ihm jetzt ausdrücklich untersagt, weil es der überall eingeführten Übung entgegen ist. Die Trauungen müssen jedesmal am Sonntagnachmittag stattfinden, es sei denn, es würde eine stille[16]Trauung in der Woche verlangt. Auch die Beerdigungen sind ohne die geringste Ausnahme am Tage vorzunehmen. Einstimmiger Beschluß des Ministeriums in Erfurt vom 4. Februar 1790. Wels, Schreiber des Ministeriums.“
Anmerkung: Dieser Erlaß war durch den Schulmeister[17] Johann Philipp Kämmerer veranlaßt und durch lügenhafte Vorspiegelungen erschlichen worden. Der Pfarrer hat dazu die sachdienlichen Erläuterungen eingeschickt, daß nämlich die Frühtrauungen - es sei am Sonntag oder in der Woche früh - nur dann geschähen, wenn eine Ausnahmegenehmigung von allen Aufgeboten beim Ministerium eingeholt wurde und man sich hierbei nach der allgemeinen hergebrachten Übung richte. So ist durch das Stillschweigen des Ministeriums der erste Teil des obigen Erlasses außer verbindliche Kraft gesetzt worden.
In der Frage der Nachtbegräbnisse reichten der Pfarrer und die beiden Kirchenvorsteher die Gegendarstellung ein, daß es von jeher üblich hier üblich gewesen sei, daß jeder seine Toten habe in der Stille[18] beerdigen lassen können, wann es ihm beliebt. Daraufhin erfolgte ein zweiter Erlaß folgenden Inhalts:
18. Februar 1790: „Auf die Eingabe des Pfarrers und der Kirchenvorsteher zu Vieselbach, die dortigen Abendbegräbnisse betreffend, wird hiermit folgender Bescheid erteil: Nirgends auf dem Lande sind ohne besondere Ursachen und deswegen beantragter Erlaubnis die Abendbegräbnisse gestattet. Deshalb ist das, was in diesem Falle in Vieselbach bisher geschehen sein mag, seither ohne Vorwissen des Ministeriums mißbräuchlich geschehen. Man kann auch aus guten Gründen die Abendbegräbnisse auf dem Lande nicht zulassen. So werden der Pfarrer und die Kirchenvorsteher hiermit nochmals angewiesen, alle Beerdigungen am Tage vorzunehmen. Beschluß des Ministeriums in Erfurt 18. Februar 1790, im Auftrag Wels, Schreiber des Ministeriums.“
Und dabei ist es geblieben, obwohl mehrmals von dieser Vorschrift befreit worden ist, wie die Folgezeit zeigt. Der Schüler-Chor[19] hat dann gegen Johann Heinrich Kämmerer Klage erhoben wegen der ihnen bei Hochzeiten zu zahlenden Gebühren. Der Schulmeister erhielt zwar vom Ministerium die Auflage, ihnen die Gebühren zu entrichten. Es erfolgte auf seine weitere Weigerung sogar am 18. Februar ein Erlaß zum sofortigen Vollzug. Aber weil er diesen Erlaß nicht respektierte und die Schüler die Sache nicht weiter betrieben, so ist die Angelegenheit liegen geblieben. So ist nicht ausgemacht worden, ob jemand aus der Gemeinde, der mit Ausnahmegenehmigung in der Stille heiratet, verpflichtet sei, den Einsatz des Chores zu bezahlen oder nicht.
Am 12. April 1790 wurde das Schulexamen wie gewohnt gehalten. Bibeln haben erhalten Johann Georg Kaiser, Johann Heinrich Weisbach, Marie Sophie Susanne Groß, Anna Barbara Weisbach, Anna Maria Fressel[20], Judith Mina König, Johann Gerhard Leipold.
Am 31. August 1790 wurde dem Pfarrer auf seine Bitte hin die Erlaubnis zur Beerdigung seines verstorbenen Töchterchens erteilt und er ließ dasselbe früh um 2 Uhr beerdigen.
Am 21. Dezember erhielt der Landvogt Groß die Erlaubnis, sein verstorbenes Söhnchen in aller Stille zu beerdigen, und es geschah dies früh um 4 Uhr.
Am 18. Januar 1791 wurde dem Pfarrer auf seine Bitte hin die Erlaubnis zur nächtlichen Beerdigung seiner Frau erteilt, und er ließ sie abends 9 Uhr zur Erde bestatten.
Am 4. April 1791wurde das Schulexamen gehalten.
Pfarrer 1 Gulden 2 Bücher Papier
Ludwig Groß, Kirchenvorsteher 12 Groschen 1 Buch Papier
Johann Andreas Fischer, Kirchenvorsteher 12 Groschen 1 Buch Papier
Schulmeister Kämmerer 18 Groschen 2 Buch Papier
Bürgermeister 6 Groschen ½ Buch Papier
Ober-Altarmann 6 Groschen ½ Buch Papier
Unter-Altarmann 6 Groschen ½ Buch Papier
Schütze 6 Groschen ½ Buch Papier.
Bibeln haben erhalten: Johann Georg Ludewig, Johann Andreas Ludewig, Anna Maria Engelbrecht, Regina Christina Brühl, Anna Martha Lippold, Anna Magdalena Engelbrecht, Juliana Maria Katharina Schmidt, Maria Friederike Gräf. Alle Kinder erhielten Papier, Brötchen und ein Brezeln.
Am 19. März 1792 ist das Schulexamen auf gleiche Weise wie 1791 gehalten worden. Martha Justina Weißbach erhielt eine Bibel. Die Kinder erhielten das Übliche.
10. August 1792: Auf eine vom Pfarrer bei der Kurfürstlichen Regierung gemachten Eingabe wegen des Gras-Anteils auf dem Pfarrrieth, weil die hiesige Bauernschaft sich weigerte, seinem Knecht[21] etwas von dem Gras abzugeben, ist der folgende Bescheid erteilt worden: Auf die von Herrn Pfarrer Thieme bei der Kurfürstlichen Regierung übergebenen Eingabe ist mit Datum vom 7. August des Jahres der folgende Bescheid erteilt worden: „Amt Azmannsdorf. Wenn derjenige, der das Pferd übernommen hat, die Gemeindefrohn verrichtet, so ist ihm der Gras-Anteil nicht zu entziehen. Dies wird dem Herrn Pfarrer hierdurch nachrichtlich bekannt gemacht, Erfurt, den 10. August 1792, Kurfürstliches Amt Azmannsdorf, Pingel, Schreiber.“
Am 28. Oktober 1792 wurde nach der eingereichten Anfrage wegen des Baus des Kirchendaches und der Chortreppe vom Ministerium der folgende Bescheid erteilt: „Dem Pfarrer und den Kirchenvorstehern wird auf den erstatteten Bericht hin der Bescheid erteilt, daß das baufällige Kirchendach und die Treppe tüchtig repariert werden und auch mit Zungenziegeln belegt werden können. Dazu wird hiermit die Zustimmung erteilt. Es wird aber auch empfohlen, alle mögliche Ersparnis dabei anzuwenden. Erfurt, den 28. Oktober 1792. Einstimmiger Beschluß des Ministeriums, im Auftrag Dr. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“
Am 15. November 1792 ist durch einen gedruckten Ministerial-Erlaß die Absage an den Teufel[22] in der Taufformel abgeschafft und damit auch die drei hierauf Bezug nehmenden Fragen in der Taufformel und die sonst beim Taufstein übliche Anrede: „Liebe Freunde! Ihr habt dieses Kindlein usw.“. Es soll gleich mit dem apostolischen Glaubensbekenntnis begonnen werden und die drei Fragen angeschlossen werden: „Willst du in diesem Glauben bis an dein Ende treu verbleiben und dein ganzes Leben nach der Lehre Jesu einrichten? Willst du allen Sünden und Lastern als Werken des Teufels von Herzen entsagen und sie in göttlicher Kraft zu vermindern suchen? Willst du auf diesen Glauben und auf dieses dein getanes Versprechen getauft sein?“[23]
Am 6. Dezember 1792 hat der Freibauer[24] Heinrich Polykarp Groß, ein Mann von äußerst schwarzem und boshaftem Charakter, eine Eingabe beim Ministerium gemacht. Weil ich mir seine Grobheit und Bosheiten, mit denen er seine Mitmenschen zu behandeln gewohnt ist, nicht gefallen lassen wollte und daher allen Umgang mit ihm aufhob, hat er beim Ministerium um die Erlaubnis nachgesucht, sich einen anderen Beichtvater in der Stadt wählen zu dürfen. Dies hat er dann auch beim Ministerium erreicht, trotz aller deswegen gemachten Einwendungen von meiner Seite, vermutlich auf Betreiben des Pfarrers Gebhard (Schande über jenen Menschen). Seitdem hat er sich von unseren religiösen Versammlungen gänzlich abgesondert und als ein öffentlicher Kirchenverächter betragen.
Am 11. März 1793 ist das Schulexamen wie üblich gehalten worden. Bibeln haben erhalten: Christian Groß, Johann Heinrich Ludewig, Johann Andreas Ackermann, Johann Herbord Engelbrecht, Anna Margaretha Weber. Die Kinder erhielten das Übliche.
Am 20. März 1793 starb das Töchterchen des Landvogts Groß. Der Pfarrer beantragte beim Ministerium die Erlaubnis zum Nachtbegräbnis. Daraufhin wurde folgender Bescheid erteilt wurde: „Auf den eingereichten Bericht des Pfarrers zu Vieselbach wird hiermit der Bescheid erteilt, daß das verstorbene Töchterchen des Landvogts Groß gegen Erlegung doppelter Gebühr für die Amtshandlung und 8 Groschen für den Erlaß in der Stille beerdigt werden kann. Erlaß des evangelischen Ministeriums, Erfurt, den 20. März 1793, Dr. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“
Am 17. September 1793 ist Franz Jacob Flietners Kind wegen der Kirchweih früh in aller Stille beerdigt worden.
Am 20. September 1793 ist Anna Elisabetha Petri, Frau des Johann Andreas Petri, wegen Armut ebenfalls abends in der Stille beerdigt worden, ohne daß eine Sondererlaubnis eingeholt wurde; das ist auch nicht beanstandet worden.
Am 11. Oktober 1793 kam eine Kurfürstliche Regierungskommission hierher. Sie kam bei dem Landvogt Groß zusammen. Sie bestand aus dem Herrn Regierungsrat (ohne Titel) Bachmann, dem Amtmann Heinemann, dem Regierungssekretär Bleckert. Sie wollte die vom Pfarrer von neuem wegen des Gras-Anteils vom Pferderieth eingereichten Beschwerden abschließend verhandeln. Außer den oben genannten Herrn Kommissaren befanden sich dabei: Als Kläger der Pfarrer und als Beklagte der Landvogt Groß, die Vormundschaftsverwandten Johann Andreas Fischer, Johann Nikolaus Lippold, Caspar Flietner, Johann Georg Bezold, Johann Heinrich Kummer, Johann Andreas Lippold und der Schulmeister Johann Philipp Kämmerer.
Bei der Besprechung in der Kommission wurde der Streit in der Weise verglichen, daß dem Pfarrer für das Frei-Pferd der Gras-Anteil ganz unentgeltlich und von Rechtswegen zugeteilt werden sollte. Würde er aber zwei oder mehrere Pferde halten, so sollte er für jedes Pferd einen Anteil vom Pferderieth bekommen, wenn er die in der Gemeinde sich ergebenden Fronarbeiten mit demselben ableisten würde. In diesen Kompromiß willigte auch die gesamte anwesende Vormundschaft[25] ein. Er wurde von der Kommission zu Protokoll genommen und als ein auf ewige Zeiten geltendes Recht niedergeschrieben und festgesetzt. Die Kommissionsgebühren betrugen 8 Gulden 16 Groschen, wovon der Pfarrer die Hälfte und die Gemeinde die Hälfte bezahlt haben.
Anmerkung: Von dieser Zeit an ist auch dem Pfarrer jederzeit der Anteil für das zweite Pferd ohne Weigerung gegeben worden. Die Nachfolger sollten in Zukunft darauf achten und dies erworbene Recht ohne alle Nachsicht festhalten, wie auch den oben genannten Regierungserlaß, daß in den Fall, daß der Pastor einen Knecht halten würde, ihm der Anteil auf das Frei-Pferd gegeben werden müsse.
Am 16. Januar 1794 legte der seitherige Kirchenvorsteher Herr Johann Andreas Fischer auf Verhetzung des Freibauers Groß sein Amt nieder. Dem Pfarrer wurde vom Ministerium der Auftrag zur Wahl eines neuen Kirchenvorstehers, wie es im hiesigen Orts Brauch ist, gegeben. Demzufolge wurde dann auch vom Pfarrer ohne Zuziehung und Befragung des anderen Kirchenvorstehers Friedemann Traugott Groß oder auch der Vormundschaft oder Gemeinde der wohlehrengeachtete Johann Heinrich Höpfner, christlicher Einwohner von hier, gewählt; Am 20. Februar wurde er dem Ministerium zur Bestätigung vorgestellt und die Wahl ohne Aufschub bestätigt und ungeachtet des vom Landvogt Groß geschehenen Protestes. Die Gebühren betrugen 14 Groschen und dem Pfarrer 8 Groschen[26].
Am 19. Februar 1794 übergab der seitherige Kirchenvorsteher und Landvogt Friedemann Traugott Groß ein Protestschreiben gegen die Wahl des neuen Kirchenvorstehers Höpfner, in dem er zugleich um die vorzeitige Entlassung aus seinem Kirchenvorsteheramte nachsuchte.
Am 13. März 1794 erhielt der Pfarrer einen Erlaß des Ministeriums, in dem ihm der Gebrauch der großen Schulstube zur Unterweisung der Kinder in der Fastenzeit für die Zukunft untersagt wurde, obwohl er die seit der Erbauung der neuen Schule zu diesem Zweck benutzt, und selbst das Jahr vorher durch einen Erlaß des Ministeriums bestätigt worden war. Seit dieser Zeit hat er die folgenden Jahre die Kinder, die zum heiligen Abendmahl vorbereitet werden sollten, in seiner Wohnung unterrichtet.
Am 13. März 1794 wurde wegen des am 17. Februar in aller Stille begrabenen verstorbenen, eine Woche alten Kindes Johann Georg Venus, die der saubere Schulmeister Kämmerer beim Amt gemeldet hatte, die nächtliche Beerdigung der Verstorbenen bei 5 Gulden Strafe verboten
Am 28. März 1794 erschien eine Ministerialkommission wegen der Kirchenreparatur. Sie bestand aus dem Herrn Dr. Hommel, Pfarrer Ritschel, Bauinspektor Schmidt, Schreiber Dr. Eccard. Die Gebühren betrugen 6 Gulden 16 Groschen. Am 8. Mai erteilte das Ministerium auf den Bericht der Baukommission den Bescheid, daß nur einstweilen das Dach ausgebessert werden sollte.
Am 30. März 1794 wurde das Schulexamen gehalten.
Pfarrer 1 Gulden 2 Bücher Papier
Kirchenvorsteher Höpfner 12 Groschen 1 Buch Papier
Schulmeister 18 Groschen 2 Buch Papier
Ober-Altarmann 6 Groschen ½ Buch Papier
Unter-Altarmann 6 Groschen ½ Buch Papier
Zweiter Bürgermeister 6 Groschen ½ Buch Papier
Schütze 6 Groschen ½ Buch Papier.
Bibeln haben erhalten: Johann Heinrich Weisbach, Johann Georg Fressel, Johann Timotheus Engelbrecht, Dorothea Magdalena Weber, Christina Barbara Engelbrecht, Anna Katharina Peter. Die Kinder erhielten Papier, Brötchen und Brezeln.
Am 2. November 1794 wurde Das Söhnchen des Landvogts Groß abends in aller Stille begraben. Der Pfarrers war aber von den näheren Umständen nicht unterrichtet. Die vom Landvogt selbst beantragte Ausnahmegenehmigung war vom Ministerium verweigert worden. Der Landvogt aber verheimlichte das und hinterging den Pfarrer mit der Behauptung, die Erlaubnis erhalten zu haben. Der Pfarrer konnte deswegen keine Meldung machen. Die Sache ist aber auch vom Ministerium nicht untersucht worden.
Am 5. Mai 1795 ist der Landvogt Friedemann Traugott Groß seines Amtes als Kirchenvorsteher vom Ministerium entlassen worden.
Am 23. Februar 1795 habe ich, weil dem Pfarrer der weitere Gebrauch der großen Schulstube im Jahr zuvor untersagt worden war, dieses Jahr zum ersten Mal nur diejenigen Kinder in den Fastenunterricht aufgenommen, die das erste Mal zum Heiligen Abendmahl gehen. Einige Mitglieder haben es zwar gewagt, beim Ministerium dagegen Beschwerde zu führen. Aber nachdem die Gründe dagegen vorgebracht wurden, sind sie zum Stillschweigen angewiesen worden. Es ist dabei geblieben, daß künftig der Pfarrer nur die Kinder in den Unterricht zu nehmen hat, die fähig sind, zum Heiligen Abendmahl zu gehen.
Am 13. März 1795 wurden die Pfarrer auf dem Lande durch ein Rundschreiben vom Ministerium benachrichtigt, daß nach einem Kurfürstlichen Erlaß die katholischen Einwohner an protestantischen Orten die Gebühren für Trauungen, Kindtaufen und Begräbnissen an den protestantischen Pfarrer und die anderen zur Kirche gehörenden Personen zu zahlen haben.
Am 16. März 1795 wurde das Schulexamen wie üblich gehalten. Bibeln haben erhalten: Herbord Feldrappe, Johann Adam Hase, Eva Gräf. Die Kinder erhielten die üblichen Gaben.
Heinrich Christian Engelbrecht ist zum Kirchenvorsteher gewählt worden, hat das Amt aber nicht angenommen. Hierauf wurde Franz Jakob Flietner gewählt, der das Amt ebenfalls abgeschlagen hat. Dies wird hiermit als Nachricht festgehalten, um sich vor diesen Leuten zu hüten.
Am 1. Februar 1796 ist der Vormundschaftsverwandte Johann Andreas Lippold vom Pfarrer zum Kirchenvorsteher gewählt und am 4. Februar im Ministerium bestätigt worden. Die Gebühren betrugen 14 Groschen, dem Pfarrer 8 Groschen.
Am 7. März 1796 ist das übliche Schulexamen gehalten worden.
Dem Pfarrer 1 Gulden 2 Bücher Papier
Kirchenvorsteher Höpfner 12 Groschen 1 Buch Papier
Kirchenvorsteher Lippold 12 Groschen 1 Buch Papier
Dem Schulmeister 18 Groschen 2 Buch Papier
Dem 2. Bürgermeister 6 Groschen 1 Buch Papier
Dem Ober-Altarmann 6 Groschen ½ Buch Papier
Unter-Altarmann 6 Groschen ½ Buch Papier
Dem Schützen 6 Groschen ½ Buch Papier.
Statt der Bibeln sind diesmal den die Schule verlassenden Kindern neue Gesangbücher gegeben worden. Das waren Johann Christian Weber, Martha Christiana Susanna Groß, Juliana Margaretha Kämmerer, Susanna Benigna Flietner, Johann Georg Weisbach, Johann Heinrich Ludewig, Martha Engelbrecht, Johanna Sophie Gräf. Die Kinder empfingen Papier, Brötchen und Brezeln.
Am 15. Mai 1796, dem ersten Heiligen Pfingstfeiertag, wurde das neue Gesangbuch in den öffentlichen Gottesdiensten ohne allen Widerstand der Gemeinde eingeführt, was daher zum rühmlichen Andenken aufgezeichnet worden ist.
Am 14. April 1796 wurde die verstorbene Ehefrau des Landvogts Groß gegen die ausdrückliche Verweigerung der Ausnahmegenehmigung begraben, um die der Pfarrer im Namen des Vogts gebeten hatte. Der Landvogt Groß beharrte - ungeachtet alles Protestierens des Pfarrers - auf der nächtlichen Beerdigung, weil die Leiche bereits in Verwesung übergehe. Es wurde daher sogleich am anderen Tag, dem 15. April, vom Pfarrer Bericht erstattet über das Benehmen des Landvogts. Jedoch anstatt den Landvogt zur Verantwortung zu ziehen, schickte das Ministerium dem Pfarrer einen Erlaß zu, in dem es ihn zur Strafe von 10 Gulden verurteilte, weil er das Begräbnis zugelassen hatte, das er seiner ihm auferlegten Pflicht nach hätte ablehnen müssen. Durch einen neuen Erlaß bestätigte das Ministerium noch den ersten und belegte auch zugleich den Schulmeister mit 9 Gulden Strafe. Als dagegen von neuem eine Eingabe gemacht wurde und auf rechtliche und unparteiische Untersuchung gedrungen wurde, so beharrte dessen allen ungeachtet das Ministerium auf seinem einmal gefällten Machtspruch, so daß der Pfarrer und der Schulmeister sich genötigt sahen, gegen die Bedrückungen des Ministeriums den an evangelischen Stadtrat zu appellieren, wo sie dann von aller Strafe völlig frei gesprochen wurden.
Im Jahre 1796 ist das Kirchdach mit Zungenziegeln neu belegt worden und es wurden sechs neue Dachfenster darin angebracht.
Am 23. September 1796 wurde die Ehefrau des Freibauern Heinrich Polykarp Groß früh in der Stille begraben, nachdem er beim Ministerium auf seine Gesuch folgenden Ausnahme-Erlaß erhalten hatte: „Dem Freibauern Groß zu Vieselbach wird auf dessen Gesuch hiermit der Bescheid erteilt: Den gegebenen Umständen nach und wenn derselbe gemäß seinem Angebot die Pfarrgebühren doppelt zahlen wird, nämlich dem Pfarrer 2 Laubthaler, dem Schulmeister 1 [? Währungsbezeichnung] und der Kirche 10 Gulden, so kann das Begräbnis seiner verstorbenen Frau abends in der Stille vorgenommen werden. Erlaß Erfurt, den 6. August 1796, D. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“ Dies ist auch von ihm befolgt worden.
In diesem Jahre 1796 ereignete sich folgender besonderer Fall wegen eines Kirchenplatzes. Es starb nämlich am 8. April Anna Margarethe Lies. Für deren Kirchenplatz meldete sich
Nun entstand Streit zwischen den beiden Geschwistern. Der Bruder berief darauf, daß er sich zuerst gemeldet habe. Um dieses Recht war er allerdings gekommen durch das Melden seiner Mutter als der leiblichen Tochter der Verstorbenen. Als sich dann die Schwester gleich nach ihrer Mutter wieder meldete, so glaubte sie, in das Recht der ersten Meldung eingetreten zu sein. Als nun keiner dem anderen nachgeben wollte, so wurde die Sache an das Ministerium berichtet und darüber folgendes entschieden:
„Auf den erstatteten Bericht des Pfarrers zu Vieselbach wird hiermit der Bescheid erteilt, daß der Kirchenplatz der verstorbene Frau Lies ihrer leiblichen Tochter Anna Margaretha Lippold zugeschrieben wird. Dafür ist sie verpflichtet, ihren bisherigen Kirchenplatz der Kirche zur weiteren Verlosung zurück zu geben. Er ist ihrer Schwiegertochter Magdalena Lippold zuzuschreiben, wenn im dortigen Ort die Verheirateten von den Unverheirateten abgesondert sitzen und ein solcher Stuhl niemals an einen Unverheirateten verlost werden kann. Es wäre denn, daß die unverheiratete Tochter der Frau Lippold vorhat, sich zu verheiraten; in diesem Fall kann der leiblichen Tochter als Blutsverwandten der Kirchenplatz ihrer Mutter nicht entzogen werden. Erlaß Erfurt, den 17. Nov. 1796, D. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“
Am 26. März 1797 ist das Schulexamen wie üblich gehalten worden, doch sind diesmal keine Bücher an die die Schule verlassenden Kinder gegeben worden, weil die Kirchenkasse zu sehr erschöpft war. Übrigens haben die Schulkinder wie sonst das Ihrige empfangen.
Am 19. Juli 1797 ist hier und in Hochstedt eine General Kirchen- und Schulvisitation[27] gewesen, wobei als Kommissare erschienen: Herr Senior Magister Engelhard, Herr Stadtjurist Schorch, Herr Pfarrer Reinhard aus der Barfüßerkirche, Herr Dr. Eccard, Schreiber des Ministeriums.
Der Gottesdienst nahm um 10 Uhr seinen Anfang in folgender Ordnung:
Es wurde gesungen
10.)Mußte der Vieselbacher Schulmeister Kämmerer die Schulkinder lesen lassen und sie
unterrichten[28]
11.)Hierauf mußte der Hochstedter Schulmeister Veiz [?] das Gleiche tun
12.)Prüfte ich als Pfarrer die ledigen Burschen
13.)Der Herr Senior prüfte die Frauen und der Herr Pfarrer Reinhard die Männer.
Während der Prüfung befragte zuerst der Herr Stadtjurist mich als Pfarrer, darauf die Schulmeister, so dann die Kirchenvorsteher beider Gemeinden, worauf
14.) der Herr Senior wieder eine kurze Rede hielt
15.) Herr Gott dich loben wir
16.) Intonation: Herr lehre uns tun usw.
17.) Kollekte und Segen
18.) Laß mich dein sein und bleiben
Von den zu bezahlenden Kommissionsgebühren und Aufwandsentschädigungen, die bezahlt werden mußten, mußten beide Kirchengemeinden die Hälfte und die (bürgerliche) Gemeinde die andere tragen, so daß die
die Vieselbacher Kirche 2/6
die Vieselbacher Gemeinde 2/6
die Hochstedter Kirche 1/6
die Hochstedter Gemeinde 1/6
gab. Sämtliche Kosten betrugen aber 24 Gulden 4 Groschen und noch 3 Gulden für Kaffee und ein kleines Mittagsbrot, das der Pfarrer ausrichtete.
Genauere Aufstellung der Kosten bei der Generalvisitation:
Herrn Senior, Kommissionsgebühren und Aufwandsentschädigung 4 Gulden
Herrn Stadtjurist 4 Gulden
Herrn Pfarrer Reinhard 3 Gulden
Schreiber (des Ministeriums) 3 Gulden
Ministerialdiener 1 Gulden 12 Groschen
Ortspfarrer 1 Gulden
2 Kirchenvorsteher zu Vieselbach 1 Gulden
1 Kirchenvorsteher zu Hochstedt 12 Groschen
Dem Schulmeister zu Vieselbach 12 Groschen
Dem Schulmeister zu Hochstedt 12 Groschen
Dem Landvogt zu Vieselbach 12 Groschen
Dem 1. Bürgermeister zu Hochstedt 12 Groschen
Für Pferdemiete 2 Gulden 12 Groschen
Trinkgeld für den Knecht 8 Groschen
Für Verfügungen 1 Gulden
Dem Marstallknecht 8 Groschen
Summa 24 Gulden 4 Groschen
Am 29. Juni 1797 wurde auf eine Anfrage beim Ministerium wegen Bezahlung der Gebühren für Amtshandlungen durch katholische Einwohner folgender Bescheid gegeben: „Dem Pfarrer zu Vieselbach, Pfarrer Magister Thieme, wird auf dessen Anfrage hiermit der Bescheid erteilt: Die Gebühren bei Beerdigungen katholischer Einwohner sind jedesmal nach der 3. Klasse anzusetzen, es wäre denn, daß ganz arme Personen begraben würden, da wären dann weniger Gebühren zu fordern. Erlaß Erfurt, den 29. Juni 1797, Dr. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“
Am 30. Juli 1797 starb der seitherige Kirchevorsteher Johann Heinrich Höpfner. Dieser hat 150 Meißener Gulden für die hiesige Schule vermacht, wie aus nachfolgenden Auszug aus dessen Testamente zu sehen ist:
„Auszug aus Johann Heinrich Höpfners Testament vom 28. Juli 1797: Schließlich legte der Verfasser des Testaments fest, daß der hiesigen Schule 150 Meißener Gulden vermacht werden sollen. Die Aufteilung soll so erfolgen, daß von 50 Meißener Gulden der jeweilige Schulmeister die jährliche Zinsen beziehen soll, um desto mehr Fleiß auf die Erziehung der Kinder zu verwenden, die Zinsen von den übrigen 100 Meißener Gulden aber sollen für die armen Schulkinder angewendet werden, um für diese die nötigen Schulbücher anzuschaffen. Darüber hinaus soll ihnen zur Aufmunterung eine Belohnung für ihren gezeigten Eifer bei dem Schulexamen verabreicht werden. Jedoch soll kein Kirchenvorsteher befugt sein, davon für sich einen Abzug zu machen, sondern alles soll für die Kinder verwendet werden. Jährlich soll bei der Vorlage der Rechnung dargestellt werden, wie die Verteilung geschehen ist. Daß vorstehender Auszug mit dem vom 28. Juli 1797 zu Vieselbach in des Johann Heinrich Höpfners Haus errichteten Testament Wort für Wort gleichlautend sei, solches wird hierdurch nach vorheriger Vergleichung der Punkte von Amtswegen attestiert. Erfurt, den 1. August 1797, Kurfürstliches Amt Azmannsdorf, für die Richtigkeit, Pingel, Schreiber.“
16. Juli 1797: In diesem Jahre sind zwei neue Gesangbücher für die Kirche angeschafft worden, eins für den Pfarrer und eins für den Schulmeister, und dazu ein Gebetbuch; sie bleiben als Inventar in der Kirche.
Die Gebühren für Amtshandlungen beim Begräbnis des Herrschaftlichen Revierjägers Löberl, der katholischer Religion war und nach Dittelstedt überführt und dort beerdigt worden ist, sind nach der Vorschrift des evangelischen Ministeriums zu Erfurt auf folgende Weise aufgeteilt worden, nämlich dem Pfarrer 16 Groschen, dem Schulmeister 8 Groschen, den Läutern 10 Groschen, dem Kreuzträger 1 Groschen, insgesamt 1 Gulden 11 Groschen. Anmerkung: Seine Erben mußten aber durch das Kurfürstliche Amt Azmannsdorf dazu angehalten werden.
Am 21. Oktober 1797 hat der Jäger Wolf von hier die Gebühren für die Taufe seines Kindes vorschriftsmäßig gezahlt, obwohl er katholischer Religion war und sein Kind von dem Herrn Pater Joseph Hamilton vom Schottenkloster in seiner Wohnung hat taufen lassen.
Am 4. November 1797 ist an die Stelle des verstorbenen Kirchenvorstehers und Schulaufsehers Johann Heinrich Höpfner wieder vom Pfarrer der wohlehrengeachtete Johann Nikolaus Lippold gewählt und die Wahl vom Ministerium bestätigt worden.
Am 19. März 1798 ist das Schulexamen wie üblich gehalten worden. Dabei haben die anwesenden gegenwärtigen Personen die übliche Aufwandsentschädigung erhalten, so wie die Kinder das übliche Papier, Stollen und Brezeln, aber keine Bücher aus der Kirchenkasse, weil diese zu sehr erschöpft ist.
Am 4. Mai 1799 wurde das Schulexamen gehalten. Dabei erhielten die anwesenden Personen
die übliche Aufwandsentschädigung und die Kinder Papier, Stollen und Brezeln. Zugleich empfingen - dem Willen des Schenkenden entsprechend - zum erstenmal Bücher im Wert von 100 Meißener Gulden aus den Zinsen der Höpfnerschen Schenkung[29] folgende Kinder: Eine Bibel Anna Dorothea Schmidt und Barbara Elisabetha Weber, ein Gesangbuch Margaretha Elisabetha Schmidt, einen Katechismus Justina Susanna Gräf, Johann Kaspar Weber sen.,
Johann Heinrich Reinhard und Andreas Engelbrecht, ein Evangelienbuch Johann Nikolaus Krauße und Johann Ernst König. Auch wurden bei dieser Gelegenheit von diesen Zinsen zwölf Exemplare des Lesebuchs für die Schulen von Rochow zum Inventar der Schule gekauft.
Am 18. Juli 1799 wurde auf eine Anfrage der Kirchenvorsteher, ob dem Schulmeister die für die Besorgung der Turmuhr ausgeworfenen 18 Metzen[30] Korn in Naturalien oder nach dem Preis am Michaelistag[31] zu bezahlen sei, folgender Bescheid erteilt: „Die dem Schulmeister in Vieselbach für die Besorgung der Turmuhr ausgesetzten 18 Metzen sind dem Schulmeister jährlich in Naturalien am Michaelistag zu entrichten. Einstimmiger Beschluß des Ministeriums, Erfurt den 18. Juli 1799, D. Eccard, Schreiber des Ministeriums.
Am 24. März 1800 wurde das Schulexamen wie üblich gehalten und aus der Höpfnerschen Schenkung empfingen folgende Kinder Bücher: Ein Gesangbuch Johann Nikolaus Krauße, Justina Susanna Gräf und Anna Margaretha Brömmert[32], einen Katechismus Johann Christoph Lippold, Johann Martin Brömmert und Juditha Krauß.
Am 19. März 1800 ist die Predigerwitwen-Versorgungseinrichtung vom Stadtrat feierlich bestätigt worden, wie aus den beigefügten Gesetzen zu ersehen ist. Auf das von dem Pfarrer Beyer zu Sömmerda, in seinem und der anderen Landprediger Namen erfolgten Gesuch zur Errichtung einer Witwen und Waisen-Versorgungseinrichtung für Landprediger[33] wird vom Stadtrat hiermit die behördliche Einwilligung nicht nur erteilt, sondern auch schließlich der von dem Pfarrer überreichte Entwurf von Seiten des Stadtrat mit gesetzlicher Kraft wie folgt bestätigt:
1. Beim Todesfall eines Landpredigers erhalten dessen Witwe oder Kinder von jedem Mitglied zwölf Groschen zu den Begräbniskosten, die von einem Todesfall zum anderen im voraus bezahlt werden, um zum Auszahlen gleich bereit zu liegen. Sind aber weder Witwe noch Kinder, sondern nur Verwandte vorhanden, so fallen diese zwölf Groschen weg.
2. Auf jede Witwe oder deren Kinder bis zum 20. Lebensjahr bezahlt jedes Mitglied der Gesellschaft einen jährlichen Beitrag von 4 Groschen, der in der Woche vor dem 1. Advent eingesammelt und vor Weihnachten verteilt wird.
3) Auch aus der Kirchenkasse wird vom evangelischen Ministerium nach dem Verhältnis des Kirchenvermögens ein zu bestimmender jährlicher Beitrag von 1 oder 2 oder 4 Gulden für die Versorgungseinrichtung gegeben und zu gleichen Teilen unter die Witwen verteilt. Sollte aber eine Gemeinde zu arm sein, um auch nur einen Gulden jährlich entrichten zu können, so wird sie vom Ministerium so lange frei gestellt, bis sie wieder besser dasteht.
4) Da die (bürgerlichen) Gemeinden auf dem Lande bisweilen den bedürftigen Prediger-Witwen mancherlei Unterstützungen geben mußten, die aber künftig wegfallen, so ist es billig, daß auch diese zur Versorgungseinrichtung etwas beitragen. Da aber im Augenblick nichts darüber bestimmt werden kann, so bleibt es vorerst den Pfarrern überlassen, ob sie die Gemeindevorsteher ihres Ortes zu einem freiwilligen Beitrage bewegen vermögen, der ihnen nicht allein gestattet, sondern auch höchsten Ortes gebilligt werden dürfte.
5) Da ihre Kurfürstliche Gnaden zu Mainz aus Höchstlandesväterlicher Milde zur Versorgungseinrichtung auch ein Kapital von 390 Gulden zu schenken gnädigst geruht haben, so soll dasselbe gegen Zinsen ausgeliehen werden und diese Zinsen jährlich mit verteilt werden.
6) Es wäre jedoch ein höchst ungleiches Verhältnis, wenn die ersten Witwen, deren Männer noch gar keine oder wenig Beiträge gegeben hätten, nicht nur die erwähnten Zinsen, sondern auch die ganze Summe der Beiträge aus den Kirchenkassen und vielleicht auch der Gemeinden allein bekämen. In diesem Falle erhielte die erste Witwe vielleicht 150 Gulden und mehr jährlich, dagegen die späteren Witwen, deren Männer vielleicht 30 oder 40 und mehrere Jahre ihre Beiträge haben entrichten müssen, kaum den 15. Teil davon. Deshalb soll zur Ermittelung eines gerechten Verhältnisses eine Mittelzahl einstweilen angenommen werden und der Anteil der ersten Witwen danach bestimmt werden. Die laufende Witwenzahl könnte in der Folgezeit zwischen 10 und 20 liegen, die Mittelzahl wäre also 15 Witwen. Demnach sollen die ersten Witwen, so lange bis die Zahl auf 15 angewachsen ist, jede jährlich den 15. Teil der Zinsen der von den Kirchenkassen und Gemeinden gegebenen Beiträge erhalten, und das Übrige soll zu dem obigen Kapital mit dazu geschlagen werden. Jedoch geschieht dieses nicht länger, als bis die Zahl der Witwen auf 15 angestiegen ist. Es wird von da an nichts mehr zurückgelegt, sondern alles zu gleichen Teilen verteilt, auch dann, wenn die Zahl der Witwen wieder unter 15 fiele.
7) Die Landgeistlichkeit wählt aus ihrer Mitte einen Vorsteher, der die Rechnung führt und diese jährlich an vier zu wählende Abgeordnete gibt und an einem geeigneten Ort in Erfurt oder anderswo ablegt, worauf die Rechnung dem Stadtrat zu weiterer Einsicht und Bestätigung vorgelegt wird.
8) Der Vorsteher behält seine Stelle mindestens fünf Jahre, kann sie aber auch länger behalten, wenn er Lust dazu hat und wieder gewählt wird. Die vier Abgeordneten aber bleiben lebenslang, wenn sie fähig sind, können jedoch auch ihre Stelle an andere abtreten, wenn sie begründete Ursache haben. Es wird vorläufige Wahl des Vorstehers in der Person des Pfarrers Schreiber zu Udestädt hierdurch genehmigt.
9) Wenn ein Landprediger nach Erfurt berufen wird, kann er seine bisherige Verbindung mit der Versorgungseinrichtung fortsetzen, unter der Voraussetzung, daß er die auf seine Person kommenden jährlichen Beiträge weiter bezahlt. Jedoch können nach seinem Ableben dessen hinterlassene Witwe und Kinder auf nichts weiter Anspruch erheben als auf die von jedem Mitglied der Versorgungseinrichtung zu den Begräbniskosten zu bezahlenden zwölf Groschen und den jährlich zu entrichtenden Beitrag von vier Groschen. Somit haben sie an den aus den Kirchenkassen der Versorgungseinrichtung zufließenden Beiträgen und deren Verteilung keinen Anteil. Will indessen ein nach Erfurt berufener Landprediger, daß seine einst zu hinterlassende Witwe und Kinder auch an den zuletzt genannten Beiträgen Anteil haben soll, so muß er verbindlich erklären, daß er außer seinen sonstigen Beiträgen - auf Lebenszeit oder solange er Mitglied der Versorgungseinrichtung bleibt - aus seinem eigenen Vermögen an die Versorgungseinrichtung jährlich bezahlen will, was von der Kirchenkasse seiner bisherigen Landgemeinde dahin entrichtet worden ist[34].
10) Es wird verordnet, daß diejenigen bisherigen Landprediger, die freiwillig in die Versorgungseinrichtung eintreten, in dieser auch bis zu ihrem Ableben verbleiben müssen und in keinem anderen Falle austreten können, als wenn sie etwa außer Land oder in die Stadt berufen werden sollten, wobei sich von selbst versteht, daß dergleichen austretende Mitglieder die bis dahin eingezahlten Beiträge nicht zurück verlangen können.
Die künftigen Landprediger sind zwar nicht gleich mit Erhaltung des Pfarramts verpflichtet beizutreten, sondern es wird ihnen hierzu eine zweijährige Frist gestattet. Nach deren Ablauf aber sind sie verpflichtet, Mitglied in der Versorgungseinrichtung zu werden. Wenn sie sich allerdings noch vor Ablauf dieser zwei Jahre verheiraten sollten, dann müssen sie mit ihrer Verheiratung auch der Versorgungseinrichtung beitreten.
11) Ferner wird verordnet: Wenn ein Landprediger vor Johannistag[35] stirbt, sollen dessen hinterlassene Witwe oder Kinder die festgesetzte Pension beziehen an Weihnachten des Jahres, in dem ihr Mann oder Vater verstorben ist. Wenn aber der Todesfall erst nach dem Johannistage erfolgt, erlangen die Witwe oder Kinder erst Weihnachten des darauf folgenden Jahres die Pension.
12) Sollte sich eine Pfarrwitwe wieder verheiraten, so verliert sie ihren Anspruch auf das Witwengehalt, es sei denn, daß aus der ersten Ehe pensionsberechtigte Kinder vorhanden sind; in diesem Fall haben die Kinder das festgelegte Gehalt weiter zu beziehen. In gleicher Weise ist es auszuhalten, wenn ihr zweiter Ehemann ein nie mit der Versorgungseinrichtung verbundener Landprediger gewesen sein sollte, sie das doppelte Witwengehalt bekommt, wenn dieser stirbt, nämlich eins wegen ihrer Kinder aus erster Ehe und das andere wegen ihrer eigenen Person und etwaiger Kinder aus der zweiten Ehe.
13) Im Übrigen wird den Mitgliedern der Versorgungseinrichtung alle eigenmächtige Abänderung dieser Gesetze als auch der Beschluß künftiger neuerer Gesetze hiermit ausdrücklich und mit der Bemerkung untersagt, daß dergleichen Abänderungen und neue Bestimmungen - so wie es ohnehin Rechtens - für null und nichtig zu achten sind. Vielmehr werden dieselben angewiesen, wenn solche Fälle vorkommen, die schuldig geziemende Anzeige davon hierher zu machen und eine obrigkeitliche Verfügung abzuwarten.
Erfurt, den 19. März 1800, der Stadtrat, G. A. Graberg, derzeit Erster Bürgermeister.
Auf Festlegung des Ministeriums muß aus der Kirchenkasse beigetragen werden von Vieselbach 1 Gulden 8 Groschen und von Hochstedt 1 Gulden.
12. Februar 1801: Vom Bau des Scheunendaches: „Dem Pfarrer und den Kirchenvorstehern wird auf ihren erstatteten Bericht folgender Bescheid erteilt: Weil der Bauzustand so ist, wird hiermit die Zustimmung erteilt, das Scheunendach auf dem dortigen Pfarrgehöft mit Ziegeln decken zu lassen. Dabei ist jedoch eine genaue Aufsicht und Ersparung unnötiger Kosten zu beachten. Erlaß Erfurt, den 12. Februar 1801, D. Eccard, Schreiber des Ministeriums”.
12. März 1801: Gemäß eines bei Zustellung des Bußgebets übersendeten Rundschreibens wurde das Fest „Maria Verkündigung“, das an sich auf den 25. März fiel, auf den Sonntag Judika, den 22. März, zurückverlegt und gefeiert.
Am 16. März 1801 wurde das Schulexamen wie üblich gehalten. Es empfingen Bücher aus der Höpfnerschen Schenkung: Je einen Katechismus erhielten Johann Philipp Flietner, Justine Wilhelmine Susanna Kämmer, Dorothea Sophie Reinacker, Margarethe Elisabeth Schmidt , Barbara Elisabeth Weber, Johann Nikolaus Krauße, Johann Kaspar Weber senior, Johann Ernst König, Markus Herbert Kämmerer, Johann Kaspar Valentin König, Johann Christoph Lippold, Justina Susanna Gräf, Dorothea Maria Walther, Judith Christine König, Johann Georg Wagner, Susanna Sophia Weber, Johann Kaspar Weber junior und Johann Herbert Lippold. Ein Syrach-Buch[36] erhielten Anna Margaretha Brömmert, Anna Margaretha Kaiser, Judith Martha Elisabeth Weber, Anna Elisabeth Sturm und Katharina Wolf, ein ABC-Buch erhielt Anna Regina Susanna Kraus.
1) Am 24. März 1802 wurde bei Übersendung des Bußgebets vom Ministerium eine vom evangelischen Stadtrat genehmigte neue Kirchenplatzordnung zugesandt und davon dem Pfarrer und beiden Kirchenvorstehern je ein Exemplar ausgehändigt und befohlen, für jedes einen Groschen in die Kirchrechnung zu geben.
2) Es wurde befohlen, keine fremden Religionsangehörigen ohne vorherige sorgfältige Befragung über die Ursache ihres Übertritts zur evangelischen Kirche anzunehmen und darüber vorher einen Bericht an das Ministerium zu erstatten.
3) Es sollen bei jeder Anfertigung der Kirchrechnung zugleich die in der Kirche vorhandenen Geräte genau aufgeführt werden.
Am 29. März 1802 wurde das Schulexamen wie üblich gehalten. Es empfingen Bücher aus der Höpfnerschen Schenkung: Je ein Gesangbuch erhielten Juditha Christine König, Susanna Sophia Weber, Anna Margaretha Kaiser und Martha Elisabetha Gräf. Ein Evangelium erhielten Johann Fabian Feldrappe, Johann Georg Wagner und Johann Herbord Kämmerer. Einen Katechismus erhielten Juditha Martha Elisabetha Kraus, Anna Elisabetha Sturm, Johann Martin Brömmer und Johann Georg König und ein Syrach-Buch Johann Georg Kämmerer.
Am 22. Mai 1802 wurde durch einen vom Ministerium herumgeschickten Umlauf eine Verordnung des evangelischen Stadtrat bekannt gemacht, kraft dessen allen Schullehrern bei schwerer Strafe untersagt wurde, die Kinder mit Ohrfeigen oder Stockschlägen auf die Fingerspitzen oder durch sonstige harte Strafen zu mißhandeln, vielmehr bei körperlichen Züchtigungen nur mit der Rute zu züchtigen.
Am 20. August 1802 haben die Königlich-Preußische Majestät Friedrich Wilhelm III. die Stadt Erfurt und ihren Gebieten durch den Generalleutnant der Kavallerie von Voß [?] und den Generalleutnant der Infanterie Grafen von Wartensleben in Besitz nehmen lassen[37].
21. August 1802: „Die Herren Pfarrer werden ersucht, die an die Kirchtüren angeschlagenen Königlich-Preußischen Plakate über die Inbesitznahme und Generalbegnadigung nächsten Sonntag von der Kanzel zu verlesen und wieder anzuheften[38] und sogleich nächsten Montag hierher zu berichten, wie es geschehen ist. Erfurt, den 27 August 1802, Königlich-Preußisches vorläufiges Amt Azmannsdorf, Turin, Dr.“
25. August 1802: „Die Herren Pfarrer werden ersucht, die an die Kirchentüren angeschlagenen Königlich-Preußische
Verordnung über die Fahnenflucht, herausgegeben in Hildesheim mit dem Datum 6. Juni 1802, vier Sonntage nacheinander und von da an alle drei Monate von der Kanzel zu verlesen. Erfurt, den 25. August
1802, Königlich-Preußisches vorläufiges Amt Azmannsdorf, Heinemann, Dr.“
Am 13. Juni 1803 ist der Kirchenvorsteher und Schulaufseher Friedrich Heinrich Christian Gross im Ministerium bestätigt worden. Er war anstelle des am 18. November 1802 verstorbenen Kirchvorstehers und Schulaufsehers Johann Nikolaus Lippold gewählt worden. Die Gebühren für die Bestätigung betrugen 14 Groschen und der Pfarrer erhielt 10 Groschen Aufwandsentschädigung.
Am 21. März 1803 wurde das Schulexamen wie üblich gehalten. Aus der Höpfnerschen Stiftung empfingen folgende Kinder Bücher: Ein Evangelium erhielten Susanna Gräf und Sophia Susanna Weber. Ein Gesangbuch erhielten Dorothea Elisabetha Lippold, Juditha Martha Elisabetha Krauß und Johann Christoph Lippold. Einen Katechismus erhielten Jakob Wagner,
Anna Regina Krauß, Maria Sophia Wenzel und Sophia Barbara Brommer.
7. April 1803: „In den Königlich-Preußischen Staaten ist aus landesväterlicher Fürsorge zur Aufnahme und Wohlfahrt des Staates eine Bank gegründet worden. Damit soll erreicht werden, daß die ganze Vermögensmasse im Staat in beständigem Kreislauf gehalten wird. Es soll auch zum Besten der Staatsbürger sein, besonders aber zum Nutzen von Prozeß-Parteien und derjenigen, welche wegen ihres Alters, Abwesenheit oder geschwächten Seelenkräfte ihrem Vermögen vorzustehen nicht fähig sind. Diese Bank ist von König Friederich II. durch die Verordnungen mit dem Datum vom 18. Juli und 1. November 1768 in Berlin, auch 31. März 1769, für sich und seine Nachfolger ausdrücklich garantiert worden.
Bei dieser Bank müssen gerichtliche und vormundschaftliche Einlagen, ebenso sämtliche den Stiften, Hospitälern, Kirchen, Schulen, Witwenkasse und allen anderen Stiftungen und öffentlichen Anstalten gehörende Gelder zinslos untergebracht werden, sofern sie nicht gegen höhere Bankzinsen angelegt werden können mit genügender, durch Hypotheken gesicherter Sicherheit. Die neu erworbenen preußischen Gebietes sollen von jetzt an auch an dieser Wohltat Anteil haben.
Daher wird das evangelische Ministerium hiermit angewiesen, nunmehr augenblicklich die etwa vorrätigen und nicht schon zur Auszahlung stehenden gerichtlichen und vormundschaftlichen Einlagen, so wie die vorrätigen Gelder, die den Stiften, Hospitälern, Waisenhäusern, Kirchen, Schulen und allen anderen milden Stiftungen und öffentlichen Anstalten gehören und über die das evangelische Ministerium die Aufsicht führt, an das Bankhaus nach Magdeburg abzusenden und absenden zu lassen.
Dabei wird dem Ministerium als Richtlinie bekannt gemacht
1) Das Bankhaus nimmt nur vollrichtiges Gold nach dem preußischen Passivgewicht sowie grobes preußisches Umlaufgeld an, allerdings nicht unter 50 Gulden und über 50 Gulden nur nach jeweils zehn Tagen.
2) Bei der Absendung muß jedesmal in dem Schreiben vermerkt werden, ob es gerichtliche oder vormundschaftliche Gelder sind, weil sich danach der Zinsfuß richtet. Auch bei den Geldern, die religiösen Körperschaften gehören, ist die Körperschaft oder die Anstalt, der sie eigentlich gehören, ebenfalls genau anzugeben wegen des Zinsfußes.
3) Die vormundschaftlichen Einlagen und Gelder der milden Stiftungen genießen nur Portofreiheit, wenn sie unter öffentlichem Siegel und unter der Rubrik von regierungsamtlichen Banksachen gesandt werden. Dagegen müssen aber die übrigen sich für Einlage bei der Bank vorgesehenen Gelder frankiert werden
4) Das evangelische Ministerium ist für den Zinsverlust haftbar, der aus der Unterlassung der Befolgung dieser Auflage entsteht
5) Besonders wird dem evangelischen Ministerium nochmals zur Wiederholung bekannt gemacht, daß die etwa auf bloße Schuldscheine und ohne genügsame Sicherheit ausgeliehenen Schuldscheine und Kapitalien augenblicklich gekündigt und eingezogen werden müssen. Im anderen Fall muß es aus dem eigenen Vermögen dafür haften und ist noch besonders deshalb verantwortlich.
Zugleich wird dem Ministerium eröffnet, daß mit dem 1. Juni die allgemeine Bankeinlagenordnung für die Ober- und Untergerichte in den Königlich-Preußischen Staaten, gedruckt 1803 in Berlin bei Decker, eingeführt werden wird. Es wird daher sehr zweckmäßig sein, wenn das evangelische Ministerium sich bei Zeiten mit den Vorschriften dieser Ordnung bekannt macht. Sollte übrigens wegen Anwendung der in dieser Verordnung enthaltenen Vorschriften Zweifel entstehen, so ist deshalb bei der unterzeichneten Kommission anzufragen.
Erfurt, den 7. April 1803, Königlich-Preußische allerhöchstverordnete Spezialorganisationskommission, Schulze, Borth, Zweitens das hiesige evangelische Ministerium, Ditmar.“
9. April 1803: „Das evangelische Ministerium hat zur Verhütung alles für das Kirchenvermögen zu befürchteten Schadens - und der daher für deren Verwalter und Aufseher erwachsen könnende Verantwortung - an sämtliche Kirchenvorstände in der Stadt als auch auf dem Lande die unverzügliche Verfügung zu erlassen, daß die kirchlichen Gebäude bei der neuerdings vorhandenen Feuerversicherungs-Anstalt nach wie vor versichert werden müssen. Erfurt, den 9. April 1803, auf Befehl des evangelischen Ministeriums[39], D. Zache.“
16. April 1803: „Den bei den evangelischen Gemeinden hiesigen Gebiets angestellten Pfarrern wird die beiliegende Verordnung der Königlich-Preußischen Organisationskommission hiermit aus dem Grunde mitgeteilt, um als Erstes eine Abschrift davon zu nehmen, so dann unter Zuziehung der Kirchenvorsteher den Inhalt dieses Befehls genau zu erwägen und hierüber innerhalb von 8 Tagen auf jeden Fall Bericht zu erstatten. Besonders werden die Pfarrer und Kirchenvorsteher auf die in Nummer 9 enthaltenen Vorschriften aufmerksam gemacht, weil im Unterlassungsfall die Pfarrer und Kirchenvorsteher den Schaden der Kirche ersetzen müssen, wie es schon mehrmals in Erlassen des Ministeriums betont wurde. Außerdem wird die beiliegende Verfügung des evangelischen Stadtrats über die Feuerversicherung der kirchlichen Gebäude hiermit zugleich nachrichtlich bekannt gemacht. Erfurt, den 10. April 1803, auf Befehl, D. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“
28. April 1803: „Da von der Königlich-Preußischen von ganz oben verordneten Spezial-Organisations-Kommission unterm 4. dieses Monats verfügt worden ist, daß in den Lutherischen Kirchen eigene Kirchensiegel angeschafft werden sollen, so wird dies der evangelischen Geistlichkeit auf dem Lande hiermit zur weiteren Veranlassung bekannt gemacht.
Dies ist gleich in die Wege zu leiten und innerhalb von 8 Tagen ist hierher zu berichten, wie es geschehen ist. Erlaß aus dem Ministerium, Erfurt den 28. April 1803, D. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“
16. Mai: „Da nach der Verordnung des Stadtrats die Kirchensiegel nach einem allgemeinen und gleichartigen Muster angefertigt werden müssen, das den Kirchenvorstehern noch bekannt gemacht werden wird, so sind die bereits gefertigten Siegel dem Ministerium einzuliefern, und es ist mit der Bestellung der übrigen bis auf weitere Anweisung abzuwarten. Erlaß, Erfurt, den 16. Mai 1803, D. Eccard, Schreiber des Ministeriums.“
[Ab jetzt fehlen die Seitenzahlen in dem Buch, so daß nach Paragraphen zitiert wird. Es werden nur noch Zirkularschreiben und Befehle kopiert. Deshalb wird ab jetzt nur noch deren Inhalt wiedergegeben. Vieselbach gehört inzwischen zum Großherzogtum Sachsen-Weimar[40]. Der Superintendent Linke hat seinen Sitz in Udestedt].
Im Jahr 1828:
§ 1: Bei Schulmeister ist anzugeben, ob sie verheiratet sind und Kinder haben.
§ 2: Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach ist gestorben.
§ 3: Am 29. Juni wird Carl Friedrich neuer Großherzog (Abkündigung und Gebet).
§ 4: Die neue Großherzogin ist schwanger, wird den Untertanen mitgeteilt.
§ 5: Eine Gedächtnispredigt für den verstorbenen Großherzog wird angeordnet.
§ 6: Bestattung Carl Augusts, über die Gedächtnispredigten ist zu berichten.
§ 7: Haussammlung für eine Schulwohnung in Münchenrode.
§ 8: Huldigung für den neuen Großherzog (Abkündigung, Dankgebet).
§ 9: Geistig behinderte Kinder sollen mit in die Schule aufgenommen werden.
§ 10: Im Schreibunterricht soll ein bestimmtes Buch verwendet werden.
Am 17. Oktober ist Schulvisitation in Vieselbach und Hochstedt (Adjuvantenchor).
§ 11: Pfarrer und Schullehrer sind nicht von Abgaben bei freudigen Anlässen befreit.
§ 12: Die Großherzogin ist von einem Kind entbunden worden, Fürbitte wird angeordnet.
§ 13: Für den 8. Dezember wird ein Bußtag angeordnet.
§ 14: Kollekte für eine Ort zur Widerherstellung des Kirchturms.
Wenn kein Neujahrssingen stattfindet, muß die Schule gleich nach Neujahr beginnen.
§ 15: Der Neujahrsschmaus der Adjuvanten darf in keiner Schule gehalten werden.
Im Jahr 1829:
§ 16: Landeskollekte für Ziegenhain, aber auch Hinweis auf die eigene Landesanstalt.
§ 17: Zur Eröffnung des Landtags soll ein Einschub ins Kirchengebet gemacht werden.
§ 18: Die Kirche zu Hochstedt hat nach geschehener Teilung der Erfurter Landprediger an
den weimarischen Witwenfonds zu zahlen (2. März)
§ 19: Die Schulmeister haben eine Baumschule einzurichten und darüber zu berichten.
Ein Verein zur Beaufsichtigung der Strafentlassenen wurde gegründet.
§ 20: Die Herzogin Maria Luise hat sich mit einem Prinzen von Preußen vermählt.
§ 21: Hauskollekte zum Aufbau eines neuen Pfarrhauses in Großmölsen.
§ 22: Ein Gesetz über die Abhaltung der Bußtage ist in Arbeit.
§ 23:Verwahranstalten für Kinder im vorschulpflichtigen Alter werden geplant.
§ 24: Für die Herstellung der Kirche in Neustädt in der Diözese Apolda wird gesammelt.
§ 25: In die Examensberichte gehören auch Gesangsbildung, Orgelspiel des Lehrers usw.
§ 26: Ungewöhnliche Todesfälle und Selbstmorde sind gesondert zu melden.
Es gibt in Weimar eine Erziehungsanstalt für verlassene und verwahrloste Kinder.
§ 27: Es wird geprüft, ob die Eigenbewirtschaftung des Pfarrlandes sich noch lohnt.
§ 28: Über das Naturaleinkommen der Pfarrer soll eine Aufstellung eingereicht werden.
§ 29: Bestattet ausnahmsweise ein evangelischer Pfarrer einen Katholiken, muß er dem
katholischen Pfarrer Nachricht geben (Regel: am Heimatort durch eigenen Pfarrer).
§ 30: Die Geistlichkeit wacht darüber, daß die Hebammen ihren Pflichten nachkommen.
Bei Tod der Mutter muß ein Arzt die wirkliche Todesursache feststellen.
§ 31: Die Geistlichen im Amt Vieselbach haben nur ein Tabelle über Geburten,
Eheschließungen und Todesfälle einzureichen, die Liste der (lebenden) Einwohner stellt
das Justizamt auf[41]
§ 32: Die Geistlichen sollen sich um die Strafentlassenen kümmern (Ermahnungen, usw.).
§ 33:
Im Jahr 1830:
§ 34: Eine Liste der bis zum zehnten Lebensjahr gestorbenen Kinder ist zu erstellen.
§ 35: Die Höhe des Schulgeldes muß mitgeteilt werden, Hirtenkinder sind schulpflichtig.
§ 36: Eine Landeskollekte für Neustadt an der Orla wird erhoben und ist abzukündigen.
§ 37: Die verwitwete Großherzogin Louise ist am 18. Februar gestorben (Trauergeläut).
§ 38: Schulpflicht besteht, bis die Kinder in Christentum, Lesen und Schreiben fest sind.
§ 39: Am zweiten Weihnachtstag wird kein Aufgebot vorgenommen (Ausnahme: Sonntag).
Handwerker dürfen keine Neujahrsgeschenke einfordern (Nachtwächter, Türmer, usw.).
§ 40: Am 23. April ist in Weimar die Zirkularpredigt zu halten (vom Pfarrer aus Vieselbach ?)
§ 41: Mit dem Augsburgischen Bekenntnis soll vertraut gemacht werden (Jubiläum!).
§ 42: Bei Taufen darf kein „Unbestatt“(Schaden, Last) mehr stattfinden. Es geht dabei um die
hohe Zahl der Paten (5 bis 7), aber in Vieselbach wird immer nur einer genommen.
§ 43: Herzogin Ida ist schon hoch schwanger, die überschickte Fürbitte ist zu veranlassen.
§ 44: Soldaten brauchen am Wohnort keine Stolgebühren zu zahlen, wohl aber ihre Bräute.
§ 45: Kündbare Schulden sollen in vom Gläubiger unkündbare umgewandelt werden.
§ 46: Schulkinder müssen unbedingt in der Obstbaumkultur unterwiesen werden, der Lehrer
muß jährlich im einzelnen über den Bestand an Bäumen im Schulgartens berichten
(ein Muster der Meldung ist beigefügt), die Pfarrer müssen alles überwachen.
§ 47: Das Beichtgeld soll abgeschafft werden gegen eine „billigmäßige“ Entschädigung
§ 48: Bei der Taufe eines unehelichen Kindes gibt es nur einen Paten, es wird nicht geläutet.
§ 49: Vorschläge zur Jubiläumsfeier des Augsburgischen Bekenntnisses werden gemacht.
§ 50: Die Prinzessin Amalia Maria da Gloria Augusta ist geboren worden (Fürbitte!).
§ 51: Den 6. Juli ist in Vieselbach, den 12. in Hochstedt Schulvisitation (Geläut!).
§ 52: Bericht über Pläne für die Feier der Übergabe des Augsburgischen Bekenntnisses.
§ 51: Eine Statistik über Verlobte, die vor der Ehe zusammen waren, ist aufzustellen.
§ 52: Das Staatshandbuch und die Kirchenzeitung sind bestellt und bezahlt (Zählung falsch!).
§ 53: Bestimmungen über Aufgebote werden in Erinnerung gerufen (Preuß. Landrecht).
§ 54: Pension für Lehrerwitwen, Kollekte für das Falksche-Institut, totgeborene Kinder.
§ 55: Bei unehelichen Müttern ist zu prüfen, ob sie das Kind allein aufziehen kann.
§ 56: Aussagen des Preußischen Landrechts über Ehegelöbnisse (und Einsprüche).
§ 57: Kollekte für eine Kirchturmuhr und unveränderte Beiträge für das Falksche Institut.
§ 58: Am 3. Dezember wird (nach Vorschrift) ein allgemeiner Buß- und Bettag gehalten.
§ 59: Die Geistlichen sollen sagen, ob sie mit dem neuen Pfarrwitwen-Institut zufrieden sind.
§ 60: Eine Hauskollekte für Karnsche (?) ist abzukündigen und zu übersenden.
§ 60: Die Neujahrstabellen sollen in Zukunft nach dem Kirchenjahr gefertigt werden.
Der Ephoralbotenlohn beträgt 2 Gulden 7 Groschen 5 Heller und ist von beiden
Gemeinden zu tragen.
Im Jahr 1831:
§ 62: Eine Landeskollekte für die Schule in Braunsdorf usw. soll veranstaltet werden.
§ 63: Der Bestand der Kirchenkasse soll bei der Hauptlandschaftskasse deponiert werden.
§ 64: Meldung der bei den Kirchen vorhandenen Obligationen an den Superintendenten.
§ 65: Verhaltensmaßnahmen angesichts der aus Rußland drohenden Cholera-Gefahr.
§ 66: Am 8. Juli ist in Vieselbach (7 Uhr) und Hochstedt (2 Uhr) Schulvisitation.
§ 67: Landeskollekte für Wohlsborn und Dienstedt (ausführliches „Patent“).
§ 68: Eine Aufstellung sämtlicher Grundstücke, Pensionen, Zins und Pacht ist einzureichen.
Die Gemeinden sollen wegen immer drohender werdenden Gefahr ermahnt werden.
§ 69: Die Pfarrer werden ermächtigt, 14 Tage Kartoffelferien eintreten zu lassen.
§ 70: Am 20. Sonntag nach Trinitatis gibt es eine „Betenkollekte“ für Eichelborn und Hain(?).
§ 71: Das Reformationsfest wird in Zukunft am Sonntag vorher oder nachher gefeiert.
§ 72: „Bußtagspatent“ für den am 2. Dezember abzuhaltenden Bußtag; Schulberichte.
§ 73: Die zwei Tabellen, die Anfang des Jahres angefertigt werden sollen, sind einzureichen.
Im Jahr 1832:
§ 74: Bei Ehescheidungen ist das Vorzeigen des gerichtlichen Bescheids ausreichend.
§ 75: Trauungen durch preußische Pfarrer ohne Bescheinigung aus dem weimarischen Gebiet.
§ 76: Hinweise auf Veröffentlichungen (besonders über die Schule) und Bitte um Beachtung.
§ 77: In den letzten drei Wochen der Fastenzeit sind keine Trauungen erlaubt.
§ 78: Bußtagspatent und Vorbeugung der Trunksucht (Errichtung eines Nichtigkeitenzinses).
§ 79 und § 80: „Betenkollekte“ und Hauskollekte (Kötheritz Diözese Neustadt).
§ 81: Am 20. Juli ist Schulvisitation in Vieselbach (3 Uhr) und Hochstedt (8 Uhr).
§ 82: In der Schule soll auf die „Leutirmethode“ (?) die Buchstabiermethode folgen.
Anweisungen zur Zensurtabelle und Inhalt der Schulberichte (auch Betragen der Kinder)
Die Vorschriften über Aufgebote und Trauungen von 1816 sind neu zu beachten.
§ 83: Pfarrer Cassius (?) ist Adjunkt der Schulaufsicht geworden, „Verehrungen“.
Im Jahr 1833:
§ 84: Hauskollekte für Schule in Münchenbernsdorf, Erinnerung an die Baumschultabellen.
§ 85: Kollekte wegen des Schulbaus in Ollendorf.
§ 86: Uneheliche Kinder erhalten den Namen der Mutter, müssen aber nicht unter diesem
Namen in die Schule eingeführt werden oder in die Militärrolle aufgenommen werden.
§ 87: Am 4. Juli ist Schulvisitation in Vieselbach (7Uhr) und Hochstedt (4 Uhr).
§ 88: Am 5. Sonntag nach Trinitatis ist Hauskollekte für den Aufbau der Schule zu Süßenborn
§ 89: Das Gesetz über Rettungsmittel bei aufgefundenen Verunglückten wird eingeschärft.
§ 99: Die Bücher der Großherzogin werden unter den Einwohnern zum Lesen weitergegeben.
§ 100: Pfarrwitwen sollen nicht um Verlängerung der Gnadenfrist nachsuchen.
§ 104: Eine Trauung ist nur möglich mit Erlaubnis der inländischen Ortspolizeibehörde.
§ 105 bis § 110: Weitere Papiere, die bei einer Trauung vorgelegt werden müssen.
Jetzt werden weiterhin nur noch Zirkularschreiben zitiert, allerdings nur noch mit Datum. Es geht weiter um Bestimmungen über die Trauung, uneheliche Kinder, Schulsachen, Statistik, Impflisten, Kapitalien, Währungsumstellung, Nachtläuten, Baumschule, Waisenkinder, Beichtwesen, Taufzeugnisse, Totenscheine, Kirchenbuchführung.
Konkretes über das Kirchspiel Vieselbach ist darin kaum enthalten, jedenfalls war bei der Durchsicht wenig festzustellen.
Interessant ist nur eine Liste der impffähigen Kinder in Vieselbach im Jahre 1839:
Dorothea Elisabetha Mathilde, Tochter des Maurers Joh. Friedr. Görbing, geboren 28. Januar
Maria Christiane, Tochter des Amtskopisten Max. Herm. Rehbein, geboren am 26. Februar
Johann Heinrich Friedrich Artur, Sohn des Sattlermeisters F. Tischner, geboren am 9. März
Johann Heinrich Sohn des Anspänners Stegmann, geboren am 15. März
Maria Louise, Tochter des Amtsactuars Carl Aug. Leidenfrost, geboren am 26. April
Maria Dorothea Christiana, Tochter des Amtsdieners Ferd. Lingel, geboren am 31. Mai
Friedrich Louis, Sohn der Catharine Görbing, geboren am 29. Juli
Johann Jacob Balthasar, Sohn des Tagelöhners Chr. Franz Hesse, geboren am 14. September
Friedrich Christian Louis, Sohn des Leinewebermeisters Dan. Martin Brömer, geb. am 5.10.
Wilhelmine Friederike Emilie, Tochter des Apothekers Joh. Wilh. Andr. Engelhardt (3.11.)
Emilie Therese, Tochter des Bäckermeisters Friedr. Wilh. Pfeiffer, geboren am 6. November
Franz Christ. Martin, Sohn des Schneidermeisters Joh. Casp. Hartmann, geboren am 12.11.
Johann Georg Theodor, Sohn des Musikus Joh. Nikol. Großkopf, geboren am 17. November
Anna Juliana Maria, Tochter des Tagelöhners Simon Sickel, geboren am 27. Dezember.
Von diesem Jahrgang sind bis zum vierten Lebensjahr keine Kinder verstorben außen dem Kind: Friedrich, Sohn des Schuhmachers Joh. Georg Weldig, geboren am 29. September, der nach fünf Tagen gestorben ist. Vieselbach, am 10. Januar 1840,Thümmel, Pfr.
Interessant ist an dieser Liste, daß im Vergleich zu den alten Namen alle Namen neu sind bis auf den Namen Brömmer. Auch ist erstaunlich, daß nur wenige „einfache“ (sozial schwache) Familien vertreten sind.
Weiterhin ist noch bemerkenswert die Visitation der Schule in Vieselbach (8 Uhr) und Hochstedt (2 Uhr) am 10.10.1856, bei der auch eine Versäumnisliste vorzulegen war. Auch die Kirchen worden im gleichen Jahr visitiert. Die letzte Eintragung in dem Buch ist von 1881.
Vieselbacher Namen in der Zeit vor 1800:
Ackermann, Barth, Bezold (2x), Brömmer (4x), Brühl (2x), Engelbrecht (11x), Feldrappe (3x), Fischer (3x), Flietner (4x), Fressel (3x), Gisen, Gläser, Gräf (8x), Gölitz (2x),
Groß (7x), Haase, Hildebrand, Höpfner (3x), Kämmerer (5x), Kaiser (7x), König (12 x),
Kommer (Kummer), Krauße (oder: Kraus)(8x), Kühlmorgen (3x), Lies (2x), Lippold (16x), Ludwig (6x), Müller, Peter (oder Petri), Praus, Reinhard, Ritter (2x), Sachse, Schmidt (5x),
Sturm (2x), Vogt, Wagner (3x), Walther, Weber (16x), Weichelt, Weinhold (2x), Weisbach (7x), Wenzel, Wolf (2x), Zinnis, Zinkeis.
[Anmerkung: Die Übertragung der Chronik in Computerschrift ist nach bestem Vermögen erfolgt. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß eine falsche Übertragung erfolgt. In einigen Fällen ist angemerkt, wo solche schwer deutbaren Stellen sind. Ein zweiter Bearbeiter könnte sicherlich noch das eine oder andere herausfinden. Insofern ist diese Arbeit nur ein erster Entwurf. Bei der Übertragung ins heutige Deutsch wurden die langen Sätze oft aufgeteilt, die Wortstellung verändert, manche Ausdrücke wurden auch zusammengezogen. Die lateinischen Stellen wurden so gut es ging übertragen, heute nicht mehr gebräuchliche Ausdrücke mit Hilfe des Historischen Wörterbuches von Siefert gedeutet. Fachausdrücke wurden dem heutigen Sprachgebrauch angepaßt, auch wenn dadurch eine geringe Sinnverschiebung eintrat. Der heutige Leser sollte aber wenigstens eine gewisse Ahnung erhalten von dem, was gemeint ist.
Peter Heckert, 21. April 2004.]
1740
Geschehen den 9. September 1740
Heute ist dieser Knopf, nachdem er den 25. August dieses Jahres durch Meister Friedrich Wicke (?) aus Erfurt abgenommnen und repariert wurde, wieder durch denselben unter Gottes gnädigem Schutz glücklich aufgesetzt worden. Der erwähnte Meister Friedrich Wicke bekommt wegen seiner deswegen gehabten Mühe und Arbeit 6 Reichstaler und zusätzlich ein Paar neue Schuhe und ein Paar neue Strümpfe. Das Geld dazu wurde teils aus der Gemeindekasse genommen, teils haben die am Ende einzeln aufgeführten Personen etwas freiwillig dazu gegeben. Desgleichen haben ihm die Frauen ein schönes Hemd aus Leinenstoffen verehrt, nicht weniger die jungen Frauen ein Halstuch und ein Band. Nicht gerechnet wurde dabei, was er sonst noch bekommen hat. Gott behüte diesen Turm und unser dabei stehendes liebes Gotteshaus vor Feuer und allem Schaden bis auf unser spätern Nachkommen. Wie oben.
Sebald Heinrich Schwartz, derzeit Schullehrer und Gemeindeschreiber.
Um etwas über unsre jetzt gängigen Münzsorten zu sagen, so muß man wissen, daß das vor nicht gar langer Zeit noch gebräuchliche kurfürstlich-sächsische, lüneburgische und kurfürstlich-brandenburgische und anderes gutes Geld fast gar verschwunden ist, und wir uns jetzt fast nur mit Pfennigen und halben Pfennigen behelfen müssen, wie die beiliegenden Stücke zeigen (1894 wurden Geldstücke nicht mehr vorgefunden).
Die Reparatur dieses Turms wie auch das Abnehmen und Wiederaufsetzung des Knopfes ist geschehen unter dem hohen Schutz und friedlichen Regiment unseres gnädigsten Landesvaters ihrer Kurfürstlichen Gnaden zu Mainz, Philipp Karl, und unter ihrer Hochwürdigen Gnaden, des Herrn Statthalters Anselm Franoisci (?) von Marsberg, wie auch unserer lieben Stadtobrigkeit, des hochedlen und hochweisen Rats in Erfurt als Patrone der Kirche.
Ferner geschah die Reparatur unter dem Seniorat ihrer Hochwürden Herrn D. Johann Lorenz Pfeifer, unter dem Herrn Regierungsrat und Zentmann (?) Herrn D. Joachim Andreas Meier und des Herrn Amtsadjunkt Herrn D. Friedrich Leberecht Meier, die die Aufsicht über die hiesige zu dem Amt Azmannsdorf gehörende Gemeinde haben, und unter der jetzigen Kirch- und Schulinspektion, des Herrn Johann Heinrich Riedel (als Pfarrer), des Herrn Landwirts Heinrich Schopper und des Herrn Johann Bernhard ......(Das letzte Wort ist nicht zu deuten, es handelt sich aber wohl nicht um einen Namen, vielleicht ist es ein lateinisches Wort. „Seniorat“ bezeichnet die kirchliche Leitung des Gebiets Erfurt).
Derjenige Gott, der im Himmel sitzt, segne unsere gnädigste Herrschaft, hochgebietende Obrigkeit, ja das ganze Stadt und Land, besonders auch unsere Kirche und Gemeinde. Er bewahre sein Haus in Gnaden vor Schaden. Er lasse uns, so oft wir die Spitze des Turms erblicken, kräftig darauf hingewiesen, daß wir nicht nach dem trachten, was auf Erden ist, sondern nach dem was droben ist. Auch soll er uns darauf hinweisen, daß wir hier keine bleibende Stadt haben, sondern die zukünftige eifrig suchen und selig finden mögen. Er wolle solches tun um Christi willen. Amen.
Unterzeichnet in Vieselbach, den 9. September 1740, Sebald Heinrich Schwartz, zur Zeit Schullehrer.
Aufstellung über das, was ein jeder zur Abnahme und Aufsetzung des Knopfes freiwillig gegeben hat:
Taler gute Groschen Pfennige
Hans Lippolt jun 1 4
Hans Nicolaus Hym (?) 1 4
Hans Thomas Kühleinerz 1
Herr Voigt Heinrich Schopper 8
Herr Nicolaus Lippolt 1 4
Meister Joachim Weber 1 4
Herr Christoph Lippoldt 1 4
Herr Bernhard Ludwig 1 4
Herr Konrad Engelbrecht 1 4
Andreas Kühleinerz 8
Meister Michael Tierbach 1
Nicolaus Weber 8
Herr Letsch 8
Der Wirt Johann Nicolaus Linße 1 4
Herr Nicolaus Wagner, der Müller 2
Johann Nicolaus Ludwig 1 4
Caspar Müller 1 4
Hans Kayser 1 4
Herr Eßger, Herrschaftlicher Jäger 4
Hans Friedrich Linße 1 4
Valentin Laube 1 4
Nicolaus Ehrhardt 8
Philipp Wackernagel 1
Hanß Christoph Kohlstedt 4
Herr Johann Bernhardt Flietner 4
Simon Schmidt 8
Nicolaus Engelbrecht 8
Andreas Höpfner 1 4
----------------------------------------
1 23 8
Michael Michel 8
Heinrich Kicher (?) 1 4
Nicolaus Kühleinerz 1 4
Anna Christine Lippolt 1 4
Herbord Kommer 4
Hans Weißbach 1 4
Herr Nicolaus Lober 8
Herr Adam Kommer 1 4
Herbord Kayser 1 4
Herr Andreas Schmidt 1 4
1
---------------------------------------------------
Herr Michael Rudolph
(Die Liste ist insofern interessant, als man die Namen mit heute noch vorhandenen Namen vergleichen könnte. Wenn einer ein besonderes Amt hatte, wurde das extra vermerkt. „Meister“ bezeichnet wohl einen Handwerksmeister. Die Höhe der Spende sagt wohl auch etwas über das Vermögen bzw. den gesellschaftlichen Rang aus)
1783
Im Namen der Heiligen Dreieinigkeit Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes Amen.
Der Turm war sehr baufällig geworden, so daß nicht nur der Schiefer alt und mürbe geworden war und allenthalben abfiel. Auch die Schalung war fast überall verfault, besonders waren die Schwellen und viele Kreuz-Balken verfault. Man mußte Sorge haben, der Schade würde immer größer und am Ende unheilbar werden. Deshalb haben Pastor und Kirchen-Inspektoren sich entschlossen, den Turm nicht nur mit Schwellen zu versehen, ganz neu zu schalen und ganz mit neuem Schiefer zu belegen, sondern sie waren auch eines Sinnes, zu besserem Zierrat desselben, eine Wetterfahne dran machen zu lassen (Das Wort „Wetterfahne“ steht nicht im Text, müßte sich aber sinngemäß ergeben).
Das Problem wurde zunächst dem ehrwürdigem Ministerium gehorsamst berichtet und um Zustimmung zu diesem Bau gebeten. Das Ministerium hatte den Schaden durch ein Bau-Kommission besichtigen lassen. Daraufhin wurde die Zustimmung erfreulicherweise erteilt.
Hierauf wurde in der Pfarrwohnung im Beisein der Kircheninspektion und Vormundschaft, von dem Herrn Oberleutnant und Bau-Inspektor Neithardt der Vertrag mit dem Zimmerarbeiter und Schieferdecker geschlossen:
Als nun am 7. Mai des Jahres 1783 der Knopf abgenommen war, stellte sich heraus, daß dieser von oben schadhaft war: das Wasser war eingedrungen und hatte die Spindel beschädigt, so daß die Spindel auf eine Länge von 45 Zentimeter abgeschnitten werden mußte. Da es nun ein breiter, schwerer, unansehnlicher Knopf war, wurde vom Pastor und den Kirchen-Inspektoren beschlossen, einen neuen ansehnlichen machen zu lassen. Er sollte mit einer neuen Fahne geziert werden, in welcher ein Heiliger zu sehen sein sollte, mit einem fliegenden Mantel, ein Kreuz in der Hand haltend und von Laubwerk umgeben.
Die Urkunden in dem abgenommenen Knopf waren vom Jahr 1740. In diesem Jahr war der Knopf auch abgenommen worden, weil er schadhaft gewesen war.
Nachdem endlich der Turm unterschwellt, geschalt, ganz neu und sauber gedeckt war, ist auch der neue vergoldete Knopf (39 Pfund schwer) wieder aufgesetzt worden. Er hat eine schöne Fahne, auf dessen Stange ein vergoldeter Stern sitzt, der sich so wie die Fahne umdreht. Mit dabei waren eine vom Kursächsischen Ministerium freundlicherweise abgeordnete Kommission und viele feiernde Zuschauer. Nach dem Ende des Gottesdienst hielt der Ortspfarrer eine Rede. Zu allgemeiner Freude und Vergnügen der hiesigen Einwohner wurde der Knopf unter Trompeten- und Paukenschall aufgesetzt. Weil der Herr die Arbeiter in seinen Schutz genommen hatte, hat niemand den geringsten Schaden genommen.
Dieses geschah am 4. November im Jahr Christi unsres göttlichen Erlösers 1783. Der ganze Bau aber kostete 500 Taler. Dieses Geld ist aus der Kircheneinkasse genommen worden.
Dieses alles wurde angefangen und glücklich vollbracht unter dem landesväterlichen Schutz des hochwürdigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich Karl Joseph, des heiligen Stuhls zu Mainz Erzbischof, des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation Erzbistum und Kurfürstentum, unseres allerseits gnädigsten Kurfürsten und Herrn. Ferner unter dem Regiment seiner Freiherrlichen Excellenz Karl Theodor Anton Maria von Dalberg, unseres gnädigsten Herrn Statthalters. In E. (Erfurt (?): Hochedler und Hochweiser Rat von kurfürstlicher Seite war Herr D. Christian Christoph Brüheim; der andere Bürgermeister, der oberste Ratsmeister, Herr Sigismund Leberecht Hedelich war in diesem Jahr gestorben und dessen Stelle noch nicht wieder besetzt.
(Hier fehlt eine Zeile in der Kopie)
............als wohlverdienter Senior des geistlichen Amtes und Pastor an der St. Michaelis-Kirchen, und seiner hochedelgeborenen Magnifizenz Herrn D. Heinrich Wilhelm Schorch, rechtmäßig eingesetzter städtischer Rechtsvertreter. Pastor in Vieselbach war Herr Karl Heinrich Rambach aus Erfurt (der auch zugleich Pfarrer in Hochstedt war, denn seit 1743 ist dieser Ort mit dem hiesigen vereinigt gewesen), Schulmeister war Herr Sebald Heinrich Schwartz aus Großen-Melzen (?). Herr Traugott Friedrich Groß war Landvogt und Kircheninspektor, Meister Franz Brühl war der andere Kirchen-Inspektor und Vormundschaftsverwender (?). Zu diesen letzteren gehören auch Johann Andreas Fischer, Caspar Flietner, Johann Nicolaus Lippold, Heinrich Kommer und Johann Georg Bezolt. Der Gemeinde-Schultheiß in dieser Zeit war Heinrich Christian Engelbrecht.
Einwohner sind zu dieser Zeit 52 Eheleute, 3 Witwer, 24Witwen, 21 junge Männer, 31 junge Frauen, 29 Jungen, 31Mädchen, 11auswärtige Knechte und 15 auswärtige Mägde. Sämtliche im Ort befindliche Einwohner sind 265, Häuser sind es 77, wovon aber 11 unbewohnt sind.
Gott bewahre unsern Ort, Pfarrhaus, Schule und Gotteshaus in allen Gnaden vor Feuer, ansteckenden Seuchen und allem anderen Schaden.
Dieses Jahr ist an Merkwürdigkeiten sehr reich. Es haben sich nicht nur große und fürchterliche Erdbeben ereignet, welche auf der Insel Sizilien die große und herrlich handelnde Stadt Messina gänzlich bis auf drei Gebäude und viele tausend Einwohner verschlungen und die gegenüberliegende Provinz Kalabrien sehr betroffen.
(Hier fehlt in der Kopie ein Zeile)
... ums Leben gekommen. Auch hat man von großen Überschwemmungen gehört, welche Venedig und Frankreich erlitten.
Es ist auch zu melden, daß der Papst in diesem Jahr 1783 dem römischen Kaiser in seiner Residenzstadt Wien besucht, wo doch sonst der Kaiser zum Papst nach Rom hat kommen müssen. Nach beendetem Krieg, welchen England mit Spanien, Frankreich, Holland und Nordamerika über acht Jahre zu Wasser geführt hat, hat es den Anschein, als wenn zwischen dem Römischen Kaiser Joseph II., vereinigt mit Rußland, und zwischen dem Türkischen Sultan ein Krieg entstehen würde. Dabei ist merkwürdig, daß die christlichen Mächte dem türkischen Kaiser den Krieg ankündigten. Der Römische Kaiser forderte alle die Länder zurück, die ehemals von Türken dem Römischen Reich waren entrissen worden, und suchte noch viele andere Freiheiten und Vorrechte zu erlangen. Rußland nahm, ehe noch der Krieg ausbrach, die ganze Insel Krim und die Insel Kuban in Besitz („Römischer Kaiser“ = Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation = deutscher Kaiser mit Sitz in Wien).
Insbesondere aber ist merkwürdig, daß der Römische Kaiser in seinen Landen viele Klöster aufhebt, die Güter derselben einziehet und überhaupt weil alles, was Dummheit und Aberglauben bestärkt und fortpflanzt, soll von der Kanzel verbannt sein. Dagegen sollen Bibel, Christus und Moral gepredigt werden. Er erlaubt den Evangelisch-Lutherischen oder den dem Augsburgischen Bekenntnis Verwandten viele Freiheiten in seinen Landen. Sie dürfen sich neu die Kirchen aufbauen und werden in der freiem Religionsausübung geschützt und erhalten Lehrer und Seelsorger. Sie dürfen Güter ankaufen und werden zu Ehrenämtern zugelassen (Hier wird Bezug genommen auf das Toleranzedikt Josephs II. für Österreich). So der
(Hier fehlt in der Kopie ein Zeile)
..............diesem großen Kaiser folgen andere Könige und Fürsten in vielen Stücken nach.
Ferner ist im Jahr 1783 eine bedenkliche Witterung gewesen. In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai fiel wider alle Vermutung starker Schnee, der früh morgens ½ Elf Uhr (?) noch auf den Bäumen lag. Es war vorher einige Tage die angenehmste Witterung gewesen. Den 7. Mai fing es an zu regnen und war sehr kalt dabei. Des abends nach acht Uhr entstand ein starkes Donnern und Blitzen, und die Nacht fiel ein solcher starker Schnee, daß nicht nur von den Bäumen die Zweige - bisweilen die stärksten Zweige - ab(brachen) und von den Erlen und Nadelhölzern die Gipfel ausbrachen, sondern auch ganze und starke Bäume wurden von der Last des Schnees zu Erden gedrückt, so daß die Wurzel den Erdboden oft eine Elle hoch aufhob. Was von Weiden nicht abbrach, wurde bis zur Erde gebogen.
Die Bäume standen in voller Blüte. Es bestand die Gefahr, daß sich der Schnee hoch auflegen und Schaden verursachen könnte. In Wäldern war die Verwüstung unbeschreiblich. Da die Sonne um diese Jahreszeit aber schon sehr hoch steht, lag der Schnee an manchen Orten nicht über 24 Stunden. Doch gab es in unseren Gegenden kein großes Wasser.
(Hier fehlt eine Zeile in der Kopie)
...........ging auch blutrot unter. Schon des abends 6 Uhr nahm sie das blutrote Aussehen an, und man konnte sie mit bloßen Augen lange Zeit unverletzt betrachten, denn sie warf um diese Zeit nicht einen einzigen Strahl von sich, mithin auch keinen Schein auf die Erde: Ehe sie sich zum gänzlichen Untergang neigte, machte sie der Nebel ganz unsichtbar. Der Mond ging ebenfalls blutrot auf, und da er voll war, hatte derselbe das Ansehen der blutrot auf und nieder gehenden Sonne, so daß man einen Himmelskörper mit dem anderen hätte verwechseln können.
Unfehlbar kam es von dem starken Nebel her, der sich des Abends und des Morgens zeigte.
Dieser Nebel, der beinahe acht Wochen dauerte, brachte uns große Dürre: oft eine durchdringende Hitze, und in den acht Wochen, in denen der Nebel sich zeigte, keinen Regen. Das Sommerfeld, besonders die Gerste, blieb auf den spät gesäten Äckern sehr zurück, und einige Sommerfrüchte litten große Not. Manches Gewächs verdorrte, manches blieb zurück. Das Obst fiel häufig von den Bäumen, jedoch stand die Niederfrucht gut, so daß wir zwei Zentner
(? Wahrscheinlich eine größere Mengeneinheit) auf den Acker und höher bekommen haben, und auch gibt es 5 und 5 ½ Scheffel ins Maß.
Der Frost und danach der Nebel legten sich so sehr auf, daß in manchen Gegenden die Blätter an den Bäumen sowie das Getreide weiß wurden, verwelkten, abfielen und die Bäume wie verdorrt standen.
Auch haben an einigen Orten die Raupen viel Schaden getan und die Bäume ganz kahl abgefressen, wovon aber der hiesige Ort - der Herr sei gepriesen - befreit war.
Die Grünernte ist wohl geraten und viel Heu erlangt worden. Endlich schien es, als man sich die ....................(?)
(Hier fehlt in der Kopie ein Zeile)
............und sehr langsam sich unserem Orte näherte, die Nacht durch ganz selten donnerte, und des morgens früh 6 Uhr mit einem feuchten, anhaltenden, durchdringenden und alles erquickenden Regen sich etwas stärker hören ließ und acht Tage nacheinander alle Tage schwere Gewitter und Regen erschienen, doch ohne allen Schaden in unserem und den benachbarten Orten.
Obwohl sich gleich nach dem Gewitter der bisherige alltägliche Nebel fast gänzlich verzog, so daß auch die Sonne und auch der Mond ihren Schein wieder bekamen, so zeigte er sich doch einige Zeit hernach wieder, obgleich nicht in der Stärke und von gleicher Wirkung: Er verdunkelte den Schein der Sonne und des Mondes nicht, und wie er uns das erste Mal Dürrung brachte, so brachte er das zweite Mal Regen, jedoch nicht anhaltend, so daß nichts verdorben ist. Die Zeitungen meldeten, daß der erste Nebel sich über beinahe ganz Europa verbreitete und in manchen Gegenden jämmerliche Prophezeiungen verursacht habe.
Der Preis des Getreides war in diesem Jahr 1783 folgender:
Weizen das Malter 16 auch 17 Taler
Roggen 12 Taler
Gerte 7 Taler
Hafer 5 Taler.
Geld, so zu unserer Zeit gebräuchlich war, waren:
(Hier fehlt in der Kopie ein Zeile)
Die Namen aller Einwohner des Ortes lauten:
Herr Traugott Friedemann Groß, Kurfürstlich-Mainzischer Landvogt und Kirchen- und Schulinspektor
Meister Franz Brühl, Kirchen- und Schulinspektor sowie Vormundschaftsverwender
Johann Andreas Fischer, Vormundschaftsverwender
Caspar Flietner, Vormundschaftsverwender
Johann Nicolaus Lippolt, Vormundschaftsverwender
Heinrich Kommer, Vormundschaftsverwender
Johann Georg Bezold, Vormundschaftsverwender
Heinrich Christian Engelbrecht, Gemeinde-Heimbürg
Johann Georg Ludewig
Johann Ernst Bloß
Johann Heinrich Kaiser sen.
Johann Michael Sachse
Johann Bernhardt Weber
Zacharias Meinhold
Johann Andreas Peter
Dietrich König
Heinrich Nikolaus Schwabe (?)
Johann Nikolaus Schwabe (?)
(Hier fehlt in der Kopie ein Zeile)
Johann Hieronymus Lippold
Johann Caspar Feldtreppe
Johann Ernst Engelbrecht
Johann Andreas Engelbrecht
Johann Nikolaus Schönemann
Johann Caspar Ludewig
Johann Andreas Lippold
Johann Heinrich Kaiser jun.
Johann Heinrich Hase
Johann Herbord Brühl
Franz Ludewig
Heinrich Weißbach
Johann Christoph Göliz
Georg Müller
Johann Christoph Weber
Johann Heinrich Bechler
Johann Georg Zinkeisen (?)
Wilhelm Barth
Johann Joachim Weber
Johann König
Fabian Zacher
Johann Nikolaus Letsch
Johann Andreas Weißbach
Johann Jakob Engel
Johann Christoph Freßel
Johann Nikolaus Hebenstreit
(Hier fehlt in der Kopie ein Zeile)
Johann Heinrich Freßler
Johann Georg Engelbrecht
Johann Anton Weißbach
Johann Michael Engelbrecht, derzeit Flurschütz
Johann Nikolaus Ludewig, derzeit Tagwächter
Johann Michael Ulla (?), derzeit Bäcker
Carsten Lorenz Wengel, derzeit Hutemann.
(Die Namen sind nicht immer sicher zu lesen, eine Klärung könnten die Kirchenbücher bringen. Die Liste zeigt auch die soziale Schichtung im Ort. Der „Landvogt“ wird wohl nur ehrenhalber aufgeführt und dürfte seinen Sitz in Erfurt gehabt haben, denn es wird ja auch ein örtlicher Bürgermeister aufgeführt).
Sämtliche Weiber machten zusammen dem Schieferdecker, Herrn Neumeister, ein Geschenk von 5 Talern 16 Gutegroschen 10 Pfennig. Davon wurde ihm ein schönes neues Leinenhemd, ein Paar seidene Strümpfe und ein Paar Schuh gekauft. Da das gesammelte Geld nicht ausreichte, wurde aus der Kirchenkasse ein Zuschuß gegeben.
Die Frau des Herrn Heinrich Polycarpos Groß (des Beisitzers des hiesigen Freigerichts) und die Frau des Vogtes gaben Herrn Neumeister ein vortreffliches Seidentuch. Auch die jungen Frauen haben Herrn Neumeister ein schönes seidenes Tuch mit einem schönen seidenen Band gegeben.
Die Gemeinde erhielt zu ihrer Erfrischung aus der Kirchenkasse drei Kannen und aus der Gemeinde zwei Kannen Bier. Sie vergnügte sich mit Musik und beendete den Tag freudenvoll.
1804
Im Namen des allein wahren Gottes, des Vaters, unsres Herrn und Heilandes Jesu Christi und des Heiligen Gottesgeistes, Amen.
Da die Fahne auf dem Turm wacklig geworden war, weil die eine Feder ganz zersprungen war und die andere zur Hälfte, mußte sie zusammen mit dem Knopf abgenommnen und wieder ausgebessert werden. Als das geschehen war, wurden Knopf und Fahne an 2. August 1804 durch den privilegierten Schieferdecker in Erfurt, Meister Johann Ernst Neumeister, wieder aufgesetzt.
Das geschah unter der Regierung unsres allergnädigsten Königs und Herrn Friedrich Wilhelm III., König in Preußen und Kurfürst zu Brandenburg, an welchen bei der Verstaatlichung und Verteilung der geistlichen Kur- und Fürstentümer 1802 das Erfurter Gebiet zusammen mit der Stadt unter den Namen eines Fürstentums gefallen war. Gouverneur von Erfurt war seine hochgräfliche Exzellenz, der Graf von Wartensleben, Generalleutnant des in Erfurt stehenden Regiments zu Fuß.
Der Weizen kostete 34 Taler das Maß
das Korn 26
die Gerste 18
der Hafer 16
Gängige Münzsorten waren vor allem:
Als Kassen-Geld galt Preußisch „grob Courant“:
(Die Währungsverhältnisse sind wie immer undurchsichtig. „Kassen-Geld“ bedeutet wohl, daß man in der Praxis die Münzen anders bewertete, als sie offiziell gelten sollten).
Pfarrer in Vieselbach und Hochstedt war Herr Friedrich Wilhelm Heinrich Thieme, aus Vippach-Edelhausen gebürtig, Schulmeister Johann Philipp Kämmerer, aus Fehra (?) gebürtig.
Kircheninspektoren waren: 1. Johann Andreas Lippold, der zugleich Vormund, Feldmesser und Brauermeister war, 2. Friedrich Christian Groß.
Oberschultheiß: Johann Georg Bezold
Vormünder: Heinrich Christian Engelbrecht, Johann Franz Jakob Flietner, Johann Herbord Fischer, Johann Andreas Weißbach, Johann Herbord Brühl.
Gemeindeschultheiß: Johann Ernst Bloß.
(„Vormundschaftsverwandler“ sind wohl das, was man heute „Pfleger“ nennt, die also eine Pflegschaft übernehmen, die man früher „Vormundschaft“ nannte).
Die Kosten der Reparatur des Turm und der Reparatur und Wiederaufsetzung der Fahne wurden zu einem Drittel von der Gemeinde getragen. Sie zahlte zwölf Taler, so daß die Gesamtkosten 36 Taler betragen haben müssen, von denen nach dem Vertrag 27 Taler an den Schieferdecker und das Übrige an den Schlosser für die Reparatur der Fahne ging.
Der allmächtige und allgütige Vater, der schon so viele Jahre dieses Haus und Turm für Unglücksfällen behütet, wolle ferner in Gnaden darüber wachen und jeden Unfall von demselben wie von unserem ganzen Ort abwenden. Er möge vorzüglich die Herzen der Gemeindeglieder mit Liebe und Eifer für das Haus Gottes erfüllen, damit sie nirgends lieber hingehen und sein mögen als an dem Orte, wo Gottes Ehre wohnt. So werden Segen und Glück von der guten Vaterhand Gottes täglich auf unseren Ort herabströmen und auf alle, die einst ankommen werden in den ewigen Wohnungen des Friedens, um dem Allvater in Verbindung mit allen heiligen Engeln und vollendeten Gerechten ein ewiges Halleluja zu singen. Das gebe unser Gott in seiner ewigen Liebe durch Jesus Christus unseren Herrn. Amen.
1894
Anno 1894
Gott schütze und segne diesen Bau! Gott segne die Gemeinde Vieselbach heut und allezeit!
Am 7. Juni 1894 zog über dem hiesigen Ort ein schweres Gewitter. In den Nachmittagsstunden, etwa gegen 5 Uhr, fuhr ein Blitzschlag in den Turm. Er beschädigte den Schiefer und die Schalung bis zur Uhrglocke, durchfuhr dann im Inneren des Turms die alte Turmuhr und verlief sich dann im Turm, ohne größeren Schaden anzurichten. Der Schaden wurde auf etwa 450 Reichsmark geschätzt und wurde der Gemeinde aus der Landesbrandkasse ersetzt.
In demselben Jahr war im Mai die alte, längst zu kleine und baufällige Kirche abgebrochen worden. Ende Juni begann der Wiederaufbau des neuen Gotteshauses. Der Grundstein
wurde am 21. Juli feierlich gelegt (ein Schriftstück in den Grundmauern der Sakristei besagt alles Nähere darüber). Die Richtfeier wird am heutigen Tage begangen. Die Fertigstellung der neuen Kirche wird für den Sommer 1895 erwartet.
Am 25. Juni wurde zur näheren Untersuchung des Blitzschadens durch Schieferdecker Kaufmann zu Weimar und dessen Gehilfen der Turmknopf und die Wetterfahne herabgenommen. Dabei stellte sich durch eine Inschrift auf der Fahne heraus, daß das alte Gotteshaus den Namen „Zum heiligen Kreuz“ führt. Nach Reparatur aller Schäden am Turmdach sind Turmknopf und Wetterfahne neu vergoldet und verziert durch die Schieferdecker unter zahlreicher Teilnahme der Gemeinde feierlich wieder befestigt worden.
An diese Feier schloß sich das Richtfest der neuen Kirche an. Mit Gottes Hilfe ist es möglich gewesen, den Bau trotz äußerst ungünstiger Witterung während dieses Sommers und Herbstes noch vor Winter unter Dach zu bringen. Gott Lob sind bisher größere Unfälle nicht vorgekommen. Gott der Allmächtige helfe und fördere weiter, was wir mit seiner gnädigen Hilfe begonnen haben! Er gebe seinen Segen allen, die Arbeiter sind an diesem seinem Hause und die den Bau zu leiten und auszuführen berufen sind, damit dieser Gemeinde nun bald ein würdig Gotteshaus entstehe zu seiner Ehre und der Gemeinde zum bleibenden Segen! Möge es bald aus dieses Hauses Räumen erschallen und draußen in Häusern und Herzen zur Wahrheit werden: Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! Amen.
Solches den Nachkommen zur Nachricht: Vieselbach, zur Zeit etwa 1100 Einwohner, am 3. Dezember 1894. Der Kirchgemeindevorstand: G. Funkel, Pfarrer, J. Mäder, 1. Lehrer, Th. König, Bürgermeister, G. Ludewig, Landwirt.
1909
Nachdem im Frühjahr 1909 dieser Turmknopf durch Blitzschlag beschädigt worden war , ist er im September desselben Jahres nach dem Kirchweihfest durch Dachdeckermeister Paul Ott aus Hopfgarten heruntergenommen und wiederhergestellt worden. Dabei erhielt er eine neue Vergoldung. Auch am Blitzableiter wie an einigen Schieferplatten des Turms machten sich Reparaturarbeiten notwendig. Die Kosten in Höhe von 386, 50 Mark trug die Landesbrandkasse. Der Knopf kam wieder auf den Turm am 18. Oktober 1909.
Im Anfang des Jahres 1909 tobte ein schreckliches Erdbeben und Süditalien und Sizilien, welchem die Stadt Messina und unzählige Menschenleben zum Opfer fielen. In Vieselbach wurde 1909 das Werk der Wasserleitung fertiggestellt. Außerdem ist am 2. Osterfeiertag dieses Jahres auf dem Friedhof die neuerbaute Leichenhalle nebst Kapelle feierlich eingeweiht worden. Der hochbetagte Bürgermeister Theodor König legt sein Amt mit Schluß des Jahres nieder. An seine Stelle tritt Kaufmann und Landwirt Paul Große.
Das Filial Hochstedt wird seit dem 1. Januar 1908 von Azmannsdorf verwaltet. Vieselbach zählt jetzt 1184 Einwohner, darunter 1176 Evangelische. Seine Königliche Hoheit der Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen verlobte sich am 10. Oktober 1909 mit Ihrer Hoheit Prinzessin Carla Feodora von Sachsen-Meiningen.
(Bei der Kopie für das Jahr 1909 ist auf der Rückseite das Bruchstück eines Textes erhalten, das wahrscheinlich zum Jahr 1909 gehört - wegen der Schrift und des Bürgermeisters-. Offenbar fehlt hier aber noch Text in der Kopie)
...........kein Unglücksfall vorgekommen! Gott schütze auch ferner diese Gemeinde und ihr schönes Gotteshaus.
Der Kirchenvorstand:
Wilhelm Krippendorf, Großherzoglicher Kirchenrat, Superintendent und Pfarrer,
Karl Grober, Lehrer und Ortsschulaufseher
Theodor König, Bürgermeister
Hermann Ludewig, Landwirt
Otto Koch, Lehrer
Heinrich Stegmann, Landwirt
Karl Haase, Landwirt.
Orgel Vieselbach (Pfarrarchiv A IV 2a/1)
20.11.1776: Reparaturvertrag
Das hiesige Orgelwerk ist sehr beschädigt und einer gründlichen Reparatur sehr bedürftig. Die Disposition ist auch sehr primitiv und schlecht. Deshalb haben der Pfarrer und die Kircheninspektoren unter Zuziehung der Vormundschaft beschlossen, nicht nur einige Veränderungen vornehmen zu lassen, sondern auch einige unnütze Register herauszunehmen und nützliche und bessere hinein zu bringen.
Das Geistliche Ministerium hat dazu am 17. Oktober schon die Erlaubnis erteilt. Deshalb ist mit dem heutigen Datum zwischen dem Pfarrer und den beiden Inspektoren der hiesigen Kirche und Schule, dem Bürgermeister und der Vormundschaft auf der einen Seite und Herrn Hess, dem sehr beliebten und berühmten Orgelmacher aus Dachwig auf der anderen Seite mit Zuziehung des Herrn Georg Heinrich Reinhardt, verdienter Rektor und Organist an der Kaufmannskirche und Schule, nachfolgender Bau- und Reparaturvertrag geschlossen worden:
Der Orgelmacher Heß verspricht, das ganze Werk von Grund auf zu reparieren und zu renovieren, alle vorgefundenen Defekte zu verbessern und neu und wohlgestimmt wieder herzustellen. Die Arbeiten an den einzelnen Registern werden aufgeführt. Bis zum Fest Kreuzerhöhung 1777 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein und zur Kirchweih soll zum ersten Mal gespielt werden. Die Kosten belaufen sich auf 140 Reussische Taler.
Vieselbach, 20.11..1776, Heß, Orgelmacher, Karl Heinrich Rambach und alle Kirchenvorsteher.
(Anmerkung: Vieselbach gehört noch zu Erfurt und deshalb ist das dortige Geistliche Ministerium zuständig. Die „Kircheninspektoren“ waren zwei Bürger von Vieselbach, die sich nur um die Bausachen an der Kirche und Schule zu kümmern hatten und immer gefragt werden wollten. Die „Vormundschaft“ ist die Gemeindevertretung der bürgerlichen Gemeinde. Das Fest „Kreuzerhöhung“ ist am 14.9., die Kirmes bald darauf. Von diesem Fest her dürfte der Name „Heilig-Kreuz-Kirche kommen).
07.09.1825: die Kircheninspektoren werden angewiesen, zehn Reichstaler an Herrn Töpfer auszuzahlen. Für Reisekosten bei der Besichtigung der Orgel (Beitragsanteil der Kirchgemeinde).
10.02.1834: Die Großherzogliche Kircheninspektion will sich beim Oberkonsistorium dafür verwenden, daß die Landesdirektion erlaubt, daß der im Jahre 1832 gemachte Aufwand für die Reparatur der Orgel im Betrag von 9 Reichstaler aus dem Gemeindeärar bezahlt wird. Die Landesdirektion erteilt die Genehmigung, bittet aber darum, künftig zu beachten, daß über eine solche Reparatur vorher oder doch wenigstens alsbald berichtet wird
(Anmerkung: Zuständig ist jetzt das Großherzogtum Sachsen-Weimar. „Gemeindeärar“ = Vermögen der bürgerlichen Gemeinde bzw. Haushaltsplan. Das „Kirchenärar“ ist die entsprechende kirchliche Kasse).
08.03.1838: Der Pfarrer legt eine Spendenliste auf und schreibt: „Wir sind wohl alle überzeugt, daß die Orgel einer baldigen Reparatur bedarf, wenn unsere Andacht nicht immer wieder unangenehmen Störungen ausgesetzt werden soll. Ein Orgelbauer hat versprochen, die Reparatur für 30 Taler auszuführen. Der Gotteskasten gibt nicht genug her, und das Kirchenärar darf auch nicht in Anspruch genommen werden. Deshalb wende ich mich an alle Freunde des kirchlichen Wesens, nach Kräften dabei behilflich zu sein (Es gehen zehn Spenden ein, die den Betrag decken).
03.07.1838: Die Kircheninspektion stimmt zu, daß die Bälge aus der angeblich feuchten Ecke des Schiffes der Kirche in den mittleren Raum des Turmes verlegt werden.
Aber das muß wirklich eine Verbesserung bringen und der Turm darf nicht beschädigt werden. Die Kosten können aus dem Kirchenärar entnommen werden.
28.07.1838: Der Kostenvoranschlag des Orgelbauers Carl Ludolff aus Klettbach für diese Maßnahme beläuft sich auf 26 Rheinische Gulden 7 Groschen 4 Heller.
23.08.1838: Die Kircheninspektion beschwert sich, daß auch noch andere, nicht genehmigte Ausgaben vorgenommen wurden.
27.08.1838: Die Kircheninspektion schlägt statt der Reparatur der Schule einen Neubau vor. Zumindest sollte man das im Auge behalten. Es soll angegeben werden, wie die Zahl der Kinder sich entwickeln wird.
Ohne Datum: Spendenliste.
22.03.1841: Für die Wiederherstellung der Orgel will das Gemeindeärar 50 Gulden geben, so daß jetzt das Oberkonsistorium um Genehmigung gebeten werden kann.
20.06.1841: Die Genehmigung wird erteilt.
23.08.1841: Gutachten des Organisten Stolze aus Weimer über die von dem Orgelbauer Witzmann vorgenommenen Orgelreparatur: Die Defekte wurden abgestellt, so gut das bei einem so alten Werk möglich ist. Die Orgel erhält mehr Wind. Sein abschließendes Urteil: Das alte Werk stellt eine Vermehrung des Schmuckes der Kirchendecke dar.
10.06.1851: Der Orgelbauer Witzmann aus Kleinrudestedt erhält vom Kirchenvorstand den Auftrag, die Orgel notdürftig so wieder herzustellen, damit bei der Einführung der neuen Lehrer nicht mit Störungen zur rechnen ist. Vorgesehen sind 3 bis 4 Gulden. Der Orgelbauer hat aber 15 Gulden in Rechnung gestellt, weil die Arbeiten umfangreicher waren. Die Kircheninspektion soll die Mehrkosten genehmigen.
22.09.1857: Es soll für eine neue Orgel gesammelt werden
14.09.1857: Es wird aber weiter an der Orgel repariert. Aber das Ministerium verfügt, daß dafür kein Kirchenkapital verwendet werden darf.
24.07. 1857: Auch in Hochstedt muß die Orgel repariert werden. Der Kostenvoranschlag beläuft sich auf 84 Gulden. Aber nachher sind es noch 30 Gulden mehr. Aber das Werk ist auch sehr gelungen.
Ohne Datum: Für die Reparatur der Orgel sind 200 Gulden nötig. Aber die bürgerliche Gemeinde will nichts dazu geben, weil es doch unnütz ist und an einen Neubau der Kirche auch in 100 Jahren nicht zu denken ist. Für den Neubau einer Orgel aber würde man 1000 Gulden geben, wovon die Hälfte durch eine Umlage aufgebracht werden soll. Das Staatsministerium soll die Genehmigung zum Neubau geben.
Auch der Pfarrer sagt, daß durch eine Reparatur die Kirchenmusik nicht unterstützt werden kann. Man plant einen Neubau der Kirche und will deshalb die Orgel nur reparieren. Der Pfarrer aber meint, daß die Kirche ausreicht, aber eine neue Orgel müsse her. Das Ministerium genehmigt aber nur eine Reparatur bis zum Betrag von 200 Gulden.
Der Pfarrer gibt aber noch nicht auf. Er will 650 Gulden aus dem Kirchbaufonds nehmen, 50 Gulden beim Verkauf der alten Orgel erlösen und den Rest durch Spenden zusammen bekommen. Er bittet das Ministerium im Auftrag des Kirchenvorstandes nochmals, einen Neubau zu genehmigen.
November 1858: Es wird gesammelt für die Umbauten in der Kirche, die durch den bevorstehenden Orgelbau notwendig werden (Erweiterung der Emporen, des Orgelchors, neue Eingänge zu den Emporen). Es kommen fast 200 Gulden zusammen.
22.11.1858: Der Orgelbaumeister Carl Friedrich Peternell aus Seligenthal (bei Schmalkalden) versichert, daß eine neue Orgel ohne Probleme in eine neu zu bauende Kirche umgesetzt werden könnte und auch für eine größere Kirche ausreichend wäre.
07.12.1858: Der Neubau der Orgel ist genehmigt, der Pfarrer legt die Unterlagen vor. Der Orgelbauer Peternell wurde von einem Sachverständigen aus Weimer empfohlen. Der Pfarrer hat selber eine Orgel Peternells in Reisdorf bei Eckartsberga geprüft. Die Disposition der Orgel in Vieselbach soll entsprechend sein. Nur will man aus der alten Orgel die Register Bordun 8 Fuß auf dem Hauptwerk und Cornett aus dem Obermanual und Gedackt Baß 8 Fuß übernehmen. Man bittet um Genehmigung des Vorschlags. Die Oberbehörde soll nur entscheiden, ob man Posaunen 16 Fuß oder Principalbaß 16 Fuß (dieses ist 30 Gulden billiger) nehmen soll.
Die neue Orgel kommt auf dem Unterchor zu stehen. Sie wird 6 Fuß hoch sein. Gemeindeglieder haben bereits 170 Gulden an Spenden zugesagt. Die Gemeinde gibt die Garantie, daß notfalls sämtliche Kosten in Höhe von 1200 Gulden von der Gemeindekasse übernommen werden. Die alte Orgel wird Peternell für 100 Gulden übernehmen.
Die Disposition wurde am 27.11. im Gemeinderat mit 13:1 Stimmen genehmigt (die Gegenstimme erfolgte nur, weil einer den Schullehrer aus persönlichen Gründen ärgern wollte).
01.03.1859: Die Kircheninspektion mahnt, daß die Veränderungen in der Kirche für den Neubau der Orgel dem Staatsministerium vorgelegt werden müssen.
20.03.1859: Die Behörde hat noch Änderungswünsche und zeichnet diese in die vorgelegten Pläne. Vor allem geht es um die wegfallenden Sitzplätze. Man erwägt, deshalb eine Treppe außen an die Kirche anzubauen.
10.04.1859: Vertrag mit dem Orgelbauer Peternell. Es gelten die schon vereinbarten Abmachungen von 22.11.1858. Die Orgel muß zum Kirchweihfest Mitte September eingeweiht werden.
05.05.1859: Die Kircheninspektion wird gebeten, die Genehmigung zu erteilen. Die Orgel soll auf den Oberchor und 17 klingende Stimmen haben.
25.05.1859: Das Staatsministerium genehmigt den Bau.
30.07.1859: Es dürfen 200 Gulden durch eine Umlage in der Gemeinde gesammelt werden.
18.10.1860: Die Orgel ist nach dem Gutachten von Professor Töpfer aus Weimar ein vortreffliches Kunstwerk. Die Kircheninspektion spricht allen Beteiligten Dank und Anerkennung aus.
27.08.1861: Aufstellung über die Ausgaben.
09.11.1893: Kostenvoranschlag für das Wiederaufstellen der Orgel in der neuen Kirche über 1,114 Mark. Adolf Eifert, Hoforgelbauer, Stadtilm.
Disposition:
A. Hauptwerk: Principal 8, Quintatön 16, Gamba 8, Hohlflöte 8, Oktave 4, Mixtur 2-4-fach.
B. Oberwerk: Geig-Principal 8, Salicional 8, Lieblich Gedackt 8, Geig-Principal 4, Flöte 4.
C. Pedal: Violonbaß 16, Subbaß 16, Principalbaß 8, Gedacktbaß 8, Manual-Koppel, Pedal-Koppel, Calcantenzug (für Balgtreter).
28.09.1895 Gutachten über die Orgel des Orgelbaumeisters Berthold durch den Weimarer Hoforganisten.
13.11.1921: Orgelbaumeister Böttcher in Weimar will einen Orgelprospekt und neue Prospektpfeifen liefern.
11.3.1922: Auch die Firma Böhm in Gotha legt einen Kostenvoranschlag vor.
17.04.1922: Den Einbau nimmt aber dann die Firma Andreas Helfenbein vor, die nicht dem Verein der Orgelbaumeister Deutschlands angehört.
Pfarrarchiv Vieselbach
Pfarrhaus und Nebengebäude, 1805 - 1920 (Pfarrarchiv A IV 26)
Es geht vorwiegend um Reparaturen an Pfarrhaus und Gehöft:
17.10.1805: Kirche und Pfarrhaus (Wert von 550 Gulden)
12.08.1814: Pfarrhaus und Schulwohnung.
20.07.1816: Die Wand zwischen Pfarrgarten und Hof.
07.11.1816: Reparatur am Pfarrkeller.
07.11.1818: Die Tür am Pferdestall und das Schutzbrett an der Scheune.
20.02.1819: Die beiden Spreukammern im Pfarrgehöft.
11.09.1820: Kuh- und Pferdeställe.
21.10.1820: Der Ofen in der Pfarrwohnung, blecherner Ofen in der Studierstube.
26.02.1824: Der Staketenzaun zwischen Hof und Garten.
05.09.1826: Der Stall des Pfarrgrundstücks.
08.05.1832: Brunnenpumpe „in der Pfarrwohnung“ [42]
03.02.1835: Auf dem Pfarrgrundstück ist ein Gewölbe geplant [43]. Die Kircheninspektion [44] fragt an, ob dadurch nicht der Raum zur Aufbewahrung der Erntefrüchte bei voller Wirtschaft zu sehr verengt wird.
09.03.1857: Der Gemeindevorstand will ein kleines Stallgebäude an die Pfarrwohnung anbauen. Das Weimarer Kultusministerium will deswegen gefragt werden [45].
In dem Gebäude sollen untergebracht werden ein Waschhaus, ein Keller, ein Stall und ein Holzstall. Es soll 16 mal 5 Meter groß sein und soll an der Südseite des Grundstücks unmittelbar entlang der Grundstücksgrenze stehen, im rechten Winkel zum Pfarrhaus.
Auf dem Plan ist aber auch die alte Scheune eingezeichnet, in der Mitte des Pfarrgrundstückes, etwa 20 mal 9 Meter groß und parallel zum Pfarrhaus stehend. An der Nordostseite ist noch ein Vorbau, offenbar ein Stall (siehe 24.04.1892) und davor wiederum der Brunnen. Offenbar sollte die Scheune abgerissen werden, denn das geplante neue Gebäude überschneidet sich mit der alten großen Scheune.
Der Zaun geht mit einem Doppelknick von der Scheune in Richtung Pfarrhaus bis zur Nordseite des Eingangstores.
Das Pfarrhaus reicht nicht bis zum Nachbarhaus, sondern es waren etwa 5 Meter Zwischenraum.
19.06.1890: Der lebendige Zaun um den Kirchhof weist Lücken auf. Bei der geplanten Vergrößerung des Friedhofs sollte die Gemeinde diese Einfriedigung mit erneuern lassen. Die Kircheninspektion dringt jedoch gegenüber dem Kirchengemeindevorstand darauf, daß, man nicht erst eine mögliche Erweiterung des Friedhofs abwartet, sondern die Einfriedigung sofort herstellt. Der neue Friedhof wird am 8. Januar 1892 eingeweiht.
19.10.1890: Kostenvoranschlag über die Reparatur des Pfarrhauses: Freitreppe vor dem Eingang, Putz an beiden Giebeln und
Abdeckplatten, Streichen der Seite nach der Straße hin und der Giebelseiten (Grundierung mit Rindsblut oder Seifenlauge und Streichen mit Kalk),
Reinigung und Ausbesserung des Mauerwerks an der Seite der Eingangstür, Eingangstor herrichten (mit Abdeckplatten und Holztüre), Dachziegel ausbessern.
25.02.1892: Der Pfarrer schreibt im Namen des Kirchengemeindevorstandes an die Gemeinde: Schon 1890 hat der Kirchengemeindevorstand beschlossen, die alte Scheuen niederzulegen und dafür ein Waschhaus mit Stallung und Holz- und Kohlenraum zu bauen. Weil das Haus keinen Keller hat, müßte in diesem Nebengebäude auch ein Keller ähnlich dem jetzt vorhandenen angebracht werden. Weiterhin sind notwenig ein Ascheloch, Zäune, ein gepflasterter Weg zum Nebengebäude, Auffüllung des Hofraums. Die Kosten sind auf 2900 Mark veranschlagt (Kostenvoranschlag liegt bei).
02.04.1892: Die Kircheninspektion billigt den Bau des Nebengebäudes. Man weist darauf hin, daß der Keller wegen des hohen Grundwasserstandes nicht tiefer gelegt werden kann.
24.04.1892: Vertrag mit dem Handwerker Georg Mananke (?) über den Abbruch der alten Scheune (alles Material für den Weiterverkauf getrennt lagern). Das an die Scheune angebaute Stallgebäude muß noch stehen bleiben, bis das neue da ist.
29.04.1892: Baugenehmigung durch den Gemeindevorstand (!), Unterschrift „König“.
16.05.1892: Vertrag über den Neubau eines Nebengebäudes.
07.03.1893: Vertrag über die Herstellung einer Gartenmauer im Pfarrgarten, 26 Meter lang, von der Scheunenecke des Nachbarn bis zur hinteren Gartentür. Verwendung des Materials der alten Mauer, Neubau aus Backsteinen mit Pfeilern und einer abgeschrägten Zementdecke.
10.06.1895: Verputz des nördlichen Giebels des Pfarrhauses und Ausbesserung der anderen Seiten.
05.003.1896 (?): Herstellung des westlichen Teils der Gartenmauer, so weit sie noch alte Wellenwand ist (Neubau mit Backsteinen).
20.01.1897: Südwestlicher Teil der Mauer.
30.03.1897: Der Backsteinplattenbelag im Hausflur des Pfarrhauses ist abgelaufen und soll durch Elsässer Tonfliesen ersetzt werden.
04.07.1899: Malerarbeiten in der größeren Stube, Küche, Hausflur.
17.02.1904: Katasterauszug der Pfarrei Vieselbach: Pfarrgrundstück 19,18 Ar und 4 landwirtschaftliche Grundstücke.
25.08.1905: Neuanstrich von Treppen, Türen, Fenster im Pfarrhaus.
20.01.1908: Besichtigung der kirchlichen Gebäude durch die Kircheninspektion Vieselbach:
20.02.1910: Die Dielen im Erdgeschoß sind zu erneuern sowie ein transportabler Ofen in der Küche. Der Nachbar Günther hat ohne Genehmigung ein Fenster in die Mauer eingebaut.
12.07.1912: Die elektrischen Anlagen sind zu überprüfen.
01.10.1912: Die Firma Deinhardt zahlt eine Ablösung von 300 Mark für das Nutzungsrecht, das der Pfarrer am Keller des Wirtshauses „Der Burghof“ hat und das einen Wert von 10 Mark im Jahr hatte.
Orgel 1778 - 1922 (Pfarrarchiv A IV 2a/1)
20.11.1776: Reparaturvertrag
Das hiesige Orgelwerk ist sehr beschädigt und einer gründlichen Reparatur sehr bedürftig. Die Disposition ist auch sehr primitiv und schlecht. Deshalb haben der Pfarrer und die Kircheninspektoren unter Zuziehung der Vormundschaft beschlossen, nicht nur einige Veränderungen vornehmen zu lassen, sondern auch einige unnütze Register herauszunehmen und nützliche und bessere hinein zu bringen.
Das Geistliche Ministerium hat dazu am 17. Oktober schon die Erlaubnis erteilt. Deshalb ist mit dem heutigen Datum zwischen dem Pfarrer und den beiden Inspektoren der hiesigen Kirche und Schule, dem Bürgermeister und der Vormundschaft auf der einen Seite und Herrn Hess, dem sehr beliebten und berühmten Orgelmacher aus Dachwig auf der anderen Seite mit Zuziehung des Herrn Georg Heinrich Reinhardt, verdienter Rektor und Organist an der Kaufmannskirche und Schule, nachfolgender Bau- und Reparaturvertrag geschlossen worden:
Der Orgelmacher Heß verspricht, das ganze Werk von Grund auf zu reparieren und zu renovieren, alle vorgefundenen Defekte zu verbessern und neu und wohlgestimmt wieder herzustellen. Die Arbeiten an den einzelnen Registern werden aufgeführt. Bis zum Fest Kreuzerhöhung 1777 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein und zur Kirchweih soll zum ersten Mal gespielt werden. Die Kosten belaufen sich auf 140 Reussische Taler.
Vieselbach, 20.11..1776, Heß, Orgelmacher, Karl Heinrich Rambach und alle Kirchenvorsteher.
(Anmerkung: Vieselbach gehört noch zu Erfurt und deshalb ist das dortige Geistliche Ministerium zuständig. Die „Kircheninspektoren“ waren zwei Bürger von Vieselbach, die sich nur um die Bausachen an der Kirche und Schule zu kümmern hatten und immer gefragt werden wollten. Die „Vormundschaft“ ist die Gemeindevertretung der bürgerlichen Gemeinde. Das Fest „Kreuzerhöhung“ ist am 14.9., die Kirmes bald darauf. Von diesem Fest her dürfte der Name „Heilig-Kreuz-Kirche kommen).
07.09.1825: die Kircheninspektoren werden angewiesen, zehn Reichstaler an Herrn Töpfer auszuzahlen. Für Reisekosten bei der Besichtigung der Orgel (Beitragsanteil der Kirchgemeinde).
10.02.1834: Die Großherzogliche Kircheninspektion will sich beim Oberkonsistorium dafür verwenden, daß die Landesdirektion erlaubt, daß der im Jahre 1832 gemachte Aufwand für die Reparatur der Orgel im Betrag von 9 Reichstaler aus dem Gemeindeärar bezahlt wird. Die Landesdirektion erteilt die Genehmigung, bittet aber darum, künftig zu beachten, daß über eine solche Reparatur vorher oder doch wenigstens alsbald berichtet wird
(Anmerkung: Zuständig ist jetzt das Großherzogtum Sachsen-Weimar. „Gemeindeärar“ = Vermögen der bürgerlichen Gemeinde bzw. Haushaltsplan. Das „Kirchenärar“ ist die entsprechende kirchliche Kasse).
08.03.1838: Der Pfarrer legt eine Spendenliste auf und schreibt: „Wir sind wohl alle überzeugt, daß die Orgel einer baldigen Reparatur bedarf, wenn unsere Andacht nicht immer wieder unangenehmen Störungen ausgesetzt werden soll. Ein Orgelbauer hat versprochen, die Reparatur für 30 Taler auszuführen. Der Gotteskasten gibt nicht genug her, und das Kirchenärar darf auch nicht in Anspruch genommen werden. Deshalb wende ich mich an alle Freunde des kirchlichen Wesens, nach Kräften dabei behilflich zu sein (Es gehen zehn Spenden ein, die den Betrag decken).
03.07.1838: Die Kircheninspektion stimmt zu, daß die Bälge aus der angeblich feuchten Ecke des Schiffes der Kirche in den mittleren Raum des Turmes verlegt werden.
Aber das muß wirklich eine Verbesserung bringen und der Turm darf nicht beschädigt werden. Die Kosten können aus dem Kirchenärar entnommen werden.
28.07.1838: Der Kostenvoranschlag des Orgelbauers Carl Ludolff aus Klettbach für diese Maßnahme beläuft sich auf 26 Rheinische Gulden 7 Groschen 4 Heller.
23.08.1838: Die Kircheninspektion beschwert sich, daß auch noch andere, nicht genehmigte Ausgaben vorgenommen wurden.
27.08.1838: Die Kircheninspektion schlägt statt der Reparatur der Schule einen Neubau vor. Zumindest sollte man das im Auge behalten. Es soll angegeben werden, wie die Zahl der Kinder sich entwickeln wird.
Ohne Datum: Spendenliste.
22.03.1841: Für die Wiederherstellung der Orgel will das Gemeindeärar 50 Gulden geben, so daß jetzt das Oberkonsistorium um Genehmigung gebeten werden kann.
20.06.1841: Die Genehmigung wird erteilt.
23.08.1841: Gutachten des Organisten Stolze aus Weimer über die von dem Orgelbauer Witzmann vorgenommenen Orgelreparatur: Die Defekte wurden abgestellt, so gut das bei einem so alten Werk möglich ist. Die Orgel erhält mehr Wind. Sein abschließendes Urteil: Das alte Werk stellt eine Vermehrung des Schmuckes der Kirchendecke dar.
10.06.1851: Der Orgelbauer Witzmann aus Kleinrudestedt erhält vom Kirchenvorstand den Auftrag, die Orgel notdürftig so wieder herzustellen, damit bei der Einführung der neuen Lehrer nicht mit Störungen zur rechnen ist. Vorgesehen sind 3 bis 4 Gulden. Der Orgelbauer hat aber 15 Gulden in Rechnung gestellt, weil die Arbeiten umfangreicher waren. Die Kircheninspektion soll die Mehrkosten genehmigen.
22.09.1857: Es soll für eine neue Orgel gesammelt werden
14.09.1857: Es wird aber weiter an der Orgel repariert. Aber das Ministerium verfügt, daß dafür kein Kirchenkapital verwendet werden darf.
24.07. 1857: Auch in Hochstedt muß die Orgel repariert werden. Der Kostenvoranschlag beläuft sich auf 84 Gulden. Aber nachher sind es noch 30 Gulden mehr. Aber das Werk ist auch sehr gelungen.
Ohne Datum: Für die Reparatur der Orgel sind 200 Gulden nötig. Aber die bürgerliche Gemeinde will nichts dazu geben, weil es doch unnütz ist und an einen Neubau der Kirche auch in 100 Jahren nicht zu denken ist. Für den Neubau einer Orgel aber würde man 1000 Gulden geben, wovon die Hälfte durch eine Umlage aufgebracht werden soll. Das Staatsministerium soll die Genehmigung zum Neubau geben.
Auch der Pfarrer sagt, daß durch eine Reparatur die Kirchenmusik nicht unterstützt werden kann. Man plant einen Neubau der Kirche und will deshalb die Orgel nur reparieren. Der Pfarrer aber meint, daß die Kirche ausreicht, aber eine neue Orgel müsse her. Das Ministerium genehmigt aber nur eine Reparatur bis zum Betrag von 200 Gulden.
Der Pfarrer gibt aber noch nicht auf. Er will 650 Gulden aus dem Kirchbaufonds nehmen, 50 Gulden beim Verkauf der alten Orgel erlösen und den Rest durch Spenden zusammen bekommen. Er bittet das Ministerium im Auftrag des Kirchenvorstandes nochmals, einen Neubau zu genehmigen.
November 1858: Es wird gesammelt für die Umbauten in der Kirche, die durch den bevorstehenden Orgelbau notwendig werden (Erweiterung der Emporen, des Orgelchors, neue Eingänge zu den Emporen). Es kommen fast 200 Gulden zusammen.
22.11.1858: Der Orgelbaumeister Carl Friedrich Peternell aus Seligenthal (bei Schmalkalden) versichert, daß eine neue Orgel ohne Probleme in eine neu zu bauende Kirche umgesetzt werden könnte und auch für eine größere Kirche ausreichend wäre.
07.12.1858: Der Neubau der Orgel ist genehmigt, der Pfarrer legt die Unterlagen vor. Der Orgelbauer Peternell wurde von einem Sachverständigen aus Weimer empfohlen. Der Pfarrer hat selber eine Orgel Peternells in Reisdorf bei Eckartsberga geprüft. Die Disposition der Orgel in Vieselbach soll entsprechend sein. Nur will man aus der alten Orgel die Register Bordun 8 Fuß auf dem Hauptwerk und Cornett aus dem Obermanual und Gedackt Baß 8 Fuß übernehmen. Man bittet um Genehmigung des Vorschlags. Die Oberbehörde soll nur entscheiden, ob man Posaunen 16 Fuß oder Principalbaß 16 Fuß (dieses ist 30 Gulden billiger) nehmen soll.
Die neue Orgel kommt auf dem Unterchor zu stehen. Sie wird 6 Fuß hoch sein. Gemeindeglieder haben bereits 170 Gulden an Spenden zugesagt. Die Gemeinde gibt die Garantie, daß notfalls sämtliche Kosten in Höhe von 1200 Gulden von der Gemeindekasse übernommen werden. Die alte Orgel wird Peternell für 100 Gulden übernehmen.
Die Disposition wurde am 27.11. im Gemeinderat mit 13:1 Stimmen genehmigt (die Gegenstimme erfolgte nur, weil einer den Schullehrer aus persönlichen Gründen ärgern wollte).
01.03.1859: Die Kircheninspektion mahnt, daß die Veränderungen in der Kirche für den Neubau der Orgel dem Staatsministerium vorgelegt werden müssen.
20.03.1859: Die Behörde hat noch Änderungswünsche und zeichnet diese in die vorgelegten Pläne. Vor allem geht es um die wegfallenden Sitzplätze. Man erwägt, deshalb eine Treppe außen an die Kirche anzubauen.
10.04.1859: Vertrag mit dem Orgelbauer Peternell. Es gelten die schon vereinbarten Abmachungen von 22.11.1858. Die Orgel muß zum Kirchweihfest Mitte September eingeweiht werden.
05.05.1859: Die Kircheninspektion wird gebeten, die Genehmigung zu erteilen. Die Orgel soll auf den Oberchor und 17 klingende Stimmen haben.
25.05.1859: Das Staatsministerium genehmigt den Bau.
30.07.1859: Es dürfen 200 Gulden durch eine Umlage in der Gemeinde gesammelt werden.
18.10.1860: Die Orgel ist nach dem Gutachten von Professor Töpfer aus Weimar ein vortreffliches Kunstwerk. Die Kircheninspektion spricht allen Beteiligten Dank und Anerkennung aus.
27.08.1861: Aufstellung über die Ausgaben.
09.11.1893: Kostenvoranschlag für das Wiederaufstellen der Orgel in der neuen Kirche über 1,114 Mark. Adolf Eifert, Hoforgelbauer, Stadtilm.
Disposition:
A. Hauptwerk: Principal 8, Quintatön 16, Gamba 8, Hohlflöte 8, Oktave 4, Mixtur 2-4-fach.
B. Oberwerk: Geig-Principal 8, Salicional 8, Lieblich Gedackt 8, Geig-Principal 4, Flöte 4.
C. Pedal: Violonbaß 16, Subbaß 16, Principalbaß 8, Gedacktbaß 8, Manual-Koppel, Pedal-Koppel, Calcantenzug (für Balgtreter).
28.09.1895 Gutachten über die Orgel des Orgelbaumeisters Berthold durch den Weimarer Hoforganisten.
13.11.1921: Orgelbaumeister Böttcher in Weimar will einen Orgelprospekt und neue Prospektpfeifen liefern.
11.3.1922: Auch die Firma Böhm in Gotha legt einen Kostenvoranschlag vor.
17.04.1922: Den Einbau nimmt aber dann die Firma Andreas Helfenbein vor, die nicht dem Verein der Orgelbaumeister Deutschlands angehört.
Personalien des am 9. August 1736 in Jesu selig verstorbenen Johann Ernst Beithahnes
Was etwa von unserem selig verstorbenen Mitbruder Hans Ernst Beithahn noch nicht erwähnt wurde, das ist nichts anderes als der Anfang, Fort- und Ausgang seines irdischen Lebens.
Vom Anfang seines zeitlichen Lebens ist zu sagen, daß er von christlichen und ehrlichen Eltern aus einem reinen und keuschen (?) Ehebette geboren wurde und zu Eliilphleben (?) an der Lengwitz den 17. Mai 1678 glücklich zur Welt geboren wurde. Der Vater war David Beithan, die Mutter Magdalena geborene Stolmag (?). Und da seine Eltern wohl wußten, daß ihr Söhnlein in Sünden empfangen und geboren ist, sind sie bedacht gewesen, es zu einem Christen wiedergebären zu lassen durch das Bad der Wiedergeburt, das heißt durch die Taufe. Deren Zeuge ist Johann Ernst Greßer gewesen, damaliger Kirchenältester und Musiker von hier.
Als die Fähigkeit des Verstandes sich merklich äußerte, wurde der selig Verstorbene zur Erbauung des wahren Christentums fleißig in die Schule geschickt, wo er auch in allen nötigen Stücken Fortschritte machte, so daß er zur rechten Zeit mit Ruhm zum ersten Mal das Heilige Abendmahl hat genießen können.
Sobald er seine Schuljahre beendete, hat er sich in Arbeiten, häuslichen Geschäften und anderen, dem Landwirt zustehenden Verrichtungen wohl geübt, solange bis er seine Mannesjahre erreicht hat. Dann hat er sich hierher nach Großmölsen begeben, um sich niederzulassen und seinen eigenen Haushalt zu gründen. Deswegen ist er auch - nicht ohne göttliche Fügung - mit der damaligen Jungfer Anna Catharina Straubig ein christliches Eheverlöbnis eingegangen und hat sich am Dienstag vor dem Martinstag 1701 daraufhin öffentlich verheiraten lassen. Mit dieser ersten Frau hat er zwei Söhne gezeugt, so noch - solange Gott will - am Leben sind.
Hierauf geschah es, daß Gott ihm sein Weib den 14. Oktober 1715 durch den Tod von der Seite nahm. Dadurch wurde er bewogen, sich zum andern Mal mit der damaligen Jungfer Elisabeth Bischof, des ehrsamen Meister Bischof, Schneiders in Neumark (?), leibliche Tochter, ehelich zu verloben. Am 24. November 1716 ließ er sich im erwähnten Neumarck verheiraten. In dieser anderen Ehe hat er mit seiner Frau 2 Söhne und 2 Töchter gezeugt, die ebenfalls als trauernde Waisen noch leben.
Nun ist der Fortgang seines Lebens und Christentums auch noch etwas zu berühren: So ist bekannt, daß er mit seinem Weib jederzeit gelebt hat, wie es sich einem treuen Ehegatten geziemt. Seine von Gott ihm geschenkten Kinder hat er zu allem Guten erzogen. Er hat sich mit jedermann, so viel ihm möglich gewesen ist, friedlich und schiedlich vertragen. Er hat den Gottesdienst jederzeit fleißig und mit Andacht besucht, dabei aber sich öfters als ein armer Sünder zur Rechten Zeit im Beichtstuhl eingefunden und das Heilige Abendmahl zur Vergebung seiner Sünden, Stärkung seines Glaubens und Versicherung des Ewigen Lebens genossen, bis er kürzlich wegen plötzlicher Schwachheit des Leibes aus der Kirche hat gehen und sich zu Bett legen müssen.
Das gibt Gelegenheit, endlich auch noch den Abschied des selig verstorbenen Mitbruders aus diesem mühseligen Leben zu erwähnen. Die Todesursache ist nichts anderes als ein wegen eines widerwärtigen Soldaten erweckter Zorn und Widerwillen, der ihm so schädlich gewesen ist, daß er so bald geklagt hat und Hitze und große Kopfschmerzen empfunden hat. Den schnellen Angriff der Krankheit hat man versucht, durch Verschreibung heilsamer Mittel zu beheben. Aber es hat nichts gefruchtet, sondern es sollte vielmehr gefährlicher werden.
Als er nun im voraus merkte, daß er von seinem Lager nicht wieder hoch kommen würde, weil Hitze und Kopfschmerzen überhand genommen hatten, bestellte er sein Haus. Er bedachte vor seinem Ende nicht nur die Seinigen, sondern vielmehr und am meisten sorgte er für seine arme Seele. Er ließ sich durch den wohlehrwürdigen Herrn Magister Saltzmann - weil sein eigner Seelsorger sehr unpäßlich krank darniedergelegen hat - kurz vor seinem Tode auf die Himmelsreise schicken, mit Unterricht aus Gottes Wort und Gebrauch des Heiligen Abendmahls. In diesem Sinne war auch sein seliger Ausgang unter Beteiligung seiner Familie und Umstehender. Er ist im Geiste Jesu, seines Erlösers und Seligmachers, sanft eingeschlafen, gestern um die Mittagszeit, nachdem er sein irdisches Lebens gebracht hat auf 58 Jahr 3 Monat und einen halben Tag. Votum.
[Anmerkungen: Die Übertragung ist ohne Gewähr geschehen. Vor allem die Eigennamen sind nicht sicher zu erkennen. Die Schreibung wurde der heutigen angepaßt und die Kommas entsprechend verändert. Aber die Struktur der Sprache wurde nicht angepaßt.
Hier handelt es sich wohl weniger um eine Beerdigungspredigt, sondern eher um eine „Parentation“, die der Lehrer zu verfassen und zu verlesen hatte. Dazu griff er auf sein Wissen zurück, zog aber auch die Kirchenbücher zu Rate. Deshalb ist der Stil wohl so formelhaft, weil er keine allzu großen Unterschiede machen durfte. Für diese Arbeit erhielt der Lehrer eine gesonderte Vergütung. Die Predigt – wenn eine solche noch gehalten wurde – hielt der Pfarrer, wenn nicht gar der Lehrer allein die Beerdigung hielt (dann nur liturgisch, ohne Predigt).
„Martini“ ist der 11. November.
„copulieren“ heißt „heiraten“, die gleiche Bedeutung hat „zusammen sagen“.
„aus der Kirche gehen“ meint „nicht mehr in die Kirche gehen können“.
Mit dem Votum am Schluß ist wohl eine feststehende Redewendung gemeint].
Inventarverzeichnis der Kirche zu Wallichen
Bestimmung der Gegenstände Bemerkungen
Kapitel I
Gebäude
In der Kirche eine Orgel.
Kapitel II
Feldgrundstücke Katastermäßige Beschreibung
1.) 19 ¾ Ar 19 Ruthen Artland 9 ¾ Ar 23 ¼ Ruthen Gebr. im Thale 2 ¾ Ar 30 ¼ Ruthen Gebr. des.
2.) 2 Ar 2 ¼ Ruthen Wiesen 1 ½ Ar 5 Ruthen Gebr. auf dem Liedenberge
2 ¼ Ar 21 ¼ Ruthen Gebr. daselbst
1 Ar 21Ruthen Gebr. und 9 Ruthen
Wiese im Bohnenfeld
½ Ar 2 ¼ Ruthen Wiese hinter der Mühle
1 ½ Ar Wiese auf der Koppel, dafür nach der Flurbereinigung: Nr. 135 „An der Niederzimmer’schen Grenze“, 5 ha 12 a 95 qm.
Cap. III
Gerechtsame
1.) Steuer- und Zinsfreiheit der Kirchengrundstücke
2.) Frondienste der Ortsbürger, wofür aber der Arbeiter mit Gespann pro Tag 5/16 Heller, der Handarbeiter 1/16 Heller pro Tag erhält (Anmerkung: abgeschafft)
Cap. I
Gerätschaften, Altar- und Kanzelbekleidungen ...usw.
ein neusilberner Hostienteller
auf dem Altar
10. ein seidenes Tuch im Kirchenschrank in der Schule
(ursprünglich: drei seidene Tücher, 2 davon sind unbrauchbar)
12a. eine Altar- und Kanzelbekleidung von rotem Tuch (gewidmet von Witwe Friderike
Deinhardt im Jahre 1870)
14a. ......... (gestrichen)
Unterfutter die Schüssel und Bekleidung im Kirchenschranke
Sakristei, gestrichen) steht in der Schule
30. ein Leuchter in der Sakristei von Metall (gestrichen)
Cap. II
1.) ein neues Choralbuch von Töpfer
2.) „ „ „ .......... (gestrichen)
3.) eine Bibel in 4. mit Lederband und Goldschnitt
4.) eine weimarische Kirchenagende von 1771 (überschrieben: Kirchengebete von 1699)
sämtlich zum Gebrauch in der Kirche
5.) eine gothaische Kirchenagende von 1724
6.) ein weimarisches Gesangbuch in der Sakristei (überschrieben: Gesangbuch)
7.) ein weimarisches Gesangbuch auf der Chorempore
8.) Biblische Betrachtungen auf alle Sonn- und Feiertage des Jahres, Leipzig 1838
9.) das neue Evangelienbuch vom Jahre 1824, in der Sakristei
10.) das weimarische Kirchenbuch, 2 Teile in 1 Band, mit Goldschnitt, in der Sakristei
11.) Kirchen- und Schulblatt 1864 vollständig, 1865 fehlt Nr. 19, 1866 fehlt....1872 fehlt Nr. 2
12.) Gerok: Predigten, Evangelien, 1874
13.) 1 Band (?) Predigt von Müllensichen (?)
14.) 3 Stück Chor-Agenden
15.) 2 Stück Chormelodien-Bücher
16.) 1 Stück Choralmelodienbuch von Niese
17.) 1 neues Familienregister
18.) 1 Halleluja (Kirchenmusikstück) in den Händen des Lehrers
19.) 4 Stück neue Kirchenordnung in den Händen der Kirchenvorstandsmitglieder
Cap III
Akten nicht erfaßt
Cap IV
Zur Kirchenmusik gehörige Gegenstände, Instrumente und Musikalien und sonstige Geräthschaften nicht erfaßt
2 Pauken, welche dem früher bestehenden Schülerchor gehören. Diese sind im Jahr 1870 verkauft worden und dafür ein Waschkessel in die neue Küche des Schulhauses angeschafft worden.
Ferner im Jahr 1898 folgende Bücher:
20.) Liebig, Vorspiele, 1.2., Kern, Organist 6 (in den Händen des Lehrers),
Müller, Orgelstücke 6
21.) 1 Schöllden (?), Gesangbuchkonkordanz
22.) 1 Gesangbuch für den Organisten
23.) 2 neue Musikstücke (Palme, Meister) für den Organisten, 1900 angeschafft
24.) 1 neue Altar- und Kanzelbekleidung von rotem Plüsch
25.) 2 neue blecherne Sammelbüchsen in die Kirche zur Aufnahme der sonntäglichen Opfer-
pfennige
26.) 1 Reukauf, Religionsunterricht, in den Händen des Lehrers
27.) 1 Arper, Agende I
28.) 1 „ „ III
29.) 1 „ „ II
30.) Arper, Agende „Aus tiefer Not“.
[Anmerkung: Das Inventarverzeichnis ist ursprünglich offenbar von 1853, ist aber später ergänzt und überarbeitet worden, zuletzt wohl 1900.
Sequestration bedeutet in diesem Zusammenhang wohl „Flurbereinigung“
„iuxto“ bedeutet „zusammen mit“, „d.a.“ bedeutet „de anno“= „vom Jahre“„vacat“ bedeutet „fehlt“ (entweder „nicht vorhanden“ oder „nicht aufgeführt“].
6. Am 30. Julius beschloß die Gemeindeversammlung einstimmig, der Kirche eine neue Orgel aus Gemeindemitteln bauen zu lassen. Der Orgelbauer Schulze aus Paulinzella übernahm den Bau. Die Kosten betrugen 800 Gulden. An freiwilligen Beiträgen dazu sind eingegangen 100 Gulden von dem hiesigen Einwohner Nikolaus Kramer. Die alte Orgel übernahm Schulze zu 50 Gulden, so daß also die Gemeinde 650 Gulden aus ihren Mitteln zu gewähren hatte.
Die Aufsteller der Orgel hatten während der Dauer der Aufstellung der Orgel, nämlich 5 Wochen hindurch freie Beköstigung, die von verschiedenen Gemeindegliedern - und zwar unentgeltlich - gewährt wurde. Die Prüfung und Übernahme der Orgel geschah durch den Herrn Schulmeister Schulze in Udestedt, der die Orgel für durchaus gelungen und preiswürdig erklärte. Anwesend dabei war auch der Herr Justizamtmann Bartholomä aus Vieselbach, welcher für diese Angelegenheit ein sehr lebendiger Interesse an den Tag legte.
Oßmannstedt
Abenteuerspielplatz eines poetischen Landjunkers.
Ein solches Projekt ist immer einem langgehegten Tagtraum entsprungen: Der Umzug aufs Land in ein bequemes Gutshaus mit Park und einigem Acker-, Obstbaum- und Wiesengrund, am besten mit der gesamten Familie, den Kindern und Enkeln, viel Platz für Besucher, aber doch weit genug von der rührigen Residenz entfernt, daß nur solche Gäste kommen, die man erträgt - und schreiben, endlich in Ruhe schreiben!
Vielleicht sollte man es beim Traum belassen. Nach sechs Jahren in der Wirklichkeit als „poetischer Landjunker“, gebeutelt von ewigen Geldsorgen, überdies tief getroffen vom Tod der Gattin und der engen Freundin Sophie Brentano, zog jedenfalls Christoph Martin Wieland ein Resümee des geplatzten Traums, nachdem er im Jahr 1803 sein Landgut Oßmannstedt wieder verkauft hatte und nach Weimar zurückgezogen war: „Ich hätte dies Gut wol eigentlich nie kaufen sollen. Die Passivschulden und die bey einer Wirtschaft gar nicht im voraus zu berechnenden Fehlschlagungen drückten mich zu sehr. Ich mußte mehr schreiben, als gut war, blos um den Ausfall in meiner Einnahme zu decken.“
Im Rückblick auf Wielands fast achtzigjähriges Leben scheint das Abenteuer Oßmannstedt, das der Dichter als immerhin schon Dreiundsechzigjähriger begann, nur eine Episode, so wie umgekehrt diese sechs Jahre in der Geschichte des Guts mit seinen wechselnden Besitzern nicht allzu viele Spuren hinterlassen haben. Immerhin ließ Wieland ein Wirtschaftsgebäude errichten und im weitläufigen Garten „über dreihundert fruchtbare Bäume“ pflanzen, wie er im Dezember 1797 an seinen Verleger Göschen schreibt, dem er verspricht, er werde „sich in ein kleines Paradies versetzt“ fühlen, wenn er Oßmannstedt künftig besuche. Doch nach einigen Besitzerwechseln, nach Einrichtung einer Schule im Gutshaus, eines Schulhofes auf dem Gartenstück vor der ehemaligen Orangerie und eines Sportplatzes mitten auf der Wiesenfläche zu DDR-Zeiten erinnerte bis vor kurzem nicht mehr viel an den Dichter. Für den im Westen lebenden Erzähler in Arno Schmidts Roman „Brand's Haide“ ist jedenfalls die Tatsache, daß die ostdeutsche Regierung „Wielands Osmannstädt zerfallen“ lasse, Grund genug, lieber doch nicht Kommunist zu werden.
Es dauerte ein gutes Jahrzehnt nach dem Mauerfall, bis auf Initiative und mit Unterstützung des Wieland-Forschers Jan Philipp Reemtsma die insgesamt 1,9 Millionen Euro teure Sanierung von Gutshaus und Teilen des Parks begonnen wurde, und noch einmal fünf Jahre, bevor am vergangenen Wochenende das „Wielandgut Oßmannstedt“ getaufte Museum eröffnet wurde.
Mittlerweile gehört es zur Stiftung Weimarer Klassik, der jüngst ein Gutachten Konzeptlosigkeit in der Forschung und mangelhafte Pflege ihrer einzigartigen Bestände vorwarf (F.A.Z. vom 25. Juni). Als deren Präsident Helmut Seemann nun in Wielands ehemaligem Sommersalon vor einem Zitronenbäumchen das neugestaltete Gutshaus vorstellte, pries er es als „Blaupause“ und „Modellfall dafür, was wir mit der Stiftung insgesamt wollen“ - die Verbindung von Forschung mit „lebendiger, bildender Vermittlung“.
Weil das einigermaßen wolkig ist, wird es in Oßmannstedt konkret. Das eigentliche Museum nimmt nur einen kleineren Teil der Fläche ein, andere Räume dienen der Wieland-Forschung, wo unter anderem eine historisch-kritische Werkausgabe erstellt werden soll und eine Bildungsstätte, getragen von der als Verein organisierten „Weimar-Jena-Akademie“. Die will sich. sagt ihr Vorsitzender Justus Ulbricht, dem „Bildungsbegriff“ widmen, „von seiner Entfaltung bis zu seiner Desavouierung“, also „von Weimar bis Buchenwald“.
Wie das fernab aller Ankündigungen mit der Forschung und der Vermittlung zusammengehen soll, zeigt dann das Museum im ersten Stock: ein Korridor, drei Räume, keine schriftlichen Erläuterungen zu den Objekten, statt dessen ein computergestütztes Audioguidesystem, das erkennt, wo sich der Besucher befindet, und es ihm ermöglicht, exzellent ausgewählte und dargebotene akustische Informationen zu den Exponaten, zu Wielands Leben oder dem literarischen Hintergrund abzurufen. Daß man diesen Autor laut lesen sollte, um seine Musikalität, seinen funkelnden Stil ganz zu genießen, hat Reemtsma mit einigen von ihm gesprochenen Wieland-Hörbüchern gezeigt, und die Zitate aus den Audioguides untermauern diesen Eindruck - nicht selten übrigens im Kontrast zu den dort ebenfalls vorgetragenen Sätzen, die von Wielands vielen Besuchern herrühren. Die Datenbank, auf der die Audiokommentare abgelegt sind, soll ständig durch aktuelle Forschung zur Wieland-Zeit erweitert und demnächst von einem Nebenraum aus am PC zugänglich werden.
Allzu viele Originale aus Wielands Besitz werden in Oßmannstedt freilich nicht gezeigt, weil sie der Fundus der Stiftung Weimarer Klassik nicht umfangreicher enthält. So müssen vielfach ähnliche Möbel, zeitgenössische Stiche oder nur motivgleiche Skulpturen reichen. Und daß in Wielands Bibliothekszimmer wuchtige moderne, leere Bücherregale die alte Funktion des Raumes symbolisieren sollen, ist dann doch recht wunderlich.
Natürlich ist es da eine gute Entscheidung, dem Museum die Bildungsstätte in dem einigermaßen geräumigen Haus an die Seite zu stellen und damit auch ein wenig auf die immense geistige Arbeit jener Oßmannstedter Jahre zu verweisen. Denn wenn Wieland den Schreibzwang beklagt. den ihm seine wirtschaftliche Situation auferlegt hätte, so entstehen dabei doch neben vielen anderen Werken - etwa dem „Agathodämon“, den Xenophon-Übersetzungen oder den Arbeiten für das „Attische Museum“ - zwei historische Briefromane, die man zu seinen besten Texten rechnen wird: Umfangreich der eine, „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“: schmal der andere, „Menander und Glycerion“, und wenn in diesem der traurige Charme der Geschichte in der gleitenden, jederzeit nachvollziehbaren Erosion einer ungleichen Liebe besteht, so ist es im „Aristipp“ die Gestalt der schönen Lais, der sich schon die zeitgenössischen Leser nicht entziehen konnten.
Als ihn seine Jugendliebe Sophie von La Roche im Sommer 1799 in Oßmannstedt besuchte (und sich die ehemaligen Verlobten nach fast dreißig Jahren wiedersahen), brachte sie ihre labile dreiundzwanzigjährige Enkelin Sophie Brentano mit, die sich bald eng mit dem Dichter anfreundete und nach ihrer Rückkehr nach Frankfurt in einem Brief an den Gastgeber dessen Darstellung der Lais überschwenglich feierte: „Zarter, feiner, überirdischer, und doch auch menschlicher, kann es nichts geben als diese Schilderung. Mein Vater, wer hat das tausendfältige Gewebe eines weiblichen Herzens so klar und plan vor Ihren Augen ausgebreitet, daß es scheint als hätte es nur einiger flüchtigen Züge Ihrer Feder bedurft, um eine so herrliche Erscheinung wie Lais, mit allen Schattirungen auszumahlen? - Mir bleibt dies ewig ein Räthsel.“
Im selben Brief kündigt Sophie ihren neuerlichen Besuch „mit der ersten Nachtigall“ ins „theure Osmantinum“ an, „und ich hoffe, mein Vater soll mich nie mehr daraus verweisen. — Wie wohltuend lächelt mir diese Aussicht zu!“ Die Hoffnung auf den Besuch sollte sich erfüllen, der Wunsch nach fortdauerndem Bleiberecht auch, allerdings unter trüben Bedingungen. Denn Sophie starb auf Oßmannstedt und liegt dort auch begraben, in einer gemeinsamen Ruhestätte mit Wielands kurz darauf gestorbener Frau Anna Dorothea und - seit 1813 - dem Dichter selbst, der sich nach dem Verkauf des Gutes vom neuen Besitzer einen eigenen Zugang zu dem Platz am Rande des Parks ausbedungen hatte. Seither führt ein kleiner Fußweg das Ufer der Ilm entlang bis zu dem Aussichtspunkt mit dem Grab, auf dem seit 1807 eine dreiseitige Pyramide an die Toten erinnert.
Jetzt, nach der Einweihung des Gutshauses, soll allmählich auch der Park in den alten Zustand versetzt werden, wenigstens ein bißchen. Der Fußballplatz und die „Sportstätte Max Bamberg“ werden wohl weichen müssen, zum verständlichen Kummer des „Oßmannstedter SV“, der, stolzer Kreismeister der Jahre 1957 und dann noch einmal 1987, gegenwärtig das Gelände nutzt und gerade die neue Saison in der 2. Kreisklasse bereitet. Mit dem erklärten Ziel, am Ende nicht den letzten Platz zu belegen, heißt es auf der Website: „Dabei geht es auch um Argumente im Kampf um längst mögliche Erhaltung unseres Sportplatzes bzw. für den Neubau eines neuen Platzes und damit um die Zukunft Vereins“
Noch wirkt das Gelände auf charmante Weise unfertig, und wer vom Gutshof hinüber zur kleinen Schule schaut, die im Nebengebäude Unterschlupf gefunden hat, auf den Kinderspielplatz im Wiesenstück, die plastikverpackten Heuballen weiter hinten, die Allee, die wie ein und schmaler Wald das Gelände einfaßt von der friedlich plätschernden Ilm abgeschirmt, kann sich durchaus vorstellen, daß dieser Zustand noch ein paar Jahre anhalten wird.
Als Karl Immermann 1837 Weimar besuchte, schlug er vor, man solle doch die Jugend ans Goethehaus führen, „damit sie den Eindruck eines redlich verwandten Daseyns gewinnen“ und dabei „Fleiß, Wahrhaftigkeit und Consequenz“ geloben solle. Oßmannstedt wäre dafür
jedenfalls auch kein schlechter Ort, selbst wenn der Genius loci etwas mühsamer aufzufinden ist als im musealen Haus am Frauenplan. Und auch das Resümee des gebeutelten Wieland fällt am Ende seines ländlichen Abenteuers positiv aus: „Ich habe diesem Oßmannsted doch auch viele selige Stunden zu verdanken. Dieser reinen Natur- und Genuß-Fülle entkeimte die schönste Blüthe meines Alters, mein Aristipp, der ohne diesen stillen Selbstgenuß, ohne dies heitere Land- und Gartenleben nie empfangen und geboren worden wäre.“
Zum Wielandgut Oßmannstedt erscheint ein von Klaus Manger und Jan Philipp Reemtsma herausgegebener und von Friedrich Forssman gestalte reichbebilderter Katalog (Stiftung Weimarer Klassik bei Hanser).
Weimar
Lucas Cranach, Friedrich der Weise, Friedrich Myconius, Johann Gottfried Herder ... Namen, die mit Weimars Kirchengeschichte verbunden sind. Doch diese reicht Hunderte Jahre weiter zurück. Zu den frühesten Quellen gehören 300 Originalurkunden des Klosters Oberweimar, die sich im Thüringischen Hauptstaatsarchiv befinden und deren älteste aus dem Jahre 1244 stammt.
Die Kirche der Burg - an der Stelle des heutigen Schlosses gelegen - tritt erstmals in einer Oberweimarer Urkunde aus dem Jahr 1250 mit ihrem Geistlichen in Erscheinung. In einer Ablaßurkunde von 1317 wird der heilige Martin als Schutzpatron genannt. Diesen hatten die Franken mit nach Thüringen gebracht, als sie hier seit dem sechsten Jahrhundert ihre Stützpunkte ausbauten und Kirchen errichteten. Historiker vermuten deshalb, daß die Martinskirche auf der Burg im achten Jahrhundert (oder früher) errichtet wurde. Die Erklärung des Namens Weimar als „heiliges Wasser“ deutet zudem auf ein vorchristliches Heiligtum hin. So könnte hier nicht ohne Grund eine christliche Kirche errichtet worden sein, zu der ein größerer Pfarrsprengel gehörte.
Seit 1168 hatte das Jakobsviertel seine eigene Kirche, 1249 wird erstmals der Pfarrer zu St. Peter, also der Stadtkirche, genannt. So verlor der Geistliche auf der Burg noch im 13. Jahrhundert seine Pfarrerseigenschaft und wirkte hauptsächlich als Kaplan der gräflichen Familie.
Neben dem Augustinerorden im „Rollbackhause“ (in der Rollgasse), in dem Luther gelegentlich abgestiegen ist, gab es im späteren Kornhaus (heutige Musikhochschule, Am Palais) seit Mitte des 15. Jahrhunderts die Bruderschaft der Franziskaner. In dieser empfing Friedrich Myconius, der spätere „Reformator Thüringens“, 1516 die Priesterweihe, acht Jahre darauf wurde er evangelischer Pfarrer und 1529 Superintendent in Gotha.
Luther predigte mehrfach in der Weimarer Stadtkirche. Von dieser aus ließ Kurfürst Johann der Beständige 1525 - nach dem Tode seines Bruders Friedrichs des Weisen - die Reformation im ganzen Land offiziell einführen, als der bisherige Mitregent das Weimarer Schloß verließ und mit seinem Sohn Johann Friedrich, der 1532 Kurfürst wurde, als neuer Landesherr nach Torgau und Wittenberg zog.
Bei seiner Antrittspredigt schaute Johann Gottfried von Herder 1776 von der Lutherkanzel der Stadtkirche auf die großen Altarbilder von Lucas Cranach und fühlte sich von den dort gemalten Zeugen der Reformationsgeschichte angezogen. Auf Goethes Vorschlag war der Philosoph, Theologe und Pädagoge durch Herzog Carl August auf die Stelle des Generalsuperintendenten und Ersten Predigers berufen worden, die er bis 1803 ausübte. Bereits 1850 wurde ihm als erstem der Weimarer Dichter ein Denkmal vor der Stadtkirche errichtet.
Weimar
Goethes Wohnhaus am Frauenplan, ist fast immer die ultimative Anlaufstelle für Besucher der Stadt an der Ilm. Goethe selbst hat seine Residenz zu einem Gesamtkunstwerk geformt, hat Schätze und Sammelstücke aus aller Welt zusammengetragen. Besucher empfing der Herr Geheimrat im Juno- oder im Urbinozimmer - die Zimmer, in denen er seine Sammlungen verwahrte. Die dem Garten zugewandten Räume waren bestenfalls engsten Freunden und Familienangehörigen zugänglich und dienten dem Dichter als Refugium. Heute sind alle 24 Räume des Hauses der Öffentlichkeit zugänglich. Zuweilen sollte der Gast, wie schon zu Zeiten des Dichterfürsten, ein wenig Geduld mitbringen - wenn auch heute wegen der Beschränkung der Besucherzahlen. Die Wartezeit läßt sich jedoch hervorragend im angrenzenden Goethe- Nationalmuseum überbrücken, wo man auch an Tagen größten Ansturms meist noch Einlass findet und in einem hochinteressanten Schnellkurs eine Einführung in Leben und Wirken des Dichters, Forschers, Staatsmannes und Theaterintendanten Goethe erhält.
Oder man begibt sich - zwecks Feldforschung und Stärkung von Leib und Seele - in Goethes Lieblings-Etablissement, das Gasthaus „Zum weißen Schwan“, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnhaus am Frauenplan auch heute wieder seine Gäste jederzeit mit weit offenen Flügeln“ begrüßt, wie schon der Meister im Jahre 1827 erfreut feststellte.
Wer abends nach der „Pflicht“ noch Kraft für die „Kür“ aufbringt, sollte sich über die Tourist-Info am Markt (neben dem CranachHaus) oder sein Hotel rechtzeitig Karten für das Deutsche Nationaltheater sichern. Hier war Goethe von 1791-1817 Intendant, hier wacht er bis heute über das kulturelle Leben der Stadt, auf dem Denkmalsockel vor dem Theater neben seinem Freund Friedrich Schiller stehend. Ein kleines Geheimnis wollen wir noch verraten: In Wirklichkeit war Goethe ein ganzes Stück „kürzer“ als sein junger Freund Schiller. Angesichts ihrer literarischen Bedeutung stellte der Bildhauer Ernst Rietschel die beiden Dichter gleich groß dar. So mußte sich keiner der beiden im Grabe umdrehen - das sie sich im übrigen ebenfalls teilen, in der sogenannten Fürstengruft auf dem historischen Friedhof von Weimar.
Ein gastfreundliches Völkchen waren die Weimarer schon immer, schließlich haben sie reichlich Übung darin. Als Bühne für zahlreiche Feste und Veranstaltungen hält die Klassikerstadt bis heute gerne her - vom Kunstfest im Sommer bis zum legendären Weimarer Zwiebelmarkt im Herbst. Einen vorläufigen Höhepunkt der Festivitäten bildete das Kulturstadtjahr 1999 - und einen willkommenen Anlaß, mit Hilfe europäischer Fördergelder so manche notleidende Fassade zu restaurieren. Millionen von Besuchern aus aller Welt präsentiert sich Weimar seitdem frisch herausgeputzt, als vorbildliche Museumsstadt, als Tagungsort oder als besonderer Ort für die unvergeßliche Hochzeit im gotischen Rathaus am Markt. In jüngster Zeit wird das malerische Weimar verstärkt zur gefragten Filmkulisse. Besonders spektakulär waren für Weimars Bürger und Besucher die Dreharbeiten für den Ende 2006 ausgestrahlten Tatort-Krimi „Schlaflos in Weimar“. An jeder Ecke tauchte das Filmteam um den beliebten Leipziger Kommissar Ehrlicher auf, vom Dorint Hotel über die Villa Haar im Goethepark bis hin zur neuen Uni-Bibliothek. Seither werden immer häufiger Rufe nach einem eigenen Weimarer Tatort-Ermittlerteam laut. Eigentlich doch eine schöne Idee - abgesehen davon, daß im idyllischen Weimar das Verbrechen zum Glück eher nicht zu Hause ist. Aber eine Kommissarin Friederike Schiller mit Assistent Johannes Wolf - reizvoll wäre das schon! (nach Marion Bröhl, Weimar, siehe „www.broehltxt.de“, herzlichen Dank für die Genehmigung).
Eisenberg
Kreisstadt und einstige Residenzstadt
Die einstige Residenzstadt Eisenberg ist die größte Stadt des Saale-Holzlandes und gleichzeitig Sitz der Kreisverwaltung. Besucher sind immer wieder überrascht von der angenehmen Atmosphäre des historischen Stadtkerns mit der gut erhaltenen Bausubstanz aus dem 15. Jahrhundert.
Besonderer Anziehungspunkt für Touristen ist das Schloß Christiansburg mit der barocken Schloßkirche, einer der schönsten Kirchenbauten Thüringens. Interessantes zur Stadtgeschichte erfahren Besucher im Klötznerschen Haus, dem Sitz des Stadtmuseums mit Kelleranlagen aus dem 13. Jahrhundert.
Eisenberg war Geburtsstadt berühmter Persönlichkeiten, so des Philosophen Karl-Friedrich Krause und des bekannten Künstlers Gunther Emmerlich.
Ein beliebtes Ausflugsziel ist das Eisenberger Mühltal, welches durch seine oft überraschende landschaftliche Schönheit von Tausenden Natur- und Wanderfreunden besucht wird.
Die vormaligen Mahl- und Schneidemühlen wurden zu Gaststätten, Pensionen und einer Jugendherberge umgebaut.
Die Stadt Eisenberg liegt in einer anmutigen, von mäßigen Höhen umgebenen Landschaft, deren Vegetation teils aus Laub-, teils aus Nadelwald besteht. Mit über 11.500 Einwohnern ist Eisenberg die größte Stadt des Saale-Holzland-Kreises und Sitz der Kreisverwaltung. Direkt an der A9 Berlin-München und der B7, der wichtigen West-Ost-Verbindung Weimar-Jena-Altenburg, gelegen, ist die Stadt verkehrstechnisch günstig zu erreichen.
Eisenberg breitet sich zum größten Teil auf einer Hochebene aus, die sich in 280 Meter mittlerer Höhe von Westen nach Osten erstreckt. Im Süden und Norden fällt die Stadt steil in zwei Täler ab, in denen der Malz- und Raudabach fließen. Im Nordwesten befindet sich eine aus Muschelkalk bestehende bewaldete Anhöhe, die Beuche.
Ortsgeschichte:
Schon vor über 50.000 Jahren, in der Altsteinzeit, war das Gebiet um Eisenberg für Siedler interessant. Nördlich der heutigen Stadt, auf dem Etzdorfer Berg wurden Funde aus dieser Zeit gemacht. Auch spätere Perioden der Steinzeit haben ihre Spuren überall hinterlassen.
Im 7./8. Jh. begannen Slawen das Gebiet östlich der Saale zu besiedeln. Ortsnamen mit den Endungen -itz, -witz, -nitz erinnern an die slawischen Siedlungen. Auch die alte Stadt „Eisenberg” wird ursprünglich eine slawische Ansiedlung gewesen sein. Sie lag im Tal, nördlich der heutigen Stadt und nur der Flurname „Donitzschkau“ ist an ihr geblieben. Ob diese Stadt Eisenberg hieß, ist nicht bekannt. Ebenso ist nicht bekannt, woher der Stadtname stammt. Die alten Chronisten gehen davon aus, daß er von einem Ritter Iso abgeleitet wurde.
Der Bergsporn, auf dem in der zweiten Hälfte der Ostexpansion die neue Stadt angelegt wurde, war bis ins 12. Jahrhundert unbesiedelt. Ob sich auf ihm eine slawische Kultstätte befand, ist nicht eindeutig geklärt. Einzig der 14 Meter tiefe Schacht im Museum deutet darauf hin. Unweit des Schachtes, im gleichen Keller, befindet sich eine kreuzförmige, in Fels gehauene Krypta, die aus der frühen Missionszeit unseres Gebietes stammen könnte.
Die erste Missionierung scheint im 8./9. Jh. zu beginnen. Alte Missionsstraßen wie die alte Regensburger-, die Wein- und Salzstraße zeugen noch davon. Speziell das Patrozinium St. Peter soll im Dienste der Mission gestanden haben. Im 10. Jahrhundert wird als Missionar für unser Gebiet Boso aus St. Emmeram genannt.
Im Jahr 1189 wird die alte Stadt fast vollständig durch Brand und Plünderung zerstört. Weiter ist bekannt, daß Markgraf Otto der Reiche von Meißen 1171 die Stadt ummauern ließ. Die erste urkundliche Erwähnung „Ysenberchs“ stammt aus dem Jahr 1196. Dietrich, Graf zu Weißenfels verleiht dem Kloster Altenzelle den Zehnten von Weinbergen u. a. zu „Ysenberch“.
Dietrich der Bedrängte, Markgraf von Meißen verlegt 1219 ein Zisterzienserinnen-Kloster von Zwickau nach Triptis und dann nach Eisenberg. Es befand sich zwischen der neuen und der alten Stadt und ist heute vollständig abgerissen. Es wurde mit Einführung der Reformation in Eisenberg 1524 aufgelöst.
Im Jahre 1270 heiratete Markgraf Albrecht der Entartete Kunigunde von Eisenberg. Dieser Heirat ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Stadtrechtsverleihung im Jahre 1274 zu verdanken. Durch die Trennung des Hauses Wettin 1485 wurde die Stadt ernestinisch.
Nach Einführung der Reformation löste man 1524/25 das bestehende Nonnenkloster auf. In den Jahren 1527 und 1529 fand die erste und zweite Kirchenvisitation statt. Auf seinen Reisen zum Augsburger Reichstag 1530 und 1537 weilten Martin Luther und seine Begleiter Philipp Melanchthon, Georg Spalatin und der Berliner Hofprediger und Lutherschüler Johann Agricola in Eisenberg. Durch die Niederlage Johann Friedrichs des Großmütigen im Schmalkaldischen Krieg gehörte die Stadt sieben Jahre zum albertinischen Herrschaftsgebiet.
Der Naumburger Vertrag zwischen Ernestinern und Albertinern im Jahr 1554 beendet die albertinische Herrschaft. Von 1592 bis 1603 war Eisenberg weimarisch. Danach kam es zu Altenburg und 1672 zu Gotha. Im Jahre 1675 erwählte Christian, ein Sohn von Ernst dem Frommen, Eisenberg zu seiner Residenzstadt. Die Ämter Eisenberg, Camburg, Ronneburg und Roda wurden zum Herzogtum Sachsen-Eisenberg vereinigt. Dieses Herzogtum bestand nur 32 Jahre, bis zum Tode Herzog Christians 1707. In seine Regierungszeit fallen der Umbau des Eisenberger Schlosses und der Bau der schönsten Barockkapelle Thüringens.
Im 16. Jahrhundert kann man von einem regelrechten Aufschwung in der Stadt sprechen. Ob die Erweiterung der Stadtkirche, die Pflasterung des Marktes, der Bau wunderschöner Renaissancehäuser oder die Gründung von Innungen; das alles spiegelt einen gewissen Wohlstand wider. Mit der Wahl zur Residenzstadt 1675 durch Herzog Christian von Sachsen/Eisenberg rückt die Stadt regional wieder in den Mittelpunkt. Christian vereinigt die Ämter Camburg, Ronneburg, Roda und Eisenberg zu einem für die Zeit typischen Kleinstaat, der mit seinem Tode 1707 wieder erlischt.
Nach dem Tode Herzog Christians wurde Eisenberg wieder gothaisch, und 1862 kam es wieder zu Altenburg.
Nach dem Abdanken der Herzoglichen Familie werden der Freistaat Sachsen/Altenburg und 1921 das Land Thüringen gegründet. Die Stadt wird dem Land Thüringen angegliedert. Seit 1952 ist sie Kreisstadt. Mit der Gebietsreform am 1. Juli 1994 hat sich der einstige Landkreis Eisenberg erweitert. Heute umfaßt der neue Landkreis außerdem noch die ehemaligen Landkreisgebiete Stadtroda und Jena-Land. Der neue Landkreis nennt sich Saale-Holzland-Kreis.
Im ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelte sich Eisenberg zu einem Industriestädtchen. Im Jahre 1796 wurde die Porzellanherstellung durch Heinrich Ernst Mühlberg begründet. Ihr folgten die Ziegel-, Etui- und Wurstwarenproduktion und Möbelbau sowie der Pianobau. Auch die zahlreichen Wurstfabriken hatten einen hohen Stellenwert in der Stadt. Dazu kam seit dem 19. Jahrhundert als wichtige Einnahmequelle der Fremdenverkehr.
Die wirtschaftliche Situation der Stadt Eisenberg wird von zahlreichen kleinen und mittleren Betrieben geprägt, die zum Teil auf lange Traditionen zurückblicken können. Dazu gehören insbesondere die beiden Armaturenhersteller Sanitärtechnik Eisenberg GmbH und Kludi Armaturen Paul Scheffer GmbH und Co.KG, die Wienerberger Ziegelindustrie GmbH, die Eisenberger Wohnmöbel GmbH und die Thüringer Pianoforte GmbH, die EWU Fleischverarbeitungsgesellschaft m.b.H. sowie viele andere. Weiterhin befindet sich in Eisenberg eines der modernsten orthopädischen Fachkrankenhäuser des Landes Thüringen.
Im Rahmen der vorausschauenden Planung von Gewerbeflächen ist die Stadt in der Lage, vor allem der sich gut entwickelnden einheimischen Wirtschaft die Möglichkeit zur Erweiterung zu bieten und den Ansiedlungswünschen anderer Interessenten Rechnung zu tragen.
Dem dient insbesondere die Erschließung eines Gewerbegebietes am nördlichen Stadtrand von Eisenberg mit einer Bruttofläche von 24 Hektar sowie einem zusätzlich ausgewiesenen Sondergebiet.
Dieses Gewerbegebiet „Nord”, welches sich unmittelbar an bereits gewerblich genutzte Flächen anschließt, ist mit Betrieben der Holzverarbeitung, Metallbearbeitung und des Elektroanlagenbaues belegt.
Zusätzlich zu dem Gewerbegebiet „Nord”, das auch durch den Neubau einer Verbindungsstraße zur B7 unmittelbar mit der Autobahn A9 verbunden ist, stehen weitere Gewerbeflächen, insbesondere ein Industriegebiet in unmittelbarer Nähe des Autobahnanschlusses, zur Verfügung. Dabei handelt es sich um das 25 Hektar große Industriegebiet „In der Wiesen”.
Die Stadt Eisenberg unterhält ein breites Angebot an Sport- und Freizeiteinrichtungen, bei denen die moderne Stadthalle, das Freibad, das Hallenbad, das Sportzentrum Schortental mit Fußballplätzen, einer Tennisanlage sowie einem Schießsportstand des ortsansässigen Schützenvereins, ein Bowling-Center und mehrere Sporthallen erwähnenswert sind.
Kulturelles Kleinod der Stadt ist die 300jährige Schloßkirche, die bedeutendste barocke Schloßkapelle Thüringens, in der neben ihrer Nutzung als Kirche regelmäßig Konzerte und Ausstellungen stattfinden. Die Schloßkirche als Teil des Schlosses Christiansburg und der historische Schloßpark, der parkartig angelegte Tiergarten sowie der innerstädtische Friedenspark sorgen für einen hohen Anteil an Grünflächen in Eisenberg. Überregionale Bedeutung hat auch das landschaftlich romantisch gelegene Eisenberger Mühltal, dessen sieben Mühlen als Pensionen und Gaststätten bzw. Jugendherberge genutzt werden.
Das Eisenberger Stadtwappen
Das älteste bekannte Wappen stammt aus dem 13. Jahrhundert. Es zeigt schon Mauer, Tor und drei Türme. Die Helmzier, der Mohrenkopf, taucht erst im 16. Jahrhundert auf. Mauer und Türme sollen sinnbildlich Stadtfreiheit, Gemeinsinn und Kraftbewußtsein des Bürgertums darstellen.
Zeittafel zur Stadtgeschichte
1196 Erste urkundliche Erwähnung der Stadt Eisenberg; Dietrich, Graf zu Weißenfels, verlieh dem Kloster Altenzelle den Zehnten von seinen Weinberge bei Camburg, am Jenzig, bei Kirchberg und
„zu Ysenberch”
1274 Erste Erwähnung städtischer Privilegien; Albrecht, Landgraf von Thüringen und Pfalzgraf von Sachsen, verlieh den Ratsherrn und den Bürgern Eisenbergs das Schultheißenamt; des Weiteren erhielt Eisenberg das erste Brauprivileg
1523 Einführung der Reformation in Eisenberg
1530 und 1537 Martin Luther weilt auf seinen Reisen zum Augsburger Reichstag (1530) und zur Tagung des Schmalkaldischen Bundes (1537) in Eisenberg, ihn begleiteten u.a. Philipp Melanchton, Georg Spalatin und der Lutherschüler und Berliner Hofprediger Johann Agricola
1550 -1561 Erste Pflasterung aller wichtigen Straßen, u.a. der Burgstraße, des Steinwegs und der Schloßgasse
1581 Erstmals durchgängige Pflasterung des Marktes
1591 Die Zahl von 197 Feuerstellen, davon 167 innerhalb und 30 außerhalb der Stadtmauer, läßt auf etwa 1000 Einwohner schließen
1675-1707 Regierungszeit Herzog Christians. Durch die Teilung des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg entstand 1680 das Herzogtum Sachsen-Eisenberg mit Eisenberg als Residenzstadt
1796 Heinrich Ernst Mühlberg erhielt die Konzession zur Errichtung der ersten Eisenberger Porzellanfabrik
1813 Nach der Völkerschlacht bei Leipzig quartierte sich der russische Zar Alexander I. in einem Haus am Markt ein (später Buchhandlung Bauer); Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preußen, logierte im Gasthaus „Zum Bären”; Soldaten lagerten nach der Schlacht in und um Eisenberg; das Schützenhaus wurde als Lazarett genutzt
1823 Beginn des Klavierbaus in Eisenberg
1848/49 Bürgerliche Revolution; in Eisenberg wurde eine Bürgergarde aufgestellt; Reichstruppen besetzten die Stadt und schlugen den Aufstand nieder
1850 August Matthes gründete die erste Eisenberger Wurstfabrik; sie stellte Zervelatwürste her, die weithin bekannt wurden
1898 Gründung der Eisenberger Stadtwerke und Inbetriebnahme des Gaswerkes
1901/02 Bau des städtischen Wasserwerkes
1918 Die herzogliche Familie dankte ab; Eisenberg wurde dem Freistaat Sachsen-Altenburg angegliedert
1920 Eisenberg gehört zum Land Thüringen
1952 Aufgliederung des Landes Thüringen in die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl; Eisenberg wird Kreisstadt
1989/1990 Friedensgebete in der Stadtkirche „St. Peter” und Demonstrationen der Bürger fordern Veränderungen in Stadt und Kreis
1990 Wieder zum Land Thüringen gehörend
1992 Schloßkirche zum 300-jährigen Jubiläum wieder geweiht; Abriß des letzten Eisenberger Porzellanwerks
1993 Einrichtung der Stadtbuslinie
1994 Jetzt 12.000 Einwohner - erneuter Kreissitz nach Gebietsreform - die ehemaligen Landkreise Stadtroda und Jena-Land sind hinzugekommen und bilden den neuen Saale-Holzland-Kreis; Neugründung der Stadtwerke Eisenberg; Abriß der Graugußgießerei; Einweihung des Feuerwehrgerätehauses
1995 Spatenstich für das Industriegebiet „In der Wiesen”
1996 800-Jahr-Feier; 100 Jahre Sanitätskolonne Eisenberg; Neugestaltung des Busbahnhofes; Wiedereröffnung des Hallenbades nach erfolgter Rekonstruktion
1997 Sanierung Steinweg; 90 Jahre Johanniter-Krankenhaus (Diakoniezentrum Bethesda); Eröffnung der Sporthalle am Friedrich-Schiller-Gymnasium
1998 Inbetriebnahme der neuen Kläranlage; 100 Jahre Stadtwerke Eisenberg; 100 Jahre Postamt Eisenberg; Einstellung der Eisenbahnstrecke Eisenberg-Crossen
1999 Seit 400 Jahren Superintendentur; Thüringer Produktdesign-Preis für Sanitärtechnik Eisenberg; Feierliche Einweihung des sanierten Hauses Bethesda
März 2002 Einweihung und Zertifikat für Biomasse Heizwerk „Ökotech” Juni 2002
140 Jahre Freiwillige Feuerwehr Eisenberg;
Einweihung des Sportforums „Eisenberger Mohr” nach erfolgter Sanierung und Rekonstruktion von Stadion und Freibad.
Juli 2002 Fertigstellung von 20 neuen Sozialwohnungen in der Fabrikstraße
Juli 2003 Stadtkirche St. Peter erhält neuen Kirchturm
Juni 2004 Eröffnung der Stadthalle Eisenberg
R u n d g a n g:
Beginn auf dem Rathausplatz:
01. Rathaus:
Im Jahre 1274 erhält Eisenberg das Stadtrecht und man beginnt mit dem Rathausbau. Erste Erwähnung 1579 im Schlußstein über der Tür. Im 16. Jahrhundert erfolgen mehrfache Umbauten im Renaissancestil. Der Turm wurde 1702/03 erhöht und der Erker angebaut. Im Jahre 1912 erfolgt ein Anbau an der Nord-Ost-Ecke. Umfangreiche Restaurierungsarbeiten fanden in den 90iger Jahren statt. Das Haus erhielt 1999 den Bundespreis „Schönstes Rathaus.
02. Mohrenbrunnen:
Wie der Eisenberger Mohr ins Wappen kam
Über dem ältesten Brunnen der Stadt, der auf dem kleineren Teile des durch Rathaus und Kirche in zwei ungleich große Flächen geteilten Marktplatzes, erhebt sich, aus einem einzigen Stück groben Sandsteins kunstvoll gearbeitet, ein Mohr mit einer Binde über den Augen und in der Hand ein Trinkgefäß haltend, aus dem an schönen Sommertagen ein Strahl Wasser weit hinauf in die blaue Luft springt. Seit dem Jahre 1727 steht das alte Steinbild hinter dem Rathaus.
Dem alten Mohrenbilde ist aber eine besondere Ehre geschehen. Sein Kopf mit der Binde über den Augen ist nebst drei Türmen in das Stadtwappen übergegangen. Der Mohr selbst, ist das Wahrzeichen der Stadt geworden. Wie die Sage berichtet, hat sich das so zugetragen:
„Vor vielen hundert Jahren, als noch die Grafen von Eisenberg in dem alten Schlosse hausten, hatte sich einer dieser Grafen von einem Kreuzzuge nach dem Heiligen Lande einen Mohren als Diener mitgebracht. Wegen ihrer Treue waren die Mohren hoch geschätzt.
Lange Zeit hatte er nun auch dem Grafen treu und ehrlich gedient, als eines Tages dessen Gemahlin ihre kostbare, goldene Kette vermißte und trotz allen Suchens nicht wiederfinden konnte. Von den gräflichen Dienern war an dem Tag, an dem die Kette verlorenging, nur der Mohr um die Gräfin und in deren Zimmer gewesen. Auf diesen fiel daher sogleich der Verdacht, die verschwundene Kette entwendet zu haben. Auf der Stelle wurde er verhört, gefangen genommen und obwohl er unter Tränen und Flehen seine Unschuld beteuerte, zum Tode verurteilt.
Die Vollziehung des Urteils wurde noch auf den selbigen Nachmittag festgesetzt. Als die Stunde der Enthauptung des sonst treuen und ergebenen Dieners herannahte und viel Volk sich vor dem Palaste versammelte, um den armen Sünder sterben zu sehen, ward es der Gräfin ängstlich und schwer ums Herz. Sie zog sich allein in ihr Gemach zurück und suchte ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Da fiel ihr Auge auf das schwere Gebetbuch, das dort am Fenster auf dem kleinen kunstvoll geschnitzten Betschemel lag.
Sie kniete nieder und löste hastig die schweren Goldspangen, die das Buch geschlossen hielten und jetzt mit scharfem Geräusch aufsprangen. Da, wie sie einige Blätter umgeschlagen hatte, klirrte es plötzlich, und aus den Blättern heraus fiel ihr zu Füßen die verlorene Kette. Entsetzt fuhr sie empor. Der Mohr war also doch nicht ein Dieb, er war unschuldig, und unschuldig sollte er gerade jetzt sein Leben um ihretwillen hingeben. Rasch stürzte sie davon und entsandte die wenigen im Palast gebliebenen Diener nach dem Richtplatz. Es war noch nicht zu spät gewesen.
Der Graf schenkte dem Mohren die Freiheit. Um aber seine grundlos geschändete Ehre wieder her-zustellen, nahm der Graf den Kopf des Mohren mit der Binde über den Augen in sein Wappen auf. Zur ewigen Erinnerung an die berichtete Geschichte stellten später die braven Väter der Stadt dem armen Mohren über ihrem ältesten Brunnen ein steinern Standbild auf: das Wahrzeichen der Stadt Eisenberg.”
03. Superintendentur:
Das Haus wurde 1599 von dem Stadtschultheiß Sebastian Schlagk erbaut. Es hat eine seltene Spindeltreppe im Treppenhausturm. Später gehörte das Haus der Familie von Maltitz. Nach Reparaturen im Jahr 1725 dient es seit 1728 als Superintendentur. Die Fassade und der kunstvoll gestaltete Erker wurden 1930 erneuert. In den Jahren 1975-1986 wurde das Gebäude von der Kirchengemeinde restauriert.
04. Markt:
Gebäude Markt 13/14 (Nordseite)
Südseite Stadtapotheke (Markt):
Nach den großen Pestwellen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde hier eine Apotheke errichtet. Im Jahre 1677 wird der Kämmerer und Apotheker Abraham Pietsch als Besitzer erwähnt.
Nach ihm ging das Haus an die Schultheißenfamilie Beyer über, worauf die Inschrift über dem großen Tor zur Apotheke hindeutet.
05. Kollergang einer Porzellanfabrik (zwischen Rathaus und Stadtkirche)
06. Evangelische Stadtkirche St. Peter (Patrozinium: 29. Juni)
Die Stadtkirche „St. Peter“, auch Marktkirche oder Peterskirche genannt, entstand vermutlich aus einer Kapelle gleichen Namens, die 1219 bei der Gründung des Zisterzienserinnenklosters erwähnt ist. Sie wurde im Zuge des Wachstums der „neuen Stadt“ mehrfach umgebaut.
Der Kirchenbau besteht im Wesentlichen aus drei Bauteilen, die verschiedenen Epochen entstammen: dem spätgotischen Chor (laut Inschrift eines Kreuzigungsreliefs am Außenbau von 1494), dem Kirchenschiff, das laut Inschrift an der Südseite der Kirche 1585 erbaut wurde, und dem Turm, dessen Datierung ungewiß ist.
Da beim Neubau des Kirchenschiffs 1585 ein Schlußstein aus dem abgerissenen Mittelschiff in den Eingangsbereich des Turmes eingebaut wurde, muß der Turm schon gestanden haben. Er ist auch aus anderem Gestein als das Kirchenschiff und der Chor.
Während die Turmmauern womöglich von der Kapelle aus dem 13. Jahrhundert stammen, sind die romanisch nachempfundenen Fenster vermutlich später entstanden (1878-1880). Der Dachreiter - ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert - wurde 1967 wegen Baufälligkeit abgerissen und 2003 vollkommen neu errichtet. Dank eines immensen Spendenaufkommens und großzügiger Förderung durch die Stadt Eisenberg (Städtebauförderprogramm) konnte er im Juli 2003 wieder auf das Dach der Kirche gesetzt werden.
Von außen scheint die Kirche den Grundriß eines Kreuzes aufzuweisen. Die Sakristei und ihr gegenüber die Herzogskapelle von 1677-1710 erzeugen den Eindruck eines Querhauses.
Beim Gang um die Kirche entdeckt man auf der Südseite über dem Eingang Petrus mit dem Schlüssel, den Namenspatron der Kirche, ferner eine Inschrift: „Anno 1585 ist diese Kirche in Gottes Namen zu bauen angefangen, steht nun in Gottes Hand. Zu Sankt Peter ist sie genannt. Die Zeit regieret Schulthes Johann Pezolt, Johannes Beier, Johan Schuman.“ Eine überlieferte Mitteilung bestätigt diese Angaben: „Das alte enge Kirchlein sey gänzlich abgebrochen bis auf den Chor und wiedererbaut den 21. März 1586.“ Am Stützpfeiler des Chores auf der Südostseite befindet sich ein eigenartiges Steinrelief, dessen Deutung unsicher ist. Handelt es sich hier um die Darstellung des gegeißelten Jesus vor Pilatus mit Dornenkrone, Geißel, Lanze und der inzwischen völlig verwitterten Überschrift: „Ecce homo“ (Sehet der Mensch)? Oder ist hier der Auferstandene dargestellt mit einem Siegeskranz und als weiteren Zeichen des neuen Lebens vielleicht Aronstab, Lilie und Palmwedel? Schon im 18. Jahrhundert tauchten die beiden Deutungs-Möglichkeiten auf.
Setzt man den Rundgang fort, so findet man zwei weitere Steinreliefs der gleichen Art: die Kreuzigung Jesu an einem Gabelkreuz mit der Jahreszahl 1494 und nach Norden hin St. Sebastian am Baum mit zwei Soldaten. Geht man weiter um den Sakristeianbau herum, ist ein Relief zu sehen, dem des St. Peter über dem Südportal ähnlich, Christus mit der erhobenen Rechten.
Betritt man die Kirche von Westen her durch den breiten Turm, gelangt man durch die kleine Eingangshalle - in der als ein Zeuge der alten Kirche der Schlußstein grüßt (1585 dort eingebaut) - in das geräumig wirkende Kirchenschiff. Der breite, flachgedeckte Saalraum ist an drei Seiten von einer hölzernen Empore auf schlanken Säulen umgeben. Sowohl über als auch unter der Empore beleuchten rundbogige Fenster den Raum.
Ein spitzbogiger Triumphbogen trennt den bedeutend schmäleren Chorraum vom Kirchenschiff. Den Altarraum überspannt ein gotisches Gewölbe. Den Ansatz der Rippen bilden verschiedene figürliche Verzierungen, im Scheitel sitzt ein Schlußstein.
Man kann sich heute kaum vorstellen, daß die Kirche einmal zwei Emporen hatte, bevor sie 1878-1880 unter Leitung des Baurates Enger, Altenburg, umgestaltet wurde. Damals stellte man die Empore auf gußeiserne Säulen, die heute ein prägendes Element der Kirche bilden. Aus dieser Zeit stammen auch die Wappenfenster im Kirchenschiff. Die jetzige farbige Gestaltung erhielt die Kirche 1989/90. Den Mittelpunkt des gotischen Chores bildet das Gabelkreuz. Wie ein Wegweiser nimmt es die Blicke des Besuchers gefangen. Es wurde 1918 auf dem Boden der Eisenberger Gottesackerkirche (heute katholische Pfarrkirche) gefunden und kam danach in die Stadtkirche. Treten wir näher heran, erblicken wir den leidenden, sterbenden Christus, der die Worte des Psalms 22 sprechen könnte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ Doch seine Arme und das dahinter befindliche Gabelkreuz erinnern an den Lebensbaum und somit an die Auferstehung. Darum sollten wir wohl hören, wie er sagt: „Es ist vollbracht.“
Die Altarbilder aus der Werkstatt des Samuel Claus entstanden in den Jahren 1622-1629. Die Altarbilder sind wahrscheinlich nicht alle von dem gleichen Maler gemalt worden. Sie stellen jedoch deutlich einen Zyklus dar. Man kann die Unterschiede erkennen, aber auch die Querverweise. So sind manche Personen mehrfach abgebildet- nicht an den Gesichtszügen, aber an der Kleidung erkennbar. Beispiele: Johannes beim Abendmahl auf Jesu Schoß. Johannes unter dem Kreuz hat sich Jesu Mantel umgelegt. Maria als junge Mutter, Maria unter dem Kreuz trauert um ihren Sohn. Über der Predella mit der Darstellung des Heiligen Abendmahles konnte je nach Kirchenjahreszeit die Geburt Christi, die Kreuzigung oder das Pfingstereignis wechselweise angebracht werden. Sie schmückten bis 1880 den Altar und sind heute im Kirchenschiff zu sehen. Die Predella mit der Abendmahlsdarstellung hing immer dort. Die anderen drei Bilder - Weihnachten, Karfreitag, Pfingsten - wurden je nach Kirchenjahreszeit darüber aufgehängt. Das bedeutet, daß das Pfingstbild die längste Zeit im Jahr zu sehen gewesen sein muß. Der jetzige Altar wurde 1880 vom Hofbildhauer G. Kühn aus Eichenholz gefertigt.
Den Taufstein aus Marmor stiftete 1880 von Marie Prinzessin Albrecht von Preußen, geborene Prinzessin von Sachsen-Altenburg.
Gegenüber befindet sich die Kanzel, die 1880 gemeinsam mit dem jetzigen Altar nach Plänen des Baurates Enger, Altenburg, vom Hofbildhauer G. Kühn aus Eichenholz gefertigt worden ist. Sie ist verziert mit dem lehrenden Christus und den vier Evangelisten. Wahrscheinlich predigte Martin Luther bei seinen gesicherten Aufenthalten in Eisenberg am 7./8. April 1530 und am 10./11. März 1537 in der Stadtkirche. Verbürgt ist seine Kritik am Kirchengesang in Eisenberg. Dabei erregten jedoch nicht die Stimmen, sondern das Gemisch von Latein und Deutsch in den Chorälen sein Mißfallen. Die lutherischen Lehren fanden auch in Eisenberg offene Ohren (schon 1523, wenn auch nicht ganz unwidersprochen).
Im Chorraum leuchten die farbigen Fenster, die von links nach rechts „Anbetung der Weisen“, „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ und „Jesus trägt das Kreuz“ darstellen. Sie stammen wohl von 1719.
Blickt man nun ins Kirchenschiff zurück, sieht man die 1889 im neugotischen Stil durch die Brüder Poppe gebaute Orgel, in deren Innerem sich jedoch ein Werk der Firma Böhme, Gotha, von 1977 befindet, mit 2 Manualen und 21 Registern. Auf der Empore hängen einige große Bilder von Superintendenten, die daran erinnern, daß Eisenberg seit 1606 Sitz einer Superintendentur ist.
Anläßlich der Wiedereinweihung der Kirche 1990 wurde die Petrusplastik der Künstlerin Elly Viola Nahmmacher gestiftet. Sie fand seinen Platz unter der Orgelempore. Der sinkende Petrus wird von Christus gehalten. Ihm sind der Schlüssel, Symbol für die Vollmacht, Sünden zu vergeben, aber auch der Hahn, in Erinnerung an die Verleugnung des Herrn, zugeordnet. Die Fische erinnern an den Auftrag, Menschen zum Glauben zu rufen, und die Rosen an die dreimalige Frage nach der Liebe. Sie sind gewiß nicht nur an Petrus zu richten, sondern an alle, die für andere Verantwortung tragen.
07. Klötznersches Haus (heute Stadtmuseum):
Nach Osten in die Rosa-Luxemburg-Straße:
08. Haus Bauer (Ecke Markt):
Das Haus wurde um 1750 durch Prinz Johann Adolph von Sachsen-Gotha gebaut. Dieser hatte geplant, das Häuserviertel Markt - Rosa-Luxemburg-Straße abzureißen und einen Stadtpalast zu errichten. Am 22. Oktober 1813 übernachtete der russische Zar Alexander I. in diesem Haus. Er soll sich sehr über eine aufgeplatzte Thüringer Bratwurst gefreut haben.
09. Altes Amtshaus (Südseite)
10. Knabenschule (Nordseite)
11. Ehemaliges Gymnasium (Nordseite):
Im Jahre1688 wurde durch Herzog Georg Christian ein Lyzeum gegründet, das 1871 in ein Progymnasium und 1875 ein humanistisches Gymnasium umgewandelt wurde. Es wurde nach ihrem Gründer dann „Christianeum“ genannt und im Zuge der sozialistischen Schulreform 1965 in eine erweiterte Oberschule umgestaltet. Schüler dieser Oberschule und Lehrlinge aus Eisenberg schlossen sich 1952 zu einer Widerstandsgruppe zusammen, die als „Eisenberger Kreis“ bekannt wurde. Die Gruppe existierte bis 1968 in Eisenberg und in Jena und machte mit verschiedenen Aktionen auf die kommunistische Diktatur aufmerksam. Im September und Oktober 1958 wurden 24 Mitstreiter dieser Gruppe in Gera zu insgesamt 114 Jahren Haft verurteilt.
Nach Südwesten in die Burgstraße:
12. Fabrikantenvilla:
Moritz Kretschmann ließ diese Fabrikantenvilla 1893 erbauen. Ab 1925 ließ der neue Besitzer, der Porzellanhersteller Max Schiller, die Veranda, den Wintergarten und weitere Gebäudeteile errichten. Nach umfangreichen Rekonstruktionsarbeiten erstrahlt die Villa heute wieder im alten Glanz.
13. Krausedenkmal:
Der Entwurf für diesen Obelisk aus rotem Sandstein stammt von dem Geheimen Baurat Engel aus Altenburg. Das Bronzemedaillon schuf der Dresdener Bildhauer Robert Henze. Anläßlich des 100. Geburtstags im Jahre 1881 wurde das Denkmal eingeweiht. über dem Bildnis Krauses befinden sich in goldener Schrift seine letzten Worte. Im Jahre 1902 wurde der Platz zu Ehren dieses bekannten Philosophen in „Krauseplatz umbenannt. Karl Christian Friedrich Krause, geboren 6. Mai 1781 in Eisenberg, gestorben 27.September 1832 in München
14. Hofgärtnerei Döll:
Das Hofgärtnerhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde wahrscheinlich von Wilhelm Döll (1799-1860) errichtet. Er war von 1826-1860 Hofgärtner am Eisenberger Schloß. An dem Gebäude befanden sich links und rechts kleinere Anbauten, in denen die exotischen Pflanzen des Schloßgartens überwinterten und Arbeitsgeräte gelagert wurden.
15. Stadtmauer
16. Schloßpark Laboratorium:
Für seine alchemistischen Experimente ließ Herzog Christian von Sachsen-Eisenberg um 1700 ein Laboratorium errichten. In dem zweigeschossigen Bau befand sich u.a. ein Schmelzofen. Das Gebäude wurde 1843 abgerissen und die jetzt noch vorhandenen Reste bei der Restaurierung 1998 freigelegt.
Weiter in den Schloßpark:
17. Schloßpark und Residenzschloß:
Bereits seit dem 12. Jahrhundert ist an dieser Stelle eine Burg nachweisbar. Sie war durch ihre Lage an der Grenze der Markgrafschaft Meißen strategisch bedeutsam
und mit einem Graben gut geschützt. Die Burg wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrfach umgestaltet. 1589 errichtete man die „Neue Küche“. Von der mittelalterlichen Burg und dem Renaissance-Schloß ist heute nur noch der Westflügel erhalten (Haus I).
In der Zeit, als Eisenberg die Residenzstadt Herzogtums Sachsen Eisenberg war (1680 -1707), ließ Herzog Christian das Bauensemble verändern. Das Schloß wurde zu einer barocken Dreiflügelanlage umgestaltet und zwischen 1679 und 1692 wurde an der Ostwand des Schlosses die Schloßkirche angebaut Zu diesem Schloßkomplex gehören heute ebenfalls der zweigeteilte Schloßpark mit Bogengarten, das Laboratorium, der Küchengarten mit Pavillon und die Büste Herzog Christians.
18. Die evangelische Schloßkirche St. Trinitatis der Christiansburg zu Eisenberg
(Patrozinium: Sonntag nach Pfingsten).
Die barocke Baukunst, Ausdruck absolutistischen Denkens und Fühlens, entfaltete sich in Deutschland nach dem Dreißig-jährigen Krieg (1618-1648). In ihrem sinnenfrohen Schmuckwerk zeigen sich in der Eisenberger Schloßkirche sowohl Frömmigkeit als auch das wieder erstandene große Repräsentationsbedürfnis der von „Gott eingesetzten Herrscher“. Die Schloßkirche spiegelt auch auf sehr deutliche Weise den nachreformatorischen Wandel des kirchlichen Raumes wider.
Nicht der Altar allein, sondern auch die Kanzel als Ort der Predigt rücken in den Mittelpunkt religiöser Andacht. Es kommt zur Ausbildung des Kanzelaltars.
Eine Betrachtung der Schloßkapelle, herausgelöst aus der Gesamtheit des ehemaligen Residenzschlosses, ist baugeschichtlich nicht zu vertreten. Zu eng hängt der 1677 begonnene Umbau der bestehenden Anlage in ein zeitgemäßes barockes Wunschlos mit dem Bau der Kapelle zusammen.
Mit dem Tode Herzog Ernsts I. von Sachsen/Gotha entstanden durch die Erbteilung seiner sieben Söhne, gleich viele neue Nebenresidenzen. Diese Bauten werden noch heute als Brüderbauten bezeichnet. Christian, Herzog von Sachsen/Eisenberg bezog 1676 die baufällige Burg und begann schon ein Jahr später mit dem Umbau des Marstalles. Bis zur Fertigstellung der Schloßkapelle im Jahr 1692 folgten noch unzählige Baumaßnahmen am Schloß, der Kapelle und dem angrenzenden Park.
Als die beiden wichtigsten fürstlich-sächsischen Baumeister werden Johann Moritz Richter d. J. und Christian Wilhelm Gundermann genannt. Nach umfangreichen bauarchäologischen und denkmalpflegerischen Untersuchungen kann man sagen, daß große Teile der alten Burg in das Barockschloß integriert wurden.
Dies ist zum Beispiel durch Höhenunterschiede der Fußböden im Schloß oder durch die gotischen Kelleranlagen unter der Schloßkirche nachgewiesen worden. Die Bautätigkeit unter Herzog Christian endete 1692. Er hatte sich so hoch verschuldet, daß er versuchte durch Schatzsuche, Bergbau, Alchemie und zuletzt sogar durch Geisterbeschwörung an Geld zu kommen. Mit seinem Tode 1707 hinterließ er ein Stück Thüringer Barockgeschichte, die noch heute ihresgleichen sucht. In den Jahren 1679-92 wurde die Schloßkirche (eine sogenannte Querkirche) an der Ostwand des Schlosses. gebaut
Die erste nachweisliche Restaurierung wurde im Jahr 1901 durch Herzog Ernst von Sachsen/ Altenburg in Auftrag gegeben. Schon hier waren gravierende Schäden an der Malerei durch Feuchtigkeit zu verzeichnen. Im Zuge der Arbeiten wurde auch ein neuer Fußboden in die Kapelle eingebaut. Der historische Sandsteinboden genügte nicht mehr den Ansprüchen der Zeit.
Da dieser Mosaikboden in einem dunkelrot bis braunen Farbton ausgelegt war, müßte auch die Farbfassung im Kirchenraum angepaßt werden. So wurden die korinthischen Säulen mit einer rot/braunen Marmorierung gestaltet.
Eine Restaurierung der illusionistischen Malerei an den Wänden war anscheinend zu kostspielig. Deshalb fertigte man davon unzählige Schablonen an, die 1990 im Stadtmuseum wiederentdeckt wurden. Nur mit diesen war es möglich, die 1958 entfernten Malereien zu rekonstruieren. Diese waren der Restaurierung 1958/59 aus finanziellen Gründen zum Opfer gefallen. Viele Heimatfreunde versuchten damals der Zerstörung Einhalt zu gebieten. Am Ende siegte das nicht vorhandene Geld und die illusionistisch bemalten Wände wurden abgewaschen und mit einem Latexanstrich überstrichen. Auch der reiche Stuck in der gesamten Kapelle bekam einen Latexanstrich. Vergleicht man Fotos oder Postkarten aus der Zeit vor der Restaurierung, wirkt die Kirche 1959 hell und freundlich. Aber zu welchem Preis?
Schon in den 60er-Jahren traten wieder Feuchtigkeitsschäden auf. Außer einem Bericht ist nichts überliefert. Etwa. 20 Jahre später ereignete sich dann das Unfaßbare. Die Decke mit dem monumentalen Deckengemälde hatte sich über die fast 300 Jahre zwölf Zentimeter gesenkt - ein Baufehler aus der Barockzeit. Zwei riesige morsche Balken waren durch die Wand über der Orgel gerutscht und hatten mehrere Quadratmeter Freskomalerei heruntergerissen. Das alles war über die Orgel gestürzt. An verschiedenen Stellen im Putz war Hausschwamm zu sehen.
Von der staatlichen Bauaufsichtsbehörde wurde die Kirche wegen Einsturzgefahr gesperrt. Aufgrund vieler Besucher aus dem In- und Ausland wurden trotzdem im Eingangsbereich Führungen gemacht. Obwohl die Schloßkapelle auf der Sonderliste von DDR-Denkmalen steht, war an eine Reparatur des Dachstuhles nicht zu denken. Finanzielle Mittel waren vorhanden, was es nicht gab, sind Material und Baufirmen. Die Kirche wurde schon 1921 städtisches Eigentum. Gottesdienste waren dort noch bis 1958. Dann wurde sie instandgesetzt und Teil des Kreisheimatmuseums; sie diente auch als Konzerthalle.
Im Jahre 1989 warf die politische Wende ihre Schatten voraus. Durch den Jenaer Architekten Fritz Bürglen wurde ein Sanierungskonzept für den Dachstuhl erarbeitet. Drei Eisenberger Baufirmen erklärten sich spontan bereit, die Reparaturen durchzuführen.
Fast übergangslos, mit Einführung der D-Mark, kamen für die Kapelle die ersten Fördermittelbescheide für die lange ersehnte Restaurierung. Das Landesamt für Denkmalpflege Erfurt wählte die Eisenberger Schloßkapelle als Vorzeigeobjekt für eine professionelle Restaurierung mit ansässigen Firmen aus. In Zusammenarbeit mit dem Landratsamt wurde eine lückenlose Finanzierung der Arbeiten gewährleistet. Auch Mittel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz kamen zum Einsatz. Unter Leitung des Architekten Dieter Müller aus Blankenhain wurde in nicht einmal zwei Jahren die gesamte Kapelle restauriert, viele Neuerungen wurden eingebaut. Am 1. Advent 1992, pünktlich zum 300. Jahrestag des Kirchenbaues, wurde sie wieder feierlich geweiht.
Kurze Führung: Betritt man den Schloßhöfe von Norden, ist es zuerst der mächtige achteckige, mit welscher Haube und Laterne versehene Turm der Kapelle, der ins Auge fällt. Aber auch das Schloßportal aus rotem Sandstein mit den beiden kolossalen, korinthischen Säulen, den vier Kolossalpilastern und den beiden Balkonen bildet einen wirkungsvollen Kontrast zu der schlichten Fassade. An den rechteckigen Türblättern der Kapelle heißen lateinische Verse den Besucher willkommen: „Christus ist die Himmelstür, der das ewige Licht schenkt.” und „Christus nur der Weg ist mir, der zur Himmelsfreude lenket.”. Die Tür selbst ist von einem gesprengten und in Voluten auslaufenden Giebel bekrönt.
Tritt man nun über die vier nach unten führenden Stufen in den Innenraum der Kapelle, blickt man zuerst auf schlanke korinthische Säulen. Die umlaufenden Säulenpaare tragen die beiden Emporen mit ihren niedrigen, geschlossenen Brüstungen. Da die Kapelle als Querkirche, also ein Bau dessen Breite die Länge übertrifft, gebaut wurde, wirkt sie auf den ersten Blick etwas gedrungen. Der Chor ist vorgesetzt, in ihm befinden sich Kanzelaltar und Orgel.
Links und rechts an den Chorwandpfeilern sind die Epitaphien der beiden Herzoginnen angebracht. Rechts das Bildnis von Christiane von Sachsen/Merseburg (1659-1679), der ersten Frau Herzog Christians, und links das seiner zweiten Frau, Sophie Marie von Hessen/Darmstadt (1661-1712). Der Totenkopf mit den gekreuzten Gebeinen ist das „Memento mori“ (Denke an den Tod) des Barock. Die Portraits mit der herzoglichen Krone werden von Putten gehalten und sind in schwere Lorbeerkränze gefaßt.
Das Altarbild Mariä Verkündigung stammt von Hofmaler Benjamin Block. Darüber befindet sich die Kanzel des Altars als fortlaufender Teil der ersten Empore. Der Schalldeckel wird von zwei Engeln gehalten auf dem nochmals drei mit den Leidenswerkzeugen Christi stehen. Auf gleicher Höhe hinter der Kanzel befindet sich der Sockel der Orgel mit den Klaviaturen und Registerzügen. Das darüber befindliche Brustwerk wird von der Kanzel verdeckt. Das Oberwerk der Orgel ruht auf dem Mittelpunkt der oberen Emporenbrüstung.
Der Kontrakt zum Bau wurde 1683 mit dem Leipziger Orgelbauer Christoph Donat geschlossen. Er beinhaltete den Bau einer zweimanualigen Orgel mit 21 Registern. Schon 1731 waren größere Mängel über die Jahre aufgetreten. Der Altenburger Orgelbauer Tobias Gottfried Heinrich Trost erhält den Auftrag die Orgel zu reparieren und umzubauen. Die Donat-Trost-Orgel zählt zu den bedeutendsten Instrumenten im thüringisch-sächsischen Raum.
Kaum zu sehen ist das Kuppelgemälde über der Orgel. Es stellt das 4. Kapitel aus der Johannisoffenbarung mit den 24 Ältesten dar. Der Entwurf dafür stammt vom kurfürstlich-sächsischen Hofmaler Johann Oswald Harms. Er entwarf zwischen 1684 und 1687 auch das monumentale Deckengemälde mit einer Darstellung aus dem 6. Kapitel der Johannisoffenbarung und die vier in den Ecken befindlichen Evangelistenbilder in einem neutralen braunen Grisailleton auf rosafarbenem Untergrund. Im unteren Teil zeigt das Deckengemälde die vier apokalyptischen Reiter, die Seuchen, Krieg, Hunger und Tod bringen; ihnen folgt die Hölle. In der Mitte des Gemäldes thront Gott. Im oberen Teil des Bildes erhalten die Seelen der um des Wortes Gottes Willen Erweckten weiße Kleider.
Zwei Verträge von 1684 und 1685 sagen aus, daß Harms auch die Säulen marmorierte, das Gemälde im Fürstenstuhl mit einer Szene aus dem 1. Kapitel der Offenbarung des Johannes malte und die 20 Embleme schuf, die in plastischen Lorbeermedaillons aus Stuck, unter den Emporen zu sehen sind. Das querovale Pfingstgemälde unter der Fürstenempore wird ebenfalls Harms zugeschrieben. Das Altarbild in der Fürstenempore, die Kreuzigung Christi darstellend, stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von Benjamin Block.
Die Dekoration an der Vorderseite der Empore ist ein Zusammenspiel an Perfektion. Hier haben die Maler und italienischen Stukkateure eine Glanzleistung vollbracht, um den bedeutendsten Teil des Kirchenraumes zu schmücken. Das lorbeerbekränzte Bildnis Herzog Christians wird als Zeichen seiner Macht von Putten getragen und Palmwedeln gerahmt. Darüber schweben drei weitere Putten, die die herzogliche Krone und das Sachsen/Eisenberger Wappen halten. Kartuschen und Vorhänge rahmen auch die Wappen seiner beiden Frauen, die auch von Putten flankiert werden.
Die Modelliertechnik des Stucks zeigt besonders hier die jahrhundertlange Erfahrung der italienischen Stukkateure. Die aus Oberitalien stammenden Künstler Bartholomeo Quadro und Giovanni Caroveri hatte Herzog Christian 1683 vertraglich gebunden. Nach dem Tode Quadros wurden noch Christoph Trill (Tavillo/Farillo), Nicola Carchani und Giovanni Batta Carchani verpflichtet, die bis 1692 die Ausgestaltung der Kapelle vollendeten. Die Maler Michael Krippendorf und Georg Schilbach gestalten ab 1690 sämtliche Wandflächen mit Palmetten, Festons und floralen Motiven. Am 1. Advent 1692 wurde die Schloßkirche feierlich geweiht.
Nach Norden in die Schloßgasse:
19. Haus Fritzsche (Ecke Karl-Liebknecht-Straße):
20. Geburtshaus der Brüder Heineccius (Heinecke) (Ostseite):
In diesem Haus wurden der bedeutende Jurist und Philologe Johann Gottlieb Heineccius und sein Bruder, der Historiker und Theologe Johann Michael Heineccius, geboren. Beide erlangten überregionale Bedeutung.
Prof. Johann Gottlieb Heineccius * 11.Sept. 1681 in Eisenberg, ???? 31. Aug. 1741 in Halle/ Saale
Prof. Johann Michael Heineccius * 14. Dez. 1674 in Eisenberg, ???? 11. Sep. 1722 in Halle/ Saale
21. Schlagksches Haus (Ecke Markt):
Der Name des Hauses, erbaut 1573, leitet sich von dem ersten Besitzer, dem Eisenberger Stadtschultheiß Sebastian Schlagk (+1603) ab. Die Steine zum Bau sollen von der Jakobskapelle stammen, die unweit Eisenbergs an der Klosterlausnitzer Straße stand. Spätere Besitzer gaben dem Gebäude den Namen Baltharsches oder Hundertmarksches Haus.
Nach Westen in den Steinweg:
22. Gäblersches Haus (Süd-West-Ecke des Marktes):
Eine im Hausflur gefundene Tafel mit der Jahreszahl 1604 weist auf das genaue Baudatum des Gebäudes hin. Das Sitznischenportal im Hof scheint ebenfalls aus dieser Zeit zu stammen. Um 1730 wurde eine Familie Gäbler als Besitzer genannt. Der Umbau des Hauses um 1900 zerstörte fast völlig die Renaissancefassade.
23. Gasthaus „Schwarzer Bär“ (Nordseite)
24. Reichspost (Nordseite): Heute Stadtbibliothek
25. Geburtshaus Karl Eduard Bi…, Kupferstecher (Ecke Wächtergasse):
26. Alter Friedhof, katholische Pfarrkirche St. .Mariae Verkündigung, Erbbegräbnis Mühlberg
Die heutige katholische Pfarrkirche „Mariae Verkündigung“ vor dem Steintor wurde 1666-1668 als evangelische Kirche für den Hospital-Gottesacker erbaut. Seit 1837 hat sie nach mehreren Umbauten in etwa die heutige Gestalt. Im Jahre 1910 wurde im Norden der Stadt der heutige Friedhof angelegt und die Kirche somit als Friedhofskapelle nicht mehr benötigt. Die Evangelische Kirche verkaufte sie an die Stadt. Als nach 1945 viele katholische Umsiedler nach Eisenberg kamen, wurden die Räumlichkeiten im Pfarrhaus Jenaer Straße zu klein. So erhielt die Katholische Pfarrgemeinde am 11. November 1949 die Kirche durch Pachtvertrag zur Nutzung. Der ehemalige Friedhof wurde zum „Friedenspark“ umgestaltet. Seit 1992 befindet sich die Kirche im Eigentum der Katholischen Pfarrgemeinde.
27. Schützengasse:
Über die Friedrich-Ebert-Straße kommt man zum Schützenplatz. Dort geht es rechts in die Schützengasse mit den Häuser der Familie „Bier-Schmidt“
28. Lindenstraße:
29. Die evangelische Dorfkirche St. Salvator in Saasa
An der heutigen B7 in Richtung Jena liegt das kleine, eingemeindete Dorf Saasa mit seiner Dorfkirche. Erstmals urkundlich erwähnt wurde diese 1259. Damals gehörte das Dorf zum Amtsbereich des Zisterzienserklosters von Petersberg. Seit 1559 wird die Saasaer Gemeinde von Eisenberg aus verwaltet und geistlich betreut. Im Jahre 2003 wurde Saasa auch kirchlich nach Eisenberg eingemeindet.
Die jetzige Kirche ist wahrscheinlich auf der Grundlage einer älteren Kapelle erbaut worden; geweiht wurde sie am 1. Adventssonntag 1749. Aus der alten Kirche stammt noch der achteckige Taufstein aus grauem Alabaster. Bei einer Innenrestaurierung in den 60er-Jahren wurde mit den Emporen leider auch der alte barocke Kanzelaltar entfernt. Die Orgel der Gebrüder Poppe aus Roda stammt aus dem Jahr 1863.
30. Das Eisenberger Mühltal
Das zwischen der Stadt Eisenberg und Bad Klosterlausnitz gelegene acht Kilometer lange Mühltal zählt zu den bekanntesten Tälern des Saalelandes. Heute lauscht man im Mühltal vergebens dem Klopfen und Rasseln der Säge- und Mahlmühlen. Statt dessen erwarten die Mühlen ihre Gäste mit kulinarischen Leckerbissen und Unterkünften. Das Eisenberger Mühltal ist bei Wandergruppen sehr beliebt. Busgruppen werden am Eingang des Mühltals mit Pferdekutschen (Kremserwagen) abgeholt.
Wenn man von Kursdorf kommt, ist die Reihenfolge der Mühlen wie folgt: Robertsmühle (noch im Bau, geplant ein Mühlen-Miniaturpark im Maßstab von 1:20), Schössersmühle, Amtsschreibermühle, Walkmühle, Pfarrmühle (Waldhotel), Froschmühle (Jugendherberge), Naupoldsmühle (mit Mühlenmuseum), Meuschkenmühle, Gasthaus Milo Barus (gehörte einst Milo Barus, einem der stärksten Männer der Welt, heute Gasthaus).
Holzland: Handwerkskunst und schöne Traditionen
Thüringer Holzland - das klingt nach Wald, Stille, aber auch nach den Rufen der alten Waldarbeiter, Köhler und Fuhrleute. Das Thüringer Holzland umfaßt historisch 8 Orte rund um das staatlich anerkannte Heilbad Bad Klosterlausnitz und die Stadt Hermsdorf. Der Waldreichtum, die reizvollen Täler und Gründe, Fachwerkhäuser, Mühlen und das Holzhandwerk prägten das Gebiet.
Entlang tief eingeschnittener Täler liegen schmucke Straßendörfer und tief im Wald versteckte, kleine Siedlungen. Fachwerkhäuser verleihen den Ortschaften ein markantes Aussehen. Vom handwerklichen Geschick der Holzländer zeugen kunstvolle Schmuckgiebel, Fachwerkkonstruktionen, Bohlenstuben und schöne Hofanlagen, die immer wieder zum Staunen und Verweilen einladen.
Eine besondere Tradition im Holzland hat das Leitermacherhandwerk. Neben Leitern werden viele andere Holzprodukte gefertigt: Mulden, Kuchenbretter, Holzschieber, Rechen, Schubkarren, Dachlatten oder Holzschindeln. Heute sind die Holzländer mit ihren Produkten auf Märkten und Volksfesten anzutreffen.
Im weiteren Sinne gehört zum Holzland das ausgedehnte Waldgebiet zwischen den Städten Eisenberg, Stadtroda, Neustadt/Orla und Gera. Beliebte Wanderziele sind das Eisenberger Mühltal, der Zeitzgrund, die Tälerdörfer rund um die Brehm-Gedenkstätte in Renthendorf. Ebenso laden der Leubengrund bei Kahla und der Reinstädter Grund zum Wandern ein. Jedes der Täler hat einen eigenen Charakter, gemeinsam ist die große Anzahl verschiedenster Mühlen.
Für die Holzländer hat das Maibaumsetzen die gleiche Bedeutung wie für die Kölner der Karneval. Sehenswert ist das Maibaumsetzen in Hermsdorf, Bad Klosterlausnitz (Pfingstmontag), Tautenhain (Pfingstsonntag), Weißenborn (Pfingstdienstag), Hermsdorf(zwei Wochen nach Pfingsten). Die Orte wetteifern jedes Jahr um den höchsten Mai-baum. Das Fest beginnt mit dem Umlegen des alten Maibaumes.
Die Burschen ziehen im weißen Hemd, mit Schärpe und blauer Schürze mit Kutschen, Blasmusik und Liedern in den Wald, um den neuen Baum zu holen. Der Baumstamm und der Gipfel werden unter Anleitung des Richtmeisters aus dem Wald getragen. Am nächsten Tag wird der Maibaum gesetzt. Der Gipfel wird an den Stamm angeschuht. Die Burschen sammeln bei den Mädchen bunte Bänder, um den Baum zu schmücken. Es gibt einen Umzug. Blasmusik und viele Stände umrahmen den feierlichen Akt des Maibaumsetzens. Der alte Maibaum wird zusammen mit Holzwaren aus dem Holzland versteigert.
Das alle zwei Jahre wiederkehrende Strohfest in Gernewitz/Stadtroda ist das größte Volksfest im Saaleland. Es steht für den landwirtschaftlichen Charakter und die schönen, gepflegten Dörfer der Region. Mittelpunkt des Strohfestes ist der Wettbewerb im Strohfigurenbauen. Anläßlich des Strohfestes ist der gesamte Ortsteil Gernewitz mit den verschiedensten Strohfiguren geschmückt. Die nach dem Fest auf den Feldern vor den Toren der Stadt stehenden Strohfiguren sind lange Zeit beliebtes Fotomotiv. Für das Fest wird die gesamte Strohernte des ortsansässigen Agrarunternehmens benötigt. Höhepunkt des Strohfestes ist der Festumzug. Untermalt wird das Strohfest von einem attraktiven Bauernmarkt, einem reichhaltigen Kulturprogramm und vielen anderen Höhepunkten.
Bad Klosterlausnitz: Ein Kleinod für Erholung und Entspannung
Das staatlich anerkannte Heilbad, Bad Klosterlausnitz, ist die Perle des Holzlandes. Das 1932 gegründete Moorbad zieht seit Jahrzehnten Heilung und Erholung suchende Gäste an. Das Moor für die Heilbehandlungen wurde früher im Hochmoor von Bad Klosterlausnitz gestochen. Neben den Kurkliniken steht den Gästen das Kurmittelhaus mit ambulanten Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Eine Besonderheit sind auch heute noch Naturmoor-Anwendungen. Der allgemeinen Erholung und Entspannung dient der „Sauna-Wellnesspark mit Soletherme“ in Bad Klosterlausnitz. Er verdankt seinen Namen den fünf Tonnen verarbeiteten Halbedelsteinen und führt den Ruf eines Wellnessbades mit einer vielfältigen und großzügigen Saunalandschaft. Für seine hervorragende Qualität wurde die Sauna 2004 mit dem Prädikat „Europa-Sauna“ ausgezeichnet.
Die Wälder, die tiefen Täler und das Hochmoor laden zu ausgedehnten Wanderungen und Radtouren ein. Erholung Suchende finden ein breites Angebot an Privatunterkünften, Hotels und Pensionen. Der schöne Kurpark in Bad Klosterlausnitz lädt zu Entspannung und Erholung ein.
Die Kirche in Bad Klosterlausnitz einst gehörte sie dem Augustiner Chorfrauenstift.
Bürgel: Das Töpferhandwerk als Zeugnis traditioneller Künste
Von Dornburg aus erblickt man das malerische Gleistal und erkennt am Horizont die Kirchturmspitze der Töpferstadt Bürget. In elf Töpferwerkstätten wird auch heute noch die über die Grenzen Thüringens hinaus bekannte Keramik mit dem blau-weißen Dekor hergestellt. Im Keramikmuseum der Stadt können sich Besucher über die Geschichte des Töpferhandwerkes in der Region informieren. Seit 450 Jahren werden hier ohne Unterbrechung Gefäße aus Ton hergestellt, vielfältig in Formen und Farben. So auch die beliebte und markengeschützte blau-weiße Bürgeler Keramik.
Thalbürgel
Die Talmühle in Thalbürgel diente einst als Klostermühle des Benediktinerklosters. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Mühle zum gegenwärtig existierenden Gebäudekomplex umgebaut. Sie ist heute ein technisches Schauwerk mit original erhaltener funktionstüchtiger Mühleneinrichtung. Jede Führung findet mit Schaumahlen statt. Öffnungszeiten: täglich nachmittags, vormittags auf Anmeldung.
In der Zinsscheune erwartet den Besucher ein Museum mit einer Sammlung zum alten dörflichen und klein-städtischen Leben der letzten 200 Jahre in der Region. Zu sehen sind Wohnräume um 1900. Für Schüler ist eine Unterrichtsstunde in der alten Dorfschule ein Erlebnis.
Wie wurde früher die Ernte eingebracht? Wie hat ein Schuster gearbeitet? Wie wird aus Flachs Leinen gesponnen? In älteren Menschen weckt die Ausstellung Erinnerungen aus der Kindheit. Kinder können sich Vorstellungen vom Leben im 19. Jahrhundert machen. Öffnungszeiten: Di Fr von 9 - 12 Uhr, April bis Okt. zusätzlich Sa, So, Feiertag 14 - 17 Uhr, sonst auf Voranmeldung. Eintritt/Person: 2,50 €.
Dornburg: Nicht nur die Schlösser erinnern an vergangene Zeiten
Im Saaletal erlebt der Besucher zwischen Jena und Camburg eine einmalige, faszinierende Landschaft. Gleichwohl ob man vom Bergfried der Kunitzburg, der Tautenburg, der Burg in Camburg oder von den Bastionen der Dornburger Schlösser ins Saaletal schaut, der Ausblick weitet die Seele und läßt Alltagssorgen nichtig erscheinen.
Wenn der Name Dornburg erklingt, dann denken die meisten an die berühmten drei Dornburger Schlösser. Die Stadt mit ihrer über 1000-jährigen Geschichte ist zentraler Ausgangspunkt für Entdeckungstouren zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Zug oder mit dem Auto. Zu entdecken gibt es geschichtsträchtige Orte, Schlösser, Burgen, Landschaften und Natur. Die wuchtigen, trotzigen Mauern des Alten Schlosses, das holprige Pflaster des seit Jahrhunderten unverändert gebliebenen Straßenmarktes, die verwitterten Steine der Stadtmauer bringen ein Stück deutscher Geschichte greifbar nahe.
Kahla:
Gleichwohl aus welcher Richtung sich Besucher der Stadt Kahla nähern, ob mit dem Auto auf der Bundesstraße 88, ob als Wanderer zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Kanu auf der Saale, schon von weitem ist die Leuchtenburg zu sehen. Die Leuchtenburg - auch Königin des Saaletals genannt - steht für eine Region, die landschaftliche Schönheit und Kultur auf einzigartige Weise miteinander verbindet.
Von der Leuchtenburg blickt der Besucher auf die über 1000 Jahre alte Porzellanstadt Kahla, deren historische Innenstadt mit Stadtmauer, Stadttoren, der einstigen Burganlage, dem Rathaus und Hinterhöfen mit Laubengängen von einer wechselvollen Geschichte zeugt.
Von der Leuchtenburg aus, in nördlicher Richtung, bietet sich ein schöner Ausblick auf die Universitätsstadt Jena. Das Museum der Leuchtenburg erinnert an vergangene Jahrhunderte
Die landschaftlich schöne Region des Saaletals wußten bereits Herrscher vergangener Jahrhunderte als reiches Jagdgebiet zu schätzen. Imposant und von märchenhafter Schönheit strecken sich die Türme des Jagdschlosses Hummelshain in die Höhe. Das gut erhaltene Gebäude wurde 1880 bis 1885 im Auftrag von Herzog Ernst I. errichtet und galt 1918 als herzogliche Jagd- und Sommerresidenz. Unweit davon liegt die barocke Jagdanlage Rieseneck. Sie ist die einzige erhalten gebliebene Jagdanlage ihrer Art in Europa und war früher der Mittelpunkt der gesamten Jagdregion des Holzlandes.
Das dritte Jagdschloß „Fröhliche Wiederkunft“ steht im benachbarten Trockenborn-Wolfersdorf, ein von Wäldern umgebener Erholungsort. Schon bald kann es im Rahmen von Führungen besichtigt werden.
Stadtroda: Auf kleiner geschichtsträchtiger Entdeckungsreise
Der Staatlich anerkannte Erholungsort Stadtroda liegt inmitten einer waldreichen Umgebung und bildet den Eingang zum Thüringer Holzland. Bereits im 9. und 10. Jahrhundert, als die Rodetätigkeit durch fränkische Siedler in den urwaldartigen Tälern der Roda und ihrer Nebenflüsse begann, entstand auf hohem Bergsporn die Siedlung Roda. Der viereckige Turm der Heilig-Kreuz-Kirche mit seiner thüringischen Schieferdachhaube grüßt noch heute als Wahrzeichen dieses alten Marktfleckens vom Berg in die Stadt herunter. Wer an einer Stadtführung teilnimmt, wird feststellen, daß Stadtroda viele bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten zieren. Bereits 1500 wird ein Schloß erwähnt. Seine heutige Gestalt erhielt das Barockschloß in den Jahren 1663 bis 1734. Um das Jahr 1240 entstand das von den Herren von Lobdeburg gestiftete Zisterzienser-Nonnenkloster in der Rodaaue. Das Kloster war Hauskloster und Begräbnisstätte der Herren von Lobdeburg als Gründergeschlecht. Der Stadtrundgang führt auch am „Roten Tor“ vorbei. Als sein Vorgänger, das alte „Töpfertor“, verfiel und aus rotem Sandstein ein neues Stadttor gebaut wurde, bekam es seinen markanten Namen. Es ist das einzig erhaltene von ehemals fünf Stadttoren. Mit dem „Roten Tor“ verbindet sich die Sage der Rodschen Möhre aus dem Jahre 1450.
Das enge Tal der Roda und ihre zahlreichen Seitentäler, steil abfallende Bergsporne mit historischen Bauwerken, zahlreiche Gassen nur für die Fußgriffiger vor allem zwischen den oberen und unteren Teilend er Stadt und ein üppiger Baumbestand im Stadtgebiet. Neben der einzigartigen Topographie bestimmen ein dreiflügliges Barockschloß (heute Amtsgericht), ein repräsentativer Schulbau aus dem Jahr 1907 und mehrere alte Kirchen das Stadtbild.
Geprägt haben die Kleinstadt ihre Funktion als Verwaltungssitz des Westkreises im Herzogtum Sachen-Altenburg, Kurbetrieb bis in die sechziger Jahre und Einrichtungen des Pflege- und Gesundheitsdienstes. Sehenswert das „Schützenhaus zur Louisenlust“ mit dem wohl schönsten Festsaal im Saale-Holzland-Kreis.
Die Ruine eines Zisterzienser-Nonnenklosters steht mitten in der Altstadt. Es wurde 1340 gegründet und bis zur Reformati0on als Kloster betrieben
Die Brehm-Gedenkstätte in Renthendorf informiert und gedenkt dem Leben und Werk der Tierforscher Christian und Alfred Brehm
Jena: Ein Streifzug durch Industrie und Wissenschaft
An der Saale, umgeben von 400 Meter hohen Muschelkalkhängen, liegt die traditionsreiche und innovative Universitätsstadt Jena, die zu einer der landschaftlich schönsten Städte in Deutschland gehört.
Jenas heutiges Stadtbild ist nicht nur durch eine wechselvolle Geschichte, eine glanzvolle geistige Vergangenheit und eine Vielzahl kulturhistorischer Schätze geprägt, sondern auch durch eine junge Kulturszene, moderne Architektur und dynamische Wirtschafts- und Wissenschaftsstrukturen.
Durch die Gründung der Universität im Jahre 1558 durch den Kurfürsten Johann Friedrich wurde Jena zum Zentrum europäischer Geistesgeschichte. Hier wirkten Ende des 18. Jahrhunderts Goethe und Schiller und hier wurde die Deutsche Romantik begründet. Der Kreis der Frühromantiker unter den Brüdern Schlegel lebte und arbeitete in Jena. Auf den Spuren dieser bekannten Künstler und Gelehrten kann man sich im Romantikerhaus, in Schillers Gartenhaus oder auch in der Goethe‑Gedenkstätte bewegen.
In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts gründete das wissenschaftlich-wirtschaftliche Dreigestirn Carl Zeiss, Otto Schott und Ernst Abbe die feinmechanisch-optische Industrie in Jena. Über die bahnbrechenden Erfindungen und das damalige Arbeitsumfeld jener klugen Köpfe kann man sich heute in zahlreichen Museen, wie zum Beispiel im dienstältesten Planetarium der Welt oder im optischen Museum mit der historischen Zeisswerkstatt, ein Bild machen.
Überdies findet man in Jena aber auch eine moderne Kulturlandschaft. So bringt das jährliche Open Air Festival „Kulturarena“ internationale Stars nach Jena und die breitgefächerten Angebote der Museen, des Jenaer Theaterhauses sowie die Jenaer Philharmonie haben individuelles und hochkarätiges zu bieten.
Liebevoll erhaltene Stadtviertel, Straßenzüge im südländischen Flair, Feinschmeckeradressen und urige Kneipen vermischen sich dabei mit modernen Einkaufsmöglichkeiten, wie in der Goethe Galerie und im Einkaufszentrum „neue mitte“ am 128 Meter hohen Jen Tower, dem höchsten Büroturm der neuen Bundesländer, von dessen Aussichtsplattform sich ein fantastischer Panoramablick eröffnet.
Jena - eine Stadt zwischen Historie und Fortschritt - lebt von seinem Facettenreichtum: Die Verbindung von geschichtsträchtiger und intellektueller Vergangenheit, landschaftlichen Reizen, jungem studentischen Leben, innovativer Forschung und Wirtschaft schafft eine einzigartige Kulisse, die der kleinen, quirligen Großstadt einen Charme verleiht, der ihren Besuchern lange in Erinnerung bleiben wird.
Schkölen:
Die über 1000 Jahre alte Stadt.gilt als Geheimtip für Geschichtsfreunde und Hobbyarchäologen. Im Zentrum der Stadt liegt die 1000 Jahre alte Wasserburg, die als Vorhut der Kaiserpfalz Domburg von Otto I. betrachtet werden kann, deren eigentlicher Ursprung jedoch im Dunkel der Geschichte verborgen liegt. Ausgehend von der Wasserburg können Wanderer eine slawische Fluchtburg, eine frühe slawische Siedlung, die Trojaburg, das größte Grabhügelfeld Ostthüringens oder ein Rasenlabyrinth erleben.
Crossen:
Die ebenfalls über 1000 Jahre alte Stadt Crossen wird geprägt vom Schloß Crossen, das aus einer Burganlage hervorging. An der touristischen Erschließung der zahlreichen Rittergüter im Umfeld von Crossen und Schkölen wird gearbeitet. Erlebbar ist die Region mit dem Fahrrad auf dem Elster-Radweg und seinen Verbindungen zu anderen Radwegen, zu Fuß auf interessanten Rundwanderwegen, aber auch mit dem Pferd ausgehend von einem der zahlreichen Reiterhöfe rund um Eisenberg. Hotels, Pensionen, Privatzimmer und Gaststätten bieten Besuchern den passenden Rahmen für geschichtliche und landschaftliche Entdeckungen in und um Eisenberg. Besucher können das romantische Tal mit Kremserwagen, per Fahrrad oder zu Fuß durchqueren.
Hainich
Der Hainich als 13. Nationalpark in Deutschland mit zentraler, gut zu erreichender Lage bietet mit seinen vielgestaltigen geschlossenen Waldflächen, insbesondere einem wertvollen Buchenbestand, großen Wiesen und verwilderten Hecken unzählige Wandermöglichkeiten. Naturliebhaber, Allwetterwanderer, entdeckungsfreudige und ruhesuchende Menschen können sich zu jeder Jahreszeit erholen und entspannen. Eine Fülle selten gewordener Pflanzen und Tiere hat hier Lebensräume und Schutz gefunden, darunter 14 Fledermaus- und 22 Orchideenarten. Über 600 verschiedene Großschmetterlinge tummeln sich im Hainich, nahezu 800 Blütenpflanzen wurden bisher erfasst. Jede Begegnung mit dem „Urwald mitten in Deutschland“ zeigt uns den Reichtum der Natur, wenn man sie „Natur sein lässt“. Mutigen sei gesagt: Eine Nachtwanderung kann zu einem einzigartigen Erlebnis werden. Der Weg führt uns sowohl durch die Tiefen des Hainicher Urwaldes wie auch durch offenes Gelände mit Panoramablick über das Thüringer Becken, überspannt von einem schier unendlichen Himmel. Wer sich ganz leise verhält und Luchsaugen hat, kann vielleicht in der Tiefe des verwildernden Waldes eine der seltenen Wildkatzen erspähen, die in einer kleinen Population wieder heimisch geworden sind. Ornithologisch interessierte Wanderer werden sich an der Vielfalt der Vogelstimmen - über 170 Arten - freuen. Die meisten Dörfchen am Saum des Hainich bieten Möglichkeit zu Rast und Einkehr. www.hainichland.de
Baumkronenpfad
Eine einzigartige Attraktion seit August 2005 ist der 306 Meter lange Baumkronenpfad in der Nähe des Parkplatzes Thiemsburg bei Bad Langensalza. Er führt die Besucher in einer Höhe bis 24 Meter durch die Baumkronen von neun Laubbaumarten, unterwegs erfährt man in mehreren thematischen Stationen viel Wissenswertes über Flora und Fauna. Der Pfad mündet in einen Turm, dessen Plattform in 44 Meter Höhe atemberaubend schöne Aussichten auf den Nationalpark und dessen Umgebung bietet. Stündliche Führungen.
Öffnungszeiten: 1. April - 31. Oktober 10 - 19 Uhr, 1. November- 31. März 10 -16 Uhr,
Opfermoor
Wo ist Deutschlands Mitte? Geografisch gesehen: zwischen Nieder- und Oberdorla, seit 1990 wissenschaftlich nachgewiesen, fünf Kilometer nördlich von Kammerforst. Just hier wurden 1957 beim Torfstechen Reste einer germanischen Kultstätte entdeckt. Der Fund war bedeutend, wenn auch damals noch umstritten. Heute werden Originale und Nachbildungen im Ausstellungszentrum „Opfermoor“ gezeigt. Öffnungszeiten: täglich von 10 - 18 Uhr.
Zweckverband „Mittelpunkt Deutschland“, Schleifweg 8, 99986 Niederdorla Tel./Fax: 0 36 01 - 75 60 40, E-Mail: info@opfermoor.de, wwvv.opfermoor.de
Heygendorf
Zu dem Buch von Heiner Boehncke über Goethes Großvater:
Als Minister hatte Goethe nichts mit dem Ort Kannawurf zu tun, denn er war ja in Sachsen -Weimar- Eisenach angestellt, Kannawurf gehörte aber (vermutlich) zu Schwarzburg – Sondershausen. Dennoch wird er durch den Ort und durch Artern gekommen sein, aber nicht um seine Verwandten zu besuchen.
Ziel war eher Karoline Jagemann, Freifrau von Heygendorf, eine zur damaligen Zeit sehr bekannte Schauspielerin. Diese soll er mehrfach besucht haben. Allerdings war er dann wohl weniger im Herrenhaus in der Dorfmitte, sondern im Gartenpavillon am Ortsrand. Dieser ist heute noch vorhanden und wird „Goethehäuschen“ genannt. Es war wohl so etwas wie das Willemerhäuchen in Frankfurt.
Wittenberg: Das evangelische Rom „Spiegel“ 43/2008, Seite 62-65
Nur noch zehn Prozent Protestanten leben in der Lutherstadt Wittenberg. Das soll sich jetzt ändern. Martin Luthers Erben wollen die Stadt zu einem protestantischen Wallfahrtsort machen.
Man kommt in der Lutherstadt Wittenberg um Martin Luther nicht herum. Gleich am Bahnhof wirbt ein Hotel, „in dem Martin Luther gern gewohnt hätte“. Dann geht es vorbei an der Luthereiche, der Lutherstraße Richtung Lutherhaus. Unterwegs wird für ein Luthermenü geworben (wahlweise Fleisch oder Fisch). Ein Reisebüro preist ein Motorschiff „Lutherstadt Wittenberg“ an, auf dem man heiraten kann. In den Kneipen wird Lutherbier ausgeschenkt, beim Bäcker gibt es Lutherbrot. Auf dem Marktplatz steht ein großes Lutherdenkmal. Stadtführer springen als Lutherersatz in langen Kutten durch die Straßen. Die Stadt ist komplett verluthert.
Wittenberg ist für die Geschichte des Protestantismus so wichtig wie Rom für die katholische Kirche. Doch es gibt einen Unterschied zwischen den Städten: Rom ist voller Katholiken, von den 46 wo Einwohnern Wittenbergs sind dagegen nur 4500 evangelisch.
Manchmal gibt es Wunder des Glaubens, Marienerscheinungen etwa oder das Comeback der Orthodoxie in Rußland nach 70 Jahren Unterdrückung in der Sowjetunion. In Wittenberg aber ist ein Wunder des Unglaubens zu besichtigen. Niemand kann Luther an diesem Ort aus dem Weg gehen, seinem Glauben allerdings schon. Darin verberge sich „eine Spannung, die nicht immer leicht zu ertragen ist“, bekennt die Evangelische Stadtkirchengemeinde.
Doch das soll jetzt anders werden. Vor 500 Jahren kam Luther als Student und Mönch in Wittenberg an, 1517 nagelte er seine Thesen an die Tür der Schloßkirche. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat deshalb eine Lutherdekade ausgerufen, einen frommen Zehnjahresplan gewissermaßen. 500 Jahre nach Luther sehnen sich die Evangelischen nach dem, was sie in Frage gestellt haben - nach Feierlichkeit, Ritus und religiösem Tamtam.
Die EKD-Oberen wollen nicht länger hinnehmen, daß bei den neuen Debatten zum Thema Religion immer nur vom Papst oder vom Islam die Rede ist, daß immer neue Moscheen errichtet werden, im Kernland des Protestantismus aber kein protestantischer Wallfahrtsort existiert. Aus Wittenberg soll nicht weniger werden als ein evangelisches Rom.
Niemand symbolisiert diesen Wunsch nach Augenhöhe mit den frommen Wettbewerbern so sehr wie der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber, 66. Früher war der heutige Bischof von Berlin-Brandenburg alternativ kirchentagsbewegt, lila Halstuch inklusive, heute organisiert er „Bischofs-Dinner“ und predigt am liebsten im wilhelminischen Berliner Dom. Wittenberg hat er zur Chefsache gemacht. Am Reformationstag wird Huber erstmals eine „Martin-Luther-Medaille“ verleihen, „für besondere Verdienste um den deutschen Protestantismus“. Eine Auszeichnung für Bestarbeiter des Glaubens?
Protestanten sind ihrer Natur nach Zweifler. Doch Huber will, daß sie in Zukunft mehr vom Glauben als von ihren Zweifeln reden. Sie sollen die frohe Botschaft verkünden und das Wort Mission nicht länger für ein Unwort halten. „Wittenberg soll ein evangelischer Leuchtturm werden“, fordert Huber. „ein symbolischer Ort.“ In Wittenberg will er zeigen, daß man „gegen den Trend wachsen kann“. Aus der ganzen Republik werden religiöse Wachstumsspezialisten an die Glaubensfront geworfen: evangelische Schwestern aus Bayern und ein leibhaftiger Prälat.
Aber kann diese Kampagne überhaupt funktionieren? Kann man in einer Stadt, in der die Tradition verlorenging, in der den Menschen der Glaube durch die SED ausgetrieben wurde, ihn wieder unter die Leute bringen? Kann man die Ossis missionieren wie einst die Indianer? Friedrich Schorlemmer, noch immer der prominenteste Prediger der Stadt, ist mißtrauisch. Wachsen gegen den Trend? „Reiner Budenzauber“, höhnt er, ein „Selbstbetrug“. Und dann lästert er über die EKD und deren „Leuchtturmwärter“.
Doch deren Missionsprogramm ist bereits im vollen Gange. Die Einführung von Prälat Stephan Dorgerloh (42) in sein Amt wurde zur Demonstration des neuen Selbstbewußtseins. Keine kleine protestantische Feierstunde mit Schmalzbrot vom Mütterkreis, sondern großer, fast katholischer Bahnhof in der Schloßkirche zur Eröffnung der Lutherdekade mit Innenminister. Gemeinden schrumpften, erklärte Protestant Wolfgang Schäuble (CDU). Aber er sei kein Defätist. „Ein starker, selbstbewußter Protestantismus kann für unsere Gesellschaft sehr wichtig sein.“
Ein Minister für Inneres, der nun auch für den Glauben zuständig ist? Im Osten wecken solche Auftritte noch immer Assoziationen. Man denkt an die Staatssekretäre für Kirchenfragen oder das Jahr 1983, in dem Staatschef Erich Honecker Chef eines staatlichen Martin-Luther-Komitees zu dessen 500. Geburtstag war. Die DDR ist zwar tot, aber als Resonanzboden noch lebendig.
Obermissionar Dorgerloh residiert unter dem Dach des Alten Rathauses am Markt. Dorgerloh trägt Anzug, Krawatte, sitzt auf einem schwarzen Ledersessel, und es hängt kein Kreuz in seinem Zimmer. Vergessen? Nein, sagt er, der Raum sei eben noch nicht fertig eingerichtet. In seinem schicken Büro wirkt er nicht wie ein Seelsorger, sondern wie ein Marketingstratege. Und manchmal redet er auch so. Dorgerloh spricht von neuen Konzepten, von langen Linien. er will „Stärken stärken“, will, daß die Kirche mit ihren „Angeboten auf die Marktplätze“ geht. Was jetzt noch fehlt, ist die Powerpoint-Präsentation.
Den Markt hat er auch schon analysiert: Dorgerloh hat die gebildeten Schichten im Visier, die den Kirchen in der DDR verlorengegangen sind. Er weiß, daß sich viele Pfarrer aus der DDR in dem Hauskreis, in den die SED sie verbannt hatte, eingerichtet haben. Er weiß, wie schwer es ihnen fällt, die neue Freiheit zu nutzen. Seine Analyse ist präzise. Aber das Rad, das er dreht, ist doch ziemlich groß für die kleine Stadt Wittenberg. Er will ein „Zentrum für Predigtkultur“, einen „evangelischen Campus“ schaffen. Er verhandelt für die EKD mit dem Land Sachsen-Anhalt darüber, daß Luthers Schloßkirche, die noch im Landesbesitz ist, 2017 an die EKD übertragen wird. Klotzen statt kleckern ist die Devise.
Nur wenige Meter entfernt von Dorgerlohs frommem Elfenbeinturm ist der „Traditionsbruch“ zu besichtigen, den er beklagt. Wer das „Haus der Geschichte“ betritt, ahnt, wie lebensfremd manche der frommen Planspiele sind. Denn in diesem Haus kann man die DDR riechen und schmecken. Die Honecker-Republik besteht in der Ausstellung zum Alltag der DDR aus Blümchentapete, Nierentischen, selbstgebastelten Regalen und Pioniertuch. Es ist ein geistloser Alltag ohne Kreuz, aber mit viel Nordhäuser Doppelkorn, ohne Kirche, aber mit Fotos von saufenden NVA-Offizieren.
Stolz führt ein graugesichtiger und leicht devoter DDR-Untertan durch den DDR- Konsum, der im Parterre nachgebaut wurde. Er zeigt originalgetreue „Bückware“, weil die DDR-Bürger sich nach ihr hinter der Ladentheke bücken mußten: Mangelware wie Ketchup oder Rotwein aus Bulgarien. Man hätte auch Westbücher als Bückware ausstellen können, die wissensdurstige DDR-Bürger auf der Leipziger Buchmesse klauten, um mitreden zu können, wenn der Westbesuch kam. Oder Anstecker der verfolgten Jungen Gemeinde.
„Traumatisiert“ von dieser DDR-Geschichte seien viele seiner Kollegen, bekennt Superintendent Christian Beuchel. Jeder von ihnen kann Episoden erzählen von den Leuten, die fragen, ob Maria die Frau von Jesus war, von Lehrern, die ihren Schülern erzählten, Glaube sei unwissenschaftlich. Für Pfarrer gehörte Überwindung dazu, nach dem Untergang der DDR Schulräume zu betreten. Sie waren feindliche Zonen.
Armin Pra, 44, hat das Glück, daß er die DDR fast nur aus Erzählungen kennt. Er stammt aus Hessen, ist seit 1993 Pfarrer am Rand von Wittenberg. Er sitzt in seinem knallroten Transporter und saust durch die Wittenberger Wirklichkeit, die mit den Planspielen der EKD-Fürsten wenig zu tun hat. „Showveranstaltung“ machten die, findet Pra. Daß die Schloßkirche nun in Kirchenbesitz kommen soll, findet er albern. Die Leute würden ohnehin denken, daß eine Kirche der Kirche gehöre - von den zukünftigen Kosten ganz abgesehen.
Der Mann Gottes gibt Gas und lacht. Er habe Missionswissenschaften studiert: „Da bin ich hier wohl ganz richtig.“ 15 Gemeinden gehören zu seinem Einzugsgebiet, 13 Kirchen, 20 Immobilien. Er muß sich um den Zustand der Gebäude kümmern, obwohl ihm die Menschen viel wichtiger sind und obwohl er hier besonders gefragt ist. „Es läuft ja kaum mehr was von allein“, sagt er.
Er fährt jetzt langsam über altes DDR-Pflaster, dann tritt er auf die Bremse, Ankunft im Dorf Straach, wenige Kilometer von Wittenberg entfernt. Alles sei weg hier. Kein Bahnanschluß, keine Post, keine Schule, kein Laden, selbst der Geldautomat wurde irgendwann abmontiert. „Aber wir sind noch da, und wir dürfen so einen Ort nicht aufgeben.“
Sein Missionskonzept kommt ohne Zielgruppenanalyse aus. Es heißt Präsenz: ein Grußwort zum Feuerwehrfest, Puppenspieler organisieren, beim Fischerverein vorbeischauen. Gesellige, offene Gemeindeabende statt Gottesdienste, die nur frustrieren, weil sie nicht besucht werden. Und irgendwann kämen die Leute bei diesen Gelegenheiten schon und fragten, nach welchen Werten man denn Kinder erziehen solle, was denn noch zähle? „Dann antworten - das ist Mission.“
Pra kann von kleinen Erfolgen erzählen. Von Lehrern, die ganze Bibelsätze bestellt haben, von einem Kirchbauförderverein, der sich für den Erhalt einer Dorfkirche einsetzte. Viele der Mitglieder gehörten nicht zur Kirchengemeinde. Aber „ihre Kirche“ wollten sie doch retten. Sie gehört zur Ortsidentität. Manche ließen in der geretteten Kirche nun ihre Kinder taufen, obwohl sie selbst nicht getauft sind. Vielleicht verheilen so ja die Wunden, die zwei Diktaturen geschlagen haben.
Es gibt einen Ort am Rande von Wittenberg, an dem Neues entsteht - jenseits der vollmundigen Missionskampagnen. „Evangelische Grundschule“ steht in großen Buchstaben weit sichtbar an der Betonwand eines DDR-Plattenbaus. Grit Förster (45) die Schulleiterin, ist gelernte Unterstufenlehrerin aus der DDR und erst als Erwachsene zum „Glauben gekommen“. 13 Schüler hatte sie 2001, als engagierte Eltern mit viel Energie die evangelische Schule ins Leben riefen. „Es waren Eltern, denen an Wertevermittlung besonders gelegen war.“
Förster war die erste und einzige Lehrerin damals, für alles zuständig, „vom Schulbuch bis zur Mülltonne“. Am Anfang sei man beschmunzelt worden, und kaum war die Schule eröffnet, kam die Schulinspektion vorbei. Inzwischen ist die Schule anerkannt, 147 Schüler werden von zwölf Lehrern unterrichtet.
In einfachen Worten kann sie erklären, was christlich an ihrer Schule ist: „Das Evangelische ist das Miteinander.“ Das klingt schlicht, aber es versteht jeder, der hier lebt. Doch Försters Schule ist die große Ausnahme in einer Gegend, in der Bekenntnislosigkeit zum Bekenntnis geworden ist. Selbst an heiligen Stätten des Protestantismus.
Eine Frau mit einem freundlichen Lächeln verkauft die Eintrittskarten im Lutherhaus. Sie kann erklären, welche Geschichte Martin Luther hatte, aber nicht, welche Gegenwart. Für sie hat er jedenfalls keine Bedeutung, vom Arbeitsplatz abgesehen. Sie sei „Atheistin“, sagt die 40-Jährige und fügt hinzu: „Sozialistische Erziehung eben.“ Die Tolerantesten seien ohnehin die Atheisten. Es gebe so viele, die sie persönlich bekehren wollten. Katholiken und Evangelische gleichermaßen. Ein paar Jahre sitze sie zwar schon hier, sagt sie, aber gläubig? Nein, das werde sie nun mal nicht.
Luther ohne die anderen? FAZ, 01.11.208, Seite 10
Es gibt Interesse daran, die Reformationsdekade „Luther 2017 -500 Jahre Reformation“ zum Anlaß für eine umfassende Bestandsaufnahme der Kulturgeschichte des Protestantismus zu nehmen und sie nicht als Luther-Gedenken zu begehen. Die Organisatoren der Wittenberger Tagung „Spurenlese. Wirkungen der Reformation“, die im Oktober 2007 in Wittenberg zu Ende ging, wollen vermeiden, daß sich das fünfhundertjährige Reformationsjubiläum im Jahr 2017 wie manche Jubiläen der Vergangenheit auf Person und Zeit Martin Luthers konzentriert. So ist es konsequent, daß auf dem Programm der Tagung kein Vortrag zu finden war, der sich unmittelbar mit Luther, Zwingli oder Calvin befaßte. Die Diskrepanz zwischen dem Programmblatt der Tagung und der von staatlichen und kirchlichen Stellen getragenen Planung der Dekade tritt schon bei der Wahl der Begriffe zutage: Statt von „Lutherdekade“ sprach man auf der Tagung von „Reformationsdekade“.
Am Anfang der Planungen für die Feiern zum Jubiläum des Wittenberger Thesenanschlags Luthers im Jahr 2017 hatte noch der Begriff „Reformationsdekade“ gestanden. Später hatte das Kuratorium unter der Leitung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Huber, den Begriff „Lutherdekade“ eingebracht. Diese Personalisierung des Reformationsjubiläums hatte das Kuratorium, dem unter anderen auch die Ministerpräsidenten Böhmer, Tillich und Althaus sowie Bundesinnenminister Schäuble angehören, dann gegen den Widerspruch aus dem Forschungsbeirat durchgesetzt.
Das Kalkül der Organisatoren der Wittenberger Tagung beschreibt der Heidelberger Theologe Klaus Tanner so: Die Lutherdekade könne Gelegenheit sein, den „Wahrnehmungshaushalt“ der Theologie zu durchlüften. Wer die Bedeutung der Reformation begreifen wolle, dürfe in Luther nicht allein den Theologen erkennen. Dann könne man nämlich nicht die durchschlagende Wirkung Luthers erklären. Tanner interpretiert Luther als Rhetor, der Erwartungen weckte und Wirkungen freisetzte, die das überschreiten, was heute gemeinhin als religiös gilt. Wenn dem so sei, dürfe die Theologie nicht die Deutungshoheit über die Reformation beanspruchen. Gerade die suggestivsten Reformationsdeutungen der Vergangenheit - man denke an Hegel, Ranke oder Weber - seien „nie eine reine Theologensache“ gewesen. Deshalb habe man in Wittenberg die Deutungskompetenz von Historikern, Germanisten, Juristen. Kunst- und Musikwissenschaftlern, Soziologen, Ökonomen. Politologen, Philosophen und Religionswissenschaftlern versammelt.
Daß die Diskussionen der Tagung immer wieder auf die großen Reformationstheorien Ernst Troeltschs und Max Webers zurückkamen, ist kein Zufall: Beide Grenzgänger zwischen den Disziplinen untersuchten um 1900 die Bedeutung der Reformation für die Entstehung der modernen Welt und schrieben der Reformation dabei maßgebliche Wirkungen in den Bereichen Staat, Wirtschaft, Wissenschaft, Familie, Kunst und Religion zu.
Im Unterschied zu manchen früheren - und auch manchen späteren - Deutungen sei die Bedeutung der Reformation für das Entstehen der Moderne aber oft indirekt, teilweise ungewollt, ja, für die christliche Religion und die menschliche Lebenswelt mitunter sogar tragisch gewesen. Am bekanntesten dafür ist die These Max Webers über den Zusammenhang zwischen der calvinistischen Prädestinationslehre und der Entstehung des Kapitalismus, aus dem der religiöse Geist entwichen sei.
Der These des Juristen Georg Jellinek, eines Kollegen Webers und Troeltschs in Heidelberg, daß auch die Menschenrechte sich einer protestantisch-religiösen und keiner aufklärerisch-politischen Herkunft verdanken, mochte der Göttinger Soziologe Matthias Koenig in Wittenberg nicht folgen: Zutreffender sei eher, daß sich diese Ableitung der Menschenrechte den Anliegen der Intellektuellen im „Weltdorf Heidelberg“ um 1900 verdanke. Jellinek, Weber und Troeltsch hätten neben einer hohen Sensibilität für die Kulturbedeutung des Protestantismus eben auch dem Wilhelminischen Kaiserreich ein Demokratisierungsdefizit bescheinigt (so Friedrich Wilhelm Graf).
Daher hätten sie die Menschenrechte nicht wie die zeitgenössische französische Geschichtsschreibung mit dem Säkularismus der Französischen Revolution verbunden, sondern sie im Gegenteil vom Verdacht des „Welschen“ befreien wollen. Über einen transatlantischen Umweg bei den zur Auswanderung gezwungenen radikaleren Flügeln der Reformation sei der Anfang der Menschenrechte im germanisch-religiösen Freiheitsbewußtsein Luthers gegeben.
Aufklärung darüber, ob das zutrifft, ist in nächster Zeit - und vielleicht von der Wissenschaft grundsätzlich - nicht zu erwarten.
Das focht in Wittenberg aber niemanden an: Bei der „Spurenlese“ wollte man zunächst lohnende Fragen ausmachen. Dafür müsse man sich Zeit nehmen, wenn das Reformationsjubiläum schon auf zehn Jahre Dauer anlegt sei. „Die Eile geht, aber der Mist bleibt“, merkte der Hallenser Kirchenhistoriker Udo Sträter an.
Das Interesse der Kirchen, daß sich die Bemühungen der Wissenschaft irgendwann auch in „symbolischen Verdichtungen“ niederschlagen mögen, hält sein Kollege Tanner im Grundsatz für legitim. Aber er weiß, daß die Kommunikationsbedingungen dafür seit Troeltsch und Weber nicht einfacher geworden sind. Schon beim nationalisierten Reformationsjubiläum des Kriegsjahres 1917 vermochten deren beeindruckende, aber eben auch verästelten Deutungen kaum noch zu überzeugen.
Man vereinfachte die Deutung, indem man Reformation auf Religion reduzierte - was auch bei Troeltsch schon leise anklingt. Luthers Erbe schien sich so vor allem auf die Rechtfertigung des Sünders durch Gnade allein zu reduzieren. Daß zur gleichen Zeit weite Teile von Theologie und Philosophie den Kontakt mit den Geschichtswissenschaften aus der Hand gaben, ist nicht zufällig.
Es wird darauf ankommen, ob es bis 2017 gelingt, eine sowohl in der Sache haltbare wie auch gegenwartserschließende Erzählung für die Geschichte des Protestantismus zu entwerfen - von seinen Anfängen in der Reformation bis ins unübersichtliche 21. Jahrhundert. Dabei muß weder ein Heldenepos am Ende stehen noch eine schwermütige Melodie wie bei Weber gesungen werden. Aber daß sich Professoren unterschiedlicher Fächer dem Ansinnen auf ein solches Narrativ nicht entzogen und sich dafür auch ein Stück weit vom distanzierten Habitus des Kulturprotestanten lösten, machte den Reiz vieler Luther-Jubiläen der Vergangenheit aus.
Wittenberg: Luther im Herzen FAZ, 20.09.2009, Seite 3
Burghauptmann Günter Schuchardt sitzt in einem der flauschigen beigen Staatsratssessel hoch über dem Thüringer Wald. Ja, beim Cranach-Jahr 2015 habe man „auch die Finger drin“. Erst komme aber 2011 das Liszt-Jahr und 2013 das Wagner-Jahr. 2017 ist dann Luther-Jahr. Luther werde aber eigentlich erst 2021/22 für die Wartburg interessant, wenn die Übersetzung des Neuen Testaments durch Luther vor 500 Jahren gefeiert wird. Er hat sie hier in elf Wochen fertiggestellt. Außerdem, sagt Schuchardt, sei 2017 ja nicht nur 500 Jahre Thesenanschlag, sondern auch 200 Jahre Wartburgfest und 950 Jahre Wartburggründung. Dennoch sei man natürlich an der Dekade „Luther 2017 - 500 Jahre Reformation“ beteiligt. Die wird an diesem Sonntag eröffnet. Die meisten der 600.000 Gäste im Jahr kämen ja wegen Luther auf die Wartburg nach Eisenach. Und wozu seien Jubiläen nicht alles gut? Jedenfalls dazu, Fördermittel zu bekommen.
Schuchardt wartet auf Geld für Renovierungsarbeiten an der Wartburg. Noch wichtiger ist dem Burghauptmann aber der Bau einer Standseilbahn hinauf zur Wartburg. Dagegen sträubt sich indes die Unesco als Hüterin des Weltkulturerbes, zu dem die Wartburg zählt. „Wir haben hier jedes Jahr mehrere Todesfälle auf der Wartburg. Herz-Kreislauf.“
Die Mehrzahl derer, die den steilen Weg vom Parkplatz unterhalb der Wartburg hinaufsteigen, ist älter als sechzig und deutsch. Schuchardt besucht in den Vereinigten Staaten Messen für Religionstourismus, aber nur jeder Zehnte kommt bisher aus dem Ausland zum deutschesten aller Orte. Schon der Wald auf dem Weg hinauf ist sehr deutsch: sattes, nasses Grün. Mischwald. Oben auf der Burg steht stramm die deutsche Fahne im Wind, daneben prangt ein goldenes Kreuz.
Wer unten seinen Wagen abstellt, zahlt für den Parkplatz fünf Euro. Der Eintritt ins Gebäude der Wartburg kostet dann sieben Euro, das Fotografieren einen Euro, Besitzer einer Videokamera zahlen nochmals: fünf Euro, und dürfen Luthers Tintenfleck filmen. Der Legende nach wurde Luther hier des Nachts vom Teufel geweckt und warf sein Tintenfaß nach ihm. Schon die ersten Souvenirjäger und Sammler trachteten diesem Fleck nach der Tinte - man mußte den Fleck unzählige Male erneuern. Von Legenden zehrt man auch in der Burgschenke. Gäste wählen dort zwischen „Drachentöters Waldpicknick“ (Minihaxe mit Sauerkraut), „Meister Klingsors Zauberstab“ (Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat) und „Kreuzfahrers Fastenspeise“ (Tomatencremesuppe).
Der Vorteil des Burghauptmanns gegenüber Stefan Rhein, dem Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, ist, daß auf der Wartburg alles auf engem Raum zusammengedrängt ist. Drei von vier Burgbesuchern besichtigen das Wartburg-Museum. Das ist in der Lutherstadt Wittenberg - Rhein nennt sie ein großes „Freilichtmuseum“ - anders: Etwa 400.000 Besucher kommen jedes Jahr nach Wittenberg. 250.000 von ihnen besuchen die Schloßkirche, an deren Tür Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen zum Ablaß angeschlagen haben soll und in der Luther begraben liegt. Nur jeder fünfte Tourist schafft es den einen Kilometer der Flaniermeile Wittenbergs entlang bis ins 2003 neueröffnete Museum in Luthers Wohnhaus. „Wir verlieren viele an Wurstbuden und Eisdielen“, sagt Rhein. Aber nicht nur kulinarisch lauert man den Touristen unterwegs auf: An keiner anderen Lutherstätte wird so viel Nepp rund um Luther feilgeboten wie hier in Wittenberg. Neben klassischen Altherrendevotionalien wie Lutherbechern aus Zinn und Gedenkmünzen kann man auch Luther-Bier kaufen. Oder die schon beim 450. Todestag Luthers im Jahr 1996 angefeindete „Luthersocke“, in die Luthers Satz auf dem Wormser Reichstag 1521 „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ eingestickt ist.
Inzwischen wurde die Luthersocke zur Aufbewahrungssocke für Handys weiterentwickelt. Wem auch das noch zu bildungsbeflissen ist, der greift zu Katharina von Boras „Nonnenfurz“-Likör oder - eine Spur esoterischer - zu Katharina von Boras „Lebenslust-Tee“. Überhaupt scheint die Verehrung von Katharina von Bora in Wittenberg die ihres Ehemanns fast zu übertreffen.
Von ihr ist zwar wenig Erhebliches überliefert - aber eben auch nichts Anstößiges. Luther dichtete „Erhalt uns Herr, bey deinem Wort / Und steur des Bapsts und Türcken Mord“ und dachte über „Pestis eram vivens, moriens ero mors tua, papa“ (Lebend war ich deine Pest, tot werde ich dein Tod sein, Papst) als Inschrift für sein Grab nach, derweil Katharina treu für ihren Martin braute, brannte und kochte.
Solch brachiale Äußerungen waren für den wahrscheinlich 24 Jahre alten und tief in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit versunkenen Augustiner-Eremiten Luther noch undenkbar, als er im September 1508 erstmals nach Wittenberg kam, um an der Artistenfakultät der gerade gegründeten Universität Vorlesungen zur Moralphilosophie zu halten. Das war vor 500 Jahren und ist für sich genommen wenig aufregend. Aber mit der Überschrift „Luther kommt“ hat die Ankunft Luthers in Wittenberg schon einen anderen Klang und kommt gerade recht, das wohl aufwendigste Lutherjubiläum aller Zeiten einzuläuten - die Dekade „Luther 2017“. Innenminister Schäuble, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer (beide CDU) und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Huber, werden dafür an diesem Sonntag in Wittenberg erwartet, der Präsident des Lutherischen Weltbundes, der Amerikaner Mark S. Hanson, wird predigen.
Kommt Rom so doch noch zu seinem Vatikan? Bisher, sagt Stiftungsdirektor Rhein, sei Wittenberg für die Protestanten wie „Rom, aber ohne Vatikan“. Die EKD sitzt in Hannover, der Lutherische Weltbund in Genf. Daran wird sich wahrscheinlich wenig ändern, trotzdem bahnt sich in Wittenberg ein fröhlicher Wechsel an: Das Land Sachsen-Anhalt und die Stadt Wittenberg würden gerne das Schloß und die damit verbundene Schloßkirche an die evangelische Kirche übereignen, damit diese dort dauerhaft Einrichtungen unterbringt.
Bisher ist Sachsen-Anhalt durch ein preußisches Privileg, das Friedrich Wilhelm III. zum 300. Reformationstag erließ, dazu verpflichtet, die Schloßkirche zwar der Kirche zur Nutzung zu überlassen, aber selbst die Baulast zu tragen. Beide Parteien verhandeln jetzt darüber, was bei der Übergabe unter dem Wort „saniert“ zu verstehen ist. Denn das Schloß ist marode.
Die Tür zur Schloßkirche, an der die 95 Thesen angeschlagen worden sind, umranken derzeit Gerüste und Planen. Rechtzeitig vor Beginn der Lutherdekade ist der Wittenberger Stadtverwaltung medienwirksam aufgefallen, daß auch das neogotische Lutherstandbild auf dem Marktplatz dringend saniert werden muß. Wenn Luther bis zum großen Reformationsjubiläum 2017 „nicht vom Sockel fallen soll, muß dringend etwas passieren“, sagt der Bürgermeister.
Im Rathaus hinter dem Luther-Standbild richtet in diesen Tagen Stephan Dorgerloh sein Büro ein. Er wird in Wittenberg die EKD vertreten. Dafür hat man ihn mit einer freundlichen Assistentin aus Finnland und dem wohlklingenden Titel „Prälat“ ausgestattet. Dorgerloh klagt, ein jeder denke: Zehn Jahre, das „doch eine irre lange Zeit“. Aber das ist „kürzer, als man denkt“. Daß jeder Lutherort den Rost von seinem Lutherstandbild entfernt bekommt, ist Dorgerlohs geringste Sorge, denn vor allem will ein unübersichtliches Gremiengeflecht koordiniert werden: Kuratorien, Lenkungsausschüsse, Steuerungsgruppen, interminiserielle Gruppen, Lutherforen. Beteiligt sind Landeskirchen, die EKD, der Bund, die Länder, Universitäten, Stiftungen, Verbände, Kommunen. Sie sollen unter dem Dach von „Luther 2017“ zusammen geführt werden. Viele sehen sich in der Verantwortung - und jeder Ort möchte gern ein „herausragender“ Lutherort sein.
Stiftungsdirektor Rhein, promovierter Altphilologe, sagt, zu Beginn seiner Tätigkeit in Wittenberg habe er an den feinen Unterschieden arbeiten müssen. Die Touristiker sprachen unverdrossen vom „Produkt Luther“. Sein Interesse sei es aber, Luther „weder zu verramschen noch zu vermarkten, sondern zu kommunizieren“. Den Wittenbergern, erzählt Stefan Rhein, liege ihr Luther am Herzen - auch wenn nach fünfzig Jahren Indoktrination weniger als 20 Prozent einer Kirche angehören. Erfolglos sei der Versuch der politischen Führung in den siebziger Jahren geblieben, der Lutherstadt Wittenberg ihren Beinamen zu entwinden.
Der zarte Beginn des Manövers war es, die Busse statt Lutherstadt mit „Chemiestadt Wittenberg“ zu beschriften. Rasch rochen die Wittenberger den nach VEB Piesteritz riechenden Braten und wehrten sich, bis es wieder Lutherstadt hieß.
Auch das harmlosere Ansinnen, die Lutherstatue am Marktplatz zeitweilig auf die Expo 2000 in Hannover zu verfrachten, stieß in Wittenberg auf Ablehnung. Vor dem Standbild Luthers, wo vor der Wende die „Stadtbilderklärer“ das Stadtbild erklärten, bessert heute so manche Ich-AG ihre Bilanz mit Kostümführungen auf. Zwischen Cranach-Haus und Leucorea turnen sie als Luther oder Katharina von Bora verkleidet umher oder führen als „Magd Cranachs zu den Plätzen der Ehepriester und Dirnen“.
Wie es bei den Reformationsjubiläen der Vergangenheit zuging, weiß Udo Sträter, Kirchenhistoriker an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Drei bis vier Monate vor dem Jubiläum sei einem Brief zu entnehmen gewesen, wie sich die Obrigkeit die Feierlichkeit vorstellte. Am Tag selbst gab es dann erst einen Gottesdienst, dann einen Umzug, ein paar Reden, am Nachmittag wieder einen Umzug - „und abends wurde gesoffen“. Kritik am ritualisierten Gedenken der Person Luthers kennt Sträter schon aus universitären Festreden des frühen 18. Jahrhunderts.
Luther, der sich selbst mitunter als „stinkenden Madensack“ bezeichnete, war jeder Kult um seine Person zuwider. Sein Denken lebt bis in die letzte Pore von der Einsicht, daß der Mensch im Gegenüber zu Gott schlechterdings nur als Empfangender gedacht werden kann und jedes Sichrühmen ausgeschlossen bleibe. Der Freiheitgedanke, der den Protestantismus seit seinem Beginn begleitet, widerspricht dem nur scheinbar, denn auch er verdankt sich der Bescheidung, sich nicht selbst über die Welt erheben zu können.
Der Glaube, nur durch Gnade von den Fesseln dieser Welt befreit zu sein, brachte Luther im Jahr 1517 dazu, seinen Namen in Anlehnung an das griechische „eleutherios“ (der Freie) von Luder in Luther abzuändern. Dieses Freiheitspathos Luthers hat man politisiert, nationalisiert und dogmatisiert. Zuletzt ist es oft eine Sache des Dafürhaltens, ob man es dabei im Einzelfall mit Auslegung, Anverwandlung oder Instrumentalisierung Luthers zu tun hat. Auch „Luther 2017“ wird vor dieser Frage nicht gefeit sein, wobei die Reihe der Möglichkeiten um die „Eventisierung“ Luthers erweitert werden müßte.
Auch in der „Lutherstadt Eisleben“ läuft ein kostümierter Stadtbilderklärer wahlweise als „Doktor Martinus“ oder als „Nachtwächter Ambrosius“ herum, aber hier wird weder die EKD noch der Lutherische Weltbund ein Büro eröffnen. Gegen die „Eventisierung“ Luthers in Wittenberg hat Pfarrer Hauke Meinhold nichts einzuwenden. Ihn stört aber, daß die „Events“ meistens nichts mit Luthers Glauben zu tun haben und sogar im Widerspruch zu diesem stehen. In einem Brief an seine Landeskirche hat er sich über einen „Pilgerweg“ mit Luther beschwert, der im Oktober den Fußstapfen Luthers aus seinem Kloster in Erfurt nach Wittenberg folgt. Meinhold sagt, Luther seien solche Frommtuereien ein Greuel gewesen.
Ein „Event“ zum Beginn der Lutherdekade planen die Eislebener Pfarrer aber, und was für eines: Am 11. November 2008 sollen in Luthers Taufkirche St. Petri 525 Menschen getauft werden - 525 Jahre nach Luthers Taufe auf den Namen des Tagesheiligen. Das ehrgeizige Ziel verdankt sich dem amerikanischen Optimismus von Meinholds Kollegen aus der Stadtgemeinde, Scott A. Moore. Inzwischen rechnet Meinhold mit ungefähr 20 Taufen - jetzt versuchen die Gemeinden über das Internet die ganze Welt für die Aktion zu gewinnen. Unterstützung gibt es aus Hawaii, in Caracas, Tallinn und aus Österreich. Die Täuflinge aus der eigenen Gemeinde wären der Kirche zwar irgendwann „auch so in den Schoß gefallen“, aber die Menschen brauchten eben etwas Besonderes als letzten Anstoß für die Taufe oder den Wiedereintritt, sagt Meinhold. „Das sollten die mal machen in Wittenberg.“
Eisleben geht mit einem 2005 von Grund auf neu konzipierten Museum in die Luther-Dekade. Luther ist in der heute 23.000 Einwohner zählenden Stadt westlich von Halle 1483 geboren worden und bei der Schlichtung von Familienzwistigkeiten der Grafen von Mansfeld im Februar 1546 gestorben.
Bis vor zwei Jahren wurde das Museum in Luthers Geburtshaus von einer Müntzer-Forscherin geleitet. Müntzer, der Radikal-Reformator, stand zu DDR-Zeiten weit höher in der Gunst des Gedenkens als der „Fürstenknecht“ Luther. Bis heute zeugen davon die vielen Müntzer-Straßen, die im Unterschied zu vielen Karl-Marx-Straßen auch die Wende überstanden haben.
Die alte Ausstellung in Eisleben war noch dem einst opportunen Blick verpflichtet und zeigte Martin Luther vor allem als Sohn eines Bergmanns. Hinter Luthers tiefer Bindung zum Bergbau im Mansfelder Land konnte der Theologe und Kirchenreformer Luther zum bloßen historischen Zufall verblassen. Der Leiter des neuen Museums im Geburtshaus Luthers, Christian Philipsen, berichtet von Irritationen, als man das Thema Bergbau in der neuen Ausstellung auf einen einzigen Raum zurückstutzte. Der Raum zu Luthers Vater wurde dann auch nicht unter der Überschrift „Hans Luder - der Bergmann“ konzipiert, sondern „Hans Luder - der Unternehmer“ genannt. Denn Luthers Vater war, so sieht es die Geschichtsschreibung heute, mitnichten nur ein einfacher Bergarbeiter gewesen, sondern besaß neben Beteiligungen an Hütten auch Kapitalgeschäfte und Land, das er verpachtete. Selbst ein Toter kann so vom Arbeiter zum Kapitalisten werden.
Was sich in der Gegenwart Eislebens tut, nennt Stiftungsdirektor Rhein halb scherzhaft „Reformationsgeschichte von unten“. In Eisleben fehlten der Kirche die notwendigen bürgerlichen „Trägerschichten“. Und die Unterstützung von oben. Pfarrer Meinhold klagt, bei den Pfarrstellen werde andauernd gestrichen. Diesmal erwischt es uns.“
Luther – Wahrheit und Gerüchte
Thesenanschlag:
Entweder hat es den Thesenanschlag nie gegeben, er ist nur eine anekdotische Zuspitzung. Oder es hat ihn gegeben, aber er war ein normaler Akt eines Universitätsprofessor: Wollten sie eine öffentliche Diskussion über ihre Thesen, mußte sie eine Woche vorher angekündigt, die Thesen an Stadt- und Schloßkirche ausgehängt werden, nicht vom Professor, sondern vom Hausmeister. Möglicherweise war das ein alltäglicher Vorgang, daß er nicht weiter erwähnt wurde.
Auch von Luther gibt es kein Zeugnis darüber. Er erwähnte Briefe an „einige Kirchenfürsten“ und ein „Disputationszettelchen“, in dem ich nur Gelehrte einlud, ob sie vielleicht mit mir debattieren wollten“. Der Gothaer Reformator Friedrich Myconius berichtete 1541 von vier Briefen an Bischöfe und nach ausbleibender Reaktion von einem Druck der Thesen. Auch die vorgeschriebene universitätsinterne Diskussion fand nie statt.
Berichtet wurde der Anschlag viele Jahre später von zwei Kollegen Luthers, die nicht dabei gewesen sind: vom Jenaer Georg Rörer, der in einem Druck der Lutherbibel in einer Notiz davon schrieb, und von Philipp Melanchthon, der in der Wittenberger Lutherausgabe meinte, Luther habe, „brennend in frommem Eifer, die Thesen über den Ablaß“ angeschlagen. Mit dem berühmten Flugblatt „Göttlicher Schrifftmessiger / woldenckwürdiger Traum“, das heute im British Museum in London zu finden ist, wurde dann dieser Gründungsmythos 1617 ein für allemal festgelegt: Zu sehen ist Luther, der mit einer Feder Buchstaben in ein Kirchentor kratzt, die Feder reicht bis Rom, wo sie die Kleriker und einen Löwen (Papst Leo X.) aufstören soll.
Kritik am Ablaß:
Luther kritisierte zunächst gar nicht den Ablaß, sondern nur den Mißbrauch. Und er war auch nicht der Erste: Die Kritik von Humanisten und sogar in der Bevölkerung war schon so groß, daß zum Beispiel im rheinisch-niederländischen Raum fast niemand mehr Ablaßbriefe kaufte. Zudem hatte Luther mit seinem Beichtvater Johannes von Staupitz und den Theologen Johannes Lang und Georg Spalatin seine Themen, Ablaß und Buße, schon ausführlich erörtert. Daß das Geld vom Vatikan für den Bau des Petersdoms und vom Mainzer Erzbischof Albrecht zur Rückzahlung seiner horrenden Schulden bei den Fuggern dringend gebraucht wurde, wußte Luther nicht einmal. Er wäre wohl noch heftiger geworden.
Reichstag in Worms:
Auf dem Wormser Reichstag weigerte sich Luther zu widerrufen und berief sich auf die Autorität über dem Papst, die Heilige Schrift. Berühmt wurde sein Schlußwort: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. „Leider hat er es nie gesagt. Sondern: „Solange mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“ Nachgewiesen ist das durch viele Berichte und Protokolle, die während seiner Verhöre geführt wurden. Den Satz „Hier stehe ich ...“ haben seine Lektoren in Wittenberg in einer Flugschrift erfunden: „Ich kann nicht anders / hier stehe ich / Gott helfe mir / Amen.“
Tintenfaßwurf und Bibelübersetzung:
Nach dem Reichstag floh Luther auf die abseits gelegene Wartburg, unter dem Schutz von Friedrich dem Weisen von Sachsen. Wie schon früher belästigte ihn der Teufel auch dort, machte Lärm, erschien ihm als Rabe oder schwarzer Hund, so daß Luther einmal das Tintenfaß nach ihm geworfen haben soll. Eine hübsche Legende, die an die Versuchung der Eremiten erinnert. Luther selbst hat allerdings nie darüber gesprochen, wahrscheinlich ist die Geschichte aus einer Äußerung in den Tischgesprächen gesponnen worden. Da sagte er einmal, er habe „den Teufel mit Tinte vertrieben“ - wahrscheinlich aber meinte er damit seine Bibelübersetzung.
Die Zeit auf der Wartburg nutzte Luther zu regen Briefwechseln und wissenschaftlicher Arbeit, er begründete in Polemiken und Druckschriften die Positionen der neuen Kirche zu Hierarchie, Zölibat, Gottesdienst. Und er übersetzte das Neue Testament (nicht die ganze Bibel, wie es immer wieder heißt). Allerdings war er nicht der Erste: Schon um 1330 war eine deutsche Übersetzung der Evangelien entstanden, 1466 die erste komplette deutsche Bibel erschienen. Neu war, daß er aus den Originaltexten übersetzte statt die lateinische Fassung ins Deutsche übertrug. Und neu war vor allem seine bildhafte Sprache, die bis heute prägend ist. Den Anstoß bekam Luther 1521 von Melanchthon, der mit ihm die Übersetzung des Neuen Testaments Satz für Satz durchging: Als Altphilologe beherrschte er Griechisch und Latein, viel sicherer als Luther. Bei der Übertragung des Alten Testaments half dann ein ganzes Gremium, unter anderem Caspar Cruciger, Johannes Bugenhagen und Caspar Aquila.
Die Cloaca:
Luthers zentrale Neuerung des Glaubens war das Wort „sola fide“ - nur durch den Glauben wird der Mensch erlöst -, wobei er das „nur“ selbst hinzugefügt hat, im Urtext des Römerbriefs steht es nicht. Er hat aber ausführlich begründet, weshalb man im Deutschen so übersetzen muß, um den Sinn zu treffen. Irgendwann in den Jahren zwischen 1511 und 1518 kam er durch intensives Studium und lange Meditationen zu dieser Erkenntnis: Überliefert ist ein Satz aus einer Tischrede: „Diese Kunst hat mir der Heilige Geist auf dieser Cloaca auf dem Turm gegeben.“ Im Jahr 2004 entdeckten Archäologen sogar die Wittenberger Latrine und einen Steinsitz mit Abfluß. Bekannt ist, daß Luther an chronischer Verstopfung litt und oft auf der Toilette saß.
Gewitter:
Während eines Gewitters gelobte, Luther, ein Mönch zu werden, wenn es ihn verschonte. Er hatte aber schon vorher überlegt, Mönch zu werden, aber wohl Angst vor der ablehnenden Reaktion seines Vaters davon noch Abstand genommen. Aber gegen ein feierliches Gelübde konnte der Vater nichts einwenden).
Heirat:
Daß Luther heimlich geheiratet hat ist nur halb wahr: es gab eine private Hochzeit und zwei Wochen später die öffentliche Heirat. Seine Frau Katharina von Bora ist nicht in einem Heringsfaß zu ihm gelangt, sondern sie floh mit elf anderen Nonnen in einem Pferdewagen aus dem Kloster, auf dem auch leere Fässer transportiert wurden.
Die meisten Anekdoten wurden wahrscheinlich nur erfunden, um ihn zu einem menschlichen, aber würdigen Kirchengründer zu stilisieren - und weil man sein Leben und Werk in lebendigen Geschichten eben einfach besser fassen kann (nach FAZ, 27.10.2016).
[1] Im Original steht hier „Inspector“, also so etwas wie „Kirchenaufseher“. Dieses Amt läßt sich am ehesten mit dem heutigen Amt des Kirchenvorstehers vergleichen, jedoch ist es doch etwas schwergewichtiger, weil es nur zwei Kircheninspektoren gab, die aber nicht von der Gemeinde gewählt wurden, sondern vom Pfarrer, und zwar aus dem Kreis der Persönlichkeiten am Ort, zum Beispiel war der Vogt auch Kircheninspektor.
[2] Das „Geistliche Ministerium“ in Erfurt war kein Ministerium im heutigen Sinne, obwohl es für einen ganzen Landesteil des Kurfürstentums Mainz zuständig war. Es ist eher mit der Leitung einer Superintendentur zu vergleichen oder mit dem Vorstand der Kreissynode. Der Vorsitzende war der Senior.
[3] oder „Buida“
[4] Die Patin war offenbar anwesend, aber der Vater gab das Kind zur Taufhandlung schnell seiner Schwester
[5] das Wort heißt „Tut“ oder so ähnlich
[6] Offenbar eine Anmerkung des Pfarrers
[7] Name nicht sicher zu lesen
[8] Name auch im Original nur abgekürzt
[9] Kirchendiener, offenbar jährlich wechselnd
[10] Im Original steht hier nur der Hinweis auf eine bestimmte Seite, der Text wurde sinngemäß ergänzt
[11] Der Altarmann erhält wohl die Strafe, weil er die schon geprüfte Rechnung noch einmal beim Ministerium eingereicht hat, weil sie zu seinen Ungunsten gefälscht war
[12] Es ist nicht so recht deutlich, um welches Amt es sich hier handelt. Vielleicht ging es wirklich um Vormundschaftsdinge im heutigen Sinne oder die Befugnisse waren doch weiter gespannt
[13] Ein Wort ist hier unleserlich
[14] Nicht sicher zu lesen
[15] Der Stadtrat in Erfurt hatte offenbar zwei Unterabteilungen, eine katholische und eine evangelische. In „Religionsangelegenheiten“ stimmte dann jeweils nur eine Abteilung ab und nahm Amtshandlungen vor. Die Bezeichnung „Stadtrat A.C.“ bedeutet „Stadtrat Augsburgischer Konfession“
[16] Im Original steht „solenn“, was an sich „feierlich, prunkvoll“ bedeutet. Im kirchlichen Sprachgebrauch ist aber eher das Gegenteil gemeint.
[17] Dem Schulmeister wird hier noch eine negative Bezeichnung zugelegt, deren Übersetzung aber nicht möglich ist
[18] „in der Stille“ heißt offenbar auch „bei Nacht“
[19] Im Original steht hier „Adjuvanten-Chor“, eine Einrichtung in allen Gemeinden zur damaligen Zeit, bestehend aus Schulkindern, die vom Lehrer angeleitet wurden und bei Amtshandlungen in der Kirche sangen.
[20] Im Original steht zwar „Fersel“, aber sonst erscheint der Name nur als „Fressel“.
[21] Im Original steht „Ahrltmann“. Es handelt sich wohl um den Knecht oder Pächter des Pfarrers (siehe auch Erwähnung am Ende von 1793). Der Streit geht wohl darum, ob auch das Pferd des Pfarrers Anteil am Gras der Gemeinde erhält.
[22] Der Fachausdruck ist „Exorzismus“ und steht so im Original
[23] Die Absage an den Teufel wird abgeschafft und die dabei üblichen Fragen werden durch drei andere Fragen ersetzt
[24] Wohl Inhaber eines Freigutes, der nicht den üblichen Lasten (Steuer, Fron) unterlag, also wohl so etwas wie ein Großbauer oder sogar Gutsbesitzer
[25] Hier wird deutlich, daß „Vormundschaft“ doch so etwas wie eine Gemeindevertretung gewesen sein muß
[26] Der Pfarrer hat die Gebühren nicht gezahlt, sondern erhalten
[27] Besuch einer Gruppe von Vorgesetzten, die den Zustand der Gemeinde überprüfen
[28] das heißt vor allem: den Katechismus abfragen
[29] Jetzt erhalten die Schüler nur noch etwas aus dieser Schenkung, nichts mehr aus der Kirchenkasse
[30] Eine Metze war im Großherzogtum Weimar 4,8 Liter
[31] Der Michaelistag ist der 29.September
[32] Spätere Namensform „Brömmer“
[33] Die Witwen der Stadtpfarrer waren offenbar anders abgesichert
[34] Er muß also aus eigenen Mitteln das weiter bezahlen, was bisher die Gemeinde getragen hat
[35] Der Johannistag ist der 24. Juni
[36] wahrscheinlich das Buch „Jesus Sirach“, eines der Zusätze zum Alten Testament
[37] Durch den Reichsdeputationshauptschluß wurden die geistlichen Gebiete in Deutschland säkularisiert und anderen Landesherren zugeschlagen. Betroffen war auch das Bistum Mainz, dessen thüringische Gebiete an Preußen gingen. Der Pfarrer hat sich noch nicht an den richtigen Sprachgebrauch gewöhnt und schreibt zunächst „Preußische Königliche Majestät“, verbessert sich aber dann durch Darübersetzen von Zahlen
[38] von „affigo“
[39] Eigentlich „Dnn S.S.“ = dominus sanctus, eigentlich „heiligster Herr“
[40] Folge des Wiener Kongresses von 1815 ?.
[41] Das Amt ist also nicht mehr in Azmannsdorf].
[42] Dabei kann es sich durchaus um den Brunnen im Hof handeln, denn das ganze Pfarrgrundstück wird gelegentlich auch als „Pfarrwohnung“ bezeichnet.
[43] Das Pfarrhaus hat keinen Keller, das Gewölbe soll ihn ersetzen..
[44] Die Kircheninspektion hat zwar ihren Sitz in Vieselbach, ist aber nicht identisch mit dem Kirchengemeindevorstand. Sie besteht aus zwei Kircheninspektoren, die allein für Bausachen zuständig sind.
[45] Der Vorstand der bürgerlichen Gemeinde will offenbar die Verpflichtung zum Erhalt der baufälligen großen Scheune los werden, die offenbar auch gar nicht mehr gebraucht wird.. Deshalb ist unterstrichen, das es sich nur um ein k l e i n e s Stallgebäude handelt.
[PH1] die